Bauen als Klimaschutz: Warum die
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Bauen als Klimaschutz: Warum die
# 9. Oktober 2008 Warum die Bauwirtschaft vom Klimawandel profitiert Die Bemühungen, den Klimawandel zu verlangsamen, bedeuten Chancen für einzelne Branchen. Dazu zählen die Bauwirtschaft und ihre Zulieferindustrien, denn zur Reduktion von CO2-Emissionen sind häufig Baumaßnahmen nötig. !" # # $% & In drei Szenarien mit unterschiedlich starker Umweltregulierung schätzen wir das gesamte auf Klimawandel und Umweltpolitik zurückzuführende Bauvolumen in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf EUR 150 Mrd. bis EUR 340 Mrd. (siehe Grafik). ' () *" # + ," " Auf die Sanierung des Wohnungsbestands dürfte etwa die Hälfte aller Baumaßnahmen entfallen – vorausgesetzt, die zahlreichen Hemmnisse werden überwunden. - . " + Das Baupotenzial zur energetischen Sanierung von Gewerbeimmobilien, Bildungseinrichtungen oder Gesundheitsimmobilien ist zwar deutlich geringer (rd. EUR 50 Mrd.), es lässt sich aber wahrscheinlich einfacher heben. # Mehr Wetterextreme dürften in Zukunft zu mehr Bauschäden führen. Die damit verbundenen Aufräum- und Reparaturarbeiten sowie präventive Maßnahmen bringen ebenfalls Aufträge für Bauwirtschaft und Baustoffzulieferer. Autoren Josef Auer +49 69 910-31878 [email protected] Eric Heymann +49 69 910-31730 [email protected] Tobias Just +49 69 910-31876 [email protected] ! " In den kommenden Jahrzehnten sind umfangreiche Investitionen in den deutschen Kraftwerkspark erforderlich, die Bautätigkeit auslösen. Der Klimawandel wirkt als Katalysator zur Stärkung Erneuerbarer Energien. & $ !" Durch Klimawandel und Klimapolitik induzierte Bauleistungen bis 2030 in Deutschland Mrd. EUR, in heutigen Preisen 450 Editor Tobias Just 300 Publikationsassistenz Sabine Berger, Sabine Kaiser Status-quo-Szenario Wohnungsbau Ausgabenlimit-Szenario Sonstiger Hochbau Infrastruktur Gesamt Bauleistungen Kraftwerke Bauleistungen Gesamt Bauleistungen Kraftwerke Bauleistungen Gesamt 0 Bauleistungen Kraftwerke DB Research Management Norbert Walter 150 Bauleistungen Deutsche Bank Research Frankfurt am Main Deutschland Internet: www.dbresearch.de E-Mail: [email protected] Fax: +49 69 910-31877 Klimaschock-Szenario Schäden Kraftwerke Quelle: DB Research Aktuelle Themen 433 2 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz ' 1. Einleitung .................................................................................................................................................. 4 2. Wirkungskanäle des Klimawandels auf die Bauwirtschaft in Deutschland ....................................... 5 3. Drei Szenarien für Deutschland .............................................................................................................. 9 4. Prognose für die Entwicklung des Kraftwerksparks in Deutschland ................................................. 12 5. 4.1 Szenario 1: Status-quo..................................................................................................................... 12 4.2. Szenario 2: Ausgabenlimit ............................................................................................................... 16 4.3 Szenario 3: Klimaschock .................................................................................................................. 18 Hochbau: Energieeffizienz der Gebäude gewinnt an Bedeutung........................................................ 19 5.1. Klimaschutz im Wohnungsbau......................................................................................................... 20 5.2 Sonstiger Hochbau mit weniger Potenzial ....................................................................................... 25 5.3 Zwischenfazit.................................................................................................................................... 29 6. Wenige Infrastrukturinvestitionen durch Klimawandel und -politik induziert ................................... 30 7. Mehr Schäden durch Wetterextreme bedeuten Aufträge für Bauwirtschaft ...................................... 33 8. Schlussbetrachtung ................................................................................................................................. 35 Ausgewählte Literatur ..................................................................................................................................... 37 Diese Studie wurde im Auftrag des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie und des Bundesverbands der Deutschen Zementindustrie erstellt. Die inhaltliche Verantwortung liegt ausschließlich bei Deutsche Bank Research. 9. Oktober 2008 3 Aktuelle Themen 433 / Menschliche Aktivitäten verursachen Klimawandel Die überwiegende Mehrheit der Naturwissenschaftler ist überzeugt, dass die durch menschliche Aktivitäten verursachten Treibhausgasemissionen einen wesentlichen Beitrag zum Klimawandel leisten. Trotz aller nach wie vor vorhandenen Unsicherheiten über Tempo, Ausmaß und konkrete Folgen des Klimawandels gelten einige Trends für die nächsten Jahrzehnte als sehr wahrscheinlich. Dazu zählen der Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erde, eine Verschiebung der regionalen Niederschlagsmuster sowie eine Zunahme von lokalen extremen Wetterereignissen (Stürme, Starkniederschläge, Hitzeperioden, Dürren usw.). In der längeren Frist wird der Meeresspiegel spürbar steigen (laut Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) um rd. 20 bis 60 Zentimeter bis 2100). Für Deutschland werden unter anderem heißere und trockenere Sommer sowie mildere Winter mit mehr Niederschlägen prognostiziert. Zudem dürfte auch hierzulande die Zahl von Starkniederschlägen, Hitzewellen und anderen Wetterextremen zunehmen. 0 1 " # " CO2-Konzentration auf Mauna Loa (Hawaii) in Teile pro Million 400 Monatswerte Trend 380 360 340 320 300 1958 1963 1968 1973 1978 1983 1988 1993 1998 2003 2008 Quelle: Mauna Loa Observatory Klimawandel kann allenfalls verlangsamt werden / Wichtig ist, dass der Klimawandel in den nächsten Jahren allenfalls verlangsamt, aber nicht gestoppt werden kann. Selbst wenn es gelänge, die globalen Treibhausgasemissionen sehr kurzfristig rapide zu senken, würde die Temperatur auf der Erde u.a. aufgrund von Wirkungsverzögerungen der bereits ausgestoßenen Gase um etwa 0,6°C weiter steigen. Das von der internationalen Staatengemeinschaft anvisierte Ziel, den Temperaturanstieg auf 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, gilt daher als ambitioniert – zumal die Durchschnittstemperatur in den letzten 150 Jahren bereits um etwa 0,7°C zugenommen hat. Abweichung der glob. Durchschnittstemp. vom Mittelwert 1961-1990 in °C 0,6 0,4 0,2 0 -0,2 -0,4 -0,6 -0,8 1850 1865 1880 1895 1910 1925 1940 1955 1970 1985 2000 Quelle: Climate Research Unit 4 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz Einflüsse des Klimawandels und der Klimapolitik steigen Umweltpolitik gewinnt an Bedeutung Verbrauch fossiler Energieträger wird verteuert Erneuerbare Energien werden gefördert Anpassung an Folgen des Klimawandels wird wichtig Es ist bereits erkennbar, dass der Klimawandel auf immer mehr Wirtschaftsbereiche einen direkten oder indirekten Einfluss hat. In vielen Sektoren gilt dies noch stärker für regulatorische Maßnahmen des Staates, die dem Ziel dienen, den Prozess des Klimawandels zu verlangsamen oder seine potenziell negativen Folgen abzumildern. Gerade in Europa sind bereits Weichen gestellt worden, die die grobe Richtung der Klima- und Umweltpolitik für die nächsten Jahre vorgeben. Aber auch in anderen Ländern gewinnt Umweltpolitik inzwischen eine wachsende Bedeutung. Zwar gibt es Unsicherheiten über konkrete Maßnahmen und regional unterschiedliche Schwerpunkte. Dennoch zeichnen sich einige generelle Trends ab: So wird der Verbrauch fossiler Energieträger tendenziell verteuert, erneuerbare Energien kommen dagegen weiter in den Genuss von staatlicher Förderung; dies geschieht natürlich auch aus Gründen der Versorgungssicherheit. Ferner dürften Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ergriffen werden, die sich in vielen Fällen wegen der steigenden Energiepreise auch ohne staatliche Hilfe rechnen. Sie helfen, den Klimawandel zu verlangsamen. Schließlich werden auch Maßnahmen gegen die negativen Folgen des Klimawandels stärker gefördert (Stichwort: Anpassung). Im Jahr 2007 hat Deutsche Bank Research einen einführenden Bericht über die Auswirkungen von Klimawandel und -politik auf ver1 schiedene Branchen veröffentlicht. Ein Ergebnis war, dass die Bauwirtschaft in mehrfacher Hinsicht vom Klimawandel begünstigt sein dürfte. In dieser neuen Studie wird diese Argumentation aufgegriffen, und es werden konkrete Bewertungen vorgenommen. Im Folgenden analysieren wir die Effekte des Klimawandels sowie verschiedene Politikantworten sowohl auf den Wohnungsbau und den gewerblichen Hochbau als auch auf den Bereich Infrastruktur (vor allem Verkehrsinfrastruktur, Küsten- und Hochwasserschutz). Zudem versuchen wir, die Folgen von Wetterextremen – inklusive der daraus resultierenden Schäden – für die Bautätigkeit abzuschätzen. Unsere Analyse basiert auf drei Szenarien, welche sich maßgeblich durch den jeweils unterstellten Energiemix und die politische Zielrichtung unterscheiden. Die anstehende Modernisierung des Kraftwerksparks in Deutschland, die auch, aber natürlich nicht ausschließlich, durch klimapolitische Stellschrauben motiviert wird, führt zu Aufträgen für die Bauwirtschaft; etwa 30% bis 40% der Investitionskosten beim Kraftwerksbau entfallen auf Bauleistungen. Daher ist die Modernisierung des Kraftwerksparks in Deutschland ebenfalls Gegenstand unserer Untersuchung. Ziel der Studie ist es, die realen Effekte für die Bauwirtschaft (zusätzliche Bauleistungen) zu quantifizieren. Der Prognosehorizont ist das Jahr 2030. 2 3 Unsere Untersuchung basiert auf der Annahme, dass für die Analyse des Klimawandels zwei Dimensionen zu berücksichtigen sind: die klimatisch-natürliche sowie die regulatorisch-marktwirtschaftliche Dimension. Während erstere die reinen Klimawirkungen umfasst, schließt letztere staatliche Maßnahmen ein, die den Klimawandel 1 9. Oktober 2008 Siehe Heymann, Eric (2007). Klimawandel und Branchen: Manche mögen’s heiß! Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 388. Frankfurt am Main. 5 Aktuelle Themen 433 verlangsamen und seine negativen Folgen abmildern sollen. Beide Dimensionen wirken direkt auf die Bauwirtschaft. Klimawirkungen für Bauwirtschaft tendenziell positiv Milde Winter reduzieren Produktionsstillstände Für die Bauwirtschaft in Deutschland würden steigende Temperaturen in den Wintermonaten die Baubedingungen spürbar verbessern. Fallen die Winter häufiger mild aus, kommt es kaum zu witterungsbedingten Produktionsstillständen. Dies senkt die Kosten und erhöht die Planungssicherheit in der Branche. In den letzten beiden Wintern berichtete das deutsche Bauhauptgewerbe deutlich seltener von ungünstigen Wetterlagen als im langfristigen Durchschnitt. In sehr heißen Sommern könnte dagegen die Arbeitsproduktivität in der Bauwirtschaft leiden. Über eine flexiblere Arbeitszeitregelung z.B. mit längeren Pausen zur Mittagszeit und früherem Arbeitsbeginn am Morgen wäre dann nachzudenken. ' # 2 Berichte des deutschen Bauhauptgewerbes über "ungünstige Wetterlage" Anteile der Antworten mit "Ja" in % 100 80 60 40 20 0 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 ifo-Konjunkturtest: Frage nach "ungünstiger Wetterlage" Durchschnitt der Monate Dezember bis Februar (1992 bis 2008) Quelle: ifo Institut Beton als wenig anfälliger Straßenbelag könnte profitieren Das Ausmaß von Straßenschäden wird ebenfalls maßgeblich durch das Wetter beeinflusst. So wird in milden Wintern der Einsatz von Streusalz erheblich eingeschränkt; auch Frostschäden halten sich in Grenzen. Dies bedeutet geringere Straßenschäden und damit weniger Reparaturaufträge für die Bauwirtschaft. Im Gegensatz dazu führen lang anhaltende Hitzwellen zu einem schnelleren Entstehen von Spurrillen insbesondere auf Autobahnen mit einem hohen Anteil von Schwerlastverkehr; diese müssen häufiger durch die Bauwirtschaft beseitigt werden. Asphalt ist als Straßenbelag dabei anfälliger als Beton. Daher könnte Beton in den nächsten Jahren im Straßenbau häufiger zum Einsatz kommen. Zudem werden (teure) Systeme diskutiert, die den Straßenbelag im Winter erwärmen und im Sommer kühlen, um diesen Effekten vorzubeugen. Vorteilhaft für die deutsche Bauwirtschaft ist zudem, dass in den nächsten Jahren mehr in den Küsten- und Hochwasserschutz investiert wird. Die an die Nordsee angrenzenden Bundesländer planen für die nächsten Jahre umfangreiche Maßnahmen zum besseren Küstenschutz oder haben bereits mit diesen begonnen. Zudem dürfte in Regionen mit einem hohen Risiko für Überschwemmungen durch hohe Pegelstände von Flüssen (z.B. Gebiete entlang der Flüsse Rhein, Mosel, Donau, Elbe, Oder) mehr in den Hochwasserschutz investiert werden (z.B. Deiche, Regenwasserauffangbecken). Denn durch die steigende Wahrscheinlichkeit von länger anhaltenden Starkregenfällen oder mehr Niederschlägen im Winter nimmt die Hochwassergefahr zu. 6 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz Mehr Wetterextreme, mehr Schäden, mehr Aufträge Wetterextreme bewirken vorübergehende Sonderkonjunkturen Trotz vorbeugender Maßnahmen ist es wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren die Schäden an Gebäuden und Infrastruktur durch extreme Wetterereignisse (v.a. Überschwemmungen und Stürme) zunehmen werden. Dies löst regionale, temporäre Sonderkonjunkturen für die Bauwirtschaft und verwandte Branchen wie das Bauhandwerk aus, denn die entstandenen Schäden werden in der Regel wieder beseitigt. So bescherte laut Zentralverband des deutschen Dachdeckerhandwerks der Wintersturm Kyrill Anfang 2007 der Branche in vielen Regionen Zusatzaufträge. Werden durch Wetterextreme umfangreiche Schäden verursacht, können die positiven Effekte für das Baugewerbe sehr lange anhalten. Dies war z.B. beim Oder-Hochwasser von 1997 oder dem Elbe-Hochwasser von 2002 der Fall. Hier dauerte es jeweils mehrere Jahre, bis die Schäden im insgesamt zweistelligen Milliardenbereich beseitigt waren. Unterm Strich sind die klimatischen Einflüsse auf die Bauwirtschaft in Deutschland positiv zu bewerten. Bessere Baubedingungen in den Wintermonaten sowie Zusatzaufträge dank der vorbeugenden Baumaßnahmen und der Beseitigung von Schäden nach Wetterextremen lassen ein steigendes Bauvolumen erwarten. Davon profitiert auch die Baustoffindustrie als Zulieferer. Förderprogramme und steigende Energiepreise begünstigen Bauwirtschaft Klima- und energiepolitische Maßnahmen werden Bauwirtschaft stärker begünstigen als der Klimawandel selbst Besonders bedeutsam für die wirtschaftliche Entwicklung von Wirtschaftszweigen sind neben den oben beschriebenen Klimawirkungen die klima- und energiepolitischen Rahmenbedingungen – also die zweite Dimension des Klimawandels. Die Ziele der EU und Deutschlands zur Reduktion von Treibhausgasen bis 2020 sind in Grundzügen vorgegeben: Die EU will ihre Treibhausgasemissionen bis dahin um mindestens 20% gegenüber 1990 reduzieren. Falls sich andere Länder ebenfalls zu ambitionierten Reduktionszielen verpflichten, will die EU ihre Emissionen sogar um 30% verringern. Deutschland setzt sich in diesem Fall eine Emissionsreduktion um 40% zum Ziel. Auch in den Jahren nach 2020 ist ein stetiger Rückgang der Emissionen angestrebt. Die deutsche Bundesregierung hat sich im Sommer 2007 in Meseberg auf ein 29 Eckpunkte umfassendes „Integriertes Energie- und Klimaprogramm“ verständigt. Dieses Programm ist der wichtigste Hebel, um das angekündigte Reduktionsziel zu erreichen. Wenngleich es zuletzt einige Hängepartien dabei gab, das Programm in Gesetze und Verordnungen umzuwandeln, erwarten wir dennoch, dass es sich hier nur um zeitliche Verzögerungen handelt. Eine komplette Abkehr vom Meseberg-Programm würde die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in der Klimapolitik stark beschädigen. Viele Meseberger Punkte betreffen direkt die Bauwirtschaft und das Bauhandwerk: Dazu zählt das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, mit dem die energetische Sanierung von Gebäuden im Bestand gefördert werden soll. Dieses Programm wird auf EUR 1,4 Mrd. pro Jahr aufgestockt. Die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden ist einer der wichtigsten Hebel für den Klimaschutz in Deutschland, zumal sich viele Investitionen in die Energieeffizienz von Gebäuden angesichts steigender Energiepreise sehr schnell rechnen. Das Bundesumweltministerium schätzt, dass die durchschnittlichen Energiekosten von Wohngebäuden in Deutschland durch verbesserte Isolierung von Dach und Fassade sowie effizientere Heizungssysteme halbiert werden könnten. Auch die verschärfte Energieeinsparverordnung zielt auf die Effizienz von Neubauten (30% weniger 9. Oktober 2008 7 Aktuelle Themen 433 Energieverbrauch) und Gebäuden im Bestand ab. Weitere Programme haben die energetische Sanierung von vermieteten Mehrfamilienhäusern, von „sozialer Infrastruktur“ (z.B. Schulen, Kindertagesstätten) sowie von Bundesgebäuden im Fokus. Neben diesen vom Bund initiierten Maßnahmen existieren auf Landes- und kommunaler Ebene vielfältige Förderprogramme, etwa zur Erhaltung der Ortskerne (z.B. Dorferneuerungsprogramm); auch hier sind energe2 tische Sanierungen von Gebäuden grundsätzlich förderungswürdig. Angebote aus einer Hand für Kunden vorteilhaft Neben der Bauwirtschaft profitieren auch andere baunahe Branchen von diesem Trend zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden. Dazu zählen u.a. Fenster- und Fassadenbauer, Teile des Bauhandwerks (Heizungsbauer, Dachdecker usw.), Architekten oder Energieberater. Vor allem für private Kunden sind Angebote aus einer Hand und verlässliche Investitionsrechnungen für energetische Baumaßnahmen wichtig. Im Eckpunkteprogramm von Meseberg ist zudem der Ausbau erneuerbarer Energien und der Kraftwärmekopplung sowie die Förderung von CO2-armen Kraftwerkstechnologien als Ziel formuliert. Auch dies ist für die Bauwirtschaft relevant, weil die Realisierung dieser Ziele naturgemäß nur mit Bauleistungen möglich ist. Emissionshandel zentrales umweltpolitisches Instrument Emissionshandel gewinnt spätestens nach 2012 auch außerhalb der EU an Bedeutung Wir erwarten, dass der Emissionshandel dauerhaft eines der wichtigsten umweltpolitischen Instrumente in der EU bleibt. Spätestens nach 2012 gewinnt der Emissionshandel nach unserer Einschätzung auch über die EU-Grenzen hinaus an Bedeutung. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts dürfte sich ein globaler Markt für Emissionszertifikate etablieren. Da die Höhe des Preises für Emissionszertifikate wichtig für den Energiemix im Stromsektor ist, unterstellen wir in den verschiedenen Szenarien unterschiedliche Preisentwicklungen. Grundsätzlich rechnen wir bis 2030 mit steigenden Zertifikatspreisen. Das Ausmaß wird natürlich wesentlich vom letztlich beschlossenen Reduktionsziel für Treibhausgase in der EU bestimmt (-20% oder -30%). Darüber hinaus spielen u.a. das Tempo des technischen Fortschritts oder die Preisentwicklung einzelner Energieträger eine wichtige Rolle. Die künftige Preisentwicklung hängt also nicht zuletzt von politischen Entscheidungen ab. Grundsätzlich unterstellen wir, dass der Zertifikatspreis im gesamten Zeitraum etwa zwischen EUR 25 3 und EUR 50 pro Tonne CO2 liegen wird (siehe Kapitel 3). In allen Szenarien nehmen wir ferner an, dass die flexiblen projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls (Clean Development Mechanism und Joint Implementation) von den EU-Ländern umfangreich genutzt werden dürfen. Da hierbei die Emissionsreduktions2 3 8 Das Bundesumweltministerium listet in der Broschüre „Fördergeld für Energieeffizienz und erneuerbare Energien“ aus dem Jahr 2007 etwa 900 verschiedene Förderprogramme auf. Diese Preisspanne passt in etwa zu den Ausführungen in der vom BDI in Auftrag gegebenen McKinsey-Studie „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasemissionen in Deutschland“. Danach können die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2030 (bei Festhalten am Ausstieg aus der Kernenergie) um 44% gegenüber 1990 gesenkt werden, wenn die Abscheidung und Lagerung von CO2 (Carbon Capture and Storage, CCS) zu Kosten von EUR 30 bis EUR 55 pro Tonne CO2-Äquivalent möglich ist. Der International Monetary Fund (IMF) setzt in seinem aktuellen World Economic Outlook vom April 2008 einen linearen Anstieg des Preis für CO2 auf USD 86 pro Tonne im Jahr 2040. Demzufolge läge der CO2Preis im Jahr 2030 bei etwa USD 60 pro Tonne. Unter anderen Annahmen sind natürlich auch höhere Zertifikatspreise denkbar. Siehe hierzu: Curien, Isabelle and Mark C. Lewis (2008). Carbon Emissions – It Takes CO2 to Contango. Deutsche Bank Global Markets Research. London. 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz kosten relativ gering sind, hat dies einen dämpfenden Effekt auf den Zertifikatspreis. Ausnahmen von Versteigerungspflicht notwendig Die Ausgestaltung des Emissionshandels dürfte gerade für die Baustoffindustrie große Relevanz haben. Die EU plant eine Versteigerung der Emissionszertifikate ab dem Jahr 2013. Für den Stromsektor soll der Versteigerungsanteil von Beginn an 100% betragen, was – ceteris paribus – CO2-ärmere Energieträger begünstigen würde. Für Sektoren aus dem Produzierenden Gewerbe ist eine schrittweise Erhöhung des Versteigerungsanteils geplant. Ausnahmeregelungen für energieintensive Wirtschaftszweige stehen zur Diskussion, falls wichtige Emittenten außerhalb der EU keine ambitionierten Reduktionsziele formulieren. 4" " " Anteil der Energiekosten am Bruttoproduktionswert in %, 2006 Herstellung von Zement 17,1 Herstellung von Kalk 23,8 Herstellung von gebranntem Gips 22,1 Verarbeitendes Gewerbe insg. 1,8 Quelle: Statistisches Bundesamt Aus unserer Sicht wären solche Ausnahmeregelungen bei einem klimapolitischen Alleingang der EU notwendig, da ansonsten der Produktionsstandort EU für einige Branchen zu teuer würde. Produktionsverlagerungen ins außereuropäische Ausland mit negativen Folgen für das globale Klima und den Arbeitsmarkt in der EU wären zu befürchten. Sinnvolle Kriterien für Ausnahmeregelungen von der Versteigerungspflicht wären – neben der energieintensiven Produktion – die Herstellung homogener und international handelbarer Produkte sowie ein intensiver internationaler Wettbewerb. Diese Merkmale treffen auf viele Baustoffe (z.B. Zement, Kalk, Gips) zu. So weist die deutsche Zementindustrie darauf hin, dass sie bei einem Zertifikatspreis von EUR 35 pro Tonne CO2-Zusatzbelastungen in Höhe von etwa EUR 900 Mio. pro Jahr zu tragen hätte, falls sie die Emissionszertifikate zu 100% ersteigern müsste; dies entspricht etwa 45% des Jahresumsatzes der Branche. Die Investitionstätigkeit in den genannten Branchen wird dadurch gedämpft, dass die EU erst 2010 entscheiden will, ob Ausnahmen gewährt werden und welche Wirtschaftszweige davon profitieren sollen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Klima- und Umweltpolitik in der EU und Deutschland aller Voraussicht nach kein Strohfeuer sein wird. Daher gilt es für alle Wirtschaftszweige, sich auf die neuen Rahmenbedingungen einzustellen. Für die Bauwirtschaft sind die Chancen eindeutig höher als die Risiken. 3 Energiepreise beeinflussen auch Planung von Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur +# 3 In den letzten 35 Jahren gewannen Prognosen über den künftigen Energieverbrauch erheblich an Bedeutung. Ausgangspunkt war die erste globale Ölpreiskrise 1973/74, denn sie stellte die Zuverlässigkeit der Energieversorgung erstmals in Frage. Auch für die Bauwirtschaft ist dieses Datum von besonderer Relevanz. Immerhin bestimmen die Energiepreise wie nur wenige andere Einflussfaktoren die Planung von Siedlungs- und Verkehrsinfrastrukturen, Baustile, die Bau- und Instandhaltungskosten sowie die Zusammensetzung, den Bestand und die Fortentwicklung des Kraftwerksparks, der wiederum auf die Fertigung in unterschiedlichen Industriezweigen ausstrahlt. In der Retrospektive ist festzustellen, dass die Prognosen über den künftigen Energieverbrauch in Deutschland regelmäßig die tatsächliche Entwicklung überzeichneten. Für diesen Befund sind viele Faktoren ursächlich; dazu zählen der Preisanstieg für Energie, der technische Fortschritt, der mehr Effizienz bei Energieerzeugung und -nutzung ermöglichte, der gesellschaftliche und ökonomische Wan- 9. Oktober 2008 9 Aktuelle Themen 433 del, steuerliche Anreize, steigendes Umweltbewusstsein sowie gesetzgeberische Vorgaben. Ein besonderer Glücksfall – nicht nur in diesem Zusammenhang – war freilich auch die Überwindung der deutschen Teilung. Diese eröffnete große Einsparpotenziale in allen Bereichen der Energienutzung – vom Wärmemarkt bis hin zum industriellen Bedarf, wo unverzichtbare Strukturmaßnahmen halfen, den Energieverbrauch zu senken. Basisannahmen zu Energiepreisen, Demografie und Wirtschaftswachstum 5 Unsere Prognose zur Entwicklung des Kraftwerksparks in Deutschland bis zum Jahre 2030 basiert auf folgenden ökonomischen und demografischen Eckwerten: /6 7 Energiepreise dauerhaft hoch % an Primärenergieverbrauch, 2007 6,6 11,1 33,8 11,7 14,1 22,7 Mineralöl Erdgas Steinkohle Braunkohle Kernenergie Erneuerbare 8 Quelle: AG Energiebilanzen + ,( ! Aufgrund der mengenmäßigen Dominanz des Ölmarktes für die Weltenergieversorgung ist der Ölpreis auch maßgebend für alle anderen Energieträger. Deshalb dürften nach unserer Einschätzung auch die Preise der anderen fossilen Energieträger anziehen. In Deutschland gilt das insbesondere für Erdgas, da eine Ölpreisbindung des Gaspreises verankert ist. Der Preisanstieg der fossilen Energieträger induziert wiederum höhere Preise der Sekundärenergie Elektrizität in Deutschland. Die kostengünstige heimische Braunkohle dämpft allenfalls den Preisanstieg. # , Mio. 83 78 73 68 06 10 14 18 22 26 30 Quelle: Stat. BA Wir erwarten bis 2030 einen Anstieg des Ölpreises auf USD 200 pro Barrel. Auf der Nachfrageseite erwarten wir einen tendenziellen Anstieg aufgrund des steigenden Energiehungers in den neuen Wachstumszentren, insbesondere in den bevölkerungsreichen Ländern China und Indien. Die zunehmende Kaufkraft der Haushalte sorgt hier dafür, dass ohnehin vorhandene Bedürfnisse wie der Wunsch nach höherwertigen Produkten und Mobilität auch nachfragewirksam werden. Dem steigenden Energiebedarf steht ein global zunehmend unsicheres Angebot gegenüber. Eine Ursache liegt in den geologisch immer schwieriger und damit teurer zu erschließenden Vorkommen, z.B. zunehmend auf hoher See. Hinzu kommen Einflussfaktoren wie die in den nächsten Dekaden zu erwartende Stärkung der OPEC sowie ein verständliches Interesse der kartellfreien Förderländer (z.B. Russland) an steigenden Ölpreisen. Die Annahme eines hohen Ölpreises resultiert mithin aus der Erwartung einer tendenziell schneller steigenden Ölnachfrage im Vergleich zum Ölangebot. 9 Sinkende Bevölkerungszahl in Deutschland Die Bevölkerungszahl für Deutschland schrumpft von 82,2 Mio. Personen im Jahr 2007 auf 77,2 Mio. im Jahr 2030, also um 5 Mio. bzw. 6%. Bei dieser Prognose ist ein Zuwanderungssaldo von 100.000 Personen jährlich unterstellt. Der Rückgang der Bevölkerungszahl in Deutschland wurde in den letzten zehn Jahren in der Regel unterschätzt und berücksichtigt noch nicht, dass die aktuelle Bevölkerungszahl zu hoch ausgewiesen sein dürfte. Deshalb ist es kein Wunder, dass Energieprognosen aus diesem Jahrzehnt – z.B. die 4 von EWI/Prognos – einen geringeren Rückgang der Bevölkerungszahl zugrunde legten. Das hatte wiederum den Effekt, dass der zu erwartende Energieverbrauch eher überschätzt wurde. Eine niedrigere Bevölkerungszahl tangiert alle Baubereiche in ähnlicher Weise: Prinzipiell bedeuten weniger Energiekonsumenten auch einen ge4 10 Vgl. EWI/Prognos (2005). Die Entwicklung der Energiemärkte bis zum Jahr 2030. Herausgeber: Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Berlin. 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz 4 # " ringeren Energieverbrauch – sei es im Wohnungs-, Wirtschaftsoder dem öffentlichen Bau. 2 Zahl der Haushalte, 2005=100, Szenario mit geringer Zuwanderung 110 100 90 80 West-D. 2005 2020 Ost-D. 2035 70 2050 Berlin wurde weder bei Ost- noch bei Westdeutschland erfasst. Quellen: BBR, Destatis, DB Research : Diesem Trend wirkt allerdings die Tatsache entgegen, dass die Zahl der privaten Hauhalte weiter zulegt, denn ceteris paribus steigt dadurch der Energiebedarf pro Kopf. Dahinter verbirgt sich die Beobachtung, dass die Zahl der Singlehaushalte und Kleinfamilien zunimmt. Verantwortlich dafür sind mehrere Trends wie die allmähliche Auflösung traditioneller Großfamilien. Eine Rolle spielen überdies die steigenden Mobilitätserfordernisse infolge der immer arbeitsteiligeren Wirtschaft bei zudem sinkender Arbeitsplatzsicherheit. Insgesamt steigt die Zahl der Haushalte in Deutschland von 2007 bis 2017 um knapp 700.000 auf dann 40,2 Mio.; danach beginnt auch die Zahl der Haushalte zu sinken. Bis zum Jahr 2030 sinkt die Zahl der Haushalte wieder auf das heutige Niveau. Im Betrachtungszeitraum steigt die Haushaltszahl nur noch im Westen (bis 2030 um gut 700.000), während sie in Ostdeutschland (inklusive Berlin) in ähnlicher Größenordnung sinkt. Der Wohnflächenbedarf pro Kopf der Bevölkerung wächst aber weiterhin. Moderates Wirtschaftswachstum erwartet Neue Arbeitsplätze am ehesten im Dienstleistungssektor Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland wird bis 2030 zwar steigen, allerdings nur mit geringer Dynamik. Wir erwarten bis 2020 ein jahresdurchschnittliches Wachstum des BIP um preisbereinigt 5 1,5%. In den Folgejahren dürfte das BIP-Wachstum nur noch 1% p.a. erreichen. Für das Wirtschaftswachstum eher pessimistisch stimmt uns die infolge der Alterung der Bevölkerung und der abnehmenden Bevölkerungszahl sinkende Zahl der Erwerbstätigen. Neue Arbeitsplätze entstehen am ehesten im Dienstleistungssektor. Aber natürlich bleiben auch die industriellen Kerne rund um die Automobilindustrie, den Maschinenbau, die Elektrotechnik, Chemie und Pharmazie sowie die stromintensive Metallerzeugung und verarbeitung erhalten. Künftiger Zertifikatspreis beeinflusst Kraftwerkspark Unsere Szenarien über die künftige Entwicklung des Kraftwerksparks fußen auf obigen Basisannahmen. Für die Unterschiede in den Szenarien sind letztlich verschiedene Preissetzungen für Emissionszertifikate maßgeblich. Wir differenzieren grob drei mögliche Entwicklungslinien, die wiederum auf den Kraftwerkspark ausstrahlen und damit die Bauwirtschaft tangieren: — Szenario 1 (Status-quo): Infolge des programmgemäßen Ausbaus des Emissionshandels dürfte der Zertifikatspreis bis 2020 unter EUR 30 pro Tonne liegen, danach aber auf über EUR 30 steigen. In diesem Szenario wird am planmäßigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland festgehalten. — Szenario 2 (Ausgabenlimit): Eine neue Energiepolitik einer neuen Regierung führt zu einer Verlängerung der Laufzeiten bestehender Kernkraftwerke. Die anhaltend hohe Bedeutung der Kernenergie in Deutschland hat auch – im Vergleich zu Szenario 1 – eine größere Relevanz der Kernenergie in der EU zur Konsequenz. Per saldo hat dies einen dämpfenden Effekt auf den Zertifikatspreis, denn die Reduktionskosten für die Energiewirtschaft fallen geringer aus. Folglich bleibt der Zertifikatspreis im gesamten Prognosezeitraum unter der EUR 30-Marke. 5 9. Oktober 2008 Vgl. Hofmann, Jan et al. (2007). Deutschland im Jahr 2020. Neue Herausforderungen für ein Land auf Expedition. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 382. Frankfurt am Main. 11 Aktuelle Themen 433 — Szenario 3 (Klimaschock): In diesem Szenario unterstellen wir verschärfte nationale und internationale Klimaschutzziele und dafür umgesetzte drakonische Maßnahmen insbesondere für die Zeit nach 2020; dies erfolgt unter dem Eindruck des sich stärker konkretisierenden Klimawandels. Folglich dürfte sich der Zertifikatspreis schneller und stärker erhöhen und zum Ende unseres Prognosehorizonts auf EUR 50 pro Tonne steigen. ; /6 + " % an Bruttostromerzeugung in Deutschland, 2007 4,8 14,1 24,5 * " 11,7 22,1 Braunkohle Steinkohle Kernenergie Erdgas Erneuerbare Übrige* * inkl. Mineralöl. Quellen: AG Energiebilanzen, Statistisches Bundesamt, DB Research + " $1= 1 ! 3 4.1 Szenario 1: Status-quo 22,8 2 1 # " < > in % DK FI LV NL HU Szenario 1 ist quasi eine Status-quo-Betrachtung. Für die Fortentwicklung des deutschen Kraftwerksparks ist die unterstellte Beibehaltung des Kernenergieausstiegs ein wichtiges Datum. Immerhin trug die Kernenergie 2007 noch 22% zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Wichtig ist zudem das engagierte Energie- und Klimaprogramm der deutschen Bundesregierung, das künftig auf die Stromerzeugungsstrukturen ausstrahlen wird. Es umfasst so wichtige Fördergesetze wie die Novellen des Erneuerbaren-EnergienGesetzes (EEG) und des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG). Die deutschen Energie- und Klimaziele sind ambitioniert. Sie werden mittelfristig dazu führen, dass Deutschland, das in Teilbereichen wie der Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) von einer relativ niedrigen Ausgangsbasis startet, zu anderen europäischen Ländern aufschließen kann. Wir erwarten, dass Deutschland den Anteil des KWK-Stroms – wie schon in den Meseberger Eckpunkten vereinbart – bis 2020 auf 25% verdoppeln wird und bis 2030 auf 30% weiter ausbaut. Die gemeinsame Erzeugung von Elektrizität und Wärme erschließt bisher brach liegende Potenziale für mehr Energieproduktivität und Klimaschutz. SK Bedeutungsgewinn für Erneuerbare CZ PL AT EE PT EU-25 DE LT LU ES BE IT SE SI GB FR IE GR 0 20 40 *letztes verfügbares Jahr. Quellen: Eurostat 2006; BKWK 12 60 ? Das EEG hat bereits in den letzten Jahren stark auf den deutschen Stromerzeugungsmix ausgestrahlt. Lag der Anteil der Erneuerbaren an der Elektrizitätserzeugung 2000, also im Jahr des Inkrafttretens des EEG, noch bei gut 6%, so stieg er bis 2007 auf beachtliche 14%; das ist schon jetzt mehr als die 12,5%, die ursprünglich für 2010 angepeilt wurden. Die 2009 wirksam werdende EEG-Neujustierung wird den Trend hin zu Erneuerbaren keineswegs brechen, lediglich den Steigungswinkel etwas abflachen, da die Degression im Durchschnitt etwas stärker ausfällt als bislang. Wir erwarten, dass Erneuerbare bereits 2020 etwa 30% zur Stromerzeugung beisteuern können. Nach unserer Kalkulation dürfte der zu erwartende, dynamische technische Fortschritt – nicht nur bei Wind- und Bioenergie, sondern auch bei Photovoltaik und Geothermie – die auf mittlere Sicht absehbar niedrigeren EEG-Fördersätze überkompensieren. Nach 2020 dürfte die Förderung der regenerativen Stromerzeugung pro erzeugter kWh wesentlich geringer ausfallen als heute. Dennoch könnte der Anteil dank des technischen Fortschritts 2030 etwa 37% erreichen. Dann werden – freilich abhängig von Standort und Technologie – Neuanlagen im Bereich alternativer Stromquellen wie Wind, Bioenergie und teilweise selbst Photovoltaik vielfach schon ohne Förderung auskommen. Die Förderung für Erneuerbare könnte also um das Jahr 2030 allmählich auslaufen. Der Anteil der Erneuerbaren an den Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland dürfte 2030 schon bei rd. 60% liegen. Die Expansion 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz 2 % an Wärmebereitstellung in Deutschland 7 1 Spannend ist die Frage, wie die Lücke geschlossen wird, die durch den Wegfall der Kernenergieerzeugung im Elektrizitätsangebot entsteht. Noch Anfang des Jahrzehnts herrschte die Erwartung vor, dass Erdgas in der Stromerzeugung wichtiger wird und einen Großteil der Lücke ausfüllen kann. Für Erdgas sprachen zu jener Zeit sehr wettbewerbsfähige Preise infolge des niedrigen Ölpreises. 0 Kohle bleibt wichtiges Standbein bei Energieerzeugung 6 5 4 3 2 1998 2000 2002 2004 2006 Quelle: BMU + " # / 1 % an Bruttostromverbrauch in Deutschland 16 14 12 10 8 6 4 2 0 1998 2000 2002 2004 2006 Quelle: BMU der Erneuerbaren, insbesondere der Windkraft, macht die Absicherung der Spitzenlastzeiten zu einer Herausforderung. Für die Absicherung des Spitzenbedarfs sind traditionelle Kraftwerkskapazitäten erforderlich. Per Saldo wächst der deutsche Kraftwerkspark bis 6 2030 von derzeit 143.000 MW auf etwa 180.000 MW. // Heute ist diese Einschätzung angesichts der dramatischen Ölpreisexplosion so nicht mehr aufrecht zu erhalten. Erdgas ist nicht mehr die Wunschenergie Nummer eins im Kraftwerksneubau. Infolge des von uns für 2030 unterstellten Ölpreises verliert Erdgas in den kommenden Jahren betriebswirtschaftlich weiter an Attraktivität. Steigt der Preis von Erdgas sogar schneller als der von Erdöl, was einige Volkswirte erwarten, vergrößert dies die Mix-Probleme. Da Erdgas jedoch ein relativ emissionsarmer Energieträger ist – gerade im Vergleich zur Kohle, könnte der Emissionshandel den Kostennachteil gegenüber der Kohle prinzipiell (über-)kompensieren. Nach unserem Kalkül reichen aber die im Betrachtungszeitraum unterstellten Zertifikatspreise nicht aus, damit Erdgas in der Gesamtbetrachtung der Kosten mit der preisgünstigen Kohle gleich ziehen kann. Im Unterschied zur Ebene der Großkraftwerke sehen wir künftig allerdings zusätzliche Einsatzpotenziale für Erdgas im Rahmen der dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung. Dafür sprechen die relativ einfache Transportierbarkeit über gut ausgebaute Netze und die hohe Akzeptanz bei der Bevölkerung. Im Unterschied zur Industrie, die oftmals auch Kohle für KWK einsetzen dürfte, werden in Wohnsiedlungen und im ländlichen Raum wohl eher Erdgas und Biorohstoffe 7 Chancen eingeräumt. Stromverbrauch legt zunächst weiter zu 2 " ," + 1 % 50 und mehr Künftige Technik Deuschland 42 Welt 30 China/ Russland Kalkulation des Investitionsbedarfs 23 0 20 Im Zeitraum bis 2030 dürfte der Stromverbrauch zunächst noch steigen, später aber relativ konstant bleiben. Die Elektrizitätserzeugung könnte 2030 zu etwa 37% auf alternativen Energien basieren. Beendet ist dagegen die Stromproduktion auf Basis der Kernenergie, die zuvor einen positiven Beitrag zur Entschärfung der CO2Problematik lieferte. Den Beitrag der Kernenergie in der Grundlast wird vor allem die Braunkohle substituieren. 40 Quellen: Euracoal, GVSt 60 / Zur Abschätzung des Investitionsbedarfs im Kraftwerkspark bis 2030 ist ein Blick zurück auf die letzten Jahre und die derzeit bekannten Kraftwerksprojekte aufschlussreich: Seit Anfang des Jahrzehnts liegen die der Energieversorgung zuzurechnenden Bauinvestitionen in einem Band zwischen EUR 3,2 Mrd. 6 7 9. Oktober 2008 Vgl. BDEW (2008). Energie-Info. Entwicklung der Energieversorgung 2007. Februar (2008). Tabelle 6. In der zitierten Netto-Kraftwerkskapazität enthalten sind rund 9.000 MW Kapazitäten der Industriekraftwerke und 30.000 MW insbesondere EEG-Kapazitäten privater Betreiber (z.B. Wind- oder Solaranlagen). Vgl. Auer, Josef (2008). Die Kraft-Wärme-Kopplung. Ein Eckpfeiler des deutschen Energie- und Klimaprogramms. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen Nr. 415. Frankfurt am Main. 13 Aktuelle Themen 433 Investitionsvolumen wird im Kraftwerkspark zunehmen und EUR 3,7 Mrd. p.a. Es gibt Gründe anzunehmen, dass die ausgewiesenen Investitionsvolumina in Zukunft eher zunehmen. Erstens ist die Dynamik des Kraftwerksbaus noch immer verzerrt durch die deutsche Wiedervereinigung, die in den 1990er Jahren Strukturanpassungen im Kraftwerkspark brachte, die noch heute nachwirken. Zweitens hat sich der internationale Markt für Kraftwerke in den letzten Jahren dramatisch verändert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem das starke Wachstum in den Emerging Markets, das den Anlagenbauern einen globalen Nachfrageschub beschert. Verschärfend kommt hinzu, dass der neue globale Boom die Kraftwerksbauer recht unvorbereitet trifft, denn über viele Jahre hinweg wurde kaum in Humankapital und Fertigungskapazitäten investiert. Drittens sorgen neben dem jetzt relativ engen Markt für Kraftwerke zusätzliche Faktoren für spürbare Preissteigerungen. So verteuert die Preisexplosion bei Stahl und Nicht-Eisen-Metallen (z.B. Nickel) den Kraftwerksbau. In der Summe resultieren daraus für die Planung von Kraftwerkskapazitäten höhere Investitionskosten. Die Kalkulation wird damit nicht nur aufgrund der steigenden und volatileren Brennstoffkosten sehr viel anspruchsvoller, sondern auch durch den wachsenden Fixkostenblock. Bis zu 90 neue Kraftwerke bis 2018 Nach der Statistik des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) investierte die deutschen Elektrizitätswirtschaft 2007 mit EUR 6,7 Mrd. fast EUR 2 Mrd. mehr als im Vorjahr (EUR 4,8 Mrd.) und damit mehr als in den letzten 11 Jahren. Von den Investitionen entfielen auf den Kraftwerksbau EUR 2,2 Mrd. (2006: EUR 1,5 Mrd.), also rund 40%. Den Löwenanteil von EUR 3,3 Mrd. (2006: EUR 2,6 Mrd.), also knapp der Hälfte, verschlang aber der Netzausbau. Realisierung der Kraftwerksprojekte keineswegs sicher Laut BDEW ist in der Zeit von 2008 bis 2018 mit der Inbetriebnahme von rd. 90 (zum Teil auch kleineren) Kraftwerken zu rechnen. Dafür ist in heutigen Preisen für Kraftwerke eine Investitionssumme von EUR 50 bis 60 Mrd. erforderlich. Die einzelnen Projekte befinden sich aktuell im Bau, in der Planung oder auch erst im Genehmigungsverfahren. Die erwartete Leistung dieser Kraftwerke beträgt 8 addiert über 36.000 MW. Die Realisierung der genannten Kraftwerksprojekte ist allerdings keineswegs sicher. Sie setzt nämlich die gesellschaftliche Akzeptanz sowie energie- und umweltpolitische Kalkulierbarkeit voraus. In den letzten Monaten werden in diesem Kontext immer wieder Zweifel geäußert. Hinzu kommt, dass aufgrund der strukturell gestiegenen Preise für Neuanlagen bereits im letzten Jahr erste Warnungen aufkamen, dass vielen Kraftwerksprojekten das Aus drohe. Die Gründe waren der überhitzte Markt insbesondere für Großanlagen, aber 9 auch die galoppierenden Produktionskosten. Rege Investitionstätigkeit im deutschen Kraftwerkspark Nach unserer Einschätzung wird es in der Zeit insbesondere bis 2020 zu einer regen Investitionstätigkeit im deutschen Kraftwerkspark kommen. Erstens zwingen schärfere Klimaschutzvorgaben die Versorger zur Modernisierung bzw. zum Ersatz ihrer Kohlekraftwerke. Interessant wird die Zeit ab etwa 2015. Dann dürfte mehr Klar8 9 14 Vgl. BDEW (2008). Im Bau oder in Planung befindliche Kraftwerke. Stand: 30. Mai 2008. Vgl. Flauger, Jürgen. Kraftwerks-Projekten droht das Aus. Handelsblatt. 5. September 2007. Der hier ausgewiesene Anstieg der Preise von Steinkohlekraftwerken von EUR 820 je kW Leistung im Jahr 2004 auf EUR 1.500 je kW im Jahr 2007 erscheint gleichwohl die tatsächliche Entwicklung etwas zu überzeichnen. 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz +! # 0 1A " 1 heit bestehen, ob und welche Technologien der CO2-Abscheidung wirklich funktionieren. Sollte der Durchbruch gelingen, wird danach kein Kohlekraftwerk in Deutschland mehr ohne die neuen Techniken genehmigt werden. Die neuen klimagünstigen Technologien machen die Kohlekraftwerke freilich teurer. Zweitens sind Investitionen seitens der Stadtwerke zu erwarten. Die Eigenerzeugung in neuen Anlagen macht sie unabhängiger von den hohen und schwankungsanfälligen Preisen im Stromgroßhandel. Drittens kommt natürlich der vereinbarte Kernenergieausstieg hinzu. Hier sind Investitionen zur Kompensation der wegfallenden Kapazitäten unverzichtbar. EUR/t CO2 Photovoltaik Wind Wasser CO2-Abtrennung Neue Kohlekraftwerke 0 200 400 600 800 Quellen: Euracoal, RWE . # ," / ! "@ Nennspannung 380 kV Neubau Höchstspannungsleitung In der Dekade bis 2030 dürften die Investitionen in neue Kraftwerke dann etwas weniger stürmisch verlaufen. Da es Großkraftwerke künftig immer schwerer haben, werden dezentrale Einheiten mehr Chancen haben. Der Stromverbrauch dürfte nach 2020 stagnieren. Kassø (DK) - Hamburg Nord - Dollern Ganderkesee - Wehrendorf Neuhagen - Bertikow / Vierraden - Krajnik (PL) Lauchstädt - Redwitz Umfangreiche Investitionen im Netzausbau stehen an Diele - Niederrhein Aufgrund der langen Lebensdauer der Stromnetze und der vielfältigen Zusammenhänge zwischen Kraftwerksbau und Netzausbau sind ausgeprägte Investitionszyklen auch im Netzgeschäft zu beobachten. In den 1960er Jahren erforderte die Erschließung des „Speckgürtels“ der Städte hohe Netzinvestitionen. In den 1970ern beschleunigte der Ölpreisschock den Netzausbau. In den 1990ern brachte die Modernisierung der ostdeutschen Netze einen Investitionsschub. Bereits in den letzten Jahren sind die Investitionen in die Elektrizitätsnetze stark gestiegen. Bis 2030 zeichnen sich erhebliche Netzinvestitionen ab. Neben den zyklischen Instandhaltungsmaßnahmen induzieren neue Megatrends zusätzliche Netzinvestitionen. Dazu zählt die politisch gewollte Expansion und Integration der neuen Energien. So ist für den Transport der absehbar großen Strommengen aus den Offshore-Windanlagen in Norddeutschland in die Verbrauchszentren des Südens ein Ausbau des Hochspannungsleitungsnetzes dringend erforderlich. Die Deutsche Energie-Agentur (dena) schätzt den Bedarf auf rund 850 Kilometer, die möglichst rasch gebaut werden müssen. Eine größere Rolle spielt in Zukunft auch der internationale Stromhandel, der wachsende physische Lieferungen mit sich bringt. Ein funktionsfähiger europäischer Binnenmarkt für Elektrizität ist ohne den Ausbau und die Modernisierung der europäischen Netzinfrastruktur nicht vorstellbar. Deutschland kommt aufgrund seiner Lage im Herzen Europas und der schieren Größe seines Elektrizitätsmarktes dabei eine Schlüsselrolle zu. Wahle - Mecklar Hamburg / Krümmel - Schwerin Neuenhagen - Wustermark Niederrhein/Wesel - Landesgrenze NL Niederrhein - Utfort - Osterath Osterath - Weißenthurm Wehrendorf - Gütersloh Gütersloh - Bechterdissen Lüstringen - Westerkappeln Kruckel - Dauersberg Dauersberg - Hünfelden Marxheim - Kelsterbach Bünzwangen - Lindach Umrüstung Höchstspannungsleitung (auf 380 kV) Redwitz - Grafenrheinfeld (derzeit 220 kV) Weier - Villingen (derzeit 110 kV) Neckarwestheim - Mühlhausen (derzeit 220 kV) Lindach - Goldshöfe (derzeit 110 kV) Zubeseilung Höchstspannungsleitung Bergkamen - Gersteinwerk Kriftel - Eschborn Neubau Interkonnektor Eisenhüttenstadt - Baczyna (PL) Quellen: BMWi; Uluçay, Ali (2008), in: Energy Weekl y, Nr . 25, S. 5 9. Oktober 2008 Per Saldo erwarten wir, dass bis 2020 rund die Hälfte der Stromerzeugungskapazitäten zu substituieren ist. Wie die zitierten Zahlen des BDEW zeigen, geben die derzeitigen Planungen (bis 2018) dieses Kapazitätsvolumen noch keineswegs her. Deshalb muss in den kommenden Jahren merklich nachgelegt werden. In unserem Szenario unterstellen wir, dass die Elektrizitätswirtschaft die erforderlichen Investitionen auch tätigt und politische wie gesellschaftliche Widerstände (z.B. Bürgerinitiativen) grundsätzlich überwunden werden können. / Vom Netzausbau wird die Bauwirtschaft in erheblichem Maße begünstigt; sei es beim Aufstellen der Masten mit leistungsfähigen Fundamenten oder der Verlegung der Stromkabel unter Erde durch Tiefbauaktivitäten. Von den 850 Kilometern Hochspannungsleitungen, die für den Ferntransport des Offshore-Stroms möglichst schnell gebaut werden müssen, entfallen 250 Leitungskilometer auf Erdkabel. Dies wurde im Zusammenhang mit dem im Juni 2008 verabschiedeten zweiten Teil des Energie- und Klimaprogramms 15 Aktuelle Themen 433 verabredet. Die (mit geschätzt etwa EUR 70 Mio. Mehrkosten relativ teure) Entscheidung entschärft Konflikte, die der geplante Neubau von Hochspannungsleitungen in Niedersachsen und über den Rennsteig im Thüringer Wald heraufbeschworen hatte. Kraftwerkspark wird um gut ein Viertel ausgebaut Insgesamt rechnen wir in unserem ersten Szenario bis 2030 mit einem Ausbau des Kraftwerksparks um gut ein Viertel. Dieser resultiert keineswegs aus einer höheren Stromnachfrage, sondern z.B. aus der Expansion der Windenergie. Überdies legen wir unserer Kalkulation die in den letzten Jahren merklich gestiegenen Preise für Kraftwerke und Baustoffe zugrunde. Auf dieser Basis resultieren im Status-quo-Szenario Investitionen in den deutschen Kraftwerkspark und die Elektrizitätsnetze in Höhe von EUR 230 Mrd. Darin enthalten sind Bauinvestitionen von summiert etwa EUR 80 Mrd. 4.2 Szenario 2: Ausgabenlimit Größerer Bürgerprotest gegen neue Projekte erschwert Kapazitätsausbau Szenario 1 basiert auf der Erwartung, dass der Kraftwerkspark und seine Modernisierung die Stromversorgung in Deutschland im Betrachtungszeitraum gewährleisten kann. Diese Erwartung wird aufgrund einer Reihe überraschender Ereignisse in letzter Zeit immer öfter kritisch hinterfragt. Nachdenklich stimmen nicht zuletzt die jüngsten Vorgänge rund um den Aufbau neuer Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland. Hatte es früher vor allem die Kernenergie schwer, muss mittlerweile auch die Kohle um jeden Standort kämpfen. Offensichtlich ernten Neubauprojekte immer häufiger Bürgerproteste und zeitintensive Klageverfahren. Mittlerweile gibt es bereits einen Fall, wo sich die Bürger sowohl gegen ein Kohlekraftwerk als auch gegen einen Windpark entschieden haben. Bei solchen politischen Bedingungen sind dann offenbar weder Großkraftwerke noch eine weitere Dezentralisierung erwünscht. Für die deutsche Stromversorgung erhält die sich abzeichnende Neubaublockade im Kraftwerkssektor eine ganz besondere Brisanz durch den vereinbarten Kernenergieausstieg. Auf politischer Ebene ist jedoch eine Konstellation erkennbar, welche die Vereinbarung aufheben würde, sofern sie die erforderliche Mehrheit bei der nächsten Bundestagswahl zustande brächte. Insofern erscheint es nicht nur zweckmäßig, sondern dringend geboten zu sein, auch die Bedeutung einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken für die Stromversorgung in Deutschland zu thematisieren. + " 25.000 Hilfreich für die Folgeabschätzung ist in diesem Zusammenhang 10 eine Untersuchung der dena. Diese differenziert mehrere Fälle der Kraftwerks- und Netzplanung in Deutschland, wobei ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal die Annahme „ohne“ bzw. „mit Laufzeitverlängerung“ ist. 20.000 Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie? 15.000 Die Vorteile einer Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke in Deutschland um angenommen 20 auf durchschnittlich 52 Jahre sind evident. Besonders plausibel ist ein Szenario „mit Laufzeitverlängerung“ bei sinkendem deutschem Stromverbrauch infolge einer erfolgreichen Umsetzung der aktuellen Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung. ! Szenario: Energieprogramm Bundesregierung mit Atomausstieg; noch benötigte gesicherte Leistung in MW 10.000 5.000 0 -5.000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 - ist Überdeckung; + ist Unterdeckung Quelle: dena /8 Bei den Fallunterscheidungen „ohne“ und „mit Laufzeitverlängerung“ werden gleiche Annahmen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der KWK unterstellt. So steigen die Anteile der Erneuerba10 16 Vgl. dena (2008). Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Prämissen und Schlussfolgerungen der dena-Studie vgl. Matthes, Felix und Hans-Joachim Ziesing (2008) und Podewils, Christoph (2008). 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz ren und der KWK an der Stromerzeugung bis 2020 planmäßig auf 30% bzw. 25% – und danach weiter an. Keine Unterschiede werden bei der Realisierung der geplanten Kraftwerke gemacht. Deshalb lassen sich die Konsequenzen allein das auf Kriterium „ohne“ und „mit Laufzeitverlängerung“ zurückführen. — Im Falle des planmäßigen Atomausstiegs, also „ohne Laufzeitverlängerung“, tritt ab 2012 eine Versorgungslücke auf, denn die Jahreshöchstlast der Kraftwerkskapazitäten kann die erwartete Stromnachfrage nicht mehr vollständig decken. 2020 beträgt die Stromlücke bereits etwa 12.000 MW und 2030 rd. 22.000 MW. + " ! Szenario: Energieprogramm Bundesregierung mit Laufzeitverlängerung; noch benötigte gesicherte Leistung in MW 8.000 6.000 4.000 2.000 0 -2.000 -4.000 -6.000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 - ist Überdeckung; + ist Unterdeckung Quelle: dena /9 — Im Falle der 20-jährigen Laufzeitverlängerung dagegen liegt die gesicherte Leistung der bestehenden konventionellen Kraftwerke über den gesamten Betrachtungshorizont merklich höher. Das hätte den Vorteil, dass bis 2020 – und auch noch 2025 – der erwartete Strombedarf durch die verfügbaren Kraftwerkskapazitäten mehr als befriedigt werden kann. Eine Stromlücke entsteht erst danach; sie beträgt allerdings auch 2030 kaum mehr als 5.700 MW. Da die Lücke erst spät auftritt, wäre noch reichlich Zeit zum Gegensteuern. Nach unserer Einschätzung sollte aus einer linearen Verlängerung der Laufzeiten um 20 Jahre keineswegs der Schluss gezogen werden, dass tatsächlich jedes Kernkraftwerk um exakt diese Zeitspanne weiter betrieben wird. Da die aufgestellten Kraftwerke bezüglich Alter, angewendeter Technologien und Instandhaltungskosten variieren, ist es wahrscheinlich, dass das eine oder andere Kraftwerk schon vor den zugebilligten zusätzlichen 20 Jahren vom Netz genommen wird. Auch für den Weiterbetrieb der Anlagen sind Optimierungen relevant. Deshalb kann es von Fall zu Fall durchaus zweckmäßig sein, Modernisierungen nicht mehr vorzunehmen, sollten die damit zusammenhängenden Kosten durch den zu erwartenden Ertrag nicht mehr gedeckt werden. Alles in allem rechnen wir im Szenario mit Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke mit merklich geringeren Investitionskosten in den Kraftwerkspark als in Szenario 1. Daher nennen wir dieses Szenario Ausgabenlimit. Die im Betrachtungszeitraum unterstellte Verfügbarkeit von rd. 20.000 MW Kernkraftwerkskapazitäten vermindert den Bedarf für Investitionen zur Absicherung der Grundlast. Auch die klimapolitisch gewünschte Expansion der Erneuerbaren dürfte unter den Bedingungen der verlängerten Laufzeiten etwas schwächer ausfallen als in Szenario 1. Wir erwarten zwar bis 2020 einen Anstieg des Anteils der Erneuerbaren an der Stromversorgung auf 30%, aber bis 2030 dann „nur noch“ eine Zunahme auf 35%. Dies koinzidiert mit einem Anteil der Erneuerbaren an den installierten deutschen Kraftwerkskapazitäten von 52%. Die gesamten Kapazitäten könnten 2030 bei 155.000 MW liegen. Investitionskosten spürbar niedriger als im Status-quo-Szenario 9. Oktober 2008 Dank der verlängerten Laufzeiten der Kernkraftwerke liegen die Investitionskosten in diesem Szenario nach unseren Berechnungen mit gut EUR 190 Mrd. spürbar niedriger als in Szenario 1. Das ist wenig überraschend, denn die Kernenergie steuert immerhin etwa ein Siebtel der heutigen Elektrizitätserzeugungskapazität bei. Die längeren Laufzeiten ersparen vorübergehend einen Teil der Investitionen in den fossilen Kraftwerkspark und reduzieren das Expansionstempo der Erneuerbaren. Die mit dem Ausgabenlimit-Szenario einhergehenden Bauinvestitionen betragen nach unserer Kalkulation immer noch etwa EUR 65 Mrd. 17 Aktuelle Themen 433 2 + " , # 4.3 Szenario 3: Klimaschock * #/ % an regenerativer Elektrizitätserzeugung in Deutschland, 2007 0,1 25,0 27,0 3,5 44,4 Wasserkraft Windenergie Photovoltaik Biomasse Geothermie Quellen: BEE, BBE /: Zunehmende Klimaprobleme führen in diesem Szenario zu einer schärferen Klimapolitik in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt, insbesondere in der Zeit nach 2020. Deshalb dürfte sich der Zertifikatspreis im Vergleich zu den beiden anderen Szenarien merklich schneller und stärker erhöhen und zum Ende unseres Prognosehorizonts auf bis zu EUR 50 pro Tonne steigen. Die neue Klimapolitik verändert den Mix der Elektrizitätserzeugung auf vielfältige Weise. Zu den Gewinnern zählen alle erneuerbaren Energien. Die politischen Impulse ermöglichen eine Expansion der klimafreundlichen Erneuerbaren an der Elektrizitätserzeugung auf 44%. Bei der Windenergie kommen die Impulse zunächst vom Repowering von Altanlagen. Spätestens ab Mitte der nächsten Dekade steuern dann leistungsfähige Offshore-Windparks steigende Beiträge zur Stromversorgung bei. Die von der Windenergiebranche bis 2020 erwartete installierte Kapazität von 10.000 MW OffshoreWindkraft erscheint realisierbar. In der Dekade danach dürfte die ursprünglich bereits für 2020 erwartete Windleistung von 20.000 MW vor der deutschen Küste übertroffen werden. Wir erwarten, dass dann auch die Stromnetze fit sind für den Transport der großen Windstrommengen über weite Distanzen. Dezentralisierung der Energieversorgung Start erster Projekte virtueller Kraftwerke ermutigend In Deutschland wurden in diesem Jahrzehnt mehrere Projekte unter dem Schlagwort des virtuellen Kraftwerks begonnen und auch umgesetzt.1 Eines der ersten getesteten virtuellen Kraftwerke ist das Ende 2004 in Betrieb gegangene Unna-Kraftwerk. Die Projektbeteiligten sind die Stadtwerke Unna, die EUS GmbH und ABB New Ventures. Es verbindet 5 BHKW, 1 Wasserkraftwerk, 1 Photovoltaikanlage und 2 Windparks und kommt auf eine Jahresproduktion von 26 GWh. Unna galt bereits früh als „gelungenes Beispiel für rationelle Energieverwendung und -verteilung“.2 1 Für einen Überblick über die einzelnen Projekte vgl. Arndt, Ulli; von Roon, Serafin; Wagner, Ulrich (2006). Virtuelle Kraftwerke: Theorie oder Realität? In BWK, Jg. 58, Nr. 6, S. 52-57. 2 Janzing, Bernward (2005). Kraftwerke im Keller. In Petermann, Jürgen (Hrsg.). Sichere Energie im 21. Jahrhundert. S. 289-293, hier S. 293. Die steigende Stromerzeugung auf Basis von Bioenergien – oft auch unter Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung – trägt insbesondere auch im ländlichen Raum zur Dezentralisierung und Sicherheit der Stromversorgung bei. Ein Wachstumsfeld – freilich auf niedriger Basis – bleibt auch die Solarenergie. Die in den Anfangsjahren noch starke, später aber spürbar sinkende Förderung der Photovoltaik heizt den technischen Fortschritt dieser derzeit noch sehr teuren Technologie an. Da es im Rahmen der Förderung keinen Deckel für die Mengen gibt, ist ein wachsender Anteil an der Stromproduktion programmiert. Am Ende des Betrachtungszeitraums kommt die Technik selbst in Deutschland ohne Förderung aus. Das gilt nicht nur für Solarparks in der Fläche, sondern auch für Dachanlagen. Der Boom der Photovoltaik kommt dem Handwerk zugute. Überdies werden in Zukunft innovative Architekten Neubauprojekte standardmäßig mit Aggregaten zur Nutzung von Sonnenenergie ausstatten. Im Unterschied zu den neuen Erneuerbaren dürfte die Strommenge auf Basis von Wasserkraft auch 2030 kaum höher als heute liegen, da die verfügbaren Wasserpotenziale schon weitgehend erschlossen sind. Wir erwarten zwar Fortschritte bei den Techniken zur Speicherung von Strom – von Pump- und Druckluftspeichern bis hin zu Batterien z.B. in Fahrzeugen. Allerdings dürfte auch 2030 noch ein Großteil der oftmals nicht genau planbaren Strommengen aus regenerativen Quellen nicht über längere Zeit kommerziell zu speichern sein. Eine Ausnahme ist hier Biogas. Auf dem Weg hin zur Etablierung leistungsfähiger virtueller Kraftwerke ist man bis 2030 bereits ein großes Stück weiter. Hier erwarten wir projektwirtschaftlichen Fortschritt. Da der Umbau der Stromerzeugungsstrukturen aber viele Jahrzehnte benötigt, liegt ein großer Teil des Weges zur Modernisierung der Elektrizitätswirtschaft noch vor uns. Das Zusammenschalten der unterschiedlichen regenerativen Stromquellen erlaubt zwar ein Ausbalancieren der Strommengen. Aufgrund der bis Ende des Betrachtungszeitraums immer noch mangelnden Durchdringung in der Fläche dürften virtuelle Kraftwerke jedoch geringe Bedeutung haben. 18 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz ! # '000 MW 200 150 Die im Vergleich zu den anderen Szenarien spürbar höheren Preise für Emissionszertifikate bringt Erdgas bei der Kalkulation neuer konventioneller Kraftwerke wieder zurück ins Spiel. Der Kostennachteil von Erdgas bei den Brennstoffkosten wird dank der im Vergleich zur Kohle günstigeren CO2-Bilanz und dem damit niedrigeren Bedarf an Zertifikaten kompensiert. Folglich steigt der Anteil von Erdgas an der Stromerzeugung, während Kohle künftig eine geringere Rolle spielt. 100 Größere Erfolge beim Energiesparen 50 0 KlimaschockSzenario AugabenlimitSzenario StatusquoSzenario Quelle: DB Research - , " ! . /< # Mrd. EUR 250 200 150 100 50 0 StatusquoSzenario AusgabenlimitSzenario KlimaschockSzenario Bauinvestitionen gesamt Quelle: DB Research C " 0 1 ' " Anteil an CO2-Gesamtemisionen, 2004 /? In unserem Klimaschockszenario kalkulieren wir, dass bisher ungenutzte Potenziale zur Reduzierung des Stromverbrauchs, nicht zuletzt im Segment der privaten Haushalte, aktiviert werden. Die Palette ist breit: Sie umfasst z.B. die Warmwasserbreitung, Stand-byFunktionen bei elektronischen Konsumgütern oder Küchengeräte. Im Ergebnis haben die Initiativen für einen sparsameren und effizienteren Umgang mit Energie in den Privathaushalten, der Industrie und im Mittelstand die Konsequenz, dass der Stromverbrauch in Deutschland bis 2030 um ein Zehntel niedriger liegt als heute. Die auch künftig noch unzureichenden Speichermöglichkeiten für regenerativ erzeugte Elektrizität und die nicht flächendeckend verfügbaren virtuellen Kraftwerke machen neue Stromerzeugungskapazitäten für Verbrauchsspitzen nötig. In letzter Konsequenz werden die Kraftwerkskapazitäten in Deutschland bis 2030 auf 192.000 MW wachsen – fallen also 7% höher aus als im Status-quo-Szenario. Den mit Szenario 3 einhergehenden Investitionsbedarf veranschlagen wir mit EUR 225 Mrd. Die Investitionssumme ist das Ergebnis gegenläufiger Trends. So kosten die aufgrund der höheren Preise für Emissionszertifikate attraktiveren Gaskraftwerke im Vergleich zu neuen Kohlekraftwerkskapazitäten weniger, die Investitionskosten fallen also niedriger aus. Im Gegensatz dazu kosten die im Vergleich zu den beiden anderen Szenarien stärker expandierenden Stromerzeugungskapazitäten auf Basis regenerativer Energien mehr. Der dank verstärkter Einspar- und Effizienzinitiativen geringere Elektrizitätsverbrauch dämpft dagegen den Investitionsbedarf. Ein niedrigerer Stromkonsum, höhere Anteile der Erneuerbaren und dezentralen Versorgungsstrukturen ersparen auch einen Teil des erforderlichen Netzausbaus. Per Saldo sind in unserem Klimaschock-Szenario Bauinvestitionen von EUR 75 Mrd. erforderlich. 8 4" B # # ' 7% 7% 6% 17% 63% Sonstige CO2-Emissionen Wohngebäude (Wärme) Wohngebäude (Strom) Nichtwohngebäude (Wärme) Nichtwohngebäude (Strom) Quelle: IWU 9. Oktober 2008 Nach Berechnungen des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) entfallen etwa 37% der deutschen CO2-Emissionen auf den Immobiliensektor: 23% auf Wohnimmobilien und 14% auf Nichtwohngebäude. Die große Bedeutung des Immobilienbestands ist nicht überraschend, da Immobilien die mit Abstand größte reale Vermögensklasse in Deutschland darstellen. Das Nettoanlagevermögen in Deutschland (zu Wiederbeschaffungspreisen) belief sich Anfang 2008 auf EUR 7,6 Bill., davon entfallen EUR 3,9 Bill. auf Wohnimmobilien und EUR 2,7 Bill. auf Nichtwohnimmobilien. Die meisten Wohnimmobilien werden zudem über einen längeren Zeitraum genutzt als Nichtwohnimmobilien, und die Anreize zum Energiesparen sind geringer als beispielsweise bei Gewerbeimmobilien (dazu später mehr). Daher ist es nicht verwunderlich, dass das Emissionsvolumen im Wohnungssegment deutlich größer ausfällt als im Nichtwohnsegment. Gesamtdeutsche Einsparziele lassen sich wohl nur 19 Aktuelle Themen 433 erreichen, wenn auch eine kohärente Strategie zur Energiereduktion bei Immobilien verfolgt wird. Im Folgenden werden die oben skizzierten Szenarien auf die Immobiliensegmente übertragen. Es werden Einsparpotenziale geschätzt und daraus die Baupotenziale abgeleitet. Darüber hinaus werden mögliche Maßnahmen präsentiert, denn allein aufgrund überlegener Wirtschaftlichkeit lässt sich gerade im Wohnsegment das Klimaziel der Bundesregierung wohl nicht erreichen. + 5.1 Klimaschutz im Wohnungsbau 2 Der Wunsch nach einer angemessenen Wohnung gehört zu den wichtigsten Bedürfnissen des Menschen. Und weil man so viel Zeit zu Hause verbringt, ist uns Wohnkomfort viel wert: gut ein Viertel der Konsumausgaben in Deutschland werden für Wohnen veranschlagt. Allein der hohe Anteil des Wohnimmobiliensektors an den CO2-Emissionen impliziert enorme Chancen für den Klimaschutz, denn kleine Effizienzgewinne je Wohneinheit werden in der Summe zu einer sehr bedeutsamen Größe. Tatsächlich gibt es sogar sehr große Effizienzpotenziale im deutschen Wohnungsbestand. Nettoanlagevermögen zu Wiederbeschaffungspreisen, Mrd. EUR 4.500 4.000 3.500 3.000 2.500 2.000 1.500 1.000 500 0 Gebäudebestand 91 93 95 97 99 01 03 05 07 Wohnbauten Nichtwohnbauten übrige Anlagegüter Quelle: Statistisches Bundesamt D 2" / E Wohnfläche in Mio. m², nach Altersgruppen 1979-2006 1958-1978 1949-1957 1919-1948 vor 1918 0 Einfamilienhaus 500 1.000 1.500 Mehrfamilienhaus Quelle: Destatis In Deutschland gibt es knapp 39 Mio. Wohneinheiten in fast 18 Mio. Wohngebäuden. Hinzu kommen noch 782.000 Wohneinheiten in Nichtwohngebäuden (diese werden jedoch analytisch bei Nichtwohngebäuden berücksichtigt). Der gesamte Wohnflächenbestand (in Wohngebäuden) beläuft sich auf gut 3,3 Mrd. m² Wohnfläche, also 86 m² je Wohneinheit. Von den insgesamt rd. 39 Mio. Wohneinheiten sind gut 30% nach 1978 errichtet worden, und knapp 60% aller Wohnungen befinden sich in Mehrfamilienhäusern. Für die energetische Sanierung relevant ist jedoch nicht die Zahl der Wohneinheiten, sondern die gesamte Wohnfläche: Knapp 40% aller Flächen sind jünger als 30 Jahre, und über 50% aller Flächen sind in Ein- und Zweifamilienhäusern (inkl. Reihenhäusern). Dies impliziert, dass Wohnungen in Einfamilienhäusern im Durchschnitt um fast 50% größer sind als Wohnungen in Mehrfamilienhäusern und dass die Wohnungen seit 11 dem zweiten Weltkrieg im Schnitt immer größer geworden sind. Der Wohnflächenbestand wird in den nächsten Jahren trotz rückläufiger Bevölkerungszahl weiter zunehmen, denn zum einen bedeutet eine alternde Gesellschaft kleinere durchschnittliche Haushaltsgrößen und zum anderen ist der Trend zu mehr Wohnfläche je Haushalt noch nicht gestoppt. Wir rechnen mit moderat steigenden Wohnungsgrößen je Haushalt (+7% bis 2030). Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern gibt es nach wie vor einen erheblichen Nachholbedarf, der noch über Jahrzehnte für steigende Wohnfläche 12 je Haushalt sorgen dürfte. Bei einer jährlichen Nettozuwanderung von 100.000 Personen dürfte die Wohnflächennachfrage in Deutschland bis 2030 um 8% zunehmen (bei einer Nettozuwanderung von 200.000 Personen pro Jahr läge der Nachfragezuwachs bei rd. 11,5%). 11 12 20 Einfamilienhäuser, die nach 2002 fertig wurden, sind um über 60% größer als Einfamilienhäuser aus der Nachkriegszeit. Bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ist der Flächenzuwachs mit knapp 50% etwas geringer und entwickelte sich erst nach der Jahrtausendwende sprunghaft. Bemerkenswert ist auch, dass die durchschnittliche Wohnung, die direkt nach dem Krieg gebaut wurde, etwas kleiner war als die Wohnungen, die vor dem Krieg gebaut wurden (und noch bestehen). Vgl. hierzu Just, Tobias (2003). Außerdem Bräuninger, Dieter et al. (2007). 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz = Stetige Erneuerung des Immobilienbestands als Klimaschutz " Wohnflächennachfrage Deutschland, Heizwärmenachfrage, 2006=100 108 106 104 102 100 98 2006 2010 2014 2018 2022 2026 2030 Wohnflächennachfrage Heizwärmebedarf Der Heizwärmebedarf sinkt früher, da abgerissene Wohnungen und durch Fortzug leer stehende Wohnungen eine deutlich geringere Effizienz aufweisen als neu gebaute Wohnungen. Quellen: Destatis, IWU, DB Research & Heizung plus Warmwasser, kWh/(m²Jahr) 2002-2006 1995-2001 1984-1994 1979-1983 1969-1978 1958-1968 Für den Heizwärmebedarf der kommenden Jahre lässt sich ein Benchmark-Szenario auf der Basis dieser Nachfrageprognose konzipieren: Diesem liegt zugrunde, dass wegen der verringerten Nachfragezuwächse auch die Zahl der Neubauten zurückgehen wird. Gleichzeitig werden nicht marktgängige Wohnungen abgerissen. Dies waren seit der Jahrtausendwende rd. 50.000 Einheiten pro Jahr. Diese Zahl dürfte in Zukunft steigen, da Wohnungen in Fortzugsregionen immer häufiger leer bleiben. Es ist plausibel, dass die Neubauwohnungen einem deutlich höheren Wärmeschutzstandard entsprechen als die abgerissenen Wohnungen. Wir haben mit 80 kWh pro m² und Jahr für Neubauwohnungen gerechnet; das entspricht einer Modernisierung mit Komponenten gemäß der neuen 13 Energieeinsparverordnung. Die Größe einer neuen Wohnung wurde mit 132 m² veranschlagt, die einer abgängigen Wohnung mit 86 14 m². Für eine abgerissene Wohnung setzten wir einen (eingesparten) Heizwärmebedarf von 170 kWh pro m² und Jahr an. Zum Vergleich: Heute werden in einer durchschnittlichen Wohnung in 15 Deutschland 135 kWh pro m² und Jahr verbraucht. Dies entspricht bei gut 3,3 Mrd. m² Wohnfläche einem gesamten Heizwärmebedarf von rd. 450 Mrd. kWh pro Jahr. Der stetige Ersatz von Wohnungen führt zu einer Schonung des Klimas, denn trotz des Anstiegs der Wohnflächennachfrage um 7%, nimmt der Heizwärmebedarf nur sehr geringfügig zu und liegt im Jahr 2030 sogar unterhalb des heutigen Niveaus – ohne eine einzige zusätzliche Sanierungsmaßnahme! Durch diesen Prozess sinkt der mittlere Heizwärmebedarf von heute 135 kWh auf 124 kWh pro m² und Jahr. In unserer Einschätzung der klimabedingten Baueffekte rechnen wir diese Bautätigkeit nicht mit ein, da sie (wahrscheinlich) überwiegend auch ohne Klimawandel durchgeführt worden wären. Dieses Referenzszenario ist sehr konservativ, da angenommen wurde, dass die Neubautätigkeit von derzeit gut 200.000 Wohneinheiten pro Jahr allmählich auf die Hälfte im Jahr 2030 sinkt. Das Durchschnittsalter im Wohnungsbestand steigt also deutlich, was die Sanierungsnotwendigkeit erhöht. Würde man über die nächsten 25 Jahre jährlich 250.000 Wohneinheiten (nach derselben Maßgabe) neu bauen, würde der Heizwärmebedarf auf 94% des heutigen Niveaus sinken und der Heizwärmebedarf pro m² und Jahr 16 auf nur noch 118 kWh. 1949-1957 Mögliche Baumaßnahmen 1919-1948 vor 1918 0 100 Einfamilienhaus 200 300 400 Mehrfamilienhaus Quelle: Fraunhofer Institut für Bauphysik, 2007 Sehr viele energetische Modernisierungsmaßnahmen rechnen sich dann, wenn sowieso eine Baumaßnahme erfolgen muss und die Einsparmöglichkeiten wegen der hohen Energiepreise stark ausfallen. Im Zuge der ersten gesetzlichen Regelungen zum Wärmeschutz von Gebäuden 1977 wurden die Anforderungen an energiesparendes Bauen immer weiter verschärft. Heute liegt der Energiebedarf bei rd. 60 bis 80 kWh pro m² und Jahr (entspricht 6 bis 8 13 14 15 16 9. Oktober 2008 Vgl. zu den Zahlen IWU (2007). Diese Zahlen sind der aktuellen amtlichen Statistik angelehnt worden: die durchschnittliche Neubauwohnung ist 132 m² groß, die durchschnittliche Bestandswohnung 86 m². Der größte Teil der Einsparung folgt der energetischen Sanierung der Wohnungen, ein bedeutend kleinerer Einspareffekt beim Heizwärmebedarf resultiert aus der klimatischen Verschiebung zu milderen Wintern. Nach neuen Studien liegen die Kosten für den Neubau von energetisch modernen Gebäuden nicht systematisch über jenen von „nicht-grünen“ Gebäuden. Davis Langdon (2007). 21 Aktuelle Themen 433 Litern Öl). Vor diesen Maßnahmen lag der Bedarf häufig vier- bis sechsmal höher. Einzelmaßnahmen reichen oft nicht aus, um Energieziele zu erreichen Sehr häufig lässt sich der heutige Standard durch geeignete bauliche Maßnahmen auch im Bestand erreichen. Eine einzige bauliche Veränderung reicht hierfür freilich nicht: In der untenstehenden Box werden mögliche Modernisierungsmaßnahmen aufgelistet: Das größte Einsparvolumen bietet die Erneuerung der Heizung (typische Wärmeverluste bei ungedämmten Haus: 30% bis 35%), die Sanierung der Außenwand (20% bis 25%) sowie des Daches (20% bis 17 25%) und der Fenster (15% bis 20%). Es wird bereits hier deutlich, dass nicht alle Maßnahmen gleich sinnvoll sind: So liegen die Kosten je eingesparter kWh bei einer Dämmung des obersten Geschosses bei nur 2,8 Eurocent, bei der Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung jedoch mehr als zwölfmal höher. Verschiedene Maßnahmen dürften sich also nur dann rechnen, wenn die Energiepreise noch stärker ansteigen, spürbar niedrigere Kosten durch technischen Fortschritt möglich werden und/oder der Gesetzgeber massive Eingriffe vornimmt. Offensichtlich richtet sich das Bauvolumen also nach den oben beschriebenen Szenarien. &( &" ) Bereich Maßnahme Maßnahmenkosten gesamt (brutto) Energieeinsparung bezogen auf Wohnfläche Wärmedämmverbundsysteme 114 EUR/m² 41 kWh/(m² Jahr) Zwischen- und Aufsparrendämmung Dämmauflage (begehbar) 136 EUR/m² 23 kWh/(m² Jahr) 50 EUR/m² 31 kWh/(m² Jahr) Dämmung unter der Decke 32 EUR/m² 11 kWh/(m² Jahr) Fenster Wärmeschutzverglasung 571 EUR/m² 9 kWh/(m² Jahr) Lüftung Anlage mit Wärmerückgewinnung Thermische Solaranlage 5.950 EUR/Wohneinheit 16 kWh/(m² Jahr) 2.380 EUR/Wohneinheit 11 kWh/(m² Jahr) Brennwertkessel 703 EUR/Wohneinheit 8 kWh/(m² Jahr) Holzpellet-Kessel 1.687 EUR/Wohneinheit 177 kWh/(m² Jahr) Außenwand Dach Oberste Geschossdecke Kellerdecke Warmwasserbereitung Wärmeerzeugung Beispiel für ein Mehrfamilienhaus mit 1.000 m² Wohnfläche. Einsparmöglichkeiten lassen sich nicht aufaddieren, da es sich um Berechnungen von Einzelmaßnahmen handelt. Quellen: IWU (2007), Knissel (2007) ' ") ! !" Umsetzen der Szenarien # Es wurde bereits in zahlreichen Studien gezeigt, dass sich sehr viele Baumaßnahmen zur Energiereduktion dann rechnen, wenn sowieso 18 eine Baumaßnahme durchgeführt werden soll. Dies hat nach Aussagen des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie 2006 und 19 2007 jeweils zu über 200.000 Wohnungssanierungen geführt. Dieses Resultat ist auch auf die staatliche Förderung im Wohnungsbereich zurückzuführen. Das Fraunhofer Institut für Bauphysik (2007) kommt zu dem Ergebnis, dass diese Fördermaßnahmen pro Jahr zu einer Energieeinsparung von 2,3 Mrd. kWh führen. Dies entspricht gut einer Million Tonnen CO2 – freilich ohne die im Zuge der Umbaumaßnahmen anfallenden Zusatzemissionen. Der Abzug hierfür dürfte jedoch gerade im Wohnungsbau vernachlässigbar sein. Einsparpotenzial Endenergieverbrauch Wohngebäude (Angaben bis zu x%) vor 1900 1900-1918 1919-1945 1945-1959 1960-1969 1970-1976 1977-2006 0 50 100 Quellen: Energieagentur NRW, IWU 9 17 18 19 22 8 Vgl. hierzu Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Bundeslands Nordrhein-Westfalen, http://www.mein-haus-spart.de/page.asp?RubrikID=4563. McKinsey (2007), IWU (2007), Voigtländer (2008). Knipper (2008). 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz Förderprogramme des Bundes Marktanreizprogramm Gefördert werden thermische Solaranlagen zur Warmwassererzeugung, zur Raumheizung sowie zur kombinierten Warmwasserbereitung und Raumheizung, außerdem Wärmepumpen und automatisch beschickte kleine Biomassekessel (Holzpellets, Hackschnitzel, Scheitholz). KfW-CO2-Gebäudesanierungsp.-Kredit Finanziert wird die Sanierung von Altbauten (Wärmedämmung, neue Fenster, Heizung) mindestens auf Neubau-Niveau nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) im Rahmen von sog. Maßnahmepaketen. KfW-CO2-Gebäudesanierungsp.-Zuschuss Gefördert wird die Sanierung von Ein- und Zweifamilienhäusern oder von Eigentumswohnungen (Wärmedämmung, neue Fenster, Heizung) mindestens auf Neubau-Niveau nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) im Rahmen von sog. Maßnahmepaketen. KfW-Programm Ökologisch Bauen Gefördert werden die Errichtung, Herstellung oder der Ersterwerb von KfW-Energiesparhäusern und von Passivhäusern sowie der Einbau von Heizungstechnik auf Basis erneuerbarer Energien, Kraft-Wärme-Kopplung, Nah-/Fernwärme bei Neubauten. KfW-Programm Wohnraummodernisieren Gefördert werden einzelne Modernisierungsund Instandsetzungsarbeiten an Wohngebäuden (Standard- und Öko-Plus-Maßnahme). Hierzu gehört u.a. der Wärmeschutz der Gebäudeaußenhülle, die Erneuerung der Heizungstechnik auf Basis Erneuerbarer Energien sowie der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung. KfW-Programm Solarstromerzeugen Gefördert wird das Errichten und Erweitern sowie der Erwerb einer Photovoltaik-Anlage bzw. der Erwerb eines Anteils an einer Photovoltaik-Anlage im Rahmen einer GbR. Vor-Ort-Beratung Gefördert wird eine umfassende Beratung, bezüglich baulicher Wärmeschutz sowie Wärmeerzeugung und -verteilung unter Einschluss der Warmwasserbereitung und der Nutzung Erneuerbarer Energien. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Regelt den vorrangigen Anschluss / Abnahme von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien und aus Grubengas im Bundesgebiet an die Netze sowie die Übertragung und Vergütung dieses Stroms durch die Netzbetreiber. Wärme in Schulen und Kirchen Gefördert wird der Mehraufwand beim Einsatz von Wärme aus Erneuerbaren Energien z.B. Anlagenteile oder elektronische Anzeigetafeln in allgemein zugänglichen Räumen. Quelle: Fachinformationszentrum Karlsruhe (www.energiefoerderung.info) Allerdings darf man sich durch die hohen absoluten Zahlen nicht täuschen lassen: 200.000 sanierte Wohnungen sind nur 0,5% des gesamten deutschen Wohnungsbestands, auch das eingesparte Energievolumen entspricht nur einem halben Prozent des gesamten Energiebedarfs im Wohnungsbereich. Werden bis zum Jahr 2030 weiterhin 200.000 Wohnungen pro Jahr energetisch saniert, würden weniger als 5 Mio. Wohneinheiten auf den energetisch neuesten Stand kommen, also ein Achtel des gesamten Wohnungsbestands, bzw. nicht einmal 20% des Altbaubestands (mit Baujahr vor 1979). Das wäre viel zu wenig, um die Einsparziele zu erreichen. Folgerichtig wird in der Prognose von McKinsey (2007) die Sanierungsquote auf 1,7% mehr als verdoppelt, was von den Autoren selber als ambitioniert bezeichnet wird. Auch Bardt, Demary und Voigtländer (2007) machen deutlich, dass das aktuelle Fördervolumen wohl nicht reicht, um die Einsparziele der Bundesregierung zu erreichen. Man benötigt entweder den „neuen“ klimabewussten Bürger oder eine deutliche Verteuerung der Energie. Öffentliche Förderung ist mit Einschränkungen sinnvoll Öffentliche Förderung ist zwar grundsätzlich sinnvoll, denn es liegen offensichtlich externe Umweltkosten vor, die der Markt bei der 20 Preisbildung nicht berücksichtigt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass öffentliche Förderung der allein selig machende Weg sein darf. Es ist richtig, dass es Anreize zum Energiesparen auf Seiten von Mietern und Vermietern gibt. In allen drei Szenarien gibt es einen Mix aus marktwirtschaftlichen und Förderimpulsen. Im ersten Status-quo-Szenario dürften durch die Förderpolitik viele zusätzliche Maßnahmen rentierlich werden; die Sanierungsrate steigt von heute 0,5% auf 1,4% pro Jahr. Das entspricht 2,2% des gesamten Wohnungsbestands, der vor 1979 erbaut wurde. Im Jahr 2030 würden dann 32% des Wohnungsbestands auf den 7-Liter-Standard saniert worden sein. Im zweiten Ausgabenlimit-Szenario ist die Regierung stärker bemüht, die Finanzierungslasten gering zu halten. Fördervolumen werden daher begrenzt, und die Sanierungsquote wird bis 2030 auf 0,7% des Wohnungsbestands pro Jahr nur sehr leicht erhöht. Dies entspricht einer Sanierungsrate von 1,1%, des Altbaubestands (vor 1979 erbaut). Bis 2030 wären dann 16% aller Wohnungen energetisch saniert – nicht gerade ein anspruchsvolles Ziel. Allerdings wird der 7-Liter-Haus-Standard bei allen Sanierungsmaßnahmen erzielt. Es wird neben der sowieso erfolgten Sanierung durch Neubaumaßnahmen eine zusätzliche energetische Sanierung erreicht. Das dritte Klimaschock-Szenario ist das anspruchsvollste. Hier werden 2,1% aller Wohnungen pro Jahr energetisch erneuert, sodass im Jahr 2030 die Hälfte aller Wohnungen saniert wäre, also drei Viertel aller Wohnungen, die vor 1979 erbaut wurden. Dies ist nur erreichbar, wenn die starken Energiepreisanstiege durch sehr umfangreiche Politikmaßnahmen flankiert würden. Einsparpotenzial = Baupotenzial Die umfangreichen Baumaßnahmen im Bestand bedeuten je nach Szenario eine Energieeinsparung von 11,5% (AusgabenlimitSzenario) bis 33% (Klimaschock-Szenario) gegenüber 2007. Hier sind bereits die Veränderungen aus zusätzlichen Neubaumaßnah20 9. Oktober 2008 Tatsächlich dürfte es sich bei der Antwort auf den Klimawandel sogar um ein globales öffentliches Gut handeln. Bei öffentlichen Gütern erzielen Marktmechanismen allein unbefriedigende Ergebnisse. 23 Aktuelle Themen 433 men und Abrissen enthalten, die aus der Änderung des Flächenbedarfs resultieren. Das heißt, selbst wenn man den steigenden Flächenbedarf je Haushalt und die vorübergehend noch steigende Zahl an Haushalten berücksichtigt, könnte eine sehr energische Energiesparpolitik durch Baumaßnahmen im Bestand zu einem Rückgang des Energieverbrauchs um über 30% gegenüber heute führen. ' ") +! !" " # > 1+# Für die Einschätzung des Baupotenzials wurde die Sanierung auf den 7-Liter-Standard unterstellt. Eine solche Sanierung für einen besseren Wärmeschutz verursacht im Mittel nach Angaben des Instituts für Wohnen und Umwelt Kosten in der Größenordnung von fast 200 EUR/m². Da diese Sanierungsmaßnahmen in der Regel dann durchgeführt werden, wenn sowieso eine Sanierung ansteht, setzen wir die Kosten nicht in voller Höhe an, sondern „nur“ 122 EUR/m² für die energetische Sanierung (v.a. Dämmung der Fassade, des Daches, neue Fenster etc.). Zusätzlich ließe sich durch eine bessere Wärmeversorgung weitere Energie sparen. Hierfür wurde der Einbau eines Blockheizkraftwerkes unterstellt. Dieser verursacht Kosten in Höhe von rd. 15 EUR/m². Schließlich ließen sich durch ein umfangreiches Umrüsten auf thermische Solaranlagen zur Wasserbereitung Investitionen von 30 EUR/m² realisieren. " Heizwärme und Warmwasser in kWh pro Jahr, 2007=100 105 100 95 90 85 80 75 70 65 60 Pro Jahr würden allein für die Sanierungsmaßnahmen zum besseren Wärmeschutz zwischen gut EUR 3 Mrd. (Szenario 2) und EUR knapp 10 Mrd. (Szenario 3) entstehen. Bis 2030 würden Investitionen in Höhe von insgesamt EUR 73 Mrd. (Szenario 2) und EUR 220 Mrd. (Szenario 3) anfallen. 2007 2011 2015 2019 2023 2027 Ausgabenlimit-Szenario Status-quo-Szenario Klimaschock-Szenario *Inklusive Neubau- und Abrissmaßnahmen, die aus normalem Abgang und steigender Wohnflächennachfrage folgen. : Quelle: DB Research !" # 2" ") Rechnen wir den Einbau von Blockheizkraftwerken sowie das umfangreiche Umrüsten von Solaranlagen hinzu, würde das kumulierte Investitionsvolumen im Wohnungsbereich sogar zwischen knapp EUR 100 Mrd. (Szenario 2) und etwas weniger als EUR 300 Mrd. (Szenario 3) bis 2030 liegen. Diese Maßnahmen sind freilich in unserer Abschätzung zur Erneuerung des Kraftwerksparks berücksichtigt; sie spielen daher für die weitere Schätzung des Bauvolumens im Wohnungsbereich keine Rolle mehr. Die größten und sichersten Impulse resultieren aus der Gebäudedämmung (Fassade, Dach, Keller) und aus dem Einbau neuer Fenster. Insbesondere die Nachfrage nach Dämmstoffen und Leichtbetonsteinen dürfte angekurbelt werden, weniger jene von Ziegeln und Massivbeton, denn nach Angaben der Energieagentur NRW erreicht ein 2 cm starker Dämmstoff oder ein 6 cm starker Leichtbetonstein dieselbe Dämmwirkung wie 90 cm Klinker oder 105 cm Massivbeton. Für Innendämmung, die Dämmung von Dächern und Kellern kommen daher in der Regel nur Dämmstoffe oder allenfalls Leichtbetonsteine oder Nadelhölzer in Frage. 1 Jährliches zusätzliches Baupotenzial in Mrd. EUR pro Jahr 14 12 10 8 6 Bewerten der Maßnahmen 4 Der deutliche Anstieg der Sanierungsrate im Klimaschock-Szenario (Nr. 3) ist aus heutiger Sicht sehr ambitioniert. Dieser Anstieg würde erfordern, dass es massive Änderungen im deutschen Mietrecht gäbe, damit der beste Anreiz zur energetischen Sanierung, nämlich 21 das eigene Interesse der Mieter und Vermieter, zum Tragen käme. 2 0 Status-quo- AusgabenSzenario limitSzenario Energieeffizienz KlimaschockSzenario Energieerzeugung Warmwasser Quellen: IWU, DB Research < Das Status-quo-Szenario für den Wärmeschutz (ohne die Maßnahmen für Energieerzeugung und Warmwasserversorgung) dürfte plausibel sein. Die Impulse wären mit EUR 144 Mrd. bis 2030 zwar immer noch enorm (gut EUR 6 Mrd. pro Jahr), das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung bis 2020 die CO2-Emissionen um 40% gegen21 24 Vgl. v.a. Bardt, Demary, Voigtländer (2007). 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz über 1990 zu reduzieren, würde aber wahrscheinlich im Wohnungsbereich verfehlt. Re-Urbanisierung Ziel sollten dichtere Siedlungsstrukturen sein Doppelte Dividende für das Klima +" , ; 4" ," B+ Nutzflächen, 2007 Gesamt: 2,1 Mrd. m² Für die Bauwirtschaft hieße dies, dass es zwar umfangreiche Mehrinvestitionen im Rahmen der Sanierung im Bestand gäbe. Gleichzeitig würden jedoch umfangreiche Neubaumaßnahmen verdrängt, entweder weil in der Peripherie weniger Baubedarf entsteht oder weil der Flächenverbrauch je Haushalt weniger schnell zunimmt. Darüber hinaus gäbe es eine Verschiebung innerhalb der Bauwirtschaft, denn innerstädtisches Wohnen wäre viel häufiger Wohnen in Mehrfamilienhäusern und seltener in Ein- und Zweifamilienhäusern. Für das Klima könnte freilich eine doppelte Dividende eingefahren werden: Erstens wird der Energieverbrauch in den kleineren Wohnungen gesucht. Zweitens reduzieren kompakte Wohnstrukturen auch die Verkehrsleistungen. Die Emissionen aus dem Verkehr könnten also ebenfalls vermindert werden. Umzüge von älteren Menschen werden in Zukunft sehr wahrscheinlich zunehmen. Ein Massenphänomen ist indes nicht zu erwarten; bisher jedenfalls gibt es nur sehr wenig empirische Anhaltspunkte dafür, dass ältere Menschen häufiger umziehen als in der Vergangenheit. 5.2 Sonstiger Hochbau mit weniger Potenzial 7% 5% 25% Das Umweltbundesamt stellt in einer Studie von 2007 zu Recht fest, dass in der Vergangenheit alle Energiesparerfolge durch den wachsenden Flächenverbrauch überkompensiert wurden. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Remanenz von älteren Menschen, die in ihren Wohnungen und Häusern auch nach dem Auszug ihrer Kinder jahrzehntelang wohnen bleiben. Ihnen steht also deutlich mehr Wohnfläche pro Kopf zur Verfügung als vor dem Auszug der Kinder. Das Bundesamt leitet daraus die Forderung ab, Anreize für ältere Menschen zu schaffen, im Alter in kleinere Wohnungen zu ziehen. Das Ziel sollten dichtere Siedlungsstrukturen sein. Tatsächlich gibt es bereits dann kaum noch zusätzliche Flächennachfrage, wenn man annimmt, dass die über 55-Jährigen in den nächsten Jahrzehnten ihren Flächenverbrauch pro Haushalt konstant auf heutigem Niveau 22 halten. 29% 11% 23% Gebäude des Bildungswesens Gebäude des Gesundheitswesens Fabrik- und Werkstattgebäude Handels- und Lagergebäude Büro- und Verwaltungsgebäude Sonstige Gebäude Quellen: ifo-Institut, BulwienGesa, DB Research ? Wenn also in der Sanierung von Wohngebäuden ein Sanierungsvolumen von über EUR 140 Mrd. schlummert, stellt sich die Frage, ob ein ähnlich großes Potenzial auch im sonstigen Hochbau zu heben ist. McKinsey (2007) schätzt, dass das Einsparpotenzial bei Büros und Schulen zusammen weniger als ein Sechstel des Einsparpo23 tenzials im Wohnsegment ausmacht. Die deutlich geringere Bedeutung ist plausibel, erreichen doch alle Nicht-Wohnhochbauten (also nicht nur Büro- und Bildungseinrichtungen) gerade einmal einen Anteil am gesamten Nettobauvermögen von 26%. Das entspricht in etwa dem Anteil, den Mehrfamilienhäuser am gesamten Nettobauvermögen haben. Auf Büros und Gebäude des Bildungswesens entfallen sogar nur 7% des Nettobauvermögens, bzw. ein 24 Zehntel des Wohnungsbauvermögens. Die Schätzung von McKinsey könnte also bedeuten, dass der relative Nachholbedarf dort noch höher ausfällt als im Wohnbereich, ist doch das ermittelte anteilige Einsparvolumen größer als die anteilige Größe der AssetKlasse. 22 23 24 9. Oktober 2008 Vgl. Bräuninger et al. (2007). Bei einer Dämmung auf den 7-Liter-Standard. Die Daten stammen aus ifo-Institut (2005). 25 Aktuelle Themen 433 Nutzfläche in Nichtwohnbauten 2 liegt bei über 2 Mrd. m Die Schätzung von McKinsey vernachlässigt allerdings, dass die gesamte Nutzfläche in sonstigen Hochbauten deutlich größer ist als der Büro- und Schulbestand. Insgesamt dürfte es in Nichtwohnbau25 ten eine Nutzfläche von 2,1 Mrd. m² geben. Da die offizielle Statistik im sonstigen Hochbau weniger detailliert ist als jene für den Wohnungsbestand, kann dies nur eine grobe Schätzung sein. Auf der Basis der EUROPARC-Studie von Euroconstruct (1999), mit der versucht wurde, den europäischen Gebäudebestand zu schätzen, wurde der deutsche Flächenbestand im sonstigen Hochbau erfasst. Die EUROPARC-Werte wurden mit segmentspezifischen Wachstumsraten fortgeschrieben und dort, wo es verlässliche Daten für Teilbereiche gab (Büro und Einzelhandel), korrigiert. Büro-, Handels- und Industriegebäude Projekt Greentowers: Der Umbau der Deutschen Bank Zentrale in Frankfurt am Main Bis 2010 werden die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt am Main modernisiert. Dies ist europaweit das größte Umbauprojekt eines Gebäudes. Dabei entsteht eines der umweltfreundlichsten Hochhäuser der Welt. Kernelemente der Modernisierung — Neues Lichtsteuerungssystem — Effiziente Tageslichtnutzung — Solartechnologie deckt zu 50% den Warmwasserverbrauch — Atmende Fassaden und bessere Verglasung senken Wärmeverlust — Kühldecken mit Betonkernaktivierung — Fernwärme (Kraft-Wärme-Kopplung) — Heizung und Kühlung durch KälteWärme-Kopplung — Regenwassersammlung und internes Wasserrecycling — Recycling der Materialien (98%) Ergebnisse des Umbaus — — — — Heizenergie sinkt um 67% Stromverbrauch sinkt um 55% CO2-Ausstoß sinkt um 55% Frischwasserverbrauch sinkt um 15% durch Regenwassernutzung und um 43% durch Wasserrecycling Quelle: Deutsche Bank (www.greentowers.de) In Deutschland gibt es rd. 350 Mio. m² Bürofläche (Bruttogeschoss26 fläche, BGF) und 117 Mio. m² Einzelhandelsfläche. Hinzu kommen rd. 1 Mrd. m² Nutzflächen in Fabriken, Werkstätten, Lagerflächen und sonstigen Handelsgebäuden. In der Nutzflächenschätzung EUROPARC von 1999 zeigte sich, dass der Flächenbestand in Büro-, Handels- und Industriegebäuden etwas jünger war als jener in Wohngebäuden; zwei Drittel aller Gebäude war älter als 20 Jahre. Dies ist plausibel, da die Nutzungszyklen in gewerblichen Immobilien kürzer sind als jene von Wohnungen und sie sich in den letzten Jahrzehnten sogar weiter verkürzt haben. Darüber hinaus gibt es bei Gewerbeimmobilien eine größere Flexibilität im Mietrecht, sodass ein möglicher Investitionsstau im Konjunkturaufschwung leichter aufgelöst werden kann; rentierliche Umbaumaßnahmen werden schneller durchgeführt. Für die weitere Potenzialschätzung nehmen wir an, dass sich der Anteil der älteren Gebäude (hier: älter als 20 Jahre) am Gesamtbestand seit 1999 von rd. 60% bis 2007 auf etwa 63% leicht erhöht 27 hat. Diese Einschätzung ist auch mit den Aussagen des Difu (2008) kompatibel; demnach sind 38% aller Bürogebäude von Privaten nach 1990 gebaut worden, allerdings nur 14% der Verwaltungs28 gebäude der öffentlichen Hand. Für die Einschätzung des gesamten Baupotenzials wurde unterstellt, dass von den gesamten 350 Mio. m² Büroflächen (davon rd. 230 Mio. m² Nutzfläche) gut 20 Mio. m² Nutzfläche auf die öffentliche Hand entfallen. Bei der öffentlichen Hand dürften 85% der Verwaltungsgebäude älter sein als 20 Jahre, bei den Privaten sind es gut 60%. Wie groß das Einsparpotenzial bei 20 Jahre alten Bürogebäuden sein kann, zeigt der Umbau der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt (Fertigstellung 1984); 50% der CO2-Emissionen 25 26 27 28 26 Gegebenenfalls wurden Einsparmöglichkeiten in der Studie von McKinsey, die in Industriebauten und Handelsimmobilien stecken, nicht dem Einsparpotenzial im Gebäudesektor, sondern dem Einsparpotenzial in den anderen Sektoren zugerechnet. Die Daten zu Büroflächen basieren auf Schätzungen der BulwienGesa AG für das Frühjahrsgutachten der Immobilienweisen 2003 und wurden mit der mittleren Wachstumsraten der letzten zehn Jahre für Bürobestandsflächen fortgeschrieben. Rechnet man nur mit den Mietflächen nach gif, kommt man für Deutschland auf rd. 285 Mio. m² Büroflächen (Bulwien, 2004). Die Einzelhandelsflächen stammen vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE). Implizit bedeutet dies, dass die Abrissquote kleiner ist als die Neubauquote und dass v.a. Gebäude abgerissen werden, die älter sind als 20 Jahre. Tatsächlich ist dies angesichts der Baurezession in den späten 1990er Jahren sogar eine konservative Annahme. Angaben für die öffentliche Hand basieren hier freilich nur auf einer Stichprobe für die Stadt Stuttgart (Difu, 2008, S. 146f). 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz lassen sich hier durch geeignete Maßnahmen (siehe Box S. 26) reduzieren. Mehr Potenzial im Büro- als im Einzelhandelssegment Energetische Sanierung von Bildungseinrichtungen: Ein PPP-Projekt für Schulen im Kreis Offenbach Das Projekt: Die Hochtief Construction AG saniert von 2005 bis 2009 insgesamt 50 Schulen mit über 280 Gebäuden und einer Bruttogeschossfläche von fast 290.000 m². Über die Sanierungszeit werden die Schulen bis zum Jahr 2019 durch Hochtief PPP Solutions und Hochtief PPP Schulpartner GmbH betrieben. Neben Maßnahmen zur Wasserreduktion wurden Energiesparlampen eingebaut, Fassaden und Dächer gedämmt. Außerdem wurde der Wärmeschutz von Fenstern und Türen erhöht und u.a. Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung installiert. Die Einsparergebnisse: — Zwischen 2004 und 2006 sank der Wasserverbrauch um fast 20%. — Der Wärmeverbrauch sank von 2004 bis 2006 um 30%. — Die CO2-Emissionen wurden zwischen 2004 und 2006 um fast 20% vermindert. Die Kosten: Nach Angaben von Hochtief belaufen sich die Kosten des Sanierungsprogramms auf rd. EUR 130 Mio., knapp die Hälfte davon entfällt auf die energetische Sanierung (EUR 14,9 Mio. für die Fassade, EUR 17,5 Mio. für neue Fenster, knapp EUR 6 Mio. für die Dachdämmung und rund EUR 27,0 Mio. für die technische Gebäudeausrüstung). Quelle: Hochtief PPP Solutions GmbH Unter der Annahme, dass zumindest diese Altbauten in den nächsten Jahren energetisch saniert werden und unter der weiteren Annahme, dass pro sanierten Quadratmeter Nutzfläche zusätzliche Sanierungskosten in Höhe von EUR 106 anfallen (diese Kosten setzt das Difu für die Sanierung von Schulgebäuden an), lässt sich das gesamte Baupotenzial im Bürosegment auf EUR 15,3 Mrd. veranschlagen (rd. 144 Mio. m² Nutzfläche multipliziert mit 106 EUR 29 pro m²). Für die Sanierung von Einzelhandelsgebäuden dürfte rd. ein Drittel zusätzlich aufgewendet werden müssen, also etwa EUR 5,3 Mrd. Schwierig einzuschätzen ist das Baupotenzial in Industriebauten. Angesichts der enormen Flächen könnten bei Industriebauten theoretisch EUR 75 Mrd. Bauausgaben fällig werden (fünfmal so viel wie im Bürobereich). Es ist jedoch wahrscheinlich, dass im Bereich des Maschinenparks größere Einsparreserven existieren als bei Gebäuden. Dann würden Unternehmer auch erst dort investieren. Das tatsächliche Baupotenzial läge dann deutlich unter diesen EUR 75 Mrd. Wir setzen das Baupotenzial für Industrieimmobilien auf EUR 30 Mrd. (40% des Ausgangsvolumens) fest. Für einen großen Teil der Nutzer und Eigentümer gibt es einen sehr großen Anreiz, energetische Sanierungen dann durchzuführen, wenn sie sich rechnen. Da gewerbliche Mietverträge flexibler sind als wohnungswirtschaftliche, ist es plausibel, dass Sanierungsmaßnahmen im Gewerbesegment rascher durchgeführt werden können als im Wohnbereich. Im Status-quo-Szenario werden bis 2030 zwei Drittel aller alten Gebäude energetisch saniert. Dann beliefe sich das Baupotenzial im Gewerbeimmobiliensegment auf etwa EUR 34 Mrd. Im Ausgabenlimit-Szenario nehmen wir an, dass bis zum Jahr 2030 ein Drittel des gesamten Gebäudebestands aus energetischer Sicht auf den heutigen Stand gebracht wird. Das gesamte Baupotenzial läge dann bei insgesamt EUR 17 Mrd. Und im Klimaschock-Szenario mit dem größten Anpassungsdruck würden alle alten Gebäude bis 2030 saniert. Dann würde das gesamte Potenzial von EUR 51 Mrd. auch umgesetzt. Dies ist dahingehend noch eine konservative Schätzung, da implizit unterstellt wurde, dass man in den nächsten 22 Jahren an heute modernen Gebäuden keine weiteren energetischen Verbesserungen durchführen könnte. Schulen und Universitäten Die bereits zitierte Studie von Euroconstruct (1999) hat für den gesamten Gebäudebestand im Bildungswesen eine Fläche von 141,1 Mio. m² ermittelt. Schreibt man dies mit geschätzten Zu- und Abgängen fort, erhält man für 2007 einen Gebäudebestand von 157 Mio. m². Das Deutsche Institut für Urbanistik (2008) ermittelt einen Flächenbestand in deutschen Schulen von knapp 70 Mio. m² im Jahr 2005. Da hier Universitäten und sonstige Bildungseinrichtungen fehlen, ist es stimmig, dass der Wert kleiner ausfällt als die Schätzung auf Basis der Daten von Euroconstruct. Es könnte aber 29 9. Oktober 2008 Deutlich geringere Einsparvolumen folgen aus einer anderen Angabe des Difu, nach der sich die Einsparmöglichkeiten je kWh/m² und Jahr auf rd. 50 Eurocent zusätzlich belaufen (falls eine Sanierung sowieso durchgeführt werden müsste; Angaben zu Einsparkosten gemäß Difu (2008), S. 159. Dann würde das Sanierungspotenzial im Bürosegment insgesamt lediglich EUR 9 Mrd. betragen. In Relation zu den Kosten im Wohnungssegment oder in anderen Nichtwohnsegmenten scheint dies viel zu gering zu sein. Daher verwenden wir im Weiteren die oben ausgewiesenen Werte. 27 Aktuelle Themen 433 auch als Indiz gewertet werden, dass die Fläche von 157 Mio. m² wohl eher eine Obergrenze darstellt. Contracting Beim Contracting schließt der Energienutzer (Contractingnehmer) einen Vertrag mit einem Partner (Contractor), der Dienstleistungen in Form von Beratung, Planung, Finanzierung und/oder Betrieb von Anlagen über einen vorher vereinbarten Zeitraum liefert. Im Wesentlichen werden zwei Formen unterschieden: (1) Energieliefer-Contracting oder AnlagenContracting: Hierbei liefert der Contractor vorher vereinbarte Energieleistungen (z.B. Wärme, Strom) und erhält dafür eine monatliche Zahlung. Der Contractor besitzt die Anlagen. (2) Energieeinspar-Contracting oder Performance-Contracting: Bei dieser Contracting-Form optimiert der Contractor alle Prozesse der Energieversorgung und erhält dafür einen Teil der Kostenersparnis. Für die weitere Abschätzung wurden die Anpassungsszenarien mit spezifischen Sanierungsquoten verwendet (Szenario 1: 1,4% p.a.; Szenario 2: 0,7% p.a. und Szenario 3: 2,1% p.a.). Das bedeutet, dass im Jahr 2030 im Szenario 2 erst 16% des Bestands energetisch saniert wären, im Szenario 1 rd. ein Drittel und im Szenario 3 knapp die Hälfte. Setzt man pro sanierten Quadratmeter Nutzfläche Zusatzkosten von EUR 106 an (Difu), lässt sich das zusätzliche Bauvolumen aus der energetischen Sanierung berechnen. Wichtig ist, dass es sich hierbei nur um die für die energetische Sanierung anfallenden Zusatzkosten handelt, vorausgesetzt eine reguläre Modernisierung erfolgt zeitgleich. Die gesamten Baukosten inklusive der sowieso anfallenden Modernisierungskosten dürften mindestens 30 doppelt so hoch ausfallen. Im Status-quo-Szenario belaufen sich die Sanierungszusatzkosten auf gut EUR 5 Mrd., im AusgabenlimitSzenario auf knapp EUR 3 Mrd. und im Klimaschock-Szenario auf gut EUR 8 Mrd. Die vollständige energetische Sanierung der Gebäude im gesamten Bildungssektor würde ein Bauvolumen von EUR 16 Mrd. induzieren. Es ist abschließend festzuhalten, dass der energetische Sanierungsbedarf nur einen Bruchteil des gesamten Investitionsbedarfs bei Gebäuden in Bildungseinrichtungen darstellt, denn der demografische Wandel wird Abrisse und Umnutzungen von Schulgebäuden erzwingen. Es werden zusätzliche Umbaumaßnahmen und Ersatzinvestitionen notwendig sein, und es müssen Maßnahmen im Brandschutz und zur Barrierefreiheit getroffen werden. Die Baumaßnahmen für die energetische Sanierung dürften nach aktuellen Berechnungen des Difu nur knapp ein Zehntel des gesamten Investitionsbedarfs im Bildungssektor ausmachen. Insbesondere beim Einspar-Contracting sind die Mechanismen zum Energieeinsparen (nach Maßgabe des vorher vereinbarten Amortisationszeitraums) anreizkompatibel. Das heißt, der Auftragnehmer handelt aus eigenem Interesse im Sinne des Auftraggebers. So werden Kosten und Umweltlasten reduziert. Krankenhäuser Grundsätzlich lohnen sich Contracting-Modelle bei größeren Immobilienbeständen, da hierbei die Anlaufkosten auf hinreichend viele Objekte verteilt werden (z.B. Wohnungsgesellschaften, kommunale Gebäudebestände). Vorliegende Auswertungen zum Einsparpotenzial sind zwar sicherlich noch nicht repräsentativ, die vorliegenden Projektdaten legen jedoch nahe, dass das Einsparvolumen in der Größenordnung von rd. 30% bei kommunalen Gebäuden sowie bei Wohnungsbeständen liegen dürfte. Auf der Basis der Analyse von Euroconstruct läge der Flächenbestand von Immobilien im Gesundheitssektor bei knapp 115 Mio. m², er betrüge also rd. drei Viertel des Gebäudebestands im Bildungssektor. Bei vergleichbar hohen Sanierungsquoten und ähnlich hohem Energiesparpotenzial wie im Bildungssektor ließe sich daraus folgern, dass bei Gesundheitsimmobilien ein Sanierungspotenzial in der Größenordnung von knapp EUR 2 Mrd. (AusgabenlimitSzenario), etwa EUR 4 Mrd. (Status-quo-Szenario) bis annähernd EUR 6 Mrd. im Klimaschock-Szenario aktiviert werden könnte. Bei Wohnungsunternehmen gibt es freilich enge rechtliche Grenzen; häufig lassen sich die Vorteile des Contracting nur nutzen, wenn dies in den Mietverträgen explizit verankert wurde. Dies engt das Contracting-Potenzial dann häufig zunächst auf die neuen Mietabschlüsse ein. Allerdings ermittelt das Difu, dass im Bestand von Krankenhäusern anteilsmäßig deutlich weniger Sanierungspotenzial stecken dürfte als in Bildungseinrichtungen. In der Schätzung des Difu wird der Bedarf an energetischer Sanierung bei (kommunalen) Krankenhäusern auf nur EUR 700 Mio. oder knapp 3% des gesamten Bauinvestitionsbedarfs veranschlagt. Wie oben erwähnt, lag der Anteil der energetischen Sanierungsinvestitionen am gesamten Investitionsbedarf bei Schulgebäuden bei über 8%. Dies würde den Schluss Quellen: Dena, EnergieEffizienzAgentur Rhein-Neckar, EUMB Pöschk 30 28 Im Beispiel der 50 Schulen im Kreis Offenbach, die durch Hochtief saniert werden, liegt der Anteil der energetischen Sanierungskosten bei etwa der Hälfte der gesamten Sanierungskosten. Allerdings fallen diese Kosten mit EUR 227 je Quadratmeter relativ hoch aus. Dies könnte daran liegen, dass die Zurechnung auf energetische Sanierung und sowieso anfallende Modernisierung in der Difu-Studie anders erfolgte als bei Hochtief. Die hier verwendeten Schätzwerte sind wohl eher konservativ. 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz A . # nahelegen, dass unsere Potenzialschätzung eher am oberen Rand 31 der Erwartungen liegen könnte. " Sport, Kultur und Freizeit Energetisches Sanierungspotenzial bis 2030, in Mrd. EUR Neben den hier berücksichtigen Gebäudetypen gibt es zusätzliches Sanierungspotenzial z.B. in Schwimmbädern, Kulturgebäuden sowie in Sportstätten. So schätzt das Difu den Baubedarf zur energetischen Sanierung der Schwimmbäder auf insgesamt EUR 3,3 Mrd. Den gesamten Gebäudebestand im Bereich Sport, Kultur und Freizeit schätzt Euroconstruct (1999) als doppelt so groß ein wie jenen für Gesundheitsimmobilien. Daher ist es plausibel, dass für die Sanierung von Kulturgebäuden mindestens eine ähnlich große Summe veranschlagt werden muss wie für die Sanierung der Schwimmbäder. Dies gilt insbesondere auch deswegen, weil gerade Kulturgebäude sehr alt sind. Da die vorliegende Statistik in diesem Bereich unzureichend ist, unterscheiden wir nicht nach Szenarien; insgesamt werden knapp EUR 7 Mrd. für die energetische Sanierung angesetzt. Gerade bei öffentlichen Bauten wird ein großes Potenzial durch Energieeinspar-Contracting erwartet. 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Status-quo- AusgabenSzenario limitSzenario KlimaschockSzenario Büroimmobilien Einzelhandel Industrieimmobilien Schulen Krankenhäuser Sonstige 5.3 Zwischenfazit Quelle: DB Research ' ' " !" Das gesamte Baupotenzial in Gebäuden beläuft sich auf über EUR 100 Mrd. im konservativen Ausgabenlimit-Szenario, auf fast EUR 200 Mrd. im Status-quo-Szenario und auf rd. EUR 290 Mrd. im Klimaschock-Szenario. Selbst im konservativen Szenario 1 summiert sich also das Sanierungsvolumen auf jährlich fast EUR 5 Mrd. – dies sind natürlich allein die zusätzlich für die energetische Sanierung notwendigen Maßnahmen; sozusagen der Nettoeffekt. Die jährlichen Bauinvestitionen würden um über 2% über dem Vergleichswert ohne zusätzliche Sanierungserfordernisse liegen müssen – im expansiven Szenario 3 sogar um 6%. # Zusätzliches Bauvolumen bis 2030, in Mrd. EUR Hierbei wurde für Wohnimmobilien nur die energetische Sanierung zugrunde gelegt, da die Maßnahmen im Bereich Energieerzeugung bereits im vorherigen Kapitel subsumiert wurden. Nimmt man Maßnahmen zur Warmwasserversorgung hinzu, die im Nichtwohnbereich nicht gesondert erfasst wurden, könnte das gesamte Bauvolumen sogar um knapp 25% höher ausfallen. 300 250 200 150 100 50 0 StatusquoSzenario AusgabenlimitSzenario KlimaschockSzenario Sonstige Gewerbeimmobilien Wohngebäude (Energieeffizienz) Quelle: DB Research / Die Szenarien wurden einheitlich gerechnet, gleichwohl ist es plausibel, dass gerade im gewerblichen Immobilienbestand das Potenzial schneller und effektiver gehoben werden kann als im Wohnsegment, denn die Konflikte zwischen Mieter und Vermieter sind immer dann geringer, wenn Sanierungsmaßnahmen sich sowieso rechnen. Zudem sind Maßnahmen des Energieeinspar-Contracting im Wohnungsbereich schwerer umzusetzen als im Nichtwohnbereich, da es engere Grenzen für die Überwälzung der Investitionskosten gibt. Im Wohnsegment fehlt damit zum Teil ein effizientes Instrument. Dies könnte bedeuten, dass Szenario 3 für den Nichtwohnbereich die beste Annäherung an eine künftige Entwicklung darstellt, während es im Wohnsegment eher das Szenario 2 wäre. 31 9. Oktober 2008 Dass unsere Schätzung deutlich höher ausfällt, liegt auch daran, dass sich das Difu allein auf kommunale Krankenhäuser konzentriert. 29 Aktuelle Themen 433 & 0 1 A 9 2 " " CO2-Emissionen in der EU-27 nach Sektoren, 1990 = 100 140 120 100 80 60 90 92 94 96 98 00 02 04 Energie Industrie Verkehr Haushalte Quelle: EU-Kommission () CO2-Emissionen in der EU-27 in Mrd. Tonnen 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 0,6 90 92 94 96 98 00 02 04 Energie Industrie Verkehr Haushalte Quelle: EU-Kommission . # A Energiebedingte CO2-Emissionen in Deutschland, 1990 = 100 120 110 100 90 80 - 1!" , " # Innerhalb der EU ist der Verkehrssektor der einzige Bereich, in dem in den letzten Jahren die CO2-Emissionen stetig gestiegen sind. Dagegen sank der Ausstoß der Energiewirtschaft, der Industrie und der privaten Haushalte im Durchschnitt der letzten Jahre. Deutschland schneidet in dieser Hinsicht zwar erheblich besser ab als die EU: Zwischen 1999 und 2006 sind die CO2-Emissionen des Verkehrssektors in Deutschland um fast 14% gefallen, was allerdings zum Teil auf Tanktourismus in Nachbarländern zurückzuführen ist. Die spezifischen Emissionen pro Verkehrsleistungseinheit sanken sogar noch stärker. Gleichwohl ist der Anteil des Verkehrssektors an den Gesamtemissionen in Deutschland heute spürbar höher als Anfang der 1990er Jahre. Zudem ist mit weiterem Verkehrswachs32 tum zu rechnen. Dies gilt insbesondere für den grenzüberschreitenden Straßengüterverkehr, den Luftverkehr und den Seeverkehr. Aus den genannten Gründen sind im Meseberger Programm auch Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen aus dem Verkehrssektor enthalten. Diese haben vor allem die Verbesserung der Energieeffizienz von Fahrzeugen, die stärkere Nutzung von Biokraftstoffen, die Umstellung der Bemessungsgrundlage bei der Kfz-Steuer auf den CO2-Ausstoß, eine emissionsabhängige Staffelung der Lkw-Maut oder die Einbeziehung des Luft- und des Seeverkehrs in den Emissionshandel zum Ziel. Innovative Lösungen zur Verkehrslenkung und -steuerung z.B. durch Telematik oder Road Pricing sind ebenfalls immer wieder in der Diskussion. Im Masterplan Güterverkehr und Logistik der Bundesregierung ist eine Verlagerung von Verkehren auf die Schiene auch aus ökologischen Gründen angestrebt, da der Schienenverkehr im Vergleich zum Straßen- und Luftverkehr 33 weniger Emissionen pro Verkehrsleistungseinheit aufweist. Hierfür wäre die Intensivierung des Wettbewerbs auf der Schiene sicherlich hilfreich. Dies signalisieren die Marktanteilsgewinne der Schiene in Deutschland, die vor allem auf mehr Verkehre privater Eisenbahnunternehmen zurückzuführen sind. Mehr Verkehrsinfrastruktur erhöht Effizienz der Volkswirtschaft Die genannten Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors betreffen die Bauwirtschaft – wenn überhaupt – nur am Rande. Gleichwohl bestehen Anknüpfungspunkte zur Bauwirtschaft. Unbestritten ist nämlich, dass chronische Überlastungen der Verkehrsinfrastruktur zu unnötigen Treibhausgasemissionen führen; von negativen Auswirkungen auf die Effi34 zienz der Volkswirtschaft durch Staus ganz zu schweigen. Sowohl der Straßen- als auch der Luftverkehr sind von Engpässen bei der Infrastruktur betroffen. So schätzt der Verband der Automobilindustrie (VDA), dass rd. ein Viertel des deutschen Autobahnnetzes unter Engpässen leidet. Etwa 12 Mrd. Liter Kraftstoff würden durch Eng- 70 60 32 50 90 92 94 96 98 00 02 04 06 33 Energiewirtschaft Industrie Verkehr Private Haushalte, Sonstige Quelle: Umweltbundesamt 30 34 Nach der aktuellen Prognose des Bundesverkehrsministeriums (BMVBS) legt die Verkehrsleistung in Deutschland bis 2025 im Personenverkehr um 18% und im Güterverkehr um etwa 70% zu. Vgl. Allianz pro Schiene (2008). Umweltschonend mobil – Bahn, Auto, Flugzeug, Schiff im Umweltvergleich. Berlin. Die volkswirtschaftlichen Kosten durch Staus in Deutschland werden auf etwa EUR 100 Mrd. pro Jahr geschätzt. Siehe hierzu Centrum für angewandte Wirtschaftsforschung Münster (2008). Bedeutung der Infrastrukturen im internationalen Standortwettbewerb und ihre Lage in Deutschland. Gutachten im Auftrag des BDI. Münster. 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz 35 * 0 1 " , " pässe in der Verkehrsinfrastruktur jährlich unnötig verbraucht. Das entspricht knapp 18% des Kraftstoffverbrauchs im Straßenverkehr in Deutschland oder etwa 30 Mio. Tonnen CO2-Emissionen. Ein weiteres Beispiel: Die Lufthansa AG verweist darauf, dass Warteschleifen und sonstige Anflugverzögerungen, die auf Infrastrukturengpässe zurückzuführen sind, etwa 3% ihres gesamten Kerosinverbrauchs 36 ausmachen. 9 CO2 in Gramm pro Personenkilometer 250 191 200 141 150 100 66 50 0 Schienenverkehr Flugverkehr Straßenverkehr 8 Quelle: Allianz pro Schiene 0 1 ' , " 9 CO2 in Gramm pro Tonnenkilometer 120 97 100 80 60 35 40 23 20 0 Schienenverkehr Straßenverkehr Schifffahrt 9 Quelle: Allianz pro Schiene * * " , , 9 Dieseläquivalent in Liter pro '000 Personenkilometer 73 34 60 40 20 0 Schienenverkehr Flugverkehr Straßenverkehr Quelle: Allianz pro Schiene Die meisten Erweiterungsinvestitionen in der Verkehrsinfrastruktur führen mittel- bis längerfristig also zu mehr Verkehrsaufkommen und höheren Emissionen. Daher ist es aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt, solche Investitionen als positive Effekte des Klimawandels quasi auf der „Habenseite“ der Bauwirtschaft zu verbuchen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur unwichtig wären – im Gegenteil: Ein Hochlohnland in Deutschland muss über eine gute Infrastruktur verfügen, um seine Standortvorteile in der Mitte Europas nutzen zu können. Öffentliche Verkehrsmittel zwiespältig 80 56 Diese Beispiele zeigen, dass es ökologisch und ökonomisch unsinnig ist, Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur zu belassen; daher ist unter anderem die Erweiterung von ausgewählten Autobahnteilstücken um einen Fahrstreifen im Rahmen der so genannten A-Modelle zu begrüßen. Gleichwohl führt der Ausbau von der Verkehrsinfrastruktur längerfristig in den meisten Fällen zu einem größeren Verkehrsaufkommen und damit auch zu mehr Emissionen (so genannter induzierter Verkehr). So weist der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) darauf hin, dass „zusätzliche Straßenkapazitäten (…) in erheblichem Maße durch induzierten Verkehr 37 ausgelastet“ werden. Dies ist u.a. auf kürzere Reisezeiten, Komfortgewinne und Kraftstoffersparnisse dank eines reibungsloseren Verkehrsflusses begründet. Das Phänomen ist nicht auf den Straßenverkehr beschränkt, sondern gilt grundsätzlich für alle Verkehrsträger. Ein offensichtliches Beispiel ist der geplante Ausbau des Frankfurter Flughafens. Sobald die dritte Landebahn fertiggestellt sein wird, wird die Wachstumsrate beim Passagier- und Frachtaufkommen am Airport Frankfurt höher als in den letzten Jahren ausfallen, als der Flughafen wegen der Kapazitätsrestriktionen nur unterdurchschnittlich expandieren konnte. Bis zum Jahr 2020 wird eine Zunahme der Passagierzahl auf über 80 Mio. pro Jahr erwartet – gegenüber gut 54 Mio. im Jahr 2007. : Zwiespältig fällt das Urteil über Investitionen in die Infrastruktur für weniger umweltschädliche Verkehrsträger (z.B. ÖPNV) aus. Diese können das Wachstum bei anderen Verkehrsträgern verlangsamen und unter bestimmten Voraussetzungen regional zu einem absoluten Rückgang führen (z.B. Umsteigen von Pendlern vom eigenen Auto auf Busse und Bahnen). Das gesamte Verkehrsaufkommen dürfte aber dennoch steigen. Da die Energieeffizienz der Verkehre bei entsprechender Auslastung des ÖPNV höher ist als beim Motorisierten Individualverkehr (MIV), entfalten nachfragegerechte ÖPNV-Angebote – relativ zu einem vom MIV dominierten Verkehrssystem – positive ökologische Wirkungen. Das Difu schätzt den 35 36 37 9. Oktober 2008 Vgl. VDA (2007). CO2-Minderungen im deutschen Verkehrssektor – eine Zwischenbilanz. Frankfurt am Main. Vgl. Lufthansa AG (2007). Balance. Frankfurt am Main. SRU (2005). Umwelt und Straßenverkehr. Sondergutachten. Berlin. Gleichwohl gibt es auch Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass in bestimmten Fällen die Schadstoffemissionen nach dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auch längerfristig sinken können. Vgl. hierzu SINTEF (2007). Environmental consequences of better roads. Trondheim. 31 Aktuelle Themen 433 Investitionsbedarf im ÖPNV in Deutschland zwischen 2006 und 2020 auf insgesamt gut EUR 38 Mrd. Davon entfallen etwa EUR 20 Mrd. auf die Infrastruktur. Nur ein kleiner Teil davon wird jedoch durch Klimawandel und -politik ausgelöst, da die Investitionen notwendig sind, um die Funktionsfähigkeit des ÖPNV zu gewährleisten. Technischer Fortschritt im Straßenbau zu erwarten * ' , , Die erhofften Emissionsreduktionen im Verkehrssektor sollten in den nächsten Jahren in erster Linie durch massive Effizienzsteigerungen der Fahrzeuge sowie bessere Verkehrslenkung und -steuerung erreicht werden. Dennoch könnte die Bauwirtschaft in den nächsten Jahren zusätzliche, durch den Klimawandel bedingte Umsätze durch einen häufigeren Einsatz neuartiger Straßenbeläge oder effizienterer Reparaturverfahren erzielen. So hat die hessische Landesregierung 2007 eine Technologie im Rahmen des Hessischen Klimaschutzwettbewerbs ausgezeichnet, die Zeit-, Kosten- und Energieersparnisse bei der Straßenerneuerung sowie im Straßenneubau ermöglicht. 9 Dieseläquivalent in Liter pro Tonnenkilometer 50 39 40 30 13 12 20 10 0 Schienenverkehr Straßenverkehr Schifffahrt Quelle: Allianz pro Schiene < Der technische Fortschritt dürfte sich in diesem Segment in den nächsten Jahren beschleunigen. Wichtige Stichworte sind Verringerung des Rollwiderstands durch geeignete Straßenbeläge, weniger Material- und Energieeinsatz im Straßenbau sowie eine längere Lebensdauer von Straßen. Nach unserer Schätzung beläuft sich das zusätzliche Bauvolumen durch den Einsatz neuer Verfahren und Produkte im Straßenbau bis zum Jahr 2030 jedoch allenfalls auf insgesamt etwa EUR 1 bis 2 Mrd. Ein Grund dafür dürfte in den gegenüber traditionellen Verfahren voraussichtlich dauerhaft höheren Kosten liegen. Nur falls es der Bau- und Baustoffindustrie gelänge, die Kosten auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu senken, könnte das zusätzliche Bauvolumen größer ausfallen. Die Innovationskraft der Branche und die Akzeptanz neuer Technologien bei der öffentlichen Hand sind also gefragt. Hohe Investitionen in Küsten- und Hochwasserschutz in Deutschland zu erwarten Angesichts der Erfahrung großer Hochwasserereignisse in der jüngeren Vergangenheit sowie vielfältiger Prognosen über das steigende Risiko von Überschwemmungen in Flussgebieten und von häufigeren und/oder kräftigeren Sturmfluten an den Küsten infolge des Klimawandels sind die Maßnahmen zum Hochwasser- und Küstenschutz in Deutschland in den letzten Jahren intensiviert worden. 2005 ist das Hochwasserschutzgesetz in Kraft getreten. Es sieht u.a. vor, dass die Bundesländer Pläne aufstellen, um den Hochwasserschutz zu verbessern. Zudem sollen Überschwemmungsgebiete ausgewiesen werden, in denen die Möglichkeiten zur Bebauung stark eingeschränkt werden. In den letzten Jahren haben viele Bundesländer bereits umfangreiche Maßnahmen im Bereich Küstenund Hochwasserschutz getätigt. Dies war teilweise auch deshalb notwendig, um Schäden an existierenden Schutzeinrichtungen nach besonders gravierenden Überschwemmungen zu beseitigen. Deiche erhöhen, Überschwemmungsflächen schaffen, Sperrwerke bauen 32 Grundsätzlich dürfte der Küsten- und Hochwasserschutz in den nächsten Jahren hohe politische Priorität genießen. Dies wirkt positiv auf die Bauwirtschaft, da ein Großteil des technischen Hochwasserschutzes direkt mit Baumaßnahmen verbunden ist. Dazu zählen das Erhöhen oder Sanieren von bestehenden Deichen, ihre Rückverlagerung, um neue Überschwemmungsflächen zu schaffen, sowie der Bau von anderen Hochwasserschutzeinrichtungen (z.B. Sperrwerken), Rückhalte- oder Auffangbecken. 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz Bauvolumen für Küstenschutz: EUR 10 bis 14 Mrd. Analysiert man die Investitionen der Bundesländer in den Küstenund Hochwasserschutz in den letzten Jahren sowie geplante Maßnahmen für die Zukunft, dann kommt man in etwa auf ein Investitionsvolumen von durchschnittlich rd. EUR 800 bis 900 Mio. pro 38 Jahr. Unterstellt man, dass dieses Niveau im Durchschnitt der Jahre bis 2030 in etwa konstant bliebe (inklusive Wartung und Reparatur) sowie dass rd. 60% bis 75% der Maßnahmen auf Bauleistungen entfallen, dann errechnet sich ein Bauvolumen im Küstenund Hochwasserschutz von insgesamt rd. EUR 10 bis 14 Mrd. Dieser Betrag ist, wie auch in den anderen Teilbereichen, natürlich nicht ausschließlich auf den Klimawandel zurückzuführen, da viele Maßnahmen ohnehin durchgeführt werden müssen. Gleichwohl ist der Bezug zum Klimawandel in diesem Fall eindeutig. Das Bauvolumen schätzen wir in allen Szenarien gleich hoch ein, da der Küsten- und Hochwasserschutz unabhängig von den unterstellten Prämissen ist. : & Wetterbedingte Naturkatastrophen nehmen zu + 2 7 Extreme Wetterereignisse hat es auf der Erde schon immer gegeben, und die Menschheit wird auch in Zukunft mit ihnen leben müssen. Beim Blick auf die Statistiken der führenden Rückversicherungsgesellschaften über die Entwicklung der Zahl von Naturkatastrophen zeigt sich jedoch eindeutig ein steigender Trend; dies gilt sowohl global als auch für Deutschland. Auffällig ist, dass die Zahl der geologisch bedingten Naturkatastrophen (z.B. Erdbeben, Vulkanausbrüche) im Zeitablauf weitgehend konstant geblieben ist, während die wetterbedingten Naturkatastrophen im Durchschnitt der letzten Dekaden tendenziell zunahmen. Darin wird ein empirischer Beleg für den Klimawandel gesehen. & . "! 3 Anzahl der Ereignisse 50 40 30 20 10 0 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Erdbeben Sturm Überschwemmung Sonstige* * Z.B. Hitze- und Kälteperioden, Waldbrände, Lawinen, Erdrutsche Quelle: Münchener Rück ? Auch die durchschnittliche Höhe der Schäden, die durch Naturkatastrophen in Deutschland verursacht wurden, ist in den vergangenen Jahrzehnten tendenziell gestiegen. Allerdings ist der Trend hier nicht so eindeutig wie bei der Zahl der Naturkatastrophen. Zudem spielen Ausreißer wie das Elbe-Hochwasser von 2002 eine größere 38 9. Oktober 2008 Die Zahlen basieren auf Stellungnahmen der jeweils für den Hochwasserschutz zuständigen Ministerien oder Landesbehörden sowie zum Teil auf eigenen Schätzungen. Eine aggregierte Statistik über die Investitionen in den Küsten- und Hochwasserschutz in Deutschland mit einheitlicher Abgrenzung ist uns nicht bekannt. 33 Aktuelle Themen 433 Rolle. Nach Berechnungen der Münchener Rück liegen die jahresdurchschnittlichen Schäden durch Naturkatastrophen in Deutschland zwischen 1990 und 2007 bei etwa EUR 2,7 Mrd. (in Preisen von 2007). + ( # Schäden durch Naturkatastrophen in Deutschland Mrd. EUR, in Preisen von 2007 18 Gesamtschäden Versicherte Schäden 15 12 9 6 3 0 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Quelle: Münchener Rück Nicht nur Klimawandel steigert Schadenshöhe durch Wetterereignisse Für die in Deutschland, aber auch global steigende Schadenshöhe durch Naturkatastrophen sind natürlich nicht nur die sich ändernden Umweltbedingungen wie der Klimawandel verantwortlich. Weitere Gründe liegen u.a. in der weltweiten Zunahme von Bevölkerungszahl, Einkommen und Vermögen oder der zunehmenden Besiedlung von exponierten Gebieten (z.B. Küsten, Flussufer, Erdbebenregionen). Dadurch steigen die Anfälligkeit gegenüber Naturkatastrophen sowie die Schadenshöhe. Baupotenzial in Höhe von insgesamt EUR 25 bis 50 Mrd. bis 2030 durch wetterbedingte Naturkatastrophen Schadensbeseitigung wichtiges Aufgabenfeld Für die Bauwirtschaft bedeuten Naturkatastrophen aller Art in den meisten Fällen zusätzliche Aufträge. Selbst im Falle schwerster Zerstörungen an Gebäuden und Infrastruktur nach solchen Ereignissen beginnt in der Regel relativ rasch der Wiederaufbau – wenn auch nicht unbedingt immer an gleicher Stelle. Daher ist die Entwicklung der Schäden, die durch wetterbedingte Naturkatastrophen verursacht werden, wichtig für unseren Untersuchungsgegenstand. Nach unserer Schätzung beläuft sich das Bauvolumen durch die Beseitigung von Schäden sowie Wiederaufbaumaßnahmen nach wetterbedingten Naturkatastrophen in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf insgesamt etwa EUR 25 bis 50 Mrd. Zum Vergleich: Allein durch das Elbe-Hochwasser 2002 entstand ein materieller Schaden in Höhe von über EUR 11 Mrd. in Deutschland. Unserer Schätzung liegen mehrere Annahmen zugrunde. So unterstellen wir, dass — die durchschnittliche Schadenshöhe durch wetterbedingte Naturkatastrophen in Deutschland bis 2030 zwischen EUR 2,5 und 3 Mrd. pro Jahr liegt, was einer leichten Zunahme gegenüber dem Mittelwert seit 1990 entspricht; — etwa 50% bis 75% der Gesamtschäden auf Gebäude und Infrastruktur entfallen und somit für die Bauwirtschaft relevant sind; — im Durchschnitt der betrachteten Periode etwa 40% der Schäden versichert sind und zwischen 90% und 100% dieser Schäden wieder beseitigt werden; — rd. 60% der Gesamtschäden dagegen nicht versichert sind, gleichwohl aber 80% bis 90% dieser Schäden wieder entfernt werden (da z.B. im Falle von Schäden an der Verkehrsinfrastruk- 34 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz tur die öffentliche Hand Eigentümer ist) und damit für die Bauwirtschaft nachfragewirksam werden. Es liegt in der Natur der Dinge, dass das geschätzte Bauvolumen weder regional noch zeitlich gleichmäßig verteilt sein wird und auch nicht bei der Kapazitätsplanung der Bauunternehmen berücksichtigt werden kann. Schließlich sei auch an dieser Stelle nochmals betont, dass das kalkulierte Bauvolumen nicht allein auf den Klimawandel zurückzuführen ist, da nicht jedes Wetterereignis durch den Klimawandel verursacht wird. Es besteht aber der direkte Zusammenhang aufgrund der höheren Wahrscheinlichkeit für Wetterextreme. < + Klimawandel kann entgegengewirkt werden Es gibt einen breiten Konsens unter Wissenschaftlern, dass der Mensch zumindest für einen großen Teil des bevorstehenden Klimawandels verantwortlich ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies dann auch, dass es Möglichkeiten geben muss, durch Verhaltensänderungen dem Klimawandel entgegenzuwirken. Entsprechend gibt es offenbar bedeutende politische Handlungsfelder. Unsere Szenarienauswahl hat drei Dinge illustriert: Erstens, politische Weichenstellungen sind sehr relevant sowohl für die Klimawirkungen als auch für die damit verbundenen Bauinvestitionen. In unserem Status-quo-Szenario belaufen sich die gesamten mit dem Klimawandel assoziierten Bauausgaben bis 2030 kumuliert und zu heutigen Preisen auf gut EUR 245 Mrd. Dies entspricht in etwa den gesamten Bauinvestitionen in Deutschland im Jahr 2007. Im KlimaschockSzenario, bei dem das energischste Handeln der Regierenden zugrunde liegt, belaufen sich die zusätzlichen Bauausgaben sogar auf etwa EUR 340 Mrd. & $ !" Durch Klimawandel und Klimapolitik induzierte Bauleistungen bis 2030 in Deutschland Mrd. EUR, in heutigen Preisen 450 300 150 Status-quo-Szenario Wohnungsbau Ausgabenlimit-Szenario Sonstiger Hochbau Infrastruktur Gesamt Bauleistungen Kraftwerke Bauleistungen Gesamt Bauleistungen Kraftwerke Bauleistungen Gesamt Bauleistungen Bauleistungen Kraftwerke 0 Klimaschock-Szenario Schäden Kraftwerke Quelle: DB Research 9. Oktober 2008 / 35 Aktuelle Themen 433 Sanierung des Wohnungsbestands ist größte Herausforderung Den größten Anteil hieran hat die Sanierung des Wohnungsbestands. Da rd. 23% des gesamten CO2-Ausstoßs auf den Energieverbrauch in Wohnungen zurückzuführen ist, lassen sich die ehrgeizigen Klimaziele der Bundesregierung wahrscheinlich nur erreichen, wenn sich die energetische Sanierung von Wohnraum für Investoren auch rechnet. Gerade für Vermieter gibt es noch nicht hinreichende Anreize für eine energetische Sanierung. Strengere Auflagen alleine reichen nicht aus, falls diese die Last einseitig den Investoren aufbürden. Dies würde nämlich nur dazu führen, dass sich Investoren noch mehr zurückhalten werden. Eine Überwälzung der Investitionen auf die Mieter nach Maßgabe der Energieeinsparung ist notwendig, denn so können auch im Mietwohnungsbau Preise effiziente Signale geben. Bemerkenswert sind auch die Auswirkungen durch die Erneuerung des Kraftwerksparks. Hier wirkt der Klimawandel über den Energiemix auf das mögliche Bauvolumen. Chancen durch Know-how Export auch im Ausland Der Klimawandel bedingt also umfangreiche Bautätigkeit in Deutschland. Alle Gewerke werden davon profitieren. Dort, wo in Gebäuden Energiereserven schlummern, liegen die größten Baupotenziale. Gerade weil der Klimawandel ein globales Phänomen ist, sind die Chancen für die Bauwirtschaft nicht alleine auf Deutschland beschränkt. Die Bauwirtschaft ist gut beraten, nicht nur weitere Expertise im energiesparenden Bauen zu entwickeln, sondern diese auch aggressiv international zu kommunizieren. Denn mit jeder zusätzlichen Information über die Folgen des Klimawandels und im Falle weiterer Bestätigung des anthropogenen Elements hierbei, wächst der Handlungsdruck in anderen Ländern. Deutsche Umweltgesetze werden dann zum Exportschlager und die Expertise im energiesparenden Bauen als Folge davon ebenfalls. Wie enorm das globale Baupotenzial sein könnte, lässt sich dadurch erahnen, dass nur etwa 3% der weltweiten CO2-Emissionen in Deutschland entstehen. Josef Auer (+49 69 910-31878, [email protected]) Eric Heymann (+69 910-31730, [email protected]) Tobias Just (+49 69 910-31876, [email protected]) 36 9. Oktober 2008 Bauen als Klimaschutz Ausgewählte Literatur Allianz pro Schiene (2008). Umweltschonend mobil – Bahn, Auto, Flugzeug, Schiff im Umweltvergleich. Berlin. Auer, Josef (2008). Die Kraft-Wärme-Kopplung. Ein Eckpfeiler des deutschen Energie- und Klimaprogramms. Deutsche Bank Research. Aktuelle Themen 415. Frankfurt am Main. BDEW (2007). Energiemarkt Deutschland. 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Das Gebot der Stunde heißt, alle verfügbaren Hebel zu nutzen: Diversifikation der Energieträger und Technologien sowie Mobilisierung aller Einspar-, Reaktivierungs- und Effizienzsteigerungsstrategien. Eng verknüpft mit dem Energiesektor ist die globale Herausforderung des Klimawandels. In den nächsten Jahren werden vielfältige Maßnahmen ergriffen, um den Klimawandel zu verlangsamen und seine negativen Folgen abzumildern. Dies wird einen spürbaren Einfluss auf große Teile von Wirtschaft und Gesellschaft haben. Emissionshandel in Amerika: Die US-Klimapolitik am Scheideweg Aktuelle Themen 424 .............................................................................................................................27. Juni 2008 Klimawandel und Tourismus: Wohin geht die Reise? Aktuelle Themen 416 ............................................................................................................................. 5. März 2008 Die Kraft-Wärme-Kopplung: Ein Eckpfeiler des deutschen Energie und Klimaprogramms Aktuelle Themen 415 ............................................................................................................................. 3. März 2008 Windenergie − Deutschland weltweit führend Aktuelle Themen 399 ...................................................................................................................... 22. Oktober 2007 Klimawandel bewältigen: Die Rolle der Finanzmärkte Aktuelle Themen 397 ................................................................................................................. 24. September 2007 Klimawandel und Branchen: Manche mögen’s heiß! Aktuelle Themen 388 ...............................................................................................................................4. Juni 2007 Unsere Publikationen finden Sie kostenfrei auf unserer Internetseite www.dbresearch.de Dort können Sie sich auch als regelmäßiger Empfänger unserer Publikationen per E-Mail eintragen. Für die Print-Version wenden Sie sich bitte an: Deutsche Bank Research Marketing 60262 Frankfurt am Main Fax: +49 69 910-31877 E-Mail: [email protected] © Copyright 2008. Deutsche Bank AG, DB Research, D-60262 Frankfurt am Main, Deutschland. Alle Rechte vorbehalten. Bei Zitaten wird um Quellenangabe „Deutsche Bank Research“ gebeten. Die vorstehenden Angaben stellen keine Anlage-, Rechts oder Steuerberatung dar. Alle Meinungsaussagen geben die aktuelle Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Deutsche Bank AG oder ihrer assoziierten Unternehmen entspricht. Alle Meinungen können ohne vorherige Ankündigung geändert werden. 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