Wenn Hormone Amok laufen

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Wenn Hormone Amok laufen
DIP 3/12
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Gesundheit
Wenn Hormone
Amok laufen
Hormone – die Stoffe, aus
denen die Träume sind!
Träume von schwellenden
Muskelbergen, unerschöpflicher Manneskraft und kribbelnden
Frühlingsgefühlen.
Hormone machen aus Spargeltarzanen wahre Schränke – ach
was, Schrankwände! - und beflügeln nicht nur so manchen
(Rad)Sportler zu neuen Rekordzeiten und Höchstleistungen.
Die Kehrseite: Unter dem Einfluss dieser Wunderstoffe mutieren recht vernünftige Kinder
zu
pubertierenden
Pickel-
monstern, nette Männer zu
FOTO: ANGELIKA SCHMELZER
chauvinistischen
Machos
und freundliche Frauen zu
nervenden Zicken. Und
manchmal machen Hormone
sogar
richtig
krank!
Sehen Sie genau hin, wenn Ihr
Pferd Muskulatur abbaut, nicht
durch den Fellwechsel kommt
oder Hufprobleme entwickelt – es
könnte sein Leben retten …
Von Angelika Schmelzer
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Kleine Ursache, große Wirkung
Gesamtheit beeinflusst. Die eingebundenen Hormone werden an
ganz unterschiedlichen Stellen des Körpers produziert und entfalten
Hormone sind chemische Botenstoffe, die der Informationsüber-
ihre Wirkung wieder woanders.
mittlung im Körper dienen. Neben dem auf Elektrizität basierenden
Informationsfluss des Zentralnervensystems ist dies das zweite
System in unserem Organismus mit dieser Aufgabe.
Hormon-Fabriken
In der hormonellen Steuerung geht es um Regulation ganz unter-
Hormon bildende Zellen finden wir an vielen Orten im Körper:
schiedlicher Funktionen, aber immer sind die zugrunde liegenden
Manchmal haben sie sich zu spezialisierten Hormondrüsen zusam-
Prozesse von beeindruckender Eleganz und Komplexität. Vom Zu-
mengefunden, manchmal sind es Neuronen des Zentralnervensys-
ckerstoffwechsel über die Steuerung des allgemeinen Umsatzes
tems, die eigene Neurohormone produzieren, wir kennen aber auch
des Organismus bis zum Wasserhaushalt, der geschlechtlichen Ak-
Hormon bildende Zellen in der Leber, der Haut, im Fettgewebe oder
tivität, der Immunreaktion und der Nahrungsaufnahme, überall ha-
im Magendarmtrakt. Oft erkennen wir die Hormonfabriken schon
ben Hormone ihre Finger im Spiel. Obwohl man inzwischen einiges
am Namen: Die Bezeichnungen Schilddrüse, Hirnanhangsdrüse,
über diese Botenstoffe weiß, bleibt vieles rätselhaft und gibt selbst
Bauchspeicheldrüse lassen darauf schließen, dass hier spezielle
ausgewiesenen Experten – „Endokrinologen“ genannte Wissen-
Substanzen gebildet und abgegeben werden. Nicht jede Drüse pro-
schaftler, die sich der Erforschung von Hormonen verschrieben ha-
duziert Hormone (denken wir etwa an die Speicheldrüse) und nicht
ben – immer wieder neue Hausaufgaben auf.
jedes Hormon wird in einer Drüse gebildet. In seiner Gesamtheit
Die Funktionsweise von Hormonen einfach nach dem Ursache-Wir-
wird das Hormonsystem als endokrines System bezeichnet.
kungsprinzip beschreiben zu wollen hieße, ihrer Ehrfurcht gebieten-
Über das Blut werden diese Botenstoffe im Körper verteilt und ge-
Die Ursache von Wohlstands- oder Zivilisationskrankheiten
In der Humanmedizin gilt eine Erkrankung als „Wohlstandskrankheit“ oder „Zivilisationskrankheit“, wenn die für Industrieländer typischen Umweltfaktoren und Lebensweisen als
(Haupt)Ursache für deren Entstehen und/oder Häufigkeit
FOTO: ANGELIKA SCHMELZER
ausgemacht werden können. Übertragen auf unsere Pferde
gelten vor allem Fehlernährung, Überfütterung, Bewegungsmangel, nicht artgerechte Haltungsformen, Über- und
Fehlbelastungen sowie Umweltgifte einzeln oder in Kombination als Auslöser für pferdetypische Wohlstandskrankheiten.
den Komplexität nicht gebührend Rechnung zu tragen. Meist sind
langen so an ihr Zielorgan. Manche Hormone wirken auch direkt auf
es nicht einzelne Hormone, sondern eine Vielzahl von in Wirkungs-
Nachbarzellen ein. Oft finden sich in einem Regelsystem mehrere
kaskaden angereihten Botenstoffen, die einen Funktionsbereich des
Stufen einer Hormonkaskade: Hormon 1 wird an Ort A gebildet, ge-
Stoffwechsels regulieren, mit eingebauten Rückkopplungsmecha-
langt über das Blut zu Ort B, wo die Bildung von Hormon 2 aus einer
nismen, einer ganzen Reihe von Anknüpfungspunkten und Verzah-
Vorstufe ausgelöst wird, das wiederum an Ort C die Ausschüttung
nungen mit anderen Regelkreisen. Auch beschränkt sich die Wir-
von Hormon 3 auslöst usw. Und irgendwo kommt dann auch noch
kung eines einzelnen Hormons meist nicht auf eine Funktion, son-
Hormon 127 ins Spiel, das die Freisetzung von Hormon 1 hemmt und
dern es nimmt gleich mehrere Aufgaben wahr. Nur eines von fast
so das System herunter reguliert.
beliebig vielen Beispielen:
Das ganze System ist sehr flexibel, es muss ständig auf sich än-
Das Hormon Aldosteron bewirkt, dass in der Niere vermehrt Na-
dernde Anforderungen eingehen, sich stufenlos anpassen. Eigent-
trium und Wasser zurückgewonnen wird, wodurch das Blutvolumen
lich ein Wunder, dass diese empfindlichen Regelsysteme meist
zunimmt und der Gehalt von NaCl, also Kochsalz, im Blut steigt. So
völlig störungsfrei im Hintergrund arbeiten! Jeder Eingriff des Men-
weit, so einfach. Aber – und dies ist ein großes ABER: Das Aldoste-
schen in dieses fein austarierte System kann mit dem Versuch ver-
ron kann nicht isoliert betrachtet werden, denn es ist in ein komple-
glichen werden, eine Schweizer Präzisionsuhr mit der Kettensäge
xes System verschiedener Hormone eingebunden, das als Ganzes
reparieren zu wollen …
den Wasser- und Elektrolythaushalt und den Blutdruck des Organis-
Bei Störungen sind die Folgen zwar oft gravierend und häufig auch
mus reguliert. Zu diesem System gehören sowohl die Hormone Re-
für den Laien offensichtlich, aufgrund der oft wenig spezifischen
nin, Angiotensin I und II, ADH (auch Vasopressin genannt) sowie
Symptome aber ist die Diagnose nicht immer einfach.
das erwähnte Aldosteron. Man spricht deshalb zutreffend auch von
Für den Pferdefreund sind zwei Störungen des Hormonsystems von
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, das sich auch beileibe
großer Bedeutung: Das Equine Metabolische Syndrom und das
nicht nur in der Niere abspielt, sondern den Organismus in seiner
Equine Cushing Syndrom, auch Morbus Cushing genannt. Im Ver-
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Gesundheit
lauf beider Erkrankungen kommt es besonders häufig auch zu einer
Überfluss in Form von Fett. Doch die Hungerzeiten kommen nie …
Hufrehe, die so gar nicht ins sonst übliche Bild der Huflederhautent-
Nach außen hin sehen Fettdepots ziemlich unbeweglich aus, sie
zündung passen will und dem Besitzer deshalb oft Rätsel aufgibt.
schwabbeln ein wenig hin und her, jede Form von eigener Aktivität
Wohlstandskrankheit EMS
diese Fettzellen sind – Sie werden es geahnt haben – hormonell ak-
scheint ihnen fremd zu sein. Dieser Eindruck täuscht gewaltig, denn
tiv. Und wie! Sie produzieren „Adipokine“ und diese Hormone scha-
Das „Equine Metabolische Syndrom“, kurz EMS, wird gerne als
den unseren Pferden. Allerdings ist die Krankheitsentstehung aus-
Wohlstandskrankheit bezeichnet. In der Humanmedizin gilt eine Er-
gesprochen komplex und lässt sich nicht auf einen einfachen Zu-
krankung als „Wohlstandskrankheit“ oder „Zivilisationskrankheit“,
sammenhang „Überfütterung führt zu Fettgewebe, Fettzellen pro-
wenn die für Industrieländer typischen Umweltfaktoren und Le-
duzieren Hormone, Hormone verursachen Hufrehe“ reduzieren.
bensweisen als (Haupt)Ursache für deren Entstehen und/oder Häu-
Am Anfang des Krankheitsgeschehens steht ein überaus nützliches
figkeit ausgemacht werden können. Übertragen auf unsere Pferde
und wichtiges, von der Bauchspeicheldrüse produziertes Hormon,
gelten vor allem Fehlernährung, Überfütterung, Bewegungsman-
das Insulin. Nimmt der Organismus zuckerhaltiges Futter auf, steigt
gel, nicht artgerechte Haltungsformen, Über- und Fehlbelastungen
in der Folge automatisch der Blutzuckerspiegel, weil Zucker in Form
sowie Umweltgifte einzeln oder in Kombination als Auslöser für
von Glukose aus dem Darm in die Blutbahn überführt wird. Für den
pferdetypische Wohlstandskrankheiten.
Körper ist es vorteilhaft, dass über die Zeit verteilt und weitgehend
Regulierung des Zucker- und Fettstoffwechsels
Speicherung
fördert
Speicherung
FOTO: CHRISTIANE SPÄTE
hemmt
Das EMS ist eine Erkrankung des endokrinen Systems, die vermut-
unabhängig von der Nahrungsaufnahme eine immer gleichbleiben-
lich vor allem eine Folge von Überfütterung gepaart mit Bewe-
de Konzentration dieses wichtigen Energieträgers zur Verfügung
gungsmangel ist. Das Verdauungssystem unserer Pferde ist rasse-
steht. Insulin veranlasst nun die Speicherung der Glukose, die nicht
unabhängig auf die Verwertung eher nährstoffarmer Futtergräser
sofort verbraucht wird, und zwar vorwiegend in Form von Glykogen
ausgelegt. Die Vorfahren unserer Hauspferde ernährten sich als
in Leber und Muskulatur. Gleichzeitig hemmt Insulin den Abbau von
Steppenbewohner von Gräsern, Kräutern und Leguminosen, wobei
Fett aus den Fettzellen, was nur logisch ist: Warum sollte der Orga-
das Futterangebot im Jahresverlauf stark schwankte. Nur kurzfristig
nismus den Energieträger Fett freisetzen, wo doch aktuell ein Über-
konnte man sich dank reichlichen Futterangebots eine schöne
schuss an Energiestoffen im Blut zirkuliert?
Schwarte anfuttern, die wenige Monate später über die harte Zeit
Wird die Glukose im Blut im Laufe der Zeit wieder verbraucht, sinkt
half, in deren Verlauf aber wieder dahinschmolz. Damals überlebte,
der Blutzuckerspiegel natürlich und das ruft den Gegenspieler des
wer aus dem oft mageren Angebot am meisten herausholte, die na-
Insulins auf den Plan, das Hormon Glukagon. Es hat die Aufgabe,
türliche Selektion bevorzugte also die guten Futterverwerter. Die
Glukose wieder aus den Speichern freizusetzen und auch den Ab-
Zeit, die unsere Pferde inzwischen als Hauspferde in menschlicher
bau von Fett in den Fettzellen zu bewirken. Dadurch können nun
Obhut verbracht haben und vor allem die Zeit der gezielten Zucht
wieder Energieträger bereitgestellt werden.
hat nichts daran geändert, die Devise im Verdauungstrakt des
Also: Insulin fördert die Speicherung, Glukagon die Freiset-
edelsten Vollbluts wie des robustesten Ponys lautet immer noch
zung von Zucker und Fett aus den Speichern.
„Hol raus, was rauszuholen ist!“. Und genau dies wird so manchem
Man hat nun beobachtet, dass bei einem dauerhaften Überangebot
Pferd zum Verhängnis. Es nimmt mehr Futter auf, als es verbrau-
an Nährstoffen die Zellen unter dem Einfluss der Adipokine (das
chen kann und spart mit Blick auf künftige Hungerzeiten den
sind die Stoffe, die in den Fettzellen produziert werden) immer
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Labor
animaderm
schlechter auf Insulin ansprechen und damit wird es zunehmend
Pferde-Dermatologie
schwierig, überschüssigen Zucker sicher zu lagern und so den
Blutzuckerspiegel herunter zu regulieren. Die fein austarierte Balance zwischen Freisetzung und Speicherung geht verloren, ein
regelrechter Abwärtsstrudel beginnt. Denn bei zunehmender Insulinresistenz wird ja nicht nur die Speicherung von Zucker und
damit die Regulierung des Blutzuckerspiegels nach unten behindert, sondern auch der Abbau von Fett – und damit wird der weitere Aufbau von Fettzellen begünstigt, Fettzellen, die dann wieder über die darin produzierten Stoffe eine weiter zunehmende In-
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Lösung gegen
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sulinresistenz hervorrufen.
Zuviel Zucker also und keine Möglichkeit, dieser süßen Gefahr
chend, manchmal ganz plötzlich. Und jetzt verstärkt sich die Abwärtsspirale noch, denn infolge der Schmerzen kommt es zur
Ausschüttung des Hormons Cortisol, das die Insulinfreisetzung
hemmt und damit den Blutzuckerspiegel weiter ansteigen lässt.
Schwierige Therapie
Ist die Hufrehe erst einmal manifest, gestaltet sich die Behandlung äußerst schwierig. Es gilt, nicht nur die Laminitis möglichst
schnell unter Kontrolle zu bekommen und damit die Spätfolgen
einer Hufrehe wie Hufbeinrotation usw. zumindest einzudämmen, wenn nicht sogar abzufangen, sondern vor allem die Grundursache, also die Insulinresistenz weitestgehend rückgängig zu
machen. Das Pferd muss dazu konsequent abgespeckt werden,
damit die Hormonproduktion in den Fettzellen heruntergefahren
wird. Dazu wiederum sollte es Diät halten und intensiv bewegt
werden, damit es möglichst viel Energie verbrennt.
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Nachher
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die darunter besonders leiden: Eine Entzündung der Huflederhaut, eine Laminitis oder Hufrehe entsteht, manchmal schlei-
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FOTO: ANGELIKA SCHMELZER
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Krankheitsgeschehen auch die feinen, zarten Blutgefäße im Huf,
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auf die Blutgefäße toxisch und leider sind es wie bei anderen
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irgendwie Herr zu werden – es droht eine regelrechte Zucker-Vergiftung. Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel wirkt vor allem
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Gesundheit
Aber wie bewegt man ein Pferd mit starken Schmerzen in den Hu-
täter im Gehirn zu finden, wo normalerweise das Hormon ACTH
fen, mit einem Entzündungsgeschehen, das bei Belastung den ge-
(Adrenocorticotropes Hormon oder Adrenocorticotropin) unter dem
samten Aufhängeapparat im Huf irreversibel zu schädigen droht?
Einfluss eines weiteren Hormons im Hypophysenvorderlappen aus
Gar nicht. Eben. Und eine Hungerkur als diätetische Sofortmaßnah-
einer Vorstufe gebildet und freigesetzt wird. Es bewirkt dann in der
me hieße, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, da der Orga-
Nebennierenrinde die Bildung mehrerer weiterer Hormone, unter
nismus eines adipösen Pferdes bei Hunger geneigt ist, dem Pro-
anderem von Cortisol, das in zahlreiche Vorgänge im Organismus
blem mit der schnellen Freisetzung großer Mengen Fett aus den
eingreift. Cortisol wird auch als Stresshormon bezeichnet, da es un-
reichlich vorhandenen Polstern zu begegnen – eine Hyperlipidämie,
ter Stress vermehrt ausgeschüttet wird. Unter dem Einfluss von
eine akut lebensbedrohliche Krankheit ist das Ergebnis, ein nun
Cortisol wird die Insulinproduktion gehemmt und in der Folge steigt
doppelt belastetes Pferd die Folge.
der Blutzuckerspiegel.
Neben der schleichend oder akut verlaufenden Rehe können beim
Aufgrund eines Tumors der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), der bei
EMS weitere Symptome beobachtet werden:
Pferden über 18 Jahren recht häufig auftritt, wird beim Equinen Cus-
•
Neben einer allgemeinen Verfettung lassen sich auch auffallen-
hing Syndrom zu viel ACTH produziert, was in der Folge nachgeord-
de Fettablagerungen über den Augen, entlang des Mähnenkamms,
nete Hormone ebenfalls ansteigen lässt. So kommt es durch die
auf der Kruppe und am Schweifansatz oder, bei männlichen Pfer-
vermehrte Ausschüttung von Cortisol zu einer Hemmung der Insu-
den, im Bereich des Präputiums beobachten.
linproduktion und zu einem dauerhaften Anstieg des Blutzucker-
•
spiegels – auch hier entsteht nun eine „Zucker-Vergiftung“ mit den
Die Pferde lassen in der Leistung nach und wirken oft lethargisch,
was der Besitzer allerdings häufig auf das vorhandene Übergewicht
bereits angeführten Folgen.
zurückführt und deshalb nicht weiter verfolgt.
An dieser Stelle findet sich trotz unterschiedlicher Auslöser eine
wichtige Parallele zum EMS und so überrascht es nicht, dass beide
Krankheiten gemeinsame Symptome aufweisen, vor allem das
Leitsymptom Hufrehe. Daneben aber treten beim Equinen Cushing
Syndrom Krankheitsanzeichen auf, die wir vom Equinen Metabolischen Syndrom nicht kennen und diese sind auf die Beteiligung
weiterer Hormone zurückzuführen.
Typisch ist ein auffällig langes, oft auch lockiges Fell, das sich im
Fellwechsel kaum löst. Oft bleibt dem Besitzer nur die großflächige
Schur seines Pelztieres. Die Pferde wirken müde, sie magern ab,
FOTO: TRUDI HARES
ihre Muskulatur bildet sich zurück. Diese und weitere Symptome
sind zwar nicht zu übersehen, doch werden sie oft für reine Alterserscheinungen gehalten und so findet sich der Pferdehalter damit
ab, anstatt der Sache nachzugehen.
Also: Zu viel ACTH bedeutet zu viel Cortisol bedeutet zu
wenig Insulin bedeutet zu viel Zucker im Blut.
Während beim EMS die Adipokine der Fettzellen und das Insulin eine zentrale Rolle spielen, haben wir es beim ECS vorwiegend mit
dem Hormon Cortisol zu tun. Cortisol hat eine katabole Wirkung auf
•
Vereinzelt wird beobachtet, dass die Pferde vermehrt trinken und
den Stoffwechsel, es regt also im Unterschied zu den anabolen
Wasser lassen.
Wirkstoffen nicht den Aufbau, sondern den Abbau an. Wird Cortisol
•
ausgeschüttet,
Bei Zuchtstuten kann die Fruchtbarkeit verringert sein – auch das
bei übergewichtigen Pferden nicht wirklich überraschend.
•
Diese unspezifischen Symptome des EMS sind als echtes Alarm-
sert,
signal denkbar ungeeignet und wenn sie dann endlich nicht mehr zu
übersehen sind, ist es eigentlich schon zu spät. Deshalb kommt be-
•
•
sonders bei dieser Erkrankung der Prophylaxe eine besonders große
Der Körper kann sich nun auf Wesentliches, etwa auf die rasche
Rolle zu. Glücklicherweise ist die Vorbeugung ebenso einfach wie
Flucht vor einem Säbelzahntiger konzentrieren. Cortisol wird auch
wird die Bereitstellung schnell wirksamer Energieträger verbeswerden Entzündungen gehemmt und wird
das Immunsystem herunter reguliert.
effektiv: Halten, füttern und arbeiten Sie Ihr (Island)Pferd art-
in der Medizin geschätzt, wo es gezielt zur Hemmung von Entzün-
und bedarfsgerecht!
dungen und zur Unterdrückung des Immunsystems (z. B. nach Organtransplantationen) eingesetzt wird.
Nicht in einen Topf
Ein Hormon mit so weitreichender Wirkung auf den Organismus
muss natürlich fein austariert seiner Arbeit nachgehen; wird es aber
Trotz des gemeinsamen Leitsymptoms „Hufrehe“ handelt es sich
aufgrund einer Erkrankung wie Morbus Cushing unkontrolliert aus-
bei „Morbus Cushing“ oder dem „Equinen Cushing Syndrom“ (auch
geschüttet, ist sein Einfluss verheerend. Entsprechend lang ist die
ECS) um ein völlig anderes Krankheitsgeschehen. Hier ist der Übel-
Liste der Krankheitserscheinungen, die beim Equinen Cushing Syn-
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Equines Metabolisches Syndrom und Equines Cushing Syndrom im Vergleich
Typisch
Equines Metabolisches Syndrom
Morbus Cushing, Equines Cushing Syndrom
Wohlstandskrankheit, die Pferde jeden
Alterserscheinung, die vor allem Pferde ab etwa 18 Jahren trifft
Alters treffen kann
Auslöser
Überfütterung
Erkrankung der Hirnanhangsdrüse
Leitsymptom
Hufrehe
Hufrehe
Mögliche
Begleitsymptome
•
•
Behandlung
(neben symptomatischer
Behandlung der
Hufrehe)
Verfettung und/oder abnorme Fett-
Futterzustand unterschiedlich, häufig Abmagerung und
polster
Muskulaturabbau
•
•
•
Haarkleid und Fellwechsel normal
•
•
Durst und Wasserlassen vermehrt
Fellwechsel
•
Leistungsabfall und Müdigkeit
Normalgewichtigkeit durch
Leistungsabfall und Müdigkeit
Haarkleid lang, vereinzelt lockig (Hirsutismus), verzögerter
•
Durst und Wasserlassen vermehrt
•
Pergolid, keine Prophylaxe möglich
artgerechte Fütterung, viel Bewegung, bewegungsfreundliche Haltung
•
Prophylaxe!
drom auftreten können, sie reicht von erhöhter Infektanfälligkeit
Therapie der Parkinsonkrankheit genutzt wird. Unter dem Einfluss
über Kreislaufprobleme bis hin zu Kreuzverschlag ähnlichen Symp-
dieses Medikaments, das allerdings lebenslang verabreicht werden
tomen und Osteoporose.
muss, bessert sich das Befinden der vierbeinigen Patienten meist
Es ist auch noch nicht endgültig geklärt, ob wirklich nur das ver-
rasch und nachhaltig. Eine echte Heilung kann allerdings nicht er-
mehrt gebildete ACTH als Auslöser verantwortlich ist; möglicher-
wartet werden, da die Grundursache – die Funktionsstörung der
weise spielt auch ein weiteres Hormon, das Dopamin, eine gewisse
Hirnanhangsdrüse – nach wie vor vorhanden ist. Vom Tumor selbst
Rolle. Dopamin beeinflusst die Aktivität der Hypophyse, die, wie
geht offensichtlich keine Gefahr für das Pferd aus.
bereits erwähnt, über ACTH die Ausschüttung von Cortisol steuert.
Die Diagnose beider Krankheiten wird übrigens über spezielle Blutuntersuchungen gestellt, wobei die sichtbaren Krankheitssympto-
Schnelle Hilfe
me oft erste Hinweise geben. Steht die Diagnose fest, haben die
So dramatisch das Krankheitsgeschehen, so verblüffend einfach die
deshalb vielen Pferden geholfen werden, die noch vor einigen Jah-
Therapie: Neben der Behandlung der Hufrehe wird das Medika-
ren mit der Diagnose „untypische Hufrehe“ kaum Aussicht auf Hei-
ment Pergolid eingesetzt, das in der Humanmedizin vor allem zur
lung hatten.
Patienten bei konsequenter Therapie gute Chancen. Heute kann
(Adrenocorticotropin)
fördert
Ausschüttung
hemmt
Ausschüttung
fördert
Anstieg
Mechanismus, der zum Anstieg des Blutzuckerspiegels führt