über die grenze ist es nur ein schritt
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über die grenze ist es nur ein schritt
ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT von Michael Müller Regie: Brit Bartkowiak Bühne & Kostüme: Nikolaus Frinke Dramaturgie: Britta Hollmann Regieassistenz: Gabriele Kästner Inspizienz: Gustav Boehm / Birgit Stuckenbrok Bühnenbildhospitanz und Figurenbau: Lotta Seifert Dramaturgiehospitanz: Hannah Spielvogel mit Judith Goldberg / Vasilios Zavrakis Wir danken Paola Aguilar Moreno für ihre musikalische Unterstützung und die fachliche Beratung und Pascal Simon Grote für die Klaviereinspielung von „Lean On Me“ von Bill Withers. Premiere: Di., 04/02/2014 / 11.00 Uhr / Wilhelmshaven Studio Rheinstr. 91 www.landesbuehne‐nord.de Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Pädagoginnen und Pädagogen, liebe Theaterbegeisterte! Wie fühlt es sich an, täglich Angst um sein zu Hause zu haben und mit permanenter Unsicherheit zu leben? Jeden Tag überangepasst und vorsichtig sein zu müssen, weil schon eine kleine Rauferei auf dem Schulhof oder eine mit dem Fußball eingeschossene Scheibe alles auffliegen lassen kann. Was macht das mit Kindern und Jugendlichen? Während der Proben zu ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT haben wir uns nicht nur intensiv mit der Lebensrealität illegal in Deutschland lebender Jugendlicher beschäftigt, sondern auch mit unzählbaren Fluchtgeschichten und Einzelschicksalen. Es ist unglaublich schwer, sich in die Lage dieser Menschen zu versetzen, denn jedes Schicksal ist so unfassbar und vor allem unfassbar weit weg von unserer Lebensrealität. Michael Müller hat in seinem Stück einfühlsam und spannend viele verschiedene Einzelgeschichten von Jugendlichen aus Ghana zum Schicksal eines Jungen verdichtet: Dede. Wir haben versucht, seine Realität mit unseren Mitteln zu greifen – mit Theater. Und wir machen, was nur Theater so unmittelbar kann, ein komplexes Thema anschaulich, nachfühlbar. Wir füllen Menschen, die meist nur eine Kurzmeldung in Fernsehen oder Zeitung lang durch unsere Wahrnehmung flimmern, mit Fleisch und Blut. Das Stück und die Inszenierung von ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT zeigt darüber hinaus auf, wie letzten Endes jeder Mensch auf der Suche nach demselben ist: Identität, Freundschaft, Heimat, Zukunft und es hilft, die Zusammenhänge in unserer modernen globalisierten Welt zu verstehen. Diese Materialmappe soll Ihnen helfen, Unterrichtseinheiten zum Stück und zu den vielen Themenbereichen vorzubereiten, die es berührt. Aus diesem Grund finden Sie nicht nur Anregungen zur Textarbeit im Fach Deutsch und für szenisches Arbeiten, sondern auch Hintergründe und Diskussionsanregungen, die sich vielleicht für die Fächer Politik, Erdkunde, Religion/Ethik eignen oder für das bildnerische Arbeiten in Kunst. Verwenden Sie diese Mappe nicht statisch, sondern machen Sie damit das, was für Ihre individuellen Vorbereitungen am besten passt! Wenn Sie ein wenig Unterstützung für Ihren Unterricht brauchen oder Fragen haben, melden Sie sich. Unser Theaterpädagoge Frank Fuhrmann, Carola Unser, die Leitung der Jungen Landesbühne und natürlich ich, kommen sehr gerne in Ihre Einrichtung, um zusammen mit Ihren Kindern und Ihnen den Theaterbesuch vor- oder nachzubereiten. Viele Grüße Britta Hollmann Dramaturgin Junge Landesbühne 2 INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsangabe…………………………..…………………………………………………………………..………4 Bühnenbild…………………………………………………………………………………………………………….5 Panafrikanische Farben und Flaggen……………………………………………………………….…….6 Kostüme…………………………………………….……………………………………………………….…………7 Spielszene………………….………………………………………………………………………………………….9 Vor- und Nachbereitung des Theaterbesuchs Text und Spielen……………………………………………………………………………………………………12 Fächerübergreifendes Arbeiten: Erdkunde…………………………………………………………….14 Fächerübergreifendes Arbeiten: Politik……………………………………………………………………16 Davor und Danach / Nachbereitung………………………………………….…………………………….19 Fächerübergreifendes Arbeiten: Kunst……………………………………………………………………..21 Die Darsteller…………………………………………………………………………………………………………..22 Autor, Regie, Ausstattung………………………………………………………………………………………….23 Literatur- und Filmempfehlungen………………………………………………………………………………24 Buchungsinformationen und Kontakt………………………………………………………………………..24 Extras……………………………………………………………………………………………………………………….25 3 INHALTSANGABE ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT von Michael Müller für Menschen ab 10 Jahren Von Ghana nach Algerien, von Algerien nach Berlin und von Berlin nach Hamburg. Das ist der Fluchtweg von Dedes Familie. Die jahrelange Reise, die Strapazen des Ankommens, das Leben in Deutschland, das sich Dede, seine Schwester Benedicta und seine Mutter Ama hier aufgebaut haben, scheint von einem Tag auf den anderen bedroht. Gestern noch konnten Dede und Benedicta ungehindert zur Schule gehen, heute Morgen wird Ama von der Polizei abgeholt. Was das für illegale Flüchtlinge bedeutet, weiß Dede genau: Abschiebung. Zurück nach Ghana, das Land, in dem Toxic City liegt, das Land, in dem Kinder auf Kakaoplantagen arbeiten, das Land, das er nur noch aus Erzählungen seiner Mutter kennt. Doch gerade heute ist Benedicta nicht auffindbar. Ihre Klasse: leer. Wie auf glühenden Kohlen wartet Dede. Zum Glück gibt es da noch Melle, Dedes beste Freundin. Melle, deren Vater nie da ist und als Umweltingenieur durch die Weltgeschichte tingelt, deren neue Stiefmutter Cordula sich weigert an die Nordsee zu fahren und ihrer Eidechse, die die einzige zu sein scheint, die Melle zuhört. Naja, außer Dede natürlich. Zusammen mit Dede wartet sie auf Benedictas Rückkehr. Dabei entsteht nach und nach ein Spiel im Spiel. In Zukunftsvisionen planen die beiden ihr Leben, in Rückblenden erzählen die beiden die Flucht von Dedes Eltern nach: Die beschwerliche Reise durch die Wüste, die Liebesgeschichte von Dedes Eltern Ama und Ossam – Dedes Vater, der in Algerien zurück bleiben musste, dem Flug nach Deutschland, der Unterdrückung durch Onkel Addo. Ein Haufen bunter Altkleidersäcke dient den beiden als Kulisse. So wandelbar und vielfältig wie ihre Geschichten, so vielfältig und wandelbar sind auch die Kleidersäcke. Mal Ozean, mal Wüste. Mal Deutschland und mal Toxic City, bietet das Bühnenbild den Ort für eine Geschichte über Verzweiflung und Angst, aber auch über Liebe und Hoffnung. Premiere: Di., 4. Januar 2014 / 11.00 Uhr / Studio Rheinstraße 91 4 Bühnenbild Welche Assoziationen habt Ihr zum Bühnenbild? Was fällt Euch auf? Was für einen Ort seht Ihr? Steht das Bühnenbild für einen konkreten Ort oder könnten es verschiedene Orte sein? Die Altkleidersäcke aus denen das Bühnenbild besteht, sind im Original Rot, Gelb und Grün. Was könnten diese Farben bedeuten? Warum besteht das Bühnenbild überhaupt aus Altkleidersäcken? 5 Panafrikanische Farben und Flaggen Die panafrikanischen Farben sind Gelb, Rot und Grün. Sie tauchen vermehrt in den Nationalflaggen Afrikas auf und drücken das Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Nationen aus. Auch schwarz wird häufig in dieser Farbkombination verwendet. Die Farben haben folgende Bedeutung: Gelb = Die Liebe zum Vaterland Rot = Das vergossene Blut im Heimatland Grün = Die Fruchtbarkeit des Heimatbodens Bei der Flagge Ghanas kam zum ersten Mal der panafrikanische Gedanke zum Ausdruck. Flagge von Ghana Flagge von Kamerun Flagge von Guinea Flagge von Benin Panafrikanismus Panafrikanismus bedeutet die Einheit aller Afrikanischen Länder, ihrer Einwohner, ihrer Kulturen und ihrer Sprachen. Dies gilt für alle Menschen, deren Herkunft der afrikanische Kontinent ist, so auch der nach Amerika verschifften Sklaven. 6 Kostüme 7 Kann man das Alter von Dede und Melle an den Kostümen ablesen? Wenn ja, woran? Was fällt Euch besonders auf? Kann man von bestimmten Kleidungsstücken auf die Persönlichkeit der Figuren, bzw. bestimmte Charaktereigenschaften schließen? 8 Spielszene aus ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT Szene 2 MELLE Hallo, ich suche ein Mädchen, Benedicta, die soll hier... (entdeckt Dede) Da bist du ja. (geht auf ihn zu, will ihn umarmen, merkt dass das unpassend vor den Kindern ist.) DEDE Du bist zu spät. MELLE Ich bin zu spät? DEDE Eine Stunde, nachdem ich dich angerufen habe, kommst du hier an! Tolle Freundin! MELLE Ich bin mitten in der Klausur raus, dafür krieg ich null Punkte. Und was sagt dir diese Hand? (zeigt ihre schwarze dreckige Innenseite der rechten Hand) Fahrradkette abgesprungen. Du warst nicht da! Dann bin ich in der Schule ... DEDE Soll ich ewig da rumstehen!? MELLE Ich hab dir auf deine Mailbox gesprochen, dein Handy war plötzlich aus. DEDE (holt sein Handy raus) Scheiß Ding, kaputt! Das war mal dein Schrotthandy! MELLE (macht sich die Hand sauber) Dann lass es endlich mal reparieren! DEDE Geht grade nicht! MELLE Benedicta? Ist sie hier? DEDE Ihre Klasse, leer. MELLE Leer? DEDE Empty! Ich hab ihr heute Morgen noch die Schultasche gepackt. MELLE (will ihr Handy rausziehen) Soll ich sie kurz anrufen? 9 DEDE Handyverbot! Streng mal dein Hirn an, hat Ama weggeschlossen! MELLE Mist ... Und jetzt? DEDE (zeigt auf den Bus/ in die Klasse) Sind wir hier! MELLE (sieht auf seinen Nottasche, versteht, wird ruhiger) Es ist also ... DEDE Ja. MELLE (halb flüsternd) Was ist passiert? DEDE Das ist doch alles total sinnlos. Wo soll ich hin? MELLE (zögert, dann entschlossen) Komm mal mit nach draußen. DEDE (lehnt im Rahmen der Tür) Was soll ich da? MELLE Komm einfach mit! DEDE (zu den Kindern) Warum ist sie immer so? Man hört sie sprechen. DEDE Du bist so was von idiotisch! MELLE Du bist der Idiot, ich weiß nicht mal, was passiert ist! DEDE Egal…Frauen. (unsicher die Situation überspielend) Warum müssen wir uns immer nur so anmachen? Sie ist eigentlich total ... also für ein Mädchen. Na, ja, wir treffen uns oft, sie kommt zu mir oder wir sitzen auf ihrer Couch, machen Mathe, hören Musik oder, ... oder sie spielt Didgeridoo, das ist so’n Instrument, hat ihr Vater aus Australien mitgebracht. Ne Eidechse hat sie auch und eine Tapete mit über hundert Postkarten aus der ganzen Welt, die ihr Vater geschickt hat. Er ist übrigens eine Art Umweltingenieur, alternative Energien, Windräder, Solarzellen und so. „Und?“ frage ich, „möchtest du später wie dein Papa um den Globus 10 reisen?“ Sie überlegt kurz und sagt: „Das hat er ja schon für mich getan. Ich fahr lieber an die Nordsee, nur Papa und ich, abends Fisch braten, unsere Lieblingsvideos, einfach nur relaxen. Aber wir fahren nicht mehr so oft. Cordula mag kein Wasser.“ Cordula, seine Neue, hat ihr Vater auf ’ner Messe kennen gelernt. Melle sagt: „Ich komme mir vor wie bei Schneewittchen, nur dass mein Vater den vergifteten Apfel gegessen hat.“ Typisch Melle, … (setzt sich wieder, spielt an seiner Halskette, zieht sie aus seinem Ausschnitt, zeigt sie Zuschauern) Hier schaut mal, die weißen Perlen stehen für den Himmel, die blauen für das Wasser und die rotbraunen für ... die Erde! Hilft mir mit den Geistern Kontakt aufzunehmen. Die Kette führt und schützt mich. Ist von meiner Mama Ama … nachts, da kommen die Geister und flüstern dir zu, was du wissen musst. Viele Dinge sind ein Geheimnis, ... wie zum Beispiel meine Geburt. „Du bist in der Wüste geboren, also ist der Sand dein Ursprung“, ist Amas Behauptung. Irgendwann will ich mal über die Flucht von meiner Mama und meinem Papa einen Dokumentarfilm oder so was produzieren … Die Menschen sollen sehen, wie schnell sich das, was wir als sicher empfinden, verändert, wie schnell die Welt eine ganze andere ist als die, die sie werden sollte. Vielleicht wähle ich, um alles besser zu verstehen, dieselbe Route, die meine Eltern durch Afrika genommen haben. Ama warnt mich immer: „Junge, lass das sein, das ist kein Spielfilm. Bevor ich sterbe, sollst du auch das erfahren, was ich dir bisher nicht erzählen konnte.“ (wiederholt die letzten Worte für sich) 11 Anregungen für den Unterricht Vorbereitung des Theaterbesuchs Aneignung des Textes Unterrichtsempfehlung Deutsch Text lesen Lesen Sie mit den SchülerInnen gemeinsam die Spielszene aus ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT. Jeder liest dabei der Reihe nach einen Satz. Alle SchülerInnen sind nun auf dem gleichen Kenntnisstand und jeder hat etwas dazu beigetragen. Text lesen mit verteilten Rollen Die Kinder sollen sich zu dritt zusammenfinden und den Text mit verteilten Rollen lesen, zuerst ganz neutral. Danach können sie mit Gefühlen experimentieren: Wie kann man den Text noch lesen? Aggressiv, ängstlich, wütend, glücklich, müde, hysterisch, verliebt … Welches Gefühl stimmt mit dem Inhalt der Szene überein, welches nicht? Ermuntern Sie die Klasse auch körperlich in die Emotion zu gehen. Welche Gesten, welche Haltungen und welche Mimik sind den verschiedenen Emotionen zueigen? Spielen Typisch! Woran glaubt Ihr erkennt man jemanden, der aus dem Ausland kommt? Trifft das auf alle Ausländer zu? Woran erkennt man einen Menschen aus Österreich? Woran einen aus Ghana? Gibt es Vorurteile gegenüber Menschen aus anderen Ländern? Was denkt Ihr über Ausländer? Denken Ausländer vielleicht das gleiche über Euch, wenn Ihr im Urlaub seid? Wo fühlt Ihr Euch als Fremde? In einem anderen Land? Oder schon in einer anderen Stadt? Teilen Sie die Schüler in Gruppen zu 4-5 Kindern ein. Jede Gruppe bekommt ein Land zugewiesen und soll herausfinden, welche Eigenschaften, Geh- und Sprechweisen und Körperhaltungen typisch für Personen aus diesem Land sind. Die typischen Merkmale werden dann der gesamten Klasse spielerisch präsentiert. Sprechen Sie mit den Kindern darüber, ob sie alle diese Merkmale als typisch empfinden, bzw. warum sie diese Stereotype einem bestimmten Land zuordnen. Versuch: Geht für einen Tag in eine andere Klasse/andere Schule. Fühlt Ihr Euch da schon fremd? Wie begegnen einem die Leute, wenn man neu und anders ist? 12 Wer bin ich? Jeder von uns nimmt sich als Individuum war und definiert sich über verschiedene Aspekte. Überlegt, was untrennbar zu Euch gehört, woran Euch andere erkennen können, was Ihr oder andere als „typisch“ an Euch beschreiben würden. Was definiert mich? Sucht Euch etwas aus, mit dem Ihr euch wohlfühlt oder etwas, worauf Ihr stolz seid: - Körperhaltung - Geste - Kleidung - Ein Tick (ständiges Zwinken, mit dem Stuhl kippeln, mit den Fingern trommeln…) - Ein bestimmter Dialekt /Akzent - Muttersprache - Religiösität - Frisur - Accessoire - Brille - Hobby - Etc. Jetzt stellt Euch Eurer Klasse so vor. Wer an der Reihe ist, steht auf, stellt sich vor die Klasse, nennt seinen Namen laut und deutlich und zeigt die Geste oder die Frisur oder ein Zeichen für sein Hobby. Alle anderen begrüßen ihn nun „Hallo …“ und wiederholen die Geste oder das Zeichen. Wahrnehmung schulen Töne Alle Schüler legen sich ganz bequem auf den Rücken oder sitzen locker auf ihrem Stuhl. Sie schließen die Augen, Atmen ruhig und gleichmäßig durch die Nase ein und durch den Mund aus. Die Lehrerin / der Lehrer gibt einen Begriff vor, zu dem alle einen Ton assoziieren. Bald ist der ganze Raum erfüllt von Summen, Brummen und Geschnatter. Mögliche Begriffe: Flucht, Wüste, Heimat, Trauer, Sehnsucht, Flugzeug, Suppe, Toxic City, Didgeridoo … 13 Unterrichtsempfehlung Fächerübergreifendes Arbeiten: Erdkunde Erdkunde Wo liegt Ghana? Welche Hauptstadt hat Ghana? Welche Sprache wird dort gesprochen? Wovon leben die Menschen? Wie ist das Wetter? Wie die Landschaft? Gibt es Berge und bewachsene Hügel? Oder ist es eher flach und sandig? Recherchiert, wie es in Ghana aussieht. Was wisst Ihr über den Kontinent Afrika im Allgemeinen? Fluchtweg von Ghana nach Algerien Berechnet man den Fluchtweg von Dedes Eltern von Ghanas Hauptstadt Accra aus zur Algerischen Hauptstadt Algier, so beträgt die Länge zwischen 4.340 km (875 Stunden) und 4.616 km (931 Stunden zu Fuß). Mit dem Auto fährt man bei der kürzesten Route 73 Stunden über 4.578 km. Bei diesen Routen durchquert man folgende Länder: Ghana, Burkina Faso, Mali und Algerien bzw. bei der Route zu Fuß auch noch Niger. Etwa 2/3 des Weges gehen durch die größte Wüste der Welt: die Sahara. Versucht auf der Afrikakarte den Fluchtweg von Dedes Eltern einzuzeichnen: Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Afrika 14 Und hier ist die genaue Auflösung: Quelle: https://maps.google.de/maps 15 Unterrichtsempfehlung Fächerübergreifendes Arbeiten: Politik Politik Welche Regierung hat Ghana? Wie sieht die wirtschaftliche Lage in diesem Land aus? Wie die soziale? Dede erwähnt im Stück „Toxic City“. Lesen sie mit Ihren Schülern den untenstehenden Artikel aus der Frankfurter Rundschau. Wie leben die Kinder dort? Warum müssen sie arbeiten? Wie unterscheidet sich ein Tag im Leben eines Kindes in Toxic City von dem eines Kindes in Wilhelmshaven? Bilden Sie zwei Schülergruppen und lassen Sie sie jeweils einen fiktiven Tagesablauf erarbeiten. FRANKFURTER RUNDSCHAU, 19. OKTOBER 2011 Die Kinder von Toxic City Von GABY HERZOG 100.000 Tonnen ausgemusterte Elektro- und Elektronikgeräte – ob Staubsauger, Computer oder Fernseher – werden allein aus Deutschland jährlich in Richtung Süden gebracht. Foto: dpa Tausende Tonnen Elektroschrott – auch aus Deutschland – gelangen jährlich per Schiff nach Ghana. Ein Besuch auf der Halde von Accra. ACCRA – Die Anderen haben den Schatz tatsächlich übersehen. Nur eine kleine Ecke des grauen Gehäuses lugt unter dem Eisenschrott vor. Daniel Kwame Adgei wartet, bis seine Freunde weitergegangen sind und zieht mit einem triumphierenden Lächeln den Game Boy hervor. Dann sucht er einen Stein, zertrümmert das Plastikgehäuse, löst die Leiterplatten heraus und lässt sie schnell in seinem Rucksack verschwinden. Für den Zwölfjährigen ist ein Game Boy kein Spielzeug. Wenn Geräte wie diese in seinen Händen landen, reagieren die Tasten schon lange nicht mehr, der Bildschirm bleibt schwarz. Daniel hat es auf die „Innereien“ abgesehen. Alles was aus Kupfer oder Aluminium ist, bringt ihn seinem Ziel ein bisschen näher: einer Portion Reis mit scharfer Tomatensoße. Doch bislang ist Daniels Beutel erst viertelvoll und er zieht weiter über die Müllkippe von Agbogloshie. 16 Blei, Kadmium, giftige Dämpfe Am Rand der ghanaischen Hauptstadt Accra liegt der größte Elektroschrottplatz des westafrikanischen Landes. Computergehäuse, Fernseher, Kühlschränke, Scanner und Kabel sind hier auf mehr als einem Quadratkilometer aufgehäuft. Toxic City nennen die Menschen diesen Ort. Seit vier Jahren ist Daniel hier zu Hause. Er lebt alleine, schläft in Hauseingängen, Mülltonnen, auf Pappstücken am Rand der Halde. Und er sammelt wie rund 300 andere Kinder jeden Tag Metallreste. Besser richtig entsorgen 50 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen nach Schätzungen der Uno jedes Jahr weltweit an. 100.000 Tonnen ausgemusterte Elektro- und Elektronikgeräte – ob Fernseher, Staubsauger, Kühlschränke, Handys, Computer oder Drucker – werden allein aus Deutschland jährlich in Richtung Süden gebracht. Insgesamt mustern deutsche Privathaushalte pro Jahr 1,1 Millionen Tonnen Altgeräte aus. Um illegalen Weiterverkauf zu verhindern – etwa nach Ghana – und eine Entsorgung ohne Umweltschäden und gesundheitliche Gefahren zu sichern, sollten alte, defekte Geräte bei offiziellen Recyclingstellen oder beim Hersteller abgegeben werden. Als Second-Hand-Ware deklariert kommt der Sondermüll vor allem aus Europa und Nordamerika hierher nach Accra. Dass die alten Bildschirme Blei und krebserregendes Kadmium enthalten und aus den Kühltruhen giftige Flüssigkeiten tropfen, interessiert niemanden. Die Pfützen schimmern in Regenbogenfarben. Im Fluss Densu, der schwarz und zäh mitten durch die Halde führt, schwimmen keine Fische mehr. Kupfer ist das Gold der Armen. In den vergangenen Jahren haben sich die Weltmarktpreise mehr als verdoppelt auf aktuell 7,40 US-Dollar pro Kilo (5,35 Euro). Auch Aluminium steht hoch im Kurs: 2001 kostete das Kilo 97 Cent, heute etwa 1,60 Euro. Die Nachfrage steigt. „Bis vor fünfzehn, zwanzig Jahren war hier eine grüne Wiese, auf der sogar Flamingos standen“, erzählt Patience Atakora, Mitarbeiterin von CAS (Catholic Action for Street Children). Die Organisation wird vom deutschen Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ unterstützt und kümmert sich seit Jahren um die Kinder auf der Müllkippe. „Heute sieht es hier aus wie auf dem Vorplatz zur Hölle. Wer ein paar Stunden bleibt, dem brennen die Augen, der Hals schnürt sich zu. Niemand weiß, wie viele Menschen durch die giftigen Dämpfe und das verseuchte Wasser sterben.“ Fest steht: Kaum jemand auf der Deponie ist älter als 25 Jahre. „Jeden Tag kommen Kinder mit Ekzemen, Verätzungen oder Magenkrämpfen zu uns in die Krankenstation.“ Erst vergangene Woche war Daniels neunjähriger Freund Alhasan da, um sich behandeln zu lassen. Eine Scherbe hatte sich durch das Plastik seines Flip-Flops und dann in die Ferse gebohrt. „Nicht gut“, sagt er, „jetzt brauche ich neue Schuhe.“ Einige Meter entfernt steigt eine schwarze Wolke auf. Ein rot glühender Feuerball peitscht den Rauch über die Erde. Damit es besser brennt, werfen die Jugendlichen gelbe Isoliermasse dazu, die sie aus den Türen der Kühlschränke gezogen haben. Jetzt ist das Feuer so heiß, dass sich in Sekunden die Plastik-Ummantelung der Kabel löst, das Kupfer liegt frei. Der Abfall vom Abfall Die Elektrogeräte haben eine lange Reise hinter sich. In ihren Herkunftsländern müssten sie eigentlich in Spezialanlagen teuer entsorgt werden – ein Kostenfaktor, der gerne umgangen wird. Zwar ist es schon seit 1989 mit der Basler Konvention verboten, giftigen Müll zu exportieren. Doch es gibt Aufkäufer und illegale Entsorger, die einen Trick anwenden: Die Geräte werden als Gebrauchtware deklariert und in Entwicklungsländer verschifft. Der Zoll winkt diese Transporte ohne strengere Kontrollen durch. Nach einer Schätzung des Bundesverbandes für Sekundärrohstoffe und Entsorgung werden weniger als 30 Prozent des anfallenden Elektroschrotts auch in Deutschland entsorgt. 17 Sobald der Schrott mit dem Schiff im Hafen von Accra ankommt, wird er weiterverkauft. Unbesehen übernehmen ghanaische Elektrohändler containerweise die Ware. Sie hoffen, dass noch funktionstüchtige Geräte dabei sind. „Wie viele der Scanner, Bügeleisen und PCs funktionieren, ist Glückssache“, erklärt Mike Yeboah, der einen Elektromarkt am Kaneshie Market betreibt. „Wir sind geschickt“, erklärt er. „Etwa ein Drittel kriegen wir wieder flott, beim Rest können wir Ersatzteile ausbauen.“ Was dann noch übrig bleibt, holen Müllhändler mit Handkarren ab. Sie brechen auf dem Schrottplatz mit Hammer und Meißel etwa die Metallmäntel von alten Kompressoren auf und verkaufen das Metall. Für die Kinder bleiben dann nur die Reste – der Abfall vom Abfall. Dass sie für das, was sie noch ausschlachten, Geld bekommen, ist aber ungewiss. „Die Älteren beklauen uns oft, nehmen uns unsere Beutel weg“, klagt Daniel. „Oder manchmal geben uns die Altmetallhändler kein Geld, weil sie behaupten, wir hätten sie bestohlen.“ Heute hat Daniel Glück. Als er seine Fundstücke – Schrauben, Drähte, Kabel – am Nachmittag zu Ebrahim Tethte, dem Boss im Viertel bringt, ist der in Geberlaune. Ein alter Frachtcontainer ist das Büro des 28-Jährigen. Rund um das Areal stehen Kühltruhen, die als Zaun und Tresor dienen. „Nächste Woche kommen die Großhändler, ein Engländer und ein Deutscher, und holen die Ware“, erklärt Tethte. Etwa die Hälfte des Weltmarktpreises bekommt er für Recycling-Kupfer. Im Elektroschrott sieht er ein Geschäft mit Zukunft. „Ein Computer, der heute als Revolution gefeiert wird, ist morgen technisch überholt und landet in Accra. Das ist doch toll.“ Daniel steht etwas abseits und wartet, bis er aufgefordert wird, sein Altmetall auf die Waage zu legen. „Das sind 2,5 Cedi“, verkündet Tethte gönnerhaft und wedelt mit Scheinen. „Ich gebe dir drei.“ Daniel nimmt das Geld. „Danke, Sir“. 1,40 Euro – so viel hatte seine Mutter am Tag für die Ernährung der sechsköpfigen Familie zur Verfügung. Über die Familie spricht er nicht Mit acht Jahren ist Daniel aus dem Norden Ghanas in die Hauptstadt gekommen, ganz allein. „Hier gibt es Kinos und ich habe fast immer was zu essen“, sagt er. 61500 Kinder leben wie er in Accra auf der Straße. Gewalt, Prostitution, Krankheit gehören zum Alltag, dennoch sind sie freiwillig da. „Schwer vorzustellen – aber viele sehen selbst im Leben auf der Müllkippe eine echte Alternative“, erklärt die Sozialarbeiterin Patience Atakora. „Im Norden, wenn der Sand aus der Sahara kommt, verdunkelt sich wochenlang die Sonne. Es ist unerträglich heiß, es gibt kaum Wasser, wenig zu essen. Viele Familien sind zerrüttet, Alkoholismus ist ein Problem.“ Daniel spricht nicht gern über seine Familie. Nur Patience und ihren Kollegen erzählt er manchmal etwas. Sie sind die einzigen in Toxic City, die ihm Hilfe anbieten. „Im Zentrum kann ich umsonst duschen. So lange, bis der Dreck wirklich ab ist“, sagt Daniel. „Und danach spiele ich mit den anderen im Hof Fußball.“ Auf einem Spielfeld ohne Glassplitter und Ölpfützen. 18 Davor und Danach Schlagwörter Diese Aktion eignet sich hervorragend, um eine Brücke zwischen der Aufführung und den Unterrichtsstunden zu schlagen. Jeder schreibt vor und nach dem Theaterbesuch je ein Wort zum Stück auf eine Karteikarte. Wie hat sich die Wahrnehmung der einzelnen Schüler verändert? Sprecht über erfüllte und unerfüllte Erwartungen, veränderte Einstellung zur Thematik und den Einfluss der Spielweise auf die Wahrnehmung von Problemen. Nachbereitung des Theaterbesuchs Was habe ich gesehen - Fragenkatalog zur Reflexion des Stückes Wie sah das Bühnenbild aus? Was konnte das Bühnenbild über die Atmosphäre der Inszenierung verraten? Sind die Kostüme zeitgenössisch, den Figuren angepasst? Wie sieht die Ausgangssituation des Stückes aus? Wurden die Figuren immer vom selben Schauspieler gespielt? Sind die Schauspieler auch aus der Figur ausgebrochen? Haben sich die Schauspieler direkt an die Zuschauer gewandt? Hatten die Schauspieler selbst Spaß an der Geschichte? Wie wurde Musik eingesetzt? Wurde mit ihr gespielt, wurde sie live gemacht, hat sie zum Fortgang der Handlung beigetragen oder hat sie „nur“ Atmosphäre erzeugt? Wie wurde mit Konflikten umgegangen? Konntet Ihr der Geschichte gut folgen? War der Schluss offen, so dass Ihr selbst noch nachdenken musstet, oder hat er alle Fragen beantwortet? Lieblingsmomente Jeder findet zu seinem Lieblingsmoment im Stück eine Bewegung und ein Geräusch, ein Wort oder einen Satz – je einfacher und klarer, desto besser. Die anderen raten, welcher Moment dargestellt wurde. Wenn jeder seinen speziellen Moment gefunden hat, kann man je 5 Spieler auf die Bühne bitten und gemeinsam mit allen die Momente in die richtige Reihenfolge bringen. Mit diesem Spiel wird das Theaterstück wieder lebendig und die ganze Gruppe erinnert sich. Du musst fliehen – was muss unbedingt in Deinen Koffer? Meistens können Menschen die aus einem Land fliehen nur sehr wenig Gepäck mitnehmen. Wenn Ihr nur einen Gegenstand mitnehmen dürftet, welcher wäre das? Etwas Persönliches wie ein Kuscheltier oder ein Foto? Oder etwas Nützliches wie einen Pullover? Findet in dem Spiel „Ich packe meinen Koffer“ heraus, was für Eure Mitschüler wichtig ist. 19 Ende gut, alles gut!?! Das Stück hat ein offenes Ende. Wie könnte die Geschichte weitergehen? Hilft Melle Dede „unterzutauchen“, damit die Polizei ihn nicht finden kann? Gehen Melle, Benedicta und Dede zusammen in eine andere Stadt / ein anderes Land? Bekommen Dede, Benedicta und Ama schließlich doch noch einen deutschen Pass? Schreibt das Stück weiter! Wenn Ihr damit fertig seit, verteilt die Rollen und spielt die Szenen in kleinen Gruppen dem Rest der Klasse vor. Wie finden die anderen den Fortgang / das Ende Eurer Geschichte? Fächerübergreifendes Arbeiten: Kunst Unterrichtsempfehlung Kunst Melle spielt die Flucht von Dedes Eltern durch die Wüste mit Püppchen aus Socken und Strumpfhosen nach, während er sie erzählt. Lassen sie ihre Schüler Figuren aus Altkleidern entwerfen. Was wird aus einem Pulloverärmel und zwei Handschuhen? Ein Schnürstiefel wird bei uns zum LKW. Was entsteht aus einem Schlittschuh, was aus einer Kindersandale? Welche Typen, Tiere und Fabelwesen entstehen? Was sind ihre Geschichten? Wenn Sie möchten, können sie natürlich auch alle Figuren aus dem Stück als Puppen nachbauen und die Kinder ihre Lieblingsszenen nachspielen lassen. Oder schaffen sie es vielleicht sogar, das ganze Stück nachzuspielen? 20 Die Darsteller Melle / Judith Goldberg Judith Goldberg schloss ihre Ausbildung zur Schauspielerin am Hamburger Schauspielstudio Frese im Jahre 2011 ab. Nach ihrer Ausbildung war sie bereits als Gast u.a. am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, am Maxim Gorki Theater Berlin, am Thalia Theater Hamburg, auf Kampnagel Hamburg, am Theater Phönix Linz und am Theater für Niedersachsen Hildesheim. Diese Spielzeit ist sie zum ersten Mal als Gast an der Landesbühne Niedersachsen Nord. Was bedeutet „Heimat“ für Dich? Familie und Kultur Wo kommt deine Familie ursprünglich her? Ukraine, Polen, Tschechien Was gefällt dir an Deutschland, was nicht? Demokratie, die vielen Theater, Dichter und Denker, Berlin, offener oder unterschwelliger Antisemitismus gefällt mir aber überhaupt nicht! Was denkst du über deutsche/eruopäische Flüchtlingspolitik? unfair, komplex, undurchsichtig, angstbeladen, klischeebehaftet Was ist dein Wunsch für die Zukunft? Der bleibt geheim! Dede / Vasilios Zavrakis Vasilios Zavrakis wurde in Hamburg geboren und studierte von 2003 bis 2006 am Hamburger Schauspielstudio Frese. Er spielte unter anderem am Theater Lübeck, Theater Bremen und am Oldenburgischen Staatstheater. Zudem ist er seit 2010 mit seinem Soloprogramm „Ouzo for One“ unterwegs. Seine erste Rolle an der Landesbühne Niedersachsen Nord hatte er als „Maik“ in TSCHICK. Zur Zeit ist er in mehreren Rollen in BLUES BROTHERS zu sehen. Was bedeutet „Heimat“ für Dich? Heimat ist der Ort, an dem die Menschen sind, die mich lieben, die ich liebe, wo ich sie kennengelernt habe, wo ich sie wiedersehe. Der Ort, an dem ich willkommen bin, der Ort, an dem ich etwas von mir gelassen habe. Wo kommt Deine Familie ursprünglich her? Mutter Deutsch, Vater Grieche, alles davor aus ganz Europa. Was gefällt Dir an Deutschland, was nicht? Sprengt den Rahmen (positiv). 21 Informationen zu Autor, Regie und Ausstattung Autor Michael Müller Michael Müller wurde in Lübeck geboren. Er absolvierte zunächst ein Kunst- und Politikstudium an der Universität Hildesheim, sowie anschließend den Aufbaustudiengang Theaterpädagogik in Remscheid. Ab 1991 war er als Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Bildung am Deutschen Schauspielhaus Hamburg tätig bevor er 2000 unter Intendant Tom Stromberg Dramaturg für Junges Theater wurde. Zurzeit ist Michael Müller als Dramaturg/Autor und Leiter der Theaterpädagogik am Schauspielhaus in Hamburg tätig. Für ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT erhielt er 2011 den Mülheimer Theaterpreis für Kinderstücke. Regie Brit Bartkowiak Brit Bartkowiak studierte zunächst Theaterwissenschaften und Germanistik in Mainz bevor sie 2006 mit dem Studium der Schauspielregie in Hamburg begann. Von 2009 bis 2013 war sie Regieassistentin am Deutschen Theater Berlin unter anderem bei Dimiter Gotscheff, Nicolas Stemann und Stephan Kimmig. Bereits während ihrer Assistenz führte sie bei mehreren Produktionen am Deutschen Theater Berlin und am Düsseldorfer Schauspielhaus Regie. Seit 2013 arbeitet sie als freie Regisseurin unter anderem am Deutschen Theater Berlin, am Staatstheater Oldenburg und in Hannover. Mit ihrer Uraufführungsinszenierung für das Deutsche Theater Berlin des Stückes „Muttersprache Mameloschn“ von Mariana Salzmann gewann sie den Publikumspreis der „Stücke 2013“ bei den Mülheimer Theatertagen. Für diese Inszenierung wurde sie außerdem in der Kritikerumfrage 2013 der Zeitschrift THEATER HEUTE zur zweitplatzierten Nachwuchsregisseurin des Jahres gewählt. Ausstattung Nikolaus Frinke Nach einer Ausbildung zum Tischler studierte Nikolaus Frinke Bühnenund Kostümbild an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Seit Sommer 2011 ist er selbstständig als Bühnen- und Kostümbildner tätig. Er arbeitete u.a. am Deutschen Theater Berlin, Düsseldorfer Schauspielhaus, Hans-Otto-Theater Potsdam, Theater Augsburg und am Theater Baden Baden. Mit Brit Bartkowiak verbindet ihn eine längere Zusammenarbeit. Für das Stück „Muttersprache Mameloschn“ von Marianna Salzmann entwarf er das Bühnenbild. 22 Literaturempfehlungen Beatrix Schippenkoetter: Ich wäre gern ein Huhn – Was Kinder aus aller Welt erleben und sich erträumen. Campus Verlag Frankfurt / New York, 2006. Sabine Christiansen, Janosch (Hg.): Gibt es hitzefrei in Afrika? – So leben die Kinder dieser Welt. Wilhelm Heyne Verlag München, 2006. Jana Frey: Mit Salome sind wir komplett.Verlag Carl Ueberreuter Wien, 2012. Filmempfehlung Frieder Schlaich: Weil ich schöner bin. Filmgalerie 451 Produktion und Verleih Berlin, 2012. Film nach der wahren Geschichte eines kolumbianischen Mädchens, das in Deutschland aufgewachsen ist, der eindringlich schildert, wie es ist, als Teenie in Berlin illegal zu leben. Buchungsinformationen und Kontakte ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT von Michael Müller Premiere: Dienstag, 4. Februar 2014 / 11 Uhr / Studio Rheinstr. 91 Wilhelmshaven ProbeGucken: Donnerstag, 30. Januar 2014 / 19 Uhr / Studio Rheinstr. 91 WHV Im Anschluss besteht die Möglichkeit, mit dem Regieteam zu sprechen. Bitte melden Sie sich an unter Tel. 04421.9401-34 oder [email protected]. Wir kommen mit dem Stück auch zu Ihnen in Ihre Institution! Wenden Sie sich dafür und für Gruppenbuchungen an unsere Disponentin Heike Thies unter Tel. 04421.9401-27 oder [email protected]. Wir spielen ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT bis zum 14. März 2014 Pro Schüler kostet eine Karte 5,10 €. Lehrkräfte und Aufsichtspersonen haben freien Eintritt. Achtung! Frühbucherrabatt: Buchen Sie vor der Premiere, kostet eine Karte nur 2,50 €. Für alle inhaltlichen Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung: Britta Hollmann Dramaturgin Junge Landesbühne Tel. 04421.9401-34 [email protected] 23 Extra Ein Tag in Paolas Leben Paola Aguilar Moreno ist gebürtige Kolumbianerin und kam vor drei Jahren mit ihrer Tochter nach Deutschland, da ihr Bruder einen Artikel gegen eine feindliche Rebellengruppe verfasste und diese Rebellen nun ihn und seinen Familie bedrohen und verfolgen. Seitdem hat sie bereits drei Asylanträge in Deutschland gestellt, doch da Kolumbien als sicheres Land eingestuft wird, wurden diese allesamt abgelehnt. Nun hofft sie darauf, dass die Härtefallkommission zu ihren Gunsten entscheidet. Im Rahmen ihres Praktikums an der Jungen Landesbühne begleitet sie das Stück „Über die Grenze ist es nur ein Schritt“ und berichtet, wie ein typischer Tag in ihrem Leben aussieht: „Heute habe ich ein gutes Gefühl. Normalerweise sind die Morgende schwer für mich. An drei oder vier Tagen in der Woche fühle ich mich depressiv. Ich denke nicht, aber die Fragen sind immer da: „Wann bin ich wirklich frei?“ Aber ich weiß, ich muss Gott danken. Ich bin sehr glücklich… Ich habe viele Geschenke und meine Tochter ist das wertvollste. Ich stehe um 7.00 Uhr auf. Wie jeden Tag wecke ich meine Tochter Karla mit einem Kuss. Wir frühstücken zusammen und dann zieht sie sich an. Dann fahren wir mit dem Fahrrad zu ihrer Schule. Wieder zu Hause, dusche ich mich, räume ein wenig meine Wohnung auf und ziehe mich an. Ich nehme den Bus zum Zentrum. Heute ist Mittwoch, da mache ich manchmal Zumba. Danach gehe ich in die Stadtbibliothek und lerne Deutsch. Um 13.00 Uhr muss ich Karlita abholen. Sie hat heute Ballett… wir müssen alles schnell machen, weil der Ballettunterricht um 14:00 Uhr ist. (Etwas essen, anziehen, Bus nehmen…). Wir laufen weiter zum Stadtzentrum und nehmen den Bus. Zu Hause essen wir und dann helfe ich Karla mit den Hausaufgaben. Um 19:00 Uhr duscht sich Karlita. Ich koche und spreche mit meinen Eltern über Skype. Meistens essen Karla und ich das Abendessen mit Oma und Opa gemeinsam über Skype. Vor dem Schlafengehen beten wir und lesen eine Geschichte. Wenn meine Tochter schläfrig ist, schreibe oder lese ich. Manchmal lerne ich Deutsch oder sehe Fern. Ich gehe um zehn Uhr zu Bett, aber normalerweise schlafe ich erst später ein. 24 Fragebogen zu ÜBER DIE GRENZE IST ES NUR EIN SCHRITT Wir haben verschiedenen Menschen aus anderen Ländern folgenden Fragebogen vorgelegt: - Was bedeutet „Heimat“ für Dich? - Wo kommt Deine Familie ursprünglich her? - Was gefällt Dir an Deutschland, was nicht? - Was denkst Du über die deutsche/ europäische Flüchtlingspolitik? - Welche Klischees gibt es über Deutsche/ welche über Ausländer? - Was ist Dein Wunsch für die Zukunft? Untenstehend finden Sie die Ergebnisse. Vergleichen Sie mit ihren Schülern die verschiedenen Antworten miteinander. Welche sind ähnlich, welche unterscheiden sich? Lassen Sie Ihre Schüler die Fragen beantworten. Gibt es Gemeinsamkeiten/Unterschiede? *Name: Maritza *Alter: 31 Jahre *Beruf: Kommunikationswissenschaftlerin *Geburtsort: Santiago de Chile, Chile. *Staatsangehörigkeit: Chilenin *Wie lange lebst Du in Deutschland?: Ich lebe schon 3 Jahre hier in Deutschland. *Lebst Du allein oder mit Familie in Deutschland?: Ich wohne in Berlin mit meinem deutschen Mann. Fragen zum Thema „Flucht und Heimat“ 1. Was bedeutet „Heimat“ für Dich? Heimat bedeutet für mich mein Haus, meine Familie und meine Freunde 2. Wo kommt Deine Familie ursprünglich her? Meine Familie kommt aus Chile, England und Spanien 3. Was gefällt Dir an Deutschland, was nicht? Mir gefällt die deutsche Pünktlichkeit, die Gesundheit, das Bildungssystem und die Sicherheit. Mir gefällt nicht die Unfreundlichkeit, die Distanziertheit, die Bürokratie und das Wetter. 4. Was denkst Du über die deutsche/europäische Flüchtlingspolitik? Ich finde, dass es in Deutschland sehr viel Hilfe für Ausländer gibt und großes Interesse, die Flüchtlingspolitik zu verbessern. 5. Welche Klischees gibt es über Deutsche/welche über Ausländer? Dass die Deutschen aggressiv, rassistisch und intolerant gegenüber Ausländern sind. 6. Was ist Dein Wunsch für die Zukunft? Ich würde gerne einen guten Arbeitsplatz in meinem Bereich finden und mein Deutsch verbessern. 25 *Name: Rosa *Alter: 37 Jahre *Beruf: Kosmetikerin *Geburtsort: Bogotá, Colombia *Staatsangehörigkeit: Kolumbianerin *Wie lange lebst Du in Deutschland? Ich lebe schon 2 Jahre hier in Deutschland. *Lebst Du allein oder mit Familie in Deutschland? Ich wohne in Köln mit meinem deutschen Mann. Fragen zum Thema „Flucht und Heimat“ 1. Was bedeutet „Heimat“ für Dich? Heimat bedeutet für mich, wo mein Herz glücklich ist. Es bedeutet auch zu Hause. 2. Wo kommt Deine Familie ursprünglich her? Meine Familie ist ursprünglich aus Kolumbien. 3. Was gefällt Dir an Deutschland, was nicht? Mir gefällt an Deutschland die Sicherheit, die Infrastruktur, die Sauberkeit, die Möglichkeit zu studieren und besser zu sein. Ich mag nicht die Kälte der Menschen. 4. Was denkst Du über die deutsche/europäische Flüchtlingspolitik? Ich denke über die deutsche/ europäische Flüchtlingspolitik, dass sie wichtig ist, weil viele Menschen die Hilfe brauchen. 5. Welche Klischees gibt es über Deutsche/welche über Ausländer? Man sagt, die Deutschen sind intelligent, steif, pünktlich und ein bisschen kaltherzig. Über Muslime sagt man, sie seien böse und opfern sich für ihre Religion. Die Franzosen baden in Parfüm und Latinos sind warmherzig und feiern viel. 6. Was ist Dein Wunsch für die Zukunft? Ich will beruflich unabhängig werden und mich selbstständig machen. Auch möchte ich mit meiner eigenen Familie in Liebe und Harmonie leben, dass wir gesund sind und genug Geld haben, um zu reisen. *Name: Diana *Alter: 31 Jahre *Beruf: Zahnärztin *Geburtsort: Palmira, Kolumbien *Staatsangehörigkeit: kolumbianisch *Wie lange lebst Du in Deutschland?: Ich lebe schon 2 Jahre hier in Deutschland. *Lebst Du allein oder mit Familie in Deutschland?: Ich lebe hier mit meiner Familie bzw. mit meinem Mann und meinen Kindern. Fragen zum Thema „Flucht und Heimat“ 1. Was bedeutet „Heimat“ für Dich? Heimat ist für mich vieles mehr als nur ein Ort. Heimat ist die Familie, die Freundschaft, die Kultur, die Traditionen, die Geräusche, die Gerüche, die Geschmäcker und vieles mehr, woran man sehnsüchtig denkt. 2. Wo kommt Deine Familie ursprünglich her? Meine Familie kommt ursprünglich aus Kolumbien. 3. Was gefällt Dir an Deutschland, was nicht? An Deutschland gefallen mir unter anderem die Sicherheit, die Ordnung, die Architektur, die öffentlichen Verkehrsmittel, die Pünktlichkeit (obwohl ich mich noch nicht daran gewöhnt habe), die Durchsetzung der Gesetze. An Deutschland gefällt mir überhaupt nicht das Wetter!! 26 4. Was denkst Du über die deutsche/europäische Flüchtlingspolitik? Ich finde ganz gut die finanzielle Hilfe, die von Deutschland geleistet wird. Allerdings ist unserer Status immer noch ein groβes Problem. Als Asylbewerber haben wir kein Anrecht Deutsch zu lernen. Außerdem dürfen wir nicht arbeiten. Darüber hinaus ist es auch schwierig, einen Antrag zu bearbeiten oder andere Dokumente abzuwickeln. 5. Welche Klischees gibt es über Deutsche/welche über Ausländer? Klischees über Deutsche: Bier-trinkende und Wurst-essende Menschen, sehr streng, humorlos, schlecht gelaunt und andere. 6. Was ist Dein Wunsch für die Zukunft? Ich wünsche mir für die Zukunft, mit meiner Familie hier in Deutschland bleiben zu dürfen, als Zahnärztin (mein Beruf) arbeiten zu können und dass meine Kinder eine gute Bildung bekommen können. *Name: Jorge Bravo *Alter: 49 *Beruf: Customer service *Geburtsort: New York, USA *Staatsangehörigkeit: USA *Wie lange lebst Du in Deutschland: Ich lebe seit 6 Monaten in Deutschland. *Lebst Du allein oder mit Familie in Deutschland?: Ich lebe hier mit meiner Frau. Fragen zum Thema „Flucht und Heimat“ 1. Was bedeutet „Heimat“ für Dich? Es gibt ein Sprichwort, das besagt „zu Hause ist, wo mein Herz ist” – die eine Hälfte meines Herzens ist in Kolumbien, die andere in den USA. 2. Wo kommt Deine Familie ursprünglich her? Meine Familie kommt aus Kolumbien. 3. Was gefällt Dir an Deutschland, was nicht? Ich mag das Sozialsystem, das Gesundheitssystem ist ebenfalls sehr gut. Die Urlaubsregelungen für Angestellte sind hervorragend. Ich mag das Bildungssystem nicht, meiner Meinung nach werden die Schüler in zu viele Einzelgruppen aufgeteilt. Ich mag es nicht, dass in Deutschland nicht so multikulturell ist und den deutlich präsenten Rassismus. Ich habe den Eindruck, die Regierung möchte daran nicht wirklich etwas ändern. 4. Was denkst Du über die deutsche/europäische Flüchtlingspolitik? Ich weiß zu wenig über die deutsche Flüchtlingspolitik, um dazu meine Meinung zu äußern. 5. Welche Klischees gibt es über Deutsche/welche über Ausländer? Wenn ich erzähle, dass ich in Deutschland lebe, erwähnen alle immer sofort Hitler und Rassismus. Weit verbreitet ist auch das Stereotyp, dass Deutsche immer so laut und bestimmend sprechen. Man sagt auch, dass Deutsche genau sind bis zur völligen Übertreibung. Andere Klischees sind, dass Deutsche zu viel trinken, die Frauen schlecht gekleidet sind und sie sich nicht gerne duschen. Weil ich die deutsche Sprache nicht verstehe, kenne ich ihre Klischeevorstellungen über Ausländer nicht. Ich habe nur mitbekommen, dass sie Ausländer oft als Türken bezeichnen, ohne ihre Herkunft zu kennen, vielleicht aus Ignoranz oder aus Rassismus. 6. Was ist Dein Wunsch für die Zukunft? Mein Zukunftswunsch ist es, die Sprache zu lernen und 15 Jahre in Deutschland zu arbeiten, um Rentenanspruch zu haben und mich dann in den USA und Kolumbien zur Ruhe zu setzen. 27