Band 35 - Oktober 1939 bis Juli 1940 - Siebenbürgen
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Band 35 - Oktober 1939 bis Juli 1940 - Siebenbürgen
Otto Folberths Tagebücher Band 35 Oktober 1939 bis Juli 1940 16.Oktober 1939 Es ist Zeit, daß ich wieder Tagebuch zu führen beginne. In den Jahren 1915-1922 habe ich es ziemlich regelmäßig getan. Von da ab bis heute immer nur gelegentlich und in großen zeitlichen Abständen. Nun aber ist die Welt nachgerade wieder in eine so heftige Bewegung geraten, daß es gewiß geboten erscheint, wenigstens die aller wichtigsten Ereignisse aufzuzeichnen und die Umstände anzumerken, unter denen man sie erlebt. Heute will ich kurz nachholen, was ich in der letzten Zeit in dieser Beziehung versäumt habe. Es ist keine Frage, daß die großen europäischen Ereignisse der Gegenwart, wenigstens so weit sie uns Deutsche angehen, fast ausschließlich von einer einzigen Persönlichkeit ausgehen, über deren geschichtliche Bedeutung heute keine Zweifel mehr bestehen: Adolf Hitler. Am 30. Januar 1933 Machtübernahme. Im Oktober 1933 tritt Deutschland aus dem Völkerbund aus. Am 16. März 1935 Einführung der Wehrpflicht. Im März 1935 Rückgliederung des Saargebietes. Am 7. März 1936 Besetzung des Rheinlandes. Am 13. März 1938 Anschluß Österreichs. (In Mediasch fand an diesem Tage gerade der Coetusabend der St.-L.-Roth-Schule statt. Ich kann mich erinnern: wir liefen rasch nach Hause, um die neuesten Nachrichten im Rundfunk zu hören. Tags darauf spielten die Berliner Philharmoniker in Mediasch. Anschließend an das Konzert wurden die Ereignisse im Kasino zusammen mit den deutschen Brüdern gefeiert. Herr Stadtpfarrer Römer hielt dabei eine ausgezeichnete Ansprache. Ich war leider wegen Übermüdung nicht dabei.) Zu Ostern des selben Jahres (17.-19.April 1938) Schülerolympiade in Bistritz. Sehr schlechtes, kaltes Wetter. Die Heimfahrt in meinem Merzedes-Benz durch den sintflutartigen Regen. Am 29. September 1938 Konferenz zu München zwischen Hitler, Mussolini, Chamberlain und Daladier. Abschließend die Eingliederung des Sudetenlandes ins Reich. Im März 1939 Schaffung des Reichsprotektorates Böhmen und Mähren. Wenige Tage darauf Heimkehr des Memellandes ins Reich. Im August 1939 deutsch-russischer Nichtangriffspackt. Am 1.September 1939 Beginn des deutsch-polnischen Krieges. Im September 1939 (ein Sonntag, wir haben mit der erweiterten Karresfamilie gerade einen Ausflug nach Rode unternommen) erklären England und Frankreich, sie betrachteten sich ab sofort als mit Deutschland im Kriegszustand befindlich. Der deutsche Vormarsch in Polen rollt mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit ab. Ungeheure Erfolge der Flieger und der Panzertruppen. Acht Tage nach Beginn des Feldzuges rücken deutsche Panzertruppen in eine Vorstadt von Warschau ein, dessen innere Stadt sich allerdings dann noch mehrere Wochen hält. Die dramatisch verlaufenden Kesselschlachten. Der Führer wiederholt bei seinen vordersten Truppen. 1 Am 5. Oktober 1939 nimmt der Führer in Warschau eine Parade der an der Eroberung der Stadt beteiligt gewesenen Truppen ab. Am 6. Oktober 1939 große Rede des Führers vor dem Reichstag in Berlin. Erster Teil: Rechenschaftsbericht über den Feldzug in Polen. Ein „geschichtlich einmaliger“ Sieg. Vernichtung der polnischen Armee in 18 Tagen. Flucht der Regierung über die Grenze nach Rumänien. Zerfall des Staates. „694.000 Gefangene haben den Marsch nach Berlin angetreten. Die Beute an Material ist noch unübersehbar“. Die eigenen Verluste: gefallen 10572, verwundet 30322, vermißt 3409 Mann. Zweiter Teil: das Friedensangebot an England und Frankreich. Dritter Teil: Die Neuordnung in Osteuropa. In diesem Teil seiner Rede machte Hitler erstmalig Vorschläge, die auf unser Leben hier in Siebenbürgen sehr wohl einmal von größter Bedeutung sein können. Der betreffende Punkt lautete (nach dem Wortlaut der „ Schlesischen Zeitung): „5. Als wichtigste Aufgabe aber: eine neue Ordnung des ethnographischen Verhältnisses, d.h. eine Umsiedlung der Nationalitäten, so daß sich am Abschluß der Entwicklung bessere Trennungslinien ergeben, als es heute der Fall ist.“ „In diesem Sinne aber handelt es sich nicht um ein Problem, das auf diesen Raum beschränkt ist, sondern um eine Aufgabe, die viel weiter hinaus greift. Denn der ganze Osten und Südosten Europas ist zum Teil mit nicht haltbaren Schikanen des deutschen Volkstums erfüllt. Gerade in ihnen liegt ein Grund und eine Ursache fortgesetzter zwischenstaatlicher Störungen. Im Zeitalter des Nationalitätenprinzips und des Rassegedankens ist es utopisch, zu glauben, daß man diese Angehörigen eines hochwertigen Volkes ohne weiteres assimilieren könne. Es gehört daher zu den Aufgaben einer weitschauenden Ordnung des europäischen Lebens, hier Umsiedlungen vorzunehmen, um auf diese Weise wenigstens einen Teil der europäischen Konfliktstoffe zu beseitigen.“ „Deutschland und die Union der Sowjetrepubliken sind übereingekommen, sich hierbei gegenseitig zu unterstützen...“ 14. Oktober 1939. Ein deutsches U-Boot, geführt von Kapitänleutnant Prien, dringt in die Bucht von Scapa-Flow in Nordengland ein, versenkt das englische Schlachtschiff Royal Oak (ca. 30.000 T.) und torpediert das Schlachtschiff Repulsc. Die deutschen U-Boote haben bis jetzt schon so viele englische Kriegsschiffstonnen versenkt als in der Skagerakschlacht gesunken sind. Ungeheurer Jubel in Berlin beim Empfang der heimgekehrten U-Bootmannschaften durch den Führer. 19. Oktober 1939. England und Frankreich einerseits und die Türkei andererseits schließen einen gegenseitigen Beistandspakt ab. Damit ist die Türkei, die im [ersten] Weltkrieg an Deutschlands Seite (und wie!) gekämpft hatte, in das Lager Englands abgeschwenkt. Ich erinnere mich mit Wehmut an die Waffenbrüderschaft mit den zwei türkischen Korps in Galizien im Herbst 1916. Sie schlugen sich mit einer Todesverachtung sondergleichen. 25. Oktober 1939. Von Reval kommend sind in diesen Tagen die ersten deutschen Schiffe mit umsiedelnden Balten an Bord in Danzig eingetroffen. Eilschritt der Geschichte! 28. Oktober 1939. Der amerikanische Senat hat das Waffenausfuhrverbot aufgehoben. Das bedeutet, daß die Waffen- und Flugzeugfabriken Amerikas den Feinden Deutschlands zur Verfügung stehen. 28. Oktober 1939 Ich war in Hermannstadt in einer Sitzung der Gau- und Kreisleiter von Siebenbürgen. Der Stellvertreter des Landesführers, Dr.Bruckner, machte uns in seinem Bericht über die politischen 2 Ereignisse in den letzten Monaten innerhalb unserer Volksgruppe davon Mitteilung, daß höchsten Ortes entschieden worden sei: die Siebenbürger Sachsen würden nicht umgesiedelt werden. Begründung: Die Volksdeutschen werden nur aus Ländern umgesiedelt, die in der Zukunft zum Einflußgebiet solcher Großmächte gehören, mit denen Deutschland befreundet ist (um an diese Großmächte keine nationalen Forderungen stellen zu müssen) z.B. die Südtiroler aus Italien, die Balten aus dem Baltikum. Rumänien gehört zum Einflußgebiet Deutschlands. Deshalb bleiben wir hier. Während des Hauptteils der Sitzung übrigens sehr unerfreuliche Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der ehemaligen DVR und ihren Gegnern. 29.-30. Oktober 1939 Es wütet zwölf Stunden lang ein außerordentlich heftiges Unwetter: tiefe, dunkelgraue Wolken, Regen, Sturm. Große Löcher im Kirchendach. Wie muß erst dieser Sturm an der Westfront und über England toben! Es ist klar, daß jetzt keine größeren Kriegshandlungen weder zu Lande noch auf dem Wasser, am aller wenigsten in der Luft, stattfinden können. Werden sie in diesem Herbst überhaupt noch einmal aufleben ? 31. Oktober 1939 Heute graupeln zum ersten Mal kleine Schneekristalle vom Himmel. Die Kokel ist bis zum Rande ihres Flußbettes angeschwollen Einer meiner begabtesten ehemaligen Schüler, Kurt Pollak, dessen Mutter eine Siebenbürger Sächsin ist, dessen Vater als reichsdeutscher Offizier im Jahre 1916 nach Siebenbürgen kam und im Weltkrieg gefallen ist, ist im September als deutscher Leutnant in Polen gefallen. Auch einer von den zwei besten reichsdeutschen Freunden meines Schwagers Helmut Karres, namens Karl Buck aus Stuttgart, ist in Polen gefallen. Helmi hatte mit ihm zusammen in London studiert. Einige Jahre später hatte Karl Buck eine Reise in die Welt unternommen, ohne sich dabei von seinem Vater, der eine chemische Fabrik in Stuttgart besitzt, unterstützen zu lassen. Er soll auch rein äußerlich ein Mordskerl gewesen sein: 192 cm hoch, blond, kräftig. Helmi besuchte ihn Anfang August d.J. zum letzten Mal in Stuttgart. Am gleichen Tage rückte Buck ein. Den polnischen Feldzug machte er als Leutnant einer Panzerspähabteilung mit. Die ganze Zeit war er ganz vorne dabei. Seine Fahrt ging aus der Slovakei über Zakopane, Krakau, an Przemysl und Lemberg vorbei bis über den Bug nach Wlodimicre. Sein Vater schickte Helmi Auszüge aus den Feldpostbriefen des Gefallenen. Im letzten Gefecht seiner Truppe, am 20. September hat er dran glauben müssen, als er seinen von den Polen eingeschlossenen Regimentsstab heraus hauen wollte. Er erhielt mehrere M.G.-Kopfschüsse. Ich las die schlichten und doch so viel sagenden Feldpostbriefe meinen Septimanern vor. Aus ihnen will ich hier nur einen Satz aus dem Testamentsbrief notieren, den er am 31. August vor Überschreiten der Grenze geschrieben hatte. Dieser schloß mit den Worten: „ ...von Herzen meinen Dank für alles, was ihr für mich getan habt. Mehr kann ich jetzt nicht schreiben. Ich steige jedenfalls mit frohem Mut heute Nacht in meinen Panzer“. 8. November 1939 Mit Schuster Dutz und Schuller Fritz, meinen zwei Rundfunkmitarbeitern, mache ich eine herrliche Autofahrt nach Großau, wo wir Material für unsere Sendung „Siebenbürgische Weihnacht“ ausfindig machten. Zum Mittagessen fahren wir auf der glatten Asphaltstraße nach Mühlbach. Bezaubernd ist insbesondere die Rückfahrt, der Unterwald in den schönsten Herbstfarben. Dazu vor uns die weiß überzuckerte Kette der Fogarascher Gebirge. Wir haben das Gefühl, schöner kann Siebenbürgen überhaupt nicht sein wie heute. 3 Unerwarteter weise findet der Tag auch noch den rechten Abschluß mit der Führerrede aus dem Bürgerbräukeller zum morgigen 9.November. Eigentlich war Heß angekündigt. Wir jubeln zu Hause, als eine Stunde vor der festgesetzten Zeit durch die Reichssender die Nachricht verbreitet wird, der Führer werde selbst sprechen. Denn es sind nun schon viele Wochen vergangen und auf der Kriegsbühne ist kaum etwas geschehen. Man wünscht sich durch den Führer beruhigt zu werden. Nicht vergeblich. Der Führer rechnet in geistig und moralisch überlegener Weise mit England ab. Er ist in jeder Beziehung in Form. Störend wirken bloß die allzu lauten Lachsalven seiner augenscheinlich unmittelbaren Zuhörer. Da erfahren wir nächsten Morgen durch den Rundfunk, daß kurze Zeit, nachdem der Führer den Bürgerbräukeller verlassen habe, um sich im Sonderzug dringender Staatsgeschäfte wegen nach Berlin zurück zu begeben, eine Höllenmaschine genau an der Stelle, wo er gestanden habe, explodiert sei. 7 Tote, 63 Verwundete. Das erste große Attentat gegen ihn, von dem die Welt erfährt. Ein Wunder bei der Sorglosigkeit, mit der er sich täglich, ja stündlich Gefahren über Gefahren, zumal in diesem letzten Jahr, ausgesetzt hat 11. November 1939 Beisetzung der Münchner Opfer vom 8.November in einem Staatsbegräbnis. Der Führer kehrt von Berlin zurück, um persönlich daran teilzunehmen! Bei dieser Gelegenheit besichtigt er den Bürgerbräukeller, in dem der Schutt noch 3 Meter hoch liegt. Von den Tätern scheinbar noch keine Spur. 21. November 1939 Der Chef der deutschen Polizei, Reichsführer SS Himmler, gibt bekannt, daß es gelungen sei, den Attentäter von München zu fassen. Es ist der 36 jährige Georg Elser, der bereits am 14. November ein volles Geständnis abgelegt habe. Daraus geht hervor, daß Elser sich seit einem Jahr mit dem Gedanken trägt, Hitler zu ermorden. Die Münchner Höllenmaschine baute er im August d.J. in einen Pfeiler des Bürgerbräukellers ein. 3 Tage vor dem Attentat stellte er den Zeitzünder ein und reiste ab, um sich ins Ausland zu begeben. Aber die Nachricht von der Verschiebung der Veranstaltung im Bürgerbräukeller führte ihn wieder nach München zurück, wo ihm indes die Umstellung des Zeitzünders nicht mehr gelang. Einige Stunden vor dem Attentat floh er zur Schweizer Grenze. Als er sie erreichte, befand sich die Grenzpolizei infolge des bekannt gewordenen Mordversuches aber schon in Alarmbereitschaft und verhaftete ihn. Die Verschiebung hatte dem Führer das Leben gerettet und den Mörder dem Gericht ausgeliefert. Aus seinem Geständnis gehen auch die wichtigsten politischen Zusammenhänge des Mordanschlages hervor. Denn als Organisator desselben gibt Elser den deutschen, gegenwärtig in England lebenden Emigranten Otto Straßer an. Die Auftraggeber beider waren Männer des britischen Intelligence Service. 26. November 1939 Nach wochenlangen Stürmen herrscht über Nordwesteuropa wahrscheinlich wieder besseres Wetter: im Luft- und Seekrieg rings um die englischen Küsten ist es jedenfalls wieder lebendiger geworden. Täglich laufen englische und neutrale Handelsschiffe auf Minen oder werden von Torpedos versenkt. Auch ein englischer 10.000-Tonnen-Kreuzer („Belfast“) ist von einem U-BootTorpedo schwer beschädigt worden. An der Landfront dehnen die deutschen Fernaufklärer ihre Erkundungsflüge über ganz Frankreich aus. Ich liege seit einer Woche ischiaskrank im Bett. 4 1. Dezember 1939 Ungefähr am 20. September hatte Rußland in den deutsch-polnischen Krieg eingegriffen, indem es die von Weißrussen und Ukrainern bewohnten Gebiete Polens besetzte und die bis dorthin geflohenen Reste des polnischen Heeres gefangen nahm. Anschließend schloß es mehrere Staatsverträge mit den baltischen Staaten Litauen, Estland und Lettland ab, die den Zweck hatten, ihm die militärische Vorherrschaft über das Baltische Meer zu sichern. Finnland aber leistete Widerstand, die Verhandlungen zogen sich in die Länge, schließlich wurden sie abgebrochen. Heute nun meldete der Rundfunk, daß die Sowjetrussische Armee die finnische Grenze an mehreren Punkten, ohne vorangegangener Kriegserklärung, überschritten habe. Russische Flieger hätten bereits Helsinki bombardiert usw. Ein neuer Kriegsschauplatz also. Noch ist nicht abzusehen, was für Folgen dies alles haben wird. Laut deutschen Angaben sind seit Kriegsbeginn 194 englische und neutrale Schiffe von insgesamt 735.000 Bruttoregistertonnen gesunken. 25. Dezember 1939 – 5. Januar 1940 Ich unternehme mit Trudl eine Reise nach Wien. Es ist wie ein Wunder, daß uns dies friedliche Abenteuer in dieser kriegerischen Zeit ohne alle Schwierigkeiten gelingt. In Wien hatte ich vor allem dreierlei zu tun: 1. mit dem Reichssender Wien zu verhandeln, 2. den Grafen Alberti de Poja, den Sohn der Marie geb. Conrad, in Baden zu besuchen, 3. im Haus, Hof und Staatsarchiv wegen St.L.Roth-Dokumenten vorzusprechen. Wir wohnten im Grand-Hotel, fürstlich. Geld hatten wir genug, da ich viele Honorare dort liegen hatte. Wir brachten die mannigfaltigsten Eindrücke mit nach Hause: von der am Abend völlig verdunkelten Großstadt; von meinem lieben Kriegskameraden „Schullerchen“, der aus MährischSchönberg für 2 Tage herbei gereist war, um uns zu besuchen; von meinem Exschwager Karl Herzer, der gerade in diesen Tagen seinen Militärurlaub angetreten hatte und uns hochinteressant von dem prächtigen Geist der Deutschen Wehrmacht erzählte; von dem System strengster Rationierung und Zuteilung von Lebensmitteln und Bekleidungsstücken; von der Stimmung im allgemeinen in der Ostmark. Diese Stimmung: sie ist ausgezeichnet, was das Vertrauen auf die Deutsche Wehrmacht anbelangt. In ihr scheint tatsächlich der beste Geist zu herrschen, den man sich vorstellen kann. Weniger günstig urteilen die Leute über die politische Leitung des Reiches, zumal über die Auswirkungen des parteipolitischen Systems. Am besorgtesten ist man darüber, ob das Reich den Krieg auf wirtschaftlichem Gebiet wird bestehen können. Aber einen wahren Überblick über diese Dinge hatte keiner von unsern Bekannten. 19. Januar 1940 Im deutschen Rundfunk wird bekannt gegeben, daß die Umsiedlung der Deutschen aus Wolhynien und Ostgalizien bereits zu 2/3 erfolgt sei. Ungefähr 70.000 Deutsche haben die deutsche Grenze überschritten. Sehr viele von ihnen haben die Strecke auf Pferdewagen zurückgelegt, bei einer Temperatur von -40°! Dabei sollen nur sehr wenige Todesfälle und Erkrankungen vorgekommen sein. Die Zahl der während der Fahrt erfolgten Geburten überschreitet die Zahl der eingetretenen Todesfälle. 20. Januar 1940 In ganz Europa herrscht seit dem 3.Christtag eine fürchterliche, ganz ungewohnte Kälte. Heute meldet der Rundfunk Temperaturen von -50° in Finnland und -58° in Lappland. Es ist unvorstellbar, 5 wie dort in dieser Kälte gekämpft werden kann. Von einem Überrennen Finnlands durch die Russen ist jedenfalls keine Rede. Wohl haben die Russen zu Beginn des Krieges die Grenze überschritten, aber nirgend scheinen sie tief ins Land vorgedrungen zu sein, ja sie scheinen schon wiederholt Schlappen erlitten zu haben. 2. Februar – 10. März 1940 Ich machte ich meine erste Waffenübung im rumänischen Heer als Oberleutnant d.R. des ArtillerieRegimentes Nr.30. Das Regiment ist in Kischineff, in der Hauptstadt Bessarabiens, stationiert, befindet sich gegenwärtig allerdings nur zur Hälfte (die II.Division) in seinen dortigen Kasernen, die andere Hälfte (die I.Division) liegt in Husi, hinter der Prutlinie, wo sie in der dorfähnlichen Vorstadt kantoniert. Ich wurde gleich nach meiner Anmeldung in Kischineff der I.Division in Husi zugeteilt und reiste sofort dorthin ab. Kischineff. Ich hatte die Stadt noch nie gesehen. Ihr russisches Aussehen erinnerte sofort an Odessa. Aus dem ehemals russischen Fürstenappartement im Hotel Londra, wo ich zusammen mit einem ungarischen Reserveleutnant Rozsnay (ehemals 5.Honwedartillerieregiment-Marosvàsàrhely) wohnte, blickte man auf einen weitläufigen Platz, in dessen Mitte eine weiße Kathedrale, ein alleinstehender Glockenturm und eine Art Triumphpforte raumfüllend oder beherrschend zu wirken trachten. Aber die Unendlichkeit ist zu groß... Die winzig kleinen Schlitten mit den beinahe rund gebogenen Deichseln und den hohen Dugen. Die Kutscher dick ausgepolsterte Gestalten, halb stehen sie, halb sitzen sie auf dem schmalen Bock. Es ist so wenig Platz im Schlitten, daß der Kutscher das Gepäck des Passagiers auf dem Schoß halten muß. Wir sind zu dritt auf dem Bahnhof angekommen und jeder mußte sich einen eigenen Schlitten mieten. Dann geht die Weiterfahrt (genau so wie einst in Odessa!) los... Unter der Frauenwelt viele sinnliche Jüdinnen, aber auch manch feuriges Ostblut. Die Wolkenschwärme von Krähen über der Stadt, besonders in den Abendstunden. Manche Giebel, Dächer, Firste und Bäume sind ganz schwarz von ihnen. Wahrscheinlich haben sie die höhere Bestimmung, den Straßenunrat aus der Welt zu schaffen. Genau so wie die vielen Hunde in diesen Himmelsstrichen. Husi. Vorort des Judet Fâlciu. Wir stiegen im Hotel Negrea ab, angeblich das einzige, halbwegs europäische Hotel. Die Stadt ist ein großer târg (Markt). Im Zentrum jüdisches Handelsleben, an der Peripherie rumänisches Dorfleben, in der Umgebung Obstgärten, Weinberge und sogar Wälder. Bischofsitz. Die Logia des Bischofs das schönste Baustück des Ortes. Alles andere verrät wiederum die Unfähigkeit des Rumänen, eine Stadt zu bauen. Die Häuser sind infolge der Geschmacksverwirrung, die bei ihrer Errichtung Pate gestanden, so unpraktisch als möglich: im Winter sind sie infolge der vielen Balkone, Fenster usw. eisig kalt, im Sommer dürften sie aus dem gleichen Grund zu heiß, zu hell und zu staubig sein. Nach eintägigem Aufenthalt in Husi marschiere ich mit einer Arbeiterabteilung meines Regimentes (detasament de lucru) im Pruthtal nach Norden. Die Straßen sind völlig vereist, spiegelglatt. Die Schlitten gleiten bald links, bald rechts vom Straßenkörper herunter. Der russische Wind pfeift sein altes Lied. Das Land ist mehr von Eis als von Schnee bedeckt. Ich reite als letzter der Kolonne, um niemanden zu verlieren. Kompaniemief – seit wann habe ich keinen mehr gerochen? – steigt mir in die Nase. Oberleutnant d.R. Dr.Richard Zintz, mit dem ich mich schon auf der Eisenbahn getroffen hatte, ist mit dem Autobus im voraus gefahren, Quartiere für die Nacht zu besorgen. Wir übernachten in Drânceni, schlafen mit Richard bei einer Bäurin zu zweit in einem Bett. 6 Nächsten Tag erreichen wir unseren Bestimmungsort Raducaneni, ein großes Dorf. Wieder kommen wir mit Richard im gleichen Quartier unter: beim Bauern Roca. Er dürfte früher Ròka geheißen haben, denn er ist, wie die meisten Rumänen hier, römisch-katholisch. Wahrscheinlich stammen diese Leute aus Siebenbürgen, jetzt sind sie völlig rumanisiert. Unsere Arbeitsstelle ist ca.4 km von unserem Quartier entfernt: wir heben einen sogenannten anticar-sant (Graben) aus, also einen Tankabwehrgraben vor einer Batteriestellung. Unsere Mannschaft: Russen, Bulgaren, Juden, Deutsche, Rumänen, Katzalaggen (russische Sekte, die sich die Bärte stehen lassen), Gorgoitzen usw. usw. Sie sind Bauern, Handwerker, Winzer, Kaufleute, Kirchenmaler usw. Im großen und ganzen komme ich gut mit ihnen aus. Die Arbeit in der gefrorenen Erde ist furchtbar schwer. Trotzdem wird der bereits begonnene Graben um ca.100 Meter durch uns verlängert. Mit Richard verbindet mich bald eine herzliche Kameradschaft. Zu allen Tages- und Nachtzeiten können wir stundenlange Gespräche führen. Wir haben viele gemeinsame Berührungspunkte. Richard ist gebürtiger Mediascher und kennt sich in den alten Familien von Mediasch wunderbar aus. Er hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis. An Büchern hatte ich u.a. Vaters Auszug aus der Heydendorffischen Familiengeschichte mitgenommen. Wir lesen sie nun gemeinsam mit Richard mit großem Interesse. Diese Kameradschaft dauerte genau 18 Tage. Dann wurde ich zum Kommandanten einer neuen Arbeiterabteilung ernannt und mußte meinen Wohnsitz nach Gura-Bohotnieului verlegen. Dort wohnte ich in einem Schulgebäude, bei einer Lehrerin. Die Arbeitsstelle war auch hier ca.4 km weit. Ich hatte eine Batteriestellung auszubauen. Landschaftlich war es hier schöner. Ich genoß den Winterwald und die weiten Ausblicke über das Pruthtal sehr. Es stellt eine hervorragende Verteidigungslinie gegen Osten dar. Genau so soll auch das Dnjestrtal sein. Ein großes Erlebnis wurde mir der Schnee in diesem strengsten Winter meines Lebens. Das Wetter wechselte von Tag zu Tag. Ich habe den Schnee in hundert verschiedenen Formen erlebt: mit und ohne Regen, mit und ohne Sonne, mit und ohne Wind usw. Unvergeßlich werden mir die drei großen Schneestürme (viscol) bleiben, die ich mitmachte. Die kälteste Stunde meines Lebens glaube ich am Morgen des 22. Februar erlebt zu haben. Ich hatte damals die kurze Wegstrecke zwischen Gura-Dobotmilai und Sat Milai zurückzulegen. Hätte ich einen Fotoapparat gehabt, so hätte ich die schönsten Schneebilder festhalten können. Zwei merkwürdige Typen von Reserveoffizieren: Oberleutnant Peter Deggner aus Heldsdorf – zum Bukarester Straßenbummler geworden – und Oberleutnant Hentiu, ein Rumäne aus Kronstadt. Die Weltereignisse interessierten mich in dieser Zeit überhaupt nicht. Zeitungen lasen wir keine, Radio hörten wir nicht. Es ist aber auch nichts Nennenswertes geschehen. Von serviciu usor war keine Rede. Die furchtbare Kälte und vor allem die vielen Stürme machten jeden Marsch und Ritt, ja ließen jeden Aufenthalt im Freien zu einer großen körperlichen Anstrengung werden. Trotz des schlechten Wetters – wir hatten nur zwei Tage lang Sonne – habe ich mich körperlich sehr gut erholt und sogar 3 kg zugenommen. Ich kam dunkelgebräunt nach Hause. Während der Heimreise konnte ich mich einen halben Tag in Jassy aufhalten, das auf mich mit seinem netten Universitätsviertel einen überraschend guten Eindruck gemacht hat. Ich stattete Frau Professor Klein einen Besuch ab ließ mir von ihr das dortige Leben beschreiben. Es tut ihr sehr leid, 7 daß ihr Mann so sehr nach Klauesenburg gedrängt hat. Sie wird sich dort nie wohl fühlen, meint sie. Sie rät mir sehr dazu, mich um die Professur in Jassy zu bewerben. Augenblicklich ist die Dozentur des germanistischen Lehrstuhles frei und im Herbst wird der Lehrstuhl selbst frei, da Professor Bratu in Pension geht. (Meine Aufzeichnungen und Briefe aus dieser Zeit, siehe im Briefordner Nr.28 unter „Waffenübung“) – in Mediasch geblieben und in Verlust geraten – 13. März 1940 Heute zu Mittag haben die Russen und Finnen die Feindseligkeiten eingestellt. Ein Friedensschluß ist zustande gekommen, der den Zweck hat, weiteres Blutvergießen zu verhindern. Im Laufe des Krieges erwiesen sich die Finnen zwar als tapfere Kämpfer, der russischen Übermacht mußten sie aber doch früher oder später erliegen. Jetzt da es den Russen endlich gelungen war, die finnischen Linien zu durchbrechen, zeigten sie sich zu Verhandlungen bereit. Sie haben dabei härtere Bedingungen annehmen müssen als die russischen Forderungen vor Ausbruch der Feindseligkeiten enthielten. Die Beherrschung des Ostens durch Rußland ist gesichert. Ein Territorium mit ca. 250.000 Einwohnern am Westufer des Ladogasees ist an Rußland gefallen. Der Friedensschluß bedeutet für England und Frankreich eine ungeheure politische Schlappe. Denn er kam in einem Augenblick zustande, da die beiden Staaten täglich von ihrer angeblichen Bereitschaft, Finnland beizustehen, die Welt voll schwatzten. In Wirklichkeit haben sie keinen einzigen Soldaten für Finnland geopfert, das in dieser Beziehung die Erfahrungen der Tschechei und Polens nun auch selbst machen durfte. Wann werden der übrigen Welt die Schuppen von den Augen fallen? Bedeutsame Märztage: 13.März 1938 Anschluß Österreichs 14.März 1939 Gründung der selbständigen Slovakei 13.März 1940 Friedensschluß Rußland–Finnland 18.März 1940 Zusammenkunft des Führers mit dem Duce auf dem Brenner. Zwei Tage vorher hat ein größerer deutscher Fliegerverband einen Angriff auf einige in Scapa Flow liegenden englische Kriegsschiffe durchgeführt. Mehrere dieser Schiffe wurden von deutschen Bomben getroffen. Die Deutschen kehrten ohne Verluste heim. 8. April 1940 Englische und französische Marine Einheiten legen unter Verletzung des Neutralitätsrechtes ausgedehnte Minenfelder in norwegische Hoheitsgewässer, um den Abtransport der schwedischen Eisenerze aus dem norwegischen Hafen Narwik nach Deutschland zu verhindern. 9. April 1940 Deutschland beantwortet diese Neutralitätsverletzung damit, daß es Dänemark und Norwegen besetzt. Im Morgengrauen überschreiten deutsche motorisierte und Panzertruppen die dänische Grenze bei Flensburg, andere Einheiten landen in Kopenhagen. Im Laufe des Tages wird ganz Dänemark besetzt. Die dänische Regierung protestiert zwar dagegen, aber fügt sich und fordert die Bevölkerung auf, den deutschen Truppen keinen Widerstand entgegenzusetzen. Kommandant der deutschen Truppen ist General Kaugisch. Die norwegische Regierung verhält sich weniger klug. Deshalb muß dort geringer örtlicher Widerstand, besonders in der Nähe von Oslo, gebrochen werden. Am Nachmittag ist auch diese Hauptstadt in deutschen Händen. Engländer und Franzosen versprechen, Norwegen sofort zu Hilfe zu eilen. 8 Ich habe den Eindruck, daß der Krieg jetzt erst sein rechtes Gesicht bekommt. Vor allem freue ich mich darüber, daß es nun wahrscheinlich doch nicht zum blutigen Ringen an der Westfront kommen wird. Eine Wiederholung der Weltkriegsschlachten dort wäre furchtbar gewesen! Durch die Besetzung Dänemarks und Norwegens weiten sich die strategischen Möglichkeiten ungeheuer! 10. April 1940 Heute erfahren wir durch die deutschen Rundfunkmeldungen, daß gestern bei der Landung deutscher Truppen in Oslo der Kreuzer „Blücher“ (10.000 T) und bei der Landung deutscher Truppen in Kristiansand der Kreuzer „Karlsruhe“ (6000 T), beide 1929 gebaut, verloren gingen. Die Mannschaften konnten größtenteils gerettet werden. 13. April 1940 Die am 9. April in Norwegen gelandeten deutschen Truppen haben in folgenden Häfen Stützpunkte errichtet: Oslo, Kristiansand, Bergen, Trondheim und Narvik. Der exponierteste Stützpunkt ist natürlich Narvik, das sich ca.300 km nördlich des Polarkreises befindet. Es scheint, als hätten die Engländer die westliche Einfahrt in den Fjord von Narvik gleich nach dem Eintreffen der Deutschen dort blockiert. Am 13.April zu Mittag jedenfalls entbrennt dort eine Seeschlacht zwischen überlegenen englischen Seestreitkräften und der deutschen Landungsflotte, deren genauen Verlauf wir noch nicht kennen, die aber für beide Teile verlustreich gewesen sein dürfte. Es wird bekannt, daß der Befehlshaber der deutschen Streitkräfte bei Narvik, Kommodore Boete, den Heldentod gestorben ist. 18. April 1940 Der Winter hat in diesem Jahr ungewöhnlich lange gedauert. Wir haben bis jetzt heitzen müssen. Die Feldarbeiten konnten nur sehr verspätet bestellt werden. Jetzt ist plötzlich der Sommer da. Wir haben geradezu heiße Tage. Das erste zarte Grün zeigt sich auf den Wiesen. Die Wälder aber sind noch winterlich grau. 21. April 1940 Die Engländer haben in den letzten Tagen verschiedene Landungsversuche in Norwegen unternommen. Hierbei sind sie von der deutschen Luftflotte arg hergenommen worden. Der heutige Heeresbericht meldet die Vernichtung von 4 englischen Kreuzern und 6 Transportschiffen in den letzten zwei Tagen. 27. April 1940 Reichsaußenminister von Ribbentropp kündigt vor dem versammelten Diplomatenkorps in Berlin und vor den Vertretern der Weltpresse die Veröffentlichung des 4.Deutschen Weißbuches dieses Krieges an. Es wird der Hauptsache nach Dokumente enthalten, aus denen einwandfrei hervor geht, daß die Allierten entschlossen waren, Anfang April dieses Jahres Norwegen zu besetzen und daß Norwegen im Gegensatz zu Schweden nicht bereit gewesen wäre, seine Neutralität gegen diese Besetzung zu verteidigen. Die deutschen Truppen sind den englischen also wirklich nur wenige Stunden zuvorgekommen. Die Dokumente setzen sich zum großen Teil aus Schriftstücken und Befehlen zusammen, die gefangenen englischen Offizieren in Norwegen (zumal bei Narvik) weggenommen worden sind. Das größte Landungskorps scheinen die Engländer übrigens in Mittelnorwegen eingesetzt zu haben. Diese Truppen konnten sogar bis Lillehammer vordringen. Aber schon bei der ersten Begegnung mit deutschen Truppen wurden sie geworfen und befinden sich im Rückzug. Ihre Lage dürfte von Tag zu Tag kritischer werden, da die Deutschen in Südnorwegen rasche Fortschritte machen. Zu Besorgnissen gibt bloß die nördlichste deutsche Kampftruppe bei Narvik Anlaß, da sie nur auf dem Luftwege Nachschub und Verpflegung erhalten kann. 9 30. April 1940 An der norwegischen Küste werden täglich englische Kriegs- und Transportschiffe von deutschen Bombern entweder versenkt oder wenigstens schwer beschädigt. In der Zeit vom 9.-28. April, 94 englische Schiffseinheiten! 30. April 1940 Die deutschen Truppen, die von Oslo nach Norden und von Droetheim nach Süden vorgedrungen sind, haben sich die Hand gereicht. Damit ist der wichtigste Teil Norwegens von Deutschen besetzt. Der Führer richtet an die dortigen Truppen einen Tagesbefehl, indem er ihnen für ihre Leistungen dankt und als äußerstes Zeichen seiner Anerkennung ihrem obersten Befehlshaber, dem General von Falkenhorst, das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes verleiht. 2. Mai 1940 Die deutschen Truppen haben Andelsens, dem Hauptlandungshafen der Engländer in Norwegen erreicht. Die Engländer scheinen Norwegen in wilder Flucht zu verlassen. 4. Mai 1940 Auch den Hafen von Namsos, nördlich von Droetheim, verlassen die Engländer fluchtartig. Die deutschen Kampf- und Sturzkampfflugzeuge fügen dabei der englischen Kriegsmarine ungeheure Schäden zu: heute wird im Seegebiet westlich Namsos ein englisches Schlachtschiff (über 30.000 T) durch nur eine einzige Bombe eines deutschen Stuka in weniger als einer Minute versenkt. Es ist das erste Mal, daß eine schwimmende Festung von solchen Ausmaßen durch eine Fliegerbombe vernichtet wurde. Am gleichen Tage konnten die deutschen Flieger auch einen schweren Kreuzer der York-Klasse, ferner mehrere Zerstörer und ein großes Transportschiff von 12.000 T versenken, einige andere Einheiten schwer beschädigen. Die norwegischen Truppen, von den Engländern im Stich gelassen, ergeben sich den Deutschen. In der Zeit vom 9.April bis 2.Mai sind 23 feindliche U-Boote vernichtet worden. Die Versenkungsziffer an feindlichen und für den Feind nutzbaren neutralen Schiffsraum beläuft sich jetzt auf rund 2,3 Millionen Tonnen. 4. Mai 1940 Heute findet in der Mediascher Stadtpfarrkirche die Konfirmation unseres ältesten Sohnes Otto statt, gerade an unserem 17. Hochzeitstage. Der Tag erhält seine besondere Weise durch die Siege der Deutschen Truppen in Norwegen. Am Vorabend veranstalteten wir in unserem Haus ein Familienessen. Ich hielt eine Ahnenrede und anschließend nahmen wir Otti in die Gemeinschaft der Erwachsenen unserer Sippe auf. 7. Mai 1940 Der englische Ministerpräsident Chamberlain hält im Unterhaus eine klägliche Rede, in der er den Rückzug der englischen Truppen (angeblich eine einzige Division) zu beschönigen versucht. Dabei entstehen Lärmszenen im Parlament. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß die Führung des englischen Volkes in diesem Krieg mehr und mehr versagt. Am Ende seiner Rede macht der Premier die Mitteilung, daß, nachdem ein großer Teil der englischen Flotte in Norwegen frei geworden sei, diese zu einer wichtigen Unternehmung im östlichen Mittelmeer habe auslaufen können. Diese Erklärung ruft in den Mittelmeer- und Balkanländern große Beunruhigung hervor. 10 8. Mai 1940 Auch der erste Lord der englischen Admiralität, der eigentliche Leiter der englischen Operationen, Winston Churchill muß sich im Unterhaus wegen der in Norwegen erlittenen Schlappe rechtfertigen. Er gibt dabei offen die Überlegenheit der deutschen Luftstreitkräfte zu. 9. Mai 1940 Der Führer erläßt einen Tagesbefehl an die deutschen Truppen, nach dem: 1. eine Anzahl deutscher Offiziere und Unteroffiziere wegen hervorragender Waffentaten in Norwegen mit dem Ritterkreuz zum Eisernen Kreuz ausgezeichnet werden , 2. den Truppen die Weisung erteilt wird, die norwegischen Kriegsgefangenen sofort zu entlassen. Es sei ihm auch nicht ein einziger Fall bekannt geworden, daß norwegische Soldaten ein unritterliches Verhalten zur Schau getragen hätten. Im Gegensatz zur polnischen Bevölkerung habe das norwegische Volk deutsche Verwundete betreut usw. In Anerkennung dessen würden die norwegischen Kriegsgefangenen entlassen, zurückgehalten werden müßten natürlich die aktiven Angehörige des stehenden Heeres in solange, als der norwegische König am Kriegszustand zwischen ihm und dem Reich fest halte. Aber auch diese könnten entlassen werden, sofern sie auf Ehrenwort erklärten, am Krieg gegen Deutschland nicht mehr teilnehmen zu wollen. Eine wunderbare, echt deutsche Geste des Führers! In England ist Chamberlain zurückgetreten. Die Geschichte wird ihn in die Galerie der gegnerischen Staatsmänner einreihen, die das Genie Hitler aus dem Weg geräumt hat (Schuschnigg, Benesch, Daladier usw.) Sein Nachfolger wird Churchill. 10. Mai 1940 8 Uhr früh an einem schulfreien Tag (rumänischer Nationalfeiertag ). Wir liegen die ganze Familie in unseren zwei Ehebetten. Da dreht Paul zufällig das Rundfunkgerät auf und schon erklingen die Fanfarenstöße, die eine deutsche Sondermeldung ankündigen. Gespannt hören wir hin und vernehmen alsbald die Stimme von Dr.Goebbels. Er verliest zwei Memoranden der Reichsregierung vom 9. Mai, das erste an Belgien und Holland, das zweite an Luxemburg. Inhalt: der Reichsregierung ist bekannt geworden, daß die Ankündigung der englischen Kriegsausweitungspläne im Mittelmeerraum nichts als eine Tarnung ihrer eigentlichen Absicht bedeute, Deutschland über Belgien und Holland anzugreifen. Beide Länder haben sich insgeheim schon lange auf ein Zusammengehen mit England und Frankreich vorbereitet. Um diesem auf das Deutsche Ruhrgebiet abzielenden Angriff zuvor zu kommen, sind die deutschen Truppen angewiesen worden, den Schutz der belgischen und holländischen Neutralität selbst wahrzunehmen. – Jetzt wird es ernst! 3 Uhr nachmittags: Fußballspiel auf dem Mediascher Turnschulgrund zwischen der „Philistria“, der Professoren der St.L.Roth-Schule und den Angestellten der Lederfabrik Samuel Karres A.G. Das Publikum, besonders die Schüler der St.L.Roth-Schule unterhalten sich königlich. Die Einnahmen der Veranstaltung sollen zur Ausstattung des Mediascher Sportbades mit Turngeräten verwendet werden: Lei 11.000! Am Abend dieses Tages erfahren wir, daß die deutschen Truppen sich in breiter Front nach Westen d.h. nach Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich in Bewegung gesetzt haben. Der Führer, der sich zur Leitung der Gesamtoperation wieder an die Front begeben hat, hat auch schon zwei Offiziere mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet: Hauptmann Koch und Oberleutnant Witzig. Sie haben sich bei der Eroberung eines starken belgischen Forts hervorgetan. In Holland wird Mastrich, in Belgien Malmedi genommen. 11 Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges werden deutsche Fallschirmjäger und Landungstruppen verwendet, die weit hinter der Front abgesetzt werden und insbesondere feindliche Flugplätze niederhalten. 11. Mai 1940 Die deutsche Luftwaffe bombardiert 72 feindliche Flugplätze, auf denen sie 300-400 Flugzeuge vernichtet, außerdem zahlreiche dazu gehörige Anlagen usw. Im Luftkampf werden 23 feindliche Flugzeuge abgeschossen. 11 eigene Flugzeuge gehen in Luftkämpfen verloren, 15 werden vermißt. Nach französischen und belgischen Meldungen werden auch heute wieder Fallschirmjäger und Luftlandetruppen von den Deutschen eingesetzt. 12. Mai 1940 Pfingstsonntag. Wieder zerstört die deutsche Luftwaffe etwa 300 feindliche Flugzeuge auf der Erde oder in der Luft. Nordholland wird erobert! Ganz Luxemburg ist besetzt! Ein englischer Kreuzer versenkt, ein anderer schwer getroffen – ein englischer Transporter von 15.000 T an der Küste Hollands versenkt, 6 andere Schiffe in Brand geworfen. Die Stadt Rotterdamm steht ohne Wasser da, da in ihrem Wasserwerk ein Brand ausgebrochen ist – kurzum, an der Westfront ist die Hölle los! Wir warten täglich mit Spannung nicht nur auf die offiziellen Berichte des OKW (Oberkommando der Wehrmacht), sondern auch auf die interessanten Frontberichte des deutschen Rundfunks, die von den einzelnen Phasen mancher Kämpfe ein ungemein anschauliches, weil unmittelbares Bild vermitteln. Sie sind von Sprechern des deutschen Rundfunks aufgenommen, die der fechtenden Truppe auf dem Fuße folgen. Oft hört man aus ihnen das Heulen der Geschosse, das Sausen der Kugeln, das Knattern der M.G. heraus. Wir bringen den Pfingstsonntag im Weingarten meiner Eltern „hinter den Eichen“ zu. 13. Mai 1940 Lüttich, die stärkste Festung Europas, fällt. Stürmischer, unaufhaltsamer Vormarsch der Deutschen in Holland und Belgien. Die Anzahl der vernichteten feindlichen Flugzeuge ist in den ersten drei Tagen der Offensive auf ca.1200 gestiegen. 14. Mai 1940 Rotterdamm kapituliert. Einige Stunden später hält der holländische Oberbefehlshaber General Winkelmann jeden weiteren Widerstand für sinnlos und streckt die Waffen. Somit ist Holland in 5 Tagen zu Boden geworfen worden. Herrscherhaus und Regierung sind nach England geflohen. In Mittelbelgien erste große Panzerwagen-Schlacht der Kriegsgeschichte. Die Franzosen werden in die Flucht geschlagen. Im Raum von Sedan allein werden 70 feindliche Flugzeuge abgeschossen. Sedan wird genommen. An der holländischen Küste werden wiederum mehrere Kriegs- und Handelsschiffe durch deutsche Bomber und Stuckas versenkt oder in Brand geworfen. Einen Vormarsch von solcher Wucht und Geschwindigkeit hat die Weltgeschichte noch nicht gekannt! 15. Mai 1940 Der Führer verleiht dem Kommandanten der deutschen Fallschirmjäger, Generalleutnant Student, und dem Kommandanten der deutschen Luftlande-Infanterie Division, Generalleutnant Graf Sponek 12 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes – ein Beweis dafür, daß beide Verbände zur Niederringung Hollands hervorragend beigetragen haben. 16. Mai 1940 Die Belgier haben sich hinter die Dyle-Maas-Linie zurück gezogen, die von Antwerpen über Löwee, Namur, Giret nach Sedan führt und dort Anschluß an die französische Maginotlinie gewinnt. Zu ihrer Verstärkung sind Engländer und Franzosen herbei geeilt. Die Deutschen stehen unmittelbar vor dem Angriff oder haben bereits angegriffen. Wir haben das Gefühl, daß sich hier die erste große Schlacht des Krieges im Westen entwickeln wird. 17. Mai 1940 Gottseidank, sie ist bereits geschlagen! An manchen Stellen dürfte sie allerdings drei Tage gedauert haben und ziemlich verlustreich gewesen sein. Heute nun meldet das OKW, daß den deutschen Truppen zwei große Einbrüche in die gegnerische Front gelungen seien: der erste bei Wavre in die Dyle-Stellung, die zweite zwischen Maebeuge und Sedan in die Maginotlinie, die auf 100 km Frontbreite aufgerissen worden sei. Wir atmen auf. Sollte es also doch beim Bewegungskrieg im Westen bleiben? Es wäre jedenfalls ein Glück für Deutschland, denn die Überlegenheit seiner Kriegführung tritt von Tag zu Tag deutlicher hervor. – Spät am Abend erfahren wir, daß die deutschen Truppen kampflos in Brüssel einmarschiert seien. 18. Mai 1940 Antwerpen fällt. Belgier, Franzosen und Engländer werden scharf verfolgt. Die deutschen Panzerwagen stehen 120 km vor Paris. Hitler hat in die aufgerissene Bresche mehrere Panzerkorps (wie viele Panzerwagen sind das?) hinein fahren lassen. 19. Mai 1940 St. Quendin in deutscher Hand. Bisher 110.000 Gefangene, Geschütze bis zu 28 cm Kaliber (außer Holland). Die feindlichen Verluste an Flugzeugen bewegen sich täglich um 100-200 herum, die eigenen um 20-30. Malmedi wird wieder Reichsgebiet. Der französische Generalissimus Gamelin wird durch General Weygand ersetzt. 20. Mai 1940 Leon wird von deutschen Truppen gestürmt. 21. Mai 1940 Den heutigen Heeresbericht leiten Fanfaren ein: er gibt bekannt, daß die größte Angriffsschlacht aller Zeiten im Westen nach großen taktischen Anfangserfolgen sich auch operativ auszuwirken beginne. Deutsche Panzerverbände hätten über Amiens und Abbeville die Kanalküste erreicht. Eine große Anzahl belgischer, französischer und englischer Truppen sind somit an der Kanalküste um Calais eingeschlossen und gehen ihrer Vernichtung entgegen. Denn über den Kanal hinüber dürfte doch nur ein geringer Teil dieser feindlichen Truppen sich zurückziehen können, umso mehr als schon in der letzten Nacht in diesem Seegebiet 6 Transporter und mehrere andere Einheiten von deutschen Stukas versenkt worden sind. Die französische 9.Armee ist zerschlagen und in Auflösung begriffen, der Armeestab mitsamt dem General Gireaud, der gerade erst das Kommando über die Armee übernehmen sollte, ist in Gefangenschaft geraten. Vor Narvik in Norwegen werden ein englisches Schlachtschiff und ein schwerer Kreuzer durch Bombentreffer schwer beschädigt. Es stellt sich heraus, daß der eigentliche Leiter der siegreichen deutschen Operationen der Führer selbst ist. Man möchte auf die Knie sinken und Gott immer wieder für die wunderbare Wendung der deutschen Schiksalsgeschichte danken. 13 Wir bringen täglich mehrere Stunden am Rundfunkgerät zu, denken Tag und Nacht an nichts anderes als an diese Ereignisse, die das Antlitz der Welt neu prägen werden. Trudl fährt auf einige Tage zur Erholung auf die Schullerau. 24. Mai 1940 Der Ring um die Belgier, Franzosen und Engländer schließt sich immer enger, Calais in deutscher Hand. In Narvik in Norwegen landen schon zum zweiten Mal deutsche Gebirgsjäger durch Fallschirmabsprung und verstärken die dort kämpfende Truppe. Im Seegebiet vor Narvik werden fast täglich englische Kriegs- und Transportschiffe durch Bombenabwurf beschädigt oder versenkt, heute z.B. ein Flugzeugträger versenkt. 28. Mai 1940 König Leopold von Belgien, der im Gegensatz zu seiner nach London geflohenen Regierung an der Spitze seiner eingeschlossenen Truppen ausgeharrt hat, kapituliert mit ca.500.000 Mann, da er jeden weiteren Widerstand für zwecklos hält. Die Niederringung Belgiens hat also 18 Tage gedauert wie die Polens. 29. Mai 1940 Die Kapitulation des belgischen Heeres hat natürlich die Katastrophe der eingeschlossenen französischen und englischen Armeen beschleunigt. Heute meldet der deutsche Wehrmachtsbericht den Zusammenbruch der französischen Armeen um Lille. Die Stadt befindet sich in deutscher Hand. Aber auch oben an der Kanalküste werden Ostende und weiter südlich Langemark genommen. In diesen Tagen größter geschichtlicher Entscheidungen, die das Antlitz Europas neu prägen und jedenfalls auch das Schicksal jedes einzelnen von uns umschmieden werden, finde ich die Ruhe und Sammlung für schöpferische geistige Arbeit nicht. Außer mit meiner Berufsarbeit als Lehrer beschäftige ich mich deshalb fast ausschließlich mit dem Ausbau des Mediascher Sportbades jenseits der Kleinen Kokelbrücke, an dessen Zustandekommen ich ja auch bis jetzt entscheidend mitgewirkt habe. In diesem Frühjahr nun setze ich mit Hilfe meiner Schüler und anderen Arbeitskameraden 280 Bäumchen auf dem geräumigen Platz, lege Spielplätze und Rasenflächen an usw. usw. Denn es ist mir gerade in einer Zeit wie dieser völlig unmöglich, untätig zu sein. 30. Mai 1940 „Auch das englische Expeditionsheer in Flandern ist in völliger Auflösung“, meldet der deutsche Wehrmachtsbericht. „Sein gesamtes unübersehbares Kriegsmaterial zurücklassend flüchtet es zum Meer. Schwimmend und auf kleinen Booten versucht der Feind, die auf Reede (hauptsächlich vor Dünkirchen) liegenden Schiffe zu erreichen, auf die sich unsere Luftwaffe mit verheerender Wirkung stürzte. Über 60 Schiffe wurden getroffen, davon 3 Kriegsschiffe und 16 Transporter versenkt, 10 Kriegsschiffe und 27 Handelsschiffe aller Größen schwer beschädigt oder in Brand gesetzt.“ 3. Juni 1940 Der Küstenstreifen bei Dünkirchen ist durch Überschwemmungen (Kanäle usw.) äußerst schwer zugänglich gemacht worden. Überdies scheinen sich die Reste des englischen Expeditionsheeres verzweifelt zu verteidigen. Diesen zwei Umständen ist zuzuschreiben, daß die deutschen Truppen mit diesem Gebiet noch immer nicht ganz aufräumen konnten, obwohl sie es, laut Wehrmachtsbericht, artilleristisch völlig beherrschen und auch Schiffe täglich vor der Reede von Dünkirchen versenken oder beschädigen. Die Zahl der bisher in Flandern gefangenen Franzosen und Engländer wird mit 330.000 angegeben. 14 Der Führer hat sich entschlossen, auch die holländischen Kriegsgefangenen freizugeben. 4. Juni 1940 Zwei Sondermeldungen geben heute bekannt: 1. daß Dünkirchen, der letzte Zufluchtsort des englischen Expeditionsheeres, in deutsche Hand gefallen ist, 2. daß die deutsche Luftwaffe die Flughäfen von Paris und Umgebung wirkungsvoll mit Bomben belegt hat. Der erste dieser Angriffe fand aber schon am 3. Juni statt. Dabei wurden 104 französische Flugzeuge im Luftkampf abgeschossen und ungefähr 300-400 am Boden zerstört. Die deutschen Verluste betragen bloß 9 Flugzeuge. Sollte dies der Auftakt eines Angriffes gegen Paris sein? Um 11 Uhr abends des gleichen Tages wird dann auch noch „der zusammenfassende Kampfbericht des OKW über die Operationen im Westen vom 10.Mai bis 4.Juni“ durch eine Sondermeldung des Rundfunks bekannt gemacht. Die wichtigsten Angaben daraus lauten: 1.200.000 Gefangene. Die Anzahl der auf feindlicher Seite Gefallenen, Ertrunkenen und Verwundeten kann nicht geschätzt werden. Waffen und Geräteausstattungen von rund 80 Divisionen mit Geschützen bis zu schwerstem Kaliber wurden zerstört oder erbeutet. Im Luftkampf wurden 1142 feindliche Flugzeuge abgeschossen, 699 durch Flak herunter geholt, 1600-1700 weitere Maschinen am Boden vernichtet. Versenkt wurden 33 Kriegsschiffe und 68 Handels- und Transportschiffe, durch Bombentreffer beschädigt und teilweise vernichtet 59 Kriegsschiffe, zusammen also 277 Schiffseinheiten. Die deutschen Verluste (10.Mai bis 1.Juni): 10.252 gefallen, 8463 vermißt, 42.523 verwundet. Die deutsche Luftwaffe verlor vom 10.Mai-3.Juni 432 Flugzeuge, die deutsche Kriegsmarine kein einziges Schiff. In die Kriegsgeschichte wird dieser große Kampf „als die größte Vernichtungsschlacht aller Zeiten eingehen“. 5. Juni 1940 Ein Tagesbefehl des Führers an die Soldaten der Westfront stattet diesen tapferen und erfolgreichen Streitern den Dank ihres Obersten Befehlshabers, sowie des deutschen Volkes für den ersten entscheidenden Sieg im Westen ab. Er schließt mit den Worten: „Soldaten! Mit dem heutigen Tag tritt die Westfront wieder an. Zu Euch stoßen zahlreiche neue Divisionen, die zum ersten Mal den Gegner sehen und schlagen werden... Ganz Deutschland ist wieder im Geiste bei Euch!“ In einem Aufruf an das deutsche Volk vom gleichen Tage befiehlt der Führer zur Feier des Sieges im Westen, in ganz Deutschland auf die Dauer von 8 Tagen zu flaggen und auf die Dauer von drei Tagen das Läuten der Glocken (um die Mittagsstunde 15 Minuten lang). „Ihr Klang möge sich mit den Gebeten vereinen, mit denen das deutsche Volk seine Söhne von jetzt ab wieder begleiten soll. Denn heute morgen sind die deutschen Divisionen und Luftgeschwader erneut angetreten zur Fortsetzung des Kampfes für die Freiheit und Zukunft unseres Volkes“. 6. Juni 1940 Heldengedenktag in Rumänien. Auf dem evangelischen Friedhof in Mediasch treten ungefähr 150 ehemalige Weltkriegsteilnehmer unter meinem Kommando zur Heldengedenkfeier an. Im Rahmen derselben spreche ich meine jüngst entstandene Balade Von den alten und jungen Soldaten Einst galten uns der Hörner Ruf, der Lieder dunkles Werben Und der Trompeten Schmetterschall, der Kugeln Sang vom Sterben, 15 Wir schritten aus ins fremde Land und schritten immer wieder, Wir ritten kühle Nächte lang die Fronten auf und nieder. Wir waren jung. Wir liebten einst der Winter langes Warten, Und brannten ferne Feuer, wir nur ungeduldig harrten, Bis uns die Glut der Schlacht ergriff, auch über uns als Fahnentuch Von Morgen gegen Abend strich ein düsterer Rauch und Ruch. Heut‘ gelten euch – Ruf, Lied und Schall, ihr jungen Kameraden! Mit euren Waffen brauset ihr entgegen neuen Taten. Fast wird es weh uns um das Herz, beim Anblick eurer Heere, Wie blitzet blank in eurer Hand der Degen unserer Ehre! Heut‘ seid ihr jung. Heut‘ pflücket ihr am Rain der Schicksalsstraßen Die Sträuße der Erinnerung. Und manchen deckt der Rasen. Wie einst. Wir aber sind ihm nah. Wir kommen ungeladen - wir finden ihn, wo es auch sei – die alten Kriegssoldaten. 10. Juni 1940 Am fünften Tage der großen Schlacht in Frankreich, über die der deutsche Rundfunk offenbar aus strategischen Gründen bis jetzt sehr zurückhaltend und ohne bestimmte Ortsangaben berichtet hat, erfahren wir endlich, daß die sogenannte Weygand-Linie zwischen Kanalküste und der Maas, also in einer Frontbreite von ca.250 km, durchbrochen worden ist und daß die Kämpfe wiederum den Charakter einer offenen Feldschlacht angenommen haben. Aus dem französischen Heeresbericht ist zu entnehmen, daß die Deutschen vor Rouen stehen, also bereits die Seine erreicht haben und daß in der Gegend von Reims gekämpft wird. Der deutsche Wehrmachtsbericht meldet, daß mit heutigem Tage der Angriff auch in den Argonnen begonnen habe. „Große Erfolge sind bereits erreicht, größere bahnen sich an“. Ungeheure Freude erfüllt uns bei der Meldung, daß die deutschen Truppen vor Narvik in Nordnorwegen einen vollen Sieg errungen haben. Seit 9.April kämpften dort ostmärkische Gebirgstruppen verstärkt durch die Besatzungen einiger zerschossenen Zerstörer unter dem Kommando von Generalleutnant Dietl gegen eine ungeheure Übermacht. Viele englische Kriegsschiffe und Transporter sind dabei versenkt oder beschädigt worden. In den letzten Tagen erlitt die englische Flotte empfindliche Verluste auch durch deutsche Flotteneinheiten, die, angeführt durch die beiden Schlachtschiffe „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ u.a. den englischen Flugzeugträger „Glorions“ in den Grund schossen. Unter dem Eindruck dieser Schlappen haben sich nun die Engländer aus Narvik und Harstadt vollständig zurückgezogen, indem sie auch den norwegischen König Haakon mit dem Rest seiner Regierung nach England mitnahmen. Der zurückgebliebene norwegische Generalstabschef General Ruge hat mit dem deutschen Oberkommandierenden Kapitulationsverhandlungen angeknüpft. Nun die letzte freudige Nachricht dieses Tages: Italien erklärt um 7 Uhr nachmittag England und Frankreich den Krieg. Mussolini hält vom Balkon des Palazzo Venetia eine begeisternde Ansprache an das Volk. Der Rundfunk überträgt sie über alle deutschen Sender. In welcher Art, frägt sich nun die ganze Welt, wird Italien in die Kriegshandlungen eingreifen? Und wird es für Deutschland keine allzu große Belastung bedeuten? Bis jetzt jedenfalls hat Deutschland den Krieg allein mit größtem Erfolg geführt. 16 11. Juni 1940 Die deutschen Erfolge im Westen treten nun auch aus dem Wehrmachtsbericht immer klarer hervor. Er führt an, daß die deutschen Truppen die untere Seine an verschiedenen Stellen überschritten haben, daß Rouen sich schon seit Tagen in ihren Händen befinde, daß sie 20 km von Paris stehen und östlich davon die Marne erreicht haben. Eine abgesprengte französische Truppe von ca.20.000 Mann hat bei St.Valley und Somme die Waffen gestreckt. Le Hâvre und Cherbourg werden dauernd wirkungsvoll bombardiert. Die französische Regierung ist aus Paris geflohen, überhaupt ist die Stadt scheinbar evakuiert worden. Aber warum eigentlich? Die Italiener bombardieren Malta. 14. Juni 1940 Ich bin für zwei Tage nach Hermannstadt gefahren, um im Brukenthalmuseum zu arbeiten und andere Angelegenheiten zu erledigen. Gegen Abend führe ich meinen seit 3 Jahren schwer kranken Freund Ernst Jekelius mit seiner Familie im Auto auf der Asphaltstraße bis gegen Freck spazieren – da erzählen sie mir, daß schon zu Mittag die Sondermeldung im Rundfunk verkündet worden sei, soeben marschierten die deutschen Truppen in Paris ein. Die Fahrt durch den schönen Abend gewinnt dadurch erstrecht an Stimmung und innerem Jubel der Herzen. Schon gestern war bekannt geworden, daß die Franzosen Paris als offene Stadt erklärt haben. Es ist also nicht verteidigt und infolgedessen auch nicht beschossen worden. Es hat überhaupt nicht gelitten. 15. Juni 1940 Die Zeitungen veröffentlichen einen abschließenden Bericht des OKW über den Verlauf der militärischen Operationen in Dänemark und Norwegen. Ich will mir daraus bloß die deutschen Verluste notieren, die auch diesmal sehr geringe gewesen sind: Gefallene 1317; Verwundete 1604; Vermißte 2375 (auf Seetransport und zu Lande). Die Kriegsmarine hat 3 Kreuzer, 10 Zerstörer, 1 Torpedoboot, 6 U-boote und etwa 15 alte Kriegshilfsfahrzeuge verloren. Die Luftwaffe büßte 90 Flugzeuge beim Einsatz gegen den Feind und durch Notlandungen auf See ein. 27 Flugzeuge wurden durch Notlandung über Land und durch feindliche Einwirkung am Boden beschädigt. Verdun fällt. Die Maginotlinie südlich Saarbrücken wird in breiter Front durchbrochen. Auf dem Schloß von Versailles weht die Reichskriegsflagge. – Seit dem 5.Juni wieder in Frankreich über 200.000 Gefangene gezählt. So ist in der Weltgeschichte noch nicht gesiegt geworden! 16. Juni 1940 Die deutschen Truppen haben an der oberen Marne entlang einen tiefen Keil nach Mittelfrankreich hineingetrieben und mit ihrer Spitze bereits das Plateau von Langres überschritten. Im Rücken der Maginotlinie bereitet sich ein ungeheures Cannae vor. 17. Juni 1940 Die entlang der Marne vorgepreschten deutschen Panzertruppen haben bei Besançon die schweizerische Grenze erreicht. Der Ring um die französischen Hauptstreitkräfte ist geschlossen. In Frankreich hat gestern schon die Regierung mit Ministerpräsident Reynand an der Spitze demissioniert. Sein Nachfolger ist Marschall Petain geworden, dessen Stellvertreter General Weygand, also anscheinend eine rein militärische Angelegenheit. Heute nun, um 5 Uhr nachmittags, erfahren wir durch Sondermeldung des deutschen Rundfunks, daß Marschall Petain eine Rundfunkansprache an das französische Volk gehalten und erklärt habe, Frankreich bleibe nichts mehr anderes übrig, als die Waffen zu strecken. Auf eine diesbezügliche 17 Anfrage bei der Reichsregierung – unter welchen Bedingungen nämlich Frankreich Waffenstillstand gewährt werde – habe er die Antwort erhalten, Hitler werde sich mit Mussolini treffen, um diese Bedingungen festzusetzen. Atemberaubende Weltgeschichte! Man braucht sich bloß auf Stunden von zu Hause d.h. vom Rundfunkgerät zu entfernen, und schon hat man große Dinge verpaßt! Im übrigen gehen jetzt täglich Gewitter nieder und der Empfang ist infolge der atmosphärischen Störungen bei Tag ein äußerst schwieriger. Heute ist der dreizehnte Tag seit Beginn der deutschen Offensive (5.Juni) an der Somme gegen Frankreich. Am Abend gehen wir mit Trudl zu meiner Binder Gusti-Tante, der Schwester meines Vaters, die heute ihren 80. Geburtstag feiert. Ein großer Teil der Familie ist anwesend. Ich feiere sie in einer kurzen Ansprache als Mutter von acht Kindern, die sie dazu auch noch ganz allein erziehen mußte. Eine Frau von seltener Güte und Ausgeglichenheit. Ich verehre sie sehr. 18. Juni 1940 Ich fahre auf einige Tage nach Bad Baaßen, um meinem Ischias auf den Leib zu rücken. Aber ich weiß nicht, ob ich es in dieser bewegten Zeit in einem so weltabgeschiedenen Winkel aushalten werde. (Das Schuljahr hat heute – vorzeitig – geschlossen. Unser Paul hat die admitere mit 8,05 bestanden). Mussolini ist zur Begegnung mit Hitler nach München gefahren. Die beiden Staatsmänner begannen ihre Beratungen um 4 Uhr nachmittag im Führer-Haus. Am gleichen Abend schon verläßt Mussolini München. Er wird von einer großen Volksmenge gefeiert. Die Welt ist höchst gespannt zu erfahren, welche Antwort die Franzosen erhalten werden. 19. Juni 1940 Wir erfahren die Antwort noch nicht, sondern nur so viel, daß Hitler sie den Bevollmächtigten Frankreichs an einem bestimmten Ort übergeben wird. Der Kampf in Frankreich geht weiter, bis die Waffenstillstandsbedingungen von den Franzosen angenommen worden sind. Die deutschen Truppen stoßen u.a. kräftig nach Südosten in Richtung Lyon vor. Wahrscheinlich erstreben sie die Vereinigung mit den Italienern an. In Elsaß-Lothringen fallen Toul, Lunèville, Straßburg. Cherbourg ist in deutscher Hand. Die Themsemündung, die englische Ost- und Südküste werden von deutschen Flugzeuggeschwadern heftig bombardiert. Ob dies der Beginn des Angriffs auf England ist? An diesem Tag werden über 200.000 Gefangene eingebracht, darunter der Kommandant der französischen 10.Armee mit seinem Chef des Generalstabes. 20. Juni 1940 Die Bevollmächtigten Frankreichs unter Führung von General Huntzinger begeben sich in einem weißen Flugzeug nach Paris, wo sie in einem Hotel übernachten. Freitag, den 21. Juni 1940 Der Führer empfängt die Bevollmächtigten Frankreichs um 15:30 Uhr im Wald von Compiegne im gleichen Eisenbahnwagen, in dem 1918 Marschall Foch unter entehrenden Umständen den deutschen Waffenstillstand diktierte. Genial und zugleich künstlerisch gestaltete Weltgeschichte! Im Auftrag des Führers verliest Generaloberst Keitel eine Präambel zu den Waffenstillstandsbedingungen, in der es an einer wesentlichen Stelle lautet: „Deutschland beabsichtigt nicht, den Waffenstillstandsbedingungen den Charakter von Schmähungen gegenüber einem so tapferen Gegner zu ge18 ben“. Das Große am Führer ist, daß er seine Gegner nicht nur schlägt, sondern sie auch moralisch turmhoch überragt! Samstag, den 22. Juni 1940 Um 18:50 Uhr unterschreibt General Huntzinger im Auftrage der französischen Regierung, mit der er von Compiegne wiederholt telefonische Rücksprache pflegen konnte, die deutschen Waffenstillstandsbedingungen. Ihr Inhalt wird zunächst noch nicht bekannt gegeben. Die Waffenruhe an der Front wird aber erst 6 Stunden nach Abschluß der italienisch-französischen Waffenstillstandsverhandlungen eintreten. Unabhängig davon kapitulieren heute die in Elsaß-Lothringen kämpfenden französischen Hauptkräfte bis auf ganz geringe Reste. Ungefähr 500.000 Mann werden kriegsgefangen. Sonntag, den 23.Juni 1940 Die französische Waffenstillstandsdelegation ist mit deutschen Flugzeugen in Rom eingetroffen, von wo sie sich an einen Ort in der Umgebung der Stadt begeben hat, wo die französisch-italienischen Verhandlungen stattfinden sollen. – Otti begibt sich zum Landdienst nach Almen – 24. Juni 1940 In den Abendstunden wird der italienisch-französische Waffenstillstandsvertrag unterschrieben. Der Großdeutsche Rundfunk bringt die Sondermeldung um 10 Uhr abends: „Der Krieg im Westen ist damit beendet“. Anschließend an die Mitteilung sang ein Männerchor „Nun danket alle Gott“, das „Deutschland...“ und das „Horst Wessel Lied“. Dann gab es eine Funkstille von 3 Minuten. Nach deren Verlauf erklang das „Engeland-Lied“. Ja – endlich ist Deutschland mit England allein auf dem Plan! 25. Juni 1940 Seit heute 1:35 Uhr früh herrscht Waffenruhe auf dem französischen Kriegsschauplatz. Der Großdeutsche Rundfunk feierte den Beginn desselben durch ähnliche, bloß etwas größer aufgezogene Sendefolge wie gestern abend. Es gehen jetzt täglich in Siebenbürgen große Gewitter nieder. Die Erde ist wie ein Schwamm voll Wassers. Die Bauern (oder die Bäurinnen, denn die Bauern sind ja zum großen Teil eingerückt) können das Heu nicht trocknen, die Weingärten nicht spritzen, das Korn wird nicht reif, der Kukuruz wächst nicht. Die Flüsse sind gestrichen voll, viele auch schon aus den Ufern getreten. 27. Juni 1940 – Bad Baaßen – Kleiner Badeort Pirolflöten Amselschlagen Kuckucksrufe aus dem Wald Leere Bänk Warten, warten. Kommen Badegäste bald ? Da – schon schleifen Greisenschritte Auf dem Promenadenkies. 19 Roßkastanien Schatten fechernd. Sonne kringelt. Und wer blies ? War das nicht der Klarinette weckerischer Quirlton ? Frühkonzert der Kurkurella In dem Rosenpavillon. Horch, es knirscht der Kies schon wieder, Doch von ganz, ganz anderm Schritt. Zu dem Jubel Fernem Rauschen Tänzeln Mädchenbeine mit. Auf der Wiese Blühen Margariten Duften Thymian und Klee Schmetterlinge Flattern trunken Segel auf der Liebe See! Walzertakte, Lerchentriller. Und was knackt dort im Gebüsch ? Alte Frauen Stricken, nicken An dem runden Kaffetisch. Aber, aber Seht die Männer! Stets das alte Ungemach! Werfen ihre Kennerblicke Jedem ranken Backfisch nach. Trudl hat mich in Baaßen besucht. Als wir auf dem Wiesenweg dem Walde zu gehen, erfahren wir, daß ein Ereignis in der Luft liegt. Zwei Stunden später meldet Radio Bukarest: Rußland hat an Rumänien ein Ultimatum gerichtet, das heute abend 10 Uhr abläuft. Rußland fordert: Bessarabien, Nordbukowina und als Flottenstützpunkt Constanza am Schwarzen Meer. In Bukarest hat sich sofort der Kronrat versammelt und unter dem Vorsitz des Königs beschlossen, Rußland vorzuschlagen, einen Verhandlungsort zu bestimmen, wohin es seine Vertreter schicken könne. – Kommt auch im Osten der Stein ins Rollen? – 28. Juni 1940 Russische Truppen rücken heute in Czernowitz, Kischineff und Ackermann ein. Rumänien hat eine Räumungsfrist von nur 4 Tagen zugestanden bekommen. Noch bevor die Verhandlungen in Odessa 20 stattgefunden haben, hat Rumänien scheinbar in die Abtretung von Bessarabien und der Nordbukowina einwilligen müssen. Dafür ist heute von Constanza keine Rede mehr. Ich kehre von Baaßen nach Hause zurück. Trudl holt mich ab. Abends Kränzchen bei Dr.Scheiners. Trotz der bewegten Ereignisse sind wir sehr vergnügt. Da platzt gegen Mitternacht eine Bombe: wir erfahren, daß Rumänien die allgemeine Mobilisierung angeordnet habe. Wir gehen rasch auseinander. Als wir mit Trudl zu Hause eintreffen, liegt auf dem Treppengeländer in unserer schönen Diele ein Telegramm: ich bin zu meinem Regiment in Tecuci einberufen. Aus den Mitternachtsnachrichten geht hervor, wodurch die Mobilisierung ausgelöst worden ist: nach Rußlands gelungener Aktion ist nun auch Ungarn der Appetit gekommen. Es fordert seinerseits Siebenbürgen für sich. Es verkündet frei und offen, daß die Friedensverträge von Versailles und Trianon ihre Gültigkeit verloren hätten und daß es infolgedessen seine vor Monaten von der siebenbürgischen Grenze zurückgezogenen Truppen wiederum habe aufmarschieren lassen. Seine Grenzjäger seien bereits vorgerückt. Meine Schwiegereltern kehren aus Berlin zurück. 29. Juni 1940 Peter und Paulstag. Seit langer Zeit ein Tag ohne Regen und Gewitter. Im Mediascher Strandbad herrscht großer Betrieb. Ich freue mich sehr darüber, daß ich dazu beigetragen habe, diese schöne und für unsere Kinder so wohltuende Anlage zu schaffen. Im heurigen Sommer werden sie sowieso nicht verreisen können. Jetzt sitze ich in unserem schönen, üppig grünen Garten und schicke mich an, von unserem Heim Abschied zu nehmen. Ich denke: Deutschland müßte unbedingt eingreifen, um einen Krieg zwischen Rumänien und Ungarn zu verhindern. Sonntag, der 30. Juni 1940 Deutschland hat eingegriffen. Berlin hat im Einvernehmen mit Rom keinen Zweifel darüber bestehen lassen, daß der Südosten aus dem Krieg heraus bleiben soll. Ein gewisser Erdrutsch habe zwar infolge der westeuropäischen Ereignisse, im Osten nicht verhindert werden können. Daß die territoriale Bereinigung des rumänisch-russischen Verhältnisses aber auf friedlichem Wege möglich geworden ist, hat in Berlin große Genugtuung hervorgerufen. Durch alle diese Erklärungen, die auch von Ungarn offiziell zur Kenntnis genommen worden sind, ist bei uns eine fühlbare Entspannung eingetreten.. Rumänien hat seit gestern für 3 Tage Trauer angeordnet. Es dürfen keine Veranstaltungen stattfinden, es darf keine Musik spielen. 1. Juli 1940 Die rumänische Regierung erklärt, daß sie auf die im April 1939 ausgesprochenen Garantien Englands und Frankreichs verzichtet. 3. Juli 1940 Heute mittags 1½ Uhr gibt der Großdeutsche Rundfunk den abschließenden Bericht des OKW über den Feldzug in Frankreich, den größten Siegeszug der Weltgeschichte, bekannt. Es geht daraus hervor, daß die Deutschen mit drei Heeresgruppen und insgesamt 8 oder 9 Armeen die Angriffe gegen Frankreich ansetzten. Die deutschen Verluste betragen: 16.822 Tote; 9921 Vermißte; 68.500 Verwundete. Sie betrugen insgesamt seit dem 10.Mai bis zum Waffenstillstand: 27.000 Tote; 18.384 Vermißte; 111.034 Verwundete. Verglichen mit den Verlusten im (Ersten) Weltkriege und wohl auch verglichen mit den Verlusten des Gegners erscheinen sie fast unglaubhaft gering. Sie sind überhaupt nur durch die Deutsche Überlegenheit auf allen Gebieten der Kriegführung zu erklären. Die blutigen Verluste des Gegners sind nicht einmal schätzungsweise genannt worden. An Gefangenen ließen die Franzosen in den Händen der Deutschen über 1.900.000 Mann. 21 Heute Nacht begebe ich mich zu meinem Regiment nach Tecuci – laut Einberufungsbefehl – und schließe hiermit die Eintragungen dieses Bändchens. gez. Otto Folberth Ins Reine geschrieben von Gerhard Feder im Januar 2000 im Auftrag von Paul J. Folberth 22