Ausgabe 1 / 2009 Fachliche Mitteilungen für fliegende

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Ausgabe 1 / 2009 Fachliche Mitteilungen für fliegende
Flugsicherheit
Ausgabe 1 / 2009
Foto Arif Hamdy• Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Bundeswehr
Flugsicherheit
Ausgabe 1 / 2009
Heft 1 März 2009 - 46. Jahrgang
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Flugsicherheit
Hauptmann Oliver Becker ist seit dem
01.10.2008 als Nachfolger von Major
Thomas Kreitmair der Fachlehrgruppe
Flugsicherheit Bw in Fürstenfeldbruck eingesetzt. Im Juli 1992 begann er seine Laufbahn bei der Bundeswehr mit der Grundausbildung in Budel, Holland. Nach der
Ausbildung in Sheppard AFB, Holloman
AFB und anschließender Europäisierung in
Rheine flog er das Waffensystem F-4F als
Luftfahrzeugführer bis Februar 2003. Im
Verband wurde er in Nebenfunktion als
FSO eingesetzt. Anschließend erfolgte eine
Verwendung als Fluglehrer auf der T 38
A/C in Sheppard AFB für 4 Jahre. Mit der Rückversetzung nach Deutschland an die 9./OSLw als Hörsaalleiter für Waffensystemoffiziere Mitte
2007 begann seine fliegerische Karriere wieder auf dem Waffensystem
F-4F in Wittmund. Hptm Becker kann auf einen fliegerischen Erfahrungsstand von ca. 2.800 Flugstunden zurückblicken und diesen in die Flugsicherheitsausbildung einbringen. In seiner neuen Verwendung wünschen wir ihm viel Freude und einen guten Start.
Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände
Titelfoto: Arif Hamdy
Bildbearbeitung www.schaltwerk.de
„Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung
für fliegende Verbände der Bundeswehr
Herausgeber:
Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Redaktion:
Hauptmann Klemens Löb,
Tel.: 02203- 9083124
Luftwaffenkaserne 501/07
Postfach 906110
51127 Köln
[email protected]
[email protected]
Gestaltung:
Hauptmann Klemens Löb
GenFlSichhBw
Erscheinen:
dreimonatlich
Manuskripteinsendungen
sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt
die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers
dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden
sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind
daher möglich und erwünscht.
Druck:
Verlag Heimbüchel & Köllen GbR
53 117 Bonn - Buschdorf
Editorial 1
Right engine on fire ... 2
Isolated Thunderstorms
6
Zweibrücken - fast das deutsche Teneriffa?
8
Maintenance Resource Management
11
Der Seefalke
13
CRM lebt - Situative Aufmerksamkeit am Pool
18
Leserbrief
21
Die Feuerwehren der Bw - ständig im Fokus
22
Zwei ist einer zuviel
27
Arzneimittel übers Internet
30
Personalien
32
Oberleutnant André Kürten ist seit dem
01.02.2009 Angehöriger des Dezernates d
und zuständiger Sachbearbeiter für den Bereich Zelle MK 41, MK 88A, Cougar, NH 90
und Bell UH-1D. Seine Grundausbildung absolvierte er 1992 in Büdel/NL. Anschließend
wurde er zur FlBschft BMVg nach KölnWahn versetzt und zum HubMech UH-1D
ausgebildet. 1995 erfolgte die Zusammenlegung der VIP-Hubschrauber mit Teilen des
ehemaligen HTG 64 zur HubschrauberTransportstaffel Nörvenich, was eine Versetzung von OLt Kürten nach Nörvenich zur
Folge hatte. Dort war er weiterhin als HubMechMstr UH-1D eingesetzt, bis er im August 2000 in die Laufbahn des
OffzmilFD und zur Fachschule der Lw in Fassberg wechselte. Nach erfolgreichem Abschluss der FSLw begann seine Ausbildung zum LfzTOffz im LTG
62 in Wunstorf. Nach dreijähriger Tätigkeit als LfzTOffz in der Wartungsstaffel wechselte OLt Kürten in den Stab TGrp als Leiter Einsatzsteuerung. Im Sommer 2007 folgte dann eine Versetzung nach Köln-Wahn
zum Waffensystemkommando, Abt LwRüst. Dort war er als RüstOffz im
Bereich Avionik EUROFIGHTER, MIDS/Link 16 „fremdverwendet“ und
ist nun hier im Luftwaffenamt, Abt FlSichhBw. Wir wünschen viel Glück
und Freude an der neuen Tätigkeit.
Wir verabschieden ...
Oberstleutnant Bernd Reinwarth war
seit dem 01.10.2005 Dezernatsleiter „d“
des Technikdezernates unseres Hauses. Er
kam vom LTG 63, wo er bis dato Kommandeur der TGrp war. Er ist ausgebildeter
Luftfahrzeugelektroniker und wurde unter
anderem eingesetzt als Sachbearbeiter für
Flugsimulatoren im MatALw, als Chef der
EloWaStff beim JG72 “W“ in Rheine, als
S3Technik beim LTG 63 in Hohn und als A4b
im LTKdo in Münster. Seine militärische
Laufbahn begann 1974 mit der Offizierausbildung und Studium in der Fachrichtung
Fluzeugfunk- und Funkmessausrüstung an
der ehemaligen Offizierhochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung
der NVA. Wir bedanken uns für die geleistete Arbeit und wünschen für
die neue Verwendung als Referent beim FüL I 3 alles Gute.
Major Thomas Kreitmair ist nach etwas
mehr als 3 Jahren in der Fachlehrgruppe
Flugsicherheit Bw zum 30.11.2008 aus
der Bundeswehr ausgeschieden. Als BO
41 wurde er zum Flugzeugführer Tornado ausgebildet. Seine fliegerische Karriere begann in der 1. Staffel JaboG 33
in Büchel. Weitere Stationen waren die
1./JaboG 32 in Lechfeld, wo er auf den
ECR-Tornado umgeschult und in der Folge auch im EG 1 in Piacenza eingesetzt
wurde sowie Goodyear/AZ, wo er 4 Jahre
als Fluglehrer in der fliegerischen Erstausbildung eingesetzt war. Die Tätigkeit als
Lehrstabsoffizier und Hörsaalleiter in Fürstenfeldbruck begann er im
Anschluss. GenFlSichhBw bedankt sich für sein großes Engagement in
der Flugsicherheitsausbildung und wünscht für den weiteren Lebensweg viel Erfolg und Freude an der neuen beruflichen Herausforderung
in der zivilen Fliegerei.
Oberstleutnant Lothar Mücke hat
die Fachlehrgruppe Flugsicherheit Bw in
Fürstenfeldbruck aus gesundheitlichen
Gründen zum 01.11.2008 verlassen. Er
war hier seit 01.07.2003 als Lehrstabsoffizier und ab Januar 2006 als Leiter
der Fachlehrgruppe eingesetzt. Nach
der fliegerischen Grundausbildung zum
Transportluftfahrzeugführer in Bremen
folgten Verwendungen auf dem Einsatzmuster C-160 Transall in Wunstorf,
Penzing und Altenstadt.
Wir bedanken uns für die geleistete Arbeit und wünschen für den weiteren
Werdegang die vollständige Genesung und viel Erfolg.
Hauptmann Markus Baumann ist
wieder in der LwInsthGrp 25 in Diepholz
als Leiter Analytische Zustandsinspektion
UH-1D tätig. Er trat am 01.04.1989 in die
Bundeswehr ein. Nach der Grundausbildung in Budel wurde er zum Hubschraubermechaniker Bell UH-1D beim HTG 64 in
Ahlhorn ausgebildet. Nach der Feldwebelund Meisterausbildung folgten Einsätze
im Stab Technik in den Bereichen Einsatzsteuerung und Arbeitsplanung. Mit seiner
Zulassung zum OffzMilFD begann seine
Fachschulausbildung zum staatlich geprüften Techniker Maschinenbau Fachrichtung
Luftfahrzeugtechnik, die er 1998 erfolgreich abschloss. Die anschließende Verwendung in der LwWerft 23, später umbenannt in LwInsthGrp
25, führte ihn nach Diepholz, wo er bis zum Jahresende 2005 als Leiter
Einsatz TBtrFüOffz FlgdWaSys tätig war. Es folgte die Versetzung zum
Luftwaffenamt Abteilung FlSichhBw, wo er im Dezernat d als LfzTOffz
für die Waffensysteme UH-1D, MK 41, MK 88A, Cougar und NH-90 zuständig war. Hier durfte er alle fliegenden Verbände mit Drehflüglern
inspizieren und mit den vielseitigen Tätigkeitsfeldern kennen lernen.
Vielen Dank für die Unterstützung und alles Gute in der Zukunft.
Editorial
Glänzt ein Schreibtisch und ist er
gut aufgeräumt, hat man den Eindruck, als habe der Besitzer seine
Arbeit souverän im Griff. Dass dieses
Gefühl nicht immer zutrifft, ist uns
allen klar (ein hochglanz poliertes
Auto ist kein Zeichen für besondere
Fähigkeiten des Fahrers am Lenkrad).
Ordnungsliebe ist eine Eigenschaft,
die vorhanden ist oder bei Bedarf antrainiert werden muss. Für alle Freunde
und Vertreter von Schreibtischen mit
Aktenbergen, dass sich die Schreibtische durchbiegen, sei gesagt: Der
amerikanische Management-Professor
Eric Abrahamson fand heraus, dass
Büro-Messies (Chaoten) im Vergleich
zu ihren ordnungsliebenden Mitarbeitern ein Drittel weniger Zeit brauchen,
um gesuchte Unterlagen zu finden. Er
behauptet sogar, dass übertriebene
Ordnung reine Zeitverschwendung sei,
da das Wegräumen und Archivieren
oft aufwendiger sei als das Suchen.
Außerdem behindere zu viel Ordnung
die Kreativität. Ironisch gefragt: Perfekt aufgeräumte Schreibtische - wann
arbeitet der Besitzer eigentlich?
In den unterschiedlichsten Dienststellen und Positionen eines fliegenden Verbandes besteht nun
leider nicht überall die Möglichkeit,
sich seinen Arbeitsplatz individuell und
nach Geschmack einzurichten oder zu
gestalten. Hier zählt die Funktion, der
Arbeitsablauf im Team bzw. die anliegende Aufgabe, die uns zwingt, in
eine gleiche Denkweise und Richtung
zu agieren und zu reagieren. Nur so
werden Fehler vermieden und können
eventuelle Notsituationen mit richtig
angewendeten Notverfahren beherrscht werden. Dabei müssen wir
uns immer vor Augen halten, dass
jeder Einzelne von uns in einer Reihe
von Abläufen steht. Jede Abweichung
bzw. jeder Fehler hat in der weiteren
Folge der Arbeitsprozesse Konsequenzen, die schnell an Dynamik und
Dramatik zunehmen.
Warum erzähle ich Ihnen dies? Das
Zwischenfallgeschehen zeigt, dass die
Verfahren und Arbeitsabläufe nicht
entsprechend den Standards angewendet werden. Fehler, die immer mal
auftreten können, werden mit den
mehrfach etablierten Kontrollschleifen
nicht identifiziert.
Das bereitet mir Sorge.
Lassen Sie uns Vorfälle oder Zwischenfälle nicht mit Glück vermeiden,
sondern mit gelebter Flugsicherheit.
Schmidt
Brigadegeneral
1
Flugsicherheit
„Right Engine on Fire,
keiner hat‘s gewusst!“
©HFw Ingo-Paul Dierkes
von Hptm Reimar Schädel,
Flugsicherungskontrolloffizier, JG 73
In diesem Artikel wird
über den Informationsfluss bei der Abarbeitung einer Luftnotlage
berichtet, welche unter
ungünstigeren Umständen zur Gefährdung
von Personal oder zu
erheblichen Sachschäden
hätte führen können.
2
Eigentlich hätte man nach diesem
Zwischenfall, getreu dem Motto „es
ist ja nichts passiert“, zur Tagesordnung übergehen können. Den Beteiligten erschien die Kette der Ereignisse
jedoch als besonders geeignet, den
Vorfall hinsichtlich des Aspektes der
Kommunikation eingehender nachzubereiten.
Am Ereignistag kam es südlich des
Flugplatzes zu einer „Right Engine
Fire“-Warnmeldung, die im weiteren
Verlauf durch fehlende Informationen
für die Notdienstgruppe zur Beschädigung des noch intakten Triebwerks
bei den Rettungsarbeiten hätte führen
können.
CALLSIGN 2 war mit seinem Rottenführer zu einer Übungsmission
nach Sichtflugregeln (VFR) gestartet.
Unmittelbar nach Beendigung der ersten Manöver des Ausbildungsfluges
wurde die Warnmeldung angezeigt.
Der LFF schaltete gemäß Checkliste
das betroffene rechte Triebwerk ab
und entschied sich zu einem Direktanflug am Heimatflugplatz, wo er sicher
landete.
Zusätzlich ist anzumerken, dass sich
sowohl der Tower als auch das betroffene Luftfahrzeug in einer Ausbildungssituation befanden.
Darstellung
Ereignisse:
und
Auswertung
der
Bei diesem Zwischenfall ist die Fehlerkette, die jedem vergleichbaren
Vorfall vorangeht, klar erkenn- und
nachvollziehbar. Das Hauptproblem,
welches bei diesem Ereignis entscheidenden Einfluss nahm, war KOMMUNIKATION.
Aus einem Flugzeug heraus, oder
allgemein per Funk, ist die Stimme
das einzige Mittel um Kommunikation aufzubauen, Körpersprache und
Mimik sind nicht wahrnehmbar. Aus
diesem Grund muss dieses Mittel mit
kurzen, verständlichen und vor allem
eindeutigen Sprechgruppen korrekt
und vollständig an die richtigen Empfänger eingesetzt werden.
Auffällig war schon die Reihenfolge
der Empfänger, die von dieser Notlage
in Kenntnis gesetzt wurden. Der Erste
der informiert wurde, war der Flugdienstleiter (FDL), der per Funk von
CALLSIGN 2 direkt von diese Notlage
erfuhr.
07:41:30z
LFZ: Arena – Callsign
FDL: Arena hört
LFZ: #2 got a RH Engine Fire, no
external indication of fire
07:43:13z
Tower wird über den FDL alarmiert
FDL: CALLSIGN 2 kommt zurück
mit ‘ner Emergency Procedure (EP), der hatte ein
Engine on Fire, das Triebwerk
ist aus, er kommt Single Engine
zurück
Ab diesem Zeitpunkt hatte der Tower fast alle nötigen Informationen,
um die Notdienstgruppe zu verständigen (betroffenes Triebwerk fehlte) und
dieser ein vorrausschauendes Arbeiten
zu ermöglichen. Dies geschah jedoch
erst 1:10 Minuten später, nachdem
der Tower Kontakt zum betroffenen
Luftfahrzeug hergestellt hatte.
07:44:04z
LFZ: Tower - Callsign with a Mayday aircraft - Callsign 2 is the
Mayday Aircraft - presently we
are southeast of the field for
straight in for number 2, Callsign 1 radar trail
Tower:Callsign, Tower, QNH still 1004 confirm your going via entry
south or direct
LFZ: direct to a long final
Tower:Callsign, this is copied, report
3 miles with gear down.
LFZ: Callsign wilco
Diese Verzögerung hätte auf zwei
Arten vermieden werden können.
1: Der LFF meldet die Luftnotlage unverzüglich und vollständig der zuständigen ATC-Stelle. Der korrekte
Funkspruch für ein lokales LFZ lautet:
Tower, Callsign Mayday, Mayday,
Mayday, Callsign 2 has Right Engine
on Fire
Warning, Engine shut down, position southeast of the field for
straight in.
Dadurch hätte die Notdienstgruppe, bei sofortiger Alarmierung
des Flugunfallalarmkreises 1, fast
drei Minuten mehr Zeit zur Verfügung gehabt. Ungeachtet dessen
wäre das auch die richtige Informationsreihenfolge, laut FBH III und
ZDV gewesen.
2: Sofortige Alarmierung des Flugunfallalarmkreises 1 nach dem Telefonat mit dem FDL.
07:44:23z
Die Notdienstgruppe wurde mit folgendem Wortlaut, durch den Auszubildenden TWR B alarmiert:
Tower:Luftnotlage, Luftnotlage, Luftnotlage - Platzeigener Eurofighter mit der Registrierung
20, Triebwerksprobleme, befindet sich im Anflug. Weitere
Informationen über FUG 8.
Melden Sie mit Namenzeichen
und wie ich sie aufrufe ...
Aus diesen Informationen konnte
die Notdienstgruppe weder ersehen,
welche Art von Triebwerksproblem
aufgetreten war, noch wo sich das
Luftfahrzeug befand. Zudem wurde
eine falsche Registrierung übermittelt,
welche durch einen Übermittlungsfehler seitens des Staffelgefechtsstands bei der Flugplanaufgabe verursacht wurde und zunächst bei keiner
der übermittelnden und empfangenden Stellen auffiel. Eine falsche Registrierung hat unter Umständen auch
zur Folge, dass statt von einem einsitzigen Luftfahrzeug mit einer Person
an Bord (POB) von einem zweisitzigen
Luftfahrzeug mit zwei POB ausgegangen wird.
Auch aus der folgenden Alarmierung per FuG 8 durch den Ausbilder
auf TWR B konnten keine weiterführenden Informationen entnommen
werden.
07:44:43z
Tower:Feuerwehr Piste hier ist der
Tower, wir haben eine Luftnotlage, ein Eurofighter mit
Triebwerksausfall
kommt
demnächst herein.
07:48:22z
Erst nach Nachfrage durch die
Feuerwehr konnte die richtige Registrierung übermittelt werden
Tower:Hier spricht der Tower, die
Maschine mit der Luftnotlage
ist die 21, ist ein Single Seater,
nicht bewaffnet.
Damit war endlich die Registrierung
geklärt, allerdings wusste immer noch
niemand vom Triebwerksbrand.
Die gesamte Notdienstgruppe ging
daraufhin von Triebwerksproblemen
oder maximal einem Triebwerksausfall
aus und bereitete sich entsprechend
vor.
Diese Alarmierungssprüche waren
zweideutig und führten zu vermehrten
Nachfragen wie z. B.: nach Position,
Waffen an Bord oder Resttreibstoffmenge beim Tower, die bei eindeu3
Flugsicherheit
tigem Informationsstand unnötig gewesen wären. Zur Vermeidung hätte
es mehrere Möglichkeiten gegeben:
Bei AIS oder spätestens bei Übermittlung der Flugpläne auf den Tower
hätte auffallen müssen, dass die Nr.
20 „zweimal fliegt“. Die Klärung war
allerdings schon vor der Luftnotlage
eingeleitet und im Verlauf der ersten
Minuten der Luftnotlage abgeschlossen worden.
Der Ausbilder hätte die Arbeitsposition TWR B vom Auszubildenden komplett übernehmen müssen. Da dieser
noch sehr unerfahren war, erfolgte
die Alarmierung schleppend. Um diesen Vorgang zu beschleunigen, führte
der Ausbilder die Alarmierung per
FuG8 selbst durch und konnte deshalb
nicht mehr die volle Aufmerksamkeit
auf den Alarmierungsspruch des Auszubildenden legen. Beiden war nicht
bewusst, dass die Notdienstgruppe
weder über den Grund für den „Triebwerksausfall“ noch über die Seite des
betroffenen Triebwerks informiert
war.
Beim ersten Nachfragen der Notdienstgruppe alle Informationen weitergeben und nicht auf die Klärung
der Registrierung beschränken!
FDL: Ja, normalerweise, Engine Fire
auch will ich eigentlich, dass
er auf der Bahn stehen bleibt
und einen Emergency Ground
Egress fährt, also der taxied
wieder clear?
Tower:Ja, ja kein Thema machen wir.
Dieser Anruf hätte kurz knapp und
eindeutig sein müssen, in dieser Form
waren wieder mehrere Interpretationen möglich. Diese Anweisung wurde vom Tower richtig umgesetzt und
um
07:50:37z
Es erfolgte folgender Wortwechsel
per FuG8:
Tower:FSO - Tower
FSO: FSO 1 hört
Tower:OK, gemäß der Anweisung und
Verfahren FDL, die Maschine
rollt nicht mehr, Landung, stehen, danach Evakuierung auf
der Bahn und Bergung von der
Bahn
FSO: Hab ich verstanden, was hat
die denn für ne Warnung
Tower:Der hat Engine on fire, also
Triebwerk brennt, ist aber abgestellt
FSO: verstanden - dann fährt die
Feuerwehr hinter dem Flieger
her
Cross: Cross verstanden
FSO: Nach Freigabe Tower
Tower:Ihr habt die Freigabe eigenständig, der landet jetzt
FSO: Wir fahr‘n hinterher Notdienstgruppe
Zu diesem Zeitpunkt erfuhr die Notdienstgruppe zum ersten Mal, dass die
Maschine ein brennendes Triebwerk
hat oder hatte, 7:24 Minuten nachdem
der Tower davon in Kenntnis gesetzt
wurde, und sogar 9:07 Minuten nach
dem ersten Kontakt mit dem FDL. Bis
zum Ende blieb unklar, welches Triebwerk betroffen war.
07:49:34z
Der FSO entschied, die Maschine
auf der Schärfplatte Bravo im Norden
der Bahn abzustellen. Dies wurde entschieden, in der Annahme, dass „nur“
ein Triebwerksausfall der Grund für
die Luftnotlage sei.
07:50:06z
Nach Übermittlung der angedachten Parkposition an CALLSIGN 2
rief der FDL, der mithörte, beim Tower
an:
FDL: Wenn der noch taxien will
oder irgendwas, sagen Sie ihm
bitte, dass er nicht taxien soll,
sondern ...
Tower:Ja, ja wir haben schon, der
FSO hat angewiesen BRAVO
Schärfwall, Schärfplatte.
4
©HFw Ingo-Paul Dierkes
07:50:45z
20 Sekunden vor der Landung bekam CALLSIGN 2 von ARENA über das
sekundäre Radio die Nachricht:
FDL: Halte bitte auf der Bahn für
einen Emergency Ground
Egress
LFZ: TWR hat mir gesagt, Deep
Freeze B, lass mich erst landen,
OK.
Aus Flugsicherungssicht ein unnötiger und gefährlicher Funkspruch, vor
allem, weil der Tower die Information
schon hatte, sich allerdings dazu entschlossen hatte, diese erst nach der
Landung weiterzugeben um den Piloten im Landeanflug nicht zu stören.
muten ließ, dass das linke Triebwerk
brennt. Aufgrund dessen wäre fast das
falsche Triebwerk durch die Schnellzugrifföffnung gelöscht und damit beschädigt worden. Der starke Rauch,
der durch den Wind nach Norden zog
und zeitweise das gesamte Flugzeug
einhüllte, erschwerte die Arbeiten der
Feuerwehr und der Bergungscrew erheblich. Bei einem tatsächlichen Feuer
wäre der LFF dem Lee des Feuers ausgesetzt gewesen. Bei Triebwerksfeuer
oder ähnlichem sollte immer mit der
Luftfahrzeugnase in den Wind abgestellt werden.
08:08:26z
Luftnotlage beendet.
07:51:05z
CALLSIGN 2 landet sicher
07:51:34z
Tower übermittelt die Anweisung
des FDL, allerdings will der Pilot trotzdem die Bahn frei machen, was vom
Tower wider besseren Wissens auch
genehmigt wurde:
Tower:Callsign 2 by advise of FDL
taxiing is not approved, hold
on the runway, evacuation on
the Runway
LFZ: I have enough speed to taxi
clear at the end to the right
Tower:If your speed permits, at the
end to the right
LFZ: Tower Callsign 1 leaving your
frequency
Tower:Callsign 1 approved to leave
frequency
07:52:15z
Es folgte noch ein Funkspruch von
ARENA:
FDL: Callsign 2, Arena. Bitte nicht
clear
taxien,
emergency
ground egress on the RWY
LFZ: Bin B, hatte Probleme anzuhalten
Kurz darauf kam es durch das Abschalten des linken Triebwerks zu
starker Kraftstoffdampfentwicklung,
was den FSO und die Feuerwehr ver-
Lessons learned:
• Luftnotlagen zunächst an die zuständigen
Flugsicherungsstellen
melden. Andere Stellen sind sekundär.
• An standardisierte Spruchformate
halten.
• Informationslücken selbstständig
identifizieren, klären und baldmöglichst in der Informationskette weitergeben.
• Ausbildungssituationen sind immer
kritisch. Wie lange lasse ich den
Auszubildenden gewähren, wann
muss ich eingreifen? Wie greife ich
ein?
• Bei Luftnotlagen müssen die Umweltbedingungen (in diesem Fall die
Windrichtung) bei der Abstellposition berücksichtigt werden.
Der Vorfall wurde als Grundlage
für einen CRM Unterricht zum Thema
„Kommunikation“ genutzt und mit allen Beteiligten aufbereitet.
Die Ursache der Warnanzeige war
eine fehlerhafte Feuerwarnschleife.
Anmerkung GenFlSichhBw
Der vorliegende Artikel veranschaulicht auf eingehende Weise, dass der
Begriff Crew Resource Management
(CRM) nur als Oberbegriff das Resource Management aller am Flugbetrieb
beteiligten Personen beschreibt, und
damit gemäß dem „Ausbildungskonzept für die Crew Resource Management Ausbildung für den Flugbetrieb
in der Bundeswehr“ eben nicht nur
die Besatzungsangehörigen von Luftfahrzeugen einschließt.
Dass CRM in einsitzigen Luftfahrzeugen von gleicher Bedeutung ist wie
in Luftfahrzeugen mit zwei oder mehr
Besatzungsangehörigen, wird ebenfalls offensichtlich.
Kommunikation ist ein Mittel, das
die am Flugbetrieb beteiligten Zahnräder verbindet und gängig macht wie
ein Getriebeöl – solange es sauber ist.
Verunreinigungen, wie nicht standardisierte Phrasen und interpretierbare Vokabeln, bringen Sand in das
komplexe Getriebe und beeinträchtigen dessen fehlerfreie Funktion.
Kommunikation muss gepflegt
werden.
Die “Lessons Learned“ gelten wohl
nicht nur für diesen Verband und
dieses Ereignis, sondern sind in ähnlicher Form auf viele Situationen des
Dienst- und Flugbetriebes übertragbar.
Nur durch Veröffentlichungen können andere aus diesen Situationen
lernen, ähnliche Fehler mit möglicherweise gravierenden Auswirkungen
vermeiden und ihnen somit einen Nutzen abgewinnen.
5
Flugsicherheit
ISOL TS
(Isolated Thunderstorms)
von RDir. Ing. Burkhard Fischer,
HFlgWaS BerWE Geophys
Das Abenteuer liegt
schon eine Weile zurück.
Hauptmann Lingua von
den deutschen Heeresfliegern sollte eine
Stunde nach Sonnenunterang mit einer
CH-53 von Mostar nach
Sarajewo starten. Der
französische Kamerad
vom Wetter schrieb
unter anderem ein „ISOL
TS“ (zu deutsch: vereinzelte Gewitter auf der
Strecke) auf.
6
Luftfahrzeugführer wissen, dass in Gewittern
die zulässigen WetterMindestbedingungen
unterschritten werden.
Diesmal also zum Glück
nur ISOL, denn nach der
Definition des GeoInfoDBw bedeutet das, dass
nur maximal 10 % des
Fluggebiets von Gewittern betroffen sind. Und
nach dem Flugbetriebshandbuch Heer darf
nachts ein Flug auch
dann noch angetreten
werden, wenn die Mindestbedingungen auf bis
zu 25 % des Fluggebiets
unterschritten sind.
Bild: Ralf Buddenbohm - www.artwave.eu
Kurz gesagt: Der Flug verlief etwas
chaotisch. Gefahr war auch im Spiel.
Auf ein Gewitter folgte das nächste.
Die 10 % Flächenanteil waren weit
überschritten. Aus Wettergründen
eine Außenlandung in vermintem Gebiet - am Ende sind alle heil am Ziel
angekommen, zum Glück.
Hier soll keine Beschwerde über die
Qualität der französischen Wetterberatung erhoben werden. Der französische Kamerad konnte plausibel darlegen, dass seine Beratung korrekt war.
In seiner Vorschrift steht, dass ISOL
einen Flächenanteil von bis zu 50 %
bedeutet.
Hauptmann Lingua fühlte sich gar
nicht wohl bei dem Gedanken, dass
es ein rein sprachliches Missverständnis gewesen sein soll, das ihn in diese
Gefahr gebracht hatte. Wo bleibt die
Standardisierung? Weitere Recherchen ergaben:
Jawohl. Der Begriff ISOL hat in der
deutschen Wetterberatung eine andere Bedeutung als in der französischen.
Und welche Bedeutung hat ISOL bei
den Briten, Spaniern und Amerikanern? Und was versteht der Deutsche
Wetterdienst am Flughafen Frankfurt
unter ISOL?
Die internationale Organisation für
zivile Luftfahrt ICAO empfiehlt seit
langem für den Begriff ISOL einen
Flächenanteil von bis zu 50 %. Dieser Wert ist weltweit gebräuchlich,
auch bei den Streitkräften, obwohl die
Empfehlung aus der zivilen Luftfahrt
kommt; auch beim Deutschen Wetterdienst, jedoch nicht bei der Bundeswehr.
Für das Fliegen mit Hubschraubern
ist die Spanne zwischen „gar kein Gewitter“ und „TS mit 50 % Flächenanteil“ zu groß, um sinnvolle fliegerische
Entscheidungen zu treffen. Das hat
man in der Bundeswehr frühzeitig
erkannt. Aus diesem Grund hat man
schon vor Jahrzehnten zusätzlich die
Häufigkeitsangaben „maximal 10 %
Flächenanteil“ und „10% bis 25%
Flächenanteil“ eingeführt. Leider hat
man diese Häufigkeitsangaben nicht
mit neuen Begriffsnamen belegt, z. B.
„LT10“ für „less than 10 %“, oder
„TT25“ für „ten % to 25 %“. Wie
das Kürzel heißt, ist von geringer Bedeutung. Wichtig ist, dass der neue
Name in diesem Arbeitsbereich nicht
zwei unterschiedliche Bedeutungen
hat. Die Eindeutigkeit der Aussage ist
wesentlich.
Leider hat man sich damals für den
Begriffsnamen ISOL entschieden, der
in der Wetterberatung schon mit einer
anderen Bedeutung belegt war. Deshalb ist es wichtig, im Flugbetrieb die
Bedeutung der in der Wetterberatung
verwendeten Abkürzungen zu prüfen.
Der Sinn einer Abkürzung, den Arbeitsprozess zu beschleunigen, geht
damit verloren.
7
Flugsicherheit
Zweibrücken –
fast das deutsche Teneriffa?
von Oberstleutnant Jörg Behnke,
GenFlSichhBw
Teneriffa hat leider nicht
nur wegen des Reizes
eines traumhaften Urlaubsparadieses einen
Ruf in der Welt.
Mit dem Namen Teneriffa verbindet sich für
jeden Luftfahrtinteressierten auch die schreckliche Erinnerung an das
bis heute schwerste
nicht durch Terroristen
verursachte Flugzeugunglück in der Geschichte
der zivilen Luftfahrt.
8
Beim Zusammenstoß einer rollenden Boeing 747 der PAN AM mit einer
startenden Boeing 747 der KLM auf
dem Flughafen von Teneriffa starben
am 27. März 1977 583 Menschen. Drei
verschiedene Untersuchungsteams versuchten damals aufzuklären, warum
es zu diesem Unglück kommen konnte. Die ermittelten Ursachen waren
vielschichtig. Einheitlich bewertet der
amerikanische, spanische und auch
der holländische Untersuchungsbericht die schlechten Sichtbedingungen
und die mangelhaften Kommunikationsmittel als mitursächlich oder (mit)
beitragend für die Katastrophe. Auch
kamen alle drei Berichte einheitlich zu
dem Schluss, dass hier der Mensch
versagt hatte, auch wenn man den direkten Einfluss der Beteiligten bezüglich der Festlegung der Hauptursache
im Detail unterschiedlich wertete.
Nicht die durch die schlechten Wetterbedingungen eingeschränkte Sicht,
nicht Mängel in der Technik, nein, der
Verursacher dieser verheerende Katastrophe war einzig und allein der
Mensch.
Welche Lehren wurden gezogen?
Sachlich nüchtern betrachtet nicht allzu viele. Natürlich hat sich seitdem die
Technik verfeinert. Technische Konsequenzen, insbesondere Qualitätsansprüche an die Kommunikationstechnik sind weitestgehend umgesetzt.
Natürlich haben wir uns, und damit
der Faktor Mensch, auch weiterentwickelt. Wir bewegen uns heutzutage
auf einem ganz anderen Niveau der
Zusammenarbeit, der Kooperation im
und außerhalb des Cockpits als damals. CRM wurde Verpflichtung, wird
gelebt und praktiziert. Aber, und an
dieser Stelle ist ein ganz großes Aber
erlaubt. Nüchtern betrachtet wird
die Bewegung von Luftfahrzeugen
am Boden immer noch im Stil des
„Teneriffa“ Zeitalters organisiert.
Während sich moderne Luftfahrzeuge
mittlerweile in der Luft exakt per Datalink, GPS und TCAS untereinander automatisiert abstimmen, so sind diese,
sobald deren Räder wieder auf dem
Boden sind, fast ausnahmslos wieder
der nur auf Funk basierenden Zusammenarbeit zwischen ATC und Luftfahrzeugbesatzung ausgesetzt. Obwohl technische Lösungen bereits
angeboten werden, wird die Umsetzung vergleichsweise stiefmütterlich
betrachtet.
Daher, so die ernüchternde Erkenntnis, müssen wir uns heute immer
noch mit der Thematik Runway Incursions auseinandersetzen. Auch heute
noch erleben wir unsere „Teneriffa`s“
im Flugbetrieb.
Was verstehen wir unter einer Runway Incursion?
Von der FAA entwickelt und seit
dem letzten Jahr auch von der ICAO
offiziell übernommen, wird eine Runway Incursion als „any unauthorized
intrusion onto a runway, regardless
of whether or not an aircraft presents
a potential conflict” bezeichnet. Jede
Verletzung der durch ATC oder per
Verfahren festgelegten Art und Weise
der Bewegung eines Luftfahrzeugs
am Boden wird, unabhängig davon
ob es zu einer tatsächlichen Gefährdung anderer gekommen ist oder
nicht, als Störung eingestuft. Davor
nur als Ground Incident in den Statistiken verewigt, sind sich mittlerweile
alle Experten einig, dass der Sicherheit
des Betriebes von Luftfahrzeugen am
Boden eine immer größer werdende
Bedeutung zukommt.
Die Vereinigung Cockpit konstatierte in einer ihrer „Hotspot“ Informationen, dass wenn man berücksichtigt,
dass diese Incursions etwa 15 Prozent
der schweren Störungen ausmachen,
das Ganze schon etwas anders aussieht. Besonders dann, wenn man sich
klar macht, dass eine Runway Incursion
statistisch mehr als doppelt so häufig
auftritt wie beispielsweise ein Triebswerksschaden oder ein Zwischenfall
mit Feuer, Rauch oder Explosion.
Dieser Argumentation Rechnung zu
tragen ist Ziel einer Reihe von Initiativen und Vereinigungen, die sich speziell des Themas annehmen wollen. Die
ICAO hat sich auf vier verschiedene
Kategorien geeinigt:
- Category A is a serious incident in
which a collision was narrowly avoided,
- Category B is an incident in which
separation decreases and there is
a significant potential for collision,
which may result in a time critical
corrective/evasive response to avoid
a collision.
- Category C is an incident characterized by ample time and/or distance
to avoid a collision.
- Category D is an incident that meets
the definition of runway incursion
such as incorrect presence of a single vehicle/person/aircraft on the
protected area of a surface designated for the landing and take-off of
aircraft but with no immediate safety consequences.
Gemäß dieser Vorgabe qualifiziert
jedes nicht ordnungsgemäß gemeldete Fahrzeug, welches die Runway
als Fahrbahn benutzt, zu einer Runway Incursion Cat D! Jede falsch verstandene und umgesetzte Taxi Order
kann nicht mit einem flotten „Oh, Sorry!“ wieder geradegezogen werden,
sondern ist als Runway Incursion der
Kat B zu betrachten.
Ein Blick in die Statistik lässt uns dabei erschaudern!
Die FAA verbuchte in den letzten 8
Jahren insgesamt 257 (davon 23 allein
2008) Runway Incursions.
Gemäß BFU Jahresberichte kam es
allein in Deutschland zwischen 2005
und 2007 zu insgesamt 22 derartigen
gefährlichen Situationen.
Der Flugbetrieb der Bundeswehr
kann dabei mit Sicht auf diese Entwicklung leider nicht herausgenommen werden. Auch wir haben unsere
Vorfälle, nur unterscheiden wir uns
in der Betrachtungsweise und in den
Konsequenzen. Vorfälle, die auf der
Runway passieren, bei der es zu keiner
Gefährdung des Flugbetriebes kommt,
werden „intern“ behandelt. Der Verpflichtung, diese zu melden, geht zum
einen die unmittelbare Gefahr der
Kollision (BesAnFlSichhBw 506/5504,
Pkt 207 (3) und/oder die interne Einschätzung voraus, dass es sich dabei
um eine Beeinträchtigung der Flugsi9
Flugsicherheit
cherheit handelt, deren Untersuchung
für die Flugsicherheitsarbeit von Bedeutung ist. Das Fahrzeug, welches
zwischen den Flugperioden (ohne
Flugbetrieb) ohne Genehmigung auf
die Runway fährt, verursacht gemäß
unseren Vorschriftenlage keine Runway Incursion.
Operieren jedoch Lfz der Bundeswehr an zivilen Flugplätzen gelten die
ICAO Regeln.
Eine im Frühjahr 2008 vom Flugplatz Zweibrücken aus operierende
C-160 Transall bekam dies unmittelbar zu spüren. Dem Flugauftrag
entsprechend wurden am Flughafen
Zweibrücken Fallschirmspringer aufgenommen. Geplant waren mehrere Einsätze. Um die Bodenlauf- und
Taxizeiten so gering als möglich zu
halten, vereinbarte die Besatzung mit
dem Kontrollturm, dass man zwar die
für diesen Tag festgelegten Startbahnrichtung zum Landen nutzen wollte.
Der Start wiederum sollte, solange es
der Wind erlaubte, entgegen dieser
durchgeführt werden. Beim Rollen
zum fünften Start an diesem Tage passierte es. Fast gleichzeitig rollte ein Airbus einer zivilen Fluggesellschaft zum
Start. Dieser nutzte natürlich die für
den Tag festgelegte Startrichtung. Die
Transall wiederum rollte zum entgegengesetzten Startbahnende. Da die
Untersuchung seitens der BFU noch
nicht offiziell abgeschlossen ist, sei hier
nur soviel vermerkt, dass die Transall
auf die Bahn rollte währenddessen der
Airbus dieser entgegenkommend startete. Das Höhenprofil des Flugplatzes
erlaubt keinen freien Blick von der einen zur anderen Seite der Startbahn,
sodass sich beide Besatzungen nicht
davon überzeugen konnten, dass die
Startbahn frei ist. Das Kontrollturmpersonal bemerkte die Situation erst
zu dem Zeitpunkt, als ein Startabbruch des Airbus nicht mehr möglich
war. Auch wurde das Kommando
zum Startabbruch seitens des Kon10
trollturms missverständlich gegeben.
Der Airbus setzte den Start fort und
überflog letztendlich die auf der Startbahn stehende Transall in ca. 300 400 ft. Ohne der BFU Untersuchung
vorgreifen zu wollen, lassen sie mich
an dieser Stelle noch einmal einen bereits am Anfang in der Beschreibung
der „Teneriffa“ Katastrophe benutzen
Satz wiederholen und etwas ergänzen:
Nicht die durch die schlechten Flugplatzbedingungen
eingeschränkte
Sicht, nicht Mängel in der Technik,
nein, der Verursacher dieser BeinaheKatastrophe war einzig und allein der
Mensch.
Die FAA schätzt ein, dass die Mehrzahl der Runway Incursions durch Human Factor, sprich durch warum auch
immer von der Luftfahrzeugbesatzung
zugelassenen Abweichungen oder
Einschränkungen in der eigenen Aufmerksamkeit verursacht werden. Inadäquate Aufmerksamkeitsverteilung,
Verwechselungen von Rufzeichen,
falsches Registrieren von Rollverfahren bis hin zum Fakt, dass man (teilweise) auch bewusst von bestehenden
Verfahren, hier auch speziell Funksprechverfahren, abweicht, werden
als Ursachen benannt. Typisch ist dabei, dass hier nicht der einzelne Fehler, die einzelne Unaufmerksamkeit,
sondern immer eine Kombination von
mehreren Faktoren wirken. Runway
Incursion sei eine Konsequenz der
Safety Culture, also eine Konsequenz
aus dem Verständnis für Flugsicherheit
in einer Besatzung oder gar in einem
Unternehmen, so mutmaßt die FAA.
Unterschieden werden diese lediglich
im Hinblick auf den Verantwortungsbereich des Verursachers. War es eine
Cockpitcrew, ein Mitglied der Bodenmannschaft oder ein Fußgänger bzw.
ein Fahrzeug eines Drittunternehmens,
der/die die Runway unerlaubt benutzte.
Zudem war auch noch bislang die
Verantwortung für die Untersuchung
bei dem, der sie verursachte, platziert.
Konsequenzen konnten so nur sehr
begrenzt umgesetzt werden.
Genau da setzten die Bemühungen
der FAA an, die hier mit einer Reihe
von Maßnahmen reagiert und reagieren will. Zum einen gründete man
den Runway Safety Council, einer
gemeinsamen Organisation aus FAA,
Airlines und Flugplatzbetreibern. Diese
soll Runway Incursions systematischer
untersuchen, um so gezielte Maßnahmen zur Erhöhung der Runway Safety
generell für alle bindend umzusetzen.
Des Weiteren, so erhofft man sich,
wird sich die Arbeit dieser Organisation dann auch auf die bessere Schulung des am Flugbetrieb beteiligten
Personals auswirken. Die Einführung
technischer Lösungen, insbesondere an
Großflughäfen mit erheblichem Flugverkehrsaufkommen, will man aktiv
argumentativ unterstützen.
In der Bundeswehr ist das Problem
generell erkannt. Klarheit besteht sowohl in der Aktualität des Problems
wie auch in der Notwendigkeit der
Schulung des Personals. Dennoch
muss die Diskussion über potentielle
Gefahrenpunkte beim Betrieb von
Luftfahrzeugen am Boden am Leben
gehalten werden, müssen auch wir erkennen, dass die schnell genommene
Abkürzung über die Runway oder die
aufgrund einer falsch verstandenen
ATC Anweisung genommene Runway
bereits eine Runway Incursion darstellt.
Daraus gilt es Lehren für alle abzuleiten. Wie bereits geschildert, eine Runway Incursion ist oftmals Resultat einer
ganzen Verflechtung von kleineren
Missverständnissen und Fehlern. Genau diese sind, da vermeidbar, für uns
interessant. Auch aus der Tatsache
heraus, dass wir uns immer mehr mit
unserem Flugbetrieb in die zivile Welt
hineinbewegen, wir uns gemeinsam
im Luftraum und am Boden bewegen,
wir mittlerweile ganze Flugplätze gemeinsam, kooperativ nutzen, gilt es
uns unserer Verantwortung bewusst
zu sein. Als Partner im allgemeinen
Luftverkehr zu operieren, als Partner
akzeptiert und anerkannt zu werden,
verpflichtet uns aber auch genauso
konzentriert und aufmerksam in dieser Umgebung zu operieren ... ohne
uns mit „Oh, Sorry!“ vom Tower verabschieden zu müssen! Wir verstehen
uns als Teil der Flugsicherheit beim Betrieb am Boden.
Das von der Hinterbliebenenorganisation „Foundation Relatives Victims
Tenerife“ am 27. März 2007, genau
30 Jahre nach dem Unglück, errichte
Memorial auf Teneriffa verweist in
seiner Architektur sehr eindringlich
daraufhin, dass auf dem Weg in die
Unendlichkeit des Himmels erst einmal
ein Geflecht von Barrieren überwunden werden muss. Barrieren, die nicht
nur durch den Menschen geschaffen
wurden, sondern die letztendlich auch
durch den Menschen als die potentiell
größte Fehlerquelle, den Human Factor,
gesetzt werden.
Memorial auf Teneriffa
CRM im Bereich
Technik: MRM
von Hptm Carsten Holtz,
TSLw3 EASA Schule
MRM Beauftragter der Bw
Crew Resource Management (CRM) wird verstanden als Managementsystem, das alle
verfügbaren Ressourcen Personal, Material, Zeit,
Verfahren und Information - bestmöglich
nutzt, um die Erfüllung
des Einsatzauftrages zu
optimieren und gleichzeitig Flugsicherheit zu
fördern. „Crew“ im Sinn
dieses Konzeptes umfasst alle am Flugbetrieb
Beteiligten, die entsprechend zusammenwirken
müssen. In diesem Beitrag möchte ich den
Bereich Luftfahrzeugtechnik beleuchten, das
Maintenance Resource
Management (MRM).
CRM (Crew Resource Management),
originär für den fliegenden Bereich definiert, steht hier als Überbegriff auch
stellvertretend für die Bereiche:
- Technik (Maintenance Resource
Management - MRM),
- Einsatzführung und Flugsicherung
(Team Resource Management TRM) sowie für den Bereich
- EOD/EOR (Crew Resource Management - CRM EOD).
„ Ziel der MRM Aus- und Weiterbildung ist es, eine Verbesserung der
Professionalität der Luftfahrzeugtechniker zu erreichen, um die Zahl der
Human Factor bedingten Zwischenfälle und Unfälle zu reduzieren“
Ziel der MRM-Kultur in der Bw
Durch diese Verbands-/ Einheitskultur soll ein Bewusstsein für unser
menschliches Verhalten, bezogen auf
die Instandhaltung, Wartung, Bedienung und den Betrieb von Luftfahrzeugen der Bundeswehr entwickelt
werden. Außerdem sollen Fehler minimiert werden, so dass die Anzahl der
Zwischen- und Unfälle verringert wird
und damit die Sicherheit in der Arbeitsdurchführung und die persönliche
Sicherheit - auch gegen Arbeitsunfälle erhöht wird.
Durch die Teilnahme an MRMErst- und Weiterbildungen werden
Ihre Kenntnisse in Human Factors, der
menschliche Verstand, Informationsverarbeitung und Lernverhalten, Kommunikation, Stress und Ermüdung,
Selbstzufriedenheit und Fehlerkultur
verbessert.
Sie sollen sich selbst besser einschätzen können, Faktoren kennen die Ihre
Arbeit beeinflussen, Techniken kennen
lernen, um Risiken zu reduzieren, Feedback geben und annehmen können.
11
Flugsicherheit
Zielgruppen für die MRM Aus- und Weiterbildung:
Gemäß der Weisung des InspL ist
das Personal, welches sich am Flugbetrieb beteiligt, im Bereich CRM/MRM
aus- und weiterzubilden.
EG VO 2042/2003 AMC 145.A.30(e) 1
Anforderungen an das Personal (Punkt 6)
Hinsichtlich des Verständnisses
für Fragen im Zusammenhang mit
menschlichen Faktoren und menschlicher Leistung müssen mindestens die
nachstehenden Personen an Erstausund Weiterbildungen teilnehmen:
- Amtsinhaber, Leiter, Aufsichtführende,
- Freigabeberechtigtes
Personal,
Techniker und Mechaniker,
- Technisches Unterstützungspersonal wie z. B. Planer, Ingenieure, für
technische Unterlagen zuständiges
Personal,
- Qualitätskontroll- und –sicherungspersonal,
- Personal für spezialisierte Dienstleistungen,
- Ausbilder für CRM/MRM/HF/HPL,
- Lagerpersonal, Beschaffungspersonal,
- Bediener von Bodendienstgerät
und
- Fremdpersonal in den vorstehenden
Kategorien.
Erstschulung an den Schulen der Bw
Die Lehrgangsnummer des MRMKurses mit 24 Unterrichtseinheiten
gemäß den Vorgaben Inspl und EASA
PART 66 ist „501338“. Dieser Lehrgang wird im Jahr 2009 40 Mal mit
je 12 Schülern an der TSLw 3 angeboten. Techniker, die nach 2001 durch
die Lfz-Grundlagenausbildung gegangen sind, haben diese Lerninhalte
auf den Modulen BOI, BOII, ErgAusLfzTechDstUffz oder ErgAusLfzTechDstFw schon erhalten und benötigen
diesen Lehrgang nicht. Bitte fordern
Sie über Ihre Personalbearbeiter diesen Lehrgang an, damit wir zügig al12
les Personal in den Verbänden der Bw
auf einen gemeinsamen Wissenstand
bringen können.
Weiterbildung im Verband
Alle Weiterbildungen sind im neuen
Qualifizierungsnachweis (BesAnWaSysKdo 303/XXX, in der Mitzeichnung)
für luftfahrzeugtechnisches Personal
der Bundeswehr (Einführung 2009)
vom MRM-Trainer abzuzeichnen. Die
Fortbildungsmaßnahme MRM im Verband beträgt im Durchschnitt jährlich
einen halben Tag.
Es besteht ein Qualifikationsnachweis im Rahmen der Professionalisierung von Luftfahrzeugtechnischem
Personal in der Bw zum Erlangen des
Status Maintenance Ready!
EASA 2042/20031 GM 145.A.30(e)
Anforderungen an das Personal (Ausbildung für die Erstaus- und Weiterbildung zu den menschlichen Faktoren)
Der Betrieb kann die Fächer des
Lehrplans seinen eigenen Bedürfnissen
anpassen, sie unterteilen oder ihre Reihenfolge ändern, solange alle Fächer
in einem Detaillierungsgrad behandelt
werden, der dem Betrieb und seinem
Personal angemessen ist.
Einige der Themen können in einer getrennten Ausbildung behandelt
werden (Gesundheitsschutz und Sicherheit, Betriebsführung, aufsichtsbezogene Fertigkeiten usw.), in welchem Fall eine Doppelausbildung nicht
erforderlich ist.
Wo möglich, sollten praktische Erläuterungen und Beispiele verwendet
werden, insbesondere Unfall- und
Vorfallberichte.
Wo es relevant ist, sollte bei den
Themen Bezug auf die bestehende
Gesetzgebung und auf vorhandene
Richtlinien/Empfehlungen (z. B. ICAO
HF Digests and Training Manual) genommen werden. Die Themen haben
in einem Zusammenhang mit der Instandhaltungstechnik zu stehen, zuviel zusammenhanglose Theorie sollte
vermieden werden.
Im Bezug auf die Anzahl der ausgebildeten Trainer pro Geschwader
bitten wir um Einhaltung der Weisung
InspL (max 13 Trainer):
Forderung: 5 CRM, 4 MRM, 2 TRM
und 2 SIM (diese sollten im Bereich Lw
Jet auch den Assessment-Kurs haben)
Zu unserer Homepage CRM.
Die Homepage ist seit dem 21.11.
2008 online
www.crm.lwfuekdo.luft
Unter „Service“ finden Sie Termine
für die Trainerausbildungen, allgemeine Downloads von Hintergrundinformationen und Regelwerken, Literaturhinweise und nützliche Links.
Die Frequently Asked Questions
(FAQ)- Seite bieten wir auch als CRMTeam an, bitte nutzen Sie diese für offene Fragen.
Ansprechpartner: LwFüKdo A 7 b.
Das Ausbildungskonzept CRM für
den Flugbetrieb in der Bundeswehr
und das HPL (Human Performance
and Limitations) und CRM-Konzept
FlBtrbBw für den Flugbetrieb in der
Bundeswehr sind hier als Downloads
abgelegt.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen
mit unserem CRM-Team gerne zur
Verfügung.
1
(www.lba.de)
Der
Seefalke
von Oberstabsfeldwebel d. R.
Karl-Heinz Weiss
Mit Aufstellungsbefehl
Nr. 41 des Bundesministeriums der Verteidigung vom 21. Juni
1956 wurde das Kommando der Marineflieger in Kiel-Holtenau
aufgestellt, das umgehend mit der Vorbereitung zum Aufbau der
Marinefliegergeschwader begann. Zu deren
Erstausstattung gehörte
unter anderem auch
der Hawker/Amstrong
Bild von der PIZ Marine
Whitworth „Sea Hawk“.
Von diesem Flugzeugtyp
wurden 68 Maschinen
beschafft und auf die
Marinefliegergeschwader 1 und 2
verteilt.
Basierend auf den Richtlinien der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft
(EVG) und späteren NATO wurden
die zu beschaffenden Luftfahrzeugmuster von den zuständigen Sachbearbeitern im Amt Blank schon in der
ersten Hälfte der fünfziger Jahre des
zwanzigsten Jahrhundert bewertet. Die
Entscheidung für die Marine fiel im
Jahr 1955 auf britische Muster. Einzige Ausnahme bildete der Grumman
Albatros. Neben den Verbindungsflugzeugen und Hubschraubern wurden 68 Whitworth „Sea Hawk“ Jet An-
griffs- und Aufklärungsflugzeuge und
16 Fairey Gannet U-Jagdflugzeuge gekauft. Diese Flugzeuge waren billiger
als vergleichbare amerikanische Angebote. Außerdem konnte sich die Marine so von der Luftwaffe abgrenzen.
Der Aufbau der Marinefliegerverbände wurde von 1958 an für zweieinhalb
Jahre von der Royal Navy unterstützt,
die hierfür ein zehnköpfiges Team unter der Bezeichnung „British Mission“
aufstellte. Für den Neubeginn war sowohl im fliegerischen wie auch dem
technischen Bereich der Rückgriff auf
ehemalige Seeflieger der Wehrmacht
erforderlich. Gemäß einem Agreement
mit der US Navy begannen im April
und Mai 1956 die ersten „Refresher“Lehrgänge für die Piloten der Marineflieger in Pensacola/Florida. Das technische Personal wurde parallel dazu
in den USA, Großbritannien und Ausbildungseinrichtungen der Luftwaffe
ausgebildet.
13
Flugsicherheit
Die ersten Nachwuchsflugzeugführer der Marine wurden zwischen
Sommer 1956 und September 1958 in
Pensacola/Florida mit ca. 150 Stunden
auf der Beechcraft T-34B „Mentor“
und North American T-28B/C „Trojan“
geschult. Diese Prop-Grundschulung
schloss mit Bordkanonenschießen auf
Schleppzielen und der Ausbildung
zum Einsatz auf Flugzeugträgern (Carrier Qualification) ab.
Für die zukünftigen Strahlflugzeugführer der Marine wurde die Ausbildung in Kingsville/Texas fortgesetzt.
In weiteren 150 Flugstunden erfolgte
zunächst eine Jeteinweisung auf der
Lockheed TV-2 (T-33), der sich dann
das Waffentraining auf der Grumman
F-9F „Panther“ anschloss. Ab 1959
erfolgte die Ausbildung an den Flugzeugführerschulen der Luftwaffe.
Ab Januar 1958 begann auf der Royal
Navy Air Station im schottischen Lossiemouth die „Sea Hawk“-Ausbildung des
Wartungspersonals der 1. Mehrzweckstaffel der 1. Marinefliegergruppe.
Parallel dazu trafen in zwei Abschnitten 14 Luftfahrzeugführer aus den
USA kommend ein. Sie wurden dort
in einer ca. 100 Stunden umfassenden
fliegerischen Ausbildung durch Fluglehrer der Royal Navy auf dem „Sea
Hawk“ geschult. Zuerst mussten sie
etwa 50 Stunden Instrumentenflug
auf der „Sea Vampire“ absolvieren
bevor sie in weiteren 50 Stunden die
Einweisung und Waffenausbildung
auf dem „Sea Hawk“ erhielten. Die
danach folgenden in den Vereinigten
Staaten und bei der Luftwaffe ausgebildeten Flugzeugführer wurden in den
Verbänden unter Mithilfe britischer
Fluglehrer auf das Waffensystem „Sea
Hawk“ geschult.
Der „Sea Hawk“ (Seefalke) wurde
von der britischen Flugzeugfirma
Hawker bereits 1944 geplant und war
das erste Jagdflugzeug dieses Herstellers mit Strahlantrieb. Der Erstflug war
1947. Nach vielen Änderungen ging
es ab 1950 in Serie und war ursprünglich für die Royal Air Force vorgesehen,
14
die sich jedoch für ein anderes Muster
entschied. Der „Sea Hawk“ war ein
einsitziger, einstrahliger freitragender
Mitteldecker in Ganzmetall-Bauweise.
Für den Einsatz bei der Royal Navy
wurde die Struktur verstärkt. Für den
Flugzeugträgereinsatz erhielt das Luftfahrzeug einen beiklappbaren dreiteiligen Tragflügel und einen Fanghaken.
Es hatte - obwohl einstrahlig - wegen
des im Durchmesser großbauenden
Triebwerkes in Radialbauweise - zwei
Lufteinläufe in den Tragflächen und
zwei Schubrohre.
Das neue Marinejagdflugzeug überzeugte die Navy vor allem wegen seiner
Reichweite und des unkomplizierten
Aufbaus. Wegen Kapazitätsproblemen bei der Fa. Hawker wurde die
Fa. Amstrong, Whitworth Aircraft Ltd
mit der Serienproduktion beauftragt.
Über die Gesamtzahl aller gebauten
„Sea Hawk“ gibt es unterschiedliche
Angaben; es wird sowohl von 434 wie
von 555 Flugzeugen gesprochen. Sie
gingen an Großbritannien als Hauptabnehmer, die Niederlande, Indien
und die Bundesrepublik Deutschland.
Ab 1958 setzte die deutsche Marine
68 Maschinen der Baureihe MK
100/101 als Jagdbomber und Aufklärer ein. Sie unterschieden sich durch
ein größeres Seitenleitwerk, eine amerikanische Elektronikausrüstung sowie
ein zusätzliches Radargerät von den
anderen Versionen.
Während der Nutzungszeit dieses
Musters kam es zu mehreren Zwischenfällen mit nicht immer glücklichem
Ausgang. So startete am 8. Dezember
1958 eine Rotte „Sea Hawk“ MK 100
zu einem Formationstiefflug im lokalen Übungsgebiet. Dieser Flug erfolgte
auf der Grundlage des übernommenen englischen Flight-Manual.
Das sah „für den Rottenflieger (Nr. 2)
einen Abstand von 30 bis 40 Yards,
Peilung 15° und Überhöhung von
10 bis 12 ft zum Rottenführer (Nr. 1)
vor. Im Kurvenflug schwingt die Nr. 2,
den Umständen entsprechend, auf die
Außenseite der Nr. 1. Unter allen Um-
ständen hat die Nr. 2 die erhöhte Position beizubehalten. Beide Luftfahrzeuge wurden in sehr niedriger Höhe
geflogen. In dem Moment, als der
Formationsführer sein Flugzeug hochzog, berührte das Luftfahrzeug des
Rottenfliegers mit der rechten Fläche
eine Überlandleitung, wodurch das
Flugzeug in eine Rolle überging und
einen Mast rammte. Dabei explodierte
es. Der Pilot wurde mit dem Schleudersitz herausgeschossen und getötet.
Als Unfallursache wurde die nicht dem
Flight-Manual entsprechende Position des Rottenfliegers festgelegt, der
dadurch auf das Hochziehen des Formationsführers und das plötzlich auftretende Hindernis nicht entsprechend
schnell reagieren konnte. Dem Rottenführer, der gleichzeitig der Staffelkapitän und Fluglehrer des Rottenfliegers
war, wurde zur Last gelegt, dass er
den örtlichen Übungsraum verlassen
und außerdem die Mindesthöhe für
diesen Flug unterschritten hätte. Zum
Zeitpunkt des Unfalls hatte der junge
Luftfahrzeugführer gerade 9:05 Flugstunden auf den „Sea Hawk“. Die
kriegsgedienten Altvorderen dieser
Zeit waren der Meinung, dass für einen
durchschnittlich begabten Flugschüler
fünf Flüge reichten, um ein Flugzeug
ausreichend zu beherrschen.
Bemerkenswert ist bei diesem Unfall
die Stellungnahme des Inspizienten für
Flugsicherheit. Er schrieb dazu: „Die
bei der Royal Navy ausgebildeten Flugzeugführer haben in England kriegsmäßige Tiefflugübungen geflogen,
bei denen 200 ft nicht überschritten
werden durften. Ferner waren Bombentiefwürfe in 40 ft Höhe befohlen.
Ich halte es daher auch für unerlässlich, dass die Besatzungen der LwJagdbomberverbände sowie der Marine-Einsatzverbände im kriegsmäßigen
Tiefflug ausgebildet werden müssen.
Hierzu ist es erforderlich, dass der Verbandführer gründlich im Tiefflug ausgebildet ist, und der Rottenknecht den
Verbandsflug gründlich beherrscht.
Beides lag im vorliegenden Falle vor.
Wenn jetzt 250 ft als Mindestflughöhe befohlen wurde, so ist dies eine
Sicherheitsmaßnahme, die m. E. eine
kriegsmäßige Ausbildung nicht gestattet, und die schrittweise bei entsprechendem Ausbildungsstand gelockert
werden sollte.“
Am 14. Januar 1959 wurde durch
den Verbandsführer beim morgendlichen Briefing - auf Grund der Wetterlage - von einer Aufnahme des Flugbetriebes abgeraten. Trotz dieser
Empfehlung wurde ein Flugzeugführer durch seinen englischen Fluglehrer
(IP) auf seinen vierten Einweisungsflug
- einem Alleinflug - vorbereitet und
musste sich auf dessen Anweisung
für den Flug bereithalten. Nach mehrfacher Startverschiebung ordnete der
IP - während einer kurzzeitigen Wetterverbesserung - den Flug an. Er hielt sich
befugt, diese Entscheidung selber zu
treffen, ohne eine Starterlaubnis höheren Ortes einzuholen. Kurz nach dem
Start, in ca. 400 ft Höhe verschwand
das Flugzeug in den Wolken. Nach
einer Flugzeit von etwa 30 Minuten
ordnete der IP - der sich während
des Fluges auf dem Tower befand wegen Wetterverschlechterung den
Rückflug und ein Peilverfahren an.
Dabei geriet das Flugzeug - in Folge
einer räumlichen Desorientierung des
Flugzeugführers - in einen unkontrollierbaren Flugzustand und stürzte
ab. Der Pilot wurde dabei getötet.
Bis zu seiner Umschulung auf den
„Sea Hawk“ hatte der junge Flugzeugführer kein einsitziges Flugzeug,
also auch kein einsitzges Jetflugzeug
geflogen und er hatte nachweisbar
niemals einen Instrumentenflug ohne
Fluglehrer gemacht, geschweige denn
bei IFR-Bedingungen. Sein letzter Flug
war der fünfte Umschulungsflug auf
dem „Sea Hawk“. Auf diesem Flugzeugmuster flog er eine Gesamtflugzeit von 3 Stunden und 25 Minuten.
Auf seinem zweiten Einweisungsflug
führte er seinen ersten einsitzigen
QGH-Übungsanflug durch, und dieser fand unter VFR-Bedingungen statt.
Für den englischen Fluglehrer hatte
das keine negativen Auswirkungen.
Es war nicht das einzige Mal, dass sich
die englischen Ausbilder nicht an die
Weisungen deutscher Vorgesetzter
hielten.
Am 22. Februar 1960 startete ein
„Sea Hawk“ MK 100 zu einem Testflug,
bei dem die Funktion des Fahrwerkes
überprüft werden sollte. Es sollte lediglich eine Platzrunde geflogen und
anschließend gelandet werden. Nach
der durch Funk erteilten Startfreigabe
kam es zu keinem weiteren Funkkontakt mit dem Flugzeugführer. Das
Flugzeug hob nach normaler Startstrecke ab und stieg in einer leichten
Linkskurve auf eine Flughöhe von ca.
6.000 ft. Dann ging es aus einem steilen Gleitflug und danach im Gleitflug
in eine Rechtskurve über. Aus diesem
Gleitflug, der nach Zeugenaussagen
nicht gleichmäßig gewesen sein sollte,
stürzte die Maschine nach einer Flugzeit von 3 Minuten im steilen Winkel
ab. Der Flugzeugführer hatte den
Schleudersitz nicht betätigt. Dieser
wurde erst durch den Aufprall am Boden ausgelöst und der Pilot dadurch
aus dem Luftfahrzeug geschleudert
und getötet. Bei der Unfalluntersuchung stellte sich heraus, dass der
Martin-Baker Schleudersitz nicht einwandfrei mit dem Flugzeug verriegelt
gewesen war. Dadurch wurde er bei
einer negativen Beschleunigung aus
seiner unteren Stellung in seiner Rohrführung nach oben geschoben. Schon
ein Anheben um wenige Millimeter
genügte, den Mechanismus der automatischen Sitz-Mann-Trennung und
die Steuerschirme auszulösen. Mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit muss angenommen werden, dass
dieser Zustand beim Nachdrücken
aus dem Steigflug eingetreten ist und
nacheinander die Anschnallgurte gelöst und die Steuerschirme des Schleudersitzes durch das Kabinendach nach
oben herausgeschleudert wurden. Damit wurde das Flugzeug abgebremst
und flugunfähig.
Beim Besuch eines hochrangigen
Stabsoffiziers der Marine auf der niederländischen Marine-Basis Valkenburg erfuhr dieser, dass sich bei den
niederländischen Marinefliegern Anfang November 1959 ein Unfall ereignete, der dem der deutschen Marineflieger mit minutiöser Genauigkeit
glich. Es sollte bereits der dritte Unfall
dieser Art bei den niederländischen
Marinefliegern gewesen sein. In einem
Fall gelang es allerdings dem Flugzeugführer, sich wieder anzuschnallen und
mit seinem Flugzeug sicher zu landen,
weil er zu Beginn des Ereignisses eine
sehr große Flughöhe hatte. Weiterhin
erfuhr dieser Stabsoffizier, dass sich
bei der Royal Navy mehrere Unfälle der
gleichen Art ereignet hatten. Die Fa.
Martin Baker hatte daraufhin eine Änderung für dieses Problem vorgeschlagen, die aber von der britischen Marine nicht akzeptiert wurde, da diese
Änderung nach Ansicht der Royal
Navy bei Trägerstarts unwirksam sein
sollte. Die anderen Luftfahrzeugnutzer
wurden weder von den Zwischenfällen
noch von der vorgeschlagenen Änderung in Kenntnis gesetzt.
Am 21. November 1960 kam es zur
ersten Luftraumverletzung der DDR
durch ein Luftfahrzeug der deutschen
Marine. Ein Rotte des 1. MFG flog in
20.000 ft Höhe nach einem Navigationsfehler, der durch ungenaue ADF-Anzeigen beim Anflug auf das WeserMittelwellenfunkfeuer entstand, östlich von Hamburg in den Luftraum der
DDR ein. Durch das Auftauchen einer
russischen MiG neben der Formation
sahen sich die Luftfahrzeugführer
veranlasst, umgehend auf westlichen
Kurs zu gehen. Nachdem keine Kontaktaufnahme mit einer GCA-Station
zu Stande kam, stand ihnen schließlich die Flugsicherung Hannover mit
der Anweisung „Sea Hawk Formation
steer 310°“ hilfreich zur Seite. Ohne
einen Schuss abzugeben drehte die
russische MiG kurze Zeit später ab.
Wegen der Nähe der Grenze lag wahrscheinlich keine Feuererlaubnis vor. An
15
Bild von der PIZ Marine
Flugsicherheit
der Süd-Ostküste von Fehmarn konnte
schließlich die eigene Position wieder
bestimmt und anschließend in Jagel
gelandet werden.
Im Juli 1962 kam es zu einem Zwischenfall, wie er nur in der Frühzeit
der Bundeswehr möglich war. Da
der „Sea Hawk“ als Trägerflugzeug
einen Fanghaken besaß, war die Marinefliegerführung der Meinung, man
könne eine Hakenfanganlage bauen
und gegebenenfalls einführen. Bei
der Marinewerft baute man daher die
Anlage und installierte diese selbstgestrickte Barrier à la Flugzeugträger in
Jagel. Am 13. Juli wurde die Anlage
zum ersten Mal getestet. Dazu wurde ein „Sea Hawk“ mit 110 kts in die
Barrier gerollt. Das Kabel riss auf der
linken Seite an den Ankerketten - die
das Luftfahrzeug abbremsen sollten ab und schlug dann gegen den „Sea
Hawk“. Dieser geriet sofort in Brand
und rollte über die Startbahn hinaus.
Der Pilot blieb unverletzt. Der „Sea
16
Hawk“ war allerdings ein Totalschaden. Da keine Flugabsicht bestand und
kein Flug durchgeführt wurde, wurde
das missglückte Unternehmen von der
Marine lange Zeit verschwiegen.
Von April bis August 1962 befand sich
ein „Sea Hawk“ MK 101 der Bundesmarine auf der Naval Air Test Facility
im amerikanischen Lakehurst, um die
Nutzbarkeit einer stationären Katapult- und Fanganlage für Kurzstartund Kurzlandeverfahren des „Sea
Hawk“ zu prüfen. Das Luftfahrzeug
gehörte zum in Jagel stationierten
1. MFG. Mit Hilfe des Flugzeugträgers
USS Saratoga wurde die Maschine
nach Gibraltar gebracht und am 18.
August von dort nach Deutschland zurückgeflogen. Gegen 13:20 Uhr drang
das Luftfahrzeug bei Eisenach in einer
Höhe von 11.000 ft in den Luftraum
der DDR ein, wo es von einer MiG-21
gestellt, beschossen und erheblich beschädigt wurde. Nach dem Beschuss
gelang es dem Piloten den Luftraum
der DDR zu verlassen und Luftnotlage
(„Mayday“) zu erklären. Auf Nachfrage der Bodenstation gab er an, dass
das Luftfahrzeug anscheinend noch
voll flugfähig sei. Deshalb wurde von
einer Notlandung auf dem nächstgelegenen Bundeswehrplatz Fritzlar abgesehen. Dem Flugsicherungsoffizier der
Bodenstation wurde telefonisch seitens des Verbandes klargemacht, dass
es am sinnvollsten sei, nach Bremen zu
fliegen, wo die Firma Focke-Wulf als
Industrie-Instandhalter für den „Sea
Hawk“ ansässig war. Obwohl der
Luftfahrzeugführer die letzte Entscheidungsgewalt hatte, beugte er sich der
„Anordnung“. Im Endanflug auf Bremen stellte er fest, dass sich das Fahrwerk weder hydraulisch noch mit der
Handkurbel ausfahren ließ. Um den
zivilen Flugbetrieb in Bremen nicht
durch ein havariertes Flugzeug auf
dem Runway zum Erliegen zu bringen,
wurde der Pilot zum Weiterflug nach
Ahlhorn angewiesen. Dort war alles
Bild von der PIZ Marine
für eine Bauchlandung vorbereitet, die
dann auch glimpflich verlief. Bereits
kurz vor und während der Notlandung
trafen einige „wichtige Leute“ auf
dem Fliegerhorst ein, die weder Uniformen der Marine oder der Luftwaffe
trugen, aber viel „zu sagen“ hatten.
Das Flugzeug wurde sofort nach dem
Crash in einen Hangar verbracht und
später auf dem Landweg zu FockeWulf nach Bremen gebracht, wo es
aber nicht mehr instandgesetzt wurde.
Der am Luftfahrzeug angebrachte
Aufklärungsbehälter wurde abgebaut
und separat durch die wichtigen Leute
abtransportiert.
Zu einem in der Bundeswehrgeschichte wohl einmaligen Vorfall kam
es am 05. Dezember 1963. An diesem
Tag waren in Jagel nur wenige Flugbewegungen geplant, ausschließlich
IFR-Flüge und ein Werkstattflug. Als
jedoch kurz vor 09.00 Uhr vom Tower
eine gestartete „Sea Hawk“ gemeldet
wurde, machte sich sehr schnell Hektik im Geschwader breit. Wer konnte
ohne Startgenehmigung und obwohl
der Tower „Rot“ anzeigte, die Maschine fliegen? Nach einigen Telefonaten
stand fest, dass es kein geplanter Flug
mit einem dafür vorgesehenen Piloten
war. In Windeseile wurde eine Rotte
startklar gemacht, die die Verfolgung
aufnahm. War es ein russischer Agent,
der die Maschine klaute? Die Verfolger trauten ihren Augen nicht, als sie
sahen, dass ein junger Mann im Par-
ka und Ohrenschützer die Maschine
flog. Im Geschwader kamen die größten Befürchtungen auf. Es war der
Hauptgefreite Metzger, der als Wart
im Geschwader tätig war. Mit purem
Anfängerwissen aus der Sportfliegerei und einer guten technischen Ausbildung hatte er als Wart unzählige
„Sea Hawk“ vor dem Flug abgefertigt.
In Gedanken saß er sicherlich jedes
Mal selbst auf dem Pilotensitz. Einen
Tag vor diesem Flug lieh er sich in der
Staffel das Flughandbuch für diesen
Flugzeugtyp und studierte es über
Nacht ausführlich. Nun saß er in der
Maschine und flog tatsächlich, zwar
mit den Verfolgern im Nacken, aber
er flog. Er versuchte nach diversen
unkontrollierten Flugabschnitten einen Landeversuch auf der damals
stark befahrenen E3/B77. Die Straße
wurde gesperrt und es bildeten sich
kilometerlange Staus. Dann der Anflug auf die im Bau befindliche Landebahn. Der erste viel zu schnell, der
zweite ein Touch and Go, der dritte
Versuch klappte. Alle im Geschwader
waren erleichtert, denn der Kraftstoff
reichte nur noch für maximal fünf Minuten. Die Verfolger waren die ersten,
die dem Ausreißer (nach 45 Minuten
Flugzeit) zu der relativ guten Landung
gratulierten. Er hatte sicherlich eine
ganze Armee Schutzengel dabei. Der
19-jährige Wart war bei seiner Vernehmung noch etwas blass, aber trotz
des großen Wirbels um seine Person
nicht ohne Stolz über seine Leistung.
Die Presse stürzte sich auf dieses Ereignis und sorgte für Schlagzeilen, die
keiner so schnell vergaß. Der Hauptgefreite Metzger hatte sich seinen
Traum vom Fliegen erfüllt und seine
„Sea Hawk“ fand nach ihrer späteren
Außerdienststellung einen Ehrenplatz
an der Hauptwache, wo sie bis zur
Außerdienststellung des MFG 1 stand.
Danach verlor sich ihre Spur.
Die hohe Unfallrate des Waffensystems „Sea Hawk“ war auf das anspruchsvolle und mit hohen Risiken behaftete Einsatzspektrum mit Tiefflügen
über der Nord- und Ostsee mit häufig
wechselnden Wetterbedingungen in
Verbindung mit den jungen und unerfahrenen Luftfahrzeugführern zurückzuführen. So wurden bis Ende 1962
bei acht Flugunfällen alle acht Piloten
getötet. Nur bei einem Unfall konnte
ein technisches Problem des Luftfahrzeuges mit dem Versagen des MartinBaker-Schleudersitzes nachgewiesen
werden.
Bereits 1965 wurde der „Sea
Hawk“ durch den Lockheed F-104G
„Starfighter“ ersetzt. Bei 25.464 Flugstunden wurden zwölf Luftfahrzeuge
durch Unfälle zerstört, bei denen
zehn Luftfahrzeugführer tödlich verletzt wurden. Im Vergleich zum „Starfighter“, der mit einer Flugunfallrate
von 2,48 Unfällen pro 10.000 Flugstunden schon als Witwenmacher bezeichnet wurde, hält der „Seefalke“
den traurigen Rekord unter den Luftfahrzeugen der Bundeswehr mit einer
Rate von 6,68.
Nach der Ausmusterung durch die
deutsche Marine gingen 28 vormals
deutsche „Sea Hawk“ nach Indien,
wo sie noch bis in die frühen 80er Jahre des 20. Jahrhundert flogen. Unter
anderem wurden sie auch im pakistanisch-indischen Krieg eingesetzt und
mussten sich gegen F-86 wehren, die
von der deutschen Luftwaffe an den
Iran abgegeben, aber von diesem
gleich nach Pakistan verschoben worden waren.
17
Flugsicherheit
Situative
Aufmerksamkeit
am Pool
Autor ist der Redaktion bekannt
Vor Jahren konnte man
mir am Hotelswimmingpool die Strapazen des
zurückliegenden und
durchaus intensiven Einsatzflugbetriebes nicht
unbedingt ansehen, als
ich dort - wegen fehlender Unterkunftskapazität an Bord - in einem
nicht näher zu benennenden Land in Äquatornähe auf den wohlverdienten Rückflug in
die Heimat wartete.
Für einen ursprünglich mal ziemlich
weißhäutigen Luftfahrzeugführer hatte
ich mich ganz gut der Umgebung angepasst. Zwar hatte mein Körper sich
durch die gute Bordverpflegung ein
wenig verändert, aber dafür war er
fast nahtlos tief gebräunt. Als aufmerksamer Leser der einschlägigen
fliegerischen Vorschriften hatte ich
das Kapitel über die befohlenen Ruhezeiten reichlich in die Tat umgesetzt
und einen Großteil meiner Bereitschaftszeit in der Sonne liegend auf
dem Flugdeck genossen.
18
©HFw Ingo-Paul Dierkes
CRM lebt Meine momentane situative Aufmerksamkeit galt voll und ganz den
neben mir in der Sonne glänzenden
- orangenhautfreien - Oberschenkeln
der jungen dunkelhäutigen Schönheit,
der ich noch erklären musste, dass ich sie
dieses Jahr noch nicht mit nach Hause
nehmen könne. Nach einer persönlichen
- unausgesprochenen - Risikobewertung
war die Eintretenswahrscheinlichkeit
eines „häuslichen Desasters“ nämlich
vorprogrammiert, da ich in diesem Fall
doch das ein oder andere Problem mit
der im direkten Vergleich nicht so at-
traktiven und daheimgeblieben älteren
Ehefrau erwartete.
Da sowohl mein cooles Sonnenbrillenimitat der Marke „RAY BAN“ Made in China - vom heimischen Basar,
als auch meine preiswert erworbene
Fliegeruhr der Marke „BREITLING“
- hoffentlich nicht aus China! vom Straßenhändler in Bahrain sicher
in meinem Reisegepäck verstaut lagen,
verrieten lediglich die vom Schiffsarzt
verordneten Wasserflaschen und die
Malariatabletten mit dem halbgefüllten Glas Gin daneben, dass ich kein
Einheimischer war.
Irgendwann waren wir an diesem
Montagmorgen dann nicht mehr allein am Pool. Das Gesäusel der einheimischen Schönheit in meinem linken
Ohr wurde durch das - schon da von
mir als lautstark empfundenen - Gespräch von vier Personen in leichter
Sommerbekleidung in meiner Muttersprache unterbrochen. Anhand der ersten wahrnehmbaren Wortfetzen und
einer schnellen Visualisierung konnte
ich schon erahnen, dass es sich bei
©HFw Ingo-Paul Dierkes
der näherkommenden Gruppierung
möglicherweise um Fliegerkameraden
einer anderen Teilstreitkraft handeln
könnte.
Nachdem man sich in einiger Entfernung am Beckenrand des Swimmingpools niedergelassen hatte, thematisierte man zunächst eines unserer
Lieblingsthemen, nämlich die Frauen.
Für denselben Abend hatte man nämlich eine Einladung zu einem rustikalen
Beercall der im Hafen liegenden deutschen Fregatte erhalten und war sich
eigentlich ohne lange Diskussionen darüber einig, dass man in Fliegerkombi
die an Bord anwesenden Damen wohl
am meisten beeindrucken könne.
Ohne den Leser an dieser Stelle beeinflussen zu wollen - fataler Trugschluss
oder korrekte Lagebeurteilung? - diagnostizierte ich persönlich zum ersten
Male einen erheblichen Mangel bei der
situativen Aufmerksamkeit. Wie kann
man nur mit winterlicher Gesichtshautfarbe in grauen Kombis gegen
fast nahtlos braune Körper in weißen
Marineuniformen plus Fliegerzulagenund AVZ - Empfänger ernsthaft antreten wollen??
Nach dieser eklatanten Fehleinschätzung stimmte mich die weitere
Entwicklung dieses Gespräches aber
wieder freudiger. Als passiver Zuhörer nahm ich an der - vermutlich ersten - Flugvorbesprechung für den
geplanten Rückflug in vier Tagen teil.
Die kleine Pflanze „CRM“ begann nun
aufzublühen!
Eigentlich hatte ich immer noch die
Worte des CRM-Beauftragten meines
Heimatverbandes in Erinnerung, welcher immer wieder der Ansicht wahr,
dass CRM zwar nun per Befehl regelmäßig gelehrt werden würde, aber vor
allem bei der Umsetzung in der Praxis
- dem aktiven Leben und Vorleben von
vermittelten Aspekten - es durchaus
noch ein erheblicher Nachholbedarf
bestehen würde.
Die ersten Äußerungen der nun
eindeutig als Luftfahrzeugbesatzung
identifizierten Gruppe bezogen sich
auf den für den Freitagnachmittag von
der höheren Kommandobehörde angeordneten Zwischenstopp mit Übernachtung auf einem allseits bekannten,
aber durchaus reizlosen mediterranen
Militärflugplatz mit Inselcharakter. Die
diesbezügliche Kommentierung des
hierfür verantwortlichen Lufttransportbefehles ließen noch erhebliche
Mängel im Bereich „Kommunikationsverhalten“ erkennen und sollen daher
hier nicht wiedergegeben oder näher
beleuchtet werden.
Viel interessanter fand ich, dass
trotz der heißen Temperaturen die
Aktivierung des Langzeitgedächtnisses
einwandfrei zu funktionieren schien
und man sich fast verzugslos an den
durchaus lang zurückliegenden schulischen Geschichtsunterricht erinnerte.
Eine historische Ausgrabungsstätte
mit alten steinernen Skulpturen - ansonsten nur als Tourist für viel teures
Geld erreichbar - befand sich in greifbarer Nähe zum geplanten Navigationstrack. Der in der Nähe befindliche
Zivilflugplatz würde sich somit - auch
vor allem unter dem Aspekt der für einen Soldaten befohlenen politischen/
geschichtlichen Weiterbildung - nach
einer näherer Bewertung als alternativer Zwischenstopp - anstelle eines mediterranen Militärflugplatzes - förmlich
anbieten.
Das erste Abarbeiten des Entscheidungsmodells FORDEC (Facts/
Options/Risks/Decision/Execution/
Check) brachte jedoch schon nach
kurzer Zeit ein niederschmetterndes
Ergebnis. Schon beim Erreichen des
Punktes R (Risks = Konsequenzen
abwägen!) stoppte der Wortführer
die Diskussionen, da die Eintretenswahrscheinlichkeit eines legalen und
kostenintensiveren
Zwischenstopps
mit hochoffizieller Genehmigung des
Heimatverbandes und der höheren
Kommandobehörde gegen NULL gehen würde. Als Außenstehender und
Sonnenanbeter und überzeugter Befürworter der CRM-Lehren war ich
über diese hervorragende situative
Aufmerksamkeit, hier vor allem über
die Umsetzung der jedem Luftfahrzeugführer bekannten Kategorie 4
(Know your environment = Kenne
und akzeptiere die Möglichkeiten,
Besonderheiten und Grenzen Deines
Umfeldes!) begeistert.
Und meine aufkeimende Begeisterung wurde nicht gedämpft! Weder
Ansätze von „Untätigkeit“ oder „Fehlende Kommunikation“ als untrügerisches Anzeichen für den Verlust der
situativen Aufmerksamkeit noch „Resignation“ als eine durchaus gefährliche Einstellung konnte ich im weiteren Verlauf bemerken. Ohne große
Umschweife wandte man sich nämlich
der Kategorie 2 (Know your aircraft
= Kenne und beherrsche Dein Luftfahrzeug in allen von Dir beherrschbaren Situationen! Habe Vertrauen
in die Leistungsdaten, betrachte sie
aber auch als Grenzen, die ohne Not
nicht überschritten werden dürfen!)
zu. Eine rechtzeitige „Reduzierung“
der Leistungsdaten des Luftfahrzeuges
auf dem Heimflug mittels einer mehr
oder weniger großen „technischen
Störung“, welche vielleicht bei der
Überprüfung am Boden nicht mehr
festzustellen sei, sollte nun den ersehnten Zwischenstopp bringen. Nach
einer Übernachtung sollte der direkte
Heimflug zum Heimatverband - ohne
Befundung der Störung durch Prüfpersonal des Heimatverbandes - angetreten werden.
Solche Denkansätze hatte ich bis
zum jetzigen Zeitpunkt immer in den
Bereich der „Sagen und Mythen“ geschoben. Ich hatte die auf den Traditionstreffen ehemaliger Marineflieger
gehörte Geschichte nie (!!!) geglaubt,
dass in den achtziger Jahren im Bereich
der Breguet Atlantic Flieger vorbestimmte Besatzungen im Verband mit
gepackten Koffern auf den „Notruf“
der Maschine gewartet haben, welche
sich auf einem Cross Country Flug
in Amerika befand und sich mit einer
„zeitweisen Propellerunwucht“ über
New Orleans - wo zufällig gerade Stra19
Flugsicherheit
ßenkarneval gefeiert wurde - melden
sollte, um dann nach erfolgreicher
„Sicherheitslandung“ mit schon vorbestimmten Technikern und einer
weiteren MPA nach New Orleans zur
Hilfe zu eilen.
Aber auch das zweite Abarbeiten
des Entscheidungsmodells FORDEC
endete erneut beim Punkt R
(Risks+Benefits). Das Risiko, dass die
Prüfgruppe des Heimatverbandes
einen erneuten Start nur nach persönlicher Inaugenscheinnahme der
- eigentlich nicht vorhandenen - technischen Störung vor Ort zulassen würde, war zu hoch und könnte u. a. a)
unangenehme Fragen, b) zusätzliche
weitere Stehtage und c) kostenintensives Nachfliegen von Technikern/Prüfern zur Folge haben.
Ein Abflauen der situativen Aufmerksamkeit war trotz der zwei deftigen Niederlagen aber immer noch
nicht zu erkennen. Getreu dem Motto: „Wenn es die Technik nicht richten kann, muss es der Mensch tun“
wandte man sich mit ungetrübtem
Arbeitseifer der Kategorie 3 (Know
your crew = Kenne die Leistungsfähigkeit Deiner Crew und
setze sie situationsgerecht ein!) zu.
Eigentlich hatte ich in meinen CRM Grund- und Wiederholungslehrgängen, welche stets durch einen alten,
aber überaus weisen Flugsicherheitsstabsoffizier gehalten wurden, gelernt,
dass u. a. zur Erhöhung der Teamleistung die individuellen Fähigkeiten
eines jeden einzelnen Crewmitgliedes
genutzt und auf einem hohen Level
gehalten oder zu mindestens immer
gesteigert werden sollten.
Mit Erstaunen vernahm ich aber, dass
man nun durch eine Verringerung oder
Komplettentzug der Leistungsfähigkeit
eines Crewmitgliedes dem Ziel - „legaler“ Zwischenstopp mit kulturellem
Hintergrund - näher kommen wollte.
Die Zauberformel hierfür sollte lauten:
Aktivierung eines Escherichia-ColiStammes mit dem Ziel einer Diarrhoe!
Für den medizinisch nicht so angehauchten Leser der entschlüsselte Lösungsansatz im Klartext: Bakterien, an
die sich die Bevölkerung eines fremden
Landes gut anpassen kann, sollten auf
ein noch näher zu bestimmendes Crewmitglied eine „durchschlagende Wir-
kung“ in Form einer ordinären Durchfallerkrankung haben. Diese sollte auf
dem Heimflug kurz nach dem Start
und noch rechtzeitig vor dem Passieren des neu ausgewählten - kulturell
interessanten - Zwischenlandeplatzes
genügend Grund für eine „Sicherheitslandung aus medizinischen Gründen“,
verbunden mit einer zwei- bis dreitägigen Erholungsphase, bieten. Diesem
„durchschlagenden“ Argument würde man in der Heimat definitiv keiner
Überprüfung unterziehen. Das Entsenden von medizinischem Fachpersonal des Heimatverbandes oder die
Anwesenheit eines militärischen Fliegerarztes auf einem ausländischen zivilen Zwischenlandeplatz war definitiv
ausgeschlossen.
Beim dritten beharrlichen Abarbeiten des Entscheidungsmodells FORDEC war man endlich am Punkt D
(Decision = Entscheidung treffen) angekommen. So und nicht anders sollte
die geschichtliche Weiterbildung möglich sein. Soviel „gelebtes CRM“ hatte ich in meiner Dienstzeit noch nicht
erlebt, aber das „Sahnehäubchen“
sollte noch folgen. Zur Aufnahme in
das „CRM-Lehrbuch“ fehlte nämlich
noch der Punkt C (Check = Situation
überprüfen + neu bewerten). Ohne
große Umschweife wurde vom Wortführer daran erinnert, dass bis zum
geplanten Rückflug am Freitag noch
vier lange Tage im Ausland zu
verbringen seien und es nicht
ganz auszuschließen sei,
dass sich die derzeitige
Begeisterung
für
eine Abwesenheit
am
Wochenende von der
Heimat und der
Familie
noch
legen könnte.
Spätestens am
Freitag wollte
man in diesem
kleinen Perso-
20
©HFw Ingo-Paul Dierkes
nenkreis das Problemfeld „Aktivierung
eines Escherichia-Coli-Stammes mit
dem Ziel einer Diarrhoe“ abschließend
bewerten.
Kann es überhaupt in der Fliegerei
noch eine bessere situative Aufmerksamkeit geben, die so rechtzeitig
einsetzt, so umfassend beleuchtet,
dabei nie aufgibt und auch noch einen unkonventionellen medizinischen
Lösungsansatz zulässt, der in keinem
CRM-Lehrbuch und keiner wissenschaftlichen Abhandlung zu finden
ist??? CRM lebt also doch! Meinen
alten, aber überaus weisen Flugsicherheitsstabsoffizier würde ich nach
Rückkehr bitten, seine selbsterstellten
Unterrichtsunterlagen um das Kapitel
„Zielerreichung in der Fliegerei durch
Verringerung der Teamleistung“ zu
ergänzen. Vielleicht kam ja auch ein
entsprechender Vortrag mit anschließender Diskussion und Erfahrungsaustausch bei der nächsten Flugsicherheitsfachtagung in Frage!?
Für meinen Teil beschloss ich, nicht
mehr an historische Ausgrabungsstätten mit alten steinernen Skulpturen zu
denken. Bevor ich mich wieder intensiver um die neben mir liegende junge
lebendige Skulptur kümmern wollte,
bei der ich sicherlich noch wesentlich
mehr über die „Sitten und Gebräuche“
der einheimischen Bevölkerung erfahren konnte, schoss mir letztmalig
der Begriff situative Aufmerksamkeit
durch den Kopf. In einem Punkt war
sie definitiv äußerst mangelhaft: Auch
am Pool im vermeintlich sicheren
Ausland sollte sie das gesamte räumliche Umfeld erfassen. Beim visuellen
Scannen einer Poollandschaft sollte
man nie zu lange bei den tiefbraunen
orangenhautfreien Oberschenkeln der
Weiblichkeit verweilen. Der ältere Herr
dahinter auf der Sonnenliege - obwohl
zunächst für einen mehr als uninteressant - könnte sowohl in der Lage sein,
die eigene Muttersprache zu beherrschen als auch, falls gewünscht, einen
kompetenten FORDEC Gesprächspartner abgeben!!!
Leserbrief
zum Beitrag „Luftraum F“ in der Ausgabe 04-2008
Sehr geehrte Redaktion,
heute bekam ich das Heft 4/2008 in die Hände und habe mit großem Interesse
Ihren Artikel „Luftraum F“ gelesen.
Das Thema wurde umfassend behandelt und dargestellt, besonders gefallen
hat der letzte Teil „Was heißt das für den IFR/VFR-Piloten“.
Ich stelle bei meinen dienstlichen und privaten Aktivitäten in der Fliegerei
immer wieder fest, was für eine erschreckende Unkenntnis und falsches
Wissen zum Luftraum F bei Profis wie auch bei „Sportfliegern“ herrscht.
Artikel dieser Art können und müssen zur Aufklärung und damit auch zur
Erhöhung der Flugsicherheit beitragen.
Ein kleiner Fehler ist mir aber doch aufgefallen:
Bei der Übersicht der Flugplätze mit Luftraum „F“ (HX) Donauwörth EDMQ
- EDMQ/Donauwörth-Genderkingen ist ein Flugplatz, der geografisch in unserem Luftraum „F“ liegt und
- EDMQ/Donauwörth-Genderkingen hat keine IFR-Verfahren.
Richtig ist:
- Donauwörth (HEL) EDPR
Wir haben als erster (ziviler) Platz in Europa Luftraum ‚F’ mit IFR-Verfahren
(GPS-RNAV) für Helikopter.
Mit freundlichen Grüssen
Manfred Vermehren
Leiter Landeplatz / Airfield Manager
Flugversuch / Flight Test
Beauftragter für Luftaufsicht / Aviation Supervisor
21
Flugsicherheit
Die Feuerwehren der Bwständig im Fokus!
von OTL Mennen, GenFlSichhBw
und LBauDir Klein, BMVg
Donnerstag,
18. Januar 2007,
Luftwaffenflugplatz
Schleswig-Jagel.
Routinemäßig beobachten die
Feuerwehrmänner der Pistenbereitschaftsfahrzeuge alle Bewegungen
von Luftfahrzeugen auf der vor ihnen
liegenden Start- und Landebahn. Beim
RUN-UP (Hochfahren der Triebwerke
und Überprüfung wichtiger Systeme
22
Bild: FlSichh AG 51
vor dem Start) zweier französischer
MIRAGE F1-Aufklärer auf der Piste bemerken sie eine zeitweilige Rauchentwicklung an einem der beiden Luftfahrzeuge im Elektronikbereich hinter
dem Cockpit. Unverzüglich geben sie
diese Beobachtung an das Kontrollturmpersonal weiter, welches die Besatzungen informiert. Diese fordern
daraufhin eine genaue Überprüfung
des Luftfahrzeuges durch die Feuerwehr an.
Während der Anfahrt fällt dem
Feuerwehrpersonal des Löschfahrzeugs 1 (Pistenanfang) Funkenflug am
Luftfahrzeug auf, dann schlagen Flammen aus dem Bugfahrwerkschacht mit
Tropf- und Fließbrandeigenschaften.
Der sich schnell ausbreitende Brand
wird sofort bekämpft. Zwischenzeitlich hat der Luftfahrzeugführer das
Triebwerk abgeschaltet und das Luftfahrzeug mittels Emergency Ground
Egress verlassen. Er bleibt unverletzt.
Nur wenig später treffen auch die
übrigen Pistenfahrzeuge ein und mit
vereinten Kräften gelingt es rasch, das
Feuer unter Kontrolle zu bringen.
Ursache für das Feuer war ein Kurzschluss in der elektrischen Spannungsversorgung des Luftfahrzeuges. Mit
hoher Wahrscheinlichkeit hätte dieser
Schaden – wäre er unentdeckt geblieben – zu einem Flugunfall geführt.
Das aufmerksame Feuerwehrpersonal
hat somit großen Schaden für Mensch
und Material abgewendet.
Ein Einzelfall? Keineswegs! Derartige
Vorfälle werden in der Regel nicht besonders bekannt. Manch spektakuläres
Unfallereignis mit Luftfahrzeugen auf
Flugplätzen der Bundeswehr wurde nur
deswegen vermieden, weil die Feuerwehr sofort zur Stelle war und die Gefahr bereits im Ansatz bekämpfte.
Es gibt eine Reihe an Beispielen von
Ereignissen im Flugbetrieb aus den
letzten Jahren, welche die Bedeutung
eines unverzüglich eingreifbereiten
Pistendienstes eindrucksvoll belegen.
So sei auch an die Durchstartübung
Bild:OTL Maneth
(TOUCH and GO) eines TORNADO
auf dem Fliegerhorst Nörvenich am
30.11.2007 erinnert, bei der das Fahrwerk zu früh eingefahren wurde. In der
Folge sackte das Luftfahrzeug durch
und rutschte auf den Zusatztanks und
Unterflügelträgern über die Landebahn, bis es nach mehreren hundert
Metern schließlich zum Stillstand kam.
Aus den beschädigten Tanks auslaufender Restkraftstoff entzündete sich
durch Reibungswärme und Funkenflug. Durch den Pistendienst konnte
sehr zügig der Löschvorgang eingeleitet und verhindert werden, dass es
zu größeren Schäden am Luftfahrzeug
kam. Es wurde nach relativ geringfügigen Reparaturen bald wieder flugtauglich.
Auch beim nächtlichen Landeunfall
eines TORNADO am 17.10.2006 auf
dem Fliegerhorst Büchel war der Pistendienst sehr schnell zur Stelle und trug
mit einem unmittelbar eingeleiteten
Löscheinsatz dazu bei, dass beide Besatzungsmitglieder das Luftfahrzeug
ohne Schaden verlassen konnten.
Aufgaben der Feuerwehren auf den
Flugplätzen der Bundeswehr
Die Hauptaufgabe der hauptamtlichen Brandschutzkräfte auf den Flugplätzen der Bundeswehr ist die Menschenrettung und Brandbekämpfung
bei Unfällen oder Zwischenfällen mit
Luftfahrzeugen.
Weitere wichtige Sicherheitsaufgaben sind Feuersicherheitswachen
(z. B. bei Triebwerkfunktionsüberprüfungen „Bremslauf“), bei Be- und
Enttankungen von Luftfahrzeugen
und beim Beladen mit Einsatzmunition
sowie die technische Hilfeleistung im
Flugplatz- und Dienststellenbereich
(wie etwa zur Abwehr von Öl- und
anderen Umweltschäden) und die Bedienung der Luftfahrzeug-Notfanganlagen (wo vorhanden).
Weiterhin zählen hierzu auch der
Wartungs-, Prüf- und Fülldienst von
Feuerlöschern sowie die Durchführung und Unterstützung der Brandschutzausbildung für das allgemeine
Personal der Dienststelle.
Bild: FlSichh ETNN
23
Pistendienst
Der Pistendienst der Feuerwehren
an
Bundeswehrflugplätzen
wird
ganzjährig, Sommer wie Winter,
während des Flugbetriebs durchgeführt. Der Kräfte- und Mitteleinsatz
hängt von der Länge der genutzten
Piste, der Größenordnung der Luftfahrzeuge sowie von den Leistungsparametern der zum Einsatz bereitstehenden
Löschfahrzeuge ab. Bei Flugbetrieb
mit Flächenflugzeugen werden derzeit
in der Regel drei Löschfahrzeuge (am
Pistenanfang, Startbahnmitte sowie
Auslaufpunkt/Pistenende) positioniert.
Grund für diese hohe Präsenz an
der Piste ist die Forderung nach einer
Eingreifzeit von maximal 1 Minute im
gesamten Pistenbereich. Sie wurde
im Rahmen eingehender Versuche als
die Zeit ermittelt, in der bei Luftfahrzeugunfällen oder Zwischenfällen mit
Brandfolgen Menschenleben mit hoher Wahrscheinlichkeit gerettet und
Material weitestgehend erhalten werden kann.
24
Die Notwendigkeit des Pistendienstes zeigt sich – wie anhand der vorstehenden Fälle dargestellt – besonders
in den gefährlichsten Phasen des Flugbetriebes, nämlich bei Start und Landung. Das Versagen von Triebwerken
während des Startvorgangs, die Fehlfunktion der Fahrwerkmechanik, schadhafte/geplatzte Reifen usw. und nicht
zuletzt auch menschliche Fehlhandlungen (wie z. B. noch einsteckende
Sicherungsstifte) bringen nicht zu unterschätzende Gefahren für die Luftfahrzeugbesatzungen und Insassen
mit sich. Durch schadhafte Hydraulik- und Treibstoffleitungen kann sich
auslaufendes Hydrauliköl bzw. auslaufender Treibstoff an heißen Luftfahrzeugteilen, z. B. an erhitzten Bremsen,
am Triebwerk etc., entzünden. Schnell
kann ein Brand entstehen, der im
Fall längerer Eingreifzeiten der Feuerwehr (wenn beispielsweise der Einsatz
aus der Feuerwache heraus erfolgt)
Gelegenheit hat, sich zu entwickeln.
Mit zunehmender Temperatursteige-
rung des Brandes wächst die Gefahr,
dass pyrotechnische Komponenten
und Selbstschutzeinrichtungen (z. B.
Absprengkapseln in den Lastenträgern
für Abwurfmunition oder FLARES) und
noch größere Treibstoffmengen freigesetzt werden, mit all den Folgen für
Leben und Gesundheit der Luftfahrzeuginsassen. Die in modernen Luftfahrzeugen verwendeten Faserverbundstoffe und Kunststoffe aller Art
entwickeln, wenn sie in Brand geraten,
eine erhebliche Gefahr für Mensch
und Umwelt. Zum Beispiel können für
Mensch und Tier toxische Gase entstehen. Kohlefasern, die in der Luft
schweben, wirken als elektrische Leiter
und können zu Kurzschlüssen in elektrischen und elektronischen Anlagen
führen. Lungengängige Fasern stehen
zudem in Verdacht, krebserregend zu
sein.
Zur Untersuchung des Gefährdungspotentials als Folge von Atemgiften
wurden Versuche an brennenden Luftfahrzeugen der Bundeswehr durchge-
Bild: FlSichh JG 73
Flugsicherheit
Bild: FlSichh ETNN
führt. Die dabei sich entwickelnden
Gase im Inneren des Cockpits wurden
analysiert und hinsichtlich ihrer Toxizität in mehreren Versuchsreihen gemessen. Es stellte sich dabei heraus,
dass bei einem größeren Luftfahrzeugbrand bereits nach 50 Sekunden
Werte an toxischen Gasen im Atembereich der Besatzung auftreten, die ein
Überleben verhindern.
Allein aus diesem Grunde muss es
daher das Ziel der Brandbekämpfung
auf Bw-Flugplätzen sein, einen im Entstehen begriffenen Brand an einem
Luftfahrzeug sofort und ohne vermeidbare Verzögerungen zu bekämpfen. Dies gilt ohne Unterschied für
Kampf- und Transportflugzeuge sowie
Hubschrauber. Im Interesse der fliegenden Besatzungen und Passagiere
müssen dabei Wirtschaftlichkeitsinteressen (wenn auch heutzutage vorrangig betrachtet) zurücktreten. Der
vorhandene Pistendienst der Feuerwehren auf den Flugplätzen der Bundeswehr gewährleistet für die meisten
aller denkbaren Notfälle eine Eingreifzeit von maximal 60 Sekunden. Die
Eingreifzeit ist der Zeitraum zwischen
der Alarmierung/Erkennung bzw. dem
Eintritt einer Notsituation/Zwischenfall
und dem Zeitpunkt, zu dem
- Löschmittel
mit
mindestens
50 % der festgelegten Löschmittelausstoßmenge/-rate
gemäß
Flugplatzkategorie/-tabelle ausgebracht werden und/oder
- eine sichere Rettung der Lfz-Besatzung gewährleistet werden kann.
Die restliche Löschleistung soll nach
längstens einer weiteren Minute verfügbar sein.
Diese Soll-Eingreifzeit ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen nicht
darstellbarer totaler Sicherheit und
wirtschaftlichem Kräfte- und Mitteleinsatz.
Feuersicherheitswachen
Feuersicherheitswachen sind überall
dort erforderlich, wo im technischen
Betrieb am Boden besondere Brandrisiken auftreten. Dies ist z. B. in besonderem Maße bei allen Funktionsüberprüfungen von Triebwerken der Fall.
Durch auftretende Fehler am Triebwerk
wie z. B. Undichtigkeiten von Ventilen,
Schraub- oder Steckverbindungen von
Leitungen kann beispielsweise austretender Treibstoff oder Hydrauliköl an
heißen Teilen entzündet werden.
Hochlaufende Triebwerke stellen
eine Gefahr durch mögliches Zerlegen
und nachfolgende Brandentstehung
dar. Dem Brandgefährdungspotential
entsprechend sind die sogenannten
Lärmschutzhallen, in denen die Prüfläufe stattfinden, mit stationären CO2 –
Löschanlagen ausgestattet. Je nach
Art der Triebwerkläufe sind bis zu drei
Feuerwehrmänner mit einem Feuerlösch-Kfz vor Ort, um im Gefahrenfall
Rettungsmaßnahmen für das Prüfpersonal und ggf. Brandbekämpfungsmaßnahmen einleiten zu können.
Die Auslösung der CO2 – Löschanlage im Brandfall darf erst dann erfolgen, wenn das in der Halle arbeitende
Personal diese verlassen hat. Menschliche und technische Unzulänglichkeiten führen jedoch gelegentlich zu
Fehlern, d. h. zu Fehlbedienungen bzw.
Fehlfunktionen. So ereignete sich in
den 80iger Jahren auf einem Flugplatz
25
Flugsicherheit
der Luftwaffe eine Fehlauslösung einer CO2 – Löschanlage aufgrund eines
technischen Defekts, mit beinahe
tödlichem Ausgang für drei dort tätige Soldaten. Durch den schnellen,
direkten Einsatz der Feuerwehr unter
schwerem Atemschutz konnte eine
erfolgreiche Rettungsaktion der drei
Soldaten erfolgen.
Eine weitere Gefahrenquelle stellen
alle Be- und Enttankungsvorgänge an
Luftfahrzeug dar. Statische Elektrizität am Flugzeug in Verbindung mit
den bereits erwähnten technischen
Mängeln als auch menschlichen Unzulänglichkeiten können, wie zurückliegende Unfälle gezeigt haben, schnell
katastrophale Auswirkungen mit sich
führen. In der Regel wird für Feuersicherheitswachen dieser Art ein Feuerwehrfahrzeug mit drei Mann Besatzung vor Ort bereitgestellt.
Ein Gefahrenpotential besonderer
Art ist in diesem Zusammenhang das
sogenannte Hot Refueling, also die
Betankung bei laufendem Triebwerk.
Auch dieser Vorgang zur Verkürzung
von Zwischenstopps für Lfz wird
brandschutztechnisch abgesichert.
Wenig spektakulär, aber genauso
wichtig, sind nicht zuletzt Feuersicherheitswachen bei allen Schweiß-, Lötund Brennarbeiten in den technischen
Bereichen eines Flugplatzes. Aufgabe
des Sicherheitsposten ist es hier, dafür zu sorgen, dass mögliche Brandrisiken weitestgehend ausgeschlossen
und fachgerechte Kontrollen während
und nach den entsprechenden Arbeiten im Arbeitsbereich durchgeführt
werden.
Für die gesamte Palette der beschriebenen Einsatzaufgaben ist die
Feuerwehr mit geeignetem technischem Gerät ausgestattet und entsprechend qualifiziert.
Fliegerhorst- und Flugplatzfeuerwehren – zu teuer?
Um dem in den verschiedenen Aufgabenbereichen beispielhaft aufgezeigten Gefahrenpotential wirksam
26
begegnen zu können, halten die
Feuerwehren auf den Flugplätzen der
Bundeswehr darauf ausgerichtete
Kräfte und Mittel bereit. Leistungsfähige Löschfahrzeuge und feuerwehrtechnisches Gerät sowie eine
ausreichende Löschmittelbevorratung
sind eine der Grundvoraussetzungen
zur wirkungsvollen Auftragserfüllung.
Die zweite Voraussetzung ist eine
aufgabengerecht bemessene Personalstärke und qualifizierte Ausbildung der Feuerwehr. Dies alles kostet
Geld, sehr viel Geld.
Die seit mehr als 25 Jahren bei den
Feuerwehren der Bundeswehr in Dienst
stehenden Feuerlösch-Kraftfahrzeuge
der sogenannten zweiten Generation
(FL-Ffz 1000, 3000, 3500 und 8000)
sind überaltert und sehr störanfällig.
Ihr Ersatz durch eine neue Fahrzeuggeneration (FL-Kfz FlPl schwer, mittel
und leicht) ist eingeleitet (zum Teil
auch bereits vollzogen), wird sich aber
– nicht zuletzt in Abhängigkeit von bereitgestellten Haushaltsmitteln – noch
über mehrere Jahre hinziehen. Die o. a.
Kfz werden ergänzt durch Geräterüst-, Gebäudebrand- und Rettungsfahrzeuge.
Die Neuregelungen zur Arbeitszeit
wirken sich ebenfalls auf die Struktur
und Organisation des Dienstbetriebes
in den Bundeswehrfeuerwehren aus.
In diesem Zusammenhang sind die
Organisationsunterlagen (STAN) sachgerecht und zeitnah anzupassen. Dabei sind auch neue Entwicklungen im
Brandschutz wie in der Luftfahtzeugtechnik zu berücksichtigen.
Die Grundlagen hierfür sind mit
der Erlassung der „Fachliche Richtlinie für den Einsatz der Feuerwehren der fliegenden Verbände und
Dienststellen des Heeres“ (SKUKdo
ABCAbw/SchAufg – Az 61-30-00/VSNfD vom 29.07.2008) bzw. der „Fachliche Richtlinie für den Einsatz der Feuerwehren der fliegenden Verbände
und Dienststellen der Luftwaffe, der
Marine und des Rüstungsbereichs“
(SKUKdo ABCAbw/SchAufg – Az 61-
30-00/VS-NfD vom 15.01.2009) geschaffen worden.
Durch die arbeitszeitrechtlichen
Veränderungen ergibt sich ein gewisser personeller Aufwuchs bei den
Flugplatzfeuerwehren. Dies erfordert
u. a. zusätzliche Anstrengungen hinsichtlich Aus-, Fort- und Weiterbildung
des Personals sowie auch ggf. die Erweiterung der von den Feuerwehren
genutzten Infrastruktur.
Insbesondere vor dem Hintergrund
der ständig schwieriger werdenden
Rahmenbedingungen wird daher häufig die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Bw-Feuerwehren gestellt.
Der Bundeswehr sind große Brandund Schadensereignisse auf ihren Flugplätzen seit Langem erspart geblieben
– durch Glück, aber auch deswegen,
weil ihre Feuerwehren Gefährdungen
bereits im Keim erstickten.
In dem Maße wie die Bedrohung
bzw. die Gefahr verblasst, schwindet
bekanntlich das Gefühl für die Notwendigkeit der Vorsorge. Wir sollten
uns aber durch die positive Entwicklung unserer Flugsicherheitsstatistik
nicht täuschen lassen: Es gibt keine
Gewähr dafür, dass dieser positive
Trend anhält. Die Bundeswehr muss
auch auf ein großes Schadensereignis
im Flugbetrieb vorbereitet sein und
angemessen reagieren können.*
Es klingt banal und ist trotzdem
wahr: Vorsorge kostet Geld, zuwenig
Vorsorge unter Umständen Leben!
*In diesem Zusammenhang empfiehlt sich die
Lektüre der Berichte zum Flugunfall mit Lockheed C-130H auf der Eindhoven Air Base/NL
am 15. Juli 1996. Dabei kamen 34 der insgesamt 41 Insassen ums Leben. Die übrigen
sieben Personen überlebten mit schweren bzw.
schwersten Verletzungen.
-Eindrapport 01-97, Den Haag, maart 1997,
Raad van Advies inzake Luchtvaartongevallen
bij Defensie
-http://www.nbdc.nl/cms/show/id=140411
(Summary of the Hercules crash on 15 July
1996)
-http://www.zero-meridean.nl/c_eindhoven_150796.html
-AIR FORCES MONTHLY December 1996
Bild von der PIZ Luftwaffe
Zwei ist einer zuviel
(in der Fanganlage)!
von OSFw d.R. Karl-Heinz Weiss
GenFlSichhBw
Am 9. August 1962 kam
es auf dem Flugplatz
Husum zu einem tragischen Unfall, bei dem
zwei schwerletzte
Luftfahrzeugführer und
zwei zerstörte Luftfahrzeuge zu beklagen
waren. Er ist ein Beispiel dafür, wie einzelne
Faktoren, die für sich
genommen nicht gravierend sind, zu einer Katastrophe führen können.
Zwei Luftfahrzeugführer (LFF) des
in Eggebek beheimateten Aufklärungsgeschwaders 52 erhielten den
Auftrag, einen VFR-Formationsflug
durchzuführen. Der eingeteilte Formationsführer hatte 72:30 Flugstunden
auf der RF-84F, der Rottenflieger 7:15
Stunden. Für beide LFF war die geplante Mission der erste Einsatz nach
einer zwei- bzw. dreiwöchigen krankheitsbedingten Pause. Der letzte Flug
auf dem Luftfahrzeugmuster fand
26 bzw. 23 Tage vor dem Unfalltag
statt. Es war auch der erste Einsatz
vom Flugplatz Husum aus, der ihnen
- obwohl der Nachbarflugplatz - nicht
vertraut war. Außerdem stieg die sehr
schmale Startbahn bis zur Hälfte der
Länge an (knapp 30 m) und hatte keine Startbahnschultern. Beide LFF befanden sich noch in der Ausbildung
zum Aufklärungsflugzeugführer im
sogenannten Waffenschulprogramm,
dessen Durchführung normalerweise
nicht die Aufgabe des Einsatzverbandes war. Durch Umstände, die weder durch die Luftfahrzeugführer noch
durch das Geschwader zu vertreten
waren, kamen beide LFF ohne Aufklärungsflugzeugführer-Ausbildung zum
Geschwader. Von hier aus wurde ihnen eine Jabo-Ausbildung auf F-84F in
den USA ermöglicht und sie erflogen
sich 32:45 bzw. 36:15 Flugstunden auf
der F-84F. Dort hatten sie mindestens
je 20 Starts im engen Verband, zum
Teil im Viererverband, durchgeführt,
allerdings bei einer breiteren Landebahn. Es handelte sich bei beiden LFF
eindeutig um noch in der Waffenausbildung befindliche Flugzeugführer.
Soweit zur Vorgeschichte.
Die Vorfluginspektion verlief ohne
Beanstandungen. Auch bei den Überprüfungen vor dem Start wurden keine Unregelmäßigkeiten an den Luft27
fahrzeugen festgestellt. Beim Start
stand der Rottenführer auf der rechten Seite der Startbahn. Er begann
den Start mit einer Triebwerksleistung
von 98% RPM (normale Startleistung
des Führungs-Luftfahrzeugs). Er verminderte die Triebwerksleistung geringfügig, als er ein Zurückfallen seines Rottenfliegers beobachtete. In
Höhe des Kontrollturms überprüfte
er seine Geschwindigkeit, die etwas
über 100 Kts betrug. Da die angezeigte Geschwindigkeit zu gering war,
entschloss er sich zum Startabbruch,
was er seinem Rottenflieger über Funk
mitteilt. Er nahm den Leistungshebel
voll zurück, zog den Auslösegriff des
Bremsschirmes, öffnete das Kabinendach (war gemäß Standing Operating
Procedures so vorgeschrieben) und trat
voll auf die Bremse. Durch den Windfahneneffekt wurde sein Luftfahrzeug
von der rechten Seite auf die Mitte der
Startbahn gedrückt und wurde dort
vom Luftfahrzeug des Rottenfliegers
überholt.
28
Der Start des Rottenfliegers verlief
zunächst normal. In Höhe des Kontrollturms sah der Rottenflieger auf seinem
Fahrtmesser eine Anzeige von 110 Kts.
Kurz darauf schloss er stark auf, verminderte die Triebwerksleistung als er
die Mitteilung seines Formationsführers über dessen Startabbruch hörte.
Er entschloss sich aber, den Start allein
fortzusetzen. Er gab volle Leistung,
wurde von dem Luftfahrzeug des Verbandsführers nach rechts gedrängt. In
dem Augenblick, als er diesen überholte, hatte er das Gefühl einer Flächenberührung. Sein Luftfahrzeug begann
zu schleudern. Dies veranlasste ihn
nunmehr auch seinen Flug ca. 2.500
ft vor der Auffangvorrichtung abzubrechen. Er wollte den Bremsschirm
auslösen, verwechselte jedoch den
Notbremshebel mit dem Auslösehebel
für den Bremsschirm. Damit schaltete er auch die Anti-Skid-Anlage aus,
was in der Folge zur Zerstörung beider
Reifen des Hauptfahrwerkes führte.
Während das linke Rad blockierte (es
wurde von 115 mm Felgenhöhe bis
auf 15 mm abgeschliffen), rollte das
rechte Rad auf den Resten des Reifens.
Den Leistungshebel hatte er nicht voll
zurück genommen. Das Luftfahrzeug
zog leicht nach links, so dass es mit
dem linken Laufrad am Mittelstrich
rollend die Auffangvorrichtung traf.
Durch den erfolgreichen Fangvorgang
wurde das Luftfahrzeug noch weiter
nach links gedreht.
Auch der Rottenführer konnte sein
Luftfahrzeug nicht mehr rechtzeitig vor
der Fanganlage zum Stehen bringen.
Er machte aber auch keine Ausweichbewegung. Dadurch kam es zum Aufprall des Führungsluftfahrzeuges auf
das Luftfahrzeug des Rottenfliegers,
das bis dahin noch rutschte und erst
einen Meter vor dem Ende der betonierten Ausrollstrecke zum Stillstand
kam. Bis zum Zeitpunkt des Zusammenstosses war die Kette etwa 200
m weit ausgezogen und die Auftreffgeschwindigkeit von ca. 120 Kts stark
vermindert.
Beide Luftfahrzeuge wurden stark
beschädigt und durch auslaufenden
Kraftstoff in Brand gesetzt. Beide Piloten wurden schwer verletzt.
Bild von der PIZ Luftwaffe
Bild von der PIZ Luftwaffe
Flugsicherheit
Bild von der PIZ Luftwaffe
Der Rottenflieger verließ sein Luftfahrzeug, nachdem er sich selbst vom
Gurtzeug des MB-Sitzes gelöst hatte.
Der Rottenführer konnte sich nicht
selbst aus dem Gurtzeug des Schleudersitzes lösen und musste durch die
Fliegerhorstfeuerwehr geborgen werden. Er erlitt Verbrennungen 1. bis
3. Grades auf 30% der Körperoberfläche. Sein Rottenflieger erlitt Verbrennungen 1. bis 2. Grades auf der
linken Stirnseite. Beim Sprung von der
Fläche brach er sich den Mittelfußknochen.
Analyse des Unfalls
Die Entscheidung des Rottenführers den Start abzubrechen, als beim
Line Speed Check die angezeigte Geschwindigkeit zu niedrig war, war
richtig.
Der Flugunfall wurde durch einen
Fehler des Rottenfliegers beim Startabbruch verursacht, weil er anstelle des
Auslösehebels für den Bremsschirm
den der Notbremse zog. Außerdem
brachte er den Leistungshebel nicht in
die Leerlaufstellung.
Ein technischer Fehler - falsche Geschwindigkeitsanzeige im Luftfahrzeug - veranlasste den Rottenführer,
seinen Start abzubrechen.
Die Feuerwehr unternahm nicht sofort einen Rettungsversuch beim Führungsluftfahrzeug. Außerdem hatte
sich die Ausrüstung als unzureichend
erwiesen.
Die Startbahn des Flugplatzes Husum war zu schmal und hatte keine
Startbahnschultern. Mangels nutzbarer, ausreichend breiter Startbahnschultern und der geringen Flugerfahrung der Piloten war ein Vorbeisteuern
an der bereits besetzten Fanganlage
nicht möglich.
Durch die in den Standard Procedures gegebene Anweisung, bei
einem Startabbruch das Kabinendach
zu öffnen, kam es zu den schweren
Brandverletzungen des Rottenführers.
Das allmähliche Drehen des Führungsluftfahrzeuges zur Mitte der sehr
schmalen Startbahn ereignete sich
infolge des Windfahneneffekts durch
den Seitenwind nach der Bremsschirmbetätigung. Bei der geringen Flugerfahrung des LFF auf der seitenwindempfindlichen RF-84F war dies schwer
unter Kontrolle zu bekommen.
Gemäß der SOP (Standard Operating Procedure) wurde bei dem Ausbildungsstand der beiden Luftfahrzeugführer ein Prüfflug mit Lehrer (Chase
Pilot, es gab keinen Doppelsitzer) erst
nach über sechs Wochen Flugpause
auf den betreffendem Luftfahrzeugtyp verlangt.
Durch die Konstruktion des Gurtzeuges des Martin Baker Schleudersitzes hatten beide Luftfahrzeugführer
Schwierigkeiten mit dem Lösen der
Gurte. Ein Teil der schweren Brandverletzungen des Rottenführers ist darauf
zurückzuführen, dass er nicht die volle
Schutzausrüstung (Unterwäsche) trug.
29
Flugsicherheit
Arzneimittel übers
Internet
– eine Gefahr für die Flugsicherheit
von LMedDir Dr. Michael Krämer,
FlMedInstLw, Abteilung Rechtsmedizin
und Flugunfallmedizin
und
Oberstarzt Dr. Peter Mees,
GenArztLw, Abteilung. I
Der Bezug von Arzneimitteln per Mausklick
über das Internet boomt
wie nie. Dabei tragen
die Patienten das
Risiko – sie kennen es
meistens nur nicht –
zumal Patienten kaum
in der Lage sind, seriöse
von unseriösen Anbietern zu unterscheiden.
30
Diätpillen, Schlankmacher als Kräuterpillen aus China, Potenzmittel aber
auch lebenswichtige Arzneimittel
werden über den illegalen Handel bezogen. Dabei stellt das Internet eine
nicht kontrollierbare Plattform dar, die
es den Vertreibern der Arzneimittel
ermöglicht, innerhalb kurzer Zeit Milliardenumsätze zu realisieren. Es handelt sich um verzweigte Netzwerke,
die über den gesamten Globus verteilt
sind und im Stil der organisierten Kriminalität arbeiten. Die Zollbehörden
der EU stellen jedes Jahr viele Millionen gefälschter Produkte sicher.
Worin besteht die Gefahr?
Bei den per Internet aus illegalen
Quellen bezogenen Arzneimitteln
handelt es sich meistens nicht um
Reimporte legaler Medikamente, sondern um Fälschungen aus dubiosen
Labors, z. B. aus Fernost. Ursprungs-
länder für 80 % der beschlagnahmten
Arzneimittelfälschungen sind China,
aber auch Indien sowie die Vereinigten
Arabischen Emirate. Die gesundheitlichen Risiken sind dabei nicht abschätzbar, weil in den meisten Fällen der
verordnete, d. h. therapeutisch wirksame Wirkstoff nicht in reiner Form, oft
in zu hoher Konzentration oder überhaupt nicht enthalten ist. Dies bedeutet einen massiven Eingriff in das
Therapieschema - einerseits durch
Überdosierung oder auch andererseits
durch praktisches, nicht beabsichtigtes
Absetzen der Medikation. In der Folge
sind tödliche Ausgänge durchaus zu
erwarten (z. B. bei Diabetes, Thrombose, Herzerkrankungen, psychiatrischen
Erkrankungen oder nach Einnahme zentral wirksamer Medikamente
usw.). Auch die an sich als harmlos
vermuteten Arzneimittel wie Potenzmittel oder Schlankheitsmittel sind
© Bild von Mara Thöne - www.mara-thoene.de
hiervon nicht ausgenommen. Es werden auch Cholesterinsenker, Osteoporosemittel und Anabolika, d. h. nicht
nur Lifestyle-Mittel, angeboten. Ihre
versteckte Einnahme machen eine
sinnvolle ärztliche Kontrolle und Beurteilung der Flugtüchtigkeit zum Nachteil für den Piloten unmöglich. Nur
wenn im Rahmen der Flugunfalluntersuchung gezielt danach gesucht wird,
können sie nachgewiesen werden.
Dies ist im Falle eines Flugunfalles die
Regel und erlangt damit Bedeutung
bei der forensischen Beurteilung.
Über sogenannte Reimporte gelangen Arzneimittelfälschungen sogar in
die reguläre Lieferkette. Dies zeigen
Warnungen z. B. der Britischen Arzneimittelaufsicht, die Arzneimittelfälschungen auch im regulären Vertrieb
über den Großhandel und über Apotheken registriert hat. So sind Plagiate
des von Astra Zeneca hergestellten
Prostatamittels CASODEX ebenso wie
des Antidepressivums ZYPREXA oder
des Präparates PLAVIX (Mittel zur Vorbeugung von Blutgerinnseln) aufgetaucht.
Schlankheitsmittel und ihre Bedeutung für die Flugsicherheit
Bei der Selbstmedikation mittels allerlei legal und illegal bezogener Arzneimittel kommt möglicherweise den
Schlankheitsmitteln eine besondere
Bedeutung zu. Hier sei auf die ZDv
46/6 Ziffer 308 (1) und (2) verwiesen:
Das Körpergewicht soll grundsätzlich der Norm entsprechen: Body Mass
Index (BMI = Körpergewicht/Körpergröße in m2. Hierbei ist ein BMI > 25
als Übergewicht und ein BMI > 30 als
Übergewicht mit Krankheitswert definiert, wobei letzteres die WFV, ggf.
vorübergehend, ausschließt.
Bei der flugmedizinischen Bewertung von Unter- bzw. Übergewicht
sind die fliegerischen Anforderungen,
die Körperkonstitution und evtl. zusätzlich bestehende Risikofaktoren mit
einzubeziehen.
Die WFV-Grad I wird, ggf. vorübergehend, ausgeschlossen bei einem
Körpergewicht, das die oberen Richtwerte der Anlage 2 der ZDv 46/1 überschreitet.
Zur Illustration soll über folgenden
von uns beobachteten Fall berichtet
werden:
Über das Internet wurden von einer
jungen Patientin Kapseln zur Gewichtsabnahme bezogen. Die Werbung gab
eine Gewichtsabnahme von 5 kg/Monat an. Inhaltsstoffe waren auf der
aus China stammenden Arzneimittelpackung nicht angegeben. Einen
Beipackzettel gab es ebenfalls nicht.
Nach wenigen Tagen der Einnahme
traten Unruhe, Zittern und Schlafstörungen auf. Nach dem Absetzen des
Arzneimittels wurde über regelrechte
Entzugserscheinungen (Unruhe, Bewegungszwang) berichtet. Es handelte
sich um das Schlankheitsmittel Li DA.
In Deutschland wird dieses Mittel als
chinesische Kräuterkapseln vermarktet. Im letzten Jahr waren es etwa 1
Million Kapseln, die der Zoll beschlagnahmte.
Das als harmlose Kräuterkapseln
angepriesene Mittel aus China wurde uns als Teil der Originalpackung
zur chemisch-toxikologischen Analyse übergeben. Unsere Analyse ergab,
dass in den Kapseln der synthetische
Wirkstoff Sibutramin enthalten ist,
welcher ähnlich wie N-Methyl-Amphetamin ein indirektes Sympathomimetikum (Arzneimittel, das im Organismus
die gleiche Erscheinungen hervorruft
wie bei Erregung des Sympatikus z. B.
Adrenalin) ist und zu einer Freisetzung
von Noradrenalin aus den Vesikeln
präsynaptischer adrenerger Neurone
führt. Das gleiche Mittel Li DA wurde
auch vom Landesuntersuchungsamt
Rheinland-Pfalz analysiert und ebenfalls Sibutramin in einer Konzentration
von 26,4 mg/Kapsel festgestellt. Dieser Wirkstoff ist in Deutschland nur in
einem Medikament enthalten – nämlich in Reductil mit einer maximalen
Menge von 15 mg/Kapsel. Selbst diese
Menge darf nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden, da sehr
starke Nebenwirkungen auftreten. In
Italien sei diese Substanz wegen zweier Todesfälle vom Markt genommen
worden
In der „Roten Liste“ sind als mögliche Nebenwirkungen u. a. folgende
angegeben:
Tachykardie
(Herzrhythmusstörungen mit einem Anstieg der Herzfrequenz auf über 100/min.), Palpitationen (Herzklopfen, Herzrasen),
Blutdruckerhöhung,
Vasodilatation
(Flush – Erweiterung der Blutgefäße),
häufig Obstipation (Stuhlverstopfung),
häufig Übelkeit, Zunahme hämorrhoidaler Beschwerden, sehr häufig
seitens des ZNS Mundtrockenheit,
Schlaflosigkeit, häufig Benommenheit,
Parästhesien (Missempfindungen z. B.
Kribbeln oder taubes schmerzhaftes
brennendes Gefühl), Kopfschmerzen,
Angstgefühle, häufig Schwitzen. häufig Geschmacksstörungen, Erkrankungen von Blut- und lymphatischen
System mit u. a. Thrombozytopenie,
Vorhofflimmern, paroxysmale supraventrikuläre Tachykardie, Erkrankung des Immunsystems, allergische
Überempfindlichkeitsreaktion,
psychische Erkrankungen, Depressionen
bei Patienten sowohl mit als auch
ohne anamnestische bekannte Depression, Erkrankungen des Nervensystems mit Krampfanfällen, vorübergehender Beeinträchtigung des
Kurzzeitgedächtnisses, Augenerkrankungen, verschwommenes Sehen,
Magen-Darm-Erkrankungen, Diarrhoe
(Durchfallerkrankung),
Erbrechen,
Erkrankung der Haut und des Unterhautfettgewebes, Nieren- und Harnwegserkrankungen, akute interstitielle
Nephritis, Glomerulonephritis (Nierenmark- bzw. –rindenentzündung),
Harnverhaltung, Ejakulations-/Orgasmus-Abnormalitäten, Impotenz, Stö31
Flugsicherheit
rung des Menstruationszyklus, auch
kann ein Anstieg der Leberenzyme zustande kommen.
Erfahrungswerte für den Wirkstoff existieren bis zu einer Menge
von 20 mg/Kapsel. Eine dauerhafte
Gewichtsreduktion ist mit dem Wirkstoff jedoch nicht erzielbar, lediglich
ein zeitweiliger und vorübergehender
Erfolg kann erreicht werden. Nach
neuesten Forschungsergebnissen soll
in Abhängigkeit von der genetischen
Determination des Patienten der Wirkstoff Sibutramin nicht nur keinen Nutzen bringen sondern sogar gefährlich
sein. Im Gen-GNAS finden sich häufig
Veränderungen. Dieses Gen steuert
aber die Produktion eines sog. stimulierenden G-Proteins, welches u. a.
an der Fettverbrennung und an der
Steuerung der Herzfrequenz beteiligt
ist. Bei Menschen mit der sog. GGVariante - und dazu gehören rund 40
% der Menschen - führt die Einnahme
von Sibutramin zu keiner zusätzlich
über eine Änderung des Lebensstils
hinausreichende
Gewichtsreduzierung. Stattdessen fanden sich bei diesen Patienten besonders ausgeprägte
Anstiege der Herzfrequenz und des
Blutdrucks. Unter ärztlicher Beratung
könnte ein in Problemfällen ärztlich
beantragter Gen-Test hinsichtlich des
Gens GNAS bei übergewichtigen Patienten zu einer optimalen Therapie
führen und somit gefährliche Nebenwirkungen vermieden werden.
Für Li DA und ähnliche Produkte besteht ein Einfuhrverbot. Verbrauchern
wie Händlern drohen Freiheitsstrafen
bis zu 3 Jahren. Die Zuständigkeit für
die Strafverfolgung des international
organisierten illegalen Handels mit
Arzneimitteln liegt beim Bundeskriminalamt Wiesbaden (BKA). Die Gewinnspannen sollen dabei höher als
im Drogenhandel liegen.
Fazit:
Insgesamt ist festzustellen, dass der
Wirkstoff von Medikamenten wie am
Beispiel von Sibutramin, in Blut, Urin
und Geweben im Falle eines Flugunfalls gut nachweisbar sind und dann
zwangsläufig in die forensische Beurteilung eingehen müssen.
Aufgrund der massiven - in Abhängigkeit von den genetischen Voraussetzungen und der persönlichen
Tagesform - nicht voraussehbaren
Nebenwirkungen stellen Selbstmedikationen mit dem Appetitzügler Sibutramin ein erhebliches Risiko für die
Flugsicherheit dar. Welche Beeinträchtigungen der Flugtüchtigkeit zu welchem Zeitpunkt und unter welchen
Anforderungen des Fliegens auftreten, lassen sich nicht voraussehen. Der
Preis für eine leichtfertige Selbstmedikation wäre einfach zu hoch.
Hals- und Beinbruch!
Personalien
Wir begrüßen ...
Oberstleutnant Andreas Müller ist
Oberstleutnant Dieter von Grolman
der neue Dezernatsleiter d. Er trat zum
01.04.1981 in die Bundeswehr ein, absolvierte nach der Grundausbildung
und dem Offizierlehrgang ein Grundpraktikum in Kaufbeuren und studierte
von 1983 bis 1987 Elektrotechnik an der
UniBw in Neubiberg. Anschließend
wurde er als Lehroffizier und Hörsaalleiter in Kaufbeuren an der 11./TSLw 1
für drei Jahre eingesetzt. Es folgten
Verwendungen als LfzEloOffz in der
InstStff JaboG 49 in Fürstenfeldbruck,
als Staffelchef bei der Wtg/WaStff
JaboG 49, der Inst/WtgStff JaboG 49 und der InstStff beim LTG 63 in
Hohn. Für ein Jahr besuchte er als Student die ACSC Air University der
Maxwell AFB in Montgomery, AL/USA. Wieder in Deutschland angekommen konnte er sich mit diesem Hintergrundwissen als OrgStOffz im LwA
bei der Abteilung OrgGdlg Lw einbringen. In den folgenden vier Jahren
war er in Wunstorf als S3 StOffz u. stvKdr tätig, anschließend in Bonn
beim FüL I 3 als Referent. Vor seiner Versetzung zu GenFlSichhBw als
DezLtr d hatte er in der TechnGrp FlBschft BMVg die Verantwortung als
Kommandeur. In seiner neuen Verwendung wünschen wir Glück und
Erfolg.
ist seit dem 01.11.2008 als Nachfolger von
OTL Lothar Mücke als Leiter der Fachlehrgruppe Flugsicherheit Bw in Fürstenfeldbruck eingesetzt. Im Oktober 1980 begann
er seine Laufbahn bei der Bundeswehr mit
der Grundausbildung in Roth. Nach dem
Erwerb des Militärflugzeugführerscheins
als Transportluftfahrzeugführer beim LTG
62 (Ausbildungsstaffel Bremen) flog er zunächst die Do 28D. Nach seiner Versetzung
zum JaboG 32 im August 1986 folgte die
Ausbildung auf dem Muster HFB-320 (M),
welches er bis 1994 flog. Daran schloss sich
eine Verwendung beim AMK auf dem Muster Falcon 50 an. Seit 2006
war er beim NATO E-3A Verband Geilenkirchen auf AWACS eingesetzt.
Er kann auf einen fliegerischen Erfahrungsstand von ca. 4.300 Flugstunden zurückblicken und diesen in die Flugsicherheitsausbildung einbringen. In seiner neuen Verwendung wünschen wir ihm viel Freude und
einen guten Start.
32
Flugsicherheit
Ausgabe 1 / 2009
Heft 1 März 2009 - 46. Jahrgang
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Flugsicherheit
Hauptmann Oliver Becker ist seit dem
01.10.2008 als Nachfolger von Major
Thomas Kreitmair der Fachlehrgruppe
Flugsicherheit Bw in Fürstenfeldbruck eingesetzt. Im Juli 1992 begann er seine Laufbahn bei der Bundeswehr mit der Grundausbildung in Budel, Holland. Nach der
Ausbildung in Sheppard AFB, Holloman
AFB und anschließender Europäisierung in
Rheine flog er das Waffensystem F-4F als
Luftfahrzeugführer bis Februar 2003. Im
Verband wurde er in Nebenfunktion als
FSO eingesetzt. Anschließend erfolgte eine
Verwendung als Fluglehrer auf der T 38
A/C in Sheppard AFB für 4 Jahre. Mit der Rückversetzung nach Deutschland an die 9./OSLw als Hörsaalleiter für Waffensystemoffiziere Mitte
2007 begann seine fliegerische Karriere wieder auf dem Waffensystem
F-4F in Wittmund. Hptm Becker kann auf einen fliegerischen Erfahrungsstand von ca. 2.800 Flugstunden zurückblicken und diesen in die Flugsicherheitsausbildung einbringen. In seiner neuen Verwendung wünschen wir ihm viel Freude und einen guten Start.
Fachliche Mitteilung für fliegende Verbände
Titelfoto: Arif Hamdy
Bildbearbeitung www.schaltwerk.de
„Flugsicherheit“, Fachliche Mitteilung
für fliegende Verbände der Bundeswehr
Herausgeber:
Luftwaffenamt General Flugsicherheit in der Bundeswehr
Redaktion:
Hauptmann Klemens Löb,
Tel.: 02203- 9083124
Luftwaffenkaserne 501/07
Postfach 906110
51127 Köln
[email protected]
[email protected]
Gestaltung:
Hauptmann Klemens Löb
GenFlSichhBw
Erscheinen:
dreimonatlich
Manuskripteinsendungen
sind direkt an die Schriftleitung zu richten. Vom Verfasser gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt
die Meinung der Schriftleitung oder des Herausgebers
dar. Es werden nur Beiträge abgedruckt, deren Verfasser mit einer weiteren Veröffentlichung einverstanden
sind. Weiterveröffentlichungen in Flugsicherheitspublikationen (mit Autoren- und Quellenangaben) sind
daher möglich und erwünscht.
Druck:
Verlag Heimbüchel & Köllen GbR
53 117 Bonn - Buschdorf
Editorial 1
Right engine on fire ... 2
Isolated Thunderstorms
6
Zweibrücken - fast das deutsche Teneriffa?
8
Maintenance Resource Management
11
Der Seefalke
13
CRM lebt - Situative Aufmerksamkeit am Pool
18
Leserbrief
21
Die Feuerwehren der Bw - ständig im Fokus
22
Zwei ist einer zuviel
27
Arzneimittel übers Internet
30
Personalien
32
Oberleutnant André Kürten ist seit dem
01.02.2009 Angehöriger des Dezernates d
und zuständiger Sachbearbeiter für den Bereich Zelle MK 41, MK 88A, Cougar, NH 90
und Bell UH-1D. Seine Grundausbildung absolvierte er 1992 in Büdel/NL. Anschließend
wurde er zur FlBschft BMVg nach KölnWahn versetzt und zum HubMech UH-1D
ausgebildet. 1995 erfolgte die Zusammenlegung der VIP-Hubschrauber mit Teilen des
ehemaligen HTG 64 zur HubschrauberTransportstaffel Nörvenich, was eine Versetzung von OLt Kürten nach Nörvenich zur
Folge hatte. Dort war er weiterhin als HubMechMstr UH-1D eingesetzt, bis er im August 2000 in die Laufbahn des
OffzmilFD und zur Fachschule der Lw in Fassberg wechselte. Nach erfolgreichem Abschluss der FSLw begann seine Ausbildung zum LfzTOffz im LTG
62 in Wunstorf. Nach dreijähriger Tätigkeit als LfzTOffz in der Wartungsstaffel wechselte OLt Kürten in den Stab TGrp als Leiter Einsatzsteuerung. Im Sommer 2007 folgte dann eine Versetzung nach Köln-Wahn
zum Waffensystemkommando, Abt LwRüst. Dort war er als RüstOffz im
Bereich Avionik EUROFIGHTER, MIDS/Link 16 „fremdverwendet“ und
ist nun hier im Luftwaffenamt, Abt FlSichhBw. Wir wünschen viel Glück
und Freude an der neuen Tätigkeit.
Wir verabschieden ...
Oberstleutnant Bernd Reinwarth war
seit dem 01.10.2005 Dezernatsleiter „d“
des Technikdezernates unseres Hauses. Er
kam vom LTG 63, wo er bis dato Kommandeur der TGrp war. Er ist ausgebildeter
Luftfahrzeugelektroniker und wurde unter
anderem eingesetzt als Sachbearbeiter für
Flugsimulatoren im MatALw, als Chef der
EloWaStff beim JG72 “W“ in Rheine, als
S3Technik beim LTG 63 in Hohn und als A4b
im LTKdo in Münster. Seine militärische
Laufbahn begann 1974 mit der Offizierausbildung und Studium in der Fachrichtung
Fluzeugfunk- und Funkmessausrüstung an
der ehemaligen Offizierhochschule der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung
der NVA. Wir bedanken uns für die geleistete Arbeit und wünschen für
die neue Verwendung als Referent beim FüL I 3 alles Gute.
Major Thomas Kreitmair ist nach etwas
mehr als 3 Jahren in der Fachlehrgruppe
Flugsicherheit Bw zum 30.11.2008 aus
der Bundeswehr ausgeschieden. Als BO
41 wurde er zum Flugzeugführer Tornado ausgebildet. Seine fliegerische Karriere begann in der 1. Staffel JaboG 33
in Büchel. Weitere Stationen waren die
1./JaboG 32 in Lechfeld, wo er auf den
ECR-Tornado umgeschult und in der Folge auch im EG 1 in Piacenza eingesetzt
wurde sowie Goodyear/AZ, wo er 4 Jahre
als Fluglehrer in der fliegerischen Erstausbildung eingesetzt war. Die Tätigkeit als
Lehrstabsoffizier und Hörsaalleiter in Fürstenfeldbruck begann er im
Anschluss. GenFlSichhBw bedankt sich für sein großes Engagement in
der Flugsicherheitsausbildung und wünscht für den weiteren Lebensweg viel Erfolg und Freude an der neuen beruflichen Herausforderung
in der zivilen Fliegerei.
Oberstleutnant Lothar Mücke hat
die Fachlehrgruppe Flugsicherheit Bw in
Fürstenfeldbruck aus gesundheitlichen
Gründen zum 01.11.2008 verlassen. Er
war hier seit 01.07.2003 als Lehrstabsoffizier und ab Januar 2006 als Leiter
der Fachlehrgruppe eingesetzt. Nach
der fliegerischen Grundausbildung zum
Transportluftfahrzeugführer in Bremen
folgten Verwendungen auf dem Einsatzmuster C-160 Transall in Wunstorf,
Penzing und Altenstadt.
Wir bedanken uns für die geleistete Arbeit und wünschen für den weiteren
Werdegang die vollständige Genesung und viel Erfolg.
Hauptmann Markus Baumann ist
wieder in der LwInsthGrp 25 in Diepholz
als Leiter Analytische Zustandsinspektion
UH-1D tätig. Er trat am 01.04.1989 in die
Bundeswehr ein. Nach der Grundausbildung in Budel wurde er zum Hubschraubermechaniker Bell UH-1D beim HTG 64 in
Ahlhorn ausgebildet. Nach der Feldwebelund Meisterausbildung folgten Einsätze
im Stab Technik in den Bereichen Einsatzsteuerung und Arbeitsplanung. Mit seiner
Zulassung zum OffzMilFD begann seine
Fachschulausbildung zum staatlich geprüften Techniker Maschinenbau Fachrichtung
Luftfahrzeugtechnik, die er 1998 erfolgreich abschloss. Die anschließende Verwendung in der LwWerft 23, später umbenannt in LwInsthGrp
25, führte ihn nach Diepholz, wo er bis zum Jahresende 2005 als Leiter
Einsatz TBtrFüOffz FlgdWaSys tätig war. Es folgte die Versetzung zum
Luftwaffenamt Abteilung FlSichhBw, wo er im Dezernat d als LfzTOffz
für die Waffensysteme UH-1D, MK 41, MK 88A, Cougar und NH-90 zuständig war. Hier durfte er alle fliegenden Verbände mit Drehflüglern
inspizieren und mit den vielseitigen Tätigkeitsfeldern kennen lernen.
Vielen Dank für die Unterstützung und alles Gute in der Zukunft.
Flugsicherheit
Ausgabe 1 / 2009
Foto Arif Hamdy• Bildbearbeitung www.schaltwerk.eu
Fachliche Mitteilungen für fliegende Verbände
Bundeswehr