CHIRURGIE ANGEBORENER HERZFEHLER
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CHIRURGIE ANGEBORENER HERZFEHLER
CHIRURGIE ANGEBORENER HERZFEHLER Dr. med. Gábor Fésüs Gottsegen György Landesinstitut für Kardiologie Budapest Kongenitale Vitien Definition • Herzfehler (Vitien) sind angeborene oder erworbene (pränatale) Fehlbildungen des Herzens oder einzelner Herzstrukturen • Kongenitale Vitien manifestieren sich in der 5-8. Schwangerschafts- woche • Herzfehler können sowohl muskuläre (Herzseptum, Myokard), als auch bindegewebige Elemente (Herzklappen) betreffen • Leitsymptome sind die Zyanose und/oder das Herzgeräusch • Ein Kind welches nicht eines dieser Symptome hat, leidet nicht an einem angeborenen Herzfehler Kongenitale Vitien in Deutschland Epidemiologie • ca. 680.000-690.000 Geburten pro Jahr • Inzidenz ca. 0,7-0,8% pro Jahr • ca. 4.000-6.500 Patienten mit Herzfeler • 80% operativ / interventionell behandelbar • 5630 Operationen mit und ohne HLM • < 1Jahr: 2850 Eingriffe • 1-17 Jahre: 2175 • über 17 Jahre: 605 Kongenitale Vitien Epidemiologie Herzfehler Inzidenz Ventrikelseptumdefekt (VSD) 15-30% Fallot'sche Tetralogie (TOF) 10-15% Vorhofseptumdefekt (ASD) 7-10% Persistierender Ductus arteriosus (PDA) 5-10% Aortenisthmusstenose (CoA) Transposition der großen Arterien (TGA) Pulmonalstenose Aortenstenose Trikuspidalatresie Cor triatriatum 6% 6% 6% 4% 1-2% 0,1-,04% Kongenitale Vitien Ätiologie • 80-90% der Fälle sind multifaktoriell • 10-15% chromosomale Aberrationen (Down-Syndrom - Trisomie 21, Edwards-Syndrom - Trisomie 18…) • Bei Down-Syndrom zeigen etwa 50% der Betroffnen einen Herzfehler auf (VSD, ASD, AVSD) • 3-5% monogene Erstörungen (z.B. Di-George-Syndrom - Deletion 22q11) • 1-2% teratogene Anomalien (Infektionen, maternaler DM, Alkoholabusus, Drogen, Toxine, ionisierende Strahlen…) • intrafamiliäres Wiederholungsrisiko isolierter Herzfehler liegt bei 2-5% Kongenitale Vitien Fetaler Kreislauf • Kurzschlüsse vom Blut (Shunts) dienen im sich entwickelnden Herzen einem ganz praktischen Bedürfnis • Shunt ist eine Kurzschlussverbindung zwischen der arteriellen und venösen Seite des Herzens • Blut gelangt zuerst in den rechten Vorhof • Widerstand der Lungengefässe ist noch sehr gross, der Lungenkreislauf ist noch nicht eröffnet, kann nicht alles Blut aufnehmen • Trotzdem ausbalanciert, weil zwei kardialen Shunts das meiste Blut des Lungenkreislaufes kurzschliessen Kongenitale Vitien Fetaler Kreislauf • Rechtes Atrium è Foramen ovale è Linkes Atrium: Lungenkreislauf ⏎ • Shunt è normale Entwicklung von linkem Atrium und linkem Ventrikel, indem die Herzmuskulatur dieser Seite trainiert wird • Andererseits könnte sich die rechte Seite auch nicht richtig entwickeln, wenn kein Blut über die rechte Seite fliessen würde è würde hypoplastisch werden • Rechtes Atrium è Trikuspidalklappe è Rechter Ventrikel è Pulmonalisstamm è Ductus arteriosus è Aorta: Lungenkreislauf ⏎ Kongenitale Vitien Umstellung bei Geburt • Mit der Geburt erfolgt eine Umstellung von parallelem Fluss zu einem seriellen Fluss durch das Herz • Mit der Einsetzung der Atmung wird der Druck in der Lunge drastisch reduziert • Der Druck sinkt im rechten Vorhof è Durckumkehr in den Atrien • Foramen sekundum wird funkzionell geschlossen • Der vorgeburtliche Rechts-Links-Shunt über den Ductus arteriosus wird zu einem Links-Rechts-Shunt umgedreht • Lungenatmung: pO2-Druck in der Aorta é èKontraktion der glatten Muskulatur in der Wand des Ductus arteriosus ! Ductus wird funkzionell verschlossen Kongenitale Vitien Einteilung Angeborene Herzfehler (Vitien) Azyanotische Vitien Zyanotische Vitien (“blue babies”) Links-Rechts-Shunt (primär) Ohne Shunt (Obstruktion) Rechts-Links-Shunt Vorhofseptumdefekt (ASD) Pulmonalstenose Fallotsche Tetralogie (TOF) Ventrikelseptumdefekt (VSD) Aortenklappenstenose Komplette Transposition (TGA) Persistierender Ductus Arteriosus Botalli (PDA) Aortenisthmusstenose Truncus arteriosus communis Univentrikuläres Herz (AVSD, Aortopulmonales Fenster partielle Lungenvenenfehlmündung) (Pulmonalatresie, Tricuspidalatresie, DORV, totale Lungenvenenfehlmündung) Kongenitale Vitien Einteilung Angeborene Herzfehler (Vitien) Rechtsherzobstruktionen Linksherzobstruktionen Pulmonalvitien Aortenvitien Trikuspidalvitien Mitralvitien Aortenisthmusstenose (CoA) Unterbrochener Aortenbogen (IAA) Hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS) • Rechts- und Linksherzobstruktionen führen je nach Obstruktionsausmaß zu einer Hyper- trophie des rechten oder linken Ventrikels mit der Gefahr einer Dekompensation Kongenitale Vitien Einteilung Angeborene Herzfehler (Vitien) Rechts-Links-Shunt Links-Rechts-Shunt Vorhofseptumdefekt (ASD) Fallot’sche Tetralogie (TOF) Ventrikelseptumdefekt (VSD) Pulmonalklappenatresie (± VSD) Aortenisthmusstenose (CoA) • Links-Rechts-Shunt: primär azyanotisch Unterbrochener Aortenbogen (IAA) • Eisenmenger-Reaktion: sekundäre Zyanose Hypoplastisches Linksherzsyndrom • Rechts-Links-Shunts: rechtsventrikuläres, sauerstoffarmes Blut wird dem linksventrikulären, sauerstoffreichen Blut beigemischt. Hierdurch entsteht eine zentrale primäre Zyanose. Kongenitale Vitien Einteilung Angeborene Herzfehler (Vitien) mit und ohne Gefäßfehlkonnektion • Transposition der groβen Arterien (TGA) • Truncus arteriosus communis (TAC) • Double inlet ventricle (DIV) • Totale Lungenvenenfehlmündung (TAPVR) Kongenitale Vitien Therapie • Die Herzfehler werden meistens chirurgisch oder interventionell korrigiert • Persistierender Ductus arteriosus (PDA) kann auch medikamentös verschlossen werden • NSAIDs: Prostaglandinsynthese-Hemmer (Ibuprofen, Indometacin) • Man unterscheidet zwischen palliativen und kurativen / korrigierenden Eingriffen in der Chirurgie angeborener Vitien • Palliativoperation: Blalock-Taussig-Shunt, Pulmonales banding, Herz-Tx, Herz-Lungen-Tx • Teilkorrektur: werden zukünftig weitere chirurgische Maßnahmen erforderlich (z.B. bei Aortenisthmusstenose, Transposition der großen Gefäße, Fallot'sche Tetralogie) • Korrektur: operative Herstellung einer normalen Funktion, normalisierte Lebenserwartung, keine weiteren Maßnahmen erforderlich (v.a. bei ASD, PDA) Kongenitale Vitien Palliativoperationen Ziel: • Erhöhte Lungendurchblutung: B-T-Anastomose Bei bestimmten zyanotischen Herzfehlern die rechte A. subclavia wird abgetrennt und mit der A. pulmonalis verbunden • Desaturiertes Blut wird der Lunge zugeführt, wo es Sauerstoff aufnehmen kann (Die Zyanose wird gemildert) • Verminderte Lungendurchblutung: Pulmonales Banding Bei Vitien mit L-R-Shunt schützt das Banding den Lungenkreislauf vor dem erhöhten Blutfluss (pulmonalen Hypertonie) • Verbesserung der arteriovenösen Durchmischung (Septektomie) Fallot’sche Tetralogie Historischer Überblick 1672 Niels Stensen - anatomische Beschreibung • Dänischer Arzt, Anatom und Naturforscher, später katholischer Priester und Bischof • Ductus parotideus - Stenon-Gang 1888 E-L. A. Fallot - klinisch-pathologische Beschreibung • Professor für Hygiene und Gerichtsmedizin in Marseille • Gemeinsames Kennzeichen „maladie blue“ (Blausucht - Zyanose) Fallot’sche Tetralogie Anatomische Aspekte • Komplexer Herzfehler • Ventrikelseptumdefekt (VSD) • RV-Ausflusstraktobstruktion (RVOTO) infundibuläre, valvuläre oder supravalvuläre Pulmonalstenose • Reaktive RV-Hypertrohphie Großer, druckangleichender VSD, verengte Lungenarterie • „Reitende“ Aorta über VSD Aortenklappe ist verrutscht (VSD), sauerstoffarmes Blut aus der rechten Herzkammer è Rechts-Links-Shunt ! Zyanose Fallot’sche Tetralogie Klinisches Bild • Das häufigste zyanotische Vitium (10%) – ca. 600 Fälle pro Jahr • Abhängig vom Schwergrad der RV-Ausflusstraktobstruktion (RVOTO) • Durch verminderte Lungendurchblutung und Rechts-Links-Shunt entsteht Hypoxie • Leitsymptom: Zyanose (Bei offenem Ductus arteriosus kann in den ersten Lebensmonaten fehlen) • Klassische, im späteren Leben auftretende Zeichen und Komplikationen - Hockstellung, Trommelschlägelfinger mit Uhrglassnägel, Hirnabszesse - sind selten zu sehen Fallot’sche Tetralogie Diagnostik • Diagnose kann in der Regel klinisch gestellt und durch Echokardiographie gesichert werden • Klinische Symptomatik: „blue babies“ • Auskultation: lautes Systolikum (Pulmonalstenose, VSD) • Rtg-Thorax visualisert Holzschuhherz (Cœr en sabot) - normal großes Herz mit angehobener Spitze è Pulmonalisstamm unterentwickelt • Definitive Diagnose erfolgt durch ECHO - Darstellug VSD + RVOTO • Herzkatheteruntersuchung: invasive Druckmessung, Verdacht auf koronare Anomalien oder multifokale Lungendurchblutung Fallot’sche Tetralogie Konservative Therapie • Bei schwerer RVOTO kann Zyanose schon früh und ausgeprägt auftreten • Ziel der medikamentösen Therapie im Säuglings- und Kleinkindesalter: Behandlung und Prophylaxe von hypoxämischen Anfällen, zyanotischen Krisen • Diese Neugeborene können nur unter Prostaglandin E2-Therapie stablisiert werden, sofern ein Ductus Botalli noch vorliegt è Körpergewicht < 3000g è modifizierter B-T-Shunt • Eine Sympatikotonie durch überstimulation der ß-Rezeptoren kann zur infundibulären Hyper- kontraktion (Spasmus) führen è ß-Blocker Fallot’sche Tetralogie Indikation für Operation • Die Operationsindikation ist bei der Fallot-Tetralogie immer gegeben, da ohne Operation die Lebenserwartung deutlich eingeschränkt ist • Das Auftreten von hypoxämischen Anfällen bedeutet Indikation für eine dringliche Operation • Operation (Palliation / Korrektur) Fallot’sche Tetralogie Blalock-Taussig-Anastomose (Palliation) • Keine effektive Therapie 40 Jahre lang nach Fallot’s Entdeckung Alfred Blalock - Oberarzt der Chirurgie Johns Hopkins Hospital, Baltimore Helen B. Taussig - Leiterin der Kardiologie,Direktorin Johns Hopkins Hospital, Baltimore • 1944 entwickelten damals abschließende, heute zur palliativen Therapie eingesetzte Operationsmethode bei zyanotischen Herzfehlern • Die Verbindung der rechten A. subclavia mit der rechten Pulmonalarterie Fallot’sche Tetralogie Blalock-Taussig-Anastomose (Palliation) • Die erste Operation fand am 29. November 1944 statt • Vivien T. Thomas - Operationstechnischer Assistent und angelernter Chirurg • Obwohl Thomas über keinerlei weiterführende Schulbildung verfügte, zählt er zu den Pionieren der Herzchirurgie Fallot’sche Tetralogie Fallot-Korrektur • Pulmonalstenosesprengung (Sellors, 1948) – Palliation • 1954 C. Walton Lillehei, Universiät von Minnesota – controlled cross circulation • Erste kurative Totalkorrektur Fallot’sche Tetralogie Fallot-Korrektur 1955 John W. Kirklin Mayo Klinik, Einsatz der ersten Herz-LungenMaschine 1965 Klinner und Zenker Deutschland, erste grosse Serien 1970er Aldo Castaneda Boston Children’s Hospital, verwirklichte die routinemässige primäre Totalkorrektur im Säuglingsalter Fallot’sche Tetralogie Korrektur: Wann und Wie? • Operation zumeist zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat • Operation am offenen Herzen • Patient wird an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen und das Herz angehalten 1. Die verengte Pulmonalklappe wird "geöffnet" (Kommissurotomie) um die Stenose zu erweiten und/oder der verengte Pulmonalisstamm mit einem Flicken (Pericardium, Gore-Tex) erweitert 2. Teile der verdickten Muskulatur des rechten Ventrikels - insbesondere unterhalb der Pulmonalklappe (Infundibulum) - werden entfernt oder durchgetrennt 3. Der Ventrikelseptumdefekt (VSD) wird mit einem Flicken (Dacron oder Gore-Tex) verschlossen Fallot’sche Tetralogie Aussichten nach der Korrektur • Vor 25-30 Jahren lag die postoperative 10-Jahres-Überlebensrate bei etwa 50% • Todesrate während der Operation liegt heutzutage unter 5% • Säuglinge nach der Korrektur haben meist die Lebenserwartung von herzgesunden Kindern • Die Langzeitprognose ist gut: Nach 30 Jahren leben Erwachsene über 90 % und nach 40 Jahren über 75 % • Re-Operation ist häufig auch im Jugendalter - Eingriffe an der Pulmonalklappe • Ein wichtiges Langzeitproblem sind schwere Herzrhythmusstörungen, die selten, aber unerwartet zu plötzlichen Todesfällen führen können