Das Versäumnisurteil

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Das Versäumnisurteil
DOI 10.1515/jura-2014-0021
Juristische Ausbildung 2014(2): 196–202
Repetitorium ZR
Prof. Dr. Klaus Schreiber
Das Versäumnisurteil
Klaus Schreiber: Der Autor ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches
Recht, Zivilprozessrecht und Arbeitsrecht an der Ruhr-Universität
Bochum und Mitherausgeber dieser Zeitschrift.
Der Beitrag befasst sich nach einer Einführung (I.) mit den
Voraussetzungen des Versäumnisurteils gegen Beklagten
und Kläger (II.-III.), dem Rechtsbehelf gegen ein Versäumnisurteil, dem Einspruch (IV.), und den Besonderheiten eines zweiten Versäumnisurteils (V.).
I. Einführung
Im Zivilprozess gilt der Dispositionsgrundsatz. Danach haben die Parteien es selbst in der Hand zu entscheiden, ob
und in welchem Umfang ein Prozess geführt wird. Ein Prozess beginnt also nur auf Parteiinitiative hin. »Wo kein
Kläger, da kein Richter«1. Der Dispositionsgrundsatz findet
sich in § 308 ZPO, wonach das Gericht nicht befugt ist,
»einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt
ist«. Die Parteien bestimmen danach mit ihren Anträgen
den Umfang der Entscheidungsbefugnis des Richters. Das
ist auch sinnvoll, denn wenn zwischen den Parteien kein
Klärungsbedarf mehr besteht und der Streit um ein Recht
beigelegt ist, bedarf es keiner richterlichen Entscheidung
mehr. Wenn die Parteien eigenständig eine Lösung gefunden haben, können sie daher im Rahmen eines laufenden
Prozesses die Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklären (§ 91 a ZPO), einen Prozessvergleich schließen
(§ 794 Abs. 1 S. 1, Nr. 1 ZPO) oder der Kläger kann die Klage
gem. § 269 ZPO zurücknehmen2. Der Dispositionsgrundsatz hat also den Vorteil, dass er die Entscheidungsmacht
über Beginn, Umfang und Ende des Rechtsstreites bei den
Parteien belässt3.
Gem. § 128 Abs. 1 ZPO verhandeln die Parteien über
den Rechtsstreit mündlich vor dem erkennenden Gericht.
Es wird nur das Entscheidungsgrundlage, was mündlich
 
vorgetragen wurde4. Was geschieht aber nun, wenn eine
Partei in der mündlichen Verhandlung nicht erscheint?
Zum Erscheinen und Stellen der Anträge kann man die
Partei nicht zwingen, schließlich steht es ihr nach dem
Dispositionsgrundsatz frei, ob und wie sie an dem Rechtsstreit mitwirkt. Einen unmittelbaren Zwang, an dem
Rechtsstreit mitzuwirken, gibt es in der ZPO nicht5. Das
ist der Nachteil des Dispositionsgrundsatzes. Damit das
Verfahren bei Nichterscheinen einer Partei aber nicht
zum Stillstand kommt, gibt es das sog. Versäumnisverfahren, an dessen Ende das Versäumnisurteil steht. Das
Versäumnisurteil ist jedes Urteil, das (unter bestimmten
Voraussetzungen) gegen die im Prozess fehlende, die säumige Partei aufgrund der Säumnis ergeht6. Wenn für die
erschienene Partei alles gut verlaufen ist, spricht das Versäumnisurteil ihr das streitige Recht zu. Aus diesem Urteil
kann bereits gem. § 708 Nr. 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckt werden. Das Versäumnisurteil
ist nämlich ein vollwertiges Urteil7, für das nur besondere
Regeln gelten. Es erzwingt mittelbar die Mitwirkung der
Parteien am Verfahren, insbesondere das mündliche Verhandeln vor dem Gericht8. Ein Versäumnisurteil ist daher
für den Verurteilten nachteilig. Abgesehen von der Möglichkeit, aus einem Versäumnisurteil vorläufig gegen den
Verurteilten ohne Erbringung einer Sicherheitsleistung
vollstrecken zu können, trägt die säumige Partei gem.
§ 344 ZPO die Kosten, die durch die Säumnis entstanden
sind. Das sind aber gerade nicht die Gerichtskosten oder
die Terminsgebühr des anwesenden Anwalts. Die Kosten
der Säumnis sind vielmehr lediglich die Mehrkosten, die
entstanden sind, weil aufgrund der Versäumnis ein weiterer Termin stattfinden muss9, z. B. die Kosten für eine
erneute Zeugenladung und deren Verdienstausfall10. In
 
4 BGH NJW-RR 1990, 1150, 1151; NJW 1997, 397, 398; Thomas/Putzo/
Reichold, ZPO, 34. Auflage 2013, § 128 ZPO Rdn. 6.
5 Schreiber, JURA 2000, 276; Zeiss/Schreiber, Rdn. 195, 621.
6 RGZ 50, 384, 387 f.; BGH VersR 1974, 1099; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Auflage 2010, § 105 Rdn. 3.
7 Vgl. BGH VersR 1974, 1099.
8 Zeiss/Schreiber, Rdn. 621.
9 Hk-ZPO/Pukall, 5. Auflage 2013, § 344 Rdn. 3.
10 MünchKomm-ZPO/Prütting, Band 1, 4. Auflage 2013, § 344 Rdn. 13.
 
 
 
1 Schreiber, JURA 1988, 190; Zeiss/Schreiber, Zivilprozessrecht,
11. Auflage 2009, Rdn. 169.
2 Schreiber, JURA 1988, 190, 191 ff.; ders., JURA 2000, 276.
3 Schreiber, JURA 1988, 190, 191–197.
 
 
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der Praxis ist die Bedeutung der Vorschrift des § 344 ZPO
daher gering11.
Ist erst einmal ein Versäumnisurteil gegen die säumige Partei ergangen, gilt es, folgende Besonderheiten zu
beachten: Gegen ein sog. erstes, echtes Versäumnisurteil
kann gem. §§ 514 Abs. 1, 565 ZPO keine Berufung oder
Revision eingelegt werden. Der richtige Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil ist der Einspruch gem. § 338 ZPO.
Die Zwei-Wochen-Frist für die Einlegung des Einspruchs
(§ 339 ZPO) ist eine Notfrist, d. h. sie kann nicht verlängert
werden (§ 224 Abs. 2 ZPO)12. Wird diese Frist nicht eingehalten und besteht keine Möglichkeit, gem. § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist zu erlangen, kann gegen das
Versäumnisurteil nicht mehr vorgegangen werden. Es erwächst in formelle (§ 705 ZPO) und materielle Rechtskraft
(§ 322 ZPO)13.
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1)
Terminsanberaumung (oder Fristsetzung nach § 276
Abs. 1 S. 1 ZPO)
2) Säumnis (oder Verstreichenlassen der Notfrist des
§ 276 Abs. 1 S. 1 ZPO)
3) Vorliegen allgemeiner Prozessvoraussetzungen
4) Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils
5) Kein Fall der Unzulässigkeit gem. §§ 335 Abs. 1 Nr. 1–5,
337 ZPO
6) Schlüssigkeit der Klage.
 
II. Die Voraussetzungen des
Versäumnisurteils gegen den
Beklagten
Beispiel 1: A klagt gegen B auf Zahlung von 10.000,– € aus
einem Bürgschaftsvertrag. Er trägt alle Tatsachen vor, die seinen
Anspruch begründen: das Zustandekommen des Bürgschaftsvertrages und den Umstand, dass B Kaufmann sei, sodass der Bürgschaftsvertrag nicht dem Formzwang aus § 766 BGB unterliege,
sondern gem. § 350 HGB für B als Bürgen formlos wirksam
geworden sei. B bestreitet seine Eigenschaft als Kaufmann in der
Klageerwiderung (mit der Folge, dass der Bürgschaftsvertrag
gem. §§ 766, 125 BGB formnichtig wäre). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erscheint nur der anwaltlich vertretene Kläger A. Er beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils.
 
Für den Erlass eines Versäumnisurteils (kurz: VU) gegen
den Beklagten müssen gem. §§ 330, 331, 335, 337 ZPO
folgende Voraussetzungen gegeben sein14:
11 Hk-ZPO/Pukall, § 344 Rdn. 1. Lediglich hinsichtlich der Tenorierung im Falle der Aufhebung eines Versäumnisurteils nach erfolgreichem Einspruch erlangt sie Bedeutung und stellt einen der wenigen Fälle der Kostentrennung bei der Kostenentscheidung im Urteil
dar (MünchKomm-ZPO/Prütting, Band 1, § 344 Rdn. 1).
12 Thomas/Putzo/Hüßtege, § 224 ZPO Rdn. 5.
13 BGH NJW 2003, 1044 f.; Musielak/Stadler, ZPO, 10. Auflage 2013,
Vorbem. zu §§ 330–347 Rdn. 13.
14 Stadler/Jarsumbek, JuS 2006, 34, 35 f.; Zeiss/Schreiber, Rdn. 622–
626, 628 f.
 
 
 
 
1) Die für ein Versäumnisurteil erforderliche Säumnis muss
nicht zwangsläufig in dem ersten Termin zur mündlichen
Verhandlung vorliegen15. Verhandlungstermine sind gem.
§ 332 ZPO nämlich auch die Termine, auf welche die mündliche Verhandlung vertagt ist.
2) Eine Partei ist säumig, wenn sie nach Aufruf der
Sache am angekündigten Termin nicht erscheint (§§ 330,
331 Abs. 1 ZPO) oder zwar erscheint, aber nicht verhandelt
(§ 333 ZPO). Als nicht erschienen gilt auch die Partei, die
zwar Anträge stellt, aber ohne Anwalt auftritt, obwohl
dieser gem. § 78 ZPO zwingend erforderlich war16. Die
mündliche Verhandlung beginnt gem. § 137 ZPO durch
Stellung der Anträge. Wer zwar anwesend ist, aber keinen
(streitgegenstandsbezogenen) Antrag stellt, ist also ebenfalls säumig, weil er nicht verhandelt17. Bei einem lediglich
unvollständigen Verhandeln einer Partei handelt es sich
hingegen nicht um einen Fall der Säumnis (§ 334 ZPO). Ein
Nichtverhandeln des Beklagten ist demnach nur die vollständige Verweigerung der Einlassung zur Sache18.
Im Beispiel 1 besteht gem. §§ 23 Nr. 1, 71 GVG i. V. m.
§ 78 ZPO streitwertbedingt bei der Verhandlung vor dem
Landgericht Anwaltszwang. Würde B ohne Anwalt erscheinen, würde er gem. § 333 ZPO als säumig gelten.
Alternativ zu der Säumnis im Termin kann ein Versäumnisurteil gem. § 331 Abs. 3, 276 Abs. 1 ZPO auch im
schriftlichen Vorverfahren, nämlich dann ergehen, wenn
der Beklagte nach Eingang der Klage seine Verteidigungsbereitschaft nicht innerhalb der Notfrist von zwei Wochen
bei Gericht anzeigt.
3) Damit ein Versäumnisurteil ergehen kann, müssen
die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen.
4) Da das Gericht ohne Antrag der erschienenen Partei
nicht tätig wird, ist der Erlass eines Versäumnisurteils
davon abhängig, dass die erschienene Partei dies beantragt (vgl. §§ 330, 331 ZPO). Ergeht das Versäumnisurteil
 
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16
17
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Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 105 Rdn. 9.
Zeiss/Schreiber, Rdn. 623.
Stadler/Jarsumbek, JuS 2006, 34, 35.
Stadler/Jarsumbek, JuS 2006, 34, 35.
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Repetitorium ZR – Klaus Schreiber: Das Versäumnisurteil
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im schriftlichen Vorverfahren, kann der Antrag gem. § 331
Abs. 3 S. 2 ZPO bereits in der Klageschrift gestellt werden.
5) Weiterhin darf das Versäumnisurteil nicht unzulässig sein. Liegt einer der fünf Fälle des § 335 Abs. 1 ZPO vor,
ist der Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils zurückzuweisen19:
a) Wenn die erschienene Partei den vom Gericht geforderten Nachweis einer Prozessvoraussetzung nicht erbringt (§ 335 Abs. 1 Nr. 1). Steht der Mangel der Prozessvoraussetzung allerdings endgültig fest, so wird
nicht der Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils
zurückgewiesen, sondern die Klage als unzulässig abgewiesen.
b) Wenn die säumige Partei nicht ordnungsgemäß oder
nicht rechtzeitig geladen war (§ 335 Abs. 1 Nr. 2). Ob
die Ladung ordnungsgemäß war, bestimmt sich nach
§§ 214 ff., 166 ff. ZPO. Einige verstehen § 335 Abs. 1
Nr. 2 ZPO als einen Ausschlussgrund für das Vorliegen
der Säumnis: Wer bei nicht rechtzeitiger Ladung nicht
erscheint, sei nicht säumig20.
c) Wenn der säumigen Partei ein Vortrag der Gegenseite
schriftsätzlich nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt war (§ 335 Abs. 1 Nr. 3). Es soll nur über den
Prozessstoff entschieden werden, von dem die andere
Seite Kenntnis nehmen konnte. Neue Tatsachen sind
gem. § 132 Abs. 1 ZPO bei einer Zustellung mindestens
eine Woche vor der mündlichen Verhandlung rechtzeitig mitgeteilt.
d) Wenn dem Beklagten im Falle eines schriftlichen Vorverfahrens die Notfrist zur Verteidigungsanzeige des
§ 276 Abs. 1 ZPO nicht mitgeteilt oder er gem. § 276
Abs. 2 ZPO nicht über die Folgen der Fristversäumnis
belehrt worden ist (§ 335 Abs. Nr. 4).
e) Wenn der Bevollmächtigte zur Vertretung der Partei
gem. § 79 Abs. 2 ZPO nicht befugt war und das Gericht
ihn gem. § 79 Abs. 3 ZPO (verspätet) erst im Termin
zurückweist (§ 335 Abs. 1 Nr. 5).
 
 
Außerdem ist die Verhandlung über den Antrag auf Erlass
eines Versäumnisurteils gem. § 337 ZPO von Amts wegen
zu vertagen, wenn das Gericht annimmt, dass die Einlassungs- oder Ladungsfrist zu kurz bemessen oder die Person ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist.
Fehlendes Verschulden der Partei oder (wegen der Zurechnung des Verschuldens gem. § 85 Abs. 2 ZPO) ihres Prozessbevollmächtigten ist also ein Vertagungsgrund21. Ob
19 Hk-ZPO/Pukall, § 335 Rdn. 1; Zeiss/Schreiber, Rdn. 626.
20 So z. B. Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht, 30. Auflage 2011, § 66
Rdn. 5, 26.
21 MünchKomm-ZPO/Prütting, § 337 Rdn. 1, 5.
 
 
Verschulden vorliegt, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls. Für die Bewertung des Verschuldens gilt derselbe
Maßstab wie bei § 233 ZPO22. In der Regel liegt ein Verschulden z. B. nicht bei Verhinderung wegen Krankheit,
Unglücksfällen, Urlaub, Haft oder erheblicher unvorhersehbarer Verkehrsbehinderung23 vor. Allerdings müssen in
solchen Fällen stets alle erforderlichen und zumutbaren
Maßnahmen ergriffen werden, um das Gericht rechtzeitig
von der Verhinderung zu unterrichten24. Der Entschuldigungsgrund muss dem Gericht substantiiert dargelegt werden oder offenkundig sein. Andernfalls ist es dem Gericht
gem. § 337 ZPO nicht möglich, die Verhandlung zu vertagen. Ein Prozessbevollmächtigter muss hinsichtlich
möglicher unvorhersehbarer Verkehrsprobleme (Unfall,
Stau, etc.) keine Reservezeit einplanen25.
6) Gem. § 331 Abs. 1 ZPO ist bei der Säumnis des Beklagten »das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen.« Dies entspricht der
Wirkung eines Geständnisses des Beklagten i. S. d. § 288
ZPO. Hierdurch wird der Tatsachenvortrag des Klägers unstreitig gestellt.
 
 
 
Im Beispiel 1 würde der Richter die von A vorgebrachten Tatsachen, die die Kaufmannseigenschaft des B ergeben, als zugestandene, unstreitige Tatsachen dem Urteil zugrunde legen.
Auf der Basis des gesamten Tatsachenvortrages des Klägers überprüft der Richter abschließend die Schlüssigkeit
der Klage. Denn dem Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils wird gem. § 331 Abs. 2 ZPO nur stattgeben, soweit
der Klageantrag dies rechtfertigt. Wenn der Klägervortrag
schlüssig ist, wird der Klage durch ein sog. echtes Versäumnisurteil (Sachurteil) stattgegeben.
Im Beispiel 1 gilt B wegen der Geständniswirkung als Kaufmann,
sodass der Bürgschaftsvertrag gem. § 350 HGB formlos wirksam
geworden ist. A steht somit ein Anspruch auf Zahlung der Bürgschaft gem. § 765 BGB i. H. v. 10.000,– € zu. Seine Klage ist zulässig und schlüssig. Ein Fall von §§ 335, 337 ZPO liegt nicht vor,
und A hat den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Folglich
wird das Gericht antragsgemäß ein Versäumnisurteil gegen B
erlassen, in dem es B zur Zahlung von 10.000,– € an A verurteilt.
 
 
 
 
Ist die Klage unschlüssig, hat A z. B. nicht alle Tatsachen
vorgetragen, aus denen sich gem. § 1 ff. HGB die Kaufmannseigenschaft des B ergibt, wird die Klage als unbegründet abgewiesen (§ 331 Abs. 2, 2. HS ZPO). Dieses Urteil
 
 
22 BGH NJW 1999, 2120; 2007, 2047; Musielak/Stadler, § 377 Rdn. 3.
23 MünchKomm-ZPO/Prütting, § 337 Rdn. 5.
24 BGH NJW 2007, 2047; 2048; 2009, 687, 688; Musielak/Stadler,
§ 377 Rdn. 6.
25 MünchKomm-ZPO/Prütting, § 337 Rdn. 5.
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Repetitorium ZR – Klaus Schreiber: Das Versäumnisurteil
ist kein Versäumnisurteil, sondern ein »normales« Urteil.
Es ergeht nämlich nicht gegen die säumige Partei wegen
der Säumnis. Fehlt hingegen eine Prozessvoraussetzung
(war A z. B. gar nicht prozessfähig), ist die Klage durch ein
gewöhnliches Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. In
beiden Fällen handelt es sich um ein sog. unechtes Versäumnisurteil, gegen das die Berufung und Revision, nicht
aber der Einspruch statthaft ist26.
 
III. Voraussetzungen des
Versäumnisurteils gegen
den Kläger
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Kläger sind (abgesehen von der
Schlüssigkeitsprüfung der Klage) mit denen eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten identisch. Einziger
Unterschied ist, dass gem. § 330 ZPO bei der Säumnis des
Klägers die Klage ohne Sachprüfung abgewiesen wird. Es
ist gleichgültig, ob die Klage begründet ist oder nicht. Ist
die Klage jedoch unzulässig, weil eine Prozessvoraussetzung fehlt, wird die Klage durch ein Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Da dies nicht wegen der Säumnis
geschieht, handelt es sich wiederum um ein unechtes Versäumnisurteil.
IV. Der Einspruch
Beispiel 2: Wie im Beispiel 1 klagt A gegen B auf Zahlung von
10.000,– € aus dem Bürgschaftsvertrag unter Angabe der Tatsachen, welche die Kaufmannseigenschaft des B begründen. Das
Gericht stellt B die Klage zu und fordert ihn auf, seine Verteidigungsbereitschaft binnen zwei Wochen ab Zustellung anzuzeigen. Nach erfolglosem Fristablauf erlässt das Gericht antragsgemäß gem. § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisurteil gegen B, das
ihm am 1.10.13, dem Anwalt des A am 5.10.13 zugestellt wird.
 
1. Zulässigkeit des Einspruchs
Gegen das erste echte Versäumnisurteil kann durch die
säumige Partei weder Berufung noch Revision eingelegt
werden (§§ 514 Abs. 1, 565 ZPO). Ihr steht gem. § 338 ZPO
der Einspruch zu. Der Einspruch ist kein Rechtsmittel,
sondern ein Rechtsbehelf, weil ihm der sog. Devolutiv-
26 BGH MDR 1986, 998, 999; GRUR-RR 2001, 48; Zeiss/Schreiber,
Rdn. 627.
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effekt fehlt: Das Verfahren bleibt in derselben Instanz
anhängig. Außerdem führt der Einspruch nicht zur Nachprüfung des Versäumnisurteils, sondern lediglich zur
Nachholung der versäumten Verhandlung27. Nach Einlegung des Einspruchs werden also nicht (erneut) die
Voraussetzungen für den Erlass des Versäumnisurteils
geprüft. Gem. § 705 S. 2 ZPO hemmt der Einspruch die
Rechtskraft des Versäumnisurteils, beseitigt aber nicht
das Versäumnisurteil selbst und dessen vorläufige Vollstreckbarkeit28. Auf gesonderten Antrag hin kann jedoch
diese Zwangsvollstreckung einstweilig eingestellt werden
(§ 719 Abs. 1, 707 ZPO). Gem. §§ 346, 515, 516 ZPO kann
auf den Einspruch wirksam verzichtet und er kann zurückgenommen werden. Hat B z. B. auf den Einspruch
verzichtet, kann er nicht mehr gegen das Versäumnisurteil vorgehen.
Der Einspruch muss innerhalb einer Notfrist von zwei
Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils (§ 339 ZPO)
bei dem Prozessgericht (§ 340 Abs. 1 ZPO), also dem Gericht, das das Versäumnisurteil erlassen hat, schriftlich,
mit den erforderlichen Angaben (§ 340 Abs. 2 ZPO), eingelegt werden. Handelt es sich um ein Versäumnisurteil im
Anschluss an eine mündliche Verhandlung gem. §§ 330,
331 Abs. 1 ZPO, beginnt die Einspruchsfrist mit der Zustellung an die säumige Partei, gegen die das Versäumnisurteil erging.
Ist das Versäumnisurteil hingegen im schriftlichen
Vorverfahren gem. § 331 Abs. 3 ZPO gegen den Beklagten
ergangen, ist es gem. § 310 Abs. 3 ZPO beiden Parteien
zuzustellen und die Einspruchsfrist beginnt mit der zeitlich
letzten Zustellung29. Denn bei einem Versäumnisurteil, das
gem. § 331 Abs. 3 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergeht, wird die Urteilsverkündung durch die Zustellung des
Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Für den Fristanlauf ist
demnach die zeitlich letzte Zustellung maßgeblich, unabhängig davon, ob sie auf Kläger- oder Beklagtenseite
erfolgt. Für die Fristberechnung gelten die §§ 222 ZPO,
187 f. BGB.
Im Beispiel 2 beginnt für B die Einspruchsfrist daher
mit der (gem. § 172 ZPO ordnungsgemäß erfolgten) Zustellung an den Anwalt des A gem. § 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1
BGB am Sonntag, dem 6.10.13 zu laufen und würde zunächst gem. § 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB am Samstag,
dem 19.10.13 enden. Aufgrund der Vorschrift des § 222
Abs. 2 ZPO endet eine Frist nicht an einem Sonntag, son 
 
27 Thomas/Putzo/Reichold, § 338 ZPO Rdn. 1.
28 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 105 Rdn. 60.
29 Hk-ZPO/Pukall, § 339 Rdn. 1.
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Repetitorium ZR – Klaus Schreiber: Das Versäumnisurteil
dern mit Ablauf des nächsten Werktages. B kann daher bis
Montag, den 21.10.13, fristgerecht Einspruch einlegen.
Der notwendige Inhalt des Einspruchs ergibt sich aus
§ 340 Abs. 2 ZPO. Demnach müssen das Urteil, gegen das
Einspruch eingelegt wird, bezeichnet werden und die
Erklärung, dass hiergegen Einspruch eingelegt wird, enthalten sein. Der Einspruch sollte zur Vermeidung der
Präklusionswirkung des § 296 ZPO begründet werden30
(vgl. § 340 Abs. 3 S. 1 ZPO). Das sollte innerhalb der
Notfrist des § 339 ZPO geschehen. Anders als bei der Notfrist zur Einspruchseinlegung kann die Einspruchsbegründungsfrist gem. § 340 Abs. 3 S. 2 ZPO jedoch verlängert werden.
Für einen zulässigen Einspruch müssen demnach folgende Voraussetzungen31 vorliegen:
1) Statthaftigkeit (nur gegen echte Versäumnisurteile),
§ 338 ZPO
2) Frist, § 339 ZPO
3) Form und Inhalt, § 340 ZPO
4) Zuständigkeit des Gerichts (Prozessgericht), § 340
ZPO.
den wieder erheblich. Umgekehrt entfällt die Wirkung von
Prozesshandlungen, die durch die erschienene Partei im
Säumnistermin vorgenommen worden sind, wie z. B. das
rügelose Einlassen gem. § 39 ZPO34. Diese Wirkung des
Einspruchs eröffnet den Parteien die Möglichkeit, eine
Präklusion i. S. v. § 296 ZPO zu vermeiden. Besteht z. B. die
Gefahr, dass das Vorbringen des Beklagten im Termin
wegen Verspätung gem. § 296 ZPO zurückgewiesen wird,
kann der Beklagte wie folgt vorgehen: Er stellt in der
mündlichen Verhandlung keinen Antrag, »kassiert« ein
Versäumnisurteil, legt dagegen fristgerecht Einspruch ein
und trägt in der Einspruchsbegründung die (eigentlich verspäteten) Angriffs- oder Verteidigungsmittel erneut vor.
Dieses zulässige Vorgehen wird als » Flucht in die Säumnis« bezeichnet35.
Wenn nach erneuter Überprüfung der Sache die Entscheidung des Gerichts nicht anders ausfällt, hält es gem.
§ 343 S. 1 ZPO das Versäumnisurteil aufrecht. Ansonsten
hebt es das Versäumnisurteil auf (§ 343 S. 2 ZPO) und trifft
eine neue Entscheidung.
 
 
 
 
V. Zweites Versäumnisurteil
und Rechtsmittel
2. Entscheidung des Gerichts
Nach der Zustellung der Einspruchsschrift prüft das Gericht die Zulässigkeit des Einspruchs (§ 341 Abs. 1 ZPO). Ist
der Einspruch unzulässig, verwirft das Gericht den Einspruch durch Urteil als unzulässig (§ 341 Abs. 1 S. 2 ZPO).
Eine mündliche Verhandlung ist hierfür nicht erforderlich
(§ 341 Abs. 2 ZPO). Entsprechend § 97 ZPO trägt der Beklagte auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits, die
durch den erfolglos eingelegten Einspruch entstanden
sind32. Ein solches Urteil, durch das der Einspruch als
unzulässig verworfen wird, ist gem. § 708 Nr. 3 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Ist der Einspruch zulässig, bestimmt das Gericht einen
Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch
und die Hauptsache, sog. Einspruchstermin (§ 341 a ZPO).
Zudem wird der Prozess durch den zulässigen Einspruch
in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der
Säumnis befand (§ 342 ZPO). Das Verfahren wird dann
ohne Rücksicht auf das Versäumnisurteil fortgesetzt33. Eine frühere Beweisaufnahme, die durch die Säumnis bedeutungslos geworden war, sowie früheres Bestreiten wer 
30 Vgl. Stadler/Jarsumbek, JuS 2006, 34, 38.
31 Jauernig/Hess, § 67 Rdn. 2–4; Schilken, Zivilprozessrecht, 6. Auflage 2010, Rdn. 586.
32 Thomas/Putzo/Reichold, § 341 ZPO Rdn. 5.
33 Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 105 Rdn. 61.
Beispiel 3: Wie im Beispiel 2 hat das Landgericht antragsgemäß
ein Versäumnisurteil gegen B auf Zahlung von 10.000,– € erlassen. B hat dagegen fristgerecht Einspruch eingelegt. In dem
daraufhin anberaumten Einspruchstermin erscheint der Anwalt
P des B nicht, weil er in einen Unfall verwickelt wurde. Trotz
mehrfacher Versuche des P konnte er bei Gericht niemanden und
auch B nicht erreichen und darüber informieren.
 
Wird die säumige Partei in dem Termin zur Verhandlung
über den Einspruch und die Hauptsache, dem Einspruchstermin, erneut säumig, ergeht ein sog. zweites Versäumnisurteil (§ 345 ZPO) gegen sie. Gegen ein zweites Versäumnisurteil kann nicht noch einmal Einspruch erhoben werden
(§ 345 ZPO). Lediglich gegen das erste Versäumnisurteil
kann Einspruch eingelegt werden. Allerdings stehen der
säumigen Partei gegen ein zweites Versäumnisurteil die
Rechtsmittel der Berufung und Revision zu. Aber diese
Rechtsmittel können gem. §§ 514 Abs. 2, 565 ZPO nur mit
der Begründung eingelegt werden, es habe keine (schuldhafte) Säumnis vorgelegen. Im Rahmen der Rechtsmitteleinlegung bzw. vor Erlass des zweiten Versäumnisurteils
 
34 BGHZ 4, 328, 339; Thomas/Putzo/Reichold, § 342 ZPO Rdn. 2.
35 BGH NJW 1980, 1105; VerfGH Berlin WuM 1997, 259; Zöller/Greger,
Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 296 ZPO Rdn. 40.
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Repetitorium ZR – Klaus Schreiber: Das Versäumnisurteil
wird also lediglich geprüft, ob ein Fall der Säumnis vorlag
und ob diese i. S. d. § 337 ZPO unverschuldet war36. Außerdem kann geltend gemacht werden, dass das zweite VU
mangels ordnungsgemäßer Terminsbestimmung oder -ladung i. S. d. § 335 Nr. 2 ZPO nicht hätte ergehen dürfen37.
Mit dem zweiten Versäumnisurteil wird der (zulässige)38
Einspruch gegen das erste Versäumnisurteil verworfen
(§ 345 ZPO). Die Verwerfung des unzulässigen Einspruchs
erfolgt bereits gem. § 341 ZPO39. Das erste Versäumnisurteil
bleibt bestehen und aus ihm kann weiter vollstreckt werden. Der Beklagte trägt zudem die Kosten für den erfolglos
eingelegten Einspruch entsprechend § 97 ZPO40. Diese
Kosten kann der Kläger aus dem Urteil, das den Einspruch
verwirft, gem. § 708 Nr. 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung
vollstrecken41.
 
 
 
 
Im Beispiel 3 ist B erneut säumig gem. § 333 ZPO, denn B ist
entgegen § 78 ZPO ohne Anwalt aufgetreten. Das Landgericht
wird gegen B ein zweites Versäumnisurteil erlassen, das seinen
Einspruch verwirft. Dagegen kann B gem. § 514 Abs. 2 ZPO Berufung einlegen und vortragen, dass die ihm gem. § 85 Abs. 2 ZPO
zurechenbare Säumnis seines Anwalts unverschuldet i. S. d.
§ 337 ZPO war.
 
 
Es handelt sich nicht um ein zweites Versäumnisurteil,
sondern um ein weiteres erstes Versäumnisurteil, wenn
die einsprechende Partei im Einspruchstermin verhandelt, aber später erneut in einem Folgetermin säumig
wird42. Entscheidend ist also, ob zwischen Einspruch und
erneuter Säumnis streitig verhandelt worden ist43. Ist das
der Fall, ergeht kein zweites Versäumnisurteil. Wäre der
Anwalt des B im ersten Verhandlungstermin vor Gericht
erschienen und hätte verhandelt, hätte er aber im zweiten Termin aus denselben Gründen gefehlt, würde das
Landgericht ein weiteres erstes Versäumnisurteil gegen
B erlassen. Dieses könnte B wiederum mit dem Einspruch und nicht mit der Berufung angreifen (§ 514 Abs. 1
ZPO).
Eine Besonderheit stellt das zweite Versäumnisurteil
dar, das im Anschluss an einen Vollstreckungsbescheid
36 BGH NJW 1998, 3125; Zöller/Heßler, § 514 ZPO Rdn. 6, 9.
37 BGH NJW 2011, 928, 929; MünchKomm-ZPO/Prütting, § 345
Rdn. 8.
38 BGH NJW 1995, 1561; Zöller/Herget, § 345 ZPO Rdn. 3.
39 Thomas/Putzo/Reichold, § 345 ZPO Rdn. 1; Zöller/Herget, § 345
ZPO Rdn. 3.
40 Thomas/Putzo/Reichold, § 345 ZPO Rdn. 6.
41 Vgl. Zöller/Herget, § 708 ZPO Rdn. 4.
42 OLG Nürnberg OLGZ 1982, 447, 448 f.; Musielak/Stadler, § 345
Rdn. 2.
43 OLG Nürnberg a. a. O.; vgl. auch Stadler/Jarsumbek, JuS 2006,
134.
 
 
 
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gem. § 699 ZPO ergeht. Ein im Mahnverfahren ergangener
Vollstreckungsbescheid steht nämlich gem. § 700 Abs. 1
ZPO einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich. Wird hiergegen Einspruch eingelegt
(§§ 700, 338 ff. ZPO), erfolgt der Übergang ins streitige Verfahren. Ist der Beklagte nunmehr erstmalig im Verhandlungstermin (Einspruchstermin, § 341 a ZPO) säumig, ergeht ein zweites Versäumnisurteil gegen ihn, das seinen
Einspruch verwirft (§ 345 ZPO), weil der Vollstreckungsbescheid aufgrund der Regelung des § 700 Abs. 1 ZPO
bereits das erste Versäumnisurteil gegen ihn darstellt. Gegen den Beklagten ergeht in diesem Fall ein zweites Versäumnisurteil, obwohl er tatsächlich nur einmal säumig
war. Da der Vollstreckungsbescheid aber im Mahnverfahren ohne Schlüssigkeitsprüfung erlassen wurde (vgl. § 692
Abs. 1 Nr. 2, 699 Abs. 1 ZPO), ist der Klageantrag des Klägers bisher noch nicht auf seine Schlüssigkeit hin überprüft worden44. Aus diesem Grund bestimmt § 700 Abs. 6
ZPO, dass vor Erlass des zweiten Versäumnisurteils gegen
den Beklagten diese Schlüssigkeitsprüfung i. S. d. § 331
Abs. 1, 2 ZPO durchzuführen ist45. Die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage und der Zulässigkeit des Erlasses des
Vollstreckungsbescheids sind also in dem zur mündlichen
Verhandlung bestimmten Termin trotz Säumnis des Beklagten nachzuholen.
An diese Besonderheit schließt sich der Meinungsstreit darüber an, ob das Gericht vor Erlass eines gewöhnlichen zweiten Versäumnisurteils auch in sonstigen Fällen
eine (dann) erneute Schlüssigkeitsprüfung durchführen
muss. Nach dem Wortlaut des § 345 ZPO wird das – anders
als beim ersten Versäumnisurteil gegen den Beklagten
gem. § 331 Abs. 1, 2 ZPO – nicht verlangt46. Nach der Ansicht des BGH47 und der h. M.48 sprechen folgende Erwägungen gegen eine erneute Schlüssigkeitsprüfung: Sollte
stets vor Erlass eines »normalen« zweiten Versäumnisurteils die Schlüssigkeit der Klage zu überprüfen sein,
wäre die Regel des § 700 Abs. 6 ZPO überflüssig. Zudem
wurde die Schlüssigkeit der Klage bereits vor Erlass des
ersten VUs geprüft, sodass sich eine erneute Überprüfung
erübrigt.
 
 
 
 
 
44 Pukall/Kießling, 7. Auflage 2013, Der Zivilprozess in der Praxis,
Rdn. 1618.
45 Schreiber, ZZP 105 (1992), 79.
46 BGH NJW 1999, 2599; Schreiber, ZZP 105 (1992), 79 f.
47 BGH NJW 1999, 2599.
48 Schreiber, ZZP 105 (1992), 79; Hk-ZPO/Pukall, § 345 Rdn. 3;
MünchKomm-ZPO/Prütting, § 345 Rdn. 9; Musielak/Stadler, § 345
Rdn. 4; Thomas/Putzo/Reichold, § 345 Rdn. 4; Jauernig/Hess, § 67
Rdn. 11; Pukall/Kießling, Rdn. 663. A. A. BAG NJW 1974, 1103; Zöller/
Herget, § 345 ZPO Rdn. 4.
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Repetitorium ZR – Klaus Schreiber: Das Versäumnisurteil
Im Beispiel 3 prüft das Landgericht nach h. M. also
nicht erneut die Schlüssigkeit der Klage, bevor es das
zweite Versäumnisurteil gegen B erlässt. Anders wäre es
hingegen, wenn das erste Versäumnisurteil ein Vollstre 
ckungsbescheid gewesen wäre (§ 700 Abs. 1 ZPO). Dann
müsste das Gericht gem. § 700 Abs. 6 ZPO (erstmalig) die
Schlüssigkeit der Klage vor Erlass des zweiten Versäumnisurteils prüfen.
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