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Kultur / Medien NR. 68, DIENSTAG, 20. MÄRZ 2012 HassliebezuNewYork TV-KRITIK Ungläubiges Staunen „München 72 – Das Attentat“, gestern, ZDF A m 5. September 1972 legte sich ein tiefer Schatten über die bis dahin so fröhliche Olympiade in München: Palästinensische Terroristen nahmen elf israelische Sportler als Geiseln, die später bei der Erstürmung eines Hubschraubers alle umkamen. Regisseur Dror Zahavi hat diese tragischen Ereignisse nun erstmals fiktional aufgearbeitet und dabei geradezu erschreckend erzählt, wie hilflos die naiven Politiker und die überforderte Polizei damals agiert haben. Warnungen vor einem solchen Anschlag wurden ignoriert, ein selbstverliebter und selbstherrlicher Polizeipräsident (den Heino Ferch grandios spielte) verhinderte mehr als er bewirkte. Die Liebesgeschichte (Felix Klare/Bernadette Heerwagen) war hübsch (aber unnötig), der Look der 70er Jahre gut eingefangen, die Schauspieler waren alle großartig. Doch zurück blieb man im ungläubigen Staunen über ein bizarres Räuber- und GendarmSpiel, von dem man sich wünschte, dass es nie stattgefunden hätte. Manche Schatten bleiben. Klaus Braeuer ´ Morgen in der TV-Kritik: „Unser anstrengendes Leben“, 20.15 Uhr, Arte „Türkisch für Anfänger“ stürmt die Kino-Charts ¥ Baden-Baden (dpa). Wechsel an der Spitze der deutschen Kinocharts: Nach neun Wochen musste „Ziemlich beste Freunde“ den Platz an der Sonne räumen. Neuer Spitzenreiter ist „Türkisch für Anfänger“. Der Multikulti-Film lockte von Donnerstag bis Sonntag 369.000 Zuschauer in die Kinos und stürmte damit sofort auf Platz eins, wie die Marktforscher von Media Control mitteilten. 235.000 Zuschauer bedeuteten für „Ziemlich beste Freunde“ immerhin noch Platz zwei. Die französische Sozialkomödie nähert sich damit in Deutschland der Marke von sieben Millionen Zuschauern. 371 Musik-Wettbewerbe in Deutschland ¥ Bonn (dpa). Statistisch gesehen wird in Deutschland jeden Tag ein überregionaler Musikwettbewerb ausgetragen. Insgesamt 371 Wettbewerbe zählte das Deutsche Musikinformationszentrum in Bonn, wie es am Montag mitteilte. Sie teilten sich auf in 164 internationale, 99 bundesweite und 108 landesweite Wettbewerbe. Der bestdotierte Musikwettbewerb sei der Internationale Joseph-Joachim-Violinwettbewerb, der 50.000 Euro für den ersten Preis auslobt. Rammstein und Manson rocken den „Echo“ ¥ Berlin (dpa). Rammstein und Marilyn Manson treten am Donnerstag gemeinsam bei der Echo-Verleihung in Berlin auf. Die Veranstalter des Musikpreises kündigten eine „Ausnahmeperformance“ an. Die für ihre spektakulären Shows bekannte deutsche Band und der amerikanische Schockrocker wollen Mansons Hit „The Beautiful People“ spielen. Außerdem im Bühnenprogramm: Katy Perry, Lana Del Rey, die Toten Hosen, Tim Bendzko und Silbermond. Das „Erste“ überträgt die Verleihung ab 20.15 Uhr live. Touristen auf Schimanskis Spuren ¥ Duisburg (dpa). Eine neue Tour führt Touristen in Duisburg zu den Drehorten der Schimanski-Folgen aus der TV-Serie „Tatort“. Der Titel der Führung lautet „Auf Schimmis Spuren in Ruhrort“, einem rechtsrheinischen Stadtteil Duisburgs. Ausgangspunkt ist das „Café Kaldi“, das früher Schimanskis Stammkneipe „Zum Anker“ war. Die Tour führt dem Anbieter zufolge unter anderem in den Hafen und zum Imbiss „Pommes Kalle“ am Friedrichsplatz, der im Fernsehen „Bei Gina“ hieß. WeltweiteLesungen fürLiuXiaobo Freilassung des Friedensnobelpreisträgers gefordert ¥ Berlin (dpa) Mit einer weltweiten Lesung wollen sich Autoren und Künstler aus mehr als 40 Ländern heute für die Freilassung des inhaftierten chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo einsetzen. Wie das Internationale Literaturfestival Berlin gestern mitteilte, beteiligen sich mehr als 150 Institutionen, Fernseh- und Rundfunksender an der Aktion. „Die Resonanz ist überwältigend, noch wesentlich stärker als im vergangenen Jahr“, sagte Festivalchef und Initiator Ulrich Schreiber. Der 56-jährige Liu Xiaobo, einer der bekanntesten Bürgerrechtler Chinas, ist seit vier Jahren in Haft. Selbst den Friedensnobelpreis durfte er 2010 nicht persönlich in Empfang nehmen. Die Solidaritätslesung für ihn wird laut Schreiber in Neuseeland beginnen und in Los Angeles enden. In Berlin nehmen Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und der chinesische Autor Liao Yiwu an einer Lesung im Martin-Gropius-Bau teil. PERSÖNLICH Paul Maar (74) und Nikolaus Heidelbach (56), beliebte Kinderbuchautoren, zählen zu den Kandidaten für den diesjährigen Astrid-Lindgren-Preis, der heute im schwedischen Vimmerby vergeben wird. Mit fünf Millionen Kronen (etwa 560.000 Euro) Preisgeld gilt er als die weltweit höchstdotierte Auszeichnung für Kinder- und Jugendliteratur. Insgesamt sind 184 Kandidaten aus 66 Ländern nominiert. Auch die Autorin Jutta Richter ist nominiert. FOTOS: DPA Paddy Kelly (34), Musiker der „Kelly Family“, startet am 31. Mai in Düsseldorf einen Kirchenkonzert-Tournee. Mit der Konzerttour seines Solo-Projektes „Agape“ unterstütze er Hilfsprojekte der Caritas in Äthiopien, kündigte das Bonifatiuswerk der Deutschen Katholiken an. Neben spirituellen Liedern, die größtenteils aus seiner Zeit im Kloster stammen, spiele Paddy auch einige Songs aus der Zeit der Kelly Family. Paddy tritt auch in Paderborn auf. FOTO: OBS Fotografin Bärbel Möllmann dokumentiert, was der 11. September veränderte ¥ Berlin (dpa). Musik aus Deutschland ist nach Branchenangaben in den Charts so erfolgreich wie seit 20 Jahren nicht mehr. Im vergangenen Jahr waren 55 Prozent der 100 Top-Alben in Deutschland produziert, davon waren 29 Prozent deutschsprachig. „Es ist offenbar wieder angesagt, bestimmte Themen in der eigenen Sprache zu erzählen“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, Florian Drücke (37). „Das trifft einen Nerv der Zeit, ohne dass wir hier eine neue Deutsche Welle ausrufen wollen.“ Der Verband beruft sich dabei auf Zahlen und die Charts von Media Control. Erfolgreichster nationaler Album-Interpret war 2011 Udo Lindenberg mit „MTV Unplugged – Live aus dem Hotel Atlantic“. Nach „21“ von Adele landete Lindenberg auch das erfolgreichste Album des Jahres. VON NICO BUCHHOLZ ¥ Berlin/Bielefeld. Es war der Tag, der die Welt veränderte. Bärbel Möllmann sitzt am Schreibtisch in einer Bielefelder Werbeagentur. Im Büro herrscht geschäftiges Treiben, das Radio läuft. Plötzlich berichtet der Nachrichtensprecher, dass Flugzeuge in das World Trade Center geflogen sind. Der Schreck fährt ihr in die Glieder: Bis vor wenigen Tagen war die Künstlerin selbst zum Fotografieren in New York. Als sie erneut dorthin fliegt, hat sich vieles verändert. Wenig später entschließt sie sich, auf Fotos und mit Interviews festzuhalten, wie sehr sich der Tag in das Bewusstsein der Einwohner des „Big Apple“ eingebrannt hat. Mit Notizblock und Umhängetasche schlendert sie wieder durch die Straßen der amerikanischen Metropole. 2002 entsteht so der zweite Teil ihrer Diplomarbeit an der Fachhochschule Bielefeld unter dem Titel „Visions NYC – Afterthoughts“. Nur wenige ihrer Interviewpartner von der ersten Reise äußern sich ein zweites Mal. Die Stadt, die niemals schläft, ist in eine tiefe Depression gefallen. „Sonst sind alle agil und überschwänglich. Nach diesem Tag waren die meisten ruhig und verhalten“, sagt Bärbel Möllmann. So wie Janette Newton. Die Fotografin trifft die junge Frau am Washington Square Park und verabredet sich mit ihr in einen kleinen Café. Möllmann nimmt sich Zeit für das Gespräch. „Janette war zunächst sehr fröhlich. Plötzlich änderte sich ihre Stimme.“ Janette Newton sagt, dass sie nicht mehr schlafen kann. Sie hat die Menschen aus den brennenden Türmen fallen sehen. Der Schicksalstag hat New York verändert. Eigentlich ist sie nicht Möllmanns Welt, die Metropole der Wolkenkratzer, der Hochglanzkarrieren, der Hamsterräder. Als Künstlerin führt sie ein entbehrungsreiches Leben in einer kleinen Wohnung – damals in Bielefeld, heute in Berlin, im Stadtteil Friedrichshain. „Nicht im hippen Teil“, sagt die 41-Jäh- »Es fehlt an menschlicher Wärme« rige. Trotzdem wollte sie wissen, was aus den Träumen der New Yorker nach 9/11 geworden ist. „Hier hat kaum jemand Zeit“, hat sie bei ihren Reisen festgestellt. Und Zeit brauchen die Porträtierten. Denn Bärbel Möllmann fotografiert mit einer Camera obscura, einer einfachen Lochkamera. Belichtungszeiten von drei Minuten sind normal. Die Fotografierten kommen während der Aufnahme zur Ruhe. Sonderbar verschwommene Bilder, die ganze Zeitspannen einfangen, entstehen. „Wenn ich Menschen so fotografiere, können sie ihre aufgesetzte Pose nicht aufrechterhalten“, sagt die Frau im rosafarbenen Deutsche Musik auf Rekordhoch „Jim Knopf“: Rückkehr möglich ¥ Augsburg/München (dpa). Jim Knopf und Urmel aus dem Eis könnten zurück ins Fernsehen kommen: Der Intendant des Bayerischen Rundfunks (BR), Ulrich Wilhelm, möchte die Marionetten der Augsburger Puppenkiste wieder auf den Bildschirm bringen. „Wir haben den festen Willen, mit den Machern der Augsburger Puppenkiste Projektideen zu diskutieren“, sagte ein BR-Sprecher am Montag. Es sei jedoch wichtig, dass die möglichen Ausstrahlungen zeitgemäß seien, auch „Formate ganz neuen Zuschnitts“ seien denkbar. Der Kinderkanal von ARD und ZDF hatte im Herbst 2011 die Sendungen der Puppenkiste nach Angaben des bayerischen Kultusministeriums als nicht mehr zeitgemäß eingestuft und aus dem Programm genommen. EntrückterAugenblick: Janette Newton in einem Café. Die Unschärfe ist gewollt. Strickpullover. Sie trägt ein dickes Brillengestell, ist ungeschminkt. Bärbel Möllmann gibt sich nicht mit Oberflächlichkeiten ab. Die Anschläge auf die Stadt New York haben die Fotografin und den Moloch aneinandergeschweißt – eine Hassliebe. „Es fehlt dort an menschlicher Wärme“, sagt sie dennoch. Denn Möllmann ist geprägt vom Landleben. Aufgewachsen ist sie in der Enge Bocholts an der niederländischen Grenze. Sonntags ging es in die Kirche, darauf bestanden die Eltern. „Mittlerweile gehe ich dort nicht mehr hin.“ Trotz der Enge kam sie in Kontakt mit ihrer großen Leidenschaft, der Fotografie. Ihr Vater lieh ihr seine Kamera, schenkte ihr später eine eigene. Wegen der Eltern machte sie dennoch zuerst eine Ausbildung als Druckformherstellerin, später folgte das Studium der Fotografie an der Bielefelder Fachhochschule. „Der Widerstand meiner Eltern hilft mir jetzt, Hinder- nisse aus dem Weg zu räumen.“ Der Erfolg gibt ihr recht: Als Fotografin hat sie diverse Preise gewonnen, ausgestellt hat sie unter anderem im Museum für zeitgenössische Kunst in Tokio, im Bundeskanzleramt, in der Neuen Schule für Fotografie in Berlin und in der Galerie Samuelis Baumgarte in Bielefeld. Zum FOTO: BÄRBEL MÖLLMANN zehnten Jahrestag von 9/11 stellte sie die Fotografien des Projektes „Visions NYC – Afterthoughts“ in der US-Botschaft in Berlin aus. „Ich habe einen engen Terminplan“, sagt Bärbel Möllmann. Ein wenig von der Hektik New Yorks hat sie von der anderen Seite des Atlantiks mitgenommen. INFO Fotografin mit der „Camera obscura“ ´ Bärbel Möllmann arbeitet mit einer „Carmera obscura“. ´ Darunter versteht man einen dunklen Kasten, in den durch ein Loch Licht fällt. ´ Auf der gegenüberliegenden Seite des Kastens entsteht ein auf dem Kopf stehendes Abbild, welches aufgezeichnet werden kann. ´ Bärbel Möllmann hat ihre „Camera obscura“ selbst gebaut. Seit 1996 arbeitet sie mit ihr. Fotografin: Bärbel Möllmann. Max Ernst für Kinder ¥ Bonn (epd). Das Bonner Kunstmuseum wendet sich mit einer Max-Ernst-Ausstellung jungen Besuchern zu. Unter dem Titel „Muschelbaum, Holzvogel und Augenfisch“ können Kinder und Jugendliche die Entstehung von Werken verfolgen und von Ernst verwendete Maltechniken wie die Frottage ausprobieren. Vom 25. März bis 26. August ist die Grafikserie „Naturgeschichte“ zu sehen. Messe „jazzahead“ mit 70 Konzerten ¥ Bremen (dpa). Spanien steht in diesem Jahr im Mittelpunkt der Musikmesse „jazzahead!“ in Bremen. Auf der weltweit größten Veranstaltung dieser Art werden vom 19. bis 22. April zahlreiche spanische Musiker auftreten, darunter der Star-Gitarrist Tomatito. Mehr als 70 Konzerte seien während der vier Tage in der Hansestadt geplant. „jazzahead!“ ist eine Kombination aus Messe, Festival und Konferenz. HilflosigkeiteinesVorabend-Entertainers „Gottschalk live“ im neuen Gewand VON LENNART KRAUSE ¥ Berlin. Es ist die letzte Chance für Entertainer Thomas Gottschalk, seine Vorabendsendung bei der ARD zu retten. Fehlende Quoten haben die Produzenten veranlasst, „Gottschalk Live“ ein neues Gewand zu geben. Eine Nachbetrachtung: Es braucht Mut und Hoffnung, um an eine erfolgreiche Zukunft von „Gottschalk Live“ zu glauben. Der Mut scheint bei der ARD aber schon jetzt verlorengegangen zu sein. Denn die gestrige Ausgabe der Unterhaltungssendung war die Darstellung eigener Hilflosigkeit. Das Wohnzimmer, in dem Gott- Ein kläglicher Versuch, seinen schalk bisher moderierte, ist verKollegen zu schützen. Aber ein schwunden. Dafür nahm der EnSinnbild dafür, dass Gottschalk tertainer an einem vereinsamten den Blick in die Zukunft noch Schreibtisch Platz. Hinter ihm nicht hat. Wie ein trotziges Kind eine Leiter und ein Eimer Farbe. bemerkte er: „Früher war auch Das Studio von Gottschalk wird nicht alles schlecht.“ Das scheint nach und nach umgebaut. Fertig Gottschalk wirklich zu glauben, renoviert ist es erst nächsten denn selbst ein eingespieltes InMontag. Der Neuanfang soll ternetvideo, dass einen amerikabloß nicht zu radikal sein. Nur nischen Reporter zeigt der gegen ein Publikum, das nichts erwareinen Metallpfosten läuft, ist tet, kann positiv überrascht sein. nicht neu. Hochgeladen wurde So wundert es auch nicht, das Video bereits im April 2007. dass die ersten Gäste des Ein Aufbruch sieht anders aus. „neuen“ Gottschalks Oliver PoGottschalks Hilflosigkeit war cher und Tagesschausprecher fast schon Mitleid erregend. So Jan Hofer waren. Hofer erzählte kündigte er den einzigen Einaus seiner Vergangenheit. „Ich habe schon so furchtbare Sen- Jetzt mit Publikum: Moderator spielfilm des Abends mit „den dungen gemacht“, sagte Hofer. Thomas Gottschalk. FOTO: DPA haben die Kollegen von Extra3 gemacht, so gut hätten wir das nicht gekonnt“ an. Auch der Besuch von Oliver Pocher konnte der Sendung keinen Glanz verleihen. Gottschalk hörte in den Gesprächen lieber sich selbst zu. Nichts Neues eben. Wobei, irgendwas war doch neu. Aber was? Genau, Gottschalk hat jetzt Publikum. Das soll durch Lacher und Interaktion für mehr Lockerheit sorgen. Schlecht nur, wenn sich die Lacher an einer Hand abzählen lassen. Vielleicht merkt Gottschalk aber so, dass seine Zeit am Vorabend einem schnellen Ende entgegenblickt. Der Neuanfang jedenfalls war eher der Start eines traurigen Abgesangs.