Ausführlicher Artikel
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ò Banking Kreditkarten Mehr als nur Zahlungsmittel Aus dem modernen Zahlungsverkehr ist sie nicht mehr wegzudenken: die Kreditkarte. Anfangs ein Medium, dem etwas Elitäres anhaftete und das nur gehobenen Kreisen vorbehalten war, ist die Kreditkarte heute in allen Gruppen der Bevölkerung weit verbreitet. Doch in dem Maß, wie die Zahlungsmittelfunktion selbstverständlicher geworden ist, haben die Strategen in Banken und Kreditkarten-Organisationen die kleine Karte neu entdeckt: als Multitalent für das Marketing. Dirk Franke Y Keywords: Kreditkarten, Marketing Mit dem Essen fing es an: Vor 55 Jahren eröffneten die beiden New Yorker Frank MacNamara und Ralph Schneider einem kleinen Kreis enger Freunde die Möglichkeit, in ebenso ausgewählten Restaurants der Stadt auf Kredit essen zu gehen – der Diners Club war geboren, und mit ihm die erste Universalkreditkartenorganisation der Welt. Seitdem hat die Kreditkarte eine lange und beeindruckende Geschichte hinter sich ÿ 1. Heute gibt es fünf international tätige Kreditkartenorganisationen, und es sind mehr als 2 Mrd. Karten im Umlauf. Im Jahr 2003 wurden sie 57,6 Mrd.-mal eingesetzt, um ein Umsatzvolumen von 4.744,0 Mrd. USD abzuwickeln. Die Vereinigten Staaten sind nicht nur das Mutterland der Kreditkarte, sondern waren bis 1990 auch das Land, in dem mehr als die Hälfte aller international einsetzbaren Kreditkarten ausgegeben wurde. Seither jedoch gibt es außerhalb der USA mehr Kreditkarten als in den USA. „Echte“ Kreditkarten ... Kreditkarten im klassischen Sinn sind Zahlungskarten, die dem Benutzer erlauben, durch den Einsatz der Karte tatsächlich einen Kredit aufzunehmen. Dabei legt 38 die bank 4.2005 die ausgebende Bank je nach Bonität des Kunden vorab einen individuellen Kreditrahmen und die Rückzahlungsmodalitäten fest. Innerhalb dieser Grenzen kann der Karteninhaber autonom handeln: den Kreditrahmen nach Belieben ausschöpfen und entscheiden, wann und wie er seine Schuld begleicht. Präferiert der Kunde eine Rückzahlung in Raten, fallen in der Regel Zinsen an. Ein Beispiel ist die „Revolving Credit Card“ der Dresdner Bank: Der Verfügungsrahmen wird zwischen 500 EUR und 5.000 EUR festgelegt. Wird er in Anspruch genommen, kann die Rückzahlung in monatlichen Raten von wahlweise 5 % oder 10 % des Verfügungsrahmens erfolgen, so dass der Kunde sich auf die Abbuchung eines fixen Betrags pro Monat einrichten kann. Wird – in Form einer „Sondertilgung“ – zusätzlich etwas überwiesen, spart der Kunde Zinsen. ... und „unechte“: Charge Cards Etwas weniger großzügig ist das Leistungsangebot so genannter Charge-Karten, die jedoch auch unter den Begriff der Kreditkarte fallen. Auch hier gibt es einen bonitätsabhängigen, individuellen Verfügungsrahmen, der wie bei der klassischen Kreditkarte zinslos ausgeschöpft werden kann, jedoch in aller Regel weniger üppig ausfällt. Nicht selten sind Charge-Karten auch an ein Girokonto gebunden. Der ent- scheidende Unterschied aber ist: Der Karteninhaber muss die innerhalb eines Monats getätigten Zahlungen in einem Einmalbetrag begleichen, in der Regel durch Lastschrift vom Girokonto. Eine zusätzliche Kreditfunktion bietet die Charge Card nicht, sie gewährt nur ein kurzfristiges, zinsloses Darlehen. Mastercard und Visa, die größten Kreditkartengesellschaften der Welt, geben nur Charge-Karten aus. Echte „Kreditkarten sind weit mehr als nur Zahlungsmittel: Sie haben sich inzwischen zu vielfältig genutzten Marketing-Instrumenten entwickelt.“ Kreditkarten dagegen gibt es etwa bei Barclaycard, American Express oder Diners. Schließlich gibt es Karten, auch etwa bei Mastercard und Visa, die, analog zur ECKarte, nur über eine Debitfunktion verfügen. Sie können nur eingesetzt werden, wenn das Girokonto eine ausreichende Deckung aufweist, und der fällige Betrag wird sofort nach dem Zahlungsvorgang abgebucht. Kreditkarten sind aber weit mehr als nur Zahlungsmittel: Sie haben sich inzwi- Banking ò Y ”1 schen zu vielfältig genutzten MarketingInstrumenten entwickelt. Das gilt zum einen für das Modell der Co-Branding Cards: Große Handels- und Industrieunternehmen, in deren strategischem Interesse es liegt, die eigene Marke zu profilieren, geben gemeinsam mit einer Bank oder einer Kreditkartengesellschaft eine Karte heraus, deren Design sich meist eng am Corporate Design des Unternehmens orientiert. Zusätzlich zu den üblichen Kreditkartenfunktionen enthalten Co-Branding Cards in der Regel Leistungen des jeweiligen Unternehmens. Die Kreditkarte – eine Chronologie Nicht nur Zahlungsmittel 1952-58 Gründung von Diners Clubs in Großbritannien, Frankreich, Spanien, Mexiko, der Schweiz, Deutschland, Australien, Brasilien, den Benelux-Ländern und Italien. Beispielhaft hierfür sind Kreditkarten von Fußballvereinen (die bank 1/2004): So gibt es bei der Citibank die „Hansa Rostock Fan VISA Karte“, die etwa eine Stadionunfallversicherung bei Heimspielen beinhaltet. Weitere Beispiele sind eine Mastercard der Lufthansa, die an das Vielflieger-Programm „Miles&More“ gekoppelt ist, oder die „TUI VISA Card Gold“ der Commerzbank, die Platzreservierungen im Flugzeug sowie Sondertarife bei Hotels und Mietwagen bietet. Für manche Finanzdienstleister gibt das Modell des Co-Branding sogar den Ausschlag für den Vorstoß in neue Geschäftsfelder: So hat die Deutsche Vermögensberatung – gemeinsam mit der Deutsche Bank-Gruppe und Mastercard – die Michael Schumacher-Kreditkarte auf den Markt gebracht und ist damit erstmals in das Kreditkartengeschäft eingestiegen. Der mehrfache Formel 1-Weltmeister ist seit 1996 Sponsoring-Partner der Deutschen Vermögensberatung. Auch die Deutsche Bank-Gruppe findet sich auf dem Y Logo der Karte. Das Prinzip des Co- 1894 Hotels in den USA geben die ersten Kundenkreditkarten an Gäste aus. Ab 1920 folgen Mineralölkonzerne und Kaufhausgesellschaften, nach 1945 auch Restaurantketten und Fluglinien. Das Prinzip: Kunden erwerben Leistungen auf Kredit, jedoch nur beim ausgebenden Unternehmen. 1950 Der Diners Club gibt die erste Universalkreditkarte heraus. Zuerst erhalten nur Freunde und Bekannte der Gründer Frank MacNamara und Ralph Schneider die Möglichkeit, in ausgewählten New Yorker Restaurants auf Kredit zu speisen. Später können Kunden mit entsprechender Bonität die Karten bei allen Unternehmen einsetzen, mit denen ein Akzeptanzvertrag besteht. 1951 Die Franklin National Bank von Rockville Center, Long Island, gibt die nächste Universalkreditkarte heraus. Seither wird zwischen Travel & Entertainment-Kreditkarten, die primär auf die Bedürfnisse der geschäftlich und privat viel Reisenden ausgerichtet sind (Diners Club), und Bankkreditkarten (Franklin National Bank) unterschieden. 1958 American Express Card kommt als zweite Travel & Entertainment-Kreditkarte auf den Markt – mit großem Erfolg: 32.000 Vertragsunternehmen und 475.000 Karten nach 3 Monaten Geschäftstätigkeit. Bald wird Diners Club in puncto Umsatz, Akzeptanzstellen und Kartenzahl überflügelt. Insgesamt sind 1,2 Mio. internationale Kreditkarten im Umlauf, die von 40.000 Vertragspartnern akzeptiert werden. 1959 Nach der Franklin National Bank bringen auch die Bank of America (BankAmericard) und die Chase Manhattan Bank (Bank Charge Card) Bankkreditkarten auf den Markt. 1967 Mehrere regionale US-Bankkreditkartenvereinigungen schließen sich zur Interbank Card Association zusammen und bieten die Mastercard an. 1968 Jede zehnte US-Bank bietet Kreditkarten an. 1975 International sind 100 Mio. Kreditkarten im Einsatz. 1977 Die Visa-Karte kommt auf den Markt. Sie hat ihren Ursprung in der BankAmericard. Die Bank of America hatte ab 1966 Lizenzverträge an andere Banken in den USA und in anderen Ländern vergeben. Das zunächst unter dem Namen Ibanco geführte Netzwerk operierte ab 1977 schließlich unter der Marke Visa. 1981 Die japanische Kartenorganisation JCB Card tritt mit weltweitem Angebot an. 1991 Weltweit sind 500 Mio. Kreditkarten im Umlauf. 2004 Die Schwelle von 2 Mrd. Karten wird überschritten. Quelle: wikipedia.org die bank 4.2005 39 ò Banking Branding liegt auf der Hand: Der kartenausgebende Finanzdienstleister versucht, mit Hilfe der Attraktivität der Co-Branding-Partner neue Kunden zu gewinnen. Die Erschließung neuer Zielgruppen spielt auch eine Rolle, wenn ein Finanzdienstleister Kreditkarten für Schüler und Studenten anbietet, sei es als Debitkarte, Charge Card oder sogar als klassische Kreditkarte. Y „Wer eine Kreditkarte sein Eigen nennt, ist zahlungskräftig, genießt Bonität, hat Erfolg. Auf dieser Kernbotschaft gründet das Prinzip der Kreditkarte – und dies zum Vorteil aller Beteiligten.“ Der Trend: Produktdifferenzierung Noch wichtiger als Co-Branding Cards oder spezielle Angebote für die zahlungskräftigen Kunden von morgen sind die maßgeschneiderten Angebote für die zahlungskräftigen Kunden von heute. Damit ist eine inzwischen recht starke käufersegmentspezifische Produktdifferenzierung verbunden. So hat praktisch jeder Kreditkartenanbieter nicht nur eine Standard-Version im Programm, sondern eine gehobene und meist sogar noch eine dritte Premium-Variante ÿ 2. Hinzu kommt mitunter eine Business Card, die Angestellte einsetzen, wenn sie auf Rechnung ihres Unternehmens bezahlen. Exklusivität: Eine Win-Win-Situation Mit der Exklusivität der gehobenen Kartenversionen verbindet sich noch immer der Nimbus, der dem Begriff „Kreditkarte“ urspünglich anhaftete. Wer eine Kreditkarte sein Eigen nennt, ist zahlungskräftig, genießt Bonität, hat Erfolg. Auf dieser Kernbotschaft gründet das Prinzip der Kreditkarte – und dies zum Vorteil aller Beteiligten: der Kreditkartenorganisation, der Bank und des Kartennutzers. Für den Nutzer ist die exklusive Kreditkarte ein Ausweis des Erfolgs, und sie öffnet ihm die Tür in die Welt anspruchsvoller Konsum40 die bank 4.2005 güter und Dienstleistungen. Die Kartenorganisation und die Bank verdienen – natürlich – an gehobenen Karten, doch es kommt zweierlei hinzu: Erstens dient die exklusive Karte in besonderer Weise der Kundenbindung (welcher Kunde möchte diesen Luxus schon aufgeben?), und sie transportiert auch den Namen der Bank überall dorthin, wo der Kunde „mit seinem guten Namen“ bezahlt. Mit anderen Worten: Auch für die Bank ist das Angebot edler Kreditkarten ein Mittel, um in zahlungskräftigen Kreisen für das eigene Institut zu werben. Wie sehr Exklusivität im Trend liegt, zeigt sich etwa daran, dass auch die genossenschaftlich organisierten und in aller Regel weniger am Premium-Kunden orientierten Sparda-Banken jetzt im hochpreisigen Kreditkarten-Segment aktiv werden. Für 150 EUR im Jahr gibt es, zum Beispiel bei der Sparda Bank Baden-Württemberg, die SpardaMasterCard Platinum, die als „Premium-Kreditkarte für anspruchsvolle Kunden“ zahlreiche Extras bietet: Ein Concierge-Programm steht rund um die Uhr zur Verfügung und übernimmt Reservierungen in Restaurants und Theatern, organisiert Dolmetscher und Kuriere oder bucht Flüge für die nächste Reise. Ebenso werden Preisnachlässe in exklusiven Hotels und Golfclubs geboten. Wer im Jahr mehr als 7.500 EUR mit der Karte umsetzt, zahlt keine Jahresgebühr. Viel Umsatz – keine Jahresgebühr Dieses Modell, das den Preis vom Kartenumsatz abhängig macht, kommt mittlerweile verstärkt auf den Markt. Die HVB Premium Card, ein neues Angebot der HypoVereinsbank, rangiert dabei in einer noch eindrucksvolleren Exklusivitätsliga: Wer mehr als 25.000 EUR pro Jahr mit der Karte bezahlt, spart die Jahresgebühr von 800 EUR. Dafür organisiert der HVB Premium Service auch einen privaten Ausflug, stellt ein Besichtigungsprogramm zusammen, öffnet die Tür zu mehr als 450 exklusiven Airport Lounges weltweit und verschafft dem Kunden einen Rabatt von 30 bis 40 % in Luxushotels. Das neue Angebot gilt seit Herbst vergangenen Jahres und ist Bestandteil des HVB PremiumPakets, mit dem die Bank sich im Rahmen der Vertriebsoffensive „Move“ neu im Wettbewerb um vermögende Privatkunden positionieren will. Ein gutes Beispiel für den Einsatz von Kreditkarten als nahezu multifunktionales Vertriebsmedium ist die DaimlerChrysler Card. Als Ergänzung zur MercedesCard, die ausschließlich an MercedesFahrer ausgegeben wird, richtet sich die DaimlerChrysler Card auch an die Inhaber konzernfremder Fahrzeuge. Der gewünschte Effekt Nummer eins liegt auf der Hand: Die Karte soll in den Händen ihres Inhabers jeden Tag neu an die Vorzüge von Mercedes-Fahrzeugen und anderer Produkte des DaimlerChrysler-Konzern erinnern. Effekt Nummer zwei wird leicht übersehen: Die DaimlerChrysler Banking Bank bekommt – über die Antragsdaten und die Zahlungsgewohnheiten – ein Bild ihrer Zielgruppe, und dies sogar jeden Monat aktualisiert mit der jüngsten Abrechnung. Dieses Bild hilft bei der Entwicklung neuer Bonus-Leistungen im Rahmen der Karte und ist auch nützlich für die generelle Marketing-Strategie des Konzerns. Und schließlich: Der monatliche Kontakt über die Kreditkartenabrechnung kann als Basis für die ständige Kommunikation mit dem Kunden genutzt werden. All dies dient dem Ziel, den Absatz weite- rer Produkte des Konzerns – Autos, aber auch Finanzdienstleistungen – zu fördern. Potenzial noch nicht erschöpft Was macht die Kreditkarte so attraktiv für Finanzdienstleister? Sie verbindet einen hohen Nutzwert für den Kunden mit einem ganzen Strauß an Marketing-Optionen. Wird er geschickt genutzt, etwa durch CoBranding, Produktdifferenzierung und Direktkommunikation, dann lässt sich – dem großen Verbreitungsgrad der Karten zum Trotz – der Reiz der Exklusivität einer ò Kreditkarte auch heute noch in wirtschaftlichen Erfolg ummünzen. Hier ist die Kreditkarte auch gegenüber der Debitkarte immer noch im Vorteil. So besteht Anlass zu der Vermutung, dass der Geschichte der Kreditkarte auch künftig noch einige spannende Kapitel hinzuzufügen sein werden. ò Autor: Dr. Dirk Franke ist Abteilungsdirektor im Bundesverband deutscher Banken, Berlin. Y ”2 Eine Auswahl wichtiger Kreditkarten im Überblick Karte Typ Charakteristika Vertrieb durch Mastercard standard Charge-Karte neben der Visa Card die weltweit am meisten verbreitete Kreditkarte, 32 Millionen Akzeptanzstellen Banken Mastercard Gold Charge-Karte gegenüber Standardkarte erweiteter Versicherungsschutz im Ausland, höheres Kreditlimit Banken Mastercard World Signia Charge-Karte Premiumkarte von Mastercard für ausgewählte Kunden, hohe Zusatzleistungen Banken VISA Card standard Charge-Karte Akteptanz insgesamt ähnlich gut wie die der Mastercard, besser in Frankreich oder Asien Banken VISA Card Gold Charge-Karte gegenüber Standardkarte erweiteter Versicherungsschutz im Ausland, höheres Kreditlimit Banken American Express blue Card Charge-Karte Akzeptanz etwas geringer als bei Mastercard oder VISA, kein Ausgabenlimit, Chipkarte American Express American Express classic Card Kreditkarte ohne Ausgabenlimit Kontostand kann im Internet abgefragt werden American Express American Express Gold Card Kreditkarte ohne Ausgabenlimit gegenüber Standardkarte weitere Services (z.B. Überweisungen aus jedem AMEX Reisebüro) American Express American Express Golf Card Kreditkarte ohne Ausgabenlimit Karte für Golfer: Vergünstigungen und Services auf Golf-Plätzen, Einladungen zu Golf-Events etc. American Express Barclaycard Classic Doppel Kreditkarte 2-in-1 Karte: Mastercard und Visa Card in einem, kostenlose Zusatzkarte und beitragsfreie ec-Karte Barclaycard Barclaycard Gold Doppel Kreditkarte Zusätzliche Versicherungsdienstleistungen gegenüber der Standardkarte, Kreditrahmen bis zu 15.000 EUR Barclaycard Barclaycard for students Kreditkarte Wie Standardkarte (2 in 1), jedoch Kreditlimit anfangs 500 EUR im Monat Barclaycard Diners Club Privat Charge-Karte Sehr hohes Renommee, exklusiver Service, bis zu 8 Partnerkarten Diners Club Quelle: Christian Sievers, freenet.de die bank 4.2005 41