07_Aufsatz06_Moreno 61..66 - Haus der Bayerischen Geschichte
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61 Barry Moreno Castle Garden und Ellis Island: Tore zu einer neuen Welt Betrachtet man die Geschichte der Masseneinwanderung in die Vereinigten Staaten, so drngt sich unweigerlich New York auf, die Stadt, die den bedeutendsten Anlegehafen der Nation besaß, in dem der grßte Teil der Immigranten zwischen 1820 und 19601 ankam. New York war in Nordamerika fhrend in Handel und Transport und der Transport der Einwanderer stellte hierbei keine Ausnahme dar: Nicht enden wollende Strme von Menschen setzten von New York aus ihre Reise in die Groß- und Kleinstdte und in die lndlichen Regionen der Vereinigten Staaten und Kanadas fort. Die großen Einwanderungswellen stellten eine starke Belastung fr die finanziellen Ressourcen der betroffenen Stdte dar und so wurden bald zwei Kontrollstationen fr Einwanderer eingerichtet, die die Einwanderungspolitik der Vereinigten Staaten fr fast ein Jahrhundert bestimmen sollten: Castle Garden und Ellis Island. Hilfsvereine, einzelne Brger und staatliche Stellen suchten nach einem Weg, um Einwanderer vor kriminellen bergriffen und anderen Gefahren zu bewahren. Als Lsung bot sich eine zentrale Auffangstation an, in welche die Einwanderer direkt nach ihrer Ankunft in New York gebracht wurden, wo man sie registrierte, wo sie aber auch Rat und Hilfe erhalten konnten. Von 1855 bis 1890 wurde Castle Garden, eine alte Festung im New Yorker Stadtteil Lower Manhattan, fr diesen Zweck genutzt. Castle Garden wurde spter von Ellis Island abgelst, das bis zum Jahr 1954 geffnet blieb. Castle Garden und Ellis Island stehen fr zwei unterschiedliche Zeitrume in der Geschichte der Einwanderung. Vor 1855 wurden Auslnder an mehreren Anlegestellen New Yorks an Land gelassen. Die Einwandererbehrde „State Board of Emigration Commissioners“ sah in den dezentralen Ankunftsstellen eine große Gefahr, weil die Neuankmmlinge dadurch eher bergriffen durch Kriminelle, betrgerische Pensionswirte und sonstige Geschftemacher ausgeliefert waren.2 In gewisser Weise definierten die Einwanderer selbst und die Verantwortung, die man ihnen gegenber empfand die beiden unterschiedlichen Stationen Castle Garden und Ellis Island. In der Forschung wurde die Einwanderung, wie sie sich in Castle Garden abspielte, also die erste Phase, als „Old Immigration“ definiert, whrend die zweite Phase in Ellis Island als „New Immigration“ bezeichnet wurde. Diese Begriffe wurden bis um 1900 beibehalten, als ein Wechsel der Nationalitten, die die Einwanderungsstrme in Ellis Island dominierten, beobachtet wurde. Die Bezeichnungen „Old“ und „New Immigration“ zeigen, wie die Brger der Vereinigten Staaten die kulturellen und ethnischen Unterschiede der Vlker Europas wahrnahmen. Die „Old Immigration“ aus der Zeit in Castle Garden bestand hauptschlich aus protestantischen und ka- tholischen Nord- und Westeuropern. Die Einwanderer der „New Immigration“ von Ellis Island, die die Amerikaner so erschreckte, stammten zu großen Teilen aus Ost- und Sdeuropa und bestanden in erster Linie aus Katholiken, Juden und orthodoxen Christen.3 1896 berstieg erstmals die „New Immigration“ die „Old Immigration“ in den US-Hfen.4 Ein weiteres Merkmal, das die beiden Einwanderungsstationen unterschied, ist die Art ihrer Arbeit. In Castle Garden ging es nicht nur darum, den Einwanderern eine sichere Ankunft in den Vereinigten Staaten zu gewhrleisten, sondern ihnen auch zu helfen ihren bergang in ein neues Leben besser zu bewltigen. In dieser Auffassung drckt sich der Gedanke der Wohlttigkeit aus. So stand den Einwanderern ein Arbeitsamt zur Verfgung, das ihnen bei der Arbeitssuche half. Pensionswirte boten den Ankommenden sofortige Unterkunft in New York an. Im Gegensatz dazu gaben die Behrden in Ellis Island keine Untersttzung bei der Arbeitssuche. Die Hauptaufgabe der Chefinspektoren von Ellis Island bestand vielmehr darin unerwnschte Einwanderer zu klassifizieren und sie so schnell wie mglich in ihr Heimatland zurckzuschicken. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten zwischen Castle Garden und Ellis Island. Bei der Ankunft der Schiffe im Hafen gingen Mitarbeiter der Einwanderungsstellen an Bord und brachten die Passagiere der Zwischendecks zu ihren Unterknften. In beiden Ankunftszentren waren medizinische Untersuchungen vorgeschrieben. Eigens ausgebildete Mitarbeiter registrierten die angekommenen Auslnder mithilfe von Fragebgen. Man bemhte sich um Familienzusammenfhrungen, es war vorgesehen straffllige Auslnder in Gewahrsam zu nehmen und sowohl in Castle Garden wie auch in Ellis Island wurde Missionaren und Vertretern ethnischer Hilfsorganisationen erlaubt den Einwanderern vor Ort zu helfen. Castle Garden wurde gegrndet, als das Einwanderungswesen noch in Hnden der einzelnen Bundesstaaten lagen. Die Bundesregierung fhlte sich nur fr politische Fragen zustndig, wie beispielsweise die Naturalisierung und die Registrierung auslndischer Passagiere, nahm sich aber auch der sanitren Zustnde an Bord der ankommenden Schiffen an. In der Zeit von 1855 bis 1890, als Castle Garden als Sammelstelle fr Einwanderer diente, wurden dort 8,2 Millionen Einwanderer aufgenommen, davon waren ungefhr drei Millionen Deutsche.5 Diese Zahl steht in erster Linie fr den Exodus von großen Bevlkerungsteilen Nord-, West- und Mitteleuropas, aber es gab auch kleinere Gruppen aus anderen Teilen der Welt, aus China, Mexiko, dem Nahen Osten und Sdamerika.6 Castle Garden war von 1808 bis 1811 als Teil einer Reihe von Festungshfen erbaut worden, die New York gegen 62 ist nicht alles Honig was sß ist, den selbst der Honig komt von Bienen die Stacheln haben, „EsAmerika ist ein gutes, schnes Land, hat aber auch seine viele Unanehmlichkeiten. “ Seeangriffe schtzen sollten. Es war zunchst unter dem Namen West Battery bekannt, seit 1815 als Castle Clinton. 1823 schloss die amerikanische Armee den Militrposten und gab die Festung an die Stadt New York weiter, die sie an private Investoren verpachtete. Diese erffneten sie einige Monate spter als Veranstaltungsort unter dem neuen Namen „Castle Garden“. Dort fanden die Empfnge fr Marquis de Lafayette (1824) und fr Prsident Andrew Jackson (1832) statt sowie Charles Durants spektakulre Heißluftballonfahrt im Jahr 1830.1839 diente Castle Garden als Theater. Europische Stars, wie die Opernsngerin Jenny Lind, „die schwedische Nachtigall“ (1850), und die Geliebte Knig Ludwigs I. von Bayern, die irische Tnzerin Lola Montez (1851), gaben dort ihre spektakulren Debts. 1855 wurde das Theater geschlossen. Kurz darauf bernahm der „Board of Emigration Commissioners“ das Gebude. Am 3. August 1855 wurde trotz aller Proteste in der Bevlkerung das im Stadtviertel „First Ward“ gelegene Castle Garden als zentrale Sammelstelle fr Einwanderer erffnet. Der 1847 gegrndete „Board of Emigration Commissioners“ bestand aus zehn Mitgliedern: sechs Mitglieder, die vom Gouverneur ernannt wurden, die Brgermeister der Stdte New York und Brooklyn sowie die Prsidenten der mchtigen deutschen und irischen Hilfsvereine fr Einwanderer. Die Vertreter dieser Behrde kontrollierten Schiffe, halfen Neuankmmlingen auf praktische Art, z. B. bei der Suche nach Arbeit oder Unterknften, und organisierten die Weiterfahrt ins Landesinnere. 1848 wurde das staatliche VerplanckKrankenhaus fr Einwanderer, das 350 Patienten aufnehmen konnte7, erffnet. Dieser Zufluchtsort fr Einwanderer lag auf Wards Island, einer im East River gelegenen Insel von gut 100 Hektar Grße. Wards Island bot der Einwanderungsbehrde auch ausreichend Platz, um Einwanderer gegebenenfalls in Gewahrsam zu nehmen. Mit der Erffnung von Castle Garden war das Ziel erreicht, den Schutz der angekommenen Einwanderer zu verbessern und die Stadt New York, die die Obsorge fr mittellose oder kranke Auslnder trug, zu entlasten. In Castle Garden waren rund hundert Angestellte ttig. Mehrere Abteilungen sorgten fr die Einhaltung und Durchfhrung der zahlreichen Bestimmungen. Die Aufgabe der Abteilung fr Unterknfte bestand unter anderem darin, Vertreter zu den Schiffen im New Yorker Hafen zu schicken, nachdem dort eine Quarantne-Inspektion stattgefunden hatte. Schreiber sammelten Informationen ber die Zahl der Passagiere und die hygienischen Verhltnisse an Bord. Wenn das Schiff anlegte, begleiteten ein New Yorker Zollbeamter von Castle Garden und ein Mitarbeiter der Anlege-Abteilung New York aus der Vogelschau, im Vordergrund links das Gebude von Castle Garden (Kat.-Nr. 6.5) 63 Die Einwanderer-Aufnahmestation Castle Garden (Kat.-Nr. 6.7) den Transport der Einwanderer mit Schleppern und Khnen zum Pier der Sammelstelle. Von dort wurden sie in die ehemalige Festung gebracht, um einer ersten medizinischen Untersuchung unterzogen zu werden. Einwanderer, die als krank eingestuft wurden, brachte man per Schiff entweder nach Wards Island oder zum Pockenkrankenhaus auf Blackwells Island. Behinderte, psychisch Kranke und blinde Personen oder solche, die unfhig waren fr sich allein zu sorgen, wurden nur mit Sondergenehmigung aufgenommen. Anschließend hatten sich die Auslnder in den Rundbau von Castle Garden zu begeben. Der mit Holzbnken ausgestattete Raum war als Durchgang gedacht. Holzgatter dienten zur Kontrolle der Massen. Der Raum fasste rund 3 000 Personen. Die Registrierungsbehrde, die in englischsprachige und fremdsprachige Bereiche unterteilt war, befragte die Neuankmmlinge und notierte Namen, Nationalitt, ehemaligen Wohnort und das Ziel in Amerika. Wie eine solche Befragung vor sich ging, beschrieb ein Reporter der „New York Sun“: „Ein junger Deutscher zeigt seinen Pass und sein Name wird in das Buch des Schreibers eingetragen. Dann folgen die Fragen: ,Haben Sie Geld bei sich?’ ,Nein, Sir’ [ber einen Dolmetscher]. ,Freunde in der Stadt?’ ,Nein, Sir.’ ,Nirgendwo im Land?’ ,Nein, Sir.’ ,Was gedenken Sie zu tun?’ ,Ich bin Bcker und wrde hier nach Arbeit suchen.’ ,Wie haben Sie vor zu leben, bis sie Arbeit gefunden haben?’ Der junge Mann zgert und der Dolmetscher erklrt ihm, dass er dem Beamten beweisen msse, dass er nicht gezwungen sein werde Wohlttigkeit in Anspruch zu nehmen. Daraufhin zieht der junge Mann eine große, schwere Golduhr aus seiner Hosentasche und legt sie auf den Schreibtisch. ,Ich hatte vor,’ so sagt er, ,das deutsche Konsulat anzurufen und es zu bitten, die Uhr als Sicherheit fr meine Unterkunft bei einer Pension, die es empfehlen sollte, so lange zu behalten, bis ich meinen ersten Lohn bekomme. Sie gehrt wirklich mir’ , beeilt er sich hinzuzufgen: ,Sie werden den Namen meines Vaters im Gehuse eingraviert finden. Es war sein einziges Erbstck und ich wrde es fr nichts auf der Welt verkaufen.’ Die Verantwortlichen entschieden ihn fr weitere Untersuchungen festzuhalten, aber er erhielt die Erlaubnis ,im Land zu bleiben’, wie man so schn sagte, wenn sich jemand von einer deutschen Gesellschaft fnde, der gewhrleisten knne, dass der junge Mann ein Jahr lang nicht der ffentlichkeit zur Last fallen wrde.“8 Nachdem die Angekommenen umfassend registriert waren, wurden sie fr die Weiterfahrt zur Bahn gebracht. Diejenigen, die kurzzeitig oder unbegrenzt in New York und Umgebung blieben, wurden zur stdtischen Gepckzustellung transportiert, wo sie die Befrderung ihres Gepcks zur neuen Adresse veranlassen konnten. Das Gepck wurde gewogen, mit Schildchen versehen und die Frachtkosten wurden berechnet. Den Einwanderern selbst bot man eine kostenlose Fahrt auf Dampfern an zu den Zielstationen der verschiedenen Bahnstrecken und Dampferlinien. Viele 64 alle … sind in den Castle Garden gefhrt worden. „Wir Da war ein Gebude, nmlich wie die Kirche zu Niederachdorf bei Euch, ein sehr großes Gebude … “ Einwanderer hatten Verwandte oder Freunde, die nach Castle Garden kamen, um sie zu besuchen. Die Auskunftsbehrde kmmerte sich auch um die Besucher und achtete sorgsam darauf, wie viele Ehefrauen zu Ehemnnern kamen und wie viele Kinder zu Eltern und Vormndern. Die Mitarbeiter dieser Behrde waren ausgebildete Dolmetscher fr verschiedenste Sprachen wie Deutsch, Schweizerdeutsch, Franzsisch, Hollndisch und Schwedisch.9 Die Verwaltungsabteilung, die sich ebenfalls im Rundbau von Castle Garden befand, verschickte Briefe, erledigte berweisungen und gab Telegramme fr Einwanderer auf. Es standen auch professionelle Schreiber zur Verfgung, die der Sprachen Kontinentaleuropas mchtig waren. Sie schrieben Briefe fr Einwanderer, die oft des Lesens und Schreibens unkundig waren.10 Eine wichtige Aufgabe hatten die Devisenmakler, die auslndische Whrungen umtauschten. Ein Arbeitsamt half den Auslndern, unmittelbar nach ihrer Ankunft in Amerika Arbeit zu finden. Im Jahr 1871 konnte man 31384 Einwanderern Arbeit vermitteln, darunter 20 507 Mnnern und 10 877, also etwas ber die Hlfte, Frauen.11 Mnnliche Einwanderer fanden meist eine Beschftigung im Handwerk als Schreiner, Schuhmacher, Bcker, Weber, Schneider oder Grtner. Wichtige Hilfestellung gaben auch die Pensionswirte, bei denen die Neuankmmlinge erste Unterkunft fanden. Den Wirten wurden strenge Auflagen gemacht, die Ausbeutung und Betrug verhindern sollten. 1867 schickten 76 auf Einwanderer spezialisierte Pensionswirte ihre Vertreter nach Castle Garden; 35 dieser Pensionen waren ausschließlich fr Deutsche bestimmt. Es gab aber auch innerhalb von Castle Garden ein gut ausgestattetes Restaurant, mehrere Brotstnde, Waschrume fr beide Geschlechter und das Western-Union-Telegrafenamt. 1890 bestimmten der Kongress und Prsident Benjamin Harrison Ellis Island als zentrale Sammelstelle fr Einwanderer in die Vereinigten Staaten einzurichten. Die ersten Gebude wurden 1891 errichtet, am 1. Januar 1892 wurde Ellis Island offiziell erffnet. Die Einwanderungsbehrde, die ihren Sitz in Washington hatte, fhrte die Aufsicht. Ein Aufsichtsbeamter, der direkt vom Prsidenten ernannt wurde, beaufsichtigte die Belegschaft von Ellis Island mit damals rund 700 Angestellten Inspektoren, Dolmetscher, Betreuer und rzte eingerechnet. Das medizinische Personal arbeitete fr das ffentliche Gesundheitswesen der USA. Zunchst wurde vieles aus dem alten Castle Garden weitergefhrt und viele der frher in Castle Garden Beschftigten fanden in Ellis Island Arbeit. Bewhrte Vorgehensweisen, wie die Registrierung der Einwanderer und die Aufnahme der Kranken, wurden beibehalten. Neue Regelungen im Zusammenhang mit der Einwanderung machten Inspektoren erforderlich, deren Aufgabe es war Missbrauch der neuen Einwandererverordnung von 1891 festzustellen und zu unterbinden. Zu den Einwanderern, die durch das Gesetz von 1891 ausgeschlossen wurden, zhlten diejenigen, „die voraussichtlich eine Belastung fr die ffentlichkeit werden wrden“, ausdrcklich genannt sind Menschen, die unter bestimmten ansteckenden Krankheiten litten oder alle verurteilten Verbrecher und Polygamisten.12 Wie bereits in Castle Garden musste auch bei den brokratischen Ablufen in Ellis Island die Effizienz gewhrleistet sein. Die Abteilung fr Unterknfte kon- Wilhelm Schleich in Ellis Island (Kat.-Nr. 6.27) 65 Hauptgebude von Ellis Island (Kat.-Nr. 6.16) trollierte schon auf den einlaufenden Schiffen die Passagiere des Zwischendecks, der dritten Klasse sowie kranke Passagiere und brachte sie nach Ellis Island. Die medizinische Abteilung unterzog alle Einwanderer bereits auf der „Kontrolllinie“ einer kurzen krperlichen Untersuchung, die sich auf Augen, Gesicht, Hals, Kopfhaut, Hnde sowie den allgemeinen krperlichen und geistigen Zustand bezog. Besonders geachtet wurde auf Anzeichen von Bindehautentzndung, Tuberkulose, Kopfgrind, Kropf, Diphtherie, Geschlechtskrankheiten, Epilepsie, Herz- oder Lungenkrankheiten, Masern, Erblindung, schwachen Krperbau, Lhmung, Senilitt, Schwachsinn, Depressionen, Alkoholsucht, Drogenabhngigkeit oder Geisteskrankheiten.13 Die Inspektoren der Registrierungsabteilung, die in der Great Hall (auch Registry Room genannt) arbeiteten, befragten die Einwanderer und entschieden ber die Erlaubnis zur Einreise. Den Einwanderern wurden zwischen 29 und 33 Fragen gestellt. Die Fragen basierten auf den Passagierlisten der Schiffe und wurden von den Bediensteten bereits an Bord vorbereitet. Informationen, die auf diesen Papieren festgehalten wurden, betrafen unter anderem den Namen des Einwanderers, Alter, Beruf, Reiseziel, verfgbares Geld und Volkszugehrigkeit. Durchschnittlich zehn Prozent der Einwanderer wurden ins Krankenhaus eingewiesen, weitere zehn Prozent wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen oder einer genaueren Befragung durch eine Spezialabteilung unterzogen. Diese bestand aus verschiedenen Gremien, die die verdchtig erscheinenden Ein- wanderer strengstens befragten und weitere Ermittlungen durchfhrten. Es gab ein breites Angebot an Dolmetschern, die nicht weniger als 36 Fremdsprachen beherrschten. Weitere Aufgaben nahmen die Festnahme-, Entlastungs-, Abschiebungs- und Statistikabteilungen wahr. Wichtige Hilfsvereine waren der deutschlutherische Verein14, der St.-Raphaelsverein15 und der Hilfsverein fr jdische Einwanderer. Den grßten Zulauf erlebte Ellis Island in den Jahren von 1900 bis 1924. In dieser Zeit wurden dort tglich 5 000 bis 7 000 Einwanderer abgefertigt. Am 17. April 1907 wurde ein Rekord von 11747 befragten Personen verzeichnet. Mehr als hundert Dampferlinien brachten Millionen von Einwanderern in die USA. Anfang 1920 bentigte man nur einen gltigen Pass, um in die Vereinigten Staaten einreisen zu knnen. 1921 wurde eine Quotenregelung eingefhrt, die die Einwanderung aus Sd- und Osteuropa reduzieren sollte, aber es war schließlich das stark einschrnkende Einwanderungsgesetz von 1924, das der Einwanderung jh einen Riegel vorschob und der Massenzuwanderung in die USA ein Ende setzte. In dieser Zeit wurde auch die Visapflicht eingefhrt. Trotz dieses drastischen Einschnitts blieb Ellis Island bis 1954 geffnet. In den 62 Jahren seines Bestehens wurden mehr als 12 Millionen Einwanderer hier durchgeschleust; ungefhr 600 000 Menschen kamen aus Deutschland. In den letzten Jahrzehnten seines Bestehens diente Ellis Island hauptschlich als Verwahrungsort fr Kriminelle und unerwnschte Auslnder. Whrend des Zweiten Welt- 66 „brigens ist das Erste, Nothwendigste, Kenntnisse der englischen Sprache. (1866)“ Haupthalle von Ellis Island mit den durch Holzgatter getrennten Gngen (Kat.-Nr. 6.18) kriegs wurden dort feindliche Auslnder, tausende Deutsche, hunderte Italiener und Japaner, in Gewahrsam genommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Personen, die als Anhnger des Faschismus oder des Kommunismus verdchtig waren, auf Ellis Island berprft. Ellis Island wurde im November 1954 aus Kostengrnden geschlossen. Die Stilllegung durch die USEinwanderungsbehrde im Mrz 1955 erregte das ffentliche Interesse im Hinblick auf die historische Rolle, die Ellis Island in der Geschichte der weltweiten Migration gespielt hatte. Dies mag der Grund dafr gewesen sein, dass Ellis Island 1965 in die Obhut des National Park Service kam. 1980 begann ein umfangreiches Restaurierungsprojekt, das im September 1990 zur ffnung des „Ellis Island Immigration Museum“ fhrte. Anmerkungen bersetzung von Sandra Peters, Mnchen 1 In diesem Zeitraum kamen etwa 30 Millionen Immigranten durch New York. 2 Kapp, Friedrich (Hg.): Immigration and the Emigration Commissioners of the State of New York, New York 1870, S. 44. 3 Pitkin, Thomas M.: Keepers of the Gate: A History of Ellis Island, New York 1975. 4 Moreno, Barry: United States Immigration Laws and Policies of the Nineteenth Century and Their Enforcement at the Port of New York, in: Panek, Kornelia (Hg.): Schne Neue Welt. Rheinlander erobern Amerika, Kommern 2001. 5 Svejda, George J.: Castle Garden as an Immigrant Depot, 1855 bis 1890, Washington 1968, S.158 f. 6 State of New York, Annual Report of the Commissioners of Emigration [immigration tables], New York 1871. 7 Kapp (wie Anm. 2). 8 Castle Garden Scenes Among a Shipload Waiting to be Landed Weeding Out the Ailing and the Friendless and the Very Poor, in: New York Sun vom 28. Mai 1887. 9 Svejda (wie Anm. 5), S.126 130. 10 Ebd., S.130. 11 State of New York, Annual Report of the Commissioners of Emigration, S.116. 12 U. S. Department of Justice. Statistical Yearbook of the Immigration and Naturalization Service, Appendix 1, Washington 1997; allgemein zur Geschichte von Ellis Island: Corsi, E. (Hg.): In the Shadow of Liberty: The Chronicle of Ellis Island, New York 1935. 13 Unrau, Harlan D.: Historic Resource Study Ellis Island, Bd.1, National Park Service 1984. 14 Der Geistliche Georg Doering war um 1900/10 der leitende deutschlutherische Missionar der Station. 15 Der katholische St.-Raphaels-Verein war vom so genannten LeoHaus in der 23rd Street in Manhattan aus ttig.