Deutschland - International Energy Agency

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Deutschland - International Energy Agency
Deutschland
Energiepolitik der IEA-Länder
Energiepolitik der IEA-Länder
Seit der letzten Prüfung der deutschen Energiepolitik durch die IEA im Jahr
2007 hat die Bundesrepublik zwei Grundsatzentscheidungen getroffen,
die ihre Energiepolitik in den kommenden Jahrzehnten leiten werden. Im
September 2010 hat die Bundesregierung das Energiekonzept verabschiedet,
eine umfassende neue, langfristige und integrierte Strategie für die
Entwicklung der Energieversorgung bis 2050. Nach dem Reaktorunfall von
Fukushima Daiichi im März 2011 wurde dann der beschleunigte Ausstieg aus
der Kernenergie bis 2022 beschlossen, wobei mit der sofortigen Stilllegung
der acht ältesten Kraftwerke begonnen wurde. Diese Entscheidung führte
zur Verabschiedung einer Reihe neuer Politikmaßnahmen zur Umsetzung der
sog. Energiewende, mit der die erneuerbaren Energien zur tragenden Säule
der künftigen Energieversorgung werden.
Die Expansion der erneuerbaren Energien muss in Zukunft parallel zum
zeitnahen Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze erfolgen.
Zudem bedarf es eines stabilen Regulierungsrahmens, um langfristige
Finanzierungsmöglichkeiten für die Netzbetreiber zu gewährleisten. Darüber
hinaus gilt es, Deutschlands Kapazität zur Deckung des Spitzenlastbedarfs auf
mittlere Sicht weiter genau zu beobachten.
Deutschland
Für diesen ehrgeizigen Umbau der Energieversorgung muss bis 2030
die Hälfte der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammen.
Deutschland muss daher mit der Entwicklung kosteneffizienter
marktorientierter Konzepte fortfahren, um die erwartete Expansion der
dargebotsabhängigen erneuerbaren Energien zu begleiten. Außerdem
müssen Kosten und Nutzen gerecht und transparent, unter besonderer
Beachtung der privaten Haushalte, auf alle Marktteilnehmer verteilt werden.
Energiepolitik der IEA-Länder
Deutschland
Prüfung
Deutschlands energiepolitische Entscheidungen haben zwangsläufig
Auswirkungen über die Landesgrenzen hinaus und müssen im Kontext eines
umfassenderen europäischen energiepolitischen Rahmens und in enger
Fühlungnahme mit den Nachbarländern getroffen werden.
2013
Dieser Bericht analysiert die energiepolitischen Herausforderungen, vor
denen die Bundesrepublik steht, und liefert Empfehlungen dazu, wie
ihre Energiepolitik weiter verbessert werden kann. Er soll Deutschland
Orientierungen auf dem Weg hin zu einer sichereren und nachhaltigeren
Energieversorgung der Zukunft geben.
Prüfung
2013
GERMAN_IDR2013_Germany_Fullcover_11.5mm.indd 1
16/05/2013 14:31:20
Deutschland
Energiepolitik der IEA-Länder
Energiepolitik der IEA-Länder
Seit der letzten Prüfung der deutschen Energiepolitik durch die IEA im Jahr
2007 hat die Bundesrepublik zwei Grundsatzentscheidungen getroffen,
die ihre Energiepolitik in den kommenden Jahrzehnten leiten werden. Im
September 2010 hat die Bundesregierung das Energiekonzept verabschiedet,
eine umfassende neue, langfristige und integrierte Strategie für die
Entwicklung der Energieversorgung bis 2050. Nach dem Reaktorunfall von
Fukushima Daiichi im März 2011 wurde dann der beschleunigte Ausstieg aus
der Kernenergie bis 2022 beschlossen, wobei mit der sofortigen Stilllegung
der acht ältesten Kraftwerke begonnen wurde. Diese Entscheidung führte
zur Verabschiedung einer Reihe neuer Politikmaßnahmen zur Umsetzung der
sog. Energiewende, mit der die erneuerbaren Energien zur tragenden Säule
der künftigen Energieversorgung werden.
Die Expansion der erneuerbaren Energien muss in Zukunft parallel zum
zeitnahen Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze erfolgen.
Zudem bedarf es eines stabilen Regulierungsrahmens, um langfristige
Finanzierungsmöglichkeiten für die Netzbetreiber zu gewährleisten. Darüber
hinaus gilt es, Deutschlands Kapazität zur Deckung des Spitzenlastbedarfs auf
mittlere Sicht weiter genau zu beobachten.
Deutschland
Für diesen ehrgeizigen Umbau der Energieversorgung muss bis 2030
die Hälfte der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammen.
Deutschland muss daher mit der Entwicklung kosteneffizienter
marktorientierter Konzepte fortfahren, um die erwartete Expansion der
dargebotsabhängigen erneuerbaren Energien zu begleiten. Außerdem
müssen Kosten und Nutzen gerecht und transparent, unter besonderer
Beachtung der privaten Haushalte, auf alle Marktteilnehmer verteilt werden.
Energiepolitik der IEA-Länder
Deutschland
Prüfung
Deutschlands energiepolitische Entscheidungen haben zwangsläufig
Auswirkungen über die Landesgrenzen hinaus und müssen im Kontext eines
umfassenderen europäischen energiepolitischen Rahmens und in enger
Fühlungnahme mit den Nachbarländern getroffen werden.
2013
Dieser Bericht analysiert die energiepolitischen Herausforderungen, vor
denen die Bundesrepublik steht, und liefert Empfehlungen dazu, wie
ihre Energiepolitik weiter verbessert werden kann. Er soll Deutschland
Orientierungen auf dem Weg hin zu einer sichereren und nachhaltigeren
Energieversorgung der Zukunft geben.
Prüfung
2013
GERMAN_IDR2013_Germany_Fullcover_11.5mm.indd 1
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Energiepolitik der IEA-Länder
Deutschland
Prüfung
2013
INTERNATIONALE ENERGIE-AGENTUR
Die Internationale Energie-Agentur (IEA) wurde im November 1974 als autonome Institution gegründet.
Ihr Hauptauftrag war – und ist – zweigeteilt: die Energieversorgungssicherheit ihrer Mitgliedsländer
durch gemeinsame Maßnahmen zur Bewältigung von physischen Störungen der Ölversorgung zu fördern
und maßgebliche Forschungsarbeiten und Analysen dazu zu liefern, wie eine verlässliche, erschwingliche und
saubere Energieversorgung in ihren 28 Mitgliedsländern und darüber hinaus sichergestellt werden kann. Die
IEA führt ein umfassendes Programm zur Energiekooperation zwischen ihren Mitgliedsländern durch, die alle
verpflichtet sind, Ölvorräte im Umfang ihrer Nettoölimporte von 90 Tagen zu halten. Die grundlegenden Ziele der
IEA lauten wie folgt:
n S
icherung des Zugangs der Mitgliedsländer zu einer verlässlichen und umfassenden Versorgung mit allen
Energieformen, insbesondere durch Aufrechterhaltung effektiver Krisenkapazitäten zur Bewältigung von
Störungen der Ölversorgung.
n Förderung nachhaltiger energiepolitischer Maßnahmen, die Wirtschaftswachstum und Umweltschutz in einem
globalen Kontext antreiben – vor allem in Bezug auf die Reduzierung der zum Klimawandel beitragenden
Treibhausgasemissionen.
n Verbesserung der Transparenz der internationalen Märkte durch Erfassung und Analyse von Energiedaten.
n U
nterstützung der weltweiten Zusammenarbeit im Bereich der Energietechnologie zur
Sicherung der künftigen Energieversorgung und Verringerung ihrer Auswirkungen auf die
Umwelt, u.a. durch eine Steigerung der Energieeffizienz sowie die Entwicklung und
Markteinführung von CO2-armen Technologien.
n Ausarbeitung von Lösungen für globale Energieherausforderungen durch
Zusammenarbeit und Dialog mit Nichtmitgliedsländern, Wirtschaft,
internationalen Organisationen und sonstigen Akteuren.
Die IEA-Mitgliedsländer sind:
Australien
© OCDE/AIE, 2013
International Energy Agency (IEA)
9 rue de la Fédération
75739 Paris Cedex 15, France
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Irland
Italien
Japan
Kanada
Republik Korea
Luxemburg
Neuseeland
Niederlande
Norwegen
Österreich
Polen
Portugal
Schweden
Schweiz
Slowakische Republik
Spanien
Tschechische Republik
Türkei
Ungarn
Vereinigtes Königreich
Vereinigte Staaten
Diese Publikation unterliegt bestimmten
Einschränkungen in Bezug auf ihre
Verwendung und Verbreitung. Die entsprechenden
Bedingungen können online eingesehen werden unter:
http://www.iea.org/termsandconditionsuseandcopyright/
Die Europäische Kommission
beteiligt sich ebenfalls
an der Arbeit der IEA.
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS
1. ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN........................................................................................9
Zusammenfassung ......................................................................................................................9
Empfehlungen ...........................................................................................................................17
TEIL I POLITIKANALYSE ......................................................................................................19
2. ALLGEMEINE ENERGIEPOLITIK .............................................................................................................21
Überblick ...................................................................................................................................21
Wirtschaft ..................................................................................................................................22
Angebot und Nachfrage ............................................................................................................22
Institutionen ..............................................................................................................................26
Wichtigste Politikmaßnahmen ..................................................................................................28
Besteuerung ..............................................................................................................................30
Energieversorgungssicherheit ...................................................................................................31
Bewertung .................................................................................................................................33
Empfehlungen ...........................................................................................................................37
3. ENERGIEEFFIZIENZ ................................................................................................................................39
Überblick ...................................................................................................................................39
Endenergieverbrauch ................................................................................................................39
Institutionen ..............................................................................................................................41
Politiken und Maßnahmen ........................................................................................................42
Bewertung .................................................................................................................................50
Empfehlungen ...........................................................................................................................53
4. KLIMAWANDEL ....................................................................................................................................55
© OECD/IEA, 2013
Überblick ...................................................................................................................................55
Zielvorgaben ..............................................................................................................................55
Energiebedingte CO2-Emissionen .............................................................................................56
Trends und Projektionen ...........................................................................................................59
Institutionen ..............................................................................................................................60
Politiken und Maßnahmen ........................................................................................................61
Bewertung .................................................................................................................................70
Empfehlungen ...........................................................................................................................73
3
Inhaltsverzeichnis
TEIL II SEKTORANALYSE ......................................................................................................75
5. ERDGAS ................................................................................................................................................77
Überblick ...................................................................................................................................77
Angebot und Nachfrage ............................................................................................................77
Erdgasinfrastruktur ...................................................................................................................79
Marktstruktur ............................................................................................................................83
Großhandelsmarkt und Erdgashandel ......................................................................................84
Endkundenmarkt und-preise ....................................................................................................88
Erdgasversorgungssicherheit ....................................................................................................91
Datenqualität ............................................................................................................................93
Bewertung .................................................................................................................................94
Empfehlungen ...........................................................................................................................97
6. ERDÖL ..................................................................................................................................................99
Überblick ...................................................................................................................................99
Angebot und Nachfrage ............................................................................................................99
Branchenstruktur ....................................................................................................................103
Raffinerien ...............................................................................................................................104
Ölversorgungsinfrastruktur .....................................................................................................105
Ölkrisenvorsorge und Krisenorganisation ...............................................................................106
Drosselung der Ölnachfrage ....................................................................................................108
Bewertung ...............................................................................................................................109
Empfehlung .............................................................................................................................110
7. KOHLE UND CO2-ABSCHEIDUNG UND -SPEICHERUNG ......................................................................111
Überblick .................................................................................................................................111
Angebot und Nachfrage ..........................................................................................................111
Branchenstruktur ....................................................................................................................113
Subventionierung der Kohleförderung ...................................................................................116
CO2-Abscheidung und -Speicherung .......................................................................................117
Bewertung ...............................................................................................................................119
Empfehlungen .........................................................................................................................120
Überblick .................................................................................................................................121
Angebot und Nachfrage ..........................................................................................................121
Institutionen ............................................................................................................................124
Finanzierung der erneuerbaren Energien ...............................................................................124
Politiken und Fördermaßnahmen ...........................................................................................125
Strom .......................................................................................................................................132
Wärmeversorgung ..................................................................................................................139
Bewertung ...............................................................................................................................140
Empfehlungen .........................................................................................................................145
4
© OECD/IEA, 2013
8. ERNEUERBARE ENERGIEN .................................................................................................................121
Inhaltsverzeichnis
9. ELEKTRIZITÄT .....................................................................................................................................147
Überblick .................................................................................................................................147
Angebot und Nachfrage ..........................................................................................................147
Marktgestaltung und -struktur ...............................................................................................151
Großhandelsmarkt ..................................................................................................................158
Verfügbarkeit ausreichender Stromerzeugungskapazitäten („generation adequacy“)
in Deutschland ........................................................................................................................161
Zugang zu Übertragungs- und Verteilernetzen .......................................................................167
Netzentwicklung und -ausbau ................................................................................................168
Integration verteilter und variabler Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ................170
Stromversorgungssicherheit ...................................................................................................173
Endkundenmarkt und -preise .................................................................................................175
Bewertung ...............................................................................................................................180
Empfehlungen .........................................................................................................................185
10. KERNENERGIE ..................................................................................................................................187
Überblick .................................................................................................................................187
Die Struktur der Kernindustrie ................................................................................................189
Regulierung .............................................................................................................................191
Bewertung ...............................................................................................................................192
Empfehlungen .........................................................................................................................194
TEIL III ENERGIETECHNOLOGIE ......................................................................................... 195
11. FORSCHUNG, ENTWICKLUNG UND EINFÜHRUNG IM ENERGIEBEREICH ........................................197
Überblick .................................................................................................................................197
Institutionen ............................................................................................................................198
Energieforschungsprioritäten und Mittelbereitstellung .........................................................200
Ressortübergreifende Initiativen ............................................................................................203
Internationale Zusammenarbeit .............................................................................................205
Beteiligung des Privatsektors ..................................................................................................205
Bewertung ...............................................................................................................................206
Empfehlungen .........................................................................................................................207
TEIL IV ANHÄNGE ............................................................................................................. 209
© OECD/IEA, 2013
ANHANG A:
ANHANG B:
ANHANG C:
ANHANG D:
ORGANISATION DER PRÜFUNG .........................................................................................211
ENERGIEBILANZEN UND STATISTISCHE SCHLÜSSELDATEN ...............................................213
GEMEINSAME ZIELE DER IEA-LÄNDER ...............................................................................219
GLOSSAR UND ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS .......................................................................221
5
Inhaltsverzeichnis
Abbildungen, Tabellen und Kästen
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
6
Deutschlandkarte ..............................................................................................................................20
Gesamt-Primärenergieaufkommen, 1973-2011 ...............................................................................23
Aufschlüsselung des Gesamt-Primärenergieaufkommens in den IEA-Mitgliedstaaten, 2011 .........24
Energiegewinnung nach Energiequellen, 1973-2011 .......................................................................25
Endenergieverbrauch nach Sektoren, 1973-2011 ............................................................................26
Gesamt-Endenergieverbrauch nach Sektoren und Quellen, 1973-2011 ..........................................40
Energieintensität in Deutschland und in anderen ausgewählten IEA-Mitgliedsländern,
1973-2011 .........................................................................................................................................41
CO2-Emissionen nach Energieträgern, 1973-2011 ............................................................................57
CO2-Emissionen nach Sektoren, 1973-2011 .....................................................................................58
Energiebedingte CO2-Emissionen im Verhältnis zum BIP in Deutschland und in anderen
IEA-Ländern, 1973-2011 ...................................................................................................................59
Treibhausgasemissionen und BIP-Wachstum in Deutschland und in den IEA-Ländern insgesamt,
1995-2010 .........................................................................................................................................61
CO2-Emissionen des Verkehrssektors in Deutschland und in anderen IEA-Ländern, 1990-2011 .....66
Erdgasverbrauch nach Sektoren, 1973-2011 ....................................................................................79
Gasinfrastruktur in Deutschland .......................................................................................................82
Gaspreise in Deutschland und anderen ausgewählten IEA-Mitgliedsländern, 1980-2011 ..............89
Gaspreise in IEA-Mitgliedsländern, 2011 ..........................................................................................90
Ölverbrauch nach Sektoren, 1973-2011 ........................................................................................100
Rohöleinfuhren nach Ursprungsländern, 2011 ..............................................................................101
Kohleverbrauch nach Sektoren, 1973-2011 ...................................................................................112
Kohlevorkommen in Deutschland ..................................................................................................114
Erneuerbare Energien in Prozent des Gesamt-Primärenergieaufkommens, 1973-2011 ...............122
Erneuerbare Energien in Prozent des Gesamt-Primärenergieaufkommens in den
IEA-Mitgliedsländern, 2011 ............................................................................................................122
Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen in Prozent der Gesamtstromerzeugung in den
IEA-Mitgliedsländern, 2011 ............................................................................................................123
Stromerzeugung nach Energiequellen, 1973-2011 ........................................................................148
Stromerzeugung nach Energiequellen in IEA-Mitgliedstaaten .......................................................148
Deutschlands Nettoein- und Nettoausfuhren von Strom, nach Ländern, 1990-2011 ....................150
Regelzonen in Deutschland .............................................................................................................156
Stromnetz in Deutschland ..............................................................................................................157
Deutsche Stromimporte und -exporte, 2011 ..................................................................................158
Konvergenz der Preise an den europäischen Spotmärkten, Region Zentralwesteuropa,
2005-2011 ........................................................................................................................................159
Aufschlüsselung der Preise für Haushaltskunden zum 1. April 2012 .............................................177
Strompreise in Deutschland und in anderen ausgewählten IEA-Mitgliedsländern, 1980-2011 ....178
Strompreise in den IEA-Mitgliedsländern, 2011 .............................................................................179
© OECD/IEA, 2013
ABBILDUNGEN
Inhaltsverzeichnis
34. Öffentliche Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich,
1974-2012 .......................................................................................................................................200
35. Das Energieforschungsprogramm der Bundesregierung ................................................................201
36. Ressortübergreifende Forschungsinitiativen ..................................................................................204
37. Staatliche Budgets für Forschung, Entwicklung und Einführung in den IEA-Mitgliedsländern,
2011 .................................................................................................................................................205
TABELLEN
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
© OECD/IEA, 2013
20.
21.
22.
23.
24.
Im Energiekonzept/Energiepaket enthaltene Ziele ..........................................................................29
Zusammenfassung der Hauptmerkmale des CO2-Sanierungsprogramms und des Programms
„Energieeffizient sanieren“ ...............................................................................................................47
Aufschlüsselung der Treibhausgasemissionen insgesamt im Szenario „mit Maßnahmen“,
nach Treibhausgasarten, 2000-2020 ................................................................................................60
Elemente des Integrierten Energie- und Klimaprogramms und THG-Emissionsminderungsziele ...62
Regelsteuersätze für Energieerzeugnisse .........................................................................................65
Sonstige Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen ............................................69
Erdgashandelsvolumen in den deutschen Marktgebieten ...............................................................86
Deutsche Raffineriekapazitäten ......................................................................................................102
Deutsche grenzüberschreitende Rohölpipelines, 2010 ..................................................................105
Braunkohlentagebaue in Deutschland ...........................................................................................115
Braunkohlenförderung in Deutschland, 2005-2012 ........................................................................115
Einspeisetarife für EE-Anlagen, 2012 ..............................................................................................127
Nationales Gesamtziel für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am
Bruttoendenergieverbrauch, 2005 und 2020 .................................................................................130
Neue Einspeisetarife ab 1. April 2012 gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz ................................137
Kumulierte installierte Leistung und Anlagenzahl in den Bundesländern ......................................138
Einsatz von Biogas in Deutschland ..................................................................................................139
Bestandskraftwerke in Deutschland mit einer elektrischen Netto-Nennleistung
von mindestens 10 MW (Stand 01.02.2013) ..................................................................................152
Struktur des deutschen Übertragungs- und Verteilungssystems, 2010 .........................................154
Nettoübertragungskapazitäten (NTC) zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern,
Winter 2010/2011 (MW) ................................................................................................................155
Verfügbare Kapazitäten und Reservemargen in Deutschland, 2012-2015 ....................................163
Verfügbare Kapazitäten und Reservemargen in Deutschland, 2022 ..............................................163
Die deutschen Kernkraftwerke .......................................................................................................188
Haushaltsmittel des BMWi für energiebezogene FuE (Mio. Euro) .................................................202
Von anderen Ministerien bereitgestellte Haushaltsmittel für energiebezogene FuE (Mio. Euro) ....203
7
Inhaltsverzeichnis
KÄSTEN
EU-Verordnungen über Energieeffizienz ..........................................................................................43
Die Energiesparverordnung (EnEV) und die Finanzierung der Gebäudesanierung ..........................46
25 IEA-Empfehlungen zur Verbesserung der Energieeffizienz .........................................................52
Das Hamburger Klimaschutzkonzept ................................................................................................70
Gasqualität in Deutschland ...............................................................................................................85
Eckpunkte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes .............................................................................125
Marktprämienzahlungen in Deutschland .......................................................................................128
Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zum Stromgroßhandel ......................................160
Die Helmholtz-Gemeinschaft ..........................................................................................................199
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© OECD/IEA, 2013
1.
2.
3.
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9.
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
1. ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN
ZUSAMMENFASSUNG
Die Politikverantwortlichen in Deutschland haben die Grundsatzentscheidung getroffen,
langfristig zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu gelangen. Im September 2010 hat
die Bundesregierung eine umfassende neue Strategie beschlossen, das Energiekonzept,
das die Prinzipien eines langfristigen Entwicklungspfads für die Energieversorgung des
Landes bis zum Jahr 2050 festlegt und die erneuerbaren Energien zur tragenden Säule
der künftigen Energieversorgung erklärt. Das Energiekonzept stützt sich auf die Erfolge
früherer Maßnahmen, insbesondere des Integrierten Energie- und Klimaprogramms aus
dem Jahr 2007, setzt aber ambitioniertere Ziele. Die Bundesregierung hat Deutschland
bewusst auf den Weg gebracht, eine der energieeffizientesten und umweltfreundlichsten
Volkswirtschaften der Welt zu werden, wobei es gleichzeitig gilt, bezahlbare Energiepreise sowie ein hohes Wohlstandsniveau zu sichern. Ein zentrales Element des
Energiekonzepts war der Vorschlag, die Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke um
durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern und damit den von der vorherigen Regierung
beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie zu verschieben.
Nach dem Reaktorunfall von Fukushima Daiichi im März 2011 wurde die von der
Öffentlichkeit stark unterstützte politische Entscheidung getroffen, den Ausstieg aus der
Kernenergie zu beschleunigen und bis 2022 alle deutschen Kernkraftwerke vom Netz zu
nehmen, wobei mit der sofortigen Stilllegung der acht ältesten Meiler begonnen wurde.
Diese Entscheidung hat in Kombination mit dem politischen Ziel, weitere Fortschritte auf
dem Weg hin zu einem CO2-armen Energiesektor zu erzielen, große Auswirkungen auf
die energiepolitischen Aussichten Deutschlands, weshalb ein zweites Maßnahmenpaket
verabschiedet wurde, das nötig war, um den Umbau der Energieversorgung zu
beschleunigen. Dieses zweite Energiepaket zur Umsetzung der sogenannten Energiewende enthielt sieben Gesetzesmaßnahmen, die die erneuerbaren Energien und den
Netzausbau unterstützen, die Energieeffizienz fördern, die Finanzierung der Reformen
ermöglichen und die vorherigen Entscheidungen zur Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke rückgängig machen sollten.
Angesichts des Ausmaßes der Ambitionen der Bundesrepublik, der Größe und der Energieintensität ihrer Wirtschaft sowie ihrer Lage im Zentrum des europäischen Energiesystems
sind weitere Maßnahmen nötig, wenn bei der Energiewende die richtige Balance zwischen
Nachhaltigkeit, Bezahlbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit gewahrt werden soll. Zudem
haben Entscheidungen über die Energiepolitik Deutschlands dieser Größenordnung
Auswirkungen weit über die Landesgrenzen hinaus und müssen im Kontext eines
umfassenderen europäischen energiepolitischen Rahmens und in enger Fühlungnahme
mit den Nachbarländern getroffen werden.
© OECD/IEA, 2013
STETE FORTSCHRITTE
In den letzten beiden Jahrzehnten ist es Deutschland gelungen, Treibhausgasemissionen
und Wirtschaftswachstum zu entkoppeln, und das Land erreicht sein Kyoto-Ziel ohne
9
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
Nutzung flexibler Mechanismen. Zudem ist Deutschland weiterhin auf Kurs, sein Ziel im
Rahmen der EU-Lastenteilungsentscheidung mit den existierenden Maßnahmen zu
erfüllen. Mit dem Energiekonzept (Energiewende) hat die Bundesregierung das Ziel einer
Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2020 im Vergleich zum Stand von 1990 um 40%
bekräftigt und Ziele für eine weitere Emissionsminderung bis 2030 um 55%, bis 2040 um
70% und bis 2050 um 80-95% gesetzt (jeweils wieder im Vergleich zu 1990). Um das Ziel
der Emissionsminderung um 40% bis 2020 zu erreichen, sind jedoch u.U. ergänzende
Maßnahmen notwendig, solange es an einem nachhaltigen europaweiten Emissionshandelssystem fehlt.
Die Energieeffizienz ist eine wichtige Säule der Energiewende, und das Land hat sich das
Ziel gesetzt, den Primärenergieverbrauch im Vergleich zum Stand von 2008 bis 2020 um
20% und bis 2050 um 50% zu senken. Bislang hat Deutschland gute Fortschritte erzielt
und ein breites Spektrum an Programmen in allen Wirtschaftsbereichen umgesetzt.
Dennoch muss noch wesentlich mehr geschehen, wenn Deutschland seine Ziele für 2020
erfüllen will, und es bedarf einer umfassenden Beurteilung der Energiesparpotenziale
und -zielvorgaben der einzelnen Sektoren, insbesondere der Industrie und des Verkehrssektors.
Neben der Steigerung der Energieeffizienz steht der großanlegte Ausbau der erneuerbaren Energien im Zentrum der Energiewende. Seit seiner Verabschiedung im Jahr 2000
hat sich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als sehr wirksames Instrument zur
Verbreitung der erneuerbaren Energien und insbesondere der Stromerzeugung durch
Biomasse, Windenergie und Photovoltaik erwiesen. Zudem hat es sich als erfolgreich bei
der Drosselung der Kosten erwiesen, wie sich im besonderen Maße an der Senkung der
Einspeisetarife für Solarstrom zeigt, zu der es in Antwort auf die rasche Expansion dieser
Technologie in den letzten vier Jahren gekommen ist.
Erdöl spielt in Deutschland nach wie vor eine wichtige Rolle als Energiequelle, auch wenn
seine Nutzung im Verlauf des letzten Jahrzehnts zurückgegangen ist. Das Land verfügt
über kaum eigene Erdölressourcen und hängt zur Deckung der Nachfrage stark von
Importen ab. Deutschland besitzt eine gut diversifizierte und flexible Ölversorgungsinfrastruktur in Form von Pipelines und Einfuhrterminals. Der deutsche Ölmarkt ist
liberalisiert und zeichnet sich durch eine große Zahl an Marktteilnehmern aus. Die
Erdölversorgung ist sicher, und das Land kommt der für die Mitglieder der Internationalen Energie-Agentur (IEA) geltenden 90-Tage-Bevorratungspflicht regelmäßig nach
10
© OECD/IEA, 2013
Deutschland steht im Zentrum des europäischen Erdgashandels, erfreut sich einer guten
Versorgungs- und Speicherinfrastruktur und kann sich auf starke inländische Versorgungsunternehmen stützen. Auf dem Markt waren mehrere positive Entwicklungen zu
beobachten, die in den fünf Jahren, die seit dem letzten Energiebericht verstrichen sind,
zu mehr Wettbewerb geführt haben: Die Bundesnetzagentur hat ein Entry-Exit-System
eingeführt, die Bilanzierungsregeln reformiert und die Zahl der Marktgebiete von über
zwanzig im Jahr 2006 auf sechs im Jahr 2009 und mittlerweile nur noch zwei reduziert.
Die Diversifizierung der Gasversorgungsrouten nach Deutschland hat sich ebenfalls
verbessert, insbesondere mit der Eröffnung der Nord-Stream-Pipeline, durch die sich die
Importkapazitäten um 55 Mrd. m3 jährlich erhöht haben. Die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) haben 2012 einen 10-jährigen Netzentwicklungsplan vorgelegt, der
mit einem Änderungsverlangen von der Bundesnetzagentur genehmigt wurde. Deutschlands Erdgasdaten sind jedoch zu einer Unsicherheitsquelle geworden, und so ist es notwendig, eine konsistente nationale Datenbank mit Informationen über den deutschen
Gasmarkt einzurichten.
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
und hält im Allgemeinen Vorräte, die über die vorgeschriebene Menge hinausgehen. 2011
entsprach der über die 90-Tage-Regelung hinausgehende Bestand 50 Verbrauchstagen.
Was die Kohleförderung betrifft, so wurde seit der letzten, 2007 durchgeführten Prüfung
die Entscheidung getroffen, die Subventionen für die inländische Steinkohleförderung
auslaufen zu lassen und alle Steinkohlebergwerke bis 2018 zu schließen. Außerdem
dürften infolge der Umsetzung der EU-Richtlinie für Großfeuerungsanlagen umfangreiche Kohlekraftwerkskapazitäten vom Netz genommen werden. Allerdings werden
gegenwärtig mehrere große neue Kohlekraftwerke gebaut, wobei es sich um eine der
größten Investitionswellen in die inländische Kohleverstromung seit dem Wiederaufbau
der Nachkriegszeit handelt. Die technische Lebensdauer dieser neuen Kohlekraftwerke
wird mindestens bis 2050 reichen, und sie dürften auf mittlere Sicht einer der Pfeiler der
deutschen Stromerzeugung bleiben. Das Energiekonzept unterstützt die Erprobung und
gegebenenfalls Nutzung von CCS-Technologien (CO2-Abscheidung und -Speicherung).
Trotz einiger Rückschläge wurde ein Gesetzesrahmen für CCS geschaffen, auch wenn
bislang nur langsam Fortschritte erzielt wurden und einige geplante Projekte aufgegeben
wurden. Es müssen mehr Anstrengungen unternommen werden, um die Demonstration
und Erprobung von CCS-Technologien in neuen Kohlekraftwerken zu fördern und
Optionen der CO2-Speicherung zu erkunden und zu testen, vor allem in der Nord- und
Ostsee, und zwar gemeinsam mit den Nachbarländern.
Strom steht im Zentrum der Energiewende, und Deutschland verfügt über ein großes,
diversifiziertes Stromsystem, das sich auf einen starken Netzverbund mit den Nachbarländern stützen kann. Dank seiner ausreichenden inländischen thermischen Kraftwerkskapazitäten und der starken grenzüberschreitenden Stromverbindungen konnte das
System die Stilllegung von 8,4 Gigawatt (GW) Kernkraftwerkskapazitäten bislang verkraften, ohne dass es zu größeren Versorgungsengpässen gekommen wäre, wenngleich
die Situation im Winter 2011/2012 sehr angespannt war. Die Bundesnetzagentur prüft
die Lage und berichtet regelmäßig über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen.
Im August 2011 hat die Bundesregierung ihr neues Energieforschungsprogramm vorgelegt, das Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten im Hinblick auf die Verwirklichung
der im Energiekonzept verankerten Politikziele fördern soll. Dementsprechend erhöht
die Bundesregierung den für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehenden Etat
von 1,9 Mrd. Euro im Zeitraum 2006-2009 auf 3,5 Mrd. Euro im Zeitraum 2011-2014.
Dieses Engagement für Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
ebenso wie die Unterstützung der Bundesregierung für eine weitere Erhöhung der
entsprechenden Ausgaben sind sehr zu begrüßen.
EINDÄMMUNG DER KOSTEN
© OECD/IEA, 2013
Mit einem starken, voll in den EU-Binnenmarkt für Energie integrierten deutschen
Strommarkt kann eine der kostengünstigsten Lösungen zur Verwirklichung des ehrgeizigen Umbaus der Energieversorgung, der Gegenstand der Energiewende ist, geschaffen werden. Ziel der Bundesregierung ist es, leistungsfähige Groß- und Endkundenmärkte zu unterstützen, die eine sichere, wettbewerbsfähige und umweltfreundliche
Versorgung der privaten Haushalte und der Industrie mit Energie gewährleisten und
zugleich für geeignete Investitionssignale sorgen können.
Der Umbau der Energieversorgung wird zwar erhebliche langfristige Nutzeffekte
bringen, die Kosten der Energiewende sind jedoch hoch und umfassen neben den Kosten
des EEG auch die Kosten anderer unterstützender Maßnahmen, z.B. des Ausbaus der
11
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
Übertragungs- und Verteilungsnetze sowie der energietechnologischen Forschung und
Entwicklung. Zusätzliche Kosten der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen
werden von den Endverbrauchern über die EEG-Umlage getragen, die in den vergangenen drei Jahren erheblich gestiegen ist und die in Abhängigkeit von einer Reihe von
Faktoren, wie dem Tempo des Ausbaus der erneuerbaren Energien, den Witterungsbedingungen sowie dem Großhandelspreis für Elektrizität, 2014 nochmals steigen könnte.
Das EEG ist erneut in die Kritik gekommen wegen der hohen Kosten, die den Verbrauchern durch die festen Einspeisetarife entstehen, die den Betreibern von Anlagen
der regenerativen Stromerzeugung gezahlt werden, sowie einer Abnahme des anrechenbaren Energieverbrauchs, auf den die Kosten verteilt werden können. Im Februar 2013
haben der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und der Bundesumweltminister einen gemeinsamen Vorschlag für kurzfristige Anpassungen des EEG
vorgelegt, um dem Anstieg der EEG-Umlage entgegenzuwirken, und ihre Absicht
bekundet, das EEG auf lange Sicht grundlegend zu reformieren.
Die Bundesregierung war zwar sehr erfolgreich, wenn es darum ging, Investitionen in
erneuerbare Energien anzulocken, weniger gut ist es ihr jedoch gelungen, die Menge der
jedes Jahr ans Netz gehenden erneuerbaren Energien zu kontrollieren. Es stellt sich
daher weiter die Frage, ob eine Steuerung der Mengen über eine Vergütung pro
Kilowattstunde (kWh) auf mittlere bis lange Sicht wirkungsvoll bleiben wird. Bislang
haben die deutschen Verbraucher die Kosten des EEG getragen; die wachsende
Belastung der privaten Haushalte hat in Deutschland jedoch eine Debatte über die
Kosten der Energiewende entfacht.
Die deutschen energiepolitischen Ziele sind langfristig ausgerichtet, und zur Realisierung
dieser Ziele ist ein verlässlicher Politik- und Regulierungsrahmen erforderlich. Unvermittelte Änderungen der Förderregelungen können zwar die Kosten auf kurze Sicht
senken, drohen aber das Vertrauen der Investoren zu schwächen und werden die Kosten
auf lange Sicht infolge höherer Risikoaufschläge steigen lassen. Rückwirkende Tarifsenkungen gleich welcher Form oder Dauer geben dem Markt die falschen Signale. Bei
Reformen des EEG müssen die Vorteile des Wettbewerbs ausgeschöpft und gewährleistet werden, dass Standortwahl und Ausbautempo mit dem Infrastrukturbedarf in
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© OECD/IEA, 2013
Der Ausbau der erneuerbaren Energien an Standorten, wo sie im Hinblick auf die Systemstabilität am dringendsten nötig sind und wo die Kosten der Netzanbindung optimal sind,
setzt eine umsichtig gestaltete Netzanschlusspolitik voraus. Im Fall der Windenergie
könnte es sich dabei um die Orte handeln, an denen das Winddargebot am besten ist,
und im Fall der Photovoltaik um die Orte mit der höchsten Sonneneinstrahlung.
Außerdem müssen die Kosten des Netzanschlusses sowie des Netzausbaus bei der
Einbindung neuer Kapazitäten in das Netz ebenfalls berücksichtigt werden. Die
Netzentgelte sollten Anreize dafür schaffen, dass neue Kapazitäten dort ans Netz gehen,
wo sie das System am dringendsten benötigt. Ein weiterer Problempunkt ist
diesbezüglich der Wettbewerb zwischen den Ländern um Projekte zur Entwicklung
erneuerbarer Energien, die für die betroffenen Regionen eine Einnahmequelle
darstellen. In Gesprächen zwischen Bund und Ländern sollte diese Schwierigkeit
ausgeräumt und ein Mechanismus entwickelt werden, mit dem sichergestellt werden
kann, dass die Vorteile der Ansiedlung von Anlagen der regenerativen Stromerzeugung für
die öffentlichen Haushalte keine verzerrenden Effekte auf den Netzausbau haben. Die
Schaffung eines Regulierungsumfelds, dass es fluktuierenden erneuerbaren Energien
gestattet, Systemdienstleistungen zu erbringen, z.B. am Regelenergiemarkt teilzunehmen, ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Element.
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
Einklang stehen, und es muss für ausreichende Sicherheit für die Investoren gesorgt
werden, während zugleich die Nachfrage nach Energie gedeckt werden muss.
Es gibt auch eine Debatte über die Verteilung der Kosten der Energiewende, bei der einige
die Ansicht vertreten, dass die privaten Haushalte einen unverhältnismäßig hohen Teil
der Last tragen. Nach den derzeit geltenden Regeln zahlen Stromgroßverbraucher, die
jährlich mehr als 10 Gigawattstunden (GWh) Strom abnehmen, auf 90% des von ihnen
bezogenen Stroms eine geringere Umlage (0,0005 Euro je KWh); für die übrigen 10%
zahlen sie den vollen Satz. Stromintensive Unternehmen, die mehr als 100 GWh
verbrauchen und deren Stromkosten mehr als 20% ihrer Gesamtkosten ausmachen,
können den ermäßigten Satz für die gesamte von ihnen verbrauchte Strommenge in
Anspruch nehmen. Diese Großenergieverbraucher kommen auch in den Genuss
niedrigerer Großkundenstromtarife, die eine Folge der Expansion der erneuerbaren
Energien sind. Zahlreiche Erzeuger, die Photovoltaik-Systeme eingerichtet und an das
Verteilungsnetz angeschlossen haben, erhalten regelmäßige Einnahmen über das EEG.
Diese Stromerzeuger sind zwar von großem Nutzen, was die Energieproduktion
anbelangt, sie bürden dem System aber auch Kosten in Bezug auf den Ausbau des
Verteilungsnetzes auf und können manchmal Negativanreize im Hinblick auf die
Verringerung des Energieverbrauchs schaffen. Die Bundesregierung sollte sicherstellen,
dass das Regulierungssystem diese Kosten erfasst und angemessen auf Erzeuger und
Verbraucher verteilt.
Ein weiterer Problempunkt ist die 2011 eingeführte Befreiung der Großverbraucher von
der Zahlung der Netzentgelte. Es könnte eingewandt werden, dass diese Befreiung von
den Netzentgelten, deren Kosten gemäß § 19 der Netzentgeltverordnung bei kleineren
Stromverbrauchern wieder hereingeholt werden, die Strompreise und den Handel
verzerrt und Kleinverbrauchern eine unnötige Last aufbürdet. Die Bundesregierung
beabsichtigt, die Verordnung zu überarbeiten, und hat zu diesem Zweck im März 2013
eine Ressortabstimmung über den vorgelegten Änderungsentwurf eingeleitet.
Die Stromrechnung der privaten Haushalte in Deutschland ist relativ komplex und
enthält eine Reihe von Posten, die nicht mit der Lieferung von Strom an die Endverbraucher zusammenhängen. Insofern diese Gebühren von der Stromlieferung unabhängig sind, sollten sie abgeschafft und die entsprechenden Kosten über zweckmäßigere
Mechanismen gedeckt werden.
Die Kostenauswirkungen des EEG müssen im Kontext der allgemeinen Entwicklungen im
Energiesektor bewertet werden. Der jüngste Strompreisanstieg bereitet vor allem
Haushalten mit geringem Einkommen Schwierigkeiten, wohingegen Großverbraucher
von der Umlage weniger betroffen sind und zugleich in den Genuss der durch die
erneuerbaren Energien herbeigeführten Senkung der Großhandelstarife kommen.
Zudem erhöht sich die Energiearmut auch durch den starken Anstieg der Kosten fossiler
Brennstoffe. Kosten und Nutzen der erneuerbaren Energien müssen fair und transparent
verteilt werden.
© OECD/IEA, 2013
DEN NETZAUSBAU IN DEN GRIFF BEKOMMEN
Der Ausbau der Übertragungs- und Verteilungsnetze wird in Deutschland als wichtigstes
Instrument des Umbaus der Energieversorgung weg von Kernenergie und Kohle hin zu
mehr erneuerbaren Energien betrachtet. Die prognostizierte Expansion der Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien muss, da der erzeugte Strom zu den
Märkten gebracht werden muss, durch rechtzeitige, umfangreiche und kosteneffiziente
13
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
Investitionen in die Übertragungs- und Verteilungsnetze ergänzt werden. Derzeit sind die
Übertragungsinfrastrukturen, über die der Strom von Nord- nach Süddeutschland
transportiert wird, zunehmend überlastet, und diese Situation dürfte sich weiter
verschlimmern. Die geografische Konzentration großer Mengen an Windenergie – bis
2030 könnten es 25 GW sein – in Norddeutschland, einer Region mit geringer Stromnachfrage, hat zusammen mit der Notwendigkeit, diesen Strom in den stärker
industrialisierten Südteil des Landes zu transportieren, wo er gebraucht wird, zur Folge,
dass die Netze zusätzlich belastet werden. Große Stromflüsse in Mitteleuropa, darunter
Ringflüsse („loop flows“), die von Deutschland in Nord-Süd-Richtung ausgehend durch
die Tschechische Republik und Polen laufen, sind einer der Gründe dafür, dass es einer
verbesserten operativen Kooperation, finanzieller Ausgleichsregelungen und
Infrastrukturinvestitionen in Mitteleuropa bedarf.
Die Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) verpflichten die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), einen gemeinsamen zehnjährigen Netzentwicklungsplan auszuarbeiten.
Der erste dieser Pläne – der Netzentwicklungsplan Strom 2012 (NEP Strom 2012) – der
vor der Prüfung und Genehmigung durch die Bundesnetzagentur im November 2012
Gegenstand einer öffentlichen Konsultation war, enthält Vorhaben zur Verstärkung von
etwa 2 900 km alten Stromtrassen und zum Bau von 2 800 km neuen Stromtrassen. Die
Genehmigung erstreckte sich auf 51 der 74 von den Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Projekte. Die Schätzungen gehen zwar auseinander, es wird jedoch davon
ausgegangen, dass sich die Kosten dieser Arbeiten für die nächsten zehn Jahre zwischen
20 Mrd. und 30 Mrd. Euro bewegen werden.
Da der Großteil der Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien an die
Verteilungsnetze und nicht an die Übertragungsnetze angeschlossen sind, bedarf es auch
erheblicher Investition in Deutschlands 870 Verteilungsnetze. Auch hier liefern die
Schätzungen des Umfangs der Investitionen und der erforderlichen Arbeiten unterschiedliche Ergebnisse, in einer von der Deutschen Energie-Agentur veröffentlichten
Studie wird allerdings davon ausgegangen, dass in den kommenden zehn Jahren Anlageinvestitionen in Höhe von 27,5-42,5 Mrd. Euro erforderlich sind. Bislang wurde großes
Gewicht auf den Ausbau der Übertragungsnetze gelegt, was zu begrüßen ist; da jedoch
der größere Teil der Investitionen in den Verteilungsnetzen anfallen wird, muss sich das
Augenmerk der Bundesregierung und der Bundesnetzagentur in Zukunft auf die
Verteilung richten.
Bislang wurden zahlreiche Netzausbauprojekte an den Ländergrenzen verzögert oder
gestoppt. Das NABEG soll das Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen,
indem es die Durchführung einer Bundesfachplanung vorschreibt, bei der die Trassenkorridore ausgewiesen werden, die für die anschließenden Planfeststellungsverfahren
verbindlich sind. Derzeit fallen die Verfahren für die einzelnen Stromleitungsvorhaben in
den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Länderbehörden. Dies kann zu Verzögerungen
führen, wenn zwei oder mehrere Länder betroffen sind; das NABEG ermöglicht es, die
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© OECD/IEA, 2013
Bis jetzt ist Deutschlands Bilanz beim Bau neuer Netzinfrastrukturen durchwachsen, und
die Planungs- und Genehmigungsverfahren sind ein großes Hindernis. Zudem bedarf es
einer stärkeren, wirkungsvollen Kooperation zwischen den Ländern sowie zwischen Bund
und Ländern, um die Energiewende möglich zu machen. Zu begrüßen ist daher das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG), das verabschiedet wurde, um den Netzausbau
zu erleichtern, der den Norden des Landes mit den großen Verbrauchszentren im Süden
verbinden wird. Ein begrüßenswertes Element dieser Maßnahme ist die umfassende und
zeitnahe Mitwirkung der Öffentlichkeit sowie von Akteuren aus der Wirtschaft.
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
entsprechenden Befugnisse an die Bundesnetzagentur zu übertragen, wodurch das
Genehmigungsverfahren beschleunigt werden könnte, ohne die Integrität des Verfahrens
zu beeinträchtigen.
Es sollte über weitere Umsetzungsmaßnahmen nachgedacht werden, die darauf abzielen, Transparenz und öffentliche Beteiligung im Entscheidungsprozess über den Netzausbau zu erhöhen. Das NABEG bietet hier einen Lösungsansatz, ebenso wie die
Bestellung der Bundesnetzagentur als zentral zuständige Stelle für Projekte von
nationalem Interesse. Die Ausarbeitung des ersten gemeinsamen Netzentwicklungsplans
der vier Übertragungsnetzbetreiber ist ein begrüßenswerter Schritt in diese Richtung.
Desgleichen muss in Anbetracht der Expansion der fluktuierenden erneuerbaren
Energien über Investitionen in Stromspeicherkapazitäten und eine Verbesserung der
Energieeffizienz bei der Stromübertragung und -verteilung nachgedacht werden.
Darüber hinaus bedarf es eines stabilen Regulierungsrahmens, um sicherzustellen, dass
die Netzbetreiber über langfristige Finanzierungsmöglichkeiten verfügen.
ADÄQUANZ DER STROMERZEUGUNG
Das deutsche Stromsystem wird als sicher betrachtet, und während der letzten zwanzig
Jahre konnte das Land die Vorteile von Reservekapazitäten genießen, sowohl in der
Stromerzeugung als auch im Stromtransport, vor allem im Verteilungsnetz.
Die Erzeugungskapazitäten sind unter den gegenwärtigen Marktbedingungen ausreichend zur Deckung des Spitzenlastbedarfs. Trotz des Ausstiegs aus der Kernenergie,
der 2011 mit der Stilllegung von Kapazitäten im Umfang von 8,4 MW begonnen hat, sind
die Reservemargen noch bis mindestens 2015 ausreichend. Bedenken bestehen jedoch
nach wie vor in Bezug auf die Frage, inwieweit die derzeitigen Strommarktregelungen für
die nötigen Investitionen zur Aufrechterhaltung sicherer und verlässlicher Stromdienstleistungen sorgen können. Gegenwärtig verringert sich die Wettbewerbsfähigkeit der
existierenden Gaskraftwerke infolge niedriger CO2-Preise und hoher Gaspreise in Europa,
und es gibt Anzeichen dafür, dass einige Gaskraftwerke vom Netz genommen werden.
Die durchschnittliche Lastdauer eines kombinierten Gas-Dampf-Kraftwerks in Deutschland beträgt rd. 3 000 Stunden, und trotz der Flexibilität, die sie dem Markt bieten,
haben sie Mühe, rentabel zu arbeiten. Die auf mittlere Sicht erwartete Expansion der
erneuerbaren Energien könnte zu einer weiteren Komprimierung des Großhandelsmarkts führen und es schwieriger machen, die Investitionskosten zu amortisieren. Dies
hat Diskussionen über die Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen und anderen
Investitionsanreizen in Deutschland ausgelöst.
© OECD/IEA, 2013
Die derzeitigen Reservemargen, an denen der Umfang der Kapazitäten gemessen wird, die
über die zur Deckung des normalen Spitzenlastbedarfs notwendigen Kapazitäten
hinausgehen, lassen vermuten, dass keine dringende Notwendigkeit besteht, die eine oder
andere Art von Kapazitätsmechanismus zu entwickeln; eine Anpassung der bestehenden
Marktregelungen ist jedoch erforderlich. Änderungen können dazu beitragen, dass die
Umsetzung weiterer Regelungen erst später und möglicherweise gar nicht nötig wird, und
leistungsfähige Energy-Only-Märkte sichern helfen. Deutschland sollte beispielsweise
existierende Mechanismen nutzen, um die Regeln, Verfahren und Reserven zur
Gewährleistung der Versorgungssicherheit zu harmonisieren, ähnlich wie dies z.B. für die
Regelungen von Nord Pool der Fall ist, der Strombörse der nordischen Länder.
Insoweit die Bundesregierung, um die Zuverlässigkeit des Netzes zu sichern, als kurzfristige Maßnahme Kapazitäten kontrahieren muss, wie dies bereits jetzt geschieht,
15
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
sollte diese Kontrahierung transparent und offen erfolgen, z.B. im Wege einer
öffentlichen Ausschreibung. Solche Maßnahmen sollten durch netzbasierte Anreize für die
Stromerzeuger ergänzt werden, um deren Standortentscheidungen unter den Gesichtspunkten der systemweiten Zuverlässigkeit und der Kosten zu optimieren. Darüber hinaus
bedarf es transparenter und allgemein verstandener „Trigger“ – Reaktionsmechanismen,
die anstatt an den Preis an die Fundamentaldaten von Angebot und Nachfrage geknüpft
sind –, um das Risiko einer Verdrängung inkrementeller Kapazitäten zu minimieren.
Diese Trigger sollten als eine Übergangsmaßnahme zur Erleichterung der möglicherweise
schwierigen mittelfristigen Anpassung betrachtet werden.
Deutschland hat Zeit, die Gestaltung seines Energy-Only-Marktmodells anzupassen; es
verfügt über ausreichend große Reservemargen sowie gute grenzüberschreitende
Stromverbindungen mit den Nachbarländern. Es bedarf einer genauen Beobachtung der
Situation, die auf mittlere Sicht fortgesetzt werden sollte. Deutschland sollte seinen
Energy-Only-Markt stärken, indem es die Nachfrageelastizität verbessert, Ziele für
Reservemargen festlegt, den Kosten entsprechende Rückvergütungen für Netzdienstleistungen einführt, die Marktpreisreagibilität der erneuerbaren Energien erhöht,
Preisobergrenzen schafft und die Koordination auf EU-Ebene verbessert. Dafür gibt es
Beispiele aus anderen Regionen, z.B. aus Texas oder aus Australien (National Electricty
Market); Deutschland sollte diese kollektiven Erfahrungen nutzen.
In unerwarteten Fällen könnten die Reservemargen unter das gewünschte Niveau sinken;
sollte dies geschehen, sollte Deutschland beginnen, Optionen zur Ergänzung seines liquiden
und leistungsfähigen Energy-Only-Markts durch marktorientierte Instrumente zu untersuchen. Angestrebt werden sollte ein gezielter und zeitlich befristeter Kapazitätsmechanismus, dessen Beendigung so terminiert sein sollte, dass die Phase der größten
Unsicherheit bewältigt werden kann, während an Ersatzmöglichkeiten für die Kernenergie gearbeitet wird. Deutschland sollte auch netzbezogene Aspekte der Zuverlässigkeit überwachen, um das Stromsystem insgesamt besser auszugleichen.
Die strategische Rolle des Erdgases in der Energiewende muss genauer geklärt werden,
und es sollte mehr über seine Nutzung und seinen Platz im Energieversorgungsmix der
Zukunft nachgedacht werden. Erdgas kann auf mittlere Sicht als flexible Energieversorgungsquelle dienen und während des Ausstiegs aus der Kernenergie den Übergang
zu einem CO2-armen Kraftwerkssektor erleichtern. Angesichts der Struktur der deutschen Energieversorgung der kommenden zehn Jahre besteht Bedarf an größeren Mittellastkapazitäten, um die Produktionsschwankungen der Wind- und Sonnenergie auszugleichen. Außerdem muss, wenn Deutschland sein Ziel einer Verringerung der Treibhausgasemissionen um 40% bis 2020 mit einem stark geschrumpften Kernkraftwerkspark erreichen will, eine sauberere Alternative als Kohle gefunden werden. Dabei
kommt hinzu, dass der durch den Boom beim unkonventionellen Gas bedingte Rückgang
der Kohlenutzung in den Vereinigten Staaten dazu führt, dass in Europa mehr
vergleichsweise billige, aus Nordamerika importierte Kohle eingesetzt wird. Neuere
Daten lassen darauf schließen, dass die deutschen Versorgungsunternehmen größere
Mengen an Kohle verbrauchen und dass Gas im Energiemix für die Stromerzeugung
durch Kohle ersetzt wird. Solange es keinen wirkungsvollen CO2-Preis in Europa gibt,
wird dies Deutschlands CO2-Emissionen steigen lassen und Investitionen in sauberere
gasbefeuerte Kraftwerkstechnologien bremsen.
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© OECD/IEA, 2013
EINE ZUKUNFT FÜR GAS
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 sicherstellen, dass die großangelegten Projekte zum Ausbau der Übertragungs- und
Verteilungsnetze einschließlich der Investitionen, die erforderlich sind, wenn das
Energiekonzept (Energiewende) erfolgreich sein soll, rechtzeitig eingeleitet werden
und dass ein Regulierungssystem vorhanden ist, das ein ausreichendes Maß an finanziellen Anreizen und Investitionssicherheit zur Mobilisierung der notwendigen
Investitionen in die Verteilung gewährleistet;
 geeignete Mechanismen zur Steuerung der Kosten zusätzlicher Kapazitäten der
regenerativen Stromerzeugung durch kostenwirksame marktorientierte Konzepte
entwickeln, die die zu erwartende Expansion der Stromerzeugung aus dargebotsabhängigen erneuerbaren Energien unterstützen, die neue Kapazitäten näher an den
Bedarf des Markts heranführt, Investitionen in passende Standorte fördert und den
geplanten Netzausbau ergänzt;
 in Koordination mit allen betroffenen Akteuren beurteilen, inwieweit die gegenwärtigen Marktregelungen die Finanzierung wirtschaftlich tragfähiger Investitionen in
neue, flexible gasbefeuerte Erzeugungs- sowie kostengünstige Stromspeicherkapazitäten ermöglichen. Im Rahmen dieser Beurteilung muss auch die Eignung von
Kapazitätsmärkten als Übergangsmaßnahme zur Unterstützung des Anpassungsprozesses auf dem Weg hin zu einem Stromerzeugungssystem ohne Kernenergie
bewertet werden;
 entschlossene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Kosten der Energiewende so niedrig wie möglich gehalten sowie fair und gerecht auf alle Verbraucherkategorien verteilt werden, und den durch die Schaffung neuer Kapazitäten der
regenerativen Energieerzeugung bedingten Anstieg der EEG-Umlage begrenzen und
dabei zugleich vollen Nutzen aus dem raschen Rückgang der Technologiekosten
ziehen, zu dem es gekommen ist;
© OECD/IEA, 2013
 Maßnahmen entwickeln, die ein klares Bild von der Rolle des Erdgases in der Energiewende vermitteln, und sicherstellen, dass der kurzfristige Boom der Kohleverstromung
nicht zu einer Verdrängung von Investitionen in flexible gasbefeuerte Kapazitäten
führt.
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© OECD/IEA, 2013
TEIL I
POLITIKANALYSE
2. Allgemeine Energiepolitik
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© OECD/IEA, 2013
Abbildung 1 Deutschlandkarte
2. Allgemeine Energiepolitik
2. ALLGEMEINE ENERGIEPOLITIK
Eckdaten (2011)
Gesamt-Primärenergieaufkommen: 311,8 Mio. t RÖE (Erdöl 32,7%, Kohle 24,8%,
Erdgas 22,3%, erneuerbare Energien 11,3%, Kernenergie 9%), -7,4% seit 2000
Gesamt-Primärenergieaufkommen pro Kopf: 3,8 t RÖE (IEA-Durchschnitt: 4,6 t RÖE)
Gesamt-Primärenergieaufkommen pro Kopf im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt
(BIP): 0,11 t RÖE je 1 000 US-$ BIP Kaufkraftparitäten (KKP) (IEA-Durchschnitt: 0,14 t
RÖE je 1 000 US-$ BIP KKP)
Stromerzeugung: 602,4 TWh (Kohle 45,1%, erneuerbare Energien 22%, Kernenergie
17,9%, Erdgas 13,9%, Erdöl 1,1%), +5,3% seit 2000
Pro-Kopf-Stromverbrauch: 9 MWh (IEA-Durchschnitt: 10,6 MWh)
Inländische Energieerzeugung: 124,2 Mio. t RÖE (Kohle 37,5%, erneuerbare Energien
28,3%, Kernenergie 22,7%, Erdgas 8,8%, Erdöl 2,8%), -8,2% seit 2000
ÜBERBLICK
Deutschland ist das viertgrößte Land der Europäischen Union (nach Frankreich, Spanien
und Schweden) und hat gemeinsame Grenzen mit Dänemark, Polen, der Tschechischen
Republik, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden.
Deutschland steht großenteils unter dem Einfluss eines gemäßigten und maritimen
Klimas. Im Norden Deutschlands ist Flachland vorherrschend, den mittleren Teil prägen
Mittelgebirgszüge und im Süden erheben sich die bayrischen Alpen. Deutschland verfügt
ferner über fast 2 400 km Küste an der Nord- und Ostsee.
© OECD/IEA, 2013
Seit der Wiedervereinigung der Bundesrepublik mit der Deutschen Demokratischen Republik
im Jahr 1990 hat sich die Bevölkerungszahl in Deutschland wenig verändert, und den
Prognosen zufolge ist für die Zukunft mit einer Abnahme zu rechnen. Die größte Stadt ist die
Hauptstadt Berlin, deren Einwohnerzahl auf 3,5 Millionen angewachsen ist. 1999 sind viele
Regierungsstellen, Ministerien und Botschaften von der früheren Hauptstadt Bonn nach
Berlin umgezogen. Zu den weiteren großen städtischen Ballungsräumen des Landes gehören
der Rhein-Ruhr-Raum, Frankfurt, Hamburg, München und Leipzig.
Deutschland ist eine föderal verfasste Demokratie, die sich aus 16 Bundesländern
zusammensetzt. Das Land hat ein Zweikammersystem mit Bundestag und Bundesrat. Die
614 Mitglieder des Bundestags werden vom Volk für jeweils vier Jahre gewählt. Die 69
Mitglieder des Bundesrats werden nicht gewählt, sondern entsprechend der
Zusammensetzung der 16 Landesregierungen bestellt: Sie sind Mitglied der jeweiligen
Landeskabinette, die sie ernennen und jederzeit wieder abberufen können. Folglich kann
sich die Zusammensetzung des Bundesrats jedes Mal ändern, wenn in einem der 16
Bundesländer Wahlen stattfinden.
21
2. Allgemeine Energiepolitik
WIRTSCHAFT
Deutschland nimmt beim Export von maschinenbau- und elektrotechnischen
Erzeugnissen, Kraftfahrzeugen, Chemikalien sowie Haushaltsgeräten eine führende Rolle
ein und stützt sich auf eine hochqualifizierte Erwerbsbevölkerung. Die Wirtschaft ist in
relativ robuster Verfassung und wird 2013 voraussichtlich um 0,4% und 2014 um 1,6%
wachsen. Im Jahresverlauf 2012 verlangsamte sich das Wachstum infolge der schwachen
weltweiten Wirtschaftsentwicklung sowie der Entwicklungen im Euroraum, im
Jahresverlauf 2013 wird sich das Wachstum – insbesondere unter dem Einfluss der
Inlandsnachfrage – wahrscheinlich jedoch wieder beleben 1.
Langfristiges und kontinuierliches Wirtschaftswachstum auf der Grundlage der Sozialen
Marktwirtschaft ist das klare Prinzip, auf dem die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung
beruht. Die Arbeitslosigkeit erhöhte sich während der Krise kaum und ist seitdem
deutlich gesunken – im krassen Gegensatz zu nahezu allen anderen OECD-Ländern. Dies
ist auf einen Rückgang der strukturellen Arbeitslosigkeit sowie eine deutliche Erhöhung
der Arbeitszeitflexibilität zurückzuführen, woran sich zeigt, wie vorteilhaft sich die
Arbeitsmarktreformen der jüngeren Vergangenheit ausgewirkt haben. Was die
öffentlichen Finanzen betrifft, so hat die Staatsverschuldung während der Krise zwar
deutlich zugenommen, das Haushaltsdefizit ist aber trotzdem das niedrigste unter den
G7-Ländern, was z.T. der guten Arbeitsmarktleistung zuzuschreiben ist.
Die aktuellen Wirtschaftsprognosen sind durch ein hohes Maß an Unsicherheit gekennzeichnet. Es ist möglich, dass sich der Euroraum früher erholen wird als erwartet und die
Weltwirtschaft rascher an Fahrt gewinnen wird. In diesem Fall ist davon auszugehen,
dass die deutsche Wirtschaft die zusätzlich entstehenden Wachstumschancen in
Anbetracht ihrer guten strukturellen Verfassung zu nutzen weiß. Indessen überwiegen
die Abwärtsrisiken. Sollte das weltweite Wirtschaftswachstum unter den Erwartungen
bleiben oder die Schuldenkrise in einigen Ländern weiter eskalieren, ist es wahrscheinlich, dass die deutsche Volkswirtschaft einem schwächeren Pfad folgen wird als im Basisszenario unterstellt 2. Eine erschwingliche und sichere Energieversorgung ist ein Kernelement nachhaltigen Wachstums und Wohlstands in Deutschland. Zu diesem Zweck
verfolgt die Bundesregierung einen marktorientierten Ansatz auf der Grundlage von
Wettbewerb und Kosteneffizienz.
ANGEBOT UND NACHFRAGE
ANGEBOT
1. Jahreswirtschaftsbericht 2013, BMWi, 2013.
2. Monatsbericht, Deutsche Bundesbank, Dezember 2012.
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© OECD/IEA, 2013
Das Gesamt-Primärenergieaufkommen belief sich 2011 auf 311,8 Millionen Tonnen
Rohöleinheiten (Mio. t RÖE), was dem niedrigsten Stand seit dreißig Jahren entsprach. Das
Energieaufkommen Deutschlands hat sich während der vergangenen drei Jahrzehnte – wenn
auch in moderatem Tempo – rückläufig entwickelt. Seit dem Jahr 2000 ist das GesamtPrimärenergieaufkommen auf Jahresbasis um 0,7% gesunken, wobei es sich zwischen einem
Höchststand von 346,7 Mio. t RÖE im Jahr 2001 und dem Tiefststand von 311,8 Mio. t RÖE
im Jahr 2011 bewegte. Die Bundesregierung geht davon aus, dass das Energieaufkommen in
den kommenden beiden Jahrzehnten weiter auf 216,7 Mio. t RÖE im Jahr 2030 sinken wird.
2. Allgemeine Energiepolitik
Deutschland hat nach den Vereinigten Staaten und Japan das dritthöchste GesamtPrimärenergieaufkommen unter den IEA-Ländern. Unter den europäischen IEA-Ländern
verzeichnete Deutschland 2011 das höchste Gesamtenergieaufkommen, gefolgt von
Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Das Gesamt-Primärenergieaufkommen pro
Kopf betrug 2011 indessen 3,8 Tonnen Rohöleinheiten (t RÖE), was unter dem IEADurchschnitt von 4,6 t RÖE pro Kopf liegt.
Erdöl ist die wichtigste Energiequelle in Deutschland. 2011 entfielen 101,9 Mio. t RÖE
bzw. 32,7% des Gesamt-Primärenergieaufkommens auf Erdöl. Seit dem Jahr 2000 ist der
Anteil der aus Erdöl erzeugten Energie von 124,7 Mio. t RÖE um 18,3% gesunken, wobei
ihr Anteil am Energiemix, ausgehend von 37%, rückläufig war. In den kommenden
zwanzig Jahren wird der Erdölverbrauch den Projektionen der Bundesregierung zufolge
weiter sinken; dennoch wird Erdöl mit 28,2% des Gesamt-Primärenergieaufkommens im
Jahr 2030 die wichtigste Energiequelle bleiben.
Die aus Kohle und Erdgas gewonnene Energie belief sich 2011 auf 77,4 Mio. t RÖE bzw.
69,6 Mio. t RÖE. Auf Kohle entfielen 24,8% des Gesamt-Primärenergieaufkommens,
wohingegen der Anteil von Erdgas 22,3% betrug. Während der elf Jahre seit 2000 ist der
Anteil von Kohle und Erdgas am Energiemix relativ stabil geblieben, wobei die aus diesen
Brennstoffen erzeugte Energie parallel zum Gesamt-Primärenergieaufkommen gesunken
ist. Die Projektionen der Bundesregierung lassen darauf schließen, dass Erdgas in den
kommenden beiden Jahrzehnten eine wichtige Energiequelle bleiben wird, deren Anteil
am Gesamt-Primärenergieaufkommen sich bis 2030 auf 25% erhöhen wird. Umgekehrt
wird die aus der Kohle gewonnene Energie um zwei Drittel zurückgehen und im Jahr
2030 nur noch 12% des Gesamtaufkommens ausmachen.
Auf die aus erneuerbaren Energiequellen gewonnene Energie entfielen 2011 11,3% des
Gesamt-Primärenergieaufkommens, wovon Biokraftstoffe und Abfälle 8,5% (26,6 Mio. t RÖE)
ausmachten. Erneuerbare Energien sind in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen,
Abbildung 2 Gesamt-Primärenergieaufkommen, 1973-2011
Mio. t RÖE
400
Erdöl
350
Erdgas
300
Kohle
250
Biobrennstoffe und
Abfälle
200
Kernenergie
Wasserkraft*
150
Geothermie*
100
Solarenergie*
50
Windkraft*
© OECD/IEA, 2013
0
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
2006
2009
* Unerheblich.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
23
2. Allgemeine Energiepolitik
wobei der Anteil der Biokraftstoffe am Energiemix ausgehend von 2,3% im Jahr 2000
gestiegen ist, während Windkraft und Solarenergie von einem unerheblichen Niveau auf
jeweils rd. 1% im Jahr 2011 gesteigert wurden. In den kommenden 18 Jahren wird sich
der Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix auf 33,2% des Gesamt-Primärenergieaufkommens im Jahr 2030 voraussichtlich deutlich erhöhen, wobei Biokraftstoffe
21,6%, Windkraft 5,6%, Solarenergie 3,2%, Geothermie 1,9% und Wasserkraft weiterhin
rd. 1% ausmachen werden.
Auf die Kernenergie entfielen 2011 insgesamt 28,2 Mio. t RÖE, was 9% des GesamtPrimärenergieaufkommens entsprach. Dies stellt einen Rückgang von 36,3% gegenüber
44,2 Mio. t RÖE im Jahr 2000 bzw. einem Anteil von 13,1% am Energiemix dar. Bis 2022
wird die Kernenergie in Deutschland auslaufen, da die Bundesregierung beabsichtigt,
nach und nach alle Kernreaktoren abzuschalten.
Verglichen mit den IEA-Ländern rangiert Deutschland im Hinblick auf den Anteil der
fossilen Brennstoffe am Gesamt-Primärenergieaufkommen mit 79,7% im Jahr 2011 auf
einem Medianniveau (Abb. 3). In Bezug auf die Kernkraftkapazitäten liegt Deutschland vor
den Niederlanden und Japan unter den 16 IEA-Ländern, die Kernenergie in ihrem
Energiemix haben, auf dem drittletzten Platz. Die Bundesrepublik hat unter allen IEALändern den siebtgrößten Anteil an Biokraftstoffen am Gesamt-Primärenergieaufkommen.
Die inländische Energieerzeugung in Deutschland betrug im Jahr 2011 124,2 Mio. t RÖE,
was 39,8% des gesamtwirtschaftlichen Energieaufkommens ausmachte. Deutschland ist
ein wichtiger Kohleproduzent und erzeugte daraus im Jahr 2011 46,5 Mio. t RÖE bzw.
* Die Rubrik „Sonstige“ umfasst die Energieerzeugung aus Geothermie, Solarenergie, Windkraft und Umgebungswärme.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
24
© OECD/IEA, 2013
Abbildung 3 Aufschlüsselung des Gesamt-Primärenergieaufkommens in den IEA-Mitgliedstaaten, 2011
2. Allgemeine Energiepolitik
37,5% der gesamten Energieproduktion. Das Land ist der größte Braunkohleerzeuger
unter den IEA-Mitgliedstaaten und liegt bei der Steinkohlenförderung hinter den
Vereinigten Staaten und Australien auf dem dritten Platz. Auf die Kernenergie entfielen
2011 22,7% der Gesamtenergieproduktion, dicht gefolgt von Biokraftstoffen und Abfall
mit 21,5%. Auf Erdgas entfielen 8,8% der Gesamtenergieproduktion.
Die inländische Energieerzeugung hat seit dem Jahr 2000 um 8,2% abgenommen. Demgegenüber hat die aus Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren Energiequellen
gewonnene Energie starke Zuwächse verzeichnet, von 8% der Energieerzeugung im Jahr
2000 auf 28,3% im Jahr 2011. Dies umfasst die Wasserkraft, deren Anteil von 1%
konstant geblieben ist.
Abbildung 4 Energiegewinnung nach Energiequellen, 1973-2011
* Unerheblich.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
NACHFRAGE
© OECD/IEA, 2013
Deutschlands gesamter Endenergieverbrauch (EEV) betrug im Jahr 2011 221 Mio. t RÖE,
was einem Rückgang um 3,9% gegenüber dem Vorjahr und einer Zunahme um 2,1%
gegenüber 2009 entspricht. Der Endenergieverbrauch ist in den vergangenen drei Jahrzehnten leicht zurückgegangen und seit dem Jahr 2000 um 4,5% gesunken. Mineralölerzeugnisse sind die am meisten verbrauchten Brennstoffe, auf die 2011 41,6% des EEV
entfielen, gefolgt von Erdgas und Strom mit 23,2% bzw. 20,3%. Auf Biokraftstoffe,
Wärme und Kohle entfiel ein weniger bedeutender Anteil am Endverbrauch, nämlich
6,2%, 4,5% bzw. 3,7%.
Die Industrie ist der größte Endverbraucher von Energie. Auf sie entfielen 2011 35,6% des
EEV (78,8 Mio. t RÖE), ein Anstieg gegenüber 33,3% während der Rezession im Jahr 2009.
Der Verbrauch der privaten Haushalte belief sich 2011 auf insgesamt 56,1 Mio. t RÖE
(25,4% des Gesamt-Primärenergieaufkommens), wohingegen der Verkehrssektor 54,2 Mio. t
RÖE (24,5%), hauptsächlich Mineralölerzeugnisse, verbrauchte. Der gewerbliche Sektor
und andere Dienstleistungen verbrauchten 32 Mio. t RÖE. Die Bundesregierung rechnet in
ihrer Prognose damit, dass der EEV bis 2030 weiter abnehmen wird und die Anteile der
einzelnen Sektoren stabil bleiben werden.
25
2. Allgemeine Energiepolitik
Abbildung 5 Endenergieverbrauch nach Sektoren, 1973-2011
* Die Rubrik „Sonstige“ umfasst den gewerblichen Sektor, den öffentlichen Sektor, Landwirtschaft, Fischerei und sonstige nicht genannte Sektoren.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
INSTITUTIONEN
Seit der letzten Deutschlandprüfung im Jahr 2007 haben sich die energiepolitischen
Institutionen und Strukturen kaum verändert. In der Energiepolitik ist die Bundesregierung in erster Linie für die Einführung neuer Gesetze zuständig, während den
Ländern die administrative Umsetzung der auf Bundesebene beschlossenen Regelungen
obliegt (allerdings hat auch die Bundesregierung wichtige Verwaltungskompetenzen).
Darüber hinaus sind die Länder über Bund-Länder-Gremien an der Gestaltung des
Energiemanagements beteiligt.
Auf Bundesebene liegt die Hauptverantwortung für die Energiepolitik beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Verantwortlich für das Monitoring
der Versorgungssicherheit im Bereich Elektrizität und Erdgas sowie für die Ölkrisenvorsorge ist das BMWi.
Die Markteinführung erneuerbarer Energieträger und die Forschung in diesem Bereich
liegen in der Verantwortung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU). Das BMU setzt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) um
und ist zuständig für den Energiesektor betreffende Umweltregelungen (z.B. Immissionsund Klimaschutz, Reaktorsicherheit und Strahlenschutz).
Aufgaben im Bereich der Energieeinsparung im Gebäudebereich teilen sich das BMWi
und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS).
Das Bundeskartellamt sowie die Landeskartellbehörden nehmen generelle Aufgaben im
Bereich der Marktbeobachtung sowie des Missbrauchs von Marktmacht im Energie-
26
© OECD/IEA, 2013
Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV)
ist für den Bereich Biomasse verantwortlich. Die Energiebesteuerung fällt in den
Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) bzw. dessen
nachgeordneter Behörden.
2. Allgemeine Energiepolitik
sektor wahr. Dem Bundeskartellamt obliegt die Fusionskontrolle für den Energiesektor
nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Kartellrechtliche Entscheidungen
werden im Bundeskartellamt in einem justizähnlichen Verfahren von Beschlussabteilungen getroffen, deren Zuständigkeiten nach Wirtschaftszweigen, einschließlich des
Energiesektors, abgegrenzt sind. Gegen Entscheidungen des Bundeskartellamts steht der
Zivilgerichtsweg offen.
Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
(BNetzA) mit Sitz in Bonn ist eine separate Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des
BMWi. Die Bundesnetzagentur hat die Aufgabe, durch Liberalisierung und Deregulierung
für die weitere Entwicklung auf dem Elektrizitäts- und Gasmarkt zu sorgen. Präsident und
Vizepräsident der Bundesnetzagentur werden von der Bundesregierung benannt, die sie
aber nicht ihres Amtes entheben kann, außer unter ganz bestimmten Bedingungen und
mit dem Einverständnis des gesamten Kabinetts. Entscheidungen der Beschlusskammern
der Bundesnetzagentur können unter keinen Umständen von der Bundesregierung aufgehoben werden.
Die auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannte Monopolkommission, die sich aus Fachleuten zusammensetzt, begutachtet die Wettbewerbsverhältnisse in
Deutschland und erstellt alle zwei Jahre ein Gutachten zur Entwicklung des Wettbewerbs auf
den Strom- und Gasmärkten.
Für die Genehmigung und Aufsicht über Errichtung, Betrieb sowie Stilllegung und
Demontage von Kernkraftwerken sind die Länder zuständig, die dabei unter Aufsicht des
BMU stehen, das auch ein Weisungsrecht hat. Die Genehmigung von Transporten und
die Zwischenlagerung von Kernbrennstoffen sowie die Errichtung und der Betrieb von
Endlagern für radioaktive Abfälle gehören zu den Aufgaben des Bundesamtes für
Strahlenschutz (BfS), einer Behörde im Geschäftsbereich des BMU. Die Länder haben in
diesen Bereichen eine Aufsichtsfunktion.
Für die Administration des Emissionshandels und die Genehmigung von JI-(Joint Implementation) und CDM-(Clean Development Mechanism)Klimaschutzprojekten im Rahmen der
flexiblen Instrumente des Kyoto-Protokolls ist die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt)
im Umweltbundesamt (UBA) zuständig. Die Immissionsschutzbehörden der Länder sind
zuständig für die Treibhausgas-Emissionsgenehmigungen, da diese in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung integriert sind. Die Länderbehörden sind zudem zuständig für alle
Fragen der Emissionsüberwachung und -berichterstattung.
Als Kompetenzzentrum für Energieeffizienz und erneuerbare Energien wurde die Deutsche
Energie-Agentur (dena) gegründet. Gesellschafter der dena sind zu gleichen Teilen der
Bund und die KfW-Bankengruppe.
Die geowissenschaftliche Beratungsinstitution der Bundesregierung ist die Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Sie gehört zum Geschäftsbereich des BMWi
und berät die Bundesregierung hinsichtlich der regionalen und quantitativen weltweiten
Verfügbarkeit von Energierohstoffen (vor allem Erdöl, Erdgas, Kernbrennstoffe und Kohle).
© OECD/IEA, 2013
Staatliche Behörden mit wichtiger Beratungsfunktion sind auch das Statistische Bundesamt (StBA) und die statistischen Landesämter, die Aufgaben nach dem Energiestatistikgesetz wahrnehmen.
Die Mineralölstatistik wird vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)
geführt.
27
2. Allgemeine Energiepolitik
Ebenfalls im Bereich Statistik tätig ist die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB),
die von Verbänden der Energiewirtschaft und wissenschaftlichen Instituten gebildet und
vom StBA begleitet wird. Sie erstellt im Auftrag des BMWi die nationale Energiebilanz für
Deutschland.
WICHTIGSTE POLITIKMASSNAHMEN
INTEGRIERTES ENERGIE- UND KLIMAPROGRAMM VOM AUGUST 2007
Die Bundesregierung verabschiedete im August 2007 ein 29 Einzelmaßnahmen in den
Bereichen Energie und Klima umfassendes integriertes Energie- und Klimaprogramm.
Das Programm unterstrich die Ziele der damaligen Bundesregierung auf dem Gebiet der
Energie- und Klimapolitik, z.B. die Reduzierung der deutschen Treibhausgasemissionen
um 40% gegenüber 1990 als Beitrag zur globalen Emissionsminderung oder die
Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf mindestens
30% bis 2020. Es handelte sich um ein wichtiges Maßnahmenpaket, ohne jedoch einen
langfristigen Entwicklungspfad bis 2050 aufzuzeichnen.
DAS ENERGIEKONZEPT VON 2010
Deutschland hat die grundlegende Entscheidung getroffen, dass es langfristig den Großteil
seiner Energieversorgung aus erneuerbaren Energieträgern decken will. Dementsprechend
verabschiedete die Bundesregierung im September 2010 ein umfassendes neues
Energiekonzept, in dem ihr Kurs für den Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien
festgelegt wurde. Damit erließ die Bundesregierung Leitlinien für die Sicherung einer
umweltverträglichen, verlässlichen und erschwinglichen Energieversorgung, und ihr Ziel ist
die Umsetzung einer langfristigen, integrierten Strategie bis zum Jahr 2050.
Die Ziele, Ansätze und Instrumente des Energiekonzepts der Bundesregierung vom
September 2010 sind umfassender und weitreichender als diejenigen des Integrierten
Energie- und Klimaprogramms. Das Energiekonzept ist Deutschlands Fahrplan für die
Umsetzung einer langfristigen Strategie zur Schaffung eines umweltverträglichen,
verlässlichen und erschwinglichen Energieversorgungssystems bis 2050. Im Zuge des
Umbaus sollen die Energieeffizienz erhöht, die erneuerbaren Energien ausgebaut und
die Treibhausgasemissionen verringert werden; auch der schrittweise Ausstieg aus der
Kernenergie bis Ende 2022 ist Teil des Konzepts.
In dem Energiekonzept sind mehrere energiepolitische Ziele zusammengefasst: Versorgungssicherheit und Klimaschutz einerseits, aber zugleich auch die Förderung des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Ziel ist es, Deutschland im
Bereich der Energieeffizienz und des Umweltschutzes weltweit führend zu machen und
gleichzeitig konkurrenzfähige Energiepreise und einen hohen Wohlstand zu sichern.
Ambitionierter Klimaschutz steht auch im Energiekonzept im Mittelpunkt: Die wichtigsten
Ziele sind eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 40% bis 2020, um 55% bis
2030, um 70% bis 2040 und um 80-95% bis 2050, jeweils gegenüber 1990. Diese Ziele
sollen starke Signale aussenden, um Investitionen in Innovationen und den technischen
Fortschritt zu fördern.
28
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Deutschland bei wettbewerbsfähigen
Energiepreisen und hohem Wohlstandsniveau zu einer der energieeffizientesten und
umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt zu machen. Sie vertritt die Ansicht,
dass die Ziele des Energiekonzepts ehrgeizig, aber erreichbar sind.
2. Allgemeine Energiepolitik
Das Paket ist umfassend und enthält Politikmaßnahmen für den Strom-, Wärme- und
Verkehrssektor mit Zwischenzielen für 2020, 2030 und 2040. Umfangreiche Politikmaßnahmen wie der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz
sowie der Ausbau der Stromnetze sind im Energiekonzept ausgeführt. Es beruht auf
Szenarien, die von unabhängigen Instituten errechnet wurden, und in Studien, die dem
Konzept zu Grunde liegen, wird dargelegt, wie sich die energie- und klimapolitischen
Ziele am effizientesten erreichen lassen.
Das Energiekonzept enthält eine breite Palette konkreter Maßnahmen zur Erreichung
dieser Ziele. Zusätzlich gibt es ein aus zehn besonders dringenden Maßnahmen bestehendes Sofortprogramm. Im Zentrum dieses Sofortprogramms stehen insbesondere der
Ausbau der Offshore-Windkraft und der Ausbau bzw. die Nachrüstung der Stromnetze.
Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, ab 2013 alle drei Jahre ein Monitoring durchzuführen, um den Stand der Umsetzung des Energiekonzepts zu prüfen. Darüber hinaus
umfasst das Energiekonzept einen soliden Plan für die langfristige Finanzierung der
notwendigen Maßnahmen. Zu diesem Zweck errichtete die Bundesregierung ein
Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“.
Tabelle 1 Im Energiekonzept/Energiepaket enthaltene Ziele
2012
2020
2030
2040
2050
Minderung der Treibhausgasemissionen (Basisjahr: 1990)
-27%
-40%
-55%
-70%
-80%
Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamt-Endenergieverbrauch
10%
18%
30%
45%
60%
Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch
20%
35%
50%
65%
80%
Minderung des Primärenergieverbrauchs (Basisjahr: 2008)
-5%
-20%
-50%
Minderung des Stromverbrauchs (Basisjahr: 2008)
-1%
-10%
-25%
-10%
-40%
Minderung des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor (Basisjahr: 2008)
Quelle: BMWi.
DAS ENERGIEPAKET VON 2011
© OECD/IEA, 2013
Im Anschluss an den Reaktorunfall von Fukushima Daiichi im März 2011 begann die
Bundesregierung, die langfristige Rolle der Kernenergie neu zu bewerten. Die von der
Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) und der Ethikkommission erstellten Analysen
stützten die Entscheidung über den schrittweisen Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie in Deutschland, der spätestens Ende 2022 abgeschlossen sein soll.
Die RSK stellte fest, dass die deutschen Kernkraftwerke sehr robuste Anlagen sind, und
die Ethikkommission gelangte zu dem Ergebnis, dass die Realität eines Reaktorunfalls
erhebliche Auswirkungen auf die Bewertung der Risiken der Kernenergienutzung hat und
die Möglichkeit, dass sich ein solcher Unfall als nicht beherrschbar erweisen könnte, im
nationalen Rahmen Deutschlands von zentraler Bedeutung ist. Nach Abwägung der
Ergebnisse der beiden Kommissionen beschloss die Bundesregierung, so bald wie
möglich schrittweise aus der Nutzung der Kernkraft für die kommerzielle Stromerzeugung
auszusteigen. Zu diesem Zweck verabschiedete der Bundestag am 30. Juni 2011 das
Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes. Das Gesetz trat am 6. August 2011 in
Kraft.
29
2. Allgemeine Energiepolitik
Um rascher aus der Kernkraft auszusteigen, musste der Prozess der Neuorganisation der
deutschen Stromversorgung auf einem grundlegenden Niveau – ein Prozess, der mit
dem Energiekonzept bereits begonnen hatte – jedoch wesentlich beschleunigt werden
(Energiewende). Zu diesem Zweck verabschiedeten das Bundeskabinett, der Bundestag
und der Bundesrat im Juni und Juli 2011 ein umfassendes Gesetzespaket (Energiepaket).
Das Energiepaket setzt sich aus sieben Gesetzen und einer Verordnung zusammen, z.B.
zum Ausbau der erneuerbaren Energien und des Stromnetzes, zur Energieeffizienz und
zur Finanzierung der Reformen. Das Energiepaket stellte einen zweiten bedeutenden Schritt
der Bundesregierung in Richtung der Umstrukturierung der Energieversorgung dar.
Ein wichtiges Ziel des Gesetzespakets bestand darin, sicherzustellen, dass der Atomausstieg so rasch wie möglich und auf unumkehrbare und geordnete Art und Weise
erfolgen würde, wobei die acht ältesten Kernkraftwerke nicht wieder an das Stromnetz
angeschlossen wurden. Die Entschädigungskosten sind vom Bund zu tragen. Sofern
Reservekapazitäten benötigt werden, werden diese durch konventionelle Kraftwerke
bereitgestellt. Kurz darauf folgte der Bundesrat dem Votum des Bundestags und billigte
die Energiegesetze. Die folgenden wichtigsten Elemente des im Juli 2011 verabschiedeten Energiepakets von 2011 beruhen auf dem Energiekonzept von 2010:








Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG): Beschleunigung des
Planfeststellungverfahrens;
Energiewirtschaftsgesetz (EnWG): Umsetzung der Dritten Richtlinie über den
Binnenmarkt;
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): kosteneffizienter Ausbau der erneuerbaren
Energien;
Atomgesetz: Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke bis 2022;
Energie- und Klimafondsgesetz;
Gesetz zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden;
Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an
Wohngebäuden;
Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge.
Die Bundesregierung wird die Umsetzung des Maßnahmenprogramms jährlich auf der
Basis eines robusten Monitoringsystems überprüfen. In einem Fortschrittsbericht
werden die Umsetzung der Maßnahmen und der absehbare Kurs für die Erreichung der
Ziele des Energiekonzepts nach drei Jahren geprüft werden. Das Monitoring wird auch
durch eine aus vier Fachleuten gebildete unabhängige Kommission unterstützt werden,
die den Bericht der Bundesregierung untersuchen und kommentieren wird.
Im Dezember 2012 stellten der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesumweltminister den ersten Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ für das Berichtsjahr 2011
vor. In dem Bericht wird bestätigt, dass die Energiewende Fortschritte macht, sich
jedoch auch vielen Herausforderungen gegenübersieht.
Deutschland war eines der ersten IEA-Mitgliedsländer, das erfolgreich eine ökologische
Steuerreform umgesetzt hat. Die Reform begann im April 1999 mit der Verabschiedung
des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999, mit dem
eine schrittweise Anhebung der Steuern auf fossile Energieträger eingeleitet und eine
30
© OECD/IEA, 2013
BESTEUERUNG
2. Allgemeine Energiepolitik
Steuer auf den Stromverbrauch eingeführt wurde. Mit dieser Steuerreform wurden zwei
Ziele verfolgt: Zum einen sollten die Kohlendioxid-(CO2-)Emissionen gesenkt und zum
anderen die Arbeitsplatzschaffung angekurbelt und Innovation gefördert werden.
Das Gesetz sorgte für eine Anhebung der Steuersätze in vier weiteren Schritten zwischen
dem 1. Januar 2000 und dem 1. Januar 2003, seitdem sind die Steuersätze jedoch
unverändert geblieben. Ein entscheidendes Merkmal der ökologischen Steuerreform war
die Verwendung eines großen Teils der mit ihr erzielten Einnahmen – bis zu 90% – zur
Finanzierung einer Senkung der Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitgeber und
Arbeitnehmer; der Rest war hauptsächlich für die Förderung der erneuerbaren Energien
vorgesehen. Ein ergänzendes Merkmal war die Schaffung von Sonderregelungen für
energieintensive Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, die dem internationalen
Wettbewerb ausgesetzt sind. Die derzeitigen Regelsteuersätze für die wichtigsten Energieerzeugnisse sind:
Die ökologische Steuerreform hat zur Verringerung des Energieverbrauchs und der
Treibhausgasemissionen beigetragen, insbesondere im Verkehrssektor, wo die
Emissionen trotz eines stärkeren Straßenverkehrsaufkommens deutlich gesunken sind.
Zwischen 2000 und 2010 ist das per LKW transportierte Gütervolumen in Deutschland
um fast 12% gestiegen, während die Zahl der Personenkilometer um 7% zugenommen
hat 3. Die Umweltsteuern im Verkehrssektor (Mineralölsteuer und sonstige Abgaben)
beliefen sich im Verhältnis zur Gesamtbesteuerung 2010 auf 4%, gegenüber 5,2% im Jahr
2005. Um einen zusätzlichen Anreiz zur Steigerung der Energieeffizienz zu schaffen,
gewährt die Bundesregierung den Spitzenausgleich bei der Energie- und der Stromsteuer
ab 2013 nur noch, wenn die Industrie als Ganzes Energieeffizienzziele erreicht und die
Unternehmen Energiemanagementsysteme oder vergleichbare Maßnahmen einführen.
Dennoch weist der Mechanismus trotz der Vorteile der Umweltsteuern inhärente
Schwächen auf, die deren Wirkungspotenzial verringert haben. Die Anwendung der Steuern
wirkt gelegentlich willkürlich; es besteht keine Korrelation zwischen dem Emissionsniveau
und der Höhe der erhobenen Steuern. Außerdem wird Dieselkraftstoff weniger hoch
besteuert als Benzin, obwohl er einen höheren CO2-Gehalt als Benzin aufweist und
Dieselfahrzeuge höhere Mengen an Stickoxiden und Feinstaub freisetzen als vergleichbare
Fahrzeuge mit Ottomotor. Ein weiteres Problem ist, dass die Sätze seit 2003 unverändert
geblieben sind, auch wenn es 2011 zu gewissen Änderungen gekommen ist.
ENERGIEVERSORGUNGSSICHERHEIT
ERDÖL UND ERDGAS
Deutschland fördert wenig Erdöl und Erdgas im Inland und ist stark von Importen abhängig. Das Land besitzt eine gut diversifizierte und flexible Ölversorgungsinfrastruktur in
Form von Rohölpipelines und Produktenleitungen sowie Einfuhrterminals für Rohöl und
Mineralölerzeugnisse. Erdöl ist weiterhin die wichtigste Energiequelle in Deutschland,
obgleich seine Bedeutung seit Anfang der 1970er Jahre merklich zurückgegangen ist. Es
macht heute rd. 33% am Gesamt-Primärenergieaufkommen in Deutschland aus.
© OECD/IEA, 2013
Die Erdölvorräte liegen generell weit über der von der IEA geforderten Reichweite von
90 Tagen. Im April 2012 entsprachen die gesamten Ölbestände in Deutschland den Nettoeinfuhren für 140 Tage. Der Erdölbevorratungsverband (EBV) ist seit 1998 für die Erfüllung
3. EU Transport in Figures; Statistical Pocketbook 2012, Europäische Union, 2012.
31
2. Allgemeine Energiepolitik
der für IEA-Mitglieder geltenden 90-Tage-Bevorratungspflicht verantwortlich. Das Erdölbevorratungsgesetz bestimmt, dass der EBV ständig Vorräte an Erdöl und Erdölerzeugnissen in der Höhe zu halten hat, die mindestens den Nettoeinfuhren für 90 Tage
entspricht. Für die Wirtschaft gilt keine Mindestbevorratungspflicht, so dass die kommerziellen Vorräte der Wirtschaft zusätzlich zu den EBV-Vorräten gehalten werden.
Erdgas wird ausschließlich über eine Reihe grenzüberschreitender Pipelines nach Deutschland importiert. Die Bundesrepublik verfügt über keine Flüssigerdgas-(LNG-)Infrastruktur,
auch wenn einige deutsche Unternehmen Kapazitäten in ausländischen LNG-Terminals
gebucht haben. Den deutschen Behörden stehen mehrere Rechtsinstrumente für
Sofortmaßnahmen im Falle einer Erdgasversorgungskrise zur Verfügung. Hierzu zählen
Gesetze, auf deren Grundlage die Abgabe, der Bezug oder die Verwendung der Güter
mengenmäßig oder zeitlich beschränkt bzw. nur für bestimmte vordringliche Zwecke
erlaubt werden können, um den lebenswichtigen Bedarf an Energie zu sichern.
Deutschland unterhält die größten Speichervorrichtungen für Erdgas in Westeuropa.
Deutschland verfügt über 47 Erdgasspeicher mit einer Gesamtkapazität von 20,9 Mrd. m³.
Deutsche Unternehmen haben darüber hinaus Zugang zu einem Erdgasspeicher im österreichischen Haidach mit einer Kapazität von 2,6 Mrd. m³. Es gibt in Deutschland keine
Verpflichtung zur Bevorratung von Erdgas und keine staatseigenen Speicher. Die Betreiber
von Gasspeichern müssen anderen Unternehmen zu fairen Marktpreisen Zugang zu ihren
Speicherkapazitäten und -dienstleistungen gewähren.
STROM
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sind die vier Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) berechtigt und verpflichtet, die Gefährdung oder Störung des Elektrizitätsversorgungssystems durch netzbezogene und marktbezogene Maßnahmen zu
beseitigen 4. Soweit sie für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgung
in ihrem Netz verantwortlich sind, sind die Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen
(VNB) gemäß Art. 14 Abs. 1 EnWG ebenfalls berechtigt und verpflichtet, entsprechende
Maßnahmen umzusetzen 5.
4. Ampiron GmbH, TenneT GmbH, TransnetBW GmbH und 50Hertz Transmission.
5. Monitoringbericht 2011, Monitoringbericht gemäß § 63 Abs. 4 und Abs. 5 EnWG i.V.m. § 35 EnWG, Bundesnetzagentur,
2012.
32
© OECD/IEA, 2013
Durch die Stilllegung von 8,4 GW Kernkraftwerkskapazitäten im Jahr 2011 hat sich
Deutschlands Stromerzeugungskapazität auf rd. 174,4 GW verringert, und weitere 12 GW
Kernkraftwerkskapazitäten werden bis 2022 vom Netz gehen. Dieser Kapazitätsrückgang
wird durch fossile Kraftwerkskapazitäten ausgeglichen werden, die im selben Zeitraum
gebaut werden dürften, zusammen mit dem beträchtlichen Wachstum des Stromangebots aus erneuerbaren Energiequellen, was den Schluss nahelegt, dass das Stromversorgungssystem während des kommenden Jahrzehnts relativ sicher sein wird. Dies dürfte
jedoch kaum der Fall sein, da auch zahlreiche Unsicherheitsfaktoren berücksichtigt
werden müssen, z.B. die Veränderungen im Hinblick auf die Stromnachfrage sowie das
Tempo des Netzausbaus. Die Bundesnetzagentur hat drei Berichte über die Auswirkungen der Stilllegung von Kernkraftkapazitäten auf die Übertragungsnetze und die
Versorgungssicherheit erstellt. Im Allgemeinen haben diese Berichte gezeigt, dass die
gegenwärtige Netzsituation zwar beherrschbar ist, jedoch zunehmend häufiger Eingriffe
seitens der Übertragungsnetzbetreiber in den Netzbetrieb erforderlich macht. Dennoch
2. Allgemeine Energiepolitik
ist die Netzinfrastruktur im Stromsektor stabil und sicher. Im Fall einer Gefährdung oder
Störung des Elektrizitätsversorgungsnetzes sind die ÜNB berechtigt und verpflichtet, die
damit zusammenhängenden Probleme durch netzbezogene und marktbezogene Maßnahmen zu beseitigen.
Um etwaigen kurzfristig auftretenden Problemen infolge des Kernenergieausstiegs
entgegenzuwirken, haben die ÜNB 2 GW Reserveleistung sowie den Kernkraftwerksblock
Biblis A für den Phasenschieberbetrieb kontrahiert, um die Netzstabilität zu sichern. Die
Bundesnetzagentur hat auch mit einer kontinuierlichen Beobachtung der Entwicklungen
der Stromerzeugungskapazitäten begonnen und empfohlen, dass bestimmte Übertragungsleitungen dringend in Betrieb genommen werden sollten.
BEWERTUNG
Deutschland ist die größte Volkswirtschaft unter den europäischen IEA-Ländern und hat
die weltweite Wirtschaftskrise besser als die meisten verkraftet. Die Wirtschaft der Bundesrepublik ist in einer robusten Verfassung und wird mittelfristig voraussichtlich weiter
wachsen, was großenteils auf die Inlandsnachfrage und das dynamische Verarbeitende
Gewerbe zurückzuführen ist. In den vergangenen zwanzig Jahren hat Deutschland bei
der Reduzierung der CO2- und Energieintensität seiner Wirtschaft erhebliche Fortschritte
erzielt. Das Land hat die Treibhausgasemissionen in den 2000er Jahren vom Wirtschaftswachstum entkoppelt, und die inländischen Treibhausgasemissionen sind stärker
zurückgegangen, als es zur Erreichung der Kyoto-Zielvorgabe notwendig war. Energieeffizienzsteigerungen und die rasche Entwicklung erneuerbarer Energieträger zählten zu
den wichtigsten Faktoren für diesen Rückgang. Der deutsche Energie- und Strommix ist
hingegen nach wie vor stark von fossilen Brennstoffen abhängig, insbesondere von Erdöl
und von der im Inland geförderten Braunkohle.
Der Eckpfeiler der deutschen Energiepolitik ist die Energiewende, die maßgeblich auf
dem Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 und dem Energiepaket von 2011 beruht. Das Energiekonzept wurde im September 2010 eingeführt, als die Bundesregierung
die deutsche Energiepolitik bis 2050 festlegte und über eine Reihe konkreter Maßnahmen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Stromnetze und zur Steigerung
der Energieeffizienz entschied. Diese Strategie baute auf dem Erfolg früherer Politikmaßnahmen auf und trug der Entscheidung Rechnung, bis 2036 aus der Kernkraft auszusteigen.
Nach dem Reaktorunfall von Fukushima Daiichi im März 2011 bewertete die Bundesregierung das Restrisiko der Kernkraft neu und traf den Entschluss, deutlich rascher als
im September 2010 ursprünglich signalisiert aus der Kernkraft auszusteigen; diese
Entscheidung trug den Empfehlungen der Ethikkommission und der Reaktor-Sicherheitskommission Rechnung. In einer Novelle des Atomgesetzes wurde ein klarer und
verbindlicher Stufenplan für den Atomausstieg festgelegt, und das letzte Kernkraftwerk
soll spätestens Ende 2022 stillgelegt werden, wobei acht Kernkraftwerke bereits
abgeschaltet wurden.
© OECD/IEA, 2013
Auf Grund dieser letztgenannten Entscheidung, dem beschleunigten Ausstieg aus der
Kernkraft, steht Deutschland vor einer enormen Herausforderung: 2010 erzeugte die
Kernkraft 22,6% des deutschen Strombedarfs; auf sie entfielen 13% der Stromerzeugungskapazitäten der Bundesrepublik.
Im Mittelpunkt des Energiepakets von 2011 stehen fünf große Handlungsbereiche: die
Modernisierung der Stromnetzinfrastruktur, die Flexibilisierung des Elektrizitätsversor-
33
2. Allgemeine Energiepolitik
gungssystems, der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Verbesserung der Energieeffizienz und die Steigerung der Investitionen in Forschung und Entwicklung, insbesondere im Bereich der Speichertechnologien. Das Energiepaket stellte einen zweiten wichtigen Schritt seitens der Bundesregierung zur Umstrukturierung der Energieversorgung
dar, der durch ein umfangreiches neues Investitionsprogramm im Bereich der energiebezogenen Forschung und Entwicklung ergänzt wurde. Ein herausragendes Merkmal der
Umsetzung der Energiewende ist das regelmäßige Monitoring durch eine unabhängige
Expertenkommission, die der Bundesregierung ihre Ergebnisse berichtet.
Mit der jüngsten umfassenden Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (als EEG 2012
bezeichnet), die am 1. Januar 2012 in Kraft trat, wurden die im Energiekonzept festgelegten
Ziele rechtsverbindlich: Spätestens bis zum Jahr 2020 soll der Anteil erneuerbarer Energien
an der Stromversorgung auf mindestens 35% des deutschen Stromaufkommens, bis
2040 auf 65% und bis 2050 auf 80% erhöht werden und sollen die entsprechenden
Strommengen in das Elektrizitätsversorgungsnetz integriert werden. Der Ausbau der
Übertragungs- und Verteilungsnetze wird in Deutschland als wichtigstes Instrument des
Umbaus der Energieversorgung weg von der Kernenergie hin zu mehr erneuerbaren
Energien betrachtet. Es sind zwar bedeutende Investitionen in die Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien erfolgt, diese müssen jedoch durch rechtzeitige
umfangreiche Investitionen in die Übertragungs- und Verteilungsnetze ergänzt werden.
Der Netzentwicklungsplan Strom 2012 (NEP Strom 2012), der im November 2012 durch
die Bundesnetzagentur genehmigt wurde, enthält Vorhaben zur Verstärkung von etwa
2 900 km alten Stromtrassen und zum Bau von 2 800 km neuen Stromtrassen. Die
Schätzungen gehen zwar auseinander, es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich die
Kosten dieser Arbeiten zwischen 20 Mrd. und 30 Mrd. Euro bewegen werden.
Da der Großteil der Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien an die
Verteilungsnetze und nicht an die Übertragungsnetze angeschlossen ist, bedarf es auch
erheblicher Investitionen in Deutschlands 870 Verteilungsnetze. Auch hier liefern die
Schätzungen der Größenordnung der Investitionen und erforderlichen Arbeiten
unterschiedliche Ergebnisse, in einer von der Deutschen Energie-Agentur (dena)
veröffentlichten Studie wird allerdings davon ausgegangen, dass ein Netzausbau im
Umfang von 135 000-193 000 km erforderlich ist, während der Netzumbaubedarf rd.
21 000-25 000 km beträgt. Den für die Studie erstellten Schätzungen zufolge werden für
diesen Netzausbau Anlageinvestitionen in Höhe von 27,5-42,5 Mrd. Euro erforderlich
sein.
Darüber hinaus bedarf es einer stärkeren Kooperation zwischen den Ländern sowie
zwischen den Ländern und dem Bund, um die Energiewende möglich zu machen. Zu
begrüßen ist daher das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG), das verabschiedet
wurde, um den Netzausbau zu erleichtern, der den Norden des Landes mit den großen
34
© OECD/IEA, 2013
Bis jetzt ist Deutschlands Bilanz beim Bau neuer Netzinfrastrukturen durchwachsen, und
die Planungs- und Genehmigungsverfahren wirken als Hemmschuh. Laut dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ist für die großen Stromübertragungs- und Gasleitungsnetze
ein verbindlicher und koordinierter Netzentwicklungsplan gemeinsam von den ÜNB zu
erstellen (zehnjährige Netzentwicklungspläne). Der Netzentwicklungsplan ist der
Bundesnetzagentur spätestens am 3. März jedes Jahres (2012 war eine Ausnahme) vorzulegen, und der Plan wird zwecks Konsultation der Öffentlichkeit publiziert. Die
Einführung der gemeinsamen zehnjährigen Netzentwicklungspläne ist ein notwendiger
und begrüßenswerter Schritt, ebenso wie die Maßnahmen zur Überwachung der
Umsetzung, es sind jedoch noch Hindernisse zu überwinden.
2. Allgemeine Energiepolitik
Verbrauchszentren im Süden verbinden wird. Das Gesetz enthält Bestimmungen über
das Planfeststellungs- und -genehmigungsverfahren für überregionale Übertragungsleitungen, das unter bestimmten Bedingungen von der Bundesnetzagentur durchgeführt
werden kann. Damit wird sichergestellt, dass das Genehmigungsverfahren einer einzigen verantwortlichen Stelle obliegt und auf harmonisierten Regelungen beruht. Ein
begrüßenswertes Element dieser Maßnahme ist die umfassende und zeitnahe
Mitwirkung der Öffentlichkeit sowie von Akteuren aus der Wirtschaft.
Bislang wurden zahlreiche Netzausbauprojekte an den Ländergrenzen verzögert oder gestoppt. Das NABEG soll das Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen, indem
es die Durchführung einer Bundesfachplanung vorschreibt, bei der die Trassenkorridore
ausgewiesen werden, die für die anschließenden Planfeststellungsverfahren verbindlich sind.
Derzeit fallen die Verfahren für die einzelnen Stromleitungsvorhaben in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Landesbehörden. Dies kann zu Verzögerungen führen, wenn zwei
oder mehrere Länder betroffen sind; das NABEG ermöglicht es, die entsprechenden
Befugnisse an die Bundesnetzagentur zu übertragen, wodurch das Genehmigungsverfahren
ohne Beeinträchtigung seiner Integrität beschleunigt werden könnte.
Es sollte über weitere Umsetzungsmaßnahmen nachgedacht werden, die darauf abzielen,
Transparenz und öffentliche Beteiligung im Entscheidungsprozess über den Netzausbau zu
erhöhen. Das Netzausbaubeschleunigungsgesetz bietet hier einen Lösungsansatz, ebenso
wie die Bestellung der Bundesnetzagentur als zentral zuständige Stelle für Projekte von
nationalem Interesse. Die Ausarbeitung des ersten gemeinsamen Netzentwicklungsplans
der vier ÜNB ist ein begrüßenswerter Schritt in diese Richtung. Desgleichen muss in
Anbetracht der Expansion der fluktuierenden erneuerbaren Energien über Investitionen in
Stromspeicherkapazitäten und eine Verbesserung der Energieeffizienz bei der Stromübertragung und -verteilung nachgedacht werden. Darüber hinaus bedarf es eines stabilen
Regulierungsrahmens, um sicherzustellen, dass die Netzbetreiber über langfristige
Finanzierungsmöglichkeiten verfügen. Die im März 2011 erfolgte Ankündigung der
Einrichtung der Plattform „Zukunftsfähige Netze“, die von der Geschäftsstelle der
Netzplattform im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie unterstützt wird und
wo die wichtigsten Interessenvertreter für den Netzausbau an einen Tisch gebracht
werden, ist ein weiterer begrüßenswerter Schritt.
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesnetzagentur ist mit der Aufgabe betraut worden, den Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten kontinuierlich zu überwachen, und sie ist der Auffassung, dass gegenwärtig zwar kein Bedarf an einem Kapazitätsmechanismus herrscht, jedoch eine Reihe
anderer Maßnahmen zur Sicherung des Systems erforderlich ist. Alternative Politikmaßnahmen, die ebenfalls einen Beitrag zur Bewältigung mancher Probleme leisten können,
sind z.B. die Schaffung eines verlässlichen und vorhersehbaren Politikumfelds, die Förderung
nachfrageseitiger Maßnahmen, die Erleichterung des Marktzutritts und die Schaffung
standort-bezogener Anreize. Dies scheint ein sinnvoller Ansatz zu sein, der kurzfristig
weiterverfolgt werden sollte.
Die Förderung der Energieeffizienz im Industriesektor sowie im Gebäudebereich ist eine
wichtige Priorität der deutschen Energiepolitik. Dem Energiekonzept zufolge kann die
deutsche Industrie durch Investitionen in Energieeffizienz jährlich bis zu 10 Mrd. Euro
einsparen. Gleichzeitig lancierte die Bundesregierung eine Reihe von Initiativen zur
Minderung der Emissionen des Gebäudesektors, z.B. durch die Förderung von Heizungsanlagen auf der Grundlage erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden. Für 2020 und 2050 sind Zielvorgaben festgelegt worden, und es
wäre wünschenswert, die wissenschaftliche und empirische Grundlage für die Aus-
35
2. Allgemeine Energiepolitik
schöpfung des Effizienzpotenzials zu vervollständigen. Dieser Prozess kann durch
Monitoring und Evaluierung noch weiter gestärkt werden.
Im Bereich der energiebezogenen Forschung und Entwicklung (FuE), der seitens des Staates
bereits stark gefördert wird, werden derzeit beträchtliche Anstrengungen unternommen. Die
Politikkoordinierung – zwischen verschiedenen staatlichen Institutionen (Ministerien,
Behörden) oder Verwaltungsebenen (Bund, Länder, Gemeinden) – ist wichtig, um parallel
zum Aufbau der notwendigen Infrastruktur die Kohärenz der durch ein Paket von Politikinstrumenten geschaffenen Anreize sicherzustellen. Der Aufbau einer Plattform zur
Koordinierung der Forschungspolitik ist ein begrüßenswerter Schritt. Die Herausforderungen,
denen sich Deutschland gegenübersieht, sind von einer solchen Größenordnung, dass das
Land das hohe Förderniveau für FuE langfristig aufrechterhalten muss.
Ganz allgemein sind effektive Monitoringinstrumente erforderlich, um die Fortschritte
systematisch zu analysieren, die hinsichtlich der Verwirklichung der ehrgeizigen Ziele
erreicht wurden, die Deutschland sich in Bezug auf den tiefgreifenden Umbau seiner
Energiepolitik gesetzt hat. In dieser Hinsicht ist die Einrichtung des Monitoringprozesses
und der Monitoringkommission für die Energiepolitik eine begrüßenswerte Maßnahme.
Das Monitoring könnte durch die Intensivierung der Kontakte mit Vertretern der
Wirtschaft und der kleinen Energieverbraucher weiter gestärkt werden, wodurch denjenigen, die die Kosten des Umbaus tragen, eine organisierte Stimme gegeben würde.
Deutschland ist ein wichtiger Teil des europäischen Energiesystems. Seine energiepolitischen Entscheidungen werden mittelfristig wahrscheinlich zum Im- und Export
größerer Stromvolumen in die Nachbarländer bzw. aus diesen führen, als andernfalls der
Fall gewesen wäre. Um die Optimierung der Stromversorgungssicherheit zu gewährleisten, muss Deutschland die strukturelle Zusammenarbeit auf regionaler Ebene und im
Rahmen der bestehenden europäischen Mechanismen stärken, um die Versorgungssicherheit insbesondere im Falle extremer Witterungsbedingungen bzw. in Zeiten länger
andauernder hoher Nachfrage zu vertretbaren Kosten zu verbessern.
36
© OECD/IEA, 2013
Die Gestaltung der Energiepolitik, und damit auch die Politikumsetzung, ist in Deutschland
auf Grund der Kompetenzenteilung innerhalb der Bundesregierung sowie zwischen dem
Bund und den 16 Ländern etwas kompliziert. Die Hauptverantwortung für die Energiepolitik liegt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), zu dessen
Geschäftsbereich eine Reihe von Behörden, z.B. die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt, gehört. Andererseits liegt die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien, die
Klimapolitik, die Energieeffizienz und die Reaktorsicherheit beim Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), zu dessen Geschäftsbereich das
Umweltbundesamt gehört. Die unabhängige Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) und die
Strahlenschutzkommission (SSK) berichten ebenfalls dem BMU. Darüber hinaus obliegt die
Einführung von Gesetzen zwar primär der Bundesregierung, die Länder sind jedoch für ihre
administrative Umsetzung verantwortlich und sind über Bund-Länder-Gremien an der
Gestaltung der Energiepolitik sowie der Regulierung der Energieversorgungsunternehmen
vor Ort beteiligt. Damit die ehrgeizigen energiepolitischen Vorgaben und Ziele
Deutschlands erreicht werden können, müssen die Politikverantwortlichen sehr eng
zusammenarbeiten, um die enormen Herausforderungen der Umsetzung der notwendigen
Veränderungen in der Energiepolitik erfolgreich zu bewältigen.
2. Allgemeine Energiepolitik
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 Maßnahmen ergreifen, um die Koordinierung zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesumweltministerium in energiepolitischen Angelegenheiten zu maximieren, und dies durch Maßnahmen ergänzen, an denen die Länder
und die beiden Ministerien beteiligt sind, um die effektive Verwirklichung der
langfristigen Ziele Deutschlands zu gewährleisten;
 sicherstellen, dass effiziente und straffe Planfeststellungs- und -genehmigungsverfahren
für die grundlegende Energieinfrastruktur eingerichtet und durch regulatorische
Maßnahmen ergänzt werden, mit denen die Kosteneffizienz der neuen Netzinfrastruktur gesichert wird;
© OECD/IEA, 2013
 die regionale Zusammenarbeit stärken, um einen strukturierten Austausch von
Informationen, Daten, Zielen und Plänen sicherzustellen, damit die Sicherheit der
Stromversorgung sowie die Akzeptanz erhöhter Schwankungen der Stromerzeugungskapazitäten verbessert wird. Diese Zusammenarbeit sollte auch auf Erdgas
ausgedehnt werden.
37
3. Energieeffizienz
3. ENERGIEEFFIZIENZ
Eckdaten (2011)
Pro-Kopf-Energieaufkommen: 3,8 t RÖE (IEA-Durchschnitt: 4,6 t RÖE), -6,9% seit 2000
Energieintensität: 0,11 t RÖE pro 1 000 US-$ KKP (IEA-Durchschnitt: 0,14 t RÖE pro
1 000 US-$ KKP), -18,4% seit 2000
Gesamt-Endenergieverbrauch: 221 Mio. t RÖE (Erdöl 41,6%, Erdgas 23,2%, Strom 20,3%,
Biokraftstoffe und Abfälle 6,2%, Heizenergie 4,5%, Kohle 3,7%, Geothermie 0,3%, Solarenergie 0,2%)
Verbrauch nach Sektoren: Industrie einschließlich nichtenergetischer Verbrauch 35,6%,
Wohngebäude 25,4%, Verkehr 24,5%, gewerbliche und sonstige Dienstleistungen 14,5%
ÜBERBLICK
Energieeffizienz spielt im Energiekonzept 2010 eine wichtige Rolle. Eines der Ziele
besteht darin, Deutschland in eine der energieeffizientesten und umweltfreundlichsten
Volkswirtschaften der Welt zu verwandeln und gleichzeitig bezahlbare Energiepreise
sowie ein hohes Wohlstandsniveau zu sichern.
ENDENERGIEVERBRAUCH
© OECD/IEA, 2013
ENDENERGIEVERBRAUCH NACH SEKTOREN
Der Gesamt-Endenergieverbrauch (EEV) hat sich in den letzten dreißig Jahren kaum
verändert und schwankte zwischen 215 und 250 Mio. t RÖE. 2011 betrug der Verbrauch
221 Mio. t RÖE, wobei auf den Industriesektor 35,6% entfielen. Auf Wohngebäude und den
Verkehrssektor entfielen 2011 25,4% bzw. 24,5%, während der Anteil der gewerblichen und
sonstigen Dienstleistungen am EEV bei 14,5% lag.
Der Anteil der Industrie am deutschen EEV liegt im Vergleich zu anderen IEA-Mitgliedstaaten im mittleren Bereich, und dasselbe gilt für den Verkehrssektor. Auf die privaten
Haushalte entfällt jedoch ein hoher Anteil – 2011 war es der neuntgrößte Anteil unter
den IEA-Mitgliedsländern. Der EEV im Industriesektor ist seit 2000 um 3,1% gestiegen,
während die Nutzung im Verkehrssektor sowie im gewerblichen Sektor und in den
privaten Haushalten zusammengenommen um 8,8% bzw. 7,9% zurückging.
Über 85% des Energieverbrauchs basieren auf Erdöl, Erdgas und Strom. Auf Mineralölprodukte entfallen 41,6% des EEV, wobei mehr als die Hälfte im Verkehrssektor verbraucht
werden. Erdgas und Strom stehen für 23,2% bzw. 20,3% des Energieverbrauchs, wobei der
Industriesektor, die privaten Haushalte und der gewerbliche Sektor die wichtigsten
Abnehmer sind. Der Verbrauch von Biokraftstoffen und Kraftstoff aus Abfall hat in den
letzten zehn Jahren stark zugenommen, und ihr Anteil ist von 2% des EEV im Jahr 2000 auf
6,2% des EEV im Jahr 2011 angestiegen. Im Industrie- und Verkehrssektor wurde die Nutzung
von Erdöl teilweise durch einen höheren Einsatz von Biokraftstoffen ersetzt.
39
3. Energieeffizienz
Abbildung 6 Gesamt-Endenergieverbrauch nach Sektoren und Quellen, 1973-2011
Verkehr
Industrie
* Unerheblich.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
40
© OECD/IEA, 2013
Gewerblicher Sektor und Wohngebäude
3. Energieeffizienz
ENERGIEINTENSITÄT
Die Energieintensität, gemessen als Relation zwischen Energieaufkommen und BIP, ist
seit dem Jahr 2000 um 18,4% zurückgegangen. Deutschland hat eine Energieintensität
von 0,11 t RÖE pro 1 000 US-$ in KKP, was unter dem IEA-Durchschnitt von 0,14 t RÖE
pro 1 000 US-$ KKP liegt, und war 2011 das Land mit der zehntniedrigsten Energieintensität. Das ist eine Verbesserung gegenüber dem Jahr 2000, als Deutschland in der
Rangfolge der IEA-Mitgliedsländer mit der niedrigsten Energie-intensität an dreizehnter
Stelle stand.
Der deutlichste Rückgang in Höhe von 8,2% war 2011 zu verzeichnen, als das GesamtPrimärenergieaufkommen bei gleichzeitig steigendem BIP sank. In den zehn Jahren bis
2011 ging die Energieintensität auf Jahresbasis um 2,2% zurück.
Abbildung 7 Energieintensität in Deutschland und in anderen ausgewählten IEA-Mitgliedsländern,
1973-2011
.uelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und National Accounts of OECD Countries, OECD Paris, 2012.
INSTITUTIONEN
Die Verantwortung für die Entwicklung und Umsetzung der Energieeffizienzmaßnahmen
ist zwischen mehreren Bundesministerien aufgeteilt, und die Länder besitzen ebenfalls
einige Zuständigkeitsbereiche. Die Hauptverantwortung trägt das Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie (BMWi).
© OECD/IEA, 2013
Andere Ministerien sind für bestimmte Bereiche zuständig, namentlich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS), das für Gebäudesanierung
und Verkehr verantwortlich ist, und das Bundesministerium für Finanzen (BMF), das für
Energiebesteuerung zuständig ist.
2009 wurde im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Bundesstelle
für Energieeffizienz (BfEE) eingerichtet. Diese Stelle hat gemäß Artikel 4 und 5 der Energiedienstleistungsrichtlinie die Aufgabe, die Erreichung des Energieeinsparrichtwerts zu
überwachen und die Nationalen Energieeffizienz-Aktionspläne (NEEAP) zu erstellen. Seit
der Umsetzung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienz-
41
3. Energieeffizienz
maßnahmen (EDL-G) im November 2010 wurden diese Zuständigkeiten durch eine große
Anzahl weiterer Aufgaben und Pflichten ergänzt. Ein Hauptschwerpunkt der Arbeit der
BfEE ist die Überwachung und Entwicklung des Marktes für Energiedienstleistungen, von
Energieaudits und von sonstigen Energieeffizienzmaßnahmen.
Die Deutsche Energie-Agentur (dena), an der die Bundesregierung zu 50% beteiligt ist,
arbeitet mit einer großen Anzahl von Akteuren aus dem Bereich der Politik, der Industrie
und der Gesellschaft zusammen, um Energieeffizienz landesweit zu fördern. Im Lauf
vieler Jahre ist ein Netzwerk wichtiger institutioneller Partner entstanden, die einen
erheblichen Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz leisten.
Der Bundesverband der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands (eaD)
umfasst 32 Energie- und Klimaschutzagenturen. Diese Agenturen leisten einen wichtigen
Beitrag zur Entwicklung von Märkten für Energiedienstleistungen und Energieeffizienzmaßnahmen.
Auf Grund des föderalen Systems sind die Länder und Kommunen weitgehend unabhängig und formulieren ihre Energieeffizienzpolitik häufig eigenständig.
POLITIKEN UND MASSNAHMEN
POLITIKEN DER EUROPÄISCHEN UNION
Die Europäische Union hat das Ziel, den Primärenergieverbrauch bis 2020 um 20%
gegenüber den Projektionen des Jahres 2007 zu reduzieren. Die deutsche Energieeffizienzpolitik orientiert sich an mehreren EU-Richtlinien, die sich auf Energieeffizienz
beziehen, und diese Ausrichtung wird 2013 durch die Verabschiedung der neuen
Energieeffizienzrichtlinie wahrscheinlich noch verstärkt.
Die Richtlinie über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen (2006/32/EG)
forderte die Mitgliedstaaten auf, nationale Energieeffizienz-Aktionspläne zu entwickeln
und ein Richtziel zu erfüllen, um den Endenergieverbrauch in den nicht vom EUEmissionshandelssystem (EU-ETS) erfassten Sektoren bis 2016 um 9% zu reduzieren.
Am 25. Oktober 2012 verabschiedete die EU die Richtlinie zur Energieeffizienz
(2012/27/EU), die die Richtlinie 2006/32/EG aufhob. In der neuen Richtlinie wird ein
gemeinsamer Rahmen für Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz in der Union
festgelegt, um sicherzustellen, dass das Gesamtenergieeffizienzziel von 20% bis 2020
erreicht wird und den Weg für weitere Verbesserungen bei der Energieeffizienz über
dieses Datum hinaus zu ebnen. Darin werden Regeln festgelegt, die darauf abzielen,
Hemmnisse im Energiemarkt zu beseitigen und Marktversagen, die der Effizienz bei der
Energieversorgung und -nutzung entgegenstehen, abzubauen, und sie sieht die Festlegung von nationalen Energieeinsparrichtwerten für das Jahr 2020 vor.
Die Richtlinie über umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte
(2009/125/EG) legt Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz energiever-
42
© OECD/IEA, 2013
In der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (2002/91/EG) und ihrer
Neufassung von 2010 (2010/31/EU) wurden baurechtliche Bestimmungen festgelegt.
Diese Bestimmungen umfassen Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz
und Energieausweise. In der Neufassung von 2010 wird vorgeschrieben, dass neue
Gebäude bis Ende 2020 einen „fast bei null liegenden Energiebedarf“ aufweisen sollten.
3. Energieeffizienz
brauchsrelevanter Produkte fest. Bisher wurden fünfzehn Produktgruppen durch produktspezifische Durchführungsverordnungen reguliert (weitere Produkte kommen 2013 hinzu).
Die Energiekennzeichnungsrichtlinie (2010/30/EU) sieht die Energiekennzeichnung energieverbrauchsrelevanter Produkte vor; produktspezifische Kennzeichnungsstandards werden
gemäß dieser Richtlinie in delegierten Verordnungen festgelegt.
Kasten 1 EU-Verordnungen über Energieeffizienz
Am 25. Oktober 2012 verabschiedete die EU die Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz, in der ein gemeinsamer Rahmen für Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz innerhalb der Europäischen Union festgelegt wird, um das Gesamtenergieeffizienzziel der Union von 20% bis 2020 zu erreichen und den Weg für weitere Verbesserungen bei der Energieeffizienz über dieses Datum hinaus zu ebnen. Darin werden
Regeln festgelegt, die darauf abzielen, Hemmnisse im Energiemarkt zu beseitigen und
Marktversagen, die der Effizienz bei der Energieversorgung und -nutzung entgegenstehen,
abzubauen, und sie sieht die Festlegung von nationalen Energieeinsparrichtwerten für das
Jahr 2020 vor.
© OECD/IEA, 2013
Die Richtlinie wird insgesamt als wichtiger Meilenstein für eine EU-weite Zusammenarbeit
im Bereich der Energieeffizienz betrachtet. Sie fordert verbindliche Maßnahmen anstelle
von verbindlichen Zielen. Jeder Mitgliedstaat sollte sich sein eigenes Ziel setzen und von
2014 an alle drei Jahre einen nationalen Effizienzaktionsplan vorlegen. Die neue Richtlinie
verlangt von allen Mitgliedsstaaten:

in Einklang mit dem EU-weiten 20/20/20-Ziel ein nationales Energiesparziel festzulegen;

eine langfristige Strategie für die Renovierung des Gebäudebestands einzuführen,
darunter eine Renovierungsquote von 3% für Gebäude, die von der Zentralregierung genutzt werden;

im öffentlichen Beschaffungswesen sicherzustellen, dass die Zentralregierungen
nur Produkte mit hoher Energieeffizienz beschaffen;

die Energieanbieter zu verpflichten, bis 2020 kumulative Endenergieeinsparungen
von 1,5% des im Zeitraum 2014-2020 erzielten jährlichen Energieabsatzes zu
erreichen, wobei die Mitgliedstaaten alternative Wege einschlagen können, um
entsprechende Energieeinsparungen zu erreichen;

alle Unternehmen, die keine KMU sind, zu verpflichten, alle vier Jahre ein Energieaudit durchführen zu lassen;

die Entwicklung nationaler Finanzierungsfazilitäten für Maßnahmen zur Verbesserung
der Energieeffizienz zu ermöglichen;

sicherzustellen, dass bei den Endkunden individuelle Messgeräte für den Energieverbrauch angebracht werden, sofern dies technisch machbar und wirtschaftlich
vertretbar ist.
Es ist möglich, dass der Erfolg der Richtlinie (um 3-5%) hinter dem 2020-Ziel zurückbleibt. Deshalb ist für Mitte 2014 eine Überprüfung vorgesehen; falls die Energieeinsparungen hinter dem Ziel zurückbleiben, können die verbindlichen Maßnahmen in
verbindliche Ziele umgewandelt werden.
43
3. Energieeffizienz
Seit Mai 2009 fallen neue, in der Europäischen Union hergestellte Personenkraftwagen
unter die CO2-Emissionsverordnung (Verordnung 443/2009), die den Wirkungsgrad von
Kraftstoffen bei Fahrzeugen effektiv verbessert. Die CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen müssen bis 2015 auf maximal 130 Gramm CO2 pro Kilometer (CO2/km) gesenkt
werden. Derzeit werden ergänzende Maßnahmen ergriffen, um den CO2-Ausstoß von
Bauteilen, die nicht zum Motor gehören, namentlich Reifen und Getriebetechnologie,
durch effektive Verbesserungen um weitere 10 g CO2/km zu reduzieren. Die CO2-Emissionsobergrenze wird bis 2020 voraussichtlich auf 95 g CO2/km gesenkt werden. Im Mai 2011
wurde eine ähnliche Regulierung für neue leichte Nutzfahrzeuge eingeführt. Die CO2Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge werden zurzeit nicht reguliert, es ist jedoch geplant, in
Zukunft entsprechende Verordnungen einzuführen.
AUF NATIONALER EBENE ERGRIFFENE MASSNAHMEN
Deutschland hat 2011 einen zweiten NEEAP veröffentlicht, der darauf abzielt, die
Energieeffizienz zwischen 2007 und 2016 um 9% zu verbessern, wobei für 2016 ein
Energieeinsparrichtwert von 748 Petajoule (PJ) und für 2010 ein Zwischenziel von 456 PJ
festgelegt wurde. Der Plan umfasst Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz
in allen Sektoren, wobei die größten projizierten Energieeinsparungen bei privaten
Haushalten zu erzielen sind, weil dort das größte kosteneffektive Verbesserungspotenzial besteht. Die nachfrageseitigen Initiativen und Maßnahmen der Bundesregierung hinsichtlich der Energieeffizienz konzentrieren sich auf die folgenden Bereiche:

Gebäude: Beschleunigte Erschließung der umfangreichen Energieeinsparungspotenziale im Gebäudebereich, insbesondere im Wohngebäudebestand;

Öffentlicher Sektor: verstärkte Ausschöpfung der „umfangreichen wirtschaftlichen
Energieeinsparpotenziale“ in öffentlichen Gebäuden und im öffentlichen Beschaffungswesen;

Industrie: Unterstützung von Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz in den
Sektoren Gewerbe, Handel, Dienstleistungen, Landwirtschaft und Industrie,
insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU);

Verkehr: Verbesserung des Wirkungsgrads von Kraftstoffen bei Personenkraftwagen
und schweren Nutzfahrzeugen und Förderung einer stärkeren Marktdurchdringung
von kraftstoffsparenden Fahrzeugen und nicht zum Motor gehörenden Bauteilen wie
Leichtlaufreifen und -öle;

Sensibilisierung der Öffentlichkeit: Ausbau der Information und Motivation der Endkunden hinsichtlich Energieeffizienz sowie Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte.
Das zweite NEEAP beschreibt 89 Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und schätzt
die Energieeinsparungen, die durch diese Maßnahmen erreicht werden können. Die Ergebnisse des zweiten NEEAP lassen darauf schließen, dass Deutschland das Ziel, bis 2016 Endenergieeinsparungen in Höhe von 9% zu erzielen, erheblich übertreffen wird. Wie erwartet,
wird der größte Teil (60%) der Energieeinsparungen im Gebäudesektor erreicht werden.
Die mehrstufige Umsetzung des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform
von 1999 führte zu wichtigen Änderungen bei den Energiepreisen. In der ersten Stufe
wurden die Mineralölsteuersätze erhöht und eine Stromsteuer eingeführt. Zwischen
2000 und 2003 wurden vier weitere Mineralölsteuererhöhungen durchgeführt, und die
44
© OECD/IEA, 2013
QUERSCHNITTSMASSNAHMEN
3. Energieeffizienz
Steuersätze für schweres Heizöl zur Wärme- und Stromerzeugung wurden in einem
Steuersatz konsolidiert. Die fünfte Stufe der Ökosteuer wurde 2003 umgesetzt und darin
wurden die Steuersätze für Erdgas, Flüssiggas und schweres Heizöl erhöht. Diese
Steuerreformen hatten den Zweck, die Verbesserung der Energieeffizienz zu fördern.
Aus wirtschaftlichen, ökologischen und soziopolitischen Gründen gibt es mehrere
Steuervergünstigungen für den Energieverbrauch. So erhalten energieerzeugende und
-verbrauchende Branchen beispielsweise Steuervergünstigungen, um die unzureichende
Harmonisierung der Steuervorschriften in der EU für im internationalen Wettbewerb
stehende Unternehmen zu berücksichtigen. Von 2013 an sind die diesen Branchen
gewährten hohen Steuervergünstigungen (Spitzenausgleich) an Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz gebunden, so z.B. die Einführung von Energiemanagementsystemen und die Erfüllung von Energieeffizienzzielen.
Der durch die Einnahmen des Energie- und Klimafonds unterstützte Energieeffizienzfonds wurde 2011 eingerichtet. (Der Energie- und Klimafonds wird durch Einnahmen des
EU-ETS finanziert).
Da der Preis für CO2-Emissionen in den Jahren 2011 und 2012 niedrig war, wurden 2012
nur 89 Mio. Euro eingenommen. Dies ist zwar weniger als erwartet, reicht aber wahrscheinlich aus, da viele der Maßnahmen, die für eine Förderung durch den Fonds in
Frage kommen, noch nicht voll ausgereift sind. In Zukunft wird die Energieberatung von
privaten Haushalten durch den Fonds unterstützt werden, und Familien mit niedrigem
Einkommen werden die Energieberatung kostenlos in Anspruch nehmen können.
Darüber hinaus werden Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in KMU und
Kommunen unterstützt, z.B. durch ein Förderprogramm für energieeffiziente Technologien und Produktionslinien sowie für Energiemanagementsysteme und innovative Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz auf kommunaler Ebene.
Seit 1978 gibt es Verbraucherberatungsstellen, die konkrete Beratung zu Energiefragen
anbieten. Verbraucher können sich gegen eine geringe Gebühr in den Informationsbüros
der lokalen Verbraucherberatungsstellen beraten lassen. Darüber hinaus wurden
Informationskampagnen durchgeführt, um das Verbraucherbewusstsein zu schärfen (wie
z.B. die Initiative EnergieEffizienz der Deutschen Energie-Agentur).
GEBÄUDE
© OECD/IEA, 2013
Deutschland nimmt im Bereich der energieeffizienten Gebäude weltweit eine Führungsrolle ein. Das Energiekonzept 2010 enthält mehrere Ziele für den Gebäudesektor, die bis
2020 bzw. 2050 erreicht werden sollen:

Reduzierung des Wärmebedarfs um 20% bis 2020;

ab 2020 sollen alle Neubauten in Einklang mit primärenergetischen Kennwerten
„klimaneutral“ sein;

Minderung des Primärenergiebedarfs im Gebäudesektor um etwa 80% bis 2050, was
eine Verdopplung der energetischen Sanierungsrate des Gebäudebestands von
derzeit weniger als 1% pro Jahr auf ein neues Ziel von jährlich 2% erfordert.
Eine erste Evaluierung der erreichten Erfolge ist für 2020 geplant. Die Energieanforderungen der deutschen baugesetzlichen Bestimmungen werden auf nationaler
Ebene durch das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und die Energieeinsparverordnung
(EnEV) festgelegt. Im Anschluss an die 2009 erfolgte jüngste Änderung der Energieeinsparverordnung wurden die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von
45
3. Energieeffizienz
Neubauten und bestehenden Gebäuden um durchschnittlich 30% verschärft. Deutschland
prüft zurzeit, ob es wirtschaftlich machbar ist, diese Anforderungen in einer für 2013
geplanten Änderung noch weiter zu verschärfen.
Die in den baugesetzlichen Bestimmungen Deutschlands (EnEV) enthaltenen Energieanforderungen sind im Vergleich zu anderen Ländern sehr streng. Der durchschnittliche
Energieverbrauch für die Heizung von Wohngebäuden belief sich 2011 auf 135 kWh/m2
(temperaturbereinigt), und seit 2009 ist in der Bauordnung für den Primärenergiebedarf von
Neubauten ein durchschnittlicher Grenzwert von 50-70 kWh/m2 festgelegt.
In Deutschland gibt es darüber hinaus eine Reihe von Politikmaßnahmen für die energetische Sanierung des Gebäudebestands, darunter das ehrgeizige Ziel, die Sanierungsrate
auf jährlich 2% des Gebäudebestands zu erhöhen; die Sanierung bestehender Gebäude ist
allerdings nicht verbindlich.
Kasten 2 Die Energieeinsparverordnung (EnEV) und die Finanzierung der
Gebäudesanierung
In der EnEV werden Mindestanforderungen für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
sowie Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen und Heizkesseln festgelegt. Die EnEV wurde
2002 eingeführt und gilt für alle Gebäude, die eine Heizung oder eine Kühlung benötigen.
Deutschland gehört zu den wenigen Ländern, in denen für die Sanierung bestehender
Gebäude Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz gestellt werden. Sie
gelten, wenn mindestens 10% der Bauteilfläche verändert werden oder wenn die Nutzfläche um mehr als 15m2 erweitert wird.
Die EnEV löste 2002 die Wärmeschutzverordnung und die Heizungsanlagenverordnung
ab. Dadurch wurden zum ersten Mal Gebäudehüllen und technische Anlagen für Heizung,
Kühlung und Lüftung als Einheit betrachtet. 2003/2004 und 2007 wurde die Verordnung
geringfügig modifiziert, um Normänderungen des Deutschen Instituts für Normung (DIN)
Rechnung zu tragen und die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden
umzusetzen.
2009 wurde die EnEV jedoch erheblich geändert, und die Anforderungen wurden verschärft. Zu den Neuerungen gehören die Einführung von Referenzgebäuden im Wohngebäudesektor und Maßnahmen zur Verbesserung der Umsetzung. Die Anforderungen an
den Jahres-Primärenergiebedarf von Neubauten wurden um durchschnittlich 30% verschärft, und die Wärmedämmungsanforderungen (Wärmedurchgangskoeffizient Uw)
wurden um durchschnittlich 15% verschärft. Die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von bestehenden Gebäuden wurden in der gleichen Größenordnung
verschärft.
46
© OECD/IEA, 2013
2001 wurde das „CO2-Gebäudesanierungsprogramm“ eingeführt. Dabei handelt es sich
um ein Finanzierungsprogramm zur Förderung der energieeffizienten Sanierung von
Gebäuden nichtgewerblicher Nutzung, das 2009 durch das Programm „Energieeffizient
Sanieren“ ersetzt wurde. Beide Programme bieten zinsvergünstigte Kredite und Zuschüsse
für Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden. Seit 2009 basieren
die Anspruchskriterien für Kredite auf dem KfW-Effizienzhaus, das die Gesamtenergieeffizienzanforderungen der EnEV anwendet. Dadurch erhalten die Investoren umfassende
Energieeffizienzziele für Gebäude, die mit den deutschen baugesetzlichen Bestimmungen
übereinstimmen.
3. Energieeffizienz
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), eine öffentliche Bankengruppe ohne Erwerbszweck, vergibt Darlehen und Zuschüsse für die Sanierung alter Gebäude und ökologisches
Bauen, wenn die gemäß der Energieeinsparverordnung zulässigen Mindestanforderungen
an die Gesamtenergieeffizienz übertroffen werden. Das Ziel dieses Programms besteht
darin, den Kunden zu helfen, die steigenden Investitionskosten der energetischen
Sanierung zu decken. Hinsichtlich Zielsetzung und Finanzausstattung handelt es sich um
eines der bedeutendsten Programme der Welt. Nach Auffassung des zuständigen
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ist es eines der
wichtigsten Instrumente der Bundesregierung für Energieeinsparung und Klimaschutz. Von
2012-2014 werden jährlich voraussichtlich 1,5 Mrd. Euro für den Bau und die Sanierung
von Niedrigenergiehäusern ausgezahlt, die Sanierungsrate des Gebäudebestands liegt
bisher jedoch unter 1%. Die Bundesregierung hat darüber hinaus – im Rahmen ihrer im
Jahr 2011 getroffenen Entscheidungen über die beschleunigte Umsetzung des Energiekonzepts – beschlossen, zu überprüfen, ob ab 2015 eine marktbasierte und budgetneutrale Lösung (namentlich weiße Zertifikate) angewandt werden kann.
Seit 1995 muss für alle Gebäude ein Energieausweis ausgestellt werden. Darüber hinaus
hat der Verkäufer, Vermieter oder Leasinggeber den betroffenen Parteien seit 2009
beim Verkauf, bei der Vermietung oder beim Leasing einen Energieausweis zugänglich zu
machen. Der Energieausweis enthält u.a. Informationen über das Baujahr, die Gebäudenutzung, die Gebäudenutzfläche, die Verbrauchserfassung von Heizung und Warmwasser sowie die Art und den prozentualen Anteil erneuerbarer Energien. Darüber
hinaus enthält der Energieausweis Modernisierungsempfehlungen, wenn davon ausgegangen wird, dass wirtschaftlich vertretbare Energieeinsparungen möglich sind.
Als Vorbild für gute Praktiken werden alle neuen Bundesgebäude, die vom öffentlichen
Sektor genutzt werden, von 2012 an als Niedrigstenergiegebäude errichtet werden. Die
Bundesregierung hat darüber hinaus die Bauwirtschaft aufgefordert, die berufliche
Weiterbildung von Handwerkern im Bereich der Energieeffizienz zu fördern, und sie wird
gegebenenfalls die Ausbildungsordnungen verbessern. Zurzeit wird ein langfristiger Fahrplan für die Erfüllung der zukünftigen Ziele erstellt, der das Hauptaugenmerk darauf legt,
die Marktkräfte für die Modernisierung des Gebäudebestands zu nutzen. Eigentümer und
Investoren werden Anreize erhalten, Gebäude auf freiwilliger Basis zu sanieren.
© OECD/IEA, 2013
Tabelle 2 Zusammenfassung der Hauptmerkmale des CO2-Sanierungsprogramms und des Programms
„Energieeffizient Sanieren“
Merkmale
CO2-Sanierungsprogramm
Energieeffizient Sanieren
Laufzeit
August 2001 – März 2009
April 2009 – heute
Art der
Förderung
Zinsvergünstigte Kredite und seit 2007 auch
Zuschüsse. Keine Möglichkeit, sowohl Kredit
als auch Zuschuss zu beantragen.
Zinsvergünstigte Kredite und Zuschüsse. Keine Möglichkeit,
beides zu beantragen. Bei Krediten für sehr energieeffiziente
Sanierungsmaßnahmen wird ein Tilgungszuschuss gewährt.
Ziel
Sanierung bestehender Wohngebäude
Sanierung bestehender Wohngebäude
Förderfähige
Maßnahmen
Wärmedämmung, HLK-Anlagen, erneuerbare
Energien (für Warmwasser und Heizung)
Wärmedämmung, HLK-Anlagen, erneuerbare Energien (für
Warmwasser und Heizung)
Effizienzanforderungen
Auswahl zwischen vorab festgelegten
Maßnahmenpaketen oder seit Oktober 2008
auch Einzelmaßnahmen zur Einhaltung der
EnEV-Standards für Neubauten
Einführung des KfW-Effizienzhauses als Referenzwert unter
Verwendung des EnEV-Standards für Neubauten. Die Höhe
der Zuschüsse und Kredite hängt vom Effizienzniveau in
Relation zu diesem Referenzwert ab. Darüber hinaus
werden Einzelmaßnahmen förderfähig.
Anmerkung: HLK-Anlagen = Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen.
Quelle: Mobilising investment in energy efficiency: economic instruments for low-energy buildings, IEA Insights Paper, Paris 2012.
47
3. Energieeffizienz
VERKEHR
Die Automobilindustrie spielt in Deutschland eine führende Rolle bei der Entwicklung
kraftstoffsparender Technologien für den europäischen und globalen Automobilmarkt.
Die deutsche Energieeffizienzpolitik zielt im Verkehrssektor zum großen Teil darauf ab,
die technische Effizienz von leichten und schweren Nutzfahrzeugen zu verbessern,
anstatt die Verlagerung auf kraftstoffeffizientere Verkehrsträger zu fördern.
Die 2009 eingeführte europäische Verordnung über CO2-Emissionen von neuen
Personenkraftwagen (Verordnung Nr. 443/2009) legt Emissionsstandards für neue
Personenkraftwagen fest, die den Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge begrenzen. Die
deutschen Hersteller und die in Deutschland verkauften Autos müssen die Grenzwerte
schrittweise einhalten, wobei das 130 g/km-Ziel im Jahr 2012 von 65%, 2013 von 75%,
2014 von 80% und 2015 von 100% der Neuwagen erfüllt werden muss. Die Verordnung
wird durch zusätzliche Maßnahmen ergänzt werden, die einer Reduzierung um 10 g
CO2/km entsprechen. 2011 wurde eine ähnliche Verordnung für neue leichte
Nutzfahrzeuge eingeführt (Verordnung Nr. 510/2011).
Die Kennzeichnung von Personenkraftwagen erfasst in Einklang mit der EU-Richtlinie
1999/94/EG den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen. In Deutschland werden Pkw
unter Einbeziehung ihres Gewichts in Effizienzklassen eingeteilt, und deshalb können
größere, schwerere Fahrzeuge in einigen Fällen in eine bessere CO2-Effizienzklasse
eingestuft werden als kleinere Fahrzeuge. Diese Methode ermöglicht es den Verbrauchern,
Pkw innerhalb ihrer Gewichtsklasse zu vergleichen. Lastkraftwagen unterliegen auf
Bundesautobahnen und einigen stark frequentierten Bundesstraßen einer streckenbezogenen Straßenbenutzungsgebühr, deren Höhe nach der Schadstoffklasse des
Fahrzeugs und nicht nach der CO2-Effizienzkennzeichnung bemessen wird.
Die Deutsche Bahn hat sich verpflichtet, den CO2-Ausstoß von Zügen zu reduzieren. Der
Personenverkehr, der Schienengüterverkehr und die Logistiksparte haben separate
Energie- und CO2-Reduktionsziele. Jede Geschäftssparte ist für die Definition und
Kontrolle ihrer Einzelmaßnahmen selbst verantwortlich.
Das Energiekonzept 2010 legt ein konkretes Ziel für Energieeinsparungen im Verkehrssektor fest. Mehrere Initiativen werden behandelt.
Große Hoffnungen scheinen mit Elektro- und Wasserstofffahrzeugen verbunden zu sein,
da sie ein erhebliches Potenzial aufweisen, den Verbrauch fossiler Energieträger kurzund langfristig zu reduzieren. Die Bundesregierung hat sich zu dem Ziel verpflichtet, in
Deutschland bis 2020 eine Million und bis 2030 sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf die
Straße zu bringen. Derzeit werden mehrere Politikmaßnahmen umgesetzt, um dieses
Ziel zu erreichen. Das Regierungsprogramm Elektromobilität enthält eine Reihe von
Politikmaßnahmen zur Förderung der Elektromobilität. Das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie wird Hochschulen und
Forschungseinrichtungen sowie Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft bis zum Jahr
2016 etwa 1,4 Mrd. Euro an öffentlichen und privaten Geldern für die Forschung im
Bereich von Wasserstoff- und Brennstoffzellenprojekten zur Verfügung stellen, um die
Entwicklung von mit Wasserstoff angetriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen zu fördern.
48
© OECD/IEA, 2013
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat eine Mobilitäts- und
Kraftstoffstrategie auf den Weg gebracht, die alle Verkehrsträger umfasst. Dieser
Prozess soll zu einer Strategie für den Verkehrssektor führen, die Lösungen für Energieund Klimafragen bietet.
3. Energieeffizienz
Es werden Mobilitätsmaßnahmen umgesetzt, und der öffentliche Nahverkehr wird durch
Mineralölsteuereinnahmen des Bundes gefördert. Seit 2008 führt die Deutsche EnergieAgentur in einem Pilotprojekt in 15 Regionen den Nationalen Radverkehrsplan und das
Aktionsprogramm Mobilitätsmanagement durch. Energiesparendes und umweltschonendes
Fahren (Eco-Driving) ist seit 1999 Teil der Fahrschulausbildung und wird darüber hinaus
durch ein Webportal unterstützt, das Informationen und Ratschläge für Fahrer enthält.
INDUSTRIE UND DIENSTLEISTUNGSSEKTOR
Die Treibhausgasemissionen von energieintensiven Branchen und der Stromwirtschaft
werden vom Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU-ETS) erfasst, das
Anreize zur Verbesserung der Energieeffizienz gibt.
Seit 1995 ist eine Selbstverpflichtungsvereinbarung zwischen der deutschen Industrie und
der Bundesregierung zur Reduzierung der CO2-Emissionen in Kraft. Das Ziel bestand darin,
die CO2-Emissionen zwischen 1987 und 2005 um 20% zu senken. Die Vereinbarung wurde
aktualisiert, um zwischen 1990 und 2012 eine Emissionsminderung um 35% zu erreichen.
Die KfW bietet KMU im Rahmen des ERP-Umwelt- und Energieeffizienzprogramms
Fördermittel für Investitionen in Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz.
Neuinvestitionen müssen zu einer Energieeinsparung von mindestens 15% gegenüber dem
Branchendurchschnitt führen, und Ersatzinvestitionen müssen eine Energieeinsparung von
mindestens 30%, gemessen am Durchschnittsverbrauch der letzten drei Jahre, bringen.
Darüber hinaus vergibt die KfW im Rahmen des Sonderfonds Energieeffizienz in KMU
Fördermittel an KMU für die Durchführung qualifizierter und unabhängiger Energieberatungen, die auch Vorschläge für Energie- und Kosteneinsparmaßnahmen umfassen.
Unternehmen des produzierenden Gewerbes erhalten für den Energie- und Stromverbrauch derzeit Steuervergünstigungen, um die auf EU-Ebene unzureichende Harmonisierung der Steuervorschriften für im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen
zu berücksichtigen. Von 2013 an sind die den Unternehmen des produzierenden Gewerbes
gewährten hohen Steuervergünstigungen (Spitzenausgleich) an Maßnahmen zur Steigerung
der Energieeffizienz gebunden, so z.B. die Einführung von Energiemanagementsystemen
und die Erfüllung von Energieeffizienzzielen.
GERÄTE
© OECD/IEA, 2013
Die Energieeffizienz von Geräten wird in Deutschland durch Rechtsvorschriften der
Europäischen Union reguliert, insbesondere die Richtlinie 2009/125/EG über umweltgerechte Gestaltung energieverbrauchsrelevanter Produkte und die Richtlinie 2010/30/EU
über die Angabe des Verbrauchs an Energie (sowie die auf diesen beiden Richtlinien
basierenden diesbezüglichen produktspezifischen Verordnungen). Die erste der beiden
Richtlinien wurde durch das Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG) von 2011
umgesetzt. Die Energiekennzeichnungsanforderungen werden in Einklang mit Richtlinie
2010/30/EU durch das Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz (EnVKG) und die Verordnung zur Kennzeichnung von energieverbrauchsrelevanten Produkten (EnVKV) festgelegt.
Zu den flankierenden Maßnahmen gehört die Verordnung über die Vergabe öffentlicher
Aufträge von August 2011, in der Energieeffizienz als wichtiges Kriterium für das
öffentliche Beschaffungswesen aufgeführt wird. Darüber hinaus gibt es freiwillige
Ökosiegel wie Energy Star. Die Marktüberwachung von Elektrogeräten wurde durch
Anpassung an die Vorgaben der EG-Verordnung 765/2008 über Marktüberwachung
eingeführt. Darin wird Folgendes festgelegt:
49
3. Energieeffizienz

aufeinander abgestimmte Vollzugsregelungen auf Bundesebene,

kontinuierliche Entwicklung von Marktüberwachungskonzepten und -programmen,

bessere Koordinierung zwischen der Verwaltung auf Bundesebene und den Ländern
durch die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung als beauftragte Stelle.
BEWERTUNG
Energieeffizienz ist eine wichtige Säule des Energiekonzepts 2010, und die Bundesrepublik hat sich das Ziel gesetzt, den Primärenergieverbrauch bis 2020 um 20% und bis
2050 um 50% zu reduzieren. Sie plant darüber hinaus, den Stromverbrauch bis 2020 um
10% und bis 2050 um 25% zu mindern. Die IEA begrüßt die Annahme dieser ehrgeizigen
Ziele. Der Gebäudesektor wurde als Schlüsselsektor für die Erreichung dieser Energieeinsparungen identifiziert. Die Maßnahmen, mit denen die für die einzelnen Sektoren
gesetzten Ziele erreicht werden sollen, müssen jedoch noch genauer definiert werden.
Die IEA ermutigt die Bundesregierung, als nächsten Schritt konsistente und kostengünstige
Instrumente einzusetzen, um die Ziele in den einzelnen Sektoren zu erreichen. Es besteht
noch großer Handlungsbedarf, wenn Deutschland sein Gesamt-Primärenergieaufkommen
bis 2020 um 20% senken will, und eine umfassende Bestandsaufnahme der Energieeinsparpotenziale und -ziele der einzelnen Sektoren scheint dringend erforderlich zu sein.
Der nationale Aktionsplan geht zwar auf die Instrumente ein, mit denen Energieeinsparungen erreicht werden könnten, es gibt jedoch noch kein konsistentes Paket von
Instrumenten und Finanzierungsmechanismen, mit denen die im Energiekonzept für 2020
und 2050 gesetzten Gesamtziele sowie die entsprechenden Zwischenziele erreicht werden
können. Insbesondere fehlen offenbar breit gefasste Strategien zur Verbesserung der
Energieeffizienz im Industrie- und Verkehrssektor. Das Ziel, den Energieverbrauch im
Verkehrssektor bis 2020 um 10% und bis 2050 um 50% zu senken, hat keine solide
Grundlage. Und es ist nur schwer nachzuvollziehen, wie die Ziele im Gebäudesektor allein
mit den derzeitigen Maßnahmen erreicht werden sollen. Dieser Prozess kann durch
Monitoring und Evaluierung der erzielten Ergebnisse noch weiter gestärkt werden.
Die KfW bietet zinsvergünstigte Kredite und Zuschüsse für Gebäudesanierungen, die
jährlichen Finanzzuweisungen für dieses Programm hängen jedoch vom Bundeshaushalt
ab, was zu Schwankungen im Finanzierungsniveau geführt hat. Die IEA begrüßt deshalb
den Schritt, das Sanierungsprogramm aus dem Energie- und Klimafonds zu finanzieren,
wobei jedoch sichergestellt werden muss, dass das Finanzierungsniveau unabhängig von
den Schwankungen auf dem CO2-Markt stabil bleibt. Die IEA begrüßt außerdem die
Pläne, die Anspruchskriterien für die Finanzierung von Gebäudesanierungsprogrammen
mit den in der Energiesparverordnung festgelegten baugesetzlichen Bestimmungen zu
verbinden, eine Politik, die Anreize für umfassende Verbesserungen an der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden setzt. Da auch Zuschüsse für Einzelmaßnahmen erhältlich
sind, sollte Deutschland darauf achten, dass die Anreize für eine umfassende Gebäudesanierung attraktiver sind. Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz
sollten nur die Vorstufe zu einer weitergehenden Gebäudesanierung sein, da sonst
Energieeinsparmöglichkeiten dauerhaft ungenutzt bleiben können.
50
© OECD/IEA, 2013
Im Gebäudesektor hat Deutschland strenge langfristige Ziele für den Gebäudebestand
und für Neubauten entwickelt und umgesetzt. Für die Verwirklichung dieser Ziele ist der
richtige Maßnahmenmix von zentraler Bedeutung.
3. Energieeffizienz
Die Gebäudesanierungsprogramme werden regelmäßig evaluiert, und Deutschland wird
ermutigt, die technische und ökonomische Effizienz dieser Programme weiterhin zu
prüfen. Deutschland hat für die Sanierungsrate ein Ziel von 2% pro Jahr gesetzt, es
werden jedoch noch weitere Anreize oder Regulierungen erforderlich sein. Dem
Klimakonzept 2010 zufolge geht aus wissenschaftlichen Untersuchungen hervor, dass die
deutsche Industrie durch Investitionen in Energieeffizienz jährlich bis zu 10 Mrd. Euro
einsparen kann. Die energieintensive Industrie wird zwar vom Emissionshandelssystem
der Europäischen Union erfasst, und für KMU wurden einige flankierende Maßnahmen
ergriffen, es könnte jedoch noch mehr getan werden, um die Energieeffizienz in der
Industrie zu koordinieren und zu fördern.
Ab 2013 ist die Gewährung des Spitzenausgleichs an die Auflage gebunden, dass die
betroffenen Industrieunternehmen Energieeffizienzmaßnahmen wie die Einführung von
Energie- oder Umweltmanagementsystemen ergreifen. Darüber hinaus ist die Gewährung dieser Steuervergünstigung ab 2013 an die Erfüllung von Energieeffizienzzielen
gebunden, wobei die Verbesserung der Energieeffizienz überwacht wird und die Ergebnisse veröffentlicht werden. Die Anreize müssen verbessert werden, und staatliche
Energiemanagementprogramme sind ein guter erster Schritt, um Unternehmen zu
ermutigen, Energiemanagementsysteme einzurichten.
Zurzeit erhalten Unternehmen der verarbeitenden Industrie und der Landwirtschaft
erhebliche Steuervergünstigungen für den Verbrauch von Heizbrennstoff und Strom.
Dies erklärt sich aus der auf EU-Ebene unzureichenden Harmonisierung der Steuervorschriften für dem Auslandswettbewerb ausgesetzte Sektoren. Von 2013 an sind die
den Unternehmen des produzierenden Gewerbes gewährten hohen Steuervergünstigungen (Spitzenausgleich) an Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz
gebunden, so z.B. die Einführung von Energiemanagementsystemen und die Erfüllung
von Energieeffizienzzielen. Energiesteuern sind generell ein effizientes Mittel, um die
externen Kosten der Energienutzung zu internalisieren, und dies ist ein wichtiges
querschnittsorientiertes Instrument, um Energieeffizienzziele zu erreichen, insbesondere
im Industriesektor. Darüber hinaus könnte die Preissetzung für die Energienutzung in
den nicht vom EU-Emissionshandelssystem erfassten Sektoren (weniger energieintensive
Branchen und der Dienstleistungssektor) durch Energiesteuern verbessert werden, ein
Ziel, für das es sonst keine effektiven Instrumente gibt. Die Versorgungsbetriebe
könnten außerdem verstärkt Energieeffizienz-Dienstleistungen für ihre Kunden anbieten.
© OECD/IEA, 2013
Zurzeit werden aus dem Energie- und Klimafonds Zuschüsse in Höhe von 89 Mio. Euro für
Energieeffizienzprojekte in der Industrie und in KMU sowie für Beratungsprogramme für
private Haushalte und Kommunen bereitgestellt. Der Einsatz dieser Fördermittel erfolgt
hauptsächlich für Zuschüsse zur Förderung von Energieeffizienz-Investitionen, bei denen die
Amortisationszeit als zu lang eingeschätzt wird, sowie zur Förderung von Beratung, EnergieChecks und Energiemanagement (sogenannte freiwillige Maßnahmen). Deutschland sollte
dieses Programm auf kosteneffektive Weise fortsetzen, nach vier bis fünf Jahren eine
Evaluierung durchführen und beurteilen, ob es dazu beiträgt, Markthindernisse abzubauen.
Die CO2-Emissionen des Verkehrssektors sind in den letzten zehn Jahren zurückgegangen, was hauptsächlich auf den technologischen Fortschritt zurückzuführen ist.
Angesichts der EU-weiten Emissionsstandards für Automobile wird Deutschland in
diesem Sektor noch weitere Energieeinsparungen erreichen. Dies sollte durch weitere
Investitionen in Maßnahmen zur Förderung der Verkehrsverlagerung ergänzt werden,
z.B. durch den Ausbau der öffentlichen Verkehrssysteme in städtischen Ballungszentren.
51
3. Energieeffizienz
Es sind noch weitere Maßnahmen erforderlich, um die Effizienz des Güterverkehrs zu
verbessern. Deutschland sollte die Einführung von Emissionsstandards für Lastkraftwagen
(Lkw) auf europäischer Ebene unterstützen. Darüber hinaus könnte die Lkw-Maut verbessert
werden, um Anreize für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene zu setzen, und es
sollten Fördermittel bereitgestellt werden, um die Effizienz der Güterverkehrslogistik zu
verbessern, wo dies notwendig erscheint. Es sollte in Erwägung gezogen werden, die Maut
auf leichte Nutzfahrzeuge und letztlich auch auf Pkw auszuweiten.
Die Pendlerpauschale sendet ein negatives Preissignal, da sie Anreize für die Nutzung
von Autos anstelle öffentlicher Verkehrsmittel setzt. Deutschland sollte stattdessen
Schritte unternehmen, um die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu fördern und
Straßenbenutzungsgebühren in überlasteten Gebieten in Erwägung ziehen. Darüber
hinaus sollte ein Nachhaltigkeitsplan für Verkehrsinfrastruktur entwickelt werden. Im
Pkw-Label-System sollte der absolute Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß besser mit
der Kfz-Steuer in Einklang gebracht werden.
Die Bundesregierung sollte trotz der erheblichen Fortschritte des Landes gegebenenfalls
ihre Anstrengungen fortsetzen, die IEA-Empfehlungen zur Verbesserung der Energieeffizienz umfassend umzusetzen (Kasten 3).
Kasten 3 25 IEA-Empfehlungen zur Verbesserung der Energieeffizienz
Als Reaktion auf neue Prioritäten straffte und aktualisierte die IEA 2011 in Konsultation mit internationalen Experten und den Mitgliedsländern die 25 Empfehlungen. Die
25 aktualisierten Empfehlungen decken einen breiten Fächer von Politikmaßnahmen
ab, die die Mitglieds- und Nichtmitgliedsländer im Rahmen ihrer Energiewirtschaft in
Erwägung ziehen sollten.
Dieser Fächer von Empfehlungen umfasst Politikmaßnahmen, die darauf abzielen, die
Energieeffizienz kosteneffektiv zu erhöhen, indem Marktsignale gesetzt werden, die
Anreize dafür schaffen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die Einführung neuer
Technologien zu beschleunigen und die für Geräte, Beleuchtungssysteme, Ausrüstungen und energierelevante baurechtliche Vorschriften geltenden Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz zu verschärfen und umzusetzen.
1. Um die Energieeffizienz in allen Sektoren zu verbessern, empfiehlt die IEA Maßnahmen in folgenden Bereichen:

Datenerhebung und Erstellung von Indikatoren hinsichtlich Energieeffizienz;

Strategien und Aktionspläne;

wettbewerblich orientierte Energiemärkte mit angemessener Marktregulierung;

Privatinvestitionen in Energieeffizienz;

Monitoring, Umsetzung und Evaluierung der Politiken und Maßnahmen.

verbindliche baurechtliche Vorschriften für die Energieeffizienz und Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz;

bei Neubauten einen Nettoenergieverbrauch von null anzustreben;

die Energieeffizienz bestehender Gebäude zu verbessern;
(Fortsetzung nächste Seite)
52
© OECD/IEA, 2013
2. Um Einsparungen im Gebäudesektor zu erreichen, empfiehlt die IEA:
3. Energieeffizienz
(Fortsetzung)

Energiekennzeichnungen und -ausweise für Gebäude;

Gesamtenergieeffizienz auch für Gebäudekomponenten und -systeme.
3. Um erhebliche Energieeinsparungen bei Geräten und Ausrüstungen zu erreichen,
empfiehlt die IEA:

verbindliche Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz und Kennzeichnungen
für Geräte und Ausrüstungen;

Prüfnormen und Messprotokolle für Geräte und Ausrüstungen.
4. Um erhebliche Energieeinsparungen im Beleuchtungsbereich zu erreichen,
empfiehlt die IEA:

schrittweise Abschaffung von ineffizienten Beleuchtungsprodukten und -systemen;

energieeffiziente Beleuchtungssysteme.
5. Um erhebliche Energieeinsparungen im Verkehrssektor zu erreichen, empfiehlt die IEA:

verbindliche Normen für den Wirkungsgrad von Kraftstoffen;

Maßnahmen zur Verbesserung des Wirkungsgrads von Kraftstoffen;

Kraftstoffeffizienz auch bei Bauteilen, die nicht zum Motor gehören;

Verbesserung der Betriebseffizienz durch Eco-Driving und andere Maßnahmen;

Verbesserung der Effizienz des Verkehrssystems.
6. Um erhebliche Energieeinsparungen im Industriesektor zu erreichen, empfiehlt die IEA:

Energiemanagement in der Industrie;

hocheffiziente Industrieanlagen und -systeme;

Energieeffizienz-Dienstleistungen für KMU;

ergänzende Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz in der Industrie.
7. Um erhebliche Energieeinsparungen in Energieversorgungsunternehmen und durch
Effizienz beim Endenergieverbrauch zu erreichen, empfiehlt die IEA:

Die Regierungen sollten regulatorische und sonstige Politikmaßnahmen ergreifen,
um sicherzustellen, dass die Energieversorgungsunternehmen kostengünstige,
nachprüfbare Effizienzverbesserungen beim Endenergieverbrauch unterstützen.
EMPFEHLUNGEN
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesregierung sollte:
 eine stabile und langfristige Finanzierung des Gebäudesanierungsprogramms sicherstellen; weitere Maßnahmen können erforderlich sein, um das jährliche 2%-Ziel zu
erreichen; alle Anreize sollten mit ehrgeizigen Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz verbunden werden und Wirtschaftsindikatoren in jährlichen Evaluierungsmechanismen umfassen;
53
3. Energieeffizienz
 weiter von Steuervergünstigungen für den Industriesektor abrücken und sich stattdessen auf Anforderungen in Bezug auf das Energiemanagement und die Erfassung
von identifizierten Energieeinsparmöglichkeiten konzentrieren; sie sollte die besten
Unternehmen belohnen und den Kapazitätsaufbau in KMU durch Zuschüsse aus dem
Energie- und Klimafonds unterstützen;
54
© OECD/IEA, 2013
 verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die Energieeffizienz im Verkehrssektor
zu verbessern, indem Anreize für eine modale Verlagerung im Personen- und Güterverkehr gesetzt werden; sie sollte in Erwägung ziehen, die Energieverbrauchskennzeichnung von Pkw besser mit dem Kfz-Steuersystem in Einklang zu bringen und
Straßenbenutzungsgebühren für Pkw einzuführen.
4. Klimawandel
4. KLIMAWANDEL
Eckdaten (2010)
Treibhausgasemissionen insgesamt (ohne Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft)*: 916,8 Mio. t CO2-eq, -26,4% seit 1990
Ziel für 2008-2012: -21% gegenüber 1990
CO2-Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz: 747,6 Mio. t, -21,3% seit 1990
Emissionen nach Energieträgern: Kohle 41,6%, Öl 34,2%, Erdgas 21,8%, Sonstige 2,4%
Emissionen nach Sektoren: Strom- und Wärmeerzeugung 43,4%, Verkehr 19,9%,
Verarbeitendes Gewerbe und Bauwirtschaft 15,3%, Wohngebäude 11,9%, gewerbliche
und sonstige Dienstleistungen 9,5%
*Quelle: Umweltbundesamt.
ÜBERBLICK
Die Bundesrepublik ist der größte Verursacher von Treibhausgasemissionen in der
Europäischen Union und der drittgrößte Emittent unter den IEA-Mitgliedern nach den
Vereinigten Staaten und Japan. Es ist ihr gelungen, Treibhausgasemissionen und
Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Die Emissionen aller Wirtschaftszweige sind seit
dem Jahr 2000 zurückgegangen, und das Land hat sich mit seinem Energiekonzept
ambitionierte Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen gesetzt: -40% bis
2020, -55% bis 2030, -70% bis 2040 und -80% bis -95% bis 2050.
ZIELVORGABEN
Deutschland gehört zu den wenigen Annex-I-Staaten des Rahmenübereinkommens der
Vereinten Nationen über Klimaänderungen, die ihre mit der Unterzeichnung des KyotoProtokolls eingegangenen Verpflichtungen ausschließlich durch eine Reduzierung der
inländischen Treibhausgasemissionen erfüllen. Die inländischen Treibhausgasemissionen
gingen zwischen 2000 und 2011 um 11,8% zurück und lagen 2011 26,4% unter dem
Stand des im Kyoto-Protokoll festgelegten Basisjahres, d.h. bei 936,5 Millionen Tonnen
CO₂-Äquivalenten (Mio. t CO₂-eq) im Vergleich zu 1 246,1 Mio. t CO₂-eq. Zwischen 2011
und 2012 sind die Treibhausgasemissionen laut den ersten vorläufigen Berechnungen
und Schätzungen des Umweltbundesamts (UBA) um 1,6% von 916,8 Mio. t CO2-eq auf
931 Mio. t CO2-eq gestiegen 6.
© OECD/IEA, 2013
Im Rahmen des Kyoto-Protokolls hat sich Deutschland verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2008-2012 im Vergleich zum Basisjahr um durchschnittlich
21% zu senken. Den neuesten amtlichen Daten zufolge waren die Treibhausgasemissionen 2011 mit 916,8 Mio. t CO₂-eq um 2,8% niedriger als 2010 (943,8 Mio. t CO₂-eq),
6. Presseinformation Nr. 09/2013, Umweltbundesamt, 25. Februar 2013.
55
4. Klimawandel
womit sie um 27% unter dem Stand des Basisjahres lagen 7. Dieser Emissions-rückgang
war vor allem dem Energiesektor zuzuschreiben, der mit -28,6 Mio. t CO₂-eq dazu
beitrug.
Deutschland hat sich auch im Rahmen des Klima- und Energiepakets der EU zu einer
Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 verpflichtet. Mit der Lastenteilungsentscheidung (Effort Sharing Decision) wurden verbindliche jährliche Treibhausgasemissionsziele für die EU-Mitgliedstaaten im Zeitraum 2013-2020 festgelegt. Diese Ziele
beziehen sich auf die Emissionen der Mehrzahl der Sektoren, die nicht vom EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) betroffen sind, z.B. Verkehr (ohne Luftfahrt), Gebäude, Landwirtschaft und Abfälle. Die Lastenteilungsentscheidung setzt nationale Emissionsziele für
das Jahr 2020, die als prozentuale Veränderung im Vergleich zum Stand von 2005
ausgedrückt sind. Sie erläutert auch, wie die nationalen Grenzwerte in Tonnen pro Jahr
für den Zeitraum 2013-2020 zu berechnen sind.
Deutschland ist nach der Lastenteilungsentscheidung verpflichtet, die Emissionen der
nichtexportorientierten Sektoren bis 2020 im Vergleich zu 2005 um 14% zu senken. Laut
dem letzten Bericht der Europäischen Umweltagentur dürfte Deutschland seine Ziele für
2020 in den Sektoren, die nicht am EU-Emissionshandel teilnehmen, mit dem derzeitigen
innerstaatlichen Politik- und Maßnahmenkatalog erreichen 8. Eine kostenlose Zuteilung
von Emissionsberechtigungen für Betreiber von Stromerzeugungsanlagen wird es in der
dritten Handelsperiode (2013-2020) nicht mehr geben. Dies hat die Europäische
Umweltagentur (EUA) angekündigt, bei der auch die Deutsche Emissionshandelsstelle
(DEHSt) angesiedelt ist. Zwischen 2013 und 2020 werden etwa 1 700 Anlagen insgesamt
rd. 1,4 Milliarden Emissionszertifikate kostenlos zugeteilt werden.
Am 28. September 2010 hat das Bundeskabinett das Energiekonzept beschlossen und
strategische Ziele für die langfristige Energie- und Klimapolitik Deutschlands gesetzt.
Das Energiekonzept wurde 2011 nach dem Reaktorunfall in Fukushima Daiichi, zu dem
es im früheren Jahresverlauf gekommen war, aktualisiert. Das Energiekonzept sieht
vor, dass die Treibhausgasemissionen bis 2020 im Vergleich zum Stand von 1990 um
40% und dann bis 2030 weiter um 55%, bis 2040 um 70% und bis 2050 um 80-95%
gesenkt werden müssen (jeweils wieder im Vergleich zu 1990). Den jüngsten
Projektionen zufolge wird es Deutschland mit den derzeitigen Maßnahmen gelingen,
eine erhebliche Verringerung seiner inländischen Treibhausgasemissionen zu erzielen,
allerdings werden zusätzliche Maßnahmen notwendig sein, um das 40%-Reduktionsziel
bis 2020 ganz zu erreichen.
ENERGIEBEDINGTE CO2-EMISSIONEN
CO2-EMISSIONSQUELLEN
7. Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2013. Nationaler
Inventarbericht Zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990-2011, Umweltbundesamt, Januar 2013.
8. EEA Report No 6/2012, Greenhouse gas emission trends and projections in Europe 2012 – Tracking progress towards Kyoto
and 2020 targets, Europäische Umweltagentur, Oktober 2012.
56
© OECD/IEA, 2013
2011 handelte es sich beim Großteil (81,5%) der Treibhausgasemissionen in Deutschland
um CO2-Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz. Der Anteil der Emissionen aus dem
Brennstoffeinsatz an den gesamten Treibhausgasemissionen hat sich seit 1990 von
76,2% auf 81,5% erhöht, was bedeutet, dass die CO2-Emissionen aus dem Brenn-
4. Klimawandel
stoffeinsatz langsamer gesunken sind als die Treibhausgasemissionen insgesamt.
Deutschland hat seine CO2-Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz seit 1990 um 21,3%
bzw. von 949,7 Mio. t im Jahr 1990 auf 747,6 Mio. t im Jahr 2011 reduziert.
Über 75% der CO2-Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz stammen aus der Verbrennung
von Kohle und Öl: 41,6% bzw. 34,2% im Jahr 2011 (Abb. 8). Die CO2-Emissionen aus der
Nutzung dieser Energieträger sind seit 1990 gesunken, für Kohle um 38,4% und für Öl um
20,6%. Der Anteil von Kohle und Öl an den Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz ist
gegenüber den 1990 verzeichneten 87,1% insgesamt zurückgegangen. Dieser Rückgang
der Emissionen aus der Nutzung von Kohle und Öl fällt zeitlich mit einer Abnahme der
Gesamtenergieerzeugung aus diesen beiden fossilen Energieträgern während der letzten
zwei Jahrzehnte zusammen; letztere ist von 249,9 Mio. t RÖE im Jahr 1990 auf 179,3 Mio. t
RÖE im Jahr 2011 gesunken.
Der Erdgasverbrauch war 2011 für ungefähr 163 Mio. t CO2-Emissionen verantwortlich,
was 21,8% der energiebedingten Emissionen entsprach. Dies waren 38% mehr als 1990, als
auf Erdgas mit 118 Mio. t CO2 12,4% der Gesamtemissionen entfielen. Die Anwendungs- und
Nutzungsformen von Erdgas wurden im Lauf der Jahre weiterentwickelt und ausgeweitet, was zu einer Zunahme der durch diesen Energieträger bedingten Emissionen
führte. Ein ähnlicher Trend war bei der Nutzung von Abfällen für die Energieerzeugung
festzustellen, wo das Gesamtemissionsvolumen zwischen 1990 und 2011 von 4,5 Mio. t
CO2 auf 17,6 Mio. t CO2 gestiegen ist, was sich aus der stärkeren Nutzung dieser
Energiequelle erklärt.
Abbildung 8 CO2-Emissionen nach Energieträgern*, 1973-2011
* Schätzungen auf der Basis des IPCC-Sektoransatzes.
** Sonstige umfasst Industrieabfälle und nicht biogene Siedlungsabfälle.
© OECD/IEA, 2013
Quelle: CO2 Emissions from Fuel Combustion, IEA/OECD, Paris, 2012, sowie von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
57
4. Klimawandel
Abbildung 9 CO2-Emissionen nach Sektoren*, 1973-2011
* Schätzungen auf der Basis des IPCC-Sektoransatzes.
** Sonstige umfassen Emissionen aus gewerblichen und öffentlichen Dienstleistungen sowie Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft.
Quelle: CO2 Emissions from Fuel Combustion, IEA/OECD, Paris, 2012, sowie von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
Der Kraftwerkssektor verursachte 2011 43,4% der energiebedingten Emissionen (Abb. 9).
Die Strom- und Wärmeerzeugung in Deutschland weist eine mittlere CO2-Intensität auf, da
es sich bei über 50% der verwendeten Energieträger um Kohle, Erdgas und Öl handelt.
Der Anteil des Kraftwerkssektors an den CO2-Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz ist in
den vergangenen zwei Jahrzehnten gegenüber den 1990 verzeichneten 39,1% etwas
gestiegen, was darauf hindeutet, dass die Emissionen aus der Strom- und Wärmeerzeugung im Vergleich zu den Treibhausgasemissionen insgesamt langsamer reduziert
wurden. Ein ähnlicher Trend war im Verkehrssektor festzustellen, auf den 2011 19,9% der
energiebedingten Emissionen entfielen, gegenüber 16,6% im Jahr 1990. Die Emissionen
des Verkehrssektors sind seit 1990 um 5,6% zurückgegangen, während die CO2-Emissionen
aus dem Brennstoffeinsatz insgesamt im gleichen Zeitraum um 21,3% gesunken sind.
Auf das Verarbeitende Gewerbe und die Bauwirtschaft entfielen 2011 15,3% der CO2Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz, weniger als 1990 (18,9%). Der Anteil der gewerblichen und sonstigen Dienstleistungen an den energiebedingten Emissionen ist in den
vergangenen zwei Jahrzehnten ebenfalls zurückgegangen: von 12% im Jahr 1990 auf
9,5% im Jahr 2011. Der Wohngebäudesektor war 2011 für 11,9% der energiebedingten
Emissionen verantwortlich, was etwas weniger war als 1990 (13,4%).
CO2-INTENSITÄT
58
© OECD/IEA, 2013
Deutschland hat 2011 0,26 t CO2 je 1 000 US-$ seines BIP ausgestoßen (umgerechnet auf
Basis von Kaufkraftparitäten – KKP) (Abb. 10). Dies waren 19,2% weniger als der
Durchschnittswert aller IEA-Mitgliedsländer, aber 8% mehr als der Durchschnittswert der
europäischen IEA-Mitglieder.
4. Klimawandel
Abbildung 10 Energiebedingte CO2-Emissionen im Verhältnis zum BIP in Deutschland und in anderen
IEA-Ländern, 1973-2011
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und National Accounts of OECD Countries, OECD Paris, 2012.
Seit 1990 hat Deutschland die CO2-Intensität seiner Wirtschaft kontinuierlich um insgesamt fast 40% reduziert. Demgegenüber ist die CO2-Intensität der IEA-Mitglieder
insgesamt im gleichen Zeitraum nur um 30,3% gesunken. Damit konnte Deutschland
seine Position unter den IEA-Ländern mit der höchsten CO2-Intensität von Platz 10 im
Jahr 1990 auf Platz 17 im Jahr 2011 verbessern.
Die CO2-Intensität der Strom- und Wärmeerzeugung ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten ebenfalls gesunken. 2011 emittierte der Kraftwerkssektor 443 Gramm CO2 je
Kilowattstunde (g/kWh) Strom und Wärme, womit die Emissionen dieses Sektors seit
1990 um 19,8% zurückgegangen sind.
TRENDS UND PROJEKTIONEN
TREIBHAUSGASEMISSIONEN
© OECD/IEA, 2013
Der Fünfte Nationale Bericht der Regierung der Bundesrepublik Deutschland unter der
Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll enthält eine
Reihe von Projektionen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Szenarien „mit
Maßnahmen“. In diesen Szenarien sind die Maßnahmen berücksichtigt, die bereits
umgesetzt wurden oder deren Umsetzung beschlossen wurde bzw. in näherer Zukunft
erfolgen wird. Dazu gehören die von der Politik beschlossene Verringerung der
Bedeutung der Kernenergie sowie eine klare Abnahme der Abhängigkeit von der
Kohleverstromung; nicht berücksichtigt sind hingegen die 2011 erfolgten Änderungen
des Energiekonzepts.
Dementsprechend wird im fünften Nationalen Bericht von einem Rückgang der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2005-2020 um rd. 15,4% ausgegangen. Im Vergleich
zum Jahr 1990, dem Basisjahr des Kyoto-Protokolls, entspricht dies einer Emissionsminderung um 31,1%. Der größte Teil dieser Verringerung betrifft die CO₂-Emissionen,
auf die über 80% des Gesamtrückgangs des Emissionsvolumens entfallen.
59
4. Klimawandel
Tabelle 3 Aufschlüsselung der Treibhausgasemissionen insgesamt im Szenario „mit Maßnahmen“,
nach Treibhausgasarten, 2000-2020
Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
2000
2005
2010
2015
2020
Kohlendioxid (CO2)
883.4
876.9
829.4
800.5
754.6
Methan (CH4)
64.7
47.7
40.6
35.8
31.2
Distickstoffmonoxid (N2O)
59.1
65.5
59.5
50.6
49.8
Fluorkohlenwasserstoffe (FKW)
6.5
9.9
12.3
11.2
10.1
Perfluorkohlenwasserstoffe (PFKW)
0.8
0.7
0.4
0.4
0.4
Schwefelhexafluorid (SF6)
5.1
3.4
2.4
2.9
3.5
1 019.5
1 004
944.7
901.5
849.6
Im Vergleich zu 2005
1.5%
-
-5.9%
-10.2%
-15.4%
Im Vergleich zu 1990
-17%
-18.2%
-23.1%
-26.6%
-30.8%
-17.3%
-18.5%
-23.3%
-26.9%
-31.1%
24.8
29.3
33.2
37.7
42.8
Insgesamt
Im Vergleich zum Basisjahr
Internationale Bunker (internationale Luft- und Seeschifffahrt)
Anmerkung: Für Kohlendioxid, Methan und Distickstoffmonoxid ist das Basisjahr 1990. Für FKW, PFKW und SF6 ist das Basisjahr 1995.
Quelle: Fifth National Report of the Government of the Federal Republic of Germany (Fifth National Communication) to the UNFCCC,
Bundesregierung, 2012.
Was die Veränderungen auf Ebene der verschiedenen Sektoren anbelangt, entfiel
nahezu die Hälfte der Emissionsminderung auf den Energiesektor, insbesondere die
Stromerzeugung. Den zweitgrößten Beitrag leistete der Verkehrssektor, und die drittgrößte Emissionsminderung wurde im Bereich der prozessbedingten Treibhausgasemissionen erzielt. Eine Emissionsminderung um rd. 18% wurde in den Endverbrauchssektoren (ohne Industrie) und im Bereich der Energieumwandlung erreicht.
INSTITUTIONEN
Weitere Ministerien sind für verwandte Bereiche verantwortlich. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ist für die Energiepolitik (ohne erneuer-
60
© OECD/IEA, 2013
Die Klimapolitik fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) ist hier das
federführende Ressort und für die Koordination der Klimapolitik verantwortlich. Das
BMU befasst sich in erster Linie mit Grundsatzfragen der Umweltpolitik einschließlich
des Klimaschutzes, den Wechselbeziehungen zwischen Umwelt- und Energiepolitik, dem
sparsamen Umgang mit Rohstoffen und Energie, dem Schutz der menschlichen
Gesundheit vor Umweltbelastungen sowie der internationalen Zusammenarbeit. Es führt
die Aufsicht über den Emissionshandel, kümmert sich um die nationale und die
internationale Klimaschutzinitiative, befasst sich mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung
(CCS), Abfällen und Ressourceneffizienz, biologischer Vielfalt, dem internationalen
Schutz von Waldsenken, der Anpassung an den Klimawandel und der EU-Klimapolitik
und ist für internationale Klimaverhandlungen zuständig. Außerdem liegt in seinem
Zuständigkeitsbereich auch die Politik auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien.
4. Klimawandel
bare Energien) und die Energieeffizienz zuständig, das Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) führt die Aufsicht über die Politik im Verkehrs- und
Gebäudebereich, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist für die
Grundlagenforschung im Bereich Ressourcen- und Energieeffizienz zuständig, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kümmert sich um fiskalische Aspekte der Klimapolitik,
z.B. die Besteuerung, während das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz (BMELV) für die Politik in den Bereichen Landnutzung sowie
Land- und Forstwirtschaft zuständig ist.
Das 1974 eingerichtete Umweltbundesamt (UBA) ist Deutschlands zentrale Umweltbehörde. Die wichtigsten gesetzlichen Aufgaben des UBA sind: die wissenschaftliche
Unterstützung der Bundesregierung, der Vollzug von Umweltgesetzen und die Information der Öffentlichkeit zum Umweltschutz.
In Deutschland gibt es keine regionalen Emissionshandelssysteme. Die Landesregierungen führen jedoch in einigen Fällen zusätzliche klimapolitische Maßnahmen oder
Förderprogramme durch. Einige Bundesländer ebenso wie einige große Kommunen
haben regionale Ziele für die Senkung der Treibhausgasemissionen aufgestellt.
POLITIKEN UND MASSNAHMEN
Deutschland gehört zu den wenigen OECD-Ländern, denen es im letzten Jahrzehnt
gelungen ist, Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen zu entkoppeln. Die
dazu eingesetzten Politiken und Maßnahmen beruhen großenteils auf einem stärkeren
Einsatz erneuerbarer Energien und einer Erhöhung der Energieeffizienz. Eine Rolle
spielten dabei auch das EU-Emissionshandelssystem sowie eine Reihe marktorientierter
Instrumente, wie z.B. Umweltsteuern, bei deren Einsatz die Bundesrepublik Pionierarbeit
geleistet hat (vgl. Kapitel 2 wegen näherer Einzelheiten).
© OECD/IEA, 2013
Abbildung 11 Treibhausgasemissionen und BIP-Wachstum in Deutschland und in den IEA-Ländern
insgesamt, 1995-2010
Quelle: CO2 Emissions from Fuel Combustion, IEA/OECD, Paris, 2012, sowie von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
61
4. Klimawandel
INTEGRIERTES ENERGIE- UND KLIMAPROGRAMM
Im August 2007 beschloss das Bundeskabinett ein ambitioniertes Energie- und
Klimaprogramm mit 29 Eckpunkten, das auf die Steigerung der Energieeffizienz und den
weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien abzielte. Am 5. Dezember 2007 legte das
Bundeskabinett ein umfassendes Maßnahmenpaket mit 14 Gesetzen und Verordnungen
vor. Ein weiteres kleineres Paket mit zusätzlichen Gesetzentwürfen folgte im Mai 2008.
Das Programm verband Änderungen im Gesetzesrahmen mit Investitionen in FuE.
Tabelle 4 Elemente des Integrierten Energie- und Klimaprogramms und THG-Emissionsminderungsziele
Maßnahme
Jährliche Emissionsminderung bis 2020
Senkung des Stromverbrauchs
40 Mio. t CO₂-eq
Modernisierung fossiler Kraftwerke
30 Mio. t CO₂-eq
Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
55 Mio. t CO2-eq
Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung
20 Mio. t CO2-eq
Gebäudesanierung und moderne Heizungsanlagen
41 Mio. t CO2-eq
Wärmeeinsparung in Produktionsprozessen
n.v.
Wärme aus erneuerbaren Energien
14 Mio. t CO2-eq
Energiesparmaßnahmen im Verkehr
30 Mio. t CO₂-eq
Sonstige THG-Emissionsminderungsmaßnahmen
40 Mio. t CO₂-eq
Emissionsminderung insgesamt
270 Mio. t CO2-eq
Quelle: Fifth National Report of the Government of the Federal Republic of Germany (Fifth National Communication) to the UNFCCC,
Bundesregierung, 2012.
Die beschlossenen Maßnahmen sollten beweisen, dass Klimaschutz sowohl bezahlbar als
auch mit Wirtschaftswachstum vereinbar ist. Aus diesen Grund entschied sich die
Bundesregierung für Maßnahmen, die gute Ergebnisse in Bezug auf die Senkung der
CO₂-Emissionen bringen, dies aber auf so kostengünstige Weise wie möglich. Ein entscheidender Aspekt des Integrierten Energie- und Klimaprogramms war die Förderung
von Forschung und Innovation in der Energietechnologie, auf der Angebots- wie auch
der Nachfrageseite. Im Mai 2008 beschloss das Bundeskabinett das zweite Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Integrierten Energie- und Klimaprogramms. Die sieben
Gesetze und Verordnungen dieses zweiten Pakets waren auf die Steigerung der
Energieeffizienz ausgerichtet.
62
© OECD/IEA, 2013
Ziel des Programms war eine Reduktion der deutschen Treibhausgasemissionen gegenüber
dem Stand von 1990 um 40% bis 2020. Das Programm zeichnete zwar keinen langfristigen
Entwicklungspfad bis 2050 auf, sah jedoch eine Senkung der deutschen Treibhausgasemissionen um 40% gegenüber 1990 als Beitrag zur globalen Emissionsminderung bzw. eine
Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf mindestens
30% bis 2020 vor. Das Programm gründete sich auf die Überzeugung, dass Energie
wesentlich effizienter genutzt werden müsse, als dies zu diesem Zeitpunkt der Fall war, und
dass wesentlich größeres Gewicht auf die Nutzung CO₂-armer Energie gelegt werden müsse.
4. Klimawandel
DAS ENERGIEKONZEPT
Im September 2010 hat die Bundesregierung das Energiekonzept beschlossen, das vom
BMU und vom BMWi gemeinsam ausgearbeitet wurde und die energiepolitische
Ausrichtung Deutschlands bis 2050 beschreibt. Im Juni 2011 wurde im Anschluss an die
vor dem Hintergrund des Reaktorunfalls im japanischen Fukushima Daiichi getroffene
Entscheidung, den Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland zu beschleunigen, ein
überarbeitetes Energiekonzept beschlossen. Unter Berücksichtigung dieser Überarbeitung wurden die Maßnahmen des Energiekonzepts ergänzt und ihre Umsetzung
beschleunigt. Das überarbeitete Energiekonzept legt die wichtigsten strategischen, langfristigen Ziele der deutschen Energie- und Klimapolitik fest.
Das Energiekonzept gründet sich auf die Zusicherung der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40% und bis 2050 um mindestens 80% zu mindern. Es
erläutert, dass die Verwirklichung des für 2050 gesetzten Ziels bis 2030 eine Emissionsminderung um 55% und bis 2040 um 70% impliziert. Das Konzept will spezifische strategische Ziele setzen, um eine langfristige Orientierung vorzugeben, und gleichzeitig die für
neue technische und wirtschaftliche Entwicklungen notwendige Flexibilität sichern.
Dabei wurden folgende Ziele gesetzt:

Die Treibhausgasemissionen sollen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 bis 2020 um
40%, bis 2030 um 55%, bis 2040 um 70% und bis 2050 um 80-95% gesenkt werden.

Der Primärenergieverbrauch soll bis 2020 um 20% und bis 2050 um 50% sinken.

Die Energieproduktivität soll bezogen auf den Endenergieverbrauch jährlich um 2,1%
gesteigert werden.

Der Stromverbrauch soll im Vergleich zu 2008 bis 2020 um 10% und bis 2050 um
25% vermindert werden.

Der Wärmebedarf des Gebäudebestands soll bis 2020 gegenüber 2008 um 20%
reduziert werden, und der Primärenergiebedarf soll bis 2050 um 80% sinken.

Der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch soll bis 2020 auf
18% und bis 2030 auf 30%, bis 2040 auf 45% und bis 2050 auf 60% erhöht werden.

Bis 2020 soll der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 35% betragen, und bis 2030 soll dieser Anteil auf 50%, bis 2040 auf
65% und bis 2050 auf 80% ansteigen.
© OECD/IEA, 2013
EU-EMISSIONSHANDELSSYSTEM (EU-ETS)
Das 2003 mit der Richtlinie 2003/87/EG eingerichtete Emissionshandelssystem ist ein
verbindliches Cap-and-Trade-System, in dem die CO₂-Emissionen von Anlagen in zehn
energieintensiven Sektoren erfasst sind: Feuerungsanlagen (Strom- und Wärmeerzeugung), Mineralölraffinerien, Kokereien, Röst- und Sinteranlagen für Metallerz sowie
Anlagen für die Herstellung von Stahl, Zementklinker, Kalk, Glas, keramischen Erzeugnissen sowie Zellstoff und Papier. Das EU-Emissionshandelssystem nahm 2005 seine
Tätigkeit auf, und die erste Handelsperiode lief bis Ende 2007. Die zweite Handelsperiode erstreckte sich über den Zeitraum 2008-2012. Die Anlagen können ihren Verpflichtungen im Rahmen des EU-ETS entweder nachkommen, indem sie selbst Maßnahmen zur Emissionsminderung treffen, indem sie Emissionsberechtigungen von anderen
am EU-ETS teilnehmenden Anlagen kaufen oder indem sie Emissionsgutschriften im
Rahmen der flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls erwerben (Joint Implementation
oder Clean Development Mechanism).
63
4. Klimawandel
Das EU-ETS ist vor kurzem in die dritte Handelsperiode eingetreten, die von 2013 bis
2020 läuft. Diese dritte Phase unterscheidet sich deutlich von den vorangegangenen, da
mit ihr ein einziges EU-weites Cap für die emissionshandelspflichtigen Anlagen
eingeführt wurde. Dieses Cap wird auf der Basis einer 1,74%igen Verringerung pro Jahr
ab 2010 berechnet, womit es bis 2020 um insgesamt 21% gegenüber 2005 sinken wird.
Die zentrale Methode für die Zuteilung der Emissionsberechtigungen ist die
Versteigerung und nicht mehr die kostenlose Zuteilung. 2013 werden über 40% der
Emissionsberechtigungen versteigert werden, und dieser Anteil wird sich jedes Jahr
weiter erhöhen. Für den Stromerzeugungssektor gibt es ab 2013 keine kostenlose
Zuteilung von Emissionsberechtigungen mehr. Für die Luftfahrt gilt eine gesonderte
Emissionsobergrenze. Für die Sektoren, denen weiterhin kostenlos Emissionsberechtigungen zugeteilt werden, wie die Industrie und die Wärmeerzeugung, gelten harmonisierte
Zuteilungsregeln, die sich an EU-weiten Benchmarks für die Emissionsminderung orientieren.
Der Nationale Allokationsplan der Bundesrepublik Deutschland für die zweite
Handelsperiode des EU-ETS (2008-2012) sah die Allokation von insgesamt 453 Millionen
Zertifikaten pro Jahr vor. 9% davon waren jährlich zur Versteigerung bestimmt.
Am 24. August 2011 beschloss das Bundeskabinett die Zuteilungsverordnung 2020, mit
der die EU-Bestimmungen für die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen
in der Handelsperiode 2013-2020 in deutsches Recht umgesetzt wurden. Diese Verordnung gestattet es der Bundesregierung, in der Handelsperiode 2013-2020 energieintensiven Industrie- und Wärmeerzeugungsanlagen Emissionsberechtigungen kostenlos zuzuteilen. Die Zahl der kostenlos zugeteilten Emissionsberechtigungen ist geringer
als in den vorherigen Handelsperioden, da die Stromerzeugung von der kostenlosen
Zuteilung ausgeschlossen wurde. Viele Anlagen werden eine Zuteilung erhalten, die auf
produktbezogenen Emissionswerten basiert. Diese „Produkt-Benchmarks“ wurden EUweit festgelegt und orientieren sich an den effizientesten 10% der Anlagen in Europa.
Ineffiziente Anlagen müssen daher künftig verstärkt Emissionsberechtigungen zukaufen.
Anlagen in Sektoren mit hohem Verlagerungsrisiko – sogenanntes „Carbon-Leakage“Risiko – werden den Großteil ihrer Emissionsberechtigungen kostenlos zugeteilt
bekommen. Bei anderen Anlagen verringert sich die Zuteilung zwischen 2013 und 2020
schrittweise von 80% auf 30% der Ausgangsmenge.
MASSNAHMEN IM VERKEHRSSEKTOR
Ökologische Steuerreform
Das Gesetz sorgte für eine Anhebung der Steuersätze in vier weiteren Schritten zwischen
dem 1. Januar 2000 und dem 1. Januar 2003, seitdem sind die Steuersätze jedoch
unverändert geblieben. Ein entscheidendes Merkmal der ökologischen Steuerreform war
die Verwendung eines großen Teils der mit ihr erzielten Einnahmen – bis zu 90% – zur
Finanzierung einer Senkung der Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitgeber und Arbeit-
64
© OECD/IEA, 2013
Deutschland war eines der ersten IEA-Mitgliedsländer, das erfolgreich eine ökologische
Steuerreform umgesetzt hat. Die Reform begann im April 1999 mit der Verabschiedung
des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999, mit dem
eine schrittweise Anhebung der Steuern auf fossile Energieträger eingeleitet und eine
Steuer auf den Stromverbrauch eingeführt wurde. Mit dieser Steuerreform wurden zwei
Ziele verfolgt: Zum einen sollten die CO2-Emissionen gesenkt, und zum anderen sollte die
Arbeitsplatzschaffung gefördert und die Innovationstätigkeit angekurbelt werden.
4. Klimawandel
nehmer. Ein ergänzendes Merkmal war die Schaffung von Sonderregelungen für energieintensive Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, die dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Die derzeitigen Regelsteuersätze für die wichtigsten Energieerzeugnisse sind in Tabelle 5 wiedergegeben.
Tabelle 5 Regelsteuersätze für Energieerzeugnisse
Energieerzeugnis
Steuersatz
Kraftstoffe
Benzin
654,5 Euro je 1 000 Liter
Diesel
470,4 Euro je 1 000 Liter
Heizbrennstoffe
Heizöl
Flüssiggas aus Raffinerien (Autogas)
61,35 Euro je 1 000 Liter
60,6 Euro je 1 000 kg
Erdgas
5,5 Euro je 1 000 MWh
Strom
20,50 je MWh
Quelle: BMWi.
Die ökologische Steuerreform hat zur Verringerung des Energieverbrauchs und der
Treibhausgasemissionen beigetragen, insbesondere im Verkehrssektor, wo die Emissionen
trotz eines stärkeren Straßenverkehrsaufkommens deutlich gesunken sind. Zwischen 2000
und 2010 ist das in Lastkraftwagen transportierte Gütervolumen in Deutschland um fast
12% gestiegen, während die Zahl der Personenkilometer um 7% zugenommen hat 9. Die
Umweltsteuern im Verkehrssektor (Mineralölsteuer und sonstige Abgaben) beliefen sich
im Verhältnis zur Gesamtbesteuerung 2010 auf 4%, gegenüber 5,2% im Jahr 2005. Um
einen zusätzlichen Anreiz zur Steigerung der Energieeffizienz im Verarbeitenden
Gewerbe zu schaffen, wurde die Gewährung des Spitzenausgleichs für Unternehmen mit
Wirkung ab 2013 an die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der
Energieeffizienz geknüpft, z.B. die Einführung von Energiemanagementsystemen oder
die Einhaltung von Energieeffizienzzielen.
© OECD/IEA, 2013
Dennoch weist der Mechanismus trotz der Vorteile der Umweltsteuern inhärente
Schwächen auf, die deren Wirkungspotenzial verringern. Die Anwendung der Steuern
wirkt gelegentlich willkürlich; es besteht keine Korrelation zwischen dem Emissionsniveau und der Höhe der erhobenen Steuern. Der Steuersatz für Diesel gilt in
Deutschland für gewerblich ebenso wie privat genutzte Fahrzeuge. Um den daraus
resultierenden Steuervorteil für privat genutzte Dieselfahrzeuge auszugleichen, ist die
auf sie zu entrichtende Kraftfahrzeugsteuer doppelt so hoch wie die auf Benzinfahrzeuge. Für die Mehrzahl der Autobesitzer mit durchschnittlicher jährlicher
Kilometerzahl wird der Kraftstoffsteuervorteil eines Dieselfahrzeugs dadurch vollkommen aufgewogen. Ein weiteres Problem ist, dass die Sätze seit 2003 unverändert
geblieben sind, auch wenn es in jüngerer Zeit (2011) zu gewissen Änderungen
gekommen ist.
9. EU Transport in Figures; Statistical Pocketbook 2012, Europäische Union, 2012.
65
4. Klimawandel
Abbildung 12 CO2-Emissionen des Verkehrssektors in Deutschland und in anderen IEA-Ländern,
1990-2011
Quelle: CO2 Emissions from Fuel Combustion, IEA/OECD, Paris, 2012, sowie von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
Kraftfahrzeugsteuern
Das Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) wurde 2009 zur Berücksichtigung der Höhe der
CO2-Emissionen novelliert. Um Anreize für die Anschaffung von Pkw mit geringem CO2Ausstoß zu schaffen (maximal 120g/km), entfällt für solche Fahrzeuge der an den CO2Emissionen orientierte Teil der Kraftfahrzeugsteuer. Die entsprechende Obergrenze
wurde für 2012 und 2013 neu zugelassene Pkw auf 110 g/km abgesenkt, und sie wird für
2014 neu zugelassene Pkw weiter auf 95 g/km sinken.
Für Eigentümer von Dieselfahrzeugen der Abgasnorm Euro 6, die zwischen 2011 und
2013 erstzugelassen wurden, ist eine Steuerbefreiung in Höhe von 150 Euro vorgesehen.
Um einen Anreiz für die Anschaffung von Elektro-Pkw zu schaffen, wurde eine auf fünf
Jahre befristete Steuerbefreiung für diese Fahrzeuge eingeführt. Diese Steuerbefreiung
wurde nun für alle zwischen dem 18. Mai 2011 und Ende 2015 neu zugelassenen
Elektrofahrzeuge auf zehn Jahre verlängert.
2009 sanken die CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen um 6,4%. Im Juli 2009 lag die Zahl
der neu zugelassenen Pkw mit einem CO2-Emissionswert, bei dem Anspruch auf die
Steuerbefreiung besteht, um 175,2% höher als im gleichen Monat des Vorjahres. Demgegenüber ist die Zahl der Neuzulassungen von Pkw mit hohen CO2-Emissionswerten
gesunken.
Um im Interesse des Umwelt- und Klimaschutzes die Nutzung gasbetriebener Fahrzeuge
zu fördern, sieht das Energiesteuergesetz bis zum 31. Dezember 2018 ermäßigte
Steuersätze für als Kraftstoff genutztes Erd- und Flüssiggas vor. Für Erdgas beträgt der
Steuersatz 13,90 Euro/MWh (statt 31,80/MWh) und für Flüssiggas 180,32 Euro/1 000 kg
(statt 409 Euro/1 000 kg).
66
© OECD/IEA, 2013
2005 wurde die streckenbezogene Maut für schwere Nutzfahrzeuge auf Bundesautobahnen und auf einigen stark befahrenen Bundesfernstraßen geändert, um die
Emissionsklassen der Fahrzeuge zu berücksichtigen.
4. Klimawandel
Das Abwrackprämienprogramm des Jahres 2009
Im Januar 2009 beschloss die Bundesregierung im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets ein Programm zur Finanzierung einer Umweltprämie in Höhe von 2 500 Euro.
Diese Prämie wurde auf Antrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
(BAFA) einmalig für den Kauf eines Neufahrzeugs oder Jahreswagens gewährt, wenn der
Käufer nachweisen konnte, dass er im Gegenzug ein mindestens neun Jahre altes
Fahrzeug verschrotten ließ. Mit dieser Prämie sollte erreicht werden, dass alte Pkw mit
hohen Abgaswerten durch neuere, effizientere Fahrzeuge ersetzt werden. Angesichts
der sehr hohen Nachfrage wurde der Finanzrahmen auf 5 Mrd. Euro ausgeweitet.
Sonstige steuerliche Maßnahmen im Verkehrssektor
Um die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Personennahverkehrs zu erhöhen, wird
eine Steuerentlastung für in Straßen- und Schienenfahrzeugen des ÖPNV eingesetzte
Kraftstoffe (Benzin, Diesel, Flüssiggas, Erdgas) gewährt. Der Entlastungssatz für Erdgas
beläuft sich auf 1,0 Euro/MWh bezogen auf den vorstehend genannten Steuersatz. Der
Gesamtumfang dieser Subventionen betrug 2011 Schätzungen zufolge 71 Mio. Euro.
Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung
Die 2004 – im Rahmen der Richtlinie 99/94/EG – eingeführte und 2011 novellierte PkwEnergieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) verpflichtet die Verkäufer
neuer Pkw, Informationen über deren Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen zu
liefern. Mit der Novellierung des Jahres 2011 wurde zusätzlich zu den bereits
existierenden Zahlenangaben zu den CO2-Werten eine farbige CO2-Effizienzskala eingeführt. Zusätzlich zu den Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zur Effizienz muss
die Kennzeichnung in Zukunft auch über die Jahressteuer und die durchschnittlichen
Energieträgerkosten (Kraftstoff und Strom) informieren, um dem Verbraucher mit
ergänzenden Informationen bei seiner Kaufentscheidung zu helfen.
SONSTIGE MASSNAHMEN UND INITIATIVEN
Internationale Maßnahmen
Deutschland erreicht sein Kyoto-Ziel einer Verringerung der Treibhausgasemissionen im
Zeitraum 2008-2012 um 21% im Vergleich zum Basisjahr durch inländische Maßnahmen.
Was die Verwirklichung seiner Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen in
der Zeit nach 2012 betrifft, plant Deutschland derzeit nicht, auf internationale flexible
Mechanismen zurückzugreifen.
© OECD/IEA, 2013
Der Energie- und Klimafonds
Die Bundesregierung hat 2010 zur Unterstützung der Umsetzung des Energiekonzepts
ein Sondervermögen eingerichtet, den Energie- und Klimafonds zur Finanzierung
nationaler und internationaler klimabezogener Ausgaben. Zum Zeitpunkt seiner Einrichtung wurde davon ausgegangen, das ungefähr 20% der Einnahmen des neuen Fonds
aus der Kernenergiewirtschaft kommen würden, während die übrigen 80% mit der
Versteigerung von CO2-Zertifikaten erzielt werden sollten. Nach der 2011 getroffenen
Entscheidung, aus der Kernenergie auszusteigen, wurden die Finanzierungsregelungen
geändert, um dem Einnahmeausfall aus der Kernenergie Rechnung zu tragen. Heute
67
4. Klimawandel
fließen in Deutschland sämtliche Einnahmen aus der Versteigerung von CO2-Zertifikaten
im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems in den Energie- und Klimafonds.
Im März 2012 hat das Bundesfinanzministerium den Fachressorts 452 Mio. Euro zugewiesen und den Verfügungsrahmen für die Zusage neuer Maßnahmen auf rd. 3,9 Mrd.
Euro erhöht.
Die Ausgaben gehen insbesondere in folgende Bereiche:

CO2-Gebäudesanierung;

Elektromobilität;

internationaler Klima- und Umweltschutz;

Energieeffizienz.
Zusätzlich zu den im Bundeshaushalt vorgesehenen Mitteln für die Finanzierung der
Energie- und Klimapolitik wird dem Energie- und Klimafonds eine Gesamtsumme von
schätzungsweise 9,7 Mrd. Euro für den Zeitraum 2013-2016 zur Verfügung stehen.
Internationale Klimafinanzierung
Es bedarf hoher Investitionen, um Entwicklungsländern bei der Senkung ihrer Treibhausgasemissionen sowie der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Deutschland stellt
sich seiner Verantwortung im Hinblick auf die Unterstützung der Finanzierung der
notwendigen Maßnahmen und ist seit langem einer der größten Geber zu Gunsten von
Klimamaßnahmen in Entwicklungsländern und aufstrebenden Volkswirtschaften. In den
letzten Jahren hat die Bundesregierung ihr Engagement in diesem Bereich systematisch
ausgeweitet: 2009 beliefen sich die deutschen Investitionen in den Klimaschutz und die
Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern auf 989 Mio. Euro. In den letzten
Jahren ist dieser Betrag auf 1,4 Mrd. Euro (2012) angewachsen. Der Großteil (fast 90%)
der Finanzierungsmittel wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung
und Zusammenarbeit (BMZ) bereitgestellt; das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) steuert über 10% zum deutschen Beitrag zur
internationalen Klimafinanzierung bei.
Deutschland stellt Finanzmittel für Klimamaßnahmen im Rahmen der bilateralen wie
auch der multilateralen Zusammenarbeit zur Verfügung. Der Großteil der Mittel des BMZ
ist für bilaterale Programme in Ländern bestimmt, in denen Deutschland in der
Entwicklungszusammenarbeit engagiert ist.
Neben den bilateralen Programmen, die Deutschland zusammen mit seinen Partnern
umsetzt, spielen auch multilaterale Mechanismen eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Klimaprojekten in Entwicklungsländern. Der Beitrag des BMZ zu internationalen Fonds und Fazilitäten machte 2010 20-30% der gesamten Klimafinanzierung
aus.
Sonstige Maßnahmen
68
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesregierung hat eine Reihe sonstiger Maßnahmen umgesetzt, die auf eine
Verringerung der Treibhausgasemissionen verschiedener Sektoren abzielen.
4. Klimawandel
Tabelle 6 Sonstige Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen
Maßnahme
Zweck
TreibhausgasEmissionshandelsgesetz
Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz verpflichtet den Energiesektor, energieintensive Branchen sowie Luftfahrtgesellschaften, Berechtigungen für die von ihnen
verursachten CO2-Emissionen vorzulegen. Ein großer Teil dieser Emissionsrechte
(Zertifikate) wird an die Unternehmen versteigert; die Erlöse aus dieser Versteigerung
dienen der Finanzierung von Klimaprogrammen.
Einkommensteuergesetz
Regelt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Handwerkerleistungen für die energetische
Sanierung.
Energiesteuergesetz und
Stromsteuergesetz
Regelt die Besteuerung von Kraftstoffen, Heizbrennstoffen und Strom. Ab 2013 haben
Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes nur noch dann Anspruch auf den
Spitzenausgleich, wenn sie nachweislich ihre Energieeffizienz erhöhen.
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
Schafft den Einspeisevorrang für erneuerbare Energien und sichert einen festen
Vergütungssatz für die regenerative Stromerzeugung.
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz
(EEWärmeG)
Schreibt vor, dass in Neubauten ein bestimmter Teil des Energiebedarfs aus
erneuerbaren Quellen gedeckt werden muss.
Energieeinsparungsgesetz (EnEG)
Energieeinsparverordnung (EnEV)
Legen energetische Anforderungen für Neubauten und die umfassende Modernisierung
bestehender Gebäude fest.
EU-Verordnung zur Verminderung der Setzt Emissionsgrenzwerte für neu zugelassene Personenkraftwagen und leichte
CO2-Emissionen von neu
Nutzfahrzeuge fest (130 g CO2/km).
zugelassenen Kraftfahrzeugen
Kraftfahrzeugsteuer
Besteuerung von Kraftfahrzeugen gemäß ihrer CO2-Emissionen. Mit Wirkung zum 1. Juli
2009 wurde eine an den Emissionswerten und am Hubraum orientierte Berechnungsbasis
eingeführt. Die Änderung betrifft ab dem 1. Juli 2009 neu zugelassene Pkw. Seit 2004
müssen gemäß der europäischen Richtlinie 99/94/EG Zahlenangaben zu den CO2-Werten
geliefert werden, die seit 2011 durch eine farbige CO2-Effizienzskala ergänzt werden
müssen. Zusätzlich zu den Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zur Effizienz muss die
Kennzeichnung in Zukunft auch über die Jahressteuer und die durchschnittlichen
Energieträgerkosten (Kraftstoff und Strom) informieren, um dem Verbraucher mit
ergänzenden Informationen bei seiner Kaufentscheidung zu helfen.
Bundesfernstraßenmautgesetz
Lastkraftwagen mit einem Gewicht von mindestens 12 t müssen auf Bundesautobahnen
und vierspurigen Fernstraßen des Bundes eine Maut entrichten. Diese Maut steigt mit der
Höhe der CO2-Emissionen. Spreizung der Mautsätze für Lastkraftwagen mit einem
zulässigen Gesamtgewicht von mindestens 12 t auf dem stark befahrenen Straßennetz
(für Fahrzeuge mit bis zu drei Achsen: 0,141 Euro/km, 0,169 Euro/km, 0,190 Euro/km
und 0,274 Euro/km je nach Emissionsklasse;
für Fahrzeuge mit vier oder mehr Achsen: 0,155 Euro/km, 0,183 Euro/km, 0,204 Euro/km
und 0,288 Euro/km je nach Emissionsklasse).
Gesetzesrahmen für CCS
(in Vorbereitung)
Regelt die für CO2-Abscheidung, -Transport und -Speicherung geltenden Bestimmungen.
Verordnung zur Verbringung von
Abfällen
Verbietet seit Juli 2005 zur Verringerung der Methanemissionen die Ablagerung
unbehandelter Abfälle auf Deponien.
F-Gase-Verordnung der EU
(wird derzeit überarbeitet)
Soll den Einsatz und das Entweichen von klimaschädlichen fluorierten Treibhausgasen
aus Klimaanlagen verringern.
© OECD/IEA, 2013
Quelle: BMWi, BMU.
69
4. Klimawandel
Sonstige Initiativen
Außer der Bundesregierung haben auch viele Bundesländer eigene Klimaschutzstrategien ausgearbeitet und umgesetzt. Dies beinhaltet:

Umsetzung von Bundes- und EU-Vorschriften und -Förderprogrammen;

Durchführung eigener Projekte, Anstrengungen und Maßnahmen;

Umsetzung eigener Förderprogramme und Erlass einschlägiger eigener Gesetzesbestimmungen.
In den vergangenen Jahren haben die Kommunen einen großen Beitrag zur Verwirklichung
nationaler Klimaschutzziele geleistet. Eines der derzeit sechs Förderprogramme im Rahmen
der Nationalen Klimaschutzinitiative wurde speziell für Kommunen sowie soziale und
kulturelle Einrichtungen konzipiert. Die Kommunen werden insgesamt aufgefordert, eigene
Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen. Fördermittel des Bundes stehen beispielsweise
sowohl für langfristige Klimaschutzkonzepte, die sich auf das gesamte Gemeindegebiet
erstrecken, als auch für Einzelprojekte wie die Einrichtung hocheffizienter Beleuchtungssysteme in öffentlichen Gebäuden oder die CO2-neutrale Sanierung ganzer Schulgebäude zur
Verfügung. Kasten 4 bietet einen Überblick über solche Maßnahmen in Hamburg.
Kasten 4 Das Hamburger Klimaschutzkonzept
Das Klimaschutzkonzept der Freien und Hansestadt Hamburg wurde 2007 ins Leben
gerufen. Das Ziel lautete, Hamburgs CO2-Emissionen bis 2012 im Vergleich zu 2007 um
2 Mio. t zu reduzieren (d.h. von 17,6 Mio. t CO₂-eq auf 15,6 Mio. t CO₂-eq). Die Stadt
hat sich zudem ehrgeizige Zielvorgaben für die weitere Zukunft gesetzt: Bis 2020
sollen die CO2-Emissionen um 40% und bis 2050 um 80% gesenkt werden (während
das EU-Ziel nur eine Emissionsminderung um 20% bis 2020 vorsieht). Diese Ziele
sollen durch kommunale Aktionen, Maßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene, Anstrengungen der Industrie zur Senkung ihrer CO2-Emissionen, eine zunehmende
Sensibilisierung und technologische Entwicklungen erreicht werden.
Die Stadt ist bei ihren Anstrengungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen proaktiv
vorgegangen, indem sie eine Klimaschutzverordnung erlassen sowie Anpassungs- und
Forschungsprogramme eingeleitet hat. Das 2007 vom Senat beschlossene Klimaschutzprogramm identifiziert zehn Handlungsfelder mit über 450 Einzelmaßnahmen.
Die Stadt investiert jährlich 22,5 Mio. Euro in diese Maßnahmen.
Als Anerkennung für die bisherigen Erfolge und die geplanten weiteren Maßnahmen
wurde Hamburg 2011 von der Europäischen Kommission der Titel „Grüne Hauptstadt
Europas“ verliehen.
Quelle: Europäische Kommission, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg.
70
© OECD/IEA, 2013
Ein Beispiel für ein erfolgreiches Programm ist „Unternehmen für Ressourcenschutz“, in
dessen Rahmen bislang etwa 1 000 Projekte zum Abschluss gebracht werden konnten. Ziel
des Programms ist die Förderung freiwilliger Investitionen in die Erhöhung der Energieund Ressourceneffizienz von Unternehmen. Für jeden von der Stadt investierten Euro
investieren die teilnehmenden Unternehmen 10 Euro. So kamen private Investitionen in
Höhe von insgesamt 146 Mio. Euro zusammen, die durch eine Förderung durch die Stadt
im Umfang von 15 Mio. Euro ergänzt wurden. Die am Programm teilnehmenden
Unternehmen erzielen Schätzungen zufolge derzeit Emissionseinsparungen von 134 000 t
CO2 jährlich.
4. Klimawandel
BEWERTUNG
Deutschland ist eines der wenigen IEA-Länder, denen es in den letzten beiden Jahrzehnten
gelungen ist, Treibhausgasemissionen und Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Deutschland erfüllt in der Verpflichtungsperiode 2008-2012 sein Kyoto-Ziel einer Emissionsminderung um 21% gemäß der EU-internen Lastenteilungsvereinbarung, und dürfte dieses
Ziel allein durch inländische Maßnahmen übertreffen. Deutschland hat sich zudem im
Rahmen des EU-Klima- und Energiepakets zu einer Verringerung seiner Treibhausgasemissionen, einer Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien und einer Steigerung
der Energieeffizienz bis 2020 verpflichtet. In diesem Rahmen nimmt Deutschland am EUEmissionshandelssystem (EU-ETS) teil, für das eine EU-weite Emissionsobergrenze (Cap)
festgelegt ist, die einer Verringerung der Emissionen um 21% im Vergleich zum Stand von
2005 entspricht. Der deutsche Zielwert für die Emissionsminderung der Nichtexportsektoren wurde mit -14% gegenüber 2005 angesetzt.
Energieversorgungssicherheit und Klimaschutz gehören zu den energiepolitischen Zielen
des Energiekonzepts, und Deutschland ist bestrebt, weltweit führend im Bereich der
Energieeffizienz und des Umweltschutzes zu werden und gleichzeitig konkurrenzfähige
Energiepreise und einen hohen Wohlstand zu sichern. Das Energiekonzept beinhaltet
inländische Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen, die in vier Stoßrichtungen gehen: Ausbau der erneuerbaren Energien, Steigerung der Energieeffizienz,
Erhöhung der Zahl der Elektrofahrzeuge und Ausweitung der energietechnologischen FuE.
2010 stellte Deutschland im Energiekonzept einen umfassenden Zielekatalog zur
Senkung der Treibhausgasemissionen auf: -40% bis 2020, -55% bis 2030, -70% bis 2040
und -80% bis -95% bis 2050, jeweils im Vergleich zu 1990. Dabei gilt es, die Treibhausgasemissionen zu senken und gleichzeitig die Versorgungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit im Rahmen einer langfristigen Strategie zu steigern. Dennoch wird der Umbau
Deutschlands in eine CO2-arme Wirtschaft in den nächsten drei Jahrzehnten fortgesetzte
Anstrengungen erfordern. Neuere Modellrechnungen zeigen, dass die bestehenden
Maßnahmen allein nicht ausreichen werden, um das 40%-Ziel bis 2020 zu erreichen,
weshalb in allen Sektoren zusätzliche Maßnahmen notwendig sind.
Die energiebedingten CO2-Emissionen Deutschlands verteilen sich auf die Energiewirtschaft,
die Industrie, den Verkehr, den Haushaltssektor und die Dienstleistungsbranchen (in dieser
Reihenfolge). Bei den Nichtexportsektoren handelt es sich um den Verkehr, den Gebäudebereich (Wohn- und sonstige Gebäude) und weniger energieintensive Branchen. Es gibt
bereits umfangreiche Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen in diesen
Sektoren durch mehr Energieeffizienz, Energieträgerumstellung und erneuerbare Energien,
es fehlt jedoch an einer Quantifizierung dieser Maßnahmen.
© OECD/IEA, 2013
Es scheint keine sektorübergreifende Energiepreis- und Energiebesteuerungsstrategie zur
Förderung energiesparender Verbrauchs- und Produktionsstrukturen sowie geringer CO2Emissionen zu geben. Die Entscheidung, die im Rahmen der ökologischen Steuerreform
ursprünglich für Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes sowie der Land- und Forstwirtschaft vorgesehenen Steuererleichterungen von einer Steigerung der Energieeffizienz
abhängig zu machen, ist zu begrüßen. Die Energiesteuern werden auf Bundesebene festgelegt, und für die Industrie gibt es Steuererleichterungen.
Die IEA begrüßt die Pläne der Bundesregierung, sowohl für den Bereich der Energie- und
Klimapolitik als auch für alle anderen Wirtschaftsbereiche zu prüfen, ob kurzfristig
sinnvolle Subventionen mittelfristig durch haushaltsunabhängige und marktbasierte
71
4. Klimawandel
Lösungen ersetzt werden können (für die klimapolitischen Ziele z.B. durch sogenannte
„weiße Zertifikate“ im Wärmemarkt) 10.
Das EU-Emissionshandelssystem begrenzt die CO2-Emissionen der energieverbrauchenden Industrie- und Kraftwerksbranchen und spielt eine zentrale Rolle in Deutschlands
Plänen für den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft. Bislang wurden ungefähr 9%
der deutschen Emissionsberechtigungen versteigert, und ab 2013 sollen alle Zertifikate
für die Stromerzeugung versteigert werden. Die Erlöse aus dieser Versteigerung werden
in den Energie- und Klimafonds fließen und sollen sich Schätzungen zufolge 2013 auf
2 Mrd. Euro belaufen. Die Bundesregierung plant, für energieintensive Branchen als
Ausgleich für aus dem EU-ETS resultierende Strompreis-erhöhungen bis zu 500 Mio.
Euro pro Jahr aus dem Energie- und Klimafonds bereitzustellen, mit denen nötigenfalls
ein Fördervolumen von bis zu 300 Mio. Euro aus dem Bundeshaushalt ergänzt werden
kann. Die genaue Höhe dieser Unterstützung hängt vom künftig geltenden Preis für
CO2-Emissionen sowie den EU-Richtlinien für staatliche Beihilfen ab, die gegenwärtig von
der Europäischen Kommission entworfen werden.
Es könnte zu starken, in beide Richtungen gehenden Wechselwirkungen zwischen den
einseitig festgelegten Zielen der Bundesrepublik und dem EU-Emissionshandelssystem
kommen. Der Preis für CO2-Emissionen ist im EU-ETS gegenwärtig relativ gering (weniger
als 5,0 Euro im Februar 2013), was infolge einer Umstellung von Gas hin zu einer
stärkeren Kohlenutzung Auswirkungen auf die Realisierung des deutschen Ziels einer
Verringerung der Emissionen um 40% bis 2020 haben könnte. Desgleichen könnte die
Verwirklichung der längerfristigen Klimaschutzziele gefährdet sein, falls der geringe CO2Preis Investitionen in neue CO2-arme Infrastrukturen verhindert und es so zu einem
Lock-in-Effekt kommt, durch den die Emissionen während der kommenden Jahrzehnte
auf hohem Niveau verharren könnten. Die von Deutschland im Rahmen seiner
unilateralen Ziele für die erneuerbaren Energien angestrebte Erhöhung des Anteils der
erneuerbaren Energien bis 2020 dürfte hingegen dazu führen, dass sich die Emissionen
aus der Stromerzeugung in Deutschland verringern. Mehr Zusammenarbeit bei der
Politikgestaltung zwischen den zuständigen Stellen in Deutschland und auf EU-Ebene
könnte dabei helfen zu gewährleisten, dass die auf diesen verschiedenen Ebenen
ergriffenen Maßnahmen sich nicht letzten Endes gegenseitig im Wege stehen.
10. Subventionsbericht der Bundesregierung, Bundesministerium der Finanzen, 2012.
11. OECD-Umweltprüfberichte: Deutschland 2012, OECD, 2012.
72
© OECD/IEA, 2013
Auch wenn Deutschlands Bilanz bei der Reduzierung der Emissionen des Verkehrssektors
eine der besten in Europa ist, sind die Emissionen in diesem Sektor langsamer gesunken
als in anderen Bereichen. Zahlreiche solide Instrumente wurden bereits eingerichtet,
darunter eine Reihe steuerlicher Maßnahmen sowie Pläne, bis 2020 eine Million
Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen. Dennoch sind weitere
Maßnahmen nötig, um die Emissionen des Verkehrssektors zu senken, insbesondere
durch eine Reform der Umwelt- und Kraftfahrzeugsteuern. Deutschland ist eines der
wenigen europäischen Länder, die keine Steuer auf den Fahrzeugerwerb erheben.
Autofahrer zahlen stattdessen eine jährliche Kraftfahrzeugsteuer. Die absolute Höhe der
von deutschen Verbrauchern bezahlten Kraftfahrzeugsteuer ist vergleichsweise gering
im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Fahrzeugbesitzes (zwischen 1% und 5%).
Außerdem ist die 2009 eingeführte CO2-bezogene Komponente eine der niedrigsten im
europäischen IEA-Raum und schafft daher keine ausreichenden Anreize zur Umstellung
auf kleinere, effizientere Fahrzeuge 11.
4. Klimawandel
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 die detaillierten und ambitionierten Maßnahmen prüfen, die in den nicht emissionshandelspflichtigen Bereichen bereits eingeführt wurden, um noch nicht ausgeschöpfte Potenziale für eine kosteneffiziente Verwirklichung der Ziele des Energiekonzepts zu identifizieren;
 die Energie- (bzw. CO2-)Steuern auf die gesamte Wirtschaft ausdehnen, insbesondere
aber auf die nicht emissionshandelspflichtigen Sektoren, um für ein konsistentes
Preissignal in allen Wirtschaftssektoren zu sorgen. Die Gewährung des Spitzenausgleichs sollte von der Erzielung einer deutlichen Steigerung der Energieeffizienz
abhängig gemacht werden, was in Deutschland seit Anfang 2013 der Fall ist;
 die Auswirkungen niedriger Preise für CO2-Emissionen auf die operativen und
investiven Entscheidungen in den emissionshandelspflichtigen Sektoren beobachten
und prüfen, ob sie mit den kurz- und langfristen Klimaschutzzielen in Einklang stehen;
© OECD/IEA, 2013
 eine stärkere Koordinierung zwischen deutschen und europäischen Politikmechanismen fördern, um sicherzustellen, dass das EU-Emissionshandelssystem
nicht durch strengere Maßnahmen in Deutschland beeinträchtigt wird.
73
© OECD/IEA, 2013
TEIL II
SEKTORANALYSE
5. Erdgas
5. ERDGAS
Eckdaten (2011)
Erdgasförderung: 10,9 Mio. t RÖE, -31,1% seit 2000
Erdgasanteil: 22,3% am Gesamt-Primärenergieaufkommen und 13,9% an der Stromerzeugung
Importe: 75,1 Mio. t RÖE, +23% seit 2000
Exporte: 14,7 Mio. t RÖE, +249,6% seit 2000
Inländischer Verbrauch: 69,6 Mio. t RÖE (Industrie 30,6%, Wohngebäude 28,9%, Stromerzeugung 26,4%, gewerbliche und sonstige Dienstleistungen 13,2%, Verkehr 0,9%)
ÜBERBLICK
Deutschland ist der zweitgrößte Erdgasmarkt unter den IEA-Ländern in Europa und
spielt mit seiner soliden Import- und Exportinfrastruktur, umfangreichen Speicherkapazitäten und heimischer Gasförderung eine wichtige Rolle für die europäische
Gasversorgungsindustrie.
ANGEBOT UND NACHFRAGE
ANGEBOT
Dank seiner Lage in der Mitte Europas verfügt Deutschland über guten Zugang zu Erdgaslieferungen aus der Nordsee, den Niederlanden und Russland. Zudem stammt ungefähr ein
Sechstel des Gasaufkommens in Deutschland aus heimischen Quellen. Die deutschen Erdgasreserven befinden sich fast alle in Niedersachsen zwischen der Elbe und der niederländischen Grenze. Deutschland besitzt nach Norwegen, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich die viertgrößten Erdgasreserven unter den europäischen IEA-Ländern.
Allerdings sind die deutschen Erdgasreserven nach Angaben des Oil & Gas Journal (OGJ)
von 351 Mrd. m³ im Jahr 1990 auf 175 Mrd. m³ im Jahr 2011zurückgegangen.
© OECD/IEA, 2013
Das Erdgasaufkommen lag 2011 bei 69,6 Mio. t RÖE (86 Mrd. m³), was 22,3% des
Gesamt-Primärenergieaufkommens entspricht. In den elf Jahren seit dem Jahr 2000 ging
das Gasaufkommen um 3,1% zurück und fiel somit weniger als das Gesamt-Primärenergieaufkommen, das sich im gleichen Zeitraum um 7,4% verringerte.
Die heimische Erdgasförderung lag im Jahr 2011 mit 14,8 Mrd. m³ mehr oder weniger auf
Vorjahresniveau und 32,7% niedriger als im Jahr 2000. Die heimische Förderung deckte
2011 nur noch 17,2% des gesamten Gasbedarfs; im Jahr 2000 hatte der Anteil der Inlandsförderung noch 25,1% des Gesamtverbrauchs betragen. Seit Beginn des Jahrhunderts ist
die Erdgasförderung auf Grund des natürlichen Förderabfalls der Lagerstätten und sinkender Gasreserven kontinuierlich zurückgegangen. Prognosen der Bundesregierung zufolge
wird die inländische Förderung im Zuge der voranschreitenden Erschöpfung der heimischen Gasquellen im Verlauf der nächsten zwanzig Jahre weiter fallen. Die unkonventionelle Gasförderung beschränkt sich in Deutschland bislang auf Explorationsbohrungen.
77
5. Erdgas
IMPORTE UND EXPORTE
Deutschland deckt den Großteil seines Gasbedarfs durch Importe. Im Jahr 2011 wurden
insgesamt 89,6 Mrd. m³ Erdgas importiert, wobei überwiegend andere große europäische Gasproduzenten als Bezugsquellen dienten. Größter Lieferant war Russland mit
einem Anteil von 36,7%, gefolgt von Norwegen (30,6%) und den Niederlanden (25,5%).
Diese drei Länder sind auf Grund von umfangreichen Gasvorkommen, langfristigen
Lieferverträgen und einer gut etablierten Pipeline-Infrastruktur seit Jahrzehnten die
Hauptlieferanten der deutschen Gasimporte. Nach der Inbetriebnahme des zweisträngigen Pipelinesystems Nord Stream im Jahr 2012 könnten die Erdgasimporte aus Russland
künftig zunehmen.
Der Erdgashandel hat in Deutschland ebenfalls einen erheblichen Umfang, da das Land
als wichtiges Transitland für große Mengen an russischem und norwegischem Erdgas
dient, das zur Lieferung in andere Märkte bestimmt ist. Deutschlands Erdgasexporte beliefen sich 2011 auf insgesamt 17,6 Mrd. m³ – 18,7% höher als die Gesamtfördermenge
im selben Zeitraum. Das Gesamtexportvolumen hat sich seit dem Jahr 2000, als nur
24,3% des geförderten Volumens ausgeführt wurden, mehr als verdreifacht. Dieser
Trend unterstreicht die Bedeutung von Deutschlands geografischer Lage in Europa, des
Auslastungsdrucks der Pipelines und der Existenz eines gut funktionierenden Gasmarkts.
NACHFRAGE
Die Erdgasnachfrage in Deutschland ist robust. Im Jahr 2011 wies Deutschland die höchste Erdgasnachfrage in der Europäischen Union und die vierthöchste weltweit nach den
Vereinigten Staaten, Japan und Kanada aus. Die Nachfrage belief sich 2011 auf 86 Mrd.
m³ und war damit 8,8% niedriger als 2010 und 2% niedriger als im Jahr 2000. Der starke
Nachfragerückgang 2011 war auf die im Durchschnitt mildere Witterung im Winter sowie steigende Gaspreise zurückzuführen. Der Gasverbrauch lag im vergangenen Jahrzehnt im Durchschnitt bei etwa 90 Mrd. m³ und erreichte 2010 mit 94,3 Mrd. m³ einen
Höhepunkt.
Der Gasverbrauch verteilt sich relativ gleichmäßig auf Wohngebäude, die Stromerzeugung und die Industrie. Der Gasverbrauch der Industrie lag 2011 bei 30,6% des Gesamtaufkommens, während sich der überwiegend auf Heizzwecke entfallende Gasverbrauch
der Haushalte trotz des kalten Winters 2011/2012 nur auf 28,9% belief, dicht gefolgt von
der Stromerzeugung mit 26,4%. Der Anteil der gewerblichen und sonstigen Dienstleistungen betrug 13,2%, während der Verkehrssektor lediglich 0,9% des Gesamtaufkommens ausmachte. In den vergangenen zehn Jahren wurde der Gasverbrauch vom
Bedarf in Wohngebäuden und in der Industrie dominiert, während sich der Verbrauch
zur Stromerzeugung, der im Jahr 2000 noch bei 17,1% des Gesamtaufkommens lag, im
Zeitverlauf erhöht hat.
78
© OECD/IEA, 2013
Den Projektionen der Bundesregierung zufolge wird der Gasverbrauch in Deutschland
weiter abnehmen; so wird bis 2020 und 2030 mit einem erneuten Rückgang gerechnet.
Der prognostizierte Rückgang des Gesamtverbrauchs an Erdgas ist überwiegend auf die
Verbesserung der Energieeffizienz und Einsparungen in verschiedenen Bereichen wie
etwa bei der Fernwärme zurückzuführen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die
dadurch erzielte Senkung des Verbrauchs höher ausfallen wird als der voraussichtliche
Anstieg des Gasverbrauchs für die Stromerzeugung.
5. Erdgas
Projektionen für die nächsten zwanzig Jahre zufolge wird der Gasverbrauch zur Stromerzeugung auf 33,7% des Gesamtaufkommens steigen, während der Anteil der Industrie mit 30,6%
hoch bleiben und der auf Wohngebäude und den gewerblichen Sektor entfallende Anteil auf
24% bzw. 6,9% zurückgehen wird. Grund für den höheren Erdgasverbrauch zur Stromerzeugung ist, dass auf Grund des beschlossenen Atomausstiegs voraussichtlich mehr Gas- und
Dampfturbinen-Anlagen (GuD-Anlagen) für die Grundlaststromerzeugung und als Reservekraftwerke für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien benötigt werden. Die GuDKapazität dürfte sich von gegenwärtig 20 Gigawatt (GW) bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln und dann einen Wert von 50 GW erreichen. Seit 2012 aber können sich gasbefeuerte
Kraftwerke angesichts der Konkurrenz durch erneuerbare Energien und Kohlekraftwerke
nur schwer im Strommix behaupten. Trotz der Stilllegung von Kernkraftwerken im Jahr 2011
waren kaum Auswirkungen auf die Bedeutung von Gas für den Stromsektor festzustellen.
Der Erdgasverbrauch im Verkehrssektor wird sich auf 3,6% erhöhen, da Benzin zunehmend
durch Gas ersetzt wird, das im Hinblick auf die Treibhausgasemissionen ein effizienterer
Kraftstoff ist.
Abbildung 13 Erdgasverbrauch nach Sektoren*, 1973-2011
90
Mio. t RÖE
Industrie
80
Verkehr**
70
Wohngebäude
60
Gewerbe
50
40
Stromerzeugung
30
Sonstige
20
10
0
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
2006
2009
* Primärenergieverbrauch nach Verbrauchssektor.
** Verkehr macht nur einen unerheblichen Anteil aus.
Anmerkung: Industrie schließt den nichtenergetischen Verbrauch ein. Gewerbe umfasst den gewerblichen Sektor, den öffentlichen Sektor, Landwirtschaft/Forstwirtschaft, Fischerei und sonstigen Endverbrauch. Sonstige umfasst sonstige Umwandlung und Verbrauch des Energiesektors.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
ERDGASINFRASTRUKTUR
TRANSPORT UND VERTEILUNG
© OECD/IEA, 2013
Das deutsche Erdgasnetz hat eine Gesamtlänge von 475 000 km und versorgt rd.
19,5 Millionen Kunden 1. Die Hochdruckfernleitungen transportieren Gas von Gasfeldern
oder Importpunkten zu größeren Siedlungszentren sowie zu einigen Großkunden wie
z.B. Gaskraftwerken. Die Verteilernetze verteilen Gas mit niedrigerem Druck an lokale
12. Statistical Report, Eurogas, 2012.
79
5. Erdgas
Versorgungsunternehmen (Stadtwerke) und in einigen Fällen an größere Endkunden. Die
Stadtwerke liefern Gas an Haushalte und Unternehmen.
Das über 30 000 km lange Hochdruckfernleitungsnetz befindet sich in der Hand von
12 Fernleitungsnetzbetreibern (FNB), die als Eigner und Betreiber fungieren. 2006 lag die
Zahl der FNB noch bei 22. Diese Unternehmen teilen sich auf zwei Marktgebiete auf –
NetConnect Germany (NCG) und Gaspool –, in denen jeweils sechs FNB tätig sind.
Open Grid Europe ist mit einem Leitungsnetz von 12 000 km im NCG-Marktgebiet der
größte Fernleitungsnetzbetreiber in Deutschland und deckt ungefähr die Hälfte der
deutschen Gasnachfrage ab. Weitere bedeutende FNB sind Gascade (früher Wingas),
Gasunie, Ontras und Thyssengas. 2011 gab es in Deutschland 743 Verteilernetzbetreiber
(VNB). Die Struktur und Eigentumsverhältnisse der 12 FNB in Deutschland haben sich in
den letzten Jahren auf Grund von Veränderungen des Gasmarkts sowie der Entflechtung
(unbundling) des Netzbetriebs von Erzeugungs- und Vertriebsaktivitäten und der mittlerweile angelaufenen Zertifizierung der meisten FNB stark verändert.
Grenzüberschreitende Leitungen
Deutschland verfügt über ein umfangreiches Pipelinenetz, über das Gas aus Norwegen,
Russland, den Niederlanden sowie in geringerem Umfang aus Dänemark und dem Vereinigten Königreich (über Belgien) nach Deutschland transportiert wird.
Gaslieferungen aus Norwegen kommen über drei Pipelines – Norpipe, Europipe I und Europipe II – mit einer Gesamtkapazität von 54 Mrd. m³ nach Deutschland. Gaslieferungen
aus Russland gelangen über drei Pipelinenetze – Nord Stream mit einer Kapazität von 55
Mrd. m³, Jamal mit 33 Mrd. m³ und das ukrainische Pipelinesystem mit einer Gesamtkapazität von 120 Mrd. m³ – nach Deutschland. Erdgas aus den Niederlanden wird über
vier Hauptpipelines nach Deutschland transportiert.
Das Pipelinesystem Nord Stream, das 2012 den Vollbetrieb aufnahm, stellt die neueste
Kapazitätserweiterung der grenzüberschreitenden Leitungsnetze zwischen Deutschland
und seinen Erdgashandelspartnern dar. Das System besteht aus zwei parallelen OffshorePipelinesträngen, die vom russischen Wyborg durch die Ostsee nach Greifswald verlaufen.
Die beiden Leitungsstränge sind jeweils 1 224 km lang und verfügen zusammen über eine
Kapazität von 55 Mrd. m³.
Das Nord-Stream-System wurde entwickelt, um die Anbindung der großen russischen
Gasfelder an Märkte in ganz Europa zu verbessern. Deutschland ist bereits eine zentrale
80
© OECD/IEA, 2013
Darüber hinaus wurden zwei weitere Pipelineprojekte umgesetzt, die im Gegensatz zu
den oben genannten nicht dazu dienen, Erdgas aus dem Ausland nach Deutschland zu
transportieren, sondern das durch Nord Stream aus Russland angelieferte Gas in den
deutschen Markt sowie in die Nachbarländer weiterzutransportieren. Dabei handelt es
sich zum einen um die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL), die von der Ostseeküste bis
in die Nähe der niederländischen Grenze verläuft und seit November 2012 in Betrieb ist.
Die NEL verfügt über eine Transportkapazität von 20 Mrd. m³ und transportiert als
Anschlussleitung der Nord Stream das Gas innerhalb Deutschlands und in die Niederlande weiter. Das zweite Pipelineprojekt ist die Ostsee-Pipeline-Anbindungs-Leitung
(OPAL), die von der Ostseeküste durch Deutschland nach Olbernhau an der deutschtschechischen Grenze verläuft. Die Pipeline, die mittlerweile in Betrieb genommen
wurde und über eine Kapazität von rd. 35 Mrd. m³ verfügt, ist ebenfalls mit der
Nord-Stream-Pipeline verbunden, um zusätzliches Gas aus Russland nach Deutschland
und Europa zu bringen.
5. Erdgas
Drehscheibe für den Erdgastransit von großen Lieferanten in andere Märkte; die Inbetriebnahme dieser Pipelines unterstreicht die Bedeutung gut funktionierender Hubs und
stellt eine zusätzliche Belastung für die bestehende Infrastruktur dar. Die Infrastrukturplanung ist sowohl für die Bundesregierung als auch für die Industrie schon seit Jahren
von zentraler Bedeutung, da nicht nur die Importe sowie die inländischen und grenzüberschreitenden Gastransportvolumen zunehmen, sondern angesichts der voraussichtlich steigenden Abhängigkeit von Gas wegen des geplanten Atomausstiegs auch die Frage
der Versorgungssicherheit stärker in den Vordergrund gerückt ist.
Netzentwicklungsplan Gas 2013
Das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verpflichtet die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber, jährlich einen gemeinsamen nationalen Netzentwicklungsplan zu erstellen und der
Bundesnetzagentur (BNetzA) vorzulegen. Der 10-jährige Netzentwicklungsplan muss alle
erforderlichen Maßnahmen und Schritte zur bedarfsgerechten Optimierung und Verstärkung sowie zum bedarfsgerechten Ausbau der Gasnetze und zur Gewährleistung der
Versorgungssicherheit enthalten.
Im April 2012 veröffentlichten die FNB den Netzentwicklungsplan Gas 2012 (NEP Gas
2012), in dem der langfristige Kapazitätsbedarf bis 2022 umrissen wird. Der NEP Gas
2012 enthält 32 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 2,2 Mrd. Euro – überwiegend neue Leitungen und Verdichter – sowie weitere 15 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 1 Mrd. Euro, die sich zum Zeitpunkt des Entwurfs bereits in der Planung befanden.
Im Dezember 2012 wurden von der Bundesnetzagentur Änderungen am NEP Gas 2012
verlangt, die jedoch keine Änderung der strukturellen Modellierung des Plans erfordern.
Die FNB müssen die verlangten Änderungen einarbeiten und bis zum 1. April 2013 den
Netzentwicklungsplan Gas 2013 vorlegen.
Flüssigerdgas (LNG)
© OECD/IEA, 2013
Deutschland verfügt über keine LNG-Infrastruktur, da Gas in ausreichender Menge durch
das bestehende Pipelinenetz geliefert wird. Allerdings ist zu erwarten, dass die Bedeutung von LNG als alternative Liefermethode für Gas zunehmen wird. Es gibt Pläne für
LNG-Terminals in Deutschland und die Bundesregierung unterstützt den Erwerb von Regasifizierungskapazitäten in LNG-Terminals in Nachbarländern durch die Marktteilnehmer. Gegenwärtig besteht auch die Möglichkeit, LNG-Terminals in Nachbarländern zu
nutzen: Sowohl E.ON als auch RWE verfügen über Kapazitäten im niederländischen GateTerminal.
81
5. Erdgas
Abbildung 14 Gasinfrastruktur in Deutschland
82
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
5. Erdgas
SPEICHERKAPAZITÄTEN
Untertage-Erdgasspeicher spielen eine wichtige Rolle für eine störungsfreie Gasversorgung, da sie bei hoher oder schwankender Gasnachfrage Flexibilität und Versorgungssicherheit gewährleisten. Zum 1. Januar 2012 befanden sich in der Bundesrepublik 48 Erdgasspeicher, die über eine Gesamtkapazität von 20,4 Mrd. m³ verfügen 2. Deutschland
hat damit EU-weit die höchste Speicherkapazität vor Frankreich und Italien (jeweils rd.
15 Mrd. m³). Die Gasspeicherung erfolgt in Kavernen- und Porenspeichern, und auf Grund
günstiger geologischer Bedingungen besteht die Möglichkeit eines weiteren Ausbaus der
Speicherkapazitäten. Die deutschen Erdgasspeicher befinden sich in Händen von rd.
25 privatwirtschaftlichen Eigentümer- und Betreibergesellschaften (das größte dieser Unternehmen ist E.ON Gas Storage GmbH) und sind über die ganze Bundesrepublik verteilt. Zusätzlich zu dieser Speicherkapazität haben deutsche Unternehmen auch Zugang zu einem
Erdgasspeicher im österreichischen Haidach mit einer Kapazität von 2,6 Mrd. m³.
Weitere Kavernenspeicher mit einer zusätzlichen Kapazität von insgesamt 13,9 Mrd. m³
befinden sich in der Planung oder im Bau. Darüber hinaus plant Storengy einen neuen
Porenspeicher in Behringen mit einem Speichervolumen von 2,3 Mrd. m³ und einer Arbeitsgaskapazität von 1 Mrd. m³. Die Nachfrage nach Speicherkapazitäten wächst mit
der Steigerung der Pipelinekapazität sowie der Zunahme der Gasmengen, die Deutschland als Transitland passieren, und des Handelsvolumens.
Es gibt in Deutschland keine Verpflichtung zur Bevorratung von Erdgas und keine staatseigenen Speicher. Die Betreiber von Gasspeichern müssen anderen Unternehmen zu fairen Marktpreisen Zugang zu ihren Anlagen und Speicherdienstleistungen gewähren.
MARKTSTRUKTUR
© OECD/IEA, 2013
Die deutsche Gaswirtschaft ist relativ kompliziert aufgebaut, weil das System im Hinblick
auf eine Bündelung der Nachfrage organisiert wurde, die die Vermarktung von Erdgas in
Deutschland ermöglichen sollte. Am deutschen Markt sind ungefähr 700 Gasnetzbetreiber und 800 Gaslieferanten, die ein Gasnetz betreiben, aktiv. Der Markt beruht auf einer
dreistufigen Struktur:

Die oberste Marktebene besteht aus fünf überregionalen Unternehmen der Großhandelsstufe (E.ON Ruhrgas AG, Verbundnetz Gas AG, Wingas GmbH, RWE Gas AG,
Gasunie) sowie einer Reihe von neuen Wettbewerbern wie GDF Suez, DONG Energy,
EconGas, NatGas, Trianel, Nuon, ENI Gas & Power GmbH, die Gas importieren oder
Gas aus einheimischer Förderung über das Fernleitungsnetz an Unternehmen liefern,
die das Gas auf regionaler Ebene weiterverteilen. In den letzten Jahren haben Unternehmen wie Novogate, ein ursprünglich vom deutschen Gasvertriebsunternehmen
Bayerngas und der niederländischen Essent gegründetes Joint Venture, sowie die britische Centrica versucht, in diese Marktstufe vorzudringen.

Die zweite Marktstufe umfasst rd. 30 regionale Gasversorger und Ferngasgesellschaften (darunter Gas Union, Enovos-Gruppe), die Gas an lokale Gaslieferanten (kommunale Versorgungsunternehmen) sowie in einigen Fällen an Endkunden liefern.

Die dritte Stufe bilden ungefähr 725 regionale oder kommunale Versorger (Stadtwerke),
die Gas an andere Vertriebsgesellschaften und an Endkunden verkaufen.
13. Statistical Report, Eurogas, 2012.
83
5. Erdgas
Gazprom hat eine Tochtergesellschaft gegründet, die als Erdgas- und Stromanbieter am
deutschen Markt tätig ist, und plant Investitionen in Speicherkapazitäten. Auch GDF Suez
ist in größerem Umfang in den Speichersektor eingestiegen und durch die Übernahme
von fünf Untertage-Erdgasspeichern von Shell und ExxonMobil sowie eine Beteiligung
von 19,7% an einem weiteren zum größten Erdgasspeicherbetreiber in Deutschland und
Europa avanciert.
Nach einer Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes müssen Transportnetzbetreiber
nun unmittelbar oder mittelbar Eigentümer des von ihnen betriebenen Transportnetzes
sein. Falls der Netzbetrieb nicht von den vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen an Dritte verkauft wird, wird er im Allgemeinen in eine Netzgesellschaft überführt, die eine separate, unabhängige Gesellschaft innerhalb des Konzernverbunds darstellt. Darüber hinaus ist – insbesondere auf der Ebene der Verteilernetzbetreiber – eine
Kooperation zwischen verschiedenen Verteilergesellschaften möglich, bei der zwei oder
drei Unternehmen einen gemeinsamen Netzbetreiber gründen können.
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) ist seit ihrer Gründung im Jahr 2005 für die Regulierung
des Gassektors zuständig. Die Stadtwerke unterliegen jedoch der Regulierung durch die
Landesregulierungsbehörden, sofern ihr Verteilernetz nicht über das Gebiet eines Bundeslandes hinausreicht und weniger als 100 000 Kunden an das Netz angeschlossen sind.
GROSSHANDELSMARKT UND ERDGASHANDEL
Seit 2006 hat Deutschland ein Entry-Exit-System eingeführt, die Bilanzierungsregeln
reformiert und die Zahl der Marktgebiete von über 20 auf sechs im Jahr 2009 und mittlerweile nur noch zwei reduziert. Somit verfügt Deutschland nun über zwei qualitätsübergreifende Marktgebiete (wobei jedoch die L- und H-Gas-Netze auf Basis ihres
Methangehalts aus technischen Gründen getrennt voneinander betrieben werden müssen), in denen alle Kunden in einer großen Bilanzzone zusammengefasst sind (Kasten 5).
Ein funktionierendes Entry-Exit-System auf Basis des Zweivertragsmodells ist seit 2007 in
Kraft. Bei diesem System sind für die Durchleitung von Gas nur ein Einspeise- und ein
Ausspeisevertrag pro Marktgebiet erforderlich.
Infolge der Marktgebietsfusionen verfügt Deutschland nun erstmalig über ein qualitätsübergreifendes Marktgebiet. Technisch müssen die L-Gas- und H-Gas-Netze zwar weiterhin getrennt betrieben werden, alle Kunden sind jedoch in einer großen Bilanzzone
zusammengefasst. Lieferanten und Händler können nun unabhängig von der Gasqualität
Einspeise- und Ausspeisekapazitäten buchen und ihre Kunden mit Gas versorgen, was
vor der Schaffung der neuen Marktgebiete unmöglich war. Es bestehen allerdings nach
wie vor technische Einschränkungen zwischen den Netzen für die unterschiedlichen
Gasqualitäten, dies fällt jedoch in die Zuständigkeit der Netzbetreiber. Lieferanten und
Händler müssen ein Konvertierungsentgelt entrichten, wenn Kunden im L-Gas-Bereich
mit H-Gas oder umgekehrt beliefert werden.
84
© OECD/IEA, 2013
Der Erdgashandel an den beiden Hubs, Gaspool und NetConnect Germany (NCG), hat
seit 2007 stark zugenommen; zwischen 2009 und 2012 haben sich die Handelsvolumen
vervierfacht. Fast 90% der in Deutschland gehandelten Gasmengen sind H-Gas; dieser
Trend setzt sich seit 2009 kontinuierlich fort. Die geringe Liquidität an den L-GasMärkten erschwert die Evaluierung und Bildung eines marktorientierten Referenzpreises. Auf Grund der geringen Liquidität und Nachfrage wird der Handel mit L-GasProdukten an der European Energy Exchange (EEX) nicht angeboten.
5. Erdgas
Kasten 5 Gasqualität in Deutschland
Das in Deutschland verfügbare Erdgas teilt sich je nach Methangehalt in zwei unterschiedliche Kategorien, H-Gas und L-Gas. Das Gas unterscheidet sich in Abhängigkeit
von der Quelle und Förderregion im Hinblick auf die Gasqualität und die chemische
Zusammensetzung. Hauptbestandteil beider Gasarten ist jedoch Methan. In Belgien,
Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und Deutschland werden zwar sowohl
H- als auch L-Gas vertrieben, sie werden jedoch in allen diesen Ländern in physisch
getrennten Netzen transportiert.
Hochkalorisches Gas (auch H-Gas genannt) ist wegen seines höheren Methangehalts
(zwischen 87% und 99%) von höherer Qualität. Niederkalorisches Gas (L-Gas) ist Erdgas mit geringerem Methangehalt zwischen 80% und 87%. Oft kann L-Gas ohne weitere
Veredelung nicht direkt zum Endkunden geleitet werden, wenn die Qualitätsnorm
(11,1 KWh/m³) nicht erfüllt ist. Im norddeutschen Raum, wo ein Großteil der deutschen Erdgaslagerstätten liegt, ist die Gasqualität sehr unterschiedlich, es überwiegt
jedoch das L-Gas. Auch bei dem aus den Niederlanden importierten Erdgas handelt es
sich überwiegend um L-Gas.
Sollen Gasmengen von einem H-Gas- in einen L-Gas-Bilanzkreis (oder umgekehrt) transferiert werden, so muss das Gas zunächst konvertiert werden, um es für den Zielbilanzkreis kompatibel zu machen.
DIE GASHUBS
NetConnect Germany (NCG)
Im Oktober 2008 realisierten E.ON Gastransport und bayernets mit der Zusammenlegung ihrer H-Gas-Marktgebiete die erste deutschlandweite Marktgebietskooperation,
NetConnect Germany (NCG). Im darauffolgenden Jahr legten ENI Gastransport Deutschland, GRTgaz Deutschland und GVS Netz ihre H-Gas-Marktgebiete mit NCG zusammen.
Das dadurch entstandene erweiterte Marktgebiet umfasste ein Fernleitungsnetz mit
einer Gesamtlänge von rd. 14 800 km und mehr als 400 Gasnetze. Im April 2011 vergrößerte sich das neue Marktgebiet mit der Integration von Open Grid Europe L-Gas,
Thyssengas H-Gas und Thyssengas L-Gas weiter. Dadurch entstand das erste qualitätsübergreifende Marktgebiet in Deutschland, das über ein Fernleitungsnetz mit einer
Gesamtlänge von 20 000 km verfügt und fast 500 Gasverteilnetze verbindet.
NCG ist für die operative Abwicklung der Marktgebietskooperation sowie Bilanzierungsdienstleistungen, Bereitstellung und Betrieb eines virtuellen Handelspunkts einschließlich einer Marktgebietsplattform und die Beschaffung von Regelenergie im Auftrag der
Kooperationspartner zuständig.
© OECD/IEA, 2013
Gaspool
Im März 2009 leiteten die überregionalen Erdgastransportgesellschaften Gasunie Deutschland, Ontras, Wingas Transport, DONG Energy Pipelines sowie StatoilHydro Deutschland
einen Prozess zur Schaffung eines gemeinsamen Marktgebiets ein. Nach Genehmigung
durch die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt startete im Oktober 2009 das
neue Marktgebiet, auf das mehr als die Hälfte der deutschen H-Gas-Mengen entfiel. Das
neue Marktgebiet verband rd. 350 nachgelagerte Erdgastransportnetze und bot ähnliche
Leistungen wie NCG. Im Oktober 2011 vergrößerte sich das Marktgebiet von Gaspool
durch die Fusion mit dem L-Gas-Marktgebiet Aequamus auf rd. 400 Gasnetze.
85
5. Erdgas
Überlegungen zur Schaffung eines einzigen Gashubs
Anfang 2012 kündigten Gaspool und NCG Pläne für eine Zusammenführung ihrer Märkte an.
Darauf folgte im Oktober 2012 die Mitteilung, dass die beiden Marktgebietsverantwortlichen
– in enger Abstimmung mit den Fernleitungsnetzbetreibern sowie der Bundesnetzagentur
und nach einer Marktkonsultation – ein gemeinsames Zielmodell zur bundesweiten Vereinheitlichung der Verfahren zur Beschaffung externer Regelenergie erarbeitet haben.
Tabelle 7 Erdgashandelsvolumen in den deutschen Marktgebieten
NCG
Gaspool
TWh
Physische
Lieferung
Nettohandelsvolumen
Physische
Lieferung
Nettohandelsvolumen
2009
277
622
143
318
2010
348
934
329
723
2011
395
1 205
329
842
2012
470
1 479
388
981
Quelle: IEA.
Ein von den Fernleitungsnetzbetreibern im Oktober 2012 veröffentlichter Marktgebietsbericht kam zu dem Schluss, dass die Kosten einer Zusammenlegung der Marktgebiete
Gaspool und NCG den erwarteten Nutzen übersteigen würden. Einer von den Unternehmen durchgeführten Studie zufolge würde sich der finanzielle Nutzen für den Markt auf
maximal 57,3 Mio. Euro pro Jahr belaufen, während die zusätzlichen Kosten im ersten Jahr
nach der Zusammenlegung mindestens 395 Mio. Euro betragen würden. Insgesamt wären
nach Schätzungen der Fernnetzbetreiber bei einer Zusammenlegung der beiden Marktgebiete Investitionen in das Leitungsnetz in Höhe von 3 Mrd. Euro erforderlich. Die
Bundesnetzagentur führt ebenfalls eine Konsultation zu diesem Sachverhalt durch, deren
Ergebnisse voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2013 veröffentlicht werden.
EUROPEAN ENERGY EXCHANGE
Die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Leipzig entstand im Jahr 2002 durch die
Fusion der deutschen Strombörsen Frankfurt und Leipzig. Sie betreibt einen Spot- und
Terminmarkt für die deutschen Marktgebiete Gaspool und NCG sowie einen Spotmarkt für
das niederländische Marktgebiet TTF. Im Jahr 2009 wurden an den EEX-Märkten größere
Mengen Erdgas gehandelt als am niederländischen TTF-Markt, der zuvor der größte kontinentaleuropäische Gasmarkt war. Auch 2010, 2011 und 2012 wurde ein kräftiges Wachstum verzeichnet. 2012 stieg das Erdgashandelsvolumen am Terminmarkt um 11% auf
39,5 TWh (2011: 35,5 TWh). Der Spothandel wuchs um 56% auf 35,9 TWh (2011: 23,1 TWh).
In der Vergangenheit stellte das Horten von Ein- und Ausspeisekapazitäten ein bedeutendes Hindernis für die Entwicklung eines liquiden, wettbewerbsorientierten Marktes
dar. Mittlerweile wurden in der Bundesrepublik Deutschland neue Regelungen für das
Engpassmanagement eingeführt. Diesen Regeln zufolge müssen nicht benötigte Kapazitäten auf dem Sekundärmarkt (einer gemeinsamen Plattform) angeboten oder dem
Netzbetreiber wieder zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wurde das Horten von
Kapazitäten erheblich eingeschränkt.
86
© OECD/IEA, 2013
WETTBEWERBSRECHTLICHE BELANGE
5. Erdgas
Eine vom Bundeskartellamt von Februar bis Dezember 2009 durchgeführte Untersuchung
ergab, dass 50-75% der technisch verfügbaren festen Kapazität in langfristigen Verträgen
gebunden waren. Ein bedeutender Anteil dieser Verträge, darunter oft an Grenz- oder
Marktgebietsübergangspunkten, wurde zwischen dem Netzbetreiber und Unternehmen abgeschlossen, die mit dem jeweiligen Netzbetreiber konzernverbunden waren 3.
Die Sektoruntersuchung, die auf Grund von Hinweisen auf Wettbewerbsbeschränkungen
eingeleitet wurde, hatte das Ziel, einen umfassenden Einblick in die Wettbewerbsbedingungen zu erlangen und mögliche Kartellrechtsverstöße zu identifizieren. Im Fokus der
Untersuchung standen dabei das Ausmaß und die Wirkungen langfristiger Buchungen
fester Ein- und Ausspeisekapazitäten. Die wichtigsten Untersuchungsergebnisse waren,
dass die Kapazitäten an vielen Grenzübergangspunkten langfristig (d.h. mit Vertragslaufzeiten von mehr als zwei Jahren) ausgebucht waren und zu einem Großteil von mit dem
jeweiligen Netzbetreiber konzernverbundenen Vertriebsunternehmen genutzt wurden,
so dass die Wahrscheinlichkeit einer Marktabschottung auf den nachgelagerten Märkten
für den Erdgasvertrieb bestand. In einigen Fällen, häufig bei neuen Gasvertriebsunternehmen, wurden Kapazitätsanfragen abgelehnt. Das Bundeskartellamt kam zu dem
Schluss, dass solche Langfristbuchungen aus Sicht der Versorgungssicherheit nur dann
gerechtfertigt sind, wenn sie die Mindestabnahmeverpflichtungen in den Gaslieferverträgen nicht überschreiten.
Ebenfalls 2009 leitete die Europäische Kommission eine Untersuchung der marktbeherrschenden Stellung von E.ON auf dem deutschen Erdgasmarkt ein. Die Kommission hatte
befürchtet, dass E.ON durch Abschottung des Zugangs zu Einspeisekapazitäten in sein
Gasfernleitungsnetz seine marktbeherrschende Stellung auf den Gastransportmärkten
in seinem L-Gas-Netzgebiet und dem von NetConnect Germany abgedeckten H-GasNetzgebiet missbräuchlich ausgenutzt haben könnte. E.ON hat große Teile der in seinem
Gasfernleitungsnetz verfügbaren festen, frei zuordenbaren Einspeisekapazitäten selbst
gebucht, was nach der vorläufigen Beurteilung Wettbewerber daran gehindert haben
könnte, Gas durch das E.ON-Netz zu transportieren und an dieses Netz angeschlossene
Kunden zu beliefern. Dadurch hat E.ON möglicherweise den Wettbewerb auf den nachgelagerten Belieferungsmärkten beschränkt 4.
Die (von E.ON zurückgewiesene) vorläufige Beurteilung der Europäischen Kommission gelangte zu der Feststellung, dass E.ON große Teile der in seinem Gasfernleitungsnetz verfügbaren festen und frei zuordenbaren Einspeisekapazitäten selbst gebucht und dadurch
den Wettbewerb beschränkt hatte.
E.ON schlug daraufhin vor, bis Oktober 2010 ein Volumen von 17,8 GWh/h fester, frei
zuordenbarer Einspeisekapazität in sein Gasfernleitungsnetz freizugeben.
Ferner sagte E.ON zu, in einem zweiten Schritt seinen Gesamtanteil an den Buchungen
fester und frei zuordenbarer Einspeisekapazitäten bis Oktober 2015 weiter zu reduzieren, und zwar im H-Gas-Marktgebiet von NCG auf 50% und im L-Gas-Marktgebiet von
BCG auf 64%. E.ON verpflichtete sich, diese Freigabeschwellen bis 2025 nicht zu überschreiten. Angesichts der Verpflichtungszusagen von E.ON stellte die Europäische Kommission das Verfahren ein.
© OECD/IEA, 2013
14. Sektoruntersuchung Kapazitätssituation in den deutschen Gasfernleitungsnetzen, Bundeskartellamt, 2009.
15. Zusammenfassung der Entscheidung der Kommission vom 4. Mai 2010 in einem Verfahren nach Artikel 102 des Vertrags
über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.317 — E.ON Gas) (Bekannt
gegeben unter Aktenzeichen K(2010) 2863 endg.) Text von Bedeutung für den EWR, Europäische Kommission, 2010.
87
5. Erdgas
Nach der Veröffentlichung der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts und der
Untersuchung der Europäischen Kommission im Fall E.ON gerieten die langfristigen Verträge, die zuvor die Norm waren und die es den angestammten Unternehmen ermöglichten, ihre Marktdominanz zu erhalten, unter Druck. Diese Verträge enthielten häufig
Take-or-Pay-Klauseln, die den Abnehmer verpflichteten, eine bestimmte Mindestmenge
an Gas abzunehmen oder die Differenz zu bezahlen. Sie enthielten außerdem Preisbildungsmechanismen mit starker Ölpreiskoppelung.
In Folge des Konjunkturabschwungs 2009 verfügten einige Transportkunden mit Langfristverträgen über überschüssige Gasmengen, die sie nicht mehr benötigten und die auf
den Spotmärkten veräußert wurden – häufig an kleinere Marktakteure, die großes Interesse daran hatten, sich mit billigerem Gas einzudecken. Zwar trat 2010 eine Preiserholung ein, doch auf Grund einer LNG-Schwemme in Europa blieben die Gaspreise niedrig,
was oft kleineren Marktteilnehmern zugute kam. Mitte 2010 veröffentlichte das Bundeskartellamt einen Bericht über die Evaluierung seiner Beschlüsse zu langfristigen Gaslieferverträgen und kam zu dem Schluss, dass sich der Markt auf Grund früherer Maßnahmen der Behörde erheblich weiterentwickelt hat und sich nun durch verschiedene
Vertragsarten, ein breiteres Produktspektrum, eine größere Lieferantenauswahl und
stärkere Verhandlungsmacht auf der Abnehmerseite auszeichnet 5.
Ferner leitete die Europäische Kommission im Mai 2007 ein Wettbewerbsverfahren gegen
RWE ein. Grundlage des Verfahrens waren Bedenken, dass RWE seine marktbeherrschende
Stellung im Bereich seines Gasfernleitungsnetzes dazu missbraucht haben könnte, den Netzzugang seiner Wettbewerber einzuschränken, was einen Verstoß gegen Artikel 82 des EGVertrags darstellt. Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, verpflichtete sich RWE
zur Veräußerung seines gesamten westdeutschen Hochdruck-Gasfernleitungsnetzes. Angesichts der Verpflichtungszusagen von RWE stellte die Kommission die Untersuchung ein 6.
Die neue Gasnetzzugangsverordnung, die sich mit diesem Aspekt befasst, trat am 8. September 2010 in Kraft. In der Zwischenzeit wurden die Kapazitätsmanagementregeln durch einen
Beschluss der Bundesnetzagentur aus dem Jahr 2011 weiter konkretisiert.
ENDKUNDENMARKT UND -PREISE
Der Erdgasmarkt wurde im April 1998 vollständig liberalisiert; allerdings wurde der
Wettbewerb bis zur Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 2007 durch
technische und wirtschaftliche Schwierigkeiten, eingeschränkten Zugang zu Transportund Verteilkapazitäten, langfristige Lieferverträge am Großhandelsmarkt und den Zugang zu Liquidität erheblich behindert. Gegenwärtig sind am Markt sieben führende Anbieter tätig, von denen der größte einen Marktanteil von rd. 9% hat, sowie weitere 800
Anbieter, die Verbraucher auf lokaler Ebene beliefern.
16. Bericht über die Evaluierung der Beschlüsse zu langfristigen Gaslieferverträgen, Bundeskartellamt, 2010.
17. Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten in der Sache COMP/39.402 — Gasmarktabschottung durch RWE, Europäische
Kommission, 2009.
88
© OECD/IEA, 2013
Die Gaspreise für Endabnehmer in Deutschland zählen nach wie vor zu den höchsten
unter den europäischen IEA-Ländern. Grund dafür ist neben den relativ hohen Großhandelspreisen auch ein im Vergleich zu anderen IEA-Ländern höherer Steueranteil.
Trotz der Fortschritte am Großhandelsmarkt in den vergangenen Jahren und der Rationalisierung der Hubs sind die Gaspreise für Importeure, Vertriebsunternehmen und
Lieferungen an Großkunden oft an die Preise von Substitutionsenergieträgern gekoppelt
und werden automatisch über vertraglich bindende Formeln ermittelt.
5. Erdgas
Abbildung 15 Gaspreise in Deutschland und anderen ausgewählten IEA-Mitgliedsländern, 1980-2011
Industrie
70
USD-$/MWh
Frankreich
Ver. Königreich
60
Deutschland
50
Niederlande
40
Ver. Staaten
30
20
10
0
1980
1983
1986
1989
1992
1995
1998
2001
2004
2007
2010
Anmerkung: Für die Niederlande liegen für die Jahre von 2004-2006 keine Daten vor.
Haushalte
US-$/MWh
120
Frankreich
Deutschland
100
Niederlande
Ver. Königreich
80
Ver. Staaten
60
40
20
0
1980
1983
1986
1989
1992
1995
1998
2001
2004
2007
2010
Anmerkung: Für Deutschland liegen für das Jahr 2001 keine Daten vor.
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Energy Prices and Taxes, IEA/OECD Paris, 2012.
89
5. Erdgas
Abbildung 16 Gaspreise in IEA-Mitgliedsländern, 2011
Industrie
* Für Korea und die Vereinigten Staaten liegen keine Informationen zur Besteuerung vor.
Anmerkung: Für Australien, Dänemark, Italien, Norwegen und Österreich liegen keine Daten vor.
Haushalte
200
US-$/MWh
Steueranteil
180
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Anmerkung: Für Australien, Italien und Norwegen liegen keine Daten vor.
Quelle: Energy Prices and Taxes, IEA/OECD Paris, 2012.
90
© OECD/IEA, 2013
* Für Korea und die Vereinigten Staaten liegen keine Informationen zur Besteuerung vor.
5. Erdgas
Bei der Belieferung von Haushaltskunden mit Gas sind drei Belieferungsmöglichkeiten zu
unterscheiden. Neben der Belieferung durch den Grundversorger im Rahmen eines
Grundversorgungsvertrags kann die Belieferung auch zu Sondervertragskonditionen
erfolgen. Bei dieser Belieferungsmöglichkeit bleibt der Kunde bei seinem bisherigen
Versorger, schließt jedoch einen neuen Vertrag auf Sondervertragsbasis ab (Vertragswechsel). Fast 25% der an Haushaltskunden abgegebenen Gasmenge werden im Rahmen
der Grundversorgung geliefert.
Im Jahr 2010 wechselten rd. 720 000 Haushaltskunden ihren Gasanbieter; dabei konnten
die meisten Haushaltskunden zwischen 11-20 Lieferanten wählen. In 36 Netzgebieten
konnte der Haushaltskunde seine Anbieterwahl aus mehr als 50 Lieferanten treffen. Die
Anzahl der Gaslieferanten, die nur in einem Netzgebiet tätig sind, ist weiter rückläufig
und lag im Jahr 2010 bei 277. Dagegen ist die Zahl der Lieferanten, die Gaskunden in
mehreren Netzgebieten beliefern, ebenso wie die Zahl der Gaslieferanten, die in mehr
als 100 Netzgebieten tätig sind, weiter gestiegen. Die meisten Gaslieferanten haben jedoch nach wie vor einen regionalen Schwerpunkt und beschränken sich darauf, Kunden
in ihrer Heimatregion zu beliefern 7.
Nach dem Energiewirtschaftsgesetz sind Gasversorgungsunternehmen, die Haushaltskunden beliefern, selbst im Fall von extremen Temperaturen, außergewöhnlich hohem
Gasverbrauch und bei Ausfall der größten Gasinfrastruktur verpflichtet, die Versorgung
der Haushaltskunden zu gewährleisten.
ERDGASVERSORGUNGSSICHERHEIT
Im Dezember 2010 wurde die EU-Verordnung Nr. 994/2010 über Maßnahmen zur
Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung und zur Aufhebung der Richtlinie
2004/67/EG verabschiedet. Die Verordnung verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zur Einhaltung des n-1-Standards. Deutschland kann im Hinblick auf die Umsetzung dieser Verordnung bedeutende Fortschritte vorweisen. Der n-1-Standard wird in Deutschland auf
Grund der hohen Verlässlichkeit der Infrastruktur, einschließlich diversifizierter Bezugswege und umfangreicher Speicherkapazitäten, bereits erfüllt. Zur Einhaltung des
n-1-Standards trägt auch die Verpflichtung bei, an Grenzübergangspunkten bei Bedarf
Gasfluss in beiden Richtungen („Reverse Flow“) zu ermöglichen. In Wirklichkeit dienen
die bestehenden und geplanten Kapazitäten für den Umkehrfluss jedoch eher der Versorgungssicherheit in den Nachbarstaaten.
Es gibt in Deutschland keine Verpflichtung zur Bevorratung von Erdgas und keine staatseigenen Speicher. Die in Deutschland gespeicherten Gasreserven werden allesamt zu
kommerziellen Zwecken vorgehalten. Deutschland verfügt über 48 Erdgasspeicher mit
einer Gesamtkapazität von 20,4 Mrd. m³.
© OECD/IEA, 2013
Bei Eintreten eines Notfalls ist die Bundesregierung dafür verantwortlich, durch Feststellung
der Notfallstufe das Instrumentarium an Notfallmaßnahmen in Kraft zu setzen. Federführende Behörde für die Erdgasversorgungssicherheit in Deutschland ist das Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das für Rechtsverordnungen im Erdgasbereich und
die Koordinierung von Notfallmaßnahmen auf nationaler und EU-Ebene verantwortlich
zeichnet. Die Bundesnetzagentur ist als Regulierungsbehörde für die Umsetzung von nicht
marktbasierten Notfallmaßnahmen im Fall einer Erdgasversorgungskrise zuständig.
18. Monitoringbericht 2011, Bundesnetzagentur, 2012.
91
5. Erdgas
Bei regionalen Aspekten des Instrumentariums für den Fall einer Erdgasversorgungskrise
werden auch die Länder und die kommunalen Energieversorger einbezogen. Die Bundesländer sind zusammen mit der Bundesnetzagentur für die Umsetzung bestimmter Aspekte der nicht marktbasierten Notfallmaßnahmen zuständig.
Verschiedene Rechtsgrundlagen regeln die Maßnahmen, die den deutschen Behörden
im Fall einer Erdgasversorgungskrise zur Verfügung stehen:

Zentrale Rechtsgrundlage für die Verantwortlichkeiten der Gasunternehmen und
Netzbetreiber ist das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das die Übertragung der Systemverantwortung an die Fernleitungs- und Verteilernetzbetreiber vorsieht. Gemäß
EnWG haben die Gasversorgungsunternehmen die Aufgabe, eine möglichst sichere,
preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Gasversorgung für die Allgemeinheit sicherzustellen.

Das Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz 1975)
kommt im Notfall zur Anwendung. Die nicht marktbasierten Maßnahmen des Energiesicherungsgesetzes 1975 können nur in Kraft gesetzt werden, wenn die Bundesregierung mittels Rechtsverordnung feststellt, dass eine Gefährdung oder Störung
der Energieversorgung vorliegt. Dadurch können Verordnungen erlassen werden,
um den lebenswichtigen Bedarf an Energie zu sichern. In Rechtsverordnungen kann
vorgesehen werden, dass die Abgabe, der Bezug oder die Verwendung von Gütern
zeitlich oder mengenmäßig beschränkt oder nur für bestimmte vordringliche Zwecke
vorgenommen werden darf.

Die Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung in einer Versorgungskrise (Gassicherungsverordnung) regelt auf der Basis des Energiesicherungsgesetzes 1975, also
nur im Notfall, die Zuständigkeiten für die Gaslastverteilung. Sie ermächtigt die
zuständigen staatlichen Stellen – die Bundesnetzagentur und die Länder – als Lastverteiler zu Verfügungen an Unternehmen und an Verbraucher.
Im Fall einer Erdgas-Versorgungskrise haben bestimmte Kundenkreise Vorrang vor anderen Kunden und werden daher prioritär versorgt. Diese „geschützten Kunden“ machen
rd. 50-60% der Nachfrage aus. Geschützte Kunden sind definiert als Haushaltskunden
sowie Fernwärmeanlagen, die Wärme an Haushaltskunden liefern.
Unterbrechbare Verträge
Unterbrechbare Verträge sind für Industriekunden verfügbar, insbesondere jene, die
über Kapazitäten zur Umstellung auf einen anderen Energieträger verfügen. Bezogen auf
den Gasabsatz handelt es sich bei maximal 10-20% der Verträge mit Gaskunden um unterbrechbare Verträge.
Die Kapazitäten zur Umstellung auf andere Energieträger werden im Instrumentarium
der Bundesrepublik für die Versorgungssicherheit nicht berücksichtigt. Obwohl einige
Erzeuger und größere Industriekunden über bivalente Anlagen verfügen, die auf alternative Energieträger umgestellt werden können, stehen über das volumetrische
Gesamtpotenzial einer Energieträgersubstitution im Notfall nur begrenzte Informationen
zur Verfügung. Es gibt keinerlei Regelungen zur Förderung, Beschränkung oder Überwachung der Kapazitäten zur Umstellung auf andere Energieträger. Die Bundesregierung
erwartet von Unternehmen, dass sie – soweit möglich und erforderlich – eigenverantwortlich
92
© OECD/IEA, 2013
Umstellung auf andere Energieträger
5. Erdgas
Ausweichlösungen entwickeln, um eine höhere Versorgungssicherheit für ihre Anlage zu
gewährleisten. Unternehmen, die über Kapazitäten zur Umstellung auf andere Energieträger verfügen, würden im Fall einer Erdgasversorgungskrise die Nutzung dieser Möglichkeit erwägen. Für die Umstellung von Erdgas auf andere Brennstoffe würden keine
Einschränkungen gelten.
Nach der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes ist es möglich, auch auf Ebene der
Verteilernetzbetreiber unterbrechbare Verträge anzubieten, um Engpässe zu vermeiden.
Es besteht keine Möglichkeit zur kurzfristigen Steigerung der Gasförderung.
RISIKOANALYSE
Eine wichtige Entwicklung im Hinblick auf die Krisenvorsorge für die Erdgasversorgungssicherheit in Deutschland stellt die laufende Umsetzung der EU-Verordnung 994/2010
dar. Als ersten Schritt zur vollständigen Umsetzung der Verordnung wurde eine Bewertung der Risiken der Erdgasversorgungssicherheit durchgeführt. Hauptresultat der Risikoanalyse war, dass die Erdgasversorgungslage in Deutschland sicher und zuverlässig ist.
Ferner ergab die Risikoanalyse, dass die durch die EU-Verordnung vorgeschriebenen
Standards erfüllt sind und dass die verfügbaren marktbasierten Maßnahmen im Allgemeinen für die Sicherung der Erdgasversorgung ausreichen. Die Analyse beruhte auf der
Risikohypothese, dass in extrem kalten Wintern eine deutliche Verringerung der Gasimporte an den wichtigsten Netzeinspeisepunkten eintritt.
Der wichtigste Schritt zur Umsetzung der Verordnung war die Erstellung von Notfall- und
Präventionsplänen:

Der Präventionsplan berücksichtigt die aus der Risikoanalyse gewonnenen Erkenntnisse sowie den nationalen Netzentwicklungsplan und das Erfordernis von Kapazitäten für den Umkehrfluss (Reverse Flow) bei einigen Pipelines.

Die Hauptelemente des Notfallplans umfassen die Darstellung der Krisenstufen:
a) Bestätigung durch die für das Notfallmanagement zuständigen Behörden, b) Beschreibung der Aufgaben von Behörden, Netzbetreibern und Gasversorgungsunternehmen sowie Identifizierung diskriminierungsfreier Maßnahmen, Krisenteam aus
ständigen und nichtständigen Mitgliedern, c) Verfahren für die Zusammenarbeit und
den Informationsfluss zwischen der Energiewirtschaft und den nationalen Behörden
sowie auf nationaler und EU-Ebene, Schulungsbedarf für den Umgang mit Versorgungskrisen.
Der Notfallplan wurde im Dezember 2012 nach intensiven Konsultationen mit der Gaswirtschaft, Wirtschafts- und Verbraucherverbänden sowie anderen Behörden und Nachbarländern veröffentlicht. Für den Präventionsplan sind ähnliche Konsultationen im
Gange.
© OECD/IEA, 2013
DATENQUALITÄT
Rechtsgrundlage für die Erhebung von Erdgasdaten in der Bundesrepublik Deutschland
ist das Energiestatistikgesetz. Im Rahmen seiner Erhebungen erfasst das Statistische
Bundesamt monatliche Daten (zur Gewinnung, Erzeugung oder leitungsgebundenen Verteilung von Gas) von Unternehmen der Gaswirtschaft. Die Betreiber übermitteln außerdem Daten zum Gasbezug, zum Speichersaldo und zum Verbrauch an das Statistische
Bundesamt.
93
5. Erdgas
Zusätzlich zum Energiestatistikgesetz regelt das Energiewirtschaftsgesetz die Übermittlung von Daten der Gaswirtschaft an die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde.
Weitere Verpflichtungen zur Übermittlung von Daten an die Bundesnetzagentur ergaben
sich durch die Richtlinie 2004/67/EG. Ferner sind die Unternehmen gemäß EG-Verordnung 638/2004 verpflichtet, Intrastat-Meldungen an das Statistische Bundesamt zu
übermitteln. Zweck der Intrastat-Meldungen ist die Erfassung des tatsächlichen Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Die Daten zu Gasimporten aus Drittstaaten (Nichtmitgliedstaaten der EU) werden auf
der Grundlage der gemäß Außenwirtschaftsverordnung vorgelegten Einfuhrkontrollmeldungen ermittelt. Die Daten für Aus- und Einfuhren in bzw. aus EU-Mitgliedstaaten
werden den Intrastat-Meldungen entnommen, die dem Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle (BAFA) von den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden.
Eine Ausnahme stellt die Ermittlung der Importe aus Norwegen dar. Die aus Norwegen
importierten Erdgasmengen, die für den inländischen Verbrauch bestimmt sind, werden
anhand von Meldungen der Infrastrukturbetreiber für den Transport und die Verteilung
von norwegischem Erdgas in der Bundesrepublik erhoben. Deutschland ist nicht an der
Joint Organisations Data Initiative (JODI) Gas beteiligt, dies dürfte sich jedoch 2013 mit
dem Inkrafttreten neuer Berichtspflichten für Erdgasdaten ändern.
Seit 2012 erhebt das Statistische Bundesamt die Erdgasdaten direkt anstatt wie zuvor
über die Länder. Dadurch stehen die Daten zeitnaher zur Verfügung. Seit Oktober 2012
sind die Netzbetreiber verpflichtet, tägliche Daten zu den physischen Gasflüssen (Importe, Exporte, Bestand, Bestandsänderungen usw.) an die Bundesnetzagentur zu übermitteln. Nach einer entsprechenden Prüfung und Qualitätskontrolle könnten diese Daten
auch für die Gas Flow Map für Deutschland und JODI Gas verwendet werden.
Das Energiestatistikgesetz wird gegenwärtig geändert, um eine flexiblere Verwendung der
verfügbaren Daten einschließlich monatlicher kurzfristiger Statistiken auf Basis physischer
Gasflüsse (Netzbetreiber) und jährlicher Statistiken auf Basis der Daten von Gashandelsunternehmen zu ermöglichen. Deutsche Unternehmen sind nicht verpflichtet, standortbasierte Erdgasspeichermengen zu melden, sondern lediglich die Bestandsänderung der gespeicherten Gasmenge insgesamt. Der Bundesregierung zufolge ist keine Meldepflicht für die
Bestandsverteilung von Unternehmen, bei denen Gasbestände gespeichert sind, erforderlich, da bereits Gesamtdaten (d.h. national aggregierte Daten) für Erdgas erhoben werden.
Trotz rückläufigen Verbrauchs ist Deutschland weiterhin einer der größten Erdgasmärkte
in Europa. Das Land verfügt nach wie vor über heimische Erdgasförderung und spielt mit
seiner soliden Versorgungs- und Speicherinfrastruktur und starken inländischen Gasversorgungsunternehmen eine zentrale Rolle für den europäischen Erdgashandel. Auf dem
Erdgasmarkt war eine Reihe positiver Entwicklungen zu beobachten, die in den fünf Jahren seit der Veröffentlichung des letzten Energieberichts zu mehr Wettbewerb geführt
haben. Die Bundesnetzagentur hat ein Entry-Exit-System eingeführt, die Bilanzierungsregeln reformiert und die Zahl der Marktgebiete von über zwanzig im Jahr 2006 auf
sechs im Jahr 2009 und mittlerweile nur noch zwei reduziert. Somit verfügt Deutschland
nun über zwei qualitätsübergreifende Marktgebiete (wobei jedoch die L- und H-Gas-Netze
aus technischen Gründen getrennt voneinander betrieben werden müssen), in denen
alle Kunden in einer großen Bilanzzone zusammengefasst sind.
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© OECD/IEA, 2013
BEWERTUNG
5. Erdgas
Zwei Wettbewerbsverfahren der Europäischen Kommission trugen entscheidend dazu
bei, das Problem des unzureichenden Zugangs zu Netzkapazitäten zu lösen. Diese Verfahren führten dazu, dass RWE sein Gasleitungsnetz veräußerte und E.ON bedeutende
Kapazitäten an den Einspeisepunkten seiner Gasnetze freigab. Allerdings kommt es an
den wichtigsten Im- und Exportpunkten auf Grund von Langfristbuchungen nach wie vor
zu Kapazitätsengpässen. Dies behindert den Ausbau des grenzüberschreitenden Handels
und des Wettbewerbs und führt letztlich zu höheren Preisen für deutsche Verbraucher.
Die Diversifizierung der Gasversorgungsrouten nach Deutschland hat sich ebenfalls verbessert, insbesondere mit der Eröffnung der Nord-Stream-Pipeline, durch die sich die
Importkapazität um 55 Mrd. m3 erhöht hat. Durch die Inbetriebnahme der OPAL-Pipeline
und der Nordeuropäischen Erdgasleitung wurde auch die Anbindung an andere europäische Länder verbessert. Deutschland verfügt EU-weit über die umfangreichsten Erdgasspeicherkapazitäten. Dabei handelt es sich zu 43% um Salzkavernenspeicher, aus
denen gespeichertes Gas kurzfristig entnommen werden kann. Dieser Aspekt spielt eine
wichtige Rolle für die Entwicklung eines flexibleren Stromversorgungssystems im Zuge
des Ausbaus der erneuerbaren Energien in den kommenden Jahren. Weitere Speicherkapazitäten im Umfang von 13,9 Mrd. m³ sind derzeit in Planung oder im Bau.
Die deutschen Erdgaspreise (ohne Steuern) beliefen sich 2010 auf 40 US-$ je MWh und
waren damit höher als die Preise in stärker integrierten und liquideren Märkten wie den
Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Um eine Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums, insbesondere im Industriesektor, zu verhindern, sind weitere Anstrengungen zur Verringerung dieser Preisdifferenzen erforderlich – vor allem in Anbetracht der gegenwärtigen Marktentwicklung in Nordamerika.
© OECD/IEA, 2013
Obwohl Deutschland über einen der europaweit größten Gassektoren, eine starke inländische Wirtschaft, zunehmend diversifizierte Bezugsquellen und eine robuste Versorgungsinfrastruktur verfügt, bietet das Energiekonzept der Bundesregierung nur begrenzt
Klarheit über die künftige Rolle von Erdgas. Mit der Umsetzung des Energiekonzepts in
den kommenden zehn Jahren wird sich die Rolle von Erdgas im Energiemix der Bundesrepublik bedeutend verändern und von entsprechender Unsicherheit geprägt sein. Im
Energiekonzept wird zwar darauf hingewiesen, dass Investitionen in Reserve- und Ausgleichskapazitäten, insbesondere in flexiblere Kohle- und Gaskraftwerke, erforderlich
sein werden und dass Erdgas künftig eine wichtigere Rolle im Verkehrswesen spielen
soll, doch die Positionierung von Erdgas als aktiven Bestandteil des zukünftigen Energiemix erfolgt nur zögerlich.
Eine Steigerung des Gasverbrauchs könnte durch den voraussichtlichen Bedarf an flexibleren Kapazitäten aus Gas- und Dampfturbinen-Anlagen (GuD-Anlagen) eintreten, die vor
dem Hintergrund des beschlossenen Atomausstiegs für sichere Stromerzeugungskapazitäten sorgen können. Gaskraftwerke werden möglicherweise auch als Alternative zur
Kohleverstromung gebraucht, wenn Deutschland sein Ziel einer Minderung der Treibhausgasemissionen um 55% bis 2030 erfüllen will. Die GuD-Kapazität dürfte von gegenwärtig 20 Gigawatt (GW) bis zum Jahr 2030 auf 50 GW steigen. Der verstärkte Einsatz
von Gaskraftwerken als Mittel zur Flexibilisierung wird deutlich stärkere Schwankungen
der Gasnachfrage mit sich bringen. Mit 19 GW machen gasbefeuerte Kraftwerke weniger
als 19% der gesamten installierten Erzeugungskapazität in Deutschland aus, wenngleich
sich die Kapazität bis 2015 durch die Inbetriebnahme neuer Kraftwerke um rd. 3,9 GW
erhöhen dürfte.
95
5. Erdgas
Die komplexe Eigentümerstruktur auf dem deutschen Markt mit zahlreichen Überkreuzbeteiligungen zwischen großen Marktakteuren, regionalen Gastransportgesellschaften
und Stadtwerken stellt immer noch ein Problem dar. Die meisten Stadtwerke befinden
sich in der Hand von Kommunen, die auch im Bereich der Stromerzeugung und -verteilung,
in der Wärme- und Wasserversorgung und im öffentlichen Personennahverkehr tätig
sind. Die Eigentumskonzentration in diesem Sektor bietet nach wie vor erheblichen
Grund zur Besorgnis. Allerdings wurden die Kompetenzen der Bundesnetzagentur als
Regulierungsbehörde seit ihrer Gründung im Jahr 2005 gestärkt. Durch die Umsetzung
des Dritten Binnenmarktpakets der EU wurde außerdem die Unabhängigkeit der Fernleitungsnetzbetreiber von anderen Aktivitäten am Gasmarkt vorangetrieben. Das erforderliche Zertifizierungsverfahren für Fernleitungsnetzbetreiber zur Bescheinigung ihrer
Unabhängigkeit ist ebenfalls angelaufen. Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz
schreibt für die Betreiber von Speicheranlagen die rechtliche Entflechtung von anderen
Tätigkeitsbereichen der Energieversorger vor. Die geplante Einrichtung einer Markttransparenzstelle wird begrüßt.
Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) haben einen nationalen Gasnetzentwicklungsplan
erarbeitet. Der zehnjährige Investitionsplan der FNB liegt gegenwärtig der Bundesnetzagentur zur abschließenden Genehmigung vor. Der Plan umfasst 32 Projekte mit einem
Investitionsvolumen von insgesamt 2,2 Mrd. Euro, die in den nächsten zehn Jahren von
den Fernleitungsnetzbetreibern gebaut werden müssen. Es ist jedoch unklar, ob die Planungen und Verfahren der Verteilernetzbetreiber hinreichend flexibel sind, um die mit
der Einführung des Energiekonzepts einhergehenden Änderungen meistern zu können,
und ob sie vollständig bzw. soweit wie möglich mit den Plänen der FNB abgestimmt sind.
Eine hohe Leistungsfähigkeit und Flexibilität des deutschen Gasnetzes und Gasmarkts in
Verbindung mit angemessenen Gasspeicherkapazitäten sind unerlässlich, um das deutsche Energiesystem für die erfolgreiche Bewältigung der bevorstehenden Veränderungen zu rüsten.
Die deutschen Gasdaten sind für Gasanalysten, die sich mit den europäischen Gasmärkten beschäftigen, zu einem Unsicherheitsfaktor geworden. Die verfügbaren Datensätze
scheinen weder auf Basis des Volumens noch auf Basis der Wachstumsraten übereinzustimmen. Ein Vergleich zwischen den Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie (BMWi), des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), des
Statistischen Bundesamts (Destatis) und der Bundesnetzagentur (BNetzA) offenbart erhebliche Abweichungen, obwohl es sich bei allen diesen Einrichtungen um Bundesbehörden handelt. Die Daten dieser Behörden unterscheiden sich auch von den Daten
der Energiewirtschaft (AG Energiebilanzen), wobei jedoch das BMWi in letzter Zeit tendenziell mit der IEA konform ging. Die Datenproblematik zeigt sich auch in den Differen-
96
© OECD/IEA, 2013
Trotz der umfangreichen physisch gelieferten Gasmengen an den beiden deutschen Hubs
ist die Liquidität nach wie vor relativ gering, insbesondere im Vergleich zu den Hubs im
Vereinigten Königreich (NBP) und in den Niederlanden (TTF). Dennoch gibt es an den
Märkten Anzeichen dafür, dass bei der Erdgaspreisbildung in Deutschland die Ölpreisbindung zunehmend von einer Verwendung der Handelspreise abgelöst wird. Der deutsche
Erdgasmarkt verfügt angesichts seiner Größe, seiner Lage in der Mitte Europas und der
guten Verbindungsleitungen in verschiedene Nachbarländer über die geeigneten Voraussetzungen, um sich zum bedeutendsten Gashandelsplatz in Kontinentaleuropa zu entwickeln. Bislang aber ist die niederländische TTF nach wie vor der führende kontinentaleuropäische Gashub. Ohne die vollständige Unterstützung durch die deutschen FNB, die
Eigentümer der beiden bestehenden Hubs sind, dürfte sich dies wohl kaum ändern.
5. Erdgas
zen zwischen den monatlichen Meldungen und den endgültigen jährlichen Meldungen
an die IEA. Da Deutschland etwa ein Fünftel der europäischen Gasnachfrage ausmacht,
wird dadurch jede Analyse der europäischen Gastrends nahezu redundant. Problematisch sind dabei nicht nur die absoluten Mengen, sondern auch die Sektoraufteilung. Die
im IEA-Bericht Natural Gas Information 2012 enthaltenen Jahresdaten weisen für 2010,
eines der kältesten Jahre des letzten Jahrzehnts, einen Rückgang der Erdgasnachfrage
von Privathaushalten um fast ein Viertel aus.
Diese Ungewissheit könnte sich im Hinblick auf die Versorgungssicherheit als problematisch erweisen, da Deutschland auch ein wichtiges Transitland für Erdgas ist; die Unzuverlässigkeit von Im- und Exportdaten kann Risiken auf andere Länder übertragen. Die in
der Länderprüfung aufgeführten und analysierten Daten stammen aus Natural Gas
Information 2012 und IEA-Datenbanken.
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 detaillierte Szenarien für die Rolle von Gas im deutschen Energiemix der nächsten
zwanzig Jahre erarbeiten, die im Einklang mit dem Energiekonzept stehen und die
größere Flexibilität von Erdgas berücksichtigen;
 weiterhin sicherstellen, dass eine stärkere Integration der Gasnetzinfrastruktur, liquidere
Märkte und eine breitere Diversifizierung der Importquellen möglich sind und in ausreichendem Maße Speicherung stattfindet, um diversen Gasnutzungsszenarien und
größeren Nachfrageschwankungen gerecht zu werden;
 besseren Zugang zu den globalen Gasmärkten fördern. Zu diesem Zweck sollte entweder der Zugang zu LNG-Terminals in Nachbarländern durch einen Kapazitätsausbau bei grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen und im Fernleitungsnetz
sowie transparente Handelsvereinbarungen verbessert werden oder es sollten bei
Bedarf geeignete Voraussetzungen für den Bau eines oder mehrerer LNG-Terminals
in Deutschland geschaffen werden, indem die Investitionsbedingungen und die Diversifizierung der Bezugsquellen verbessert werden;
 eine kohärente Datengrundlage, Analyse und Veröffentlichung von Informationen
zum deutschen Gasmarkt sicherstellen;
 die Kompetenzen der Regulierungsbehörde zur Überwachung der Großhandels- und
Endkundenmärkte für Gas (und Strom) im Hinblick auf Preismanipulationen oder eine
zu starke Marktkonzentration ausweiten und die Befugnisse des Bundeskartellamts
nach Paragraph 29 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zur Untersuchung der missbräuchlichen Ausnutzung von marktbeherrschenden Stellungen
durch Energieversorgungsunternehmen erhalten;
© OECD/IEA, 2013
 den Dialog mit gegenwärtigen oder potenziellen zukünftigen Gaslieferländern intensivieren, um die Flexibilität beim Gasbezug zu steigern und eine Preisbildung zu fördern, die den Fundamentaldaten des Marktes entspricht.
97
6. Erdöl
6. ERDÖL
Eckdaten (2011)
Rohölförderung: 2,6 Mio. t, -17% seit 2000
Nettoölimporte: 96,9 Mio. t, -18% seit 2000
Gesamt-Endverbrauch: 92 Mio. t, -19,3% seit 2000
Erdölanteil: 32,7% am Gesamt-Primärenergieaufkommen und 1,1% an der Stromerzeugung
ÜBERBLICK
Erdöl ist die wichtigste Energiequelle in Deutschland, obgleich seine Bedeutung seit
Anfang der 1970er Jahre merklich zurückgegangen ist. Die Bundesrepublik verfügt über
begrenzte heimische Ölressourcen und stützt sich weitgehend auf Importe, um den Ölbedarf für die großen Mengen an Raffinerieprodukten zu decken, die sie erzeugt und
exportiert. Sie besitzt eine gut diversifizierte und flexible Ölversorgungsinfrastruktur in
Form von Pipelines und Einfuhrterminals. Der deutsche Ölmarkt ist liberalisiert und
zeichnet sich durch eine große Zahl an Marktteilnehmern aus. Im Jahr 2011 machte Erdöl
rd. 33% am Gesamt-Primärenergieaufkommen aus. Die Erdölvorräte liegen generell weit
über der von der IEA geforderten Reichweite von 90 Tagen: Im April 2012 entsprachen
die gesamten Ölbestände den Nettoeinfuhren für 140 Tage.
ANGEBOT UND NACHFRAGE
FÖRDERUNG, IMPORTE UND EXPORTE
© OECD/IEA, 2013
Erdöl ist nach wie vor (trotz seines rückläufigen Anteils) die wichtigste Energiequelle in
Deutschland, auf die im Jahr 2011 32,7% am Gesamt-Primärenergieaufkommen entfielen,
ein leichter Anstieg gegenüber 31,9% im Jahr 2010. Von rd. 37% ist der Erdölanteil am Gesamtenergieaufkommen in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen, was z.T. durch
einen steigenden Einsatz von Biokraftstoffen ausgeglichen wurde. Das Erdölaufkommen
belief sich 2011 insgesamt auf 101,9 Mio. t, was einem Rückgang um 3,1% gegenüber 2010
entsprach und 18,3% niedriger war als im Jahr 2000. Der Gesamtölverbrauch befindet sich
ebenfalls auf einem Abwärtstrend, er ist zwischen 2000 und 2011 von 114 Mio. t auf
92 Mio. t gesunken. Die Nettoimporte stellen rd. 95,1% am gesamten Erdölaufkommen,
Deutschland importierte 2011 125,7 Mio. t Erdöl, während 18,3 Mio. t exportiert wurden
(10,5 Mio. t entfielen auf internationale Bunker).
Die heimische Ölförderung ist in Deutschland begrenzt, sie belief sich 2011 auf 2,6 Mio. t,
was rd. 3% des Verbrauchs entsprach. Dieser Wert ist höher als 2010 (2,5 Mio. t) und 17%
niedriger als im Jahr 2000 (3,2 Mio. t). Die Ölförderung ist im Allgemeinen seit mehreren
Jahrzehnten rückläufig, und die Bundesregierung geht davon aus, dass die Förderung weiter
mit einer Jahresrate von rd. 5% sinken wird. Schätzungen zufolge belaufen sich die nachgewiesenen und wahrscheinlichen Ölreserven auf weniger als 36 Mio. t. Die Erdölförderung er-
99
6. Erdöl
folgt hauptsächlich in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Auch in Rheinland-Pfalz wird im
Feld Römerberg Erdöl gefördert. Die in der heimischen Exploration und Produktion tätigen
Unternehmen sind Wintershall Holding, RWE DEA, GDF Suez E&P Deutschland sowie BEB
Erdgas und Erdöl.
Die Ölimporte insgesamt beliefen sich 2011 auf 2 515 tausend Barrel pro Tag (kb/d) – was in
etwa 98% des inländischen Ölverbrauchs entsprach. Die Importe setzten sich aus 1 826 kb/d
Rohöl und 648 kb/d Erdölerzeugnissen zusammen (wovon 279 kb/d auf Dieselkraftstoff und
Destillatheizöl entfielen). Deutschland exportierte auch 372 kb/d Rohöl und Erdölerzeugnisse. Deutschlands Rohölimporte sind verhältnismäßig gut diversifiziert, 50,8% der Importe
stammten aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, 25% kamen aus (vor allem europäischen) OECD-Ländern und 18,2% wurden aus einer Reihe von Mitgliedstaaten der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), darunter Nigeria, Algerien, Angola und Libyen, bezogen. Nahezu 88% der eingeführten Raffinerieprodukte kamen aus OECD-Ländern (95%
davon aus Europa, namentlich aus den Niederlanden, Belgien und dem Vereinigten Königreich), und der Rest stammte aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion.
Abbildung 17 Ölverbrauch nach Sektoren*, 1973-2011
* Primärenergieverbrauch nach Verbrauchssektor. Industrie schließt den nichtenergetischen Verbrauch ein. Gewerbe umfasst den gewerblichen
Sektor, den öffentlichen Sektor, Landwirtschaft/Forstwirtschaft, Fischerei und sonstigen Endverbrauch. Sonstige umfasst sonstige Umwandlung und
den Verbrauch des Energiesektors.
Rohöl wird über vier grenzüberschreitende Pipelines sowie über die vier größten Seehäfen eingeführt. Die vier grenzüberschreitenden Pipelines, mit denen Öl aus Russland,
den Niederlanden, Frankreich und Italien transportiert wird, wiesen 2010 einen Durchsatz von insgesamt 1 298 kb/d (bzw. 64,3 Mio. t) auf. Drei Einfuhrhäfen liegen an der
Nordsee (Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Hamburg) und ein weiterer (Rostock) befindet sich an der Ostsee. Nach dem Löschen wird das Rohöl in den Raffinerien in der Nähe
dieser Häfen oder in inländischen Raffinerien verarbeitet, die durch Pipelines mit den
Häfen verbunden sind. Vier inländische Pipelines (deren Durchsatz sich 2010 insgesamt
auf 497 kb/d bzw. 24,6 Mio. t belief) verbinden Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Rostock
mit verschiedenen Raffinerien.
100
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
6. Erdöl
Abbildung 18 Rohöleinfuhren nach Ursprungsländern, 2011
Russische Föderation
Ver. Königreich
Norwegen
Kasachstan
Nigeria
Aserbaidschan
Libysch-Arabische
Dschamahirija
Algerien
Sonstige
Another
Quelle: Oil, Gas, Coal and Electricity Quarterly Statistics, Zweites Quartal 2012, IEA/OECD 2012.
Raffinerieprodukte werden nach Deutschland auch über den Seeweg (die Häfen in Bremen plus drei weitere, die auch für Rohölimporte genutzt werden) sowie über eine Produktenleitung importiert. Die Produktenleitung kommt von Rotterdam und besitzt eine
jährliche Importkapazität von ungefähr 261 kb/d bzw. 12,8 Mio. t.
RAFFINERIEWIRTSCHAFT
Deutschland verfügt mit über die größten Raffineriekapazitäten in Europa und gehört zu den
größten Raffineriebetreibern der Welt. Ende 2011 wurden in Deutschland 13 Raffinerien mit
einer Rohölverarbeitungskapazität von insgesamt 2 090 kb/d (103, 5 Mio. t/Jahr) betrieben.
Der Raffineriesektor durchläuft derzeit einen Rationalisierungsprozess, der z.T. durch
sich verändernde örtliche Marktbedingungen vorangetrieben wird, die zu einem Rückgang der Nachfrage nach Benzin und Heizöl geführt haben. Zu den anderen Faktoren
zählen die gestiegenen Rohölpreise und die sich wandelnde Struktur der weltweiten Raffineriewirtschaft, die beide für Druck auf die Raffineriemargen gesorgt haben. Es ist unklar, welche Effekte eventuell von Umweltauflagen (wie Emissionsgrenzwerte) auf die
Margen der deutschen Raffineriewirtschaft im Vergleich zu den in anderen EU-Ländern
geltenden Vorschriften ausgehen können. Der Bundesregierung zufolge fielen die Raffineriemargen 2011 besser aus als 2009 und 2010, sie waren aber deutlich niedriger als im
Zeitraum 2004-2008, wie dies auch andernorts in Europa der Fall war.
© OECD/IEA, 2013
Die bedeutendste Entwicklung der jüngsten Zeit in der Raffineriewirtschaft war die
Schließung der ConocoPhillips-Raffinerie in Wilhelmshaven Ende 2010 (die Raffinerie
hatte den Betrieb im Wesentlichen seit November 2009 eingestellt). Mit einer Kapazität
von 272 kb/d (13,5 Mio. t/Jahr) war die Raffinerie die drittgrößte in Deutschland und exportierte den Großteil ihrer Produktion. Die Raffinerie wird weiterhin für die Lagerung
von Raffinerieprodukten genutzt.
Die Zukunft einer anderen Raffinerie wurde in Frage gestellt, als die Produktion der
Raffinerie Ingolstadt mit einer Kapazität von 100 kb/d (5 Mio. t/Jahr) im Februar 2012 infolge finanzieller Schwierigkeiten der Petroplus-Holding und ihrer Tochtergesellschaft
Petroplus Raffinerie Ingolstadt GmbH vorübergehend gestoppt wurde. Inzwischen wurde
die Raffinerie Ingolstadt von der Gunvor Group aufgekauft, und die Produktion wurde
Ende August 2012 wieder gestartet.
101
6. Erdöl
Andernorts plante Shell Deutschland, seine Raffinerie Hamburg-Harburg (Kapazität: 105
kb/d bzw. 5,2 Mio. t/Jahr) zu verkaufen. Nynas war bereit, die Raffinerie 2012 mit dem
Ziel zu übernehmen, die Produktion von Spezialschmierstoffen auszuweiten. Shell
Deutschland veräußerte auch seine Raffinerie in Heide (Kapazität: 72,7 kb/d bzw. 3,6
Mio. t/Jahr) Ende 2010 an die in der Schweiz ansässige Klesch and Company.
Ebenfalls Ende 2010 erwarb Rosneft 50% der Ruhr Oel GmbH von Petroleos de Venezuela
(die anderen 50% behielt BP). Ruhr Oel betreibt die Raffinerieanlage in Gelsenkirchen
(Kapazität: 256 kb/d bzw. 12,7 Mio. t/Jahr) und besitzt Anteile an der Mineralölraffinerie
Oberrhein in Karlsruhe (Kapazität: 301 kb/d bzw. 14,9 Mio. t/Jahr), der Bayernoil Raffinerie
in Neustadt (Kapazität: 208 kb/d bzw. 10,3 Mio. t/Jahr) und der Raffinerie PCK in Schwedt
(Kapazität: 228 kb/d bzw. 11,3 Mio. t/Jahr).
Obwohl die gesamte Raffinerieproduktion nur geringfügig niedriger ist als die Binnennachfrage nach Mineralölprodukten, existiert eine Reihe von Ungleichgewichten, auf Grund
derer erhebliche Einfuhren mancher Produkte erforderlich sind, während andere Produkte
ausgeführt werden müssen. Deutschland ist beispielsweise seit 2010 Nettoimporteur von
Diesel: Ende 2011 wies Deutschland ein Defizit an Dieselkraftstoff und Destillatheizöl in
Höhe von 138,6 kb/d und ein allgemeines Defizit an Mitteldestillaten in Höhe von
315,6 kb/d auf. Auch bei Naphtha besteht ein Versorgungsdefizit in Höhe von 183 kb/d. Im
Gegensatz dazu verzeichnete die Industrie 2011 einen Produktionsüberschuss an Benzin
von 67 kb/d und ist seit 2004 Nettoexporteur von Ottokraftstoffen und Benzinkomponenten. Deutschlands Nettoimporte von Mineralölprodukten beliefen sich 2011 auf 327 kb/d.
Die Nachfrage nach Dieselkraftstoff stieg zwischen 2001 und 2011 um rd. 16%, während
die Nachfrage nach Ottokraftstoff im selben Zeitraum um nahezu 30% zurückgegangen ist.
Die Nachfrage nach Naphtha hat seit 2001 ebenfalls um 8,8% abgenommen.
Tabelle 8 Deutsche Raffineriekapazitäten
Raffinerie
Standort
Bundesland
Kapazität
(Mio. t/Jahr)
Mineraloelraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
14,9
Neustadt/Vohburg
Bayern
10,3
Ingolstadt
Bayern
5
BAYERNOIL Raffineriegesellschaft mbH
Petroplus Raffinerie Ingolstadt
OMV Deutschland GmbH
Burghausen
Bayern
3,48
PCK Raffinerie Schwedt GmbH
Schwedt
Brandenburg
11,2
Elbe Mineralölwerke Raffineriezentrum Hamburg-Harburg
Hamburg
Hamburg
5,2
Holborn Europa Raffinerie GmbH
Hamburg
Hamburg
4,65
Lingen
Niedersachsen
4,5
Wilhelmshaven
Niedersachsen
13,5
Köln-Godorf
Nordrhein-Westfalen
8,9
Rheinland-Raffinerie Werk Wesseling
Köln-Wesseling
Nordrhein-Westfalen
7
Ruhr Oel GmbH
Gelsenkirchen
Nordrhein-Westfalen
12,8
Total Raffinerie Mitteldeutschland GmbH
Leuna-Spergau
Sachsen-Anhalt
12
Heide
Schleswig-Holstein
Erdöl-Raffinerie Emsland
Wilhelmshavener Raffineriegesellschaft mbH
Rheinland-Raffinerie Werk Godorf
Raffinerie Heide
Insgesamt (Mio. t)
4,2
117,63
102
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Mineralölwirtschaftsverband e.V. – Jahresbericht 2010.
6. Erdöl
NACHFRAGE
2011 belief sich die Ölnachfrage in Deutschland auf 2 400 kb/d, was weniger war als
2010 (2 470 kb/d), womit sich der seit 1998 beobachtete Abwärtstrend fortsetzt. Der
Straßengüterverkehr ist der größte Ölverbraucher und beanspruchte im Jahr 2011 49,7%
des gesamten Ölangebots, wobei auf Diesel 27,5% der Nachfrage nach Mineralölprodukten entfielen. Die Industrie lag mit deutlichem Abstand auf dem zweiten Platz und machte 2011 22,4% der gesamten Mineralölproduktnachfrage aus. Ihr Anteil ist in den letzten
zehn Jahren verhältnismäßig konstant geblieben.
Es wird davon ausgegangen, dass der Ölverbrauch auf mittlere Sicht weiter abnehmen
wird: Der Mineralölwirtschaftsverband prognostizierte für den Zeitraum zwischen 2010
und 2025 einen Rückgang des Ölverbrauchs um 14%. Zu den Schlüsselfaktoren, die die
Nachfrageprognose beeinflussen, gehören die Förderung von Biokraftstoffen und alternativen Kraftstoffen, die gültige Energiebesteuerung sowie die Effizienzstandards für
Gebäude und Fahrzeuge.
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Endenergieverbrauch im Verkehrssektor im Zeitraum 2005-2020 um 10% und im Zeitraum 2005-2050 um 40% zu reduzieren. Dem Energiekonzept zufolge ist es Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Million
und bis 2030 sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen. Die Bundesregierung erarbeitet zurzeit ferner eine „Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie“, die auf die
Entwicklung neuer und alternativer Kraftstoffe bzw. Antriebssysteme mit dem Ziel ausgerichtet sein wird, erneuerbare Energien im Verkehrssektor zu etablieren und die
Abhängigkeit von mit Öl betriebenen Verkehrsträgern zu reduzieren. Ein Entwurf der
Strategie soll bis zum ersten Halbjahr 2013 vorliegen.
BRANCHENSTRUKTUR
Der deutsche Ölmarkt ist größtenteils dereguliert und wettbewerblich organisiert. Eine
Vielzahl von Unternehmen ist in diesem Sektor tätig, darunter auch viele unabhängige
Unternehmen im Raffineriesektor und Einzelhandel. Die Bundesregierung hält keine Beteiligung an den im Mineralölsektor tätigen Unternehmen.
Im Upstream-Sektor sind nur wenige Unternehmen vertreten, die Explorationsaktivitäten durchführen oder Öl fördern. Die Unternehmen mit den größten Anteilen an der
heimischen Förderung sind Wintershall Holding, RWE Dea, GDF Suez, E&P Deutschland
sowie BEB Erdgas und Erdöl.
© OECD/IEA, 2013
Im Raffineriesektor besitzt eine Vielzahl internationaler Mineralölgesellschaften Anteile
an der deutschen Raffineriekapazität. Im Jahr 2010 war Shell Deutschland Oil mit einem
Anteil von 25,6% an der gesamten deutschen Raffineriekapazität der größte Raffineriebetreiber in Deutschland. Die nächstgrößten Betreiber waren BP Europa (14,5%), ConocoPhillips Germany (13,9%) und Total Deutschland (11,8%). Rosneft hielt auf Grund seines
Joint Ventures Ruhr Oel (mit BP) einen Anteil von 9,8% an dem Sektor. Bei vier von
Deutschlands 14 Raffinerien handelt es sich um Joint Ventures, von denen jedes bis zu
fünf Anteilseigner hat.
Im Downstream-Sektor erfolgt der Kraftstoffvertrieb über etwa 14 400 Straßentankstellen
und rd. 350 Autobahntankstellen. Die Zahl der Tankstellen in Deutschland ist rückläufig,
gegenüber Anfang 2006 war sie um 475 geringer, und gegenüber Anfang 2001 waren es
ungefähr 1 600 weniger.
103
6. Erdöl
Aral (BP) und Shell verfügen über die höchsten Marktanteile (22,5% bzw. 21% des Kraftstoffabsatzes), gefolgt von Jet (ConocoPhillips) mit 10,5% sowie Total und Esso mit
jeweils 7.5%. Darüber hinaus sind viele andere Raffinerieunternehmen und konzernunabhängige, mittlere Mineralölgesellschaften im Kraftstoffmarkt tätig, darunter Avia,
Westfalen und Freie Tankstellen (bft). Etwa 280 Tankstellen sind im Besitz und Betrieb
von Supermärkten, und rd. 275 Tankstellen, die sich auf dem Gelände von Supermärkten
befinden, gehören Jet, Total, Orlen und Shell.
WETTBEWERBSRECHTLICHE BEDENKEN
Die Marktanteile am deutschen Kraftstoffmarkt sind in den letzten Jahren verhältnismäßig unverändert geblieben, und es findet zurzeit eine Debatte statt, ob die fünf größten Kraftstoffanbieter ein marktbeherrschendes Oligopol bilden. Am 26. Mai 2011 legte
das Bundeskartellamt die Ergebnisse seiner Untersuchung des Kraftstoffmarkts vor. Diese Untersuchung wurde infolge zahlreicher Beschwerden von freien Tankstellen und
Verbrauchern im Hinblick auf den Wettbewerb am Tankstellenmarkt eingeleitet. Der Abschlussbericht stützte die Annahme, dass ein markt-beherrschendes Oligopol existiert.
In dem Bericht wurde festgestellt, dass die fünf Mineralölgesellschaften BP (Aral), ConocoPhillips (Jet), ExxonMobil (Esso), Shell und Total ein marktbeherrschendes Oligopol bilden, auf dessen Mitglieder 65% des Kraftstoffabsatzes entfallen. Diese oligopolistische
Marktstruktur führe zu einer einheitlichen Preissetzung an den betroffenen Tankstellen.
Die Untersuchung forderte im Ergebnis eine strenge Haltung in Fragen der Fusionskontrolle, um eine weitere Marktkonzentration zu verhindern.
RAFFINERIEN
Deutschland verfügt mit über die größten Raffineriekapazitäten in Europa und gehört zu
den größten Raffineriebetreibern der Welt. Dennoch hat in dem Sektor in den letzten
Jahren eine Rationalisierung stattgefunden. Ende 2011 wurden in Deutschland 13 Raffinerien mit einer Rohölverarbeitungskapazität von insgesamt 2 090 kb/d (103,5 Mio.
t/Jahr) betrieben. Der größte Raffineriebetreiber in Deutschland (Stand Ende 2011) ist
Shell Deutschland Oil mit einem Anteil von 25,6% an den deutschen Raffineriekapazitäten. Der nächstgrößte Betreiber ist BP Europa SE mit einem Anteil von 14,5% an der
Raffineriekapazität, gefolgt von Total Deutschland mit 11,8%. ConocoPhillips Germany
verfügte über einen Anteil von 13,9%, bevor entschieden wurde, die Raffinerie in
Wilhelmshaven stillzulegen.
104
© OECD/IEA, 2013
Die größte Raffinerie gemessen an atmosphärischer Destillationskapazität (Auftrennung
der Rohölkomponenten bei atmosphärischem Druck im Destillationsturm) ist Shell
Deutschlands Rheinland Raffinerie (Godorf, Wesseling) mit einer Kapazität von 321 kb/d
(15,9 Mio. t/Jahr). Sie besteht aus zwei Teilen, dem Werk Nord in Köln-Godorf und dem
Werk Süd in Wesseling sechs Kilometer südlich. Die nächstgrößte Raffinerie ist die MiRO
Mineraloelraffinerie Oberrhein in Karlsruhe mit einer Kapazität von 301 kb/d (14,9 Mio.
t/Jahr), gefolgt von der Raffinerie Ruhr Oel Gelsenkirchen mit einer Kapazität von
256 kb/d (12,7 Mio. t/Jahr) und der zu Total gehörenden Raffinerie Spergau mit einer
Kapazität von 242 kb/d (12 Mio. t/Jahr).
6. Erdöl
ÖLVERSORGUNGSINFRASTRUKTUR
HÄFEN
Drei der vier größten Öleinfuhrhäfen Deutschlands liegen an der Nordsee (Wilhelmshaven,
Brunsbüttel und Hamburg). Der andere große Hafen befindet sich in Rostock an der Ostsee.
Der größte dieser Häfen ist Wilhelmshaven, der über drei Entladevorrichtungen verfügt, zwei
davon mit einer maximalen Kapazität von 12 000 Kubikmetern pro Stunde (m3/h) und einer
mit einer maximalen Kapazität von 16 000 m3/h.
In Rostock beträgt die maximale Rohölkapazität 6 000 m3/h, in Brunsbüttel beläuft sie
sich auf 1 000 m3/h, und im Einzugsbereich von Hamburg befinden sich mehrere Unternehmen, die in separaten Binnenhäfen ihre eigene Hafenanlage betreiben.
Deutschland zählt auch vier Frachthäfen mit entsprechender Infrastruktur für die Einfuhr von
Mineralölprodukten. Einer davon, der Hafen in Bremen, wird ausschließlich für Mineralölproduktimporte verwendet. Mehrere Unternehmen haben Ankerplätze in Bremen. Brunsbüttel verfügt über eine Importkapazität von 240-800 m3/h, Rostock hat eine Produktkapazität von 250-1 200 m3/h, und in Hamburg sind die Vorkehrungen dieselben wie für Rohöl.
Neben den oben genannten Ölhäfen existiert eine Reihe von Lagerstätten mit einem
Ankerplatz in an Küsten oder Flüssen gelegenen deutschen Städten.
PIPELINES
Deutschland verfügt über vier grenzüberschreitende Rohölpipelines und vier inländische Pipelines, die alle die Ölhäfen Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Rostock mit den inländischen Raffinerien verbinden. Alle Rohölleitungen befinden sich in privater Hand und werden von Mineralölgesellschaften betrieben. (Tabelle 9 zeigt die im Jahr 2010 beförderten Rohölmengen.)
Tabelle 9 Deutsche grenzüberschreitende Rohölpipelines, 2010
Pipeline
Abkürzungen
Brunsbüttel – Heide
Durchsatz 2010 (Mio. t)
2,9
Wilhelmshaven – Hamburg
NDO
4,2
Wilhelmshaven – Rhein-Ruhr-Gebiet
NWO
15,6
Rotterdam, Niederlande – Rhein-Ruhr-Gebiet
RRP
13,9
Lavera, Frankreich – Karlsruhe
SPSE
6,0
TAL
24,6
Druzba
19,8
MVL
1,9
Triest, Italien – Bayern und Karlsruhe
Russland – Schwedt und Spergau
Rostock – Schwedt
Quelle: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
© OECD/IEA, 2013
LAGERKAPAZITÄT
Die Bundesrepublik verfügt über Öltanklagerkapazitäten von rd. 65,7 Mio. m3, wovon
27,3 Mio. m3 auf Kavernen entfielen (Stand Ende 2010). Dies stellt gegenüber 68,2 Mio. m3
(27,2 Mio. m3 in Kavernen) Ende 2005 eine leichte Verringerung dar. Von dieser Lagerkapazität stehen 30,2 Mio. m3 für die Lagerung von Rohöl und 35,5 Mio. m3 für die Lagerung von Zwischen- und Fertigprodukten zur Verfügung. Rund ein Drittel der gesamten
Lagerkapazität befindet sich in Raffinerien. Die Öllagerstätten sind verhältnismäßig gut
über das gesamte Bundesgebiet verteilt.
105
6. Erdöl
Der Erdölbevorratungsverband (EBV) ist für die Mineralölpflichtbevorratung verantwortlich. Das Erdölbevorratungsgesetz bestimmt, dass der EBV ständig Vorräte an Erdöl und
Erdölerzeugnissen in der Höhe zu halten hat, die mindestens den Nettoeinfuhren für
90 Tage entspricht. Die Lagerinfrastruktur des EBV ist in der oben aufgeführten Gesamtlagerkapazität berücksichtigt. Der Verband unterhält vier eigene Kavernenspeicher, die
insgesamt 58 Kavernen umfassen, und hat auch Kavernen bei Partnern unter Vertrag
genommen. Die Mineralölbestände des EBV werden auch oberirdisch in 130 Tanklagern
bevorratet. In den Kavernen lagern überwiegend Rohöle, und in den oberirdischen Tanklagern werden vor allem Mineralölprodukte vorgehalten.
Der EBV hat begonnen, die Kapazitäten der Kavernenlagerung in WilhelmshavenRüstringen auszubauen. Es ist derzeit nicht abzusehen, ob dies Auswirkungen auf die
Nutzung der anderen Standorte durch den EBV haben wird.
ÖLKRISENVORSORGE UND KRISENORGANISATION
Die Ölkrisenvorsorge der Bundesrepublik basiert auf drei wichtigen Gesetzestexten.
Der Erdölbevorratungsverband (EBV) wurde 1978 auf der Grundlage des Erdölbevorratungsgesetzes errichtet. Das Gesetz regelt die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen zur Behebung nationaler und internationaler Krisensituationen. Es legt darüber hinaus die Bevorratungspflicht des EBV über einen Zeitraum von 90 Tagen fest, gibt vor,
welche Erzeugnisse der Bevorratungspflicht unterliegen, setzt die Regeln für Bevorratung/Vorratshaltung/Delegationen fest, bestimmt die Kriterien für die Freigabe von Vorräten und schreibt die Melde- und Auskunftspflichten vor. Für die Umsetzung der Richtlinie 2009/119/EG des Rates zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an
Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten, wurde das Erdölbevorratungsgesetz überarbeitet und das Mineralöldatengesetz novelliert. Keines von beiden hat einen Effekt auf
die Umsetzung des Übereinkommens über ein Internationales Energieprogramm (IEP,
das Gründungsdokument der IEA) oder die vorhandenen koordinierten Krisenvorsorgemaßnahmen.
Das Energiesicherungsgesetz 1975 ist die Grundlage für Maßnahmen zur Einschränkung
des Energieverbrauchs und sonstige Regulierungseingriffe auf dem Ölmarkt.
Die deutsche National Emergency Sharing Organisation (NESO) ist ein Gremium, das sich
aus Vertretern der Bundesregierung, des EBV und der Mineralölwirtschaft zusammensetzt. Die kooperative Struktur der deutschen NESO ist nicht von Gesetzes wegen vorgegeben, sondern sie basiert auf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den Beteiligten.
Der rechtliche Bezugsrahmen für diesen kooperativen Ansatz für das Krisenmanagement
besteht im Energiesicherungsgesetz 1975, wonach laut Artikel 8 sich die zuständige Behörde bei der Durchführung einzelner Aufgaben verschiedener Stellen (z.B. Industrieverbände) bedienen kann, sofern diese der Mitwirkung zustimmen. Die KGV (die Koordinierungsgruppe Versorgung der NESO), die im Rahmen des nationalen Mineralölausgleichs
eine Rolle als Vermittler und Berater spielt, wird in Artikel 10 der MineralölausgleichsVerordnung vom 13. Dezember 1985 explizit erwähnt.
106
© OECD/IEA, 2013
Das Mineralöldatengesetz bildet die Rechtsgrundlage, auf der Meldungen für die Umsetzung des IEP und der Rechtsvorschriften der Europäischen Union über Informationssysteme und Notstandsmaßnahmen im Mineralölbereich erhoben werden. Es stellt auch
die Grundlage für Datenerhebungen zur Umsetzung des Energiesicherungsgesetzes 1975
dar, einschließlich der darauf basierenden Verordnungen.
6. Erdöl
NATIONAL EMERGENCY SHARING ORGANISATION (NESO)
Zum Zweck des Krisenmanagements beruht die deutsche NESO auf einer engen Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung, dem EBV und der Mineralölwirtschaft. Zu den
wichtigsten Akteuren gehören das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi), das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), der EBV und Versorgungsexperten aus der Mineralölwirtschaft und Handelsunternehmen.
Die Mineralölwirtschaft arbeitet mit zwei NESO-Gremien zusammen: der Koordinierungsgruppe Versorgung (KGV) und dem Krisenversorgungsrat (KVR). Der KGV gehören
sieben ständige Mitglieder und ihre Stellvertreter an. Ihre wichtigste Aufgabe besteht
darin, im Krisenfall eine detaillierte Analyse der heimischen Versorgungslage zu erstellen
und Lösungen zur Bewältigung der Situation vorzuschlagen. Der KVR besteht aus dem
Vorsitzenden des Beirats des EBV, seinem Stellvertreter und dem Vorsitzenden der KGV.
Kernaufgaben des KVR sind die Beratung des BMWi bei politischen Entscheidungen, die
die Freigabe von Vorräten und/oder Maßnahmen zur Einschränkung des Energieverbrauchs betreffen. Der KVR dient ferner als wichtige Schnittstelle zwischen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden.
Im Fall einer Ölversorgungskrise wird die NESO vom BMWi aktiviert. Der Vorsitzende des
Krisenversorgungsrats beruft den KVR und gegebenenfalls die KGV ein.
Ansonsten koordiniert das NESO-Sekretariat regelmäßig Krisenmanagementübungen unter
Mitwirkung des BMWi, des BAFA, des EBV und der KGV. Dabei werden sowohl nationale
als auch internationale Versorgungsstörungsszenarien berücksichtigt.
ÖLKRISENVORRÄTE
Seit 1998 trägt der Erdölbevorratungsverband allein die Verantwortung, die 90-Tage-Bevorratungspflicht Deutschlands zu erfüllen. Das Erdölbevorratungsgesetz 2012 (Artikel 3)
bestimmt, dass der EBV ständig Vorräte an Erdöl und Erdölerzeugnissen in der Höhe zu
halten hat, die mindestens den Nettoeinfuhren für 90 Tage entspricht. In Deutschland sind
die Mineralölgesellschaften gesetzlich nicht verpflichtet, Notstandsreserven zu halten.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), eine Bundesoberbehörde im
Geschäftsbereich des BMWi, überwacht die Erfüllung der Bevorratungspflicht. Gemäß dem
Erdölbevorratungsgesetz übermittelt der EBV dem BAFA regelmäßig die erforderlichen
Daten über die Vorräte und stellt gegebenenfalls sonstige Informationen zur Verfügung.
© OECD/IEA, 2013
Der EBV ist mit der Aufgabe betraut, Vorräte zur Vorsorge für Versorgungsstörungen zu
halten, die mindestens die Nettoeinfuhren von 90 Tagen decken, und seine Aktivitäten
werden durch Mitgliederbeiträge finanziert. Mitglieder des EBV sind die Unternehmen, die
unter die Bevorratungspflicht der Bundesrepublik fallende Mineralölerzeugnisse importieren oder produzieren. Ab dem 1. April 2012 gehören zu den beitragspflichtigen Erdölerzeugnissen: Benzin, Diesel, leichtes Heizöl und Kerosin des Typs Flugturbinenkraftstoff.
Abgesehen von der 90-Tage-Bevorratungspflicht existieren auch gesetzliche Regelungen
für die regionalisierte Lagerung der Vorräte. Um diese Regelungen zu erfüllen, hält der
EBV in allen fünf Versorgungsregionen Deutschlands Vorräte an Fertigprodukten gelagert, um zu gewährleisten, dass in jeder Region mindestens Bestände von 15 Verbrauchstagen gegebenenfalls sofort verfügbar sind. Damit sollen logistische Versorgungsengpässe verhindert werden, zu denen es kommen könnte, wenn alle Vorräte
zentral gelagert wären.
107
6. Erdöl
Die Bundesrepublik erfüllt beständig die 90-Tage-Regelung der IEA, und generell liegen die
Erdölvorräte weit über der Pflichtmenge. 2011 betrug der über die 90-Tage-Regelung hinausgehende Bestand 11 128 kt Rohöleinheiten (RÖE), was 50 Verbrauchstagen entspricht.
DROSSELUNG DER ÖLNACHFRAGE
Die Bundesrepublik verfügt zur Nachfragedrosselung sowohl über relativ milde als auch
einschneidendere Eingriffsmöglichkeiten, auf die sie in Krisensituationen zurückgreifen
kann. Die Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Einschränkung des Energieverbrauchs
und verschiedene andere Eingriffe in den Ölmarkt bildet das Energiesicherungsgesetz
von 1975. Gewöhnlich ist eine Erklärung der Bundesregierung erforderlich, dass die
Energieversorgung gefährdet oder gestört ist, bevor Maßnahmen zur Einschränkung des
Energieverbrauchs durchgeführt werden können. Um sicherzustellen, dass gegebenenfalls so schnell wie möglich auf solche Maßnahmen zurückgegriffen werden kann, wurde
vorab ein Entwurf einer Rechtsverordnung erstellt, durch die die Feststellung erfolgt,
dass eine Gefährdung oder Störung der Energieversorgung der Bundesrepublik eingetreten ist. Wenn die Maßnahmen jedoch eingesetzt werden, um den Verpflichtungen
Deutschlands gemäß dem IEP nachzukommen, ist eine Regierungserklärung nicht erforderlich.
Im Fall einer Gefährdung oder Störung der Energieversorgung der Bundesrepublik, der
mit marktgerechten Maßnahmen nicht hinreichend begegnet werden kann, gestattet
das Energiesicherungsgesetz eine Vielzahl weitreichender regulatorischer Eingriffe. Solche Eingriffe müssen im Verhältnis zur Versorgungsstörung stehen und so gering wie
möglich sein. Durch Rechtsverordnungen können Vorschriften über die Produktion, den
Transport, die Lagerung, die Verteilung, die Abgabe, den Bezug, die Verwendung sowie
Höchstpreise von Erdöl und Erdölerzeugnissen erlassen werden.
Bei der Entscheidung, in der Bundesrepublik Maßnahmen zur Einschränkung des Energieverbrauchs einzusetzen, müssen die Versorgungslage und der Effekt der vorgeschlagenen Maßnahmen auf die Wirtschaftstätigkeit berücksichtigt werden. In Deutschland
wird überwiegend die Freigabe eines Teils der Vorräte bevorzugt, bevor Maßnahmen zur
Nachfragedrosselung in Erwägung gezogen werden. Wenn derartige Maßnahmen ergriffen werden, so handelt es sich zunächst um geringfügige Maßnahmen (wie Regierungsappelle an die Verbraucher oder Energieeinsparungen in der Bundesverwaltung).
Spezifische Maßnahmen zur Einschränkung des Energieverbrauchs werden durch
Rechtsverordnung der Bundesregierung eingeführt. Es wurden Entwürfe für Rechtsverordnungen über Geschwindigkeitsbegrenzungen, Verbote für die Nutzung von Fahrzeugen, Flugzeugen sowie Schiffen und Booten, ein Sonntagsfahrverbot und ein Verbot von
Motorsportveranstaltungen erstellt. Der Erlass von Rechtsverordnungen, einschließlich
der erforderlichen Feststellung der Bundesregierung, beansprucht zwei bis drei Wochen
(wobei der Zeitrahmen im Krisenfall allerdings verkürzt werden kann).
108
© OECD/IEA, 2013
Werden in Deutschland Maßnahmen zur Einschränkung des Energieverbrauchs aktiviert,
dann erfolgt das Monitoring der Energieeinsparungen durch monatliche Statistiken der
Mineralölwirtschaft und gegebenenfalls durch Ad-hoc-Prüfungen. Im Fall von Rechtsverordnungen, die bei Bedarf für den Erlass vorliegen, werden Zuwiderhandlungen durch
die Polizei oder gegebenenfalls durch andere zuständige Verwaltungsbehörden bestraft.
6. Erdöl
SONSTIGE KRISENVORSORGEMASSNAHMEN
Es besteht kein hinreichendes Potenzial, um die Ölförderung in Deutschland zu erhöhen.
Die Ölförderung entspricht nur einem Bruchteil des Verbrauchs. Aus diesem Grund trifft
die Bundesregierung keine Maßnahmen zur Steigerung der Ölförderung, z.B. durch die Änderung oder Lockerung von Bergbau- oder Umweltvorschriften.
Was die Umstellung auf andere Energieträger betrifft, so findet auch dies in Deutschland
nur in begrenztem Umfang statt. Im Bereich der Stromerzeugung basierten 2010 nur
1,1% der Bruttostromerzeugung auf Mineralölerzeugnissen.
Im Verkehrssektor wird nahezu der gesamte Energiebedarf des Sektors mit Otto- und
Dieselkraftstoff gedeckt. Im Prinzip besteht auf kurze Sicht begrenztes Potenzial für die
Substitution von fossilem Diesel durch Biodiesel. Die Produktionskapazität von Deutschlands Biodieselhersteller beläuft sich ungefähr auf 4,9 Mio. t pro Jahr, was weit über
dem aktuellen Binnenverbrauch von 2,58 Mio. t pro Jahr liegt.
Alles in allem bieten sich Deutschland nur sehr begrenzte Möglichkeiten, um den Ölverbrauch auf kurze Sicht durch den Umstieg auf andere Energieträger zu senken. Daher existieren keine Politikmaßnahmen oder Gesetzesbestimmungen, um die zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorhandenen kurzfristigen Änderungen beim Energieträgermix zu fördern.
BEWERTUNG
Erdöl ist in Deutschland nach wie vor die wichtigste Energiequelle, auf die im Jahr 2011 nahezu 33% am Primärenergieverbrauch entfielen. Die heimische Förderung ist in Deutschland
nur sehr gering (2,6 Mio. t im Jahr 2011), und die Bundesrepublik ist weiterhin eines der drei
größten Nettoölimportländer der IEA. Sie hat eine ansehnliche Ölinfrastruktur aufgebaut und
unterhält bedeutende Ölhandelsbeziehungen mit benachbarten IEA-Ländern ebenso wie mit
Russland. Die Rohölimporte stammen weitgehend aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion
(Russland, Kasachstan, Aserbaidschan), Norwegen, dem Vereinigten Königreich und Nigeria
und – in der Vergangenheit – aus Libyen. Deutschland verfügt über mehrere Pipelines für
den Rohölimport, die es mit internationalen Versorgungsstellen verbindet. Alternativ hierzu
werden Importe entlang der Nordseeküste auf dem Seeweg zu den Häfen transportiert und
über Pipelines zu den Raffinerien befördert.
© OECD/IEA, 2013
Deutschland verfügt mit über die größten Raffineriekapazitäten in Europa und gehört zu den
größten Raffineriebetreibern der Welt. Derzeit beläuft sich die Rohölverarbeitungskapazität
auf rd. 2,1 Millionen Barrel pro Tag (mb/d) bzw. 103,5 Mio. t pro Jahr und verteilt sich auf 13
große Raffinerien. Die größte Raffinerie ist die Raffinerie Karlsruhe mit einer Kapazität von
300 000 b/d bzw. 14,9 Mio. t. Die Binnennachfrage entspricht zwar alles in allem in etwa der
gesamten Raffinerieproduktion, dennoch werden gleichzeitig erhebliche Mengen an Produkten ein- und ausgeführt. Der Sektor durchläuft derzeit einen Rationalisierungsprozess, der
z.T. durch sich verändernde örtliche Marktbedingungen vorangetrieben wird, die zu einem
Rückgang der Nachfrage nach Benzin und Heizöl geführt haben, der aber auch durch die gestiegenen Rohölpreise und die sich wandelnde Struktur der weltweiten Raffineriewirtschaft
bedingt ist, die für Druck auf die Raffineriemargen gesorgt haben.
Kraftstoff wird über nahezu 14 400 Straßentankstellen vertrieben, 10% weniger als vor zehn
Jahren. Obwohl mehrere unabhängige Unternehmen (von denen viele Markenprodukte verkaufen) und Supermärkte im Vertrieb tätig sind, bleibt die vertikale Integration bestehen,
und es ist eine starke Korrelation zwischen dem Endkundenmarkt und der Mineralölwirt-
109
6. Erdöl
schaft festzustellen, wo Shell und BP in beiden Sektoren die wichtigsten Akteure sind. In
Deutschland findet zurzeit eine rege Debatte darüber statt, ob die fünf größten Kraftstoffanbieter ein marktbeherrschendes Oligopol bilden und ob weitere Änderungen des Wettbewerbsgesetzes u.U. erforderlich sind.
Deutschland ist Europas größter Biokraftstoffproduzent und verzeichnete zwischen 2000
und 2007 ein rasches Wachstum der Produktionskapazität, was auf eine Steuerbefreiung
zurückzuführen war. Mit der Einführung der Biokraftstoffquote von 6,25% führte diese
Steuerbefreiung, die nach kurzer Zeit auslief, zu ungenutzten Produktionskapazitäten.
In der Bundesrepublik ist der Erdölbevorratungsverband (EBV) seit Ende der 1970er Jahre für die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen zuständig. Im Krisenfall stützt
sich Deutschland auf diese Ölvorräte, die sowohl die Vorratspflicht der IEA als auch der
EU erfüllen. Die zur Umsetzung der Richtlinie 2009/119/EG des Rates vom 14. September 2009 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten, erforderlichen Rechtsvorschriften sind vorhanden und traten
im April 2012 in Kraft.
Der Straßengüterverkehr ist der größte Ölverbraucher in der Bundesrepublik. Die IEA
ist sich bewusst, dass die Bundesregierung zurzeit eine Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie erarbeitet, die auf alle konventionellen, neuen und alternativen Kraftstoffe und den Einsatz von erneuerbaren Energien im Verkehrssektor ausgerichtet
sein wird. Die deutsche Zielvorgabe für die Verwendung von Biokraftstoff wurde
überarbeitet und beläuft sich nun auf einen Mindestanteil von 6,25% an der Gesamtmenge des in Verkehr gebrachten Kraftstoffs. Dem ist entgegenzuhalten, dass
die derzeitigen Rechtsvorschriften die Bundesrepublik zwar zu ihrem Ziel bringen
können, bis 2020 einen Anteil von erneuerbaren Energien in Höhe von 10% an den
Verkehrskraftstoffen aufzuweisen, dies impliziert aber eine Kostenerhöhung für die
Verbraucher, obgleich der Einsatz von Biokraftstoffen für die Erreichung des Ziels am
kostenwirksamsten ist. Ab dem Jahr 2015 gilt anstatt der Biokraftstoffquote ein Referenzwert, gegenüber dem die Treibhausgasminderung zu erfolgen hat, der zwischen 2015 und 2020 von 3% auf 7% steigt. Unter der Annahme, dass sich die durchschnittliche Treibhausgasminderung im Jahr 2020 auf 60% beläuft, wird der
Biokraftstoffanteil bezogen auf den Energiegehalt 12% betragen. Darüber hinaus
eignen sich einige der heute auf dem deutschen Markt befindlichen Biokraftstoffe
möglicherweise nicht für die Anrechnung zur Erreichung des 10%-Ziels, da sie nicht
den Mindestwerten für die Treibhausgasminderung entsprechen (gegenwärtig 35%,
50% für nach 2017 gebaute Anlagen und 60% für nach 2018 gebaute Anlagen), und
ab April 2013 dürfen diese Biokraftstoffe nicht der Quote angerechnet werden. Es ist
auf jeden Fall wichtig, über eine solide Nachhaltigkeitszertifizierung zu verfügen, um
sicherzustellen, dass die eingesetzten Biokraftstoffe das in der ErneuerbareEnergien-Richtlinie der EU festgelegte Nachhaltigkeitskriterium erfüllen.
EMPFEHLUNG
 die Aktivität auf dem Kraftstoffmarkt weiter beobachten und sicherstellen, dass das
bestehende marktbeherrschende Oligopol sich nicht negativ auf die Verbraucher
oder andere Marktteilnehmer auswirkt.
110
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesregierung sollte:
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
7. KOHLE UND CO2-ABSCHEIDUNG UND -SPEICHERUNG
Eckdaten (2011)
Kohleförderung: 46,5 Mio. t RÖE (65,9 Mio. t SKE), -23,2% seit 2000
Importe: 32,7 Mio. t RÖE (42 Mio. t SKE), +47% seit 2000
Exporte: unerheblich
Anteil der Kohle: 24,8% am Gesamt-Primärenergieaufkommen und 45,1% an der
Stromerzeugung
Verbrauch: 77,4 Mio. t RÖE (Stromerzeugung 81,8%, Industrie 8,5%, sonstige Energiebranchen 7,6%, Wohngebäude 1,6%, gewerbliche und sonstige Dienstleistungen 0,5%)
ÜBERBLICK
Die Bundesrepublik verfügt über erhebliche Stein- und Braunkohleressourcen, was die Kohle
zur wichtigsten heimischen Quelle konventioneller Energie des Landes macht. Die
Bundesregierung hat sich verpflichtet, die subventionierte Steinkohlenförderung bis zum Jahr
2018 zu beenden. Braunkohle, der kostengünstigste fossile Energieträger, wird auf absehbare Zeit hingegen weiterhin eine wichtige Rolle in der deutschen Energieversorgung spielen.
ANGEBOT UND NACHFRAGE
© OECD/IEA, 2013
ANGEBOT
Kohle, Stein- und Braunkohle, trug 2011 mit 77,4 Millionen Tonnen Rohöleinheiten
(106,5 Mio. t Steinkohleeinheiten) zum Gesamt-Primärenergieaufkommen der Bundesrepublik bei. Dies entspricht in etwa einem Viertel des Gesamt-Primärenergieaufkommens und einem Rückgang um 8,8% seit 2000, wobei die stärkste Abnahme
während der Rezession 2009 verzeichnet wurde. Seit 2009 hat sich das Kohlenangebot
erholt und liegt nun knapp unter dem Stand von 2008.
Steinkohlenförderung und -verbrauch sind in Deutschland im Trend insgesamt rückläufig, im Gegensatz dazu floriert die Braunkohlenförderung, und Braunkohle stellt auch
weiterhin eine wichtige Energiequelle dar. Aus einer von Prognos, dem Energiewirtschaftlichen Institut an der Universität zu Köln (EWI) und der Gesellschaft für
Wirtschaftliche Strukturforschung mbH (GWS) erstellten Studie geht hervor, dass sich
das Gesamtangebot an Steinkohle bis 2030 gegenüber dem Jahr 2011 auf ein Drittel
reduzieren wird, da die Nachfrage nach Steinkohle abnimmt.
2011 belief sich die Braunkohlenförderung der Bundesrepublik auf 176,5 Mio. t, womit
Deutschland weltweit das größte Braunkohlenförderland ist. Die Braunkohlenförderung
machte 94% der gesamten Kohleförderung aus, der Rest entfiel auf Steinkohle. Die
Förderung von Braunkohle ist seit 2000 um 5% gestiegen. Die Bundesanstalt für
Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) beziffert die Weichbraunkohleressourcen in
Deutschland auf insgesamt rd. 36,5 Mrd. t 19.
19. Energiestudie 2012, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, 2012.
111
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
Die Steinkohlenförderung betrug 2011 etwas weniger als 12,1 Mio. t, wovon 4,8 Mio. t
auf Kokskohle und 7,3 Mio. t auf Kraftwerkskohle entfielen. Dies stellte einen deutlichen
Rückgang gegenüber 2000 dar, als sich die Steinkohlenförderung auf 37,4 Mio. t belief
und damit 18% der Kohleförderung ausmachte.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) beziffert die Ressourcen an
Hartkohle (bzw. Steinkohle) in Deutschland auf insgesamt rd. 83 Mrd. t 20. Die Hartkohlereserven, d.h. die kommerziell nutzbaren Vorkommen, belaufen sich für 2011 jedoch
insgesamt nur auf 48 Mio. t. Dies entspricht der Menge, die der BGR zufolge bis zur
Beendigung der Steinkohlenförderung im Jahr 2018 subventioniert abgebaut werden wird.
Seit 2005 wurden sechs Steinkohlenbergwerke stillgelegt: Lohberg/Osterfeld, Walsum,
Lippe, Ost, Saar und West. Derzeit werden noch drei Steinkohlenbergwerke betrieben –
zwei im Ruhrgebiet und eines in der Nähe von Ibbenbüren. Die Stilllegung der
verbleibenden Bergwerke ist für 2015 und 2018 vorgesehen.
Abbildung 19 Kohleverbrauch nach Sektoren*, 1973-2011
Mio. t RÖE
160
Industrie
140
Verkehr*
120
Wohngebäude*
100
Gewerbe
80
Stromerzeugung
60
Sonstige
40
20
0
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
2006
2009
* Gesamt-Primärenergieverbrauch nach Verbrauchssektor. Industrie schließt den nichtenergetischen Verbrauch ein. Gewerbe umfasst gewerbliche
und öffentliche Dienstleistungen, Landwirtschaft/Forstwirtschaft, Fischerei und sonstigen Endverbrauch. Sonstige umfasst sonstige Umwandlung und
Verbrauch des Energiesektors. Der Bereich Wohngebäude macht nur einen unerheblichen Anteil aus. Der Verkehr hat seit 2003 keinen Anteil mehr
am Kohleverbrauch.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
IMPORTE UND EXPORTE
Die Bundesrepublik importierte 2011 47,8 Mio. t Steinkohle, d.h. 4,6% mehr als im
Vorjahr und 71,2% mehr als im Jahr 2000. Deutschland wies damit unter den IEAMitgliedsländern nach Japan und Korea das dritthöchste Kohleimportvolumen auf.
Kokskohle machte mit 8,8 Mio. t 18,3% der Importe aus, beim Rest handelte es sich um
Importe von Kraftwerkskohle. Die Steinkohleimporte haben sich seit 1995, dem letzten
Jahr, in dem die Importe noch kontingentiert waren, nahezu verdreifacht.
20. a.a.O.
112
© OECD/IEA, 2013
Die Vereinigten Staaten und Australien waren mit 2 815 Mio. t bzw. 2 551 Mio. t die wichtigsten Bezugsquellen für Kokskohle, und Kolumbien (9 919 Mio. t), Russland (8 700 Mio. t),
die Vereinigten Staaten (4 865 Mio. t) und Polen (3 229 Mio. t) waren die wichtigsten
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
Bezugsquellen für Kraftwerkskohle. Die Einfuhren aus Kolumbien, Russland und den
Vereinigten Staaten sind seit 2005 rasch gewachsen, während die Importe aus Australien,
Polen und Südafrika im selben Zeitraum zurückgegangen sind. Deutschland exportiert
Steinkohle in geringem Umfang, die Ausfuhren beliefen sich 2011 auf lediglich 0,2 Mio. t.
Bei der Braunkohle spielen die Im- und Exporte keine große Rolle. Wegen des hohen
Wassergehalts der Rohbraunkohle (rd. 50%) und ihrer geringen Energiedichte ist ihr
Transport über große Entfernungen unwirtschaftlich.
NACHFRAGE
Der Kraftwerkssektor ist der größte Endverbraucher von Braunkohle. 2011 wurden
160,2 Mio. t Braunkohle bzw. 90,7% des Braunkohleaufkommens von Elektrizitäts- und
Heizkraftwerken verbraucht. Der Einsatz von Braunkohle in der Stromerzeugung ist in den
letzten zehn Jahren weitgehend unverändert geblieben.
Der Strom- und Wärmesektor ist auch der größte Verbraucher von Kraftwerkskohle, auf
ihn entfielen 2011 36,1 Mio. t bzw. 86,9% des Verbrauchs. Der Großteil der restlichen
Kraftwerkskohle wurde in Hochöfen oder von der Industrie verbraucht. Koksöfen
verbrauchten 10,4 Mio. t Kokskohle, der übrige Teil des Kokskohleverbrauchs entfiel
größtenteils auf die Strom- und Wärmeerzeugung (6,1 Mio. t).
BRANCHENSTRUKTUR
STEINKOHLE
Die Struktur des Steinkohlenbergbaus hat seit der letzten Deutschlandprüfung im Jahr
2007 erhebliche Veränderungen erfahren. Die RAG AG ist nach wie vor der einzige
Steinkohleproduzent, die Struktur des Unternehmens hat sich aber nach der 2007
getroffenen Entscheidung, die subventionierte Steinkohlenförderung zu beenden, verändert. Vor 2007 setzte sich die RAG AG aus zwei verschiedenen Bereichen zusammen:
dem Steinkohlenbergbau sowie den Geschäftsfeldern Chemie, Energie und Immobilien.
Im September 2006 wurde der letztgenannte Bereich umstrukturiert, und es entstand
die RAG Beteiligungs-AG, die 2007 in Evonik Industries AG umbenannt wurde.
© OECD/IEA, 2013
Mit Wirkung vom 1. Dezember 2007 übertrugen die damaligen Anteilseigner, E.ON,
RWE, ThyssenKrupp und ArcelorMittal, ihre RAG-AG-Aktien zum symbolischen Preis von
1,0 Euro an die RAG-Stiftung, die im Juli 2007 gegründet wurde. Am 31. Dezember 2007
erwarb die RAG-Stiftung Evonik Industries, von der 2008 25,01% an den britischen
Investor CVC veräußert wurden.
Die RAG-Stiftung wurde zudem zur alleinigen Eigentümerin der RAG AG und ist damit für
die Verwaltung des Ausstiegs aus dem subventionierten Steinkohlenbergbau zuständig. Sie
übernimmt die Finanzierung der Erblasten der RAG AG nach der Beendigung des Steinkohlenbergbaus. Zu diesem Zweck wird sie ihre Anteile an der Evonik Industries AG nutzen.
Den aktuellen Berechnungen zufolge muss die RAG-Stiftung bis 2019 über einen Kapitalstock von rd. 13 Mrd. Euro verfügen, um die entsprechenden Zinserträge zur Finanzierung
der Ewigkeitsaufgaben aufwenden zu können. Zuvor wurde dieser Betrag auf 8,4 Mrd.
Euro beziffert. Der erhöhte Betrag resultiert aus niedrigeren Zinsen und schwächeren
Kursentwicklungen. Sollte das Vermögen der Stiftung nicht ausreichen, werden die
Revierländer Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie der Bund im Rahmen der von ihnen
gegebenen Zusagen die zur Finanzierung und dauerhaften Übernahme der Ewigkeitsaufgaben erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen.
113
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
Ende 2012 beschäftigte die RAG AG 17 600 Mitarbeiter. Der Konzernumsatz belief sich 2011
auf rd. 3,1 Mrd. Euro. Das Unternehmen betreibt drei Bergwerke, die sich alle in NordrheinWestfalen befinden (Auguste Victoria, Prosper-Haniel und RAG Anthrazit Ibbenbüren).
Quelle: Von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
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Abbildung 20 Kohlevorkommen in Deutschland
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
BRAUNKOHLE
Braunkohle wird in zwölf Tagebauen in vier Revieren abgebaut: im Rheinischen, im
Helmstedter, im Mitteldeutschen und im Lausitzer Braunkohlerevier. Braunkohle wird
vor allem als Energieträger für die Stromerzeugung eingesetzt und leistet einen
erheblichen Beitrag zur sicheren und kostengünstigen Grundlaststromerzeugung.
Darüber hinaus wird Braunkohle für die Veredelung, d.h. die Herstellung von Brikett,
Staub, Wirbelschichtkohle und Koks verwendet. Briketts werden hauptsächlich als
Heizstoff an private Haushalte verkauft. Zum Jahresende 2012 belief sich die Zahl der in
der Braunkohlenindustrie Beschäftigten insgesamt auf 22 424 Personen. In den letzten
fünf Jahren hat sich ein leichter Rückgang vollzogen.
Tabelle 10 Braunkohlentagebaue in Deutschland
Revier
Anzahl der Tagebaue Eigentümer/Betreiber
Rheinland
Drei
RWE Power
Helmstedt
Eins
Braunschweigische Kohlen-Bergwerke AG (BKB),
eine 100%ige Tochter der E.ON Kraftwerke GmbH
Lausitz
Fünf
Vattenfall Europe Mining AG
Mitteldeutschland
Zwei
Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG)
Eins
Romonta GmbH
Quelle: DEBRIV.
Tabelle 11 Braunkohlenförderung in Deutschland, 2005-2012
Revier
2005
2012
Veränderung
Tausend Tonnen
Rheinland
97 228
101 739
4.64%
Lausitz
59 737
62 441
4.53%
Mitteldeutschland
19 085
19 225
0.73%
Helmstedt
2 129
2 027
-4.79%
32
0
-100%
178 211
185 432
4.23%
Bayern
Insgesamt
Quelle: DEBRIV.
Im Rheinland betreibt die RWE Power AG die drei Tagebaue – Hambach, Garzweiler und
Inden. Nahezu 90% der Braunkohle werden in den eigenen Kraftwerken des Unternehmens verbraucht. Die Stromerzeugungskapazität der RWE Power AG umfasst fünf
Braunkohlenkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 10 800 MW. In Neurath wurde
2011 ein neues Braunkohlenkraftwerk mit optimierter Anlagentechnik in Betrieb
genommen, das eine Bruttoleistung von 2 200 MW aufweist.
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Im Helmstedter Revier baut E.ON Kraftwerke Braunkohle im Tagebau Schöningen ab. Die
dort geförderte Braunkohle versorgt das Kraftwerk Buschhaus, dessen Leistung sich auf
390 MW beläuft.
Im Lausitzer Revier, wo die Vattenfall Europe Mining AG das einzige Förderunternehmen
ist, wird in den Tagebauen Jänschwalde, Cottbus-Nord und Welzow-Süd in Brandenburg
sowie in den Tagebauen Nochten und Reichwalde in Sachsen Braunkohle gewonnen. Die
115
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
Vattenfall Europe Generation AG ist im Lausitzer Revier mit einer Bruttoleistung von
6 500 MW der Hauptbetreiber von Braunkohlenkraftwerken.
Die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) ist die Eigentümerin von zwei
Tagebauen, Profen (Sachsen-Anhalt) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen). 2012 förderte
die MIBRAG 18,7 Mio. t Rohbraunkohle, mit der die drei unternehmenseigenen Kraftwerke
Deuben, Mumsdorf und Wählitz versorgt werden, deren Gesamtleistung 208 MW beträgt.
Romonta betreibt im mitteldeutschen Braunkohlerevier in der Nähe von Amsdorf (SachsenAnhalt) einen Tagebau. 2012 wurden dort 0,5 Mio. t Braunkohle gefördert und durch Extraktion zu Rohmontanwachs veredelt, das für die Stromerzeugung in Amsdorf verwendet wird.
SUBVENTIONIERUNG DER KOHLEFÖRDERUNG
Da die Steinkohlenförderung in Deutschland nicht mit den kostengünstigeren Importen
aus Nicht-EU-Ländern konkurrieren kann, haben der Bund und das Land NordrheinWestfalen diesen Sektor, der in einigen Regionen ein wichtiger Arbeitgeber ist, mit
Subventionen und einer Art Betriebsbeihilfe unterstützt, die durch eine Verordnung des
Europäischen Rates genehmigt wurde. Ein Vorschlag der Europäischen Kommission vom
Juli 2010 sah die Festsetzung einer Frist für die Beendigung der staatlichen Beihilfen für
die Steinkohleindustrie vor, die 2014 auslaufen sollten; diese Maßnahme stieß in
Deutschland und anderen steinkohlefördernden EU-Mitgliedsländern auf breiten Widerstand. Laut einem Ratsbeschluss, der am 1. Januar 2011 in Kraft trat, dürfen Betriebsbeihilfen nur noch bis Ende 2018 gewährt werden.
Am 7. Februar 2007 wurde eine kohlepolitische Verständigung zwischen dem Bund, dem
Land Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, der RAG AG und der Industriegewerkschaft
Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) erzielt. Dieser Verständigung zufolge soll die
subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018
sozialverträglich beendet werden.
Die grundsätzliche Entscheidung von Februar 2007 wurde im Jahresverlauf 2007 in
spezifische Regelungen umgesetzt. Einzelheiten des Auslaufprozesses sind in der zwischen
dem Bund, den Revierländern und der RAG AG am 14. August 2007 abgeschlossenen
Rahmenvereinbarung „Sozialverträgliche Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus in Deutschland“ und im Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz) festgelegt. Das Steinkohlefinanzierungsgesetz trat am 28. Dezember 2007 in Kraft. Darin sind
die finanziellen Verpflichtungen des Bundes im Auslaufprozess festgesetzt.
116
© OECD/IEA, 2013
In der Rahmenvereinbarung wird die Aufteilung der Finanzierungslasten zwischen Bund,
den Revierländern und der RAG AG geregelt. Gemäß der Vereinbarung stellen der Bund
und die Revierländer die im Zeitraum 2009-2019 notwendigen Beihilfen zur Finanzierung
des Absatzes, der Stilllegung und der weiter bestehenden Verpflichtungen bereit. Im
Zeitraum 2009-2019 trägt Nordrhein-Westfalen mit insgesamt 3,9 Mrd. Euro zur Finanzierung bei, während der Bund Beihilfen in Höhe von insgesamt 15,6 Mrd. Euro zur
Verfügung stellt. Gemäß der Vereinbarung wird das Beteiligungsvermögen der RAG AG
nach 2012 in die Finanzierung einbezogen. Diese Eigenbeiträge belaufen sich im Zeitraum 2009-2019 insgesamt auf 965 Mio. Euro.
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
CO2-ABSCHEIDUNG UND -SPEICHERUNG
ÜBERBLICK ÜBER DIE POLITIKMASSNAHMEN
Im Energiekonzept 2010 wird die Rolle der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) im Energiemix der Zukunft explizit anerkannt. Das Energiekonzept beruht in
großem Maße auf Energieeffizienzmaßnahmen und dem Ausbau der erneuerbaren
Energien, um bis 2050 die Ziele für die Minderung der Treibhaus-gasemissionen zu
erreichen, und trägt zugleich der potenziellen Rolle der CO2-Abscheidung und -Speicherung
nicht nur im Kraftwerkssektor, sondern auch in energieintensiven Industriezweigen mit
hohen CO2-Emissionen Rechnung. Die Entwicklung von CCS-Technologien kann auch
Exportchancen für die Bundesrepublik bieten. Dementsprechend unterstützt das Energiekonzept die Erprobung und gegebenenfalls Nutzung der CCS-Technologie. Im Energiekonzept
werden folgende Maßnahmen zur aktiven Begleitung der weiteren Entwicklung der CCSTechnologie vorgeschlagen:






Schaffung eines Rechts- und Regulierungsrahmens für die CO2-Abscheidung und
-Speicherung;
beabsichtigte Realisierung von zwei der zwölf EU-weit förderfähigen CCSDemonstrationsvorhaben bis 2020;
ein Speicherprojekt für industrielle CO2-Emissionen (Gemeinschaftsprojekt für
Industrie-Biomasse-CO2). Die Demonstrationsphase wird als Entscheidungsgrundlage
für einen möglichen kommerziellen Einsatz der CCS-Technologie evaluiert;
weitere Forschungsanstrengungen im Hinblick auf die Nutzung von CO2 als Rohstoff,
möglichst in Verbindung mit erneuerbaren Energien (z.B. synthetisches Methan,
Algenreaktoren);
Inauftraggabe eines Geothermie-Atlasses, um Nutzungskonkurrenzen zwischen CCS
und Geothermie zu prüfen;
Einleitung eines Bürgerdialogs über die CCS-Technologie.
REGULIERUNGSRAHMEN
Die Entwicklung und Verabschiedung eines Rechts- und Regulierungsrahmens für die
Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid ist in Deutschland auf erheblichen
Widerstand gestoßen. Das CCS-Gesetz, das 2012 nach einem langwierigen Gesetzgebungsprozess in Kraft getreten ist, gestattet lediglich die Erprobung und Demonstration von CCS-Technologien, begrenzt die Speichermenge pro Kohlendioxidspeicher auf
1,3 Mio. t CO2 jährlich (deutschlandweit auf maximal 4 Mio. t CO2 jährlich) und erlaubt
den Ländern, bestimmte Gebiete von der CO2-Speicherung auszuschließen, vorausgesetzt dies beruht auf sachlichen Gründen. Gemäß CCS-Gesetz können so maximal zwei
oder drei mittelgroße Demonstrationsprojekte realisiert werden. Die Bundesrepublik
setzt ihre FuE-Anstrengungen im CCS-Bereich fort, aus verschiedenen Gründen liegen
derzeit aber keine Pläne für Demonstrationsvorhaben vor.
© OECD/IEA, 2013
EINBEZIEHUNG DER BETROFFENEN AKTEURE
Der Widerstand in der Bevölkerung ist der Hauptgrund dafür, dass es schwierig ist, die
CCS-Technologien in Deutschland in die Demonstrationsphase zu bringen, und die
Entwicklung der CCS-Technologien ist in den Gegenden, die sich für die CO2-Speicherung
eignen dürften, auf große Vorbehalte gestoßen, was hauptsächlich auf von einigen
Umweltorganisationen vorgebrachte ökologische Bedenken zurückzuführen ist.
117
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
Die Anwendung der höchsten Umwelt- und Sicherheitsstandards für die Speicherung von
Kohlendioxid in geologischen Gesteinsschichten bleibt eine der wichtigsten Voraussetzungen für deren Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Daher bestimmt das deutsche CCSGesetz, dass eine Genehmigung für einen geplanten Kohlendioxidspeicher nur nach
Durchführung eines Verfahrens zur Plangenehmigung erteilt werden kann, was u.a.
voraussetzt, dass die Langzeitsicherheit des Kohlendioxidspeichers gewährleistet ist,
dass Gefahren für Mensch und Umwelt nicht hervorgerufen werden können und dass
die erforderliche Vorsorge nach dem Stand von Wissenschaft und Technik getroffen
wird. Die Öffentlichkeit verfügt über weitreichende Möglichkeiten der Mitwirkung. Der
Betreiber muss zur Absicherung aller einschlägigen Risiken Deckungsvorsorge treffen 21.
SPEICHERPOTENZIAL
In einem Gemeinschaftsprojekt der Staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands erarbeitete die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ein Informationssystem Speichergesteine für den Standort Deutschland (Speicher-Kataster Deutschland), in dem untersuchungswürdige Gebiete für die geologische Speicherung von CO2 in
Deutschland identifiziert werden.
Der Speicher-Kataster Deutschland enthält bundesweite Potenzialkarten für 18 Speicherund Barrierekomplexe in den Ablagerungen des oberen Paläozoikum und des
Mesozoikum22. Diese Potenzialkarten wurden mit Nachweisdaten über Tiefbohrungen
und seismischen Messungen (z.B. Dateneigentümer und Ansprechpartner für weiterführende Informationen) in eine GIS-basierte Kartenanwendung „Informationssystem
Speicher-Kataster Deutschland“ integriert.
Was die potenzielle Speicherung in Aquiferen anbelangt, besitzt das Norddeutsche Becken
hinsichtlich seiner Ausdehnung und Sedimentmächtigkeit das größte CO2-Speicherpotenzial. Dem Speicher-Kataster Deutschland zufolge sind die Ablagerungen des
Mittleren Buntsandsteins sowie des Oberen Keuper (Rhät) und des Unterjura (Lias), die
sich auf verhältnismäßig großflächige Gebiete in Norddeutschland erstrecken, potenziell
besonders geeignete Speichergesteine.
Darüber hinaus hat die BGR in den letzten zehn Jahren mehrere Regionalstudien über die
CO2-Speicherkapazität in salinaren Aquiferen auf dem deutschen Festland (mit Schwerpunkt auf dem Norddeutschen Becken) und im deutschen Nordseesektor durchgeführt. Bei
dieser Arbeit wurden geeignete CO2-Speicherstrukturen identifiziert und grob charakterisiert.
In anderen Studien hat die BGR die CO2-Speicherkapazität von ausgewählten Kohlenwasserstofflagerstätten in Deutschland abgeschätzt und ist zu dem Ergebnis gekommen,
dass die deutschen Ölfelder keine nennenswerte CO2-Speicherkapazität bieten, weshalb
Erdgasfelder die geeignetste Option für die CO2-Speicherung in Deutschland sind.
21. Carbon Capture and Storage, Legal and Regulatory Review, Edition 3, IEA, 2012.
22. Informationssystem Speichergesteine für den Standort Deutschland – Synthese, Bundesanstalt für Geowissenschaften und
Rohstoffe, 2011.
118
© OECD/IEA, 2013
Der schwedische Energieversorger Vattenfall beabsichtigte, zwei salinare Aquifere in
Neutrebbin und Beeskow (in Ostbrandenburg) als potenzielle Speicherstätten für in
Jänschwalde abgeschiedenes CO2 zu erkunden, stellte seine Planungen aber im Dezember
2011 mit der Begründung ein, „dass es in der deutschen Bundespolitik derzeit keinen
hinreichenden Willen gibt, die europäische Richtlinie so umzusetzen, dass ein CCSDemonstrationsprojekt in Deutschland möglich würde“.
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
CCS-PROJEKTE – PILOTANLAGEN 23
Vattenfall betreibt in der Niederlausitz (Brandenburg) am Kraftwerksstandort Schwarze
Pumpe eine 30 MW-Pilotanlage zur CO2-Abscheidung, bei der das Oxyfuel-Verfahren
zum Einsatz kommt. Die Anlage ist seit Herbst 2008 in Betrieb und soll zur
Weiterentwicklung und Optimierung der Oxyfuel-Technologie beitragen.
In Ketzin in der Nähe von Berlin betreibt das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) die
erste CO2-Speicherstätte auf dem europäischen Festland. Seit 2008 wurden nahezu 63 000 t
CO2 über einen Injektionsschacht in Sandsteinhorizonte in 630 bis 650 m Tiefe eingespeist.
RWE betreibt in Hürth-Niederaußem in Kooperation mit BASF und Linde eine CO2Wäsche-Pilotanlage. Die Anlage wurde 2009 in Betrieb genommen. Sie verfügt über alle
erforderlichen technischen Einrichtungen einer großtechnischen Einheit im Pilotmaßstab
und kann bis zu 300 kg CO2 pro Stunde abscheiden. Unterschiedliche Waschflüssigkeiten
werden in verschiedenen Testphasen mit dem Ziel eingesetzt, eine optimale Waschlösung für die Abscheidung von Kohlendioxid aus dem Rauchgas zu ermitteln.
In einer Pilotanlage im Kraftwerk Staudinger in Grosskrotzenburg, die E.ON und Siemens
gehört, soll ein Verfahren entwickelt werden, um Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken
durch Rauchgaswäsche (Post-Combustion-Capture) abzutrennen. Das Post-CombustionVerfahren basiert auf dem Einsatz von spezifischen Waschmitteln, durch die über 90%
des CO2 aus dem Rauchgas eines Kraftwerks entfernt werden können.
Im Rahmen von CLEAN, einem bis zu seinem Abschluss im Jahr 2011 in Salzwedel
(Sachsen-Anhalt) durchgeführtes Verbundsprojekt, wurde die „Enhanced Gas Recovery"
und die Kohlenstoffsequestrierung in erschöpften Gasfeldern untersucht. Das Projekt
mit einer Laufzeit von drei Jahren wurde vom Deutschen GeoForschungsZentrum in
Potsdam geleitet und koordiniert. Einer der Projektpartner, GDF SUEZ, stellte das Teilfeld
Altensalzwedel für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung. Im Rahmen dieses
Projekts wurde kein CO2 im Untergrund gespeichert.
BEWERTUNG
Deutschland verfügt über erhebliche Kohleressourcen. Die heimische Steinkohlenförderung ist auf Grund der hohen Förderkosten und der Tiefe der Lagerstätten
wirtschaftlich nicht tragfähig. Es wurde die politische Entscheidung getroffen, die
Subventionen für die Steinkohlenförderung auslaufen zu lassen und alle Steinkohlenbergwerke bis 2018 zu schließen. Braunkohleressourcen hingegen sind reichlich vorhanden, und ihre Förderung ist wirtschaftlich rentabel. Die Braunkohlereserven belaufen
sich auf rd. 41 Mrd. t, was mehreren hundert Jahren der derzeitigen Fördermenge
entspricht. Die Förderung von Braunkohle als Energieträger für die Stromerzeugung ist
ungeachtet des niedrigen CO2-Preises im Emissionshandelssystem der Europäischen
Union (EU-ETS) rentabel. Darüber hinaus spielt die importierte Steinkohle, die mit etwa
47,8 Mio. t rd. 10% des Primärenergiemix ausmacht, ebenfalls eine wesentliche Rolle. Da
die Kohleimporte gut diversifiziert sind und keinen geopolitischen Risiken unterliegen,
erhöhen sie die Versorgungssicherheit.
© OECD/IEA, 2013
Wie in allen anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften wird Kohle überwiegend für
die Stromerzeugung genutzt. Die Stromerzeugung erfolgt zu 45,1% aus Kohle (Stein- und
Braunkohle), was deutlich mehr ist als im Durchschnitt der Europäischen Union. Mit der
23. BMWi.
119
7. Kohle und CO2-Abscheidung und -Speicherung
Umsetzung der EU-Richtlinie für Großfeuerungsanlagen werden wahrscheinlich umfangreiche Kohlekraftwerkskapazitäten vom Netz genommen werden. Allerdings werden
derzeit mehrere große neue Kohlekraftwerke gebaut, wobei es sich um eine der größten
Investitionswellen in die Kohleverstromung seit dem Wiederaufbau der Nachkriegszeit
handelt. Die technische Lebensdauer dieser neuen Kohlekraftwerke wird bis mindestens
2050 reichen. Während Braunkohle in der Regel auf Grund der hohen Fixkosten und der
vertikalen Integration zwischen Bergbau und Stromerzeugung für die Grundlaststromerzeugung eingesetzt wird, ist die Leistung von Steinkohlekraftwerken von großer
Bedeutung, um im deutschen Stromversorgungssystem für die nötige Flexibilität für die
erneuerbaren Energien zu sorgen. Infolge der überlegenen technischen Flexibilität der
neuen überkritischen Kraftwerke, die sich derzeit in der Entwicklung befinden, werden
die Kohlekraftwerkskapazitäten bei der Gewährleistung von Flexibilität wohl weiterhin
eine Rolle spielen.
Die Zielvorgabe für die Minderung der Treibhausgasemissionen des deutschen Energiesektors bis 2030 liegt unter den derzeitigen CO2-Emissionen wirtschaftlich rentabler
Braunkohlenkraftwerke, und der CO2-Gehalt der deutschen Braunkohleressourcen
übersteigt das künftige Emissionsbudget um ein Zehnfaches. Dementsprechend wäre zu
erwarten, dass Kohle bei der Stromerzeugung ohne den Einsatz der CCS-Technologie
langfristig nur eine untergeordnete Rolle zukommt.
Deutschland befindet sich bei der Einführung der CCS-Technologie auf Grund eines
langwierigen Gesetzgebungsverfahrens im Rückstand. Das Gesetz, das aus diesem Verfahren
hervorging, beschränkt sich auf die Demonstration von CCS-Technologien und sieht daher
eine Begrenzung der Speichermenge auf 4 Mio. t CO2 pro Jahr vor, was für weniger als 5%
der derzeitigen Kohleverstromung ausreichen würde, und es läuft zurzeit eine Debatte
darüber, inwieweit die CO2-Abscheidung und -Speicherung auf Industrieemissionen
ausgerichtet sein sollte. Abgesehen von dem EU-ETS-Preis für CO2-Emissionen existieren
keine spezifischen finanziellen Anreize für CCS. Das CCS-Vorhaben in Jänschwalde wurde
trotz der aus dem Europäischen Konjunkturprogramm zur Verfügung gestellten Mittel in
Höhe von 180 Mio. Euro auf Grund von Rechtsunsicherheit und Widerstand in der
Bevölkerung gegen die Speicherung auf dem Festland aufgegeben. Andererseits wird die
vom BMWi unterstützte FuE im CCS-Bereich aber fortgesetzt, und die staatlichen
Einrichtungen der Bundesrepublik ebenso wie verschiedene Unternehmen sind in der
internationalen Kooperation im Bereich CCS-Technologie aktiv engagiert.
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 den Stilllegungsprozess der Steinkohlenförderung überwachen, um sicherzustellen,
dass bei dem Prozess die vereinbarten Schließungsfristen respektiert werden und der
veranschlagte Kostenrahmen eingehalten wird;
 klären, welche Rolle CCS-Technologien bei der Rückführung der CO2-Emissionen
spielen sollen, und Initiativen zur Erhöhung der Transparenz und der Akzeptanz von
CCS in der Öffentlichkeit prüfen;
120
© OECD/IEA, 2013
 alle Aspekte der Kohlekraftwerkskapazitäten berücksichtigen, ohne dabei die Einhaltung
der Klimaschutzziele zu gefährden, und zugleich neue Marktmodelle evaluieren.
8. Erneuerbare Energien
8. ERNEUERBARE ENERGIEN
Eckdaten (2011)
Anteil der erneuerbaren Energien: 11,3% am Gesamt-Primärenergieaufkommen, 22%
an der Stromerzeugung (IEA-Median: 9% am Gesamt-Primärenergieaufkommen und
18,8% an der Stromerzeugung)
Biokraftstoffe und Abfälle: 8,5% am Gesamt-Primärenergieaufkommen, 7,3% an der
Stromerzeugung
Windenergie: 1,3% am Gesamt-Primärenergieaufkommen, 8,1% an der Stromerzeugung
Solarenergie: 0,7% am Gesamt-Primärenergieaufkommen, 3,7% an der Stromerzeugung
Andere erneuerbare Energien: 0,7% am Gesamt-Primärenergieaufkommen, 2,9% an
der Stromerzeugung
ÜBERBLICK
Die Bundesregierung plant, den Einsatz erneuerbarer Energien energisch zu erhöhen,
damit ihr Anteil bis 2050 auf 60% am Gesamtendenergieverbrauch steigt. Zum Gesamtstromverbrauch sollen die erneuerbaren Energien bis 2020 mindestens 35% beitragen.
Bis spätestens 2050 soll dieser Anteil auf mindestens 80% wachsen.
ANGEBOT UND NACHFRAGE
© OECD/IEA, 2013
Im Jahr 2011 trugen die erneuerbaren Energien 36,1 Mio. t RÖE bzw. 11,3% zum GesamtPrimärenergieaufkommen bei. Biokraftstoffe und Abfälle stellen mit 8,5% des GesamtPrimärenergieaufkommens die wichtigste erneuerbare Energiequelle dar, gefolgt von
Windenergie, Solarenergie, Wasserkraft und Geothermie. Investitionen in den Kapazitätsausbau bei den erneuerbaren Energien haben deren Beitrag zur Energieversorgung deutlich
erhöht und die Energiegewinnung aus Kohle, Kernenergie, Erdgas und Erdöl z.T. abgelöst.
Die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien ist in den vergangenen zehn Jahren um
über 200% gestiegen, gegenüber 10,8 Mio. t RÖE bzw. 3,2% des Gesamt-Primärenergieaufkommens im Jahr 2000 (Abb. 21). Demgegenüber ging das Gesamt-Primärenergieaufkommen insgesamt im dargestellten Zeitraum um 7,4% zurück. Im Gegensatz zu
anderen erneuerbaren Energiequellen ist die Energiegewinnung aus Wasserkraft seit dem
Jahr 2000 um 20,5% geschrumpft, lag aber weiterhin innerhalb der gewöhnlichen
Wasserkraft-Erzeugungsbandbreite von 0,4-0,6% des Gesamt-Primärenergieaufkommens.
Den Projektionen der Bundesregierung zufolge wird der Beitrag der erneuerbaren Energien
trotz rückläufigem Gesamt-Primärenergieaufkommen erheblich steigen. Es wird davon
ausgegangen, dass Biokraftstoffe und Abfälle den größten Anteil an den erneuerbaren
Energien ausmachen und 2030 21,6% des Gesamt-Primärenergieaufkommens auf sich
vereinen, während die anderen erneuerbaren Energien weitere 11,6% beitragen werden.
Der Anteil von Wind- und Solarenergie wird in den nächsten zwei Jahrzehnten deutlich
121
8. Erneuerbare Energien
steigen, während bei Wasserkraft und Geothermie mit einem langsameren Wachstum
gerechnet wird.
Deutschland rangiert unter den IEA-Mitgliedsländern in Bezug auf den Anteil erneuerbarer
Energien am Gesamt-Primärenergieaufkommen auf Platz 12 (Abb. 22), während es 2005
noch auf dem 16. Platz lag, was auf eine raschere Steigerung der Verbreitung erneuerbarer
Energien im Vergleich zum Durchschnitt der IEA- Mitgliedsländer hindeutet.
Abbildung 21 Erneuerbare Energien in Prozent des Gesamt-Primärenergieaufkommens, 1973-2011
12
%
Biokraftstoffe
und Abfälle
Solarenergie
10
Windkraft
8
Wasserkraft
6
Geothermie
4
2
0
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
2006
2009
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
Abbildung 22 Erneuerbare Energien in Prozent des Gesamt-Primärenergieaufkommens
in den IEA-Mitgliedsländern, 2011
50
%
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
Windkraft
Geothermie
Solarenergie
Biokraftstoffe und Abfälle
122
© OECD/IEA, 2013
Wasserkraft
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
8. Erneuerbare Energien
STROMERZEUGUNG
2011 wurden 132,3 TWh Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt, was 22% des
Gesamtaufkommens entspricht – gegenüber 7,2% im Jahr 2000. Bei der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien entfielen 48,9 TWh auf Windenergie (8,1% des
Gesamt-Primärenergieaufkommens), 44 TWh auf Biokraftstoffe und Abfälle (7,3%),
22,2 TWh auf Solarenergie (3,7%) und 17,3 TWh auf Wasserkraft (2,9%). Die Stromerzeugung aus Geothermie war unerheblich.
Wenngleich Biokraftstoffe und Abfälle den größten Anteil am Gesamt-Primärenergieaufkommen auf sich vereinen, ist für die Stromerzeugung die Windkraft die bedeutendste erneuerbare Energiequelle, wohingegen Biobrennstoffe und Abfälle in der
Wärmeerzeugung und im Verkehr besonders stark zum Einsatz kommen.
Gemäß den dem IEA-Prüfungsteam zur Verfügung gestellten Prognosen der Bundesregierung wird der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Stromerzeugung bis
2030 voraussichtlich weiter bis auf 58% steigen. Das entspricht einem bedeutenden
Zuwachs gegenüber dem Stand von knapp über 20% im Jahr 2011, wobei die
Windenergie die größte Steigerung aufweisen (200%) und 2030 für 30,6% der Gesamtstromerzeugung aufkommen dürfte, gefolgt von den Biokraftstoffen mit 13,3%, der
Solarenergie mit 9% und der Wasserkraft mit 5,2%. Die Geothermie wird voraussichtlich
auf einem unerheblichen Niveau von weniger als 0,5% verharren.
Deutschland rangiert unter den IEA-Ländern in Bezug auf den prozentualen Anteil der
erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf Medianniveau (Abb. 23).
Abbildung 23 Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen in Prozent der Gesamtstromerzeugung in
den IEA-Mitgliedsländern, 2011
%
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
© OECD/IEA, 2013
Wasserkraft
Windkraft
Geothermie
Solarenergie
Biokraftstoffe und Abfälle
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
123
8. Erneuerbare Energien
INSTITUTIONEN
Die Federführung für die erneuerbaren Energien wurde dem Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) übertragen. Unterstützt wird es in
dieser Funktion von zwei nachgeordneten Bundesbehörden, dem Umweltbundesamt
(UBA) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN). Die Bundesregierung koordiniert die
Politik auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien mit allen anderen relevanten
Ministerien.
Das 1974 gegründete Umweltbundesamt (UBA) ist Deutschlands zentrale Umweltbehörde, die sich mit allen Umweltangelegenheiten befasst. Die gesetzlichen Aufgaben
des UBA sind: die wissenschaftliche Unterstützung der Bundesregierung, der Vollzug von
Umweltgesetzen und die Information der Öffentlichkeit zum Umweltschutz. Das
Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist die zentrale wissenschaftliche Behörde des Bundes
für den nationalen und internationalen Naturschutz.
Die KfW Bankengruppe (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ist im Besitz von Bund (80%)
und Ländern (20%). Zu ihren Leistungen zählt u.a. die Bereitstellung langfristiger niedrigverzinslicher Darlehen zur Finanzierung von bis zu 100% der Investitionskosten von
förderfähigen Erneuerbare-Energien-Programmen.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist eine Bundesoberbehörde
im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Im
Energiesektor implementiert das BAFA u.a. Maßnahmen zur Förderung eines verstärkten
Einsatzes erneuerbarer Energien, um die begrenzten Ressourcen an fossilen Brennstoffen
zu erhalten und einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten.
Zudem existiert eine Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern. Die Verantwortung für
Politikinstrumente wie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), dem ErneuerbareEnergien-Wärmegesetz (EEWärmeG) und Rechtsvorschriften zu den Biokraftstoffquoten
fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundes, während die Länderbehörden mit der
regionalen Planung, den Genehmigungsverfahren usw. betraut sind. Die Länder sind
auch für die Umsetzung des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes verantwortlich.
FINANZIERUNG DER ERNEUERBAREN ENERGIEN
Als Investitionsstandort dürfte Deutschland auf mittlere Sicht mehrere finanzielle
Vorteile aufrechterhalten. Erstens baut die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die
2011 bereits 5 Mrd. Euro zur Finanzierung eines Programms zum Ausbau der OffshoreWindenergie bereitgestellt hat, ihr Angebot an niedrigverzinslichen Darlehen für
Erneuerbare-Energien-Projekte weiter aus. Zweitens hat die Beteiligung eines anderen
Finanzierungsinstituts, der Europäischen Investitionsbank, die den 27 EU-Mitgliedern
gehört, die Anstrengungen zur Finanzierung von Offshore-Windenergie verstärkt.
124
© OECD/IEA, 2013
Im Allgemeinen unterstützt das Investitionsumfeld Deutschlands den Einsatz
erneuerbarer Energien. Sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen haben in den
letzten Jahren zunehmend Kapital in Projekte zur Förderung erneuerbarer Energien
gelenkt. Im Jahr 2011 beliefen sich die Investitionen in erneuerbare Energien in
Deutschland insgesamt auf 31,9 Mrd. US-$ (22,9 Mrd. Euro), ein Investitionsvolumen,
das nur von China und den Vereinigten Staaten übertroffen wurde. Im Vergleich zu
anderen Ländern sind die Kapitalkosten bei deutschen Projekten zur Förderung
erneuerbarer Energien relativ niedrig.
8. Erneuerbare Energien
Schließlich hat das deutsche System stabiler Einspeisetarife (d.h. die Zahlung wird über
einen Zeitraum von zwanzig Jahren garantiert) dazu beigetragen, die finanziellen
Projektrisiken zu mindern, was für andere institutionelle Anleger den Markteintritt
potenziell attraktiv macht. Veranschaulicht wird diese Effektivität anhand der
Tatsache, dass 88% der Investitionen in erneuerbare Energien 2011 auf Anlagen zur
Erzeugung von Strom entfielen, die nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
vergütungsfähig sind.
POLITIKEN UND FÖRDERMASSNAHMEN
DAS ERNEUERBARE-ENERGIEN-GESETZ
Das wichtigste Förderinstrument für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist
das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es fördert die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen auf der Basis eines vorrangigen Netzzugangs und einer nach
Technologietyp differenziert ausgestalteten Einspeisevergütungsregelung, die die
Einspeisetarife für zwanzig Jahre festlegt und garantiert.
Der erzeugte EEG-Strom wird im Allgemeinen durch die Übertragungsnetzbetreiber
(ÜNB) am Day-ahead-Markt verkauft. Die Differenzkosten zwischen den garantierten
Vergütungszahlungen an die Anlagebetreiber und den Einnahmen am Strommarkt
werden auf die sogenannten privilegierten und nicht privilegierten Stromverbraucher
mit unterschiedlichen Sätzen umgelegt. Die Einspeisetarife variieren auch je nach
Erzeugungskapazität der Energiequelle und Form der erneuerbaren Energie. Ferner
sinkt die Einspeisevergütung jährlich, um dem mit dieser Technologie einhergehenden
Kostenrückgang bei den Anlagen und Bauteilen Rechnung zu tragen und
technologische Fortschritte zu fördern. Das EEG wurde 2004, 2009, 2011 und zuletzt
2012 novelliert.
Kasten 6 Eckpunkte des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

Vorrangiger Netzanschluss von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (EEE)

Vorrangige Abnahme und Übertragung

Feste Vergütungspreise für jede erzeugte kWh über einen Zeitraum von 20 Jahren
für viele Technologien

Von weiteren Faktoren (wie z.B. Anlagentyp und Anlagegröße sowie Systemdienstleistungen) abhängige technologiespezifische Einspeisevergütung

Absenkung der Vergütungssätze je nach Technologie- und Marktentwicklung

Ausgleichsmechanismus bei Zusatzkosten für die Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien zwischen allen Netzbetreibern und Stromerzeugern

Unabhängigkeit vom Staatshaushalt

Regelmäßige Monitoring- und Evaluierungsprozesse, umfassende begleitende
Forschung und Analyse
© OECD/IEA, 2013
Quelle: BMU.
125
8. Erneuerbare Energien
Mit der Novelle des EEG im Jahr 2012 wurden die im Energiekonzept der Bundesregierung erklärten Ziele rechtsverbindlich, den Anteil erneuerbarer Energien an der
Stromversorgung in Deutschland auf mindestens 35% spätestens bis 2020, 50% bis 2030,
65% bis 2040 und 80% bis 2050 zu erhöhen und die entsprechenden Strommengen in
das Elektrizitätsversorgungssystem zu integrieren 24. Das EEG 2012 sieht auch eine Reihe
weiterer Änderungen am Einspeisevergütungsprogramm vor.

Die Einführung einer optionalen Marktprämie bietet Betreibern aller Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien einen Anreiz, den erzeugten Strom direkt
zu vermarkten und ihr Angebot stärker am Marktbedarf auszurichten. Sollten EEAnlagenbetreiber beschließen, die laut EEG festgelegten Vergütungstarife nicht in
Anspruch zu nehmen und stattdessen den erzeugten Strom direkt zu verkaufen, haben
sie zusätzlich zu den mit dem Stromverkauf erzielten Einnahmen Anspruch auf eine
Marktprämie. Berechnet wird die Marktprämie als Differenz zwischen der EEGVergütung und dem Ex-post-Monatsmittelwert an der Strombörse sowie einer
Managementprämie, die bei den verschiedenen Formen der erneuerbaren Energien
unterschiedlich ausfällt (vgl. Kasten 7).

Eine neue Flexibilitätsprämie, deren Ziel darin besteht, Investitionen in die
bedarfsgerechte Bereitstellung zusätzlicher installierter Leistung von Anlagen zu
fördern, die Strom aus Biogas erzeugen. Diese Prämie, auf die Betreiber von
Neuanlagen wie auch Altanlagen Anspruch haben, erleichtert die Investitionen in
größere Gas- oder Wärmespeicher- und -erzeugungsmöglichkeiten, die wiederum
eine bedarfsorientierte Stromerzeugung ermöglichen.

Ferner unterstützt das EEG 2012 die Entwicklung von Energiespeichertechnologien,
indem es Speichersysteme von den Netzgebühren und der EEG-Umlage befreit und
ein Forschungsprogramm für Speichersysteme einführt, das Demonstrationsanlagen
umfasst.

Mit dem EEG 2012 wurde auch ein Standortanreiz zur Erzeugung neuer Kapazitäten
geschaffen, indem die Entschädigungszahlungen an die Betreiber wegen eines
Netzengpasses auf 95% der entgangenen Einnahmen begrenzt wurden. Die
Investitionssicherheit bleibt erhalten, da sich diese Regelung höchstens auf 1% der
Einnahmen eines Jahres bezieht.
24. Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (EEG, 2012).
Diese Novelle wurde im Bundesgesetzblatt Nr. 42 vom 4. August 2011 verkündet (Teil 1) und trat am 1. Januar 2012 in Kraft.
25. Monitoringbericht 2011, Bundesnetzagentur, Berlin, 2012.
126
© OECD/IEA, 2013
Im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
erhebt die Bundesnetzagentur jährlich Daten bei ca. 900 Verteilernetzbetreibern (VNB)
und den vier Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) sowie ca. 1 100 Elektrizitätslieferanten.
Den Ende 2010 erhobenen Daten zufolge belief sich die Gesamtleistung der nach EEG
vergüteten Anlagen auf etwa 50,7 GW, was einem Anstieg um 9,3 GW bzw. 23%
gegenüber dem Jahr 2009 entspricht 25. Dieser Zuwachs basiert im Wesentlichen auf dem
Ausbau der Solarenergie, deren Kapazität sich im Jahresverlauf 2010 um 7,1 GW bzw.
72% erhöhte. Im gleichen Zeitraum nahm die Onshore-Windenergie um 1,7 GW zu. 2011
erhöhte sich die Gesamtleistung der nach EEG vergüteten Anlagen auf 65,8 GW, wovon
25 GW aus Photovoltaik-Anlagen stammten.
8. Erneuerbare Energien
Tabelle 12 Einspeisetarife für EE-Anlagen, 2012
Energiequelle
2012, Euro/kWh
Degression
Wasserkraft
0,034-0,127
1%
Deponiegas, Klärschlammgas, Grubengas
0,0398-0,086
1,5%
Biomasse
0,06-0,25
2%
Geothermie
0,25-0,30
0%
Onshore-Windenergie
0,0893*
1,5%
Offshore-Windenergie
0,15
0%
0,1203-0,2443
Flexibel bis 29% pro Jahr
Solare Strahlungsenergie
*Unterliegt bestimmten Regelungen.
Quelle: BMU
EEG-Umlage für 2013
© OECD/IEA, 2013
Im Oktober 2012 veröffentlichten die vier Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland die
Höhe der EEG-Umlage für 2013 26. Die EEG-Umlage, bei der es sich um die Differenz
zwischen der von den Übertragungsnetzbetreibern für Strom aus erneuerbaren Energien
gezahlten Einspeisevergütung und den Einnahmen aus dem Verkauf des EEG-Stroms an
der Strombörse handelt, wird über die Stromrechnung auf alle Endverbraucher verteilt.
Im Jahr 2013 wird sich die EEG-Umlage insgesamt auf 20,36 Mrd. Euro bzw. 0,05277
Euro/kWh belaufen. Das entspricht einem Anstieg um 47% gegenüber dem Vorjahr
(0,03592 Euro/kWh). Zu den diversen Einflussfaktoren für diesen Anstieg zählen vor
allem: der Ausbau erneuerbarer Energien, darunter im Wesentlichen solare Strahlungsenergie, Windkraft und Biomasse (die 44% des Anstiegs ausmachen, 15% davon PV)
sowie Prognosefehler in den Berechnungen des vergangenen Jahres auf Grund niedriger
Strombörsentarife (die 29% bzw. 2,6 Mrd. Euro des Anstiegs erklären) 27. Für Haushalte
mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 3 500 kWh entspricht dieser Anstieg
einer Erhöhung ihrer jährlichen Stromrechnung um 59 Euro (ohne MwSt.). Energieintensive Unternehmen haben Anspruch auf eine niedrigere EEG-Umlage, sofern sie
bestimmte Bedingungen erfüllen. Laut den derzeitigen Regelungen zahlen Großkunden
mit einem Stromverbrauch von mehr als 10 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr auf 90%
des von ihnen bezogenen Stroms eine reduzierte EEG-Umlage (0,0005 Euro/kWh) und
auf die übrigen 10% die volle Umlage. Stromintensiven Unternehmen mit einer Stromabnahme von mehr als 100 GWh, deren Stromrechnung gleichzeitig mehr als 20% der
Gesamtkosten ausmacht, wird für den gesamten Strombezug die reduzierte Umlage in
Rechnung gestellt.
26. 50Hertz, Ampiron, TenneT and TransnetBW.
27. Kurzanalyse des Anstiegs der EEG-Umlage 2013, Öko-Institut e.V., Berlin, Oktober 2012.
127
8. Erneuerbare Energien
Kasten 7 Marktprämienzahlungen in Deutschland
Mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2011 wurde zum 1. Januar
2012 das optionale Marktprämienmodell eingeführt. Es eröffnete Betreibern von
Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien im Rahmen des Einspeisevergütungsprogramms die Möglichkeit der Direktvermarktung ihres Stroms. Dies fand vor allem bei
Windparks Anwendung. Im Marktprämienmodell verkauft ein Windpark seinen
erzeugten Strom nicht mehr an den Netzbetreiber zum regulierten Einspeisetarif,
sondern vielmehr einer dritten Partei zum Marktpreis.
Der Referenzmarktwert für die Berechnung der Marktprämie entspricht dem technologiegewichteten Monatsmittelwert am EPEX Spotmarkt. Die Prämie wird dann als
Differenz zwischen dem durchschnittlichen Marktpreis für Windenergie und dem
Einspeisetarif festgelegt. Das kommt einer impliziten Mindestpreisgarantie für Windkraft auf der Ebene des regulierten Tarifs gleich. Alle Windkraftanlagen, die am Markt
einen höheren Preis erzielen, haben einen Vorteil, alle diejenigen, die unterdurchschnittliche Einnahmen erwirtschaften, bekommen weniger.
Zusätzlich zum Marktpreis und zur Marktprämie haben Windparks Anspruch auf eine
Managementprämie, die die mit der Direktvermarktung der Energie einhergehenden
Verwaltungskosten decken soll. Für 2012 wurde die Managementprämie auf
12 Euro/MWh festgelegt, und sie wird bis 2015 schrittweise auf 7 Euro/MWh sinken,
wo sie dann verharren sollte. Gleichwohl ist eine Reform der Prämie im Gange, da
einige Akteure sie als zu hoch empfinden. 2012 wechselten die Anbieter von 28 500 MW
Strom aus erneuerbaren Energien ins Marktprämienmodell.
Quelle: Securing Power during the Transition, IEA, 2012.
DAS ENERGIEKONZEPT
Die Ziele der Bundesregierung in Bezug auf die Erhöhung des Einsatzes erneuerbarer
Energien sind ein Eckstein des Energiekonzepts von September 2010. Im Energiekonzept
wurden für die Zeit bis zum Jahr 2050 spezifische Etappenziele und Zielvorgaben
aufgestellt, darunter:

Der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch soll von etwa 10% im
Jahr 2010 auf 60% bis 2050 steigen.

Ihr Anteil an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen soll von etwa
17% im Jahr 2010 auf mindestens 80% bis 2050 wachsen.

128
Raschere Expansion der erneuerbaren Energien durch eine optimierte Koordinierung
zwischen konventionellen Heizkraftwerken und der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Die Stromerzeugung sollte flexibler ausgestaltet werden und in der
Lage sein, Systemdienstleistungen zur Gewährleistung der Netz- und Versorgungssicherheit zu bieten. Umgekehrt sollten die Entwicklung von Speicherkapazitäten
© OECD/IEA, 2013
Nach dem Reaktorunfall von Fukushima Daiichi im März 2011 kehrte Deutschland zu
einer früheren Entscheidung zurück und beschloss, bis 2022 schrittweise aus der
Kernkraftnutzung auszusteigen, ergänzt durch Erhöhungen der Energieeffizienz und
einen beschleunigten Übergang zu erneuerbaren Energien. Diese im Juni und Juli 2011
getroffenen Entscheidungen ergänzen und beschleunigen die Umsetzung der im
Energiekonzept von 2010 enthaltenen Maßnahmen. Zu den Kernelementen des aktualisierten Energiepakets zählen:
8. Erneuerbare Energien
und eine größere Flexibilität der konventionellen Kraftwerke zur Schaffung eines
stabileren Systems beitragen.

Integration erneuerbarer Energien in das globale Energiesystem durch eine
Beschleunigung des Netzausbaus, stärkere Markt- und Systemintegration sowie eine
stärkere Nutzung von Speicherkapazitäten.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde 2012 gestärkt (siehe vorstehenden Abschnitt
wegen näherer Einzelheiten) und um Bestimmungen erweitert, die eine beschleunigte
Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien ermöglichen und die Kosteneffizienz ihres Einsatzes steigern.
Windenergie
Der Ausbau der Windkraftkapazitäten zählt zu den Kernkomponenten des Energiekonzepts. Im Rahmen des Energiekonzepts wurde von der Kreditanstalt für Wiederaufbau ein Sonderprogramm „Offshore Windenergie“ zur Finanzierung der ersten zehn
Offshore-Windparks mit einem Kreditvolumen von insgesamt 5 Mrd. Euro auf den Weg
gebracht (um dem Sektor zum Durchbruch zu verhelfen). Mit der Novelle der
Seeanlagenverordnung wurden außerdem die Genehmigungsverfahren für Installationen
in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) deutlich vereinfacht und beschleunigt 28.
Die Novelle verbessert außerdem die Optionen für den Ersatz alter Windkraftanlagen
durch neue, leistungsstärkere Windenergieanlagen, z.B. das Repowering.
Der Bund wird bei der Suche nach geeigneten Standorten für die Onshore-Windenergie
eng mit den Bundesländern zusammenarbeiten. Überdies werden Bund und Länder eine
Analyse zum Windenergiepotenzial in Auftrag geben, die als Grundlage dienen wird für
die gemeinsame Aufstellung von Kriterien zur Benennung angemessener neuer Standorte für Onshore-Windfarmen. An die Stelle der Einschränkungen in Bezug auf die Nähe
und Höhe werden nationale Kriterien treten, die gemeinsam von Bund und Ländern
aufgestellt werden, damit im Einzelfall die angemessenen Grenzwerte in Bezug auf
Entfernung und Höhe Anwendung finden.
NATIONALER AKTIONSPLAN FÜR ERNEUERBARE ENERGIE
© OECD/IEA, 2013
Der 2010 gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von
Energie aus erneuerbaren Quellen erstellte Nationale Aktionsplan für Erneuerbare
Energie (NREAP) stellt die derzeit erwartete Entwicklung der erneuerbaren Energien in
Deutschland zur nationalen Zielerreichung und somit Deutschlands Beitrag zum EUGesamtziel von 20% erneuerbare Energien im Jahr 2020 dar. Er enthält die bestehenden
und geplanten Maßnahmen, mit denen das nationale Ziel von 18% erreicht werden soll.
Zum Zeitpunkt der Erstellung des NREAP rechnete die Bundesregierung mit einem Anteil
der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch von 19,6% im Jahr 2020: Der
Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor beträgt dabei 38,6%; der Anteil im
Wärme-/Kältesektor 15,5% und im Verkehrssektor 13,2%.
28. Die deutschen Gewässer in der Nord- und Ostsee bestehen aus der 12-Seemeilen-Zone (sog. Territorialgewässer) und der
ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ). Das deutsche Küstenmeer fällt unter die Hoheitsgewalt der Küstenanrainerstaaten.
Das jenseits der 12-Seemeilen-Zone gelegene Gebiet, das sich bis zu 200 Seemeilen von der Basislinie erstrecken darf, ist die
ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ).
129
8. Erneuerbare Energien
ERNEUERBARE-ENERGIEN-WÄRMEGESETZ, 2009
Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz vom 1. Januar 2009 wurde 2011 novelliert. Der
Novelle zufolge, die am 1. Mai 2011 in Kraft trat, müssen Eigentümer von Gebäuden, die
neu errichtet werden, den Wärme- und Kälteenergiebedarf durch die anteilige Nutzung
von Erneuerbaren Energien decken (Nutzungspflicht). Der Einsatz von solarer Strahlungsenergie, Biomasse (fest, flüssig, gasförmig) sowie Geothermie und Umweltwärme ist
gestattet. Das gilt für Wohn- und Nichtwohngebäude, deren Bauantrag bzw. Bauanzeige
nach dem 1. Januar 2009 eingereicht wurde.
Welche Form erneuerbarer Energien (oder zugelassene Ersatzmaßnahme) genutzt
werden soll, kann der Eigentümer des Gebäudes frei entscheiden. Seit dem 1. Mai 2011
kommt öffentlichen Gebäuden diesbezüglich eine Vorbildfunktion zu (Umsetzung der
Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren
Quellen). Gemäß dieser Richtlinie muss auch in bestehenden öffentlichen Gebäuden, an
denen größere Renovierungsarbeiten vorgenommen werden, ein Teil des Wärme- und
Kälteenergiebedarfs durch den Einsatz erneuerbarer Energien gedeckt werden.
MARKTANREIZPROGRAMM FÜR ERNEUERBARE ENERGIEN (MAP)
Das Marktanreizprogramm ist das Hauptinstrument der Bundesregierung zur Förderung
erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Mit diesem Programm werden seit mehr als
einem Jahrzehnt Innovationen in Erneuerbare-Energien-Technologien gefördert: Es verleiht Innovationen und der Markteinführung neuer Produkte wichtige Impulse. Alle
Fördertatbestände und -voraussetzungen sind in den Förderrichtlinien geregelt, die
gewöhnlich im Jahresturnus an den Stand der Technik und an die aktuelle Marktentwicklung angepasst werden. Die jüngsten Richtlinien traten am 11. März 2011 in Kraft.
Das Marktanreizprogramm umfasst die folgenden zwei Komponenten:

Investitionszuschüsse des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFAFörderung) für kleinere Maßnahmen, die überwiegend von privaten Investoren im
Ein- und Zweifamilienhausbereich durchgeführt werden.

Zinsgünstige Darlehen mit Tilgungszuschüssen (Förderung über das Programm
Erneuerbare Energien – Premium der Kreditanstalt für Wiederaufbau) für Investitionen
in größere Wärmelösungen, die zumeist im gewerblichen und kommunalen Bereich
realisiert werden.
Das gesamte Fördervolumen des MAP betrug 2010 rd. 346 Mio. Euro. Insgesamt wurden
mit diesem Fördervolumen Investitionen von 2,15 Mrd. Euro angestoßen.
A
Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch 2005
5.8%
B
Zielwert für den Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen am
Bruttoendenergieverbrauch 2020
18%
C
Erwarteter Gesamtenergieverbrauch 2020 nach Anpassung (kt RÖE)
197 178
D
Erwartete Menge an Energie aus erneuerbaren Quellen entsprechend dem Zielwert
(berechnet als B x C) (kt RÖE)*
35 492
* Die anhand des erwarteten Endenergieverbrauchs im Jahr 2020 notwendige Mindestmenge an erneuerbaren Energien zur Erreichung des nationalen Ziels.
Quelle: Nationaler Aktionsplan für Erneuerbare Energie gemäß der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren
Quellen, Bundesrepublik Deutschland, 2010.
130
© OECD/IEA, 2013
Tabelle 13 Nationales Gesamtziel für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am
Bruttoendenergieverbrauch, 2005 und 2020
8. Erneuerbare Energien
STAATLICHE REGELUNGEN UND MASSNAHMEN IM VERKEHRSSEKTOR
Biokraftstoffquotengesetz
Mit dem Inkrafttreten des Biokraftstoffquotengesetzes muss ein Mindestanteil an Biokraftstoffen im Straßenverkehr eingesetzt werden. Seit 2010 liegt die Biokraftstoffquote
bezogen auf den Energiegehalt bei 6,25%. Ab 2015 erfolgt die Umstellung von dieser
(energetischen) Quote auf eine Klimaschutzquote, die den zur Reduzierung der
Treibhausgasemissionen notwendigen Mindestanteil an Biokraftstoffen festlegen wird.
Diese Quote wird bis 2020 auf 7% erhöht.
Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung
Die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung trat in Deutschland am 1. Januar 2011 in
Kraft. Mit dieser Verordnung wird europäische Politik auf nationaler Ebene umgesetzt.
Gemäß der Verordnung kann die Erzeugung von Biokraftstoffen nur dann als nachhaltig
betrachtet werden, wenn sie im Vergleich zu anderen fossilen Brennstoffen ein THGMinderungspotenzial von mindestens 35% aufweist. Dieser Mindestwert muss schrittweise erhöht werden, so dass Biokraftstoffe die THG-Emissionen bis 2017 um mindestens
50% mindern. Ferner heißt es in der Verordnung, dass Biomasse, die zur Herstellung von
Biokraftstoffen verwendet wird, nicht aus ökologisch sensiblen Bereichen, wie Feuchtgebieten, Torfmooren oder Regenwäldern stammen darf. Biokraftstoffe müssen diese
Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen, um auf die Biokraftstoffquote angerechnet zu
werden und Anspruch auf Steuerentlastung zu begründen.
Regierungsprogramm Elektromobilität
Die Bundesregierung hat am 18. Mai 2011 das Programm Elektromobilität beschlossen.
Grundlage dieses Programms ist der Nationale Entwicklungsplan Elektromobilität, der
am 19. August 2009 ins Leben gerufen wurde, und umfasst die Empfehlungen der
Nationalen Plattform Elektromobilität, einem von der Bundesregierung eingerichteten
Gremium hochrangiger Experten mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und
Zivilgesellschaft. Ziel des Programms ist es, die Forschung und Entwicklung batterieelektrisch betriebener Fahrzeuge in Deutschland voranzubringen und ihre Marktvorbereitung und Markteinführung zu fördern. Das Maßnahmenpaket enthält ein breites
Spektrum fiskalischer und ordnungspolitischer Anreize. Ferner soll die in Verbindung mit
dem Konjunkturpaket II eingeführte Finanzierung von FuE-Projekten weitere Impulse
erhalten. Dieses Programm fällt in den gemeinsamen Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, des Bundesministeriums für Umwelt, des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).
© OECD/IEA, 2013
Das Ziel ist es, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf den deutschen Markt zu
bringen, eine Zahl, die bis 2030 auf sechs Millionen steigen soll. Ferner soll Deutschland
Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität werden. Zwei Faktoren sind von
entscheidender Bedeutung, wenn die Elektromobilität Umwelt- und Klimaschutz
begünstigen sollen: der Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und eine
intelligente Integration der Fahrzeuge in die Stromnetze. Diese beiden Elemente sind
wichtige Voraussetzungen des von BMU und BMVBS gesteuerten Regierungsprogramms.
131
8. Erneuerbare Energien
STROM
ÜBERBLICK
Das Ziel der Bundesregierung ist es, dass die erneuerbaren Energien bis 2020 mindestens
einen Anteil von 35% am gesamten Bruttostromverbrauch erreichen. Ferner hat sich die
Bundesregierung verpflichtet, den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien
(im Einklang mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2012) bis 2030 auf 50%, bis 2040 auf
60% und bis 2050 auf 80% des Bruttostromverbrauchs zu erhöhen.
Die wachsende Rolle der erneuerbaren Energien im Stromerzeugungsmix erklärt sich aus
dem umfassenden Kapazitätsausbau. Im Jahr 2011 entfielen auf die Onshore-Windkraft
8% der gesamten Stromerzeugung, die entsprechende Kapazität nahm um 1,8 GW zu. Es
wurden Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Gesamtleistung von nahezu 25 GW
installiert, davon 7,5 GW allein im Jahr 2011. 2011 konnte Deutschland seine globale
Nettoexportposition beim Strom aufrechterhalten, wenngleich das Überschussvolumen
von 17 TWh auf 5 TWh schrumpfte.
Während einer europaweiten schweren Kältewelle im Februar 2012 blieb Deutschland
Nettoexporteur und konnte dank der Photovoltaik-Anlagen zu Spitzenlastzeiten mittags
Frankreich mit Strom versorgen, wo die Kernkraftwerke den Bedarf nicht mehr decken
konnten. Ferner trug die Windenergie zur Deckung des Bedarfs zu Spitzenlastzeiten in
den Abendstunden bei.
POLITIKUMFELD FÜR STROMERZEUGUNG AUS ERNEUERBAREN ENERGIEN
Der Politikrahmen für die Einführung erneuerbarer Energien ist in Deutschland generell
stark und wird durch einen Katalog stabiler Einspeisetarife gefestigt, die über einen
Zeitraum von zwanzig Jahren garantiert sind. Die im Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie (NREAP) und im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgeschriebenen Zielsetzungen der Bundesregierung entsprechen zwar den Zielvorgaben der Europäischen
Union für 2020, doch erstrecken sich die Pläne der Bundesregierung im Bereich
erneuerbare Energien über einen längeren Zeithorizont bis 2050 und sind in die breitere
Wirtschaftsstrategie des Landes eingebettet.
Andererseits haben die zuständigen Stellen erkannt, dass der PV-Zubau in jüngster Zeit
zu rasch erfolgt ist und die installierte Leistung sowohl vom indikativen Ziel des NREAP
von 52 GW für 2020 als auch von der gesamten Energiesystemplanung abweicht. Die
Einspeisetarife wurden nicht so rasch angepasst wie die sinkenden Systempreise, was zu
überzogenen Renditen für Investitionen in den Ausbau von PV-Anlagen und den Einsatz
von Solarenergie geführt hat. Im Juni 2012 wurde in einer EEG-Novelle, der sogenannten
PV-Novelle, der Förderungsauslauf bei Erreichen des Gesamtausbauziels für die
Photovoltaik in Deutschland von 52 GW festgeschrieben.
132
© OECD/IEA, 2013
Seit 2011 legt die Bundesregierung den Schwerpunkt stärker auf eine rasche Einführung
erneuerbarer Energien. Einerseits möchten die zuständigen Stellen den Prozess der
Einführung von Offshore-Windenergie beschleunigen. Deutschlands Ziel ist es, unter
Einsatz eines Katalogs angemessener Anreize und beschleunigter Planungsverfahren
sowie einer dynamischen Reaktionsfähigkeit im Fall neu aufkommender Themen
(Mechanismus der Haftungsteilung bei Anschlussverzögerungen an das Stromnetz) bis
2020 eine installierte Leistung von 10 GW zu erreichen.
8. Erneuerbare Energien
ATTRAKTIVITÄT DES EE-STROMS FÜR DIE WIRTSCHAFT
In Anbetracht der vorherrschenden Einspeisetarifstruktur sind Investitionen in erneuerbare Energieträger im Vergleich zu Investitionen in konventionelle Energien attraktiver,
da sich die Erzeuger keinem Marktrisiko gegenübersehen und sicher sein können, ihren
Strom selbst in Zeiten schrumpfender Nachfrage zu verkaufen. Die Einspeisetarife für
Strom aus neuen Quellen wie Wasserkraft, Bioenergie und Onshore-Windenergie entsprechen im Großen und Ganzen den Kosten bei neuen Kohle- und Gassystemen. Dabei
bleibt die Offshore-Windenergie im Vergleich weiterhin wenig wettbewerbsfähig.
Indessen sind die Kosten für Strom aus PV-Anlagen unter den durchschnittlichen Preis
gesunken, zu dem die privaten Haushalte Strom bei den Energieversorgungsunternehmen beziehen (d.h. in Deutschland ist die Netzparität erreicht), und werden weiter
fallen, sofern die Systeme mit den neuen Vergütungssätzen weiter betrieben werden.
Sinkende Preise für Solarmodule und andere Systemkomponenten sowohl innerhalb
Deutschlands als auch weltweit deuten darauf hin, dass die Kosten für PhotovoltaikSysteme auf mittlere Sicht weiter sinken werden.
Der stärkere Einsatz erneuerbarer Energien und die über die Stromrechnung finanzierte
höhere EEG-Umlage haben Befürchtungen hinsichtlich der Auswirkungen dieser
Entwicklung auf die Verbraucher entstehen lassen. Gleichwohl bleibt der Gesamteffekt
des Einsatzes erneuerbarer Energien auf die Preise komplex, insbesondere angesichts
der Tatsache, dass hohe Anteile in der Erzeugungsmenge fluktuierender erneuerbarer
Energien in Zeiten starken Windaufkommens beispielsweise die Börsenstrompreise auf
Grund des Merit-Order-Effekts sinken lassen. In Zeiten, in denen die hohe Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen zu einem Aufkommensüberschuss mit anschließendem Abwärtsdruck auf die Börsenstrompreise geführt hat, wurden die Einsparungen
nicht immer an die Verbraucher weitergegeben.
NETZ- UND SYSTEMINTEGRATION
Das deutsche Höchstspannungsnetz ist in vier Übertragungsnetze unterteilt, die 2005
von ihrem jeweiligen Stromerzeuger entflochten wurden. Seit 2006 ist die Bundesnetzagentur mit der Aufsicht über diesen Sektor beauftragt. Die Übertragungsnetzbetreiber kommen nicht direkt finanziell für den Ausbau der Netze auf; die Finanzierung
erfolgt vielmehr über eine regulierte zusätzliche Gebühr, die von allen Stromkunden
entrichtet wird. Die Kosten für die Netzverstärkung und den Netzausbau sind im Rahmen
der Anreizregulierung streng kontrolliert. Die Investitionsbudgets sind von der Bundesnetzagentur zu genehmigen.
© OECD/IEA, 2013
Bisher stellte das deutsche Netz keinen Engpass für die Einspeisung von Strom aus
erneuerbaren Energiequellen dar, allerdings können die Herausforderungen in Verbindung mit der Zunahme von Wind- und Solarenergie steigen. Die relative Schwäche des
Übertragungsnetzes in Norddeutschland wirkt sich insbesondere auf die künftige
Entwicklung der Windenergie im Nordseebereich aus. Ferner wird die Begrenzung der
Stromerzeugung aus Gründen der Netzstabilität zunehmend zu einem Problem für die
Erzeuger von Onshore-Windenergie. 2010 sind zwischen 0,2-0,4% der insgesamt erzeugten
Windenergie verloren gegangen, weitgehend auf Grund von Überlastungen im 110-kVHochspannungsnetz und an Hochspannungs-/Mittelspannungs-Umspannwerken, wo die
meisten Windkraftparks in Deutschland angeschlossen sind.
133
8. Erneuerbare Energien
Die Verteilernetzbetreiber (VNB) sind nach dem deutschen Energiewirtschaftsgesetz und
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zur Optimierung, zur Verstärkung und zum Ausbau
des Netzes verpflichtet, damit sie unverzüglich dem neuesten Netzwerkstandard
entsprechen, um Abnahme und Übertragung von Strom aus erneuerbaren Quellen zu
ermöglichen. Entsprechend hat der starke Zuwachs der erneuerbaren Energien die
Verteilernetzbetreiber vor große Herausforderungen gestellt.
Im Jahr 2010 wurden die Verteiler- und Übertragungsnetzbetreiber aufgefordert, eine Reihe
marktbezogener Maßnahmen in Bezug auf das Engpassmanagement durchzuführen,
darunter Handelsgeschäfte, die notwendig waren, um Gefährdungen der Netzstabilität zu
beheben. Des Weiteren und trotz der kontinuierlichen Investitionen in die Netze, konnten
nicht alle Erzeuger ihre Produktion in das Stromversorgungssystem einspeisen. In manchen
Fällen sind sogenannte Einspeisemanagementmaßnahmen erforderlich, um die Produktionsleistung der EEG-Anlagen gegen eine Aufwandsentschädigung anzupassen. Schätzungen der Bundesnetzagentur zufolge kam es auf diesem Weg zu Ausfällen von 129 GWh,
und die Entschädigungszahlungen in Höhe von 10 Mio. Euro gingen fast ausschließlich an
die Erzeuger von Windenergie. Darüber hinaus gestaltet sich die zeitgerechte Netzanbindung von Offshore-Windkraftparks als besonders schwierig.
Im vergangenen Jahr hat der für die Offshore-Netzanlagen in der Nordsee zuständige
Übertragungsnetzbetreiber TenneT Anbindungsverzögerungen bei mehreren Anlagen
angekündigt, die einem Mangel an Finanz- und Humanressourcen sowie Versorgungsengpässen für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs(HGÜ)-Hardware und Seekabel
zuzuschreiben sind. Der Netzbetreiber hat Maßnahmen vorgeschlagen (darunter die
Gründung einer Gleichstrom-Netzgesellschaft), die die Planung erleichtern und dazu
beitragen könnten, den großen Kapitaleinsatz leichter verfügbar zu machen.
Ferner hat das Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) dargelegt, dass
die wichtigsten Stromflüsse in Mitteleuropa, darunter die von Norden nach Süden
verlaufenden Ringflüsse, zu den Problemen gehören, die erhebliche Investitionen in
Mitteleuropa erforderlich machen. Solche Ringflüsse treten häufiger auf, seit Deutschland
die Windstromerzeugung in den nördlichen Bundesländern massiv ausgebaut hat, ohne
die Netzinfrastruktur zu entwickeln, die erforderlich ist, um den erzeugten Strom nach
Süden zu transportieren, auf den ein großer Teil der Nachfrage entfällt. Diese Schwierigkeit
wurde durch das Abschalten von acht Kernkraftwerken im Jahr 2011 noch verschärft.
134
© OECD/IEA, 2013
Ein weiteres Netz- und Systemintegrationsproblem hängt mit dem Missverhältnis
zwischen der Installationsdichte der Windenergieanlagen im Norden (Niedersachen)
– insbesondere im Offshore-Bereich – und Osten Deutschlands (Sachsen-Anhalt) und den
Lastzentren im Westen und Süden des Landes zusammen, in Kombination mit
unzureichenden inländischen Verbindungen zwischen den vier Versorgungsgebieten. Der
Kernenergieausstieg wird dieses Missverhältnis noch weiter verstärken, da die Kernkraftwerkskapazitäten weitgehend im Süden Deutschlands angesiedelt wurden. Jedoch
können der hohe Anteil der überwiegend im Süden des Landes lokalisierten Solarenergie
und die guten grenzüberschreitenden Stromverbindungen mit Wasserpumpspeichern in
Österreich diese Diskrepanz z.T. kompensieren, wenngleich der Spielraum für einen
Ausbau dieser Form der Energiespeicherung insofern an seine Grenzen stößt, als das
wirtschaftliche Potenzial der Wasserkraft bereits ausgeschöpft und das verbleibende
Potenzial auf Grund umweltrechtlicher Bestimmungen eingeschränkt ist. Dennoch ist das
Missverhältnis zwischen dem Angebot im Norden und der Nachfrage im Süden einer der
Haupteinflussfaktoren für die Notwendigkeit von Investitionen in die deutsche
Übertragungsinfrastruktur.
8. Erneuerbare Energien
Im Bereich der Photovoltaik-Anlagen wird die Aufgabe des Netzbetriebs angesichts der
hohen installierten Kapazitäten und einer von kleinen, nichttraditionellen Anbietern
dominierten Besitzstruktur (Photovoltaik-Dachanlagen für private Haushalte und
Landwirtschaftsbetriebe) zunehmend komplex. Gemäß der Novelle 2012 des ErneuerbareEnergien-Gesetzes sind alle neuen Photovoltaik-Anlagen verpflichtet, technische
Einrichtungen für eine etwaige Abregelung ihrer Leistung einzubauen. Die einzigen
Ausnahmen sind kleine Photovoltaik-Systeme (mit einer Leistung bis zu 30 kW), die
alternativ ihre maximale Wirkleistungseinspeisung ins Netz auf 70% der Höchstkapazität
der Anlage begrenzen können. Dieser Wert wurde als optimaler Kompromiss festgelegt,
der einerseits einen Kapazitätsausbau ermöglicht und andererseits dafür sorgt, dass die
Abregelungen niedrig bleiben. Die technischen Herausforderungen der Anpassung von
Niederspannungsnetzen sind vergleichsweise gering. Eine Abstimmung der Anreizinstrumente für die verschiedenen Akteure (VNB, Stromerzeuger) ist von entscheidender
Bedeutung, um zu gewährleisten, dass die Einspeisung nicht gefährdet ist.
Alles in allem erfordern die ehrgeizigen Pläne der Bundesregierung im Bereich der
erneuerbaren Energien einen Netzausbau. Das Netzausbaubeschleunigungsgesetz
Übertragungsnetz (NABEG) von 2011 ist verabschiedet worden, um die Genehmigungsverfahren für nationale und grenzüberschreitende Stromleitungen zu vereinfachen und
zu beschleunigen, bei gleichzeitiger Gewährleistung eines hohen Niveaus an öffentlicher
Beteiligung. Ferner wurde ein neues Planfeststellungsverfahren mit einem nationalen
10-Jahres-Netzentwicklungsplan eingeführt, in dem der Bedarf an neuen Stromtrassen
definiert ist und neue Technologien erörtert werden, die von den Übertragungsnetzbetreibern vorzuschlagen und von der Bundesnetzagentur zu genehmigen sind.
DENA-STUDIE ZUR INTEGRATION DER ERNEUERBAREN ENERGIEN
2012 führte die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) ihre zweite Netzstudie
(Netzstudie II) durch, um ein strategisches Konzept zur Weiterentwicklung des
Stromnetzes in Deutschland zur Anbindung und Integration erneuerbarer Energien in
Verbindung mit einem kostenoptimalen Einsatz konventioneller Kraftwerke und
zunehmenden europäischen Stromhandel. Die Ergebnisse der Studie wurden im
November 2010 veröffentlicht 29.
Zielsetzung der dena-Netzstudie II ist es, geeignete Systemlösungen für das deutsche
Elektrizitätsversorgungssystem (bis 2020 mit Ausblick auf 2025) zu untersuchen, um
einen Anteil von 39% erneuerbarer Energien an der Stromversorgung in das
Übertragungsnetz in Deutschland bei gleichzeitiger Sicherstellung der Versorgungssicherheit und Berücksichtigung der Auswirkungen des liberalisierten europäischen
Energiemarkts vollständig zu integrieren. In der Netzstudie II wurde untersucht, wie das
Stromsystem Deutschlands im Zeitraum bis 2020-2025 ausgebaut und optimiert werden
muss, wenn die neuen mit der Integration erneuerbarer Energien einhergehenden
Herausforderungen bei gleichzeitiger Sicherstellung einer zuverlässigen und wirtschaftlich rentablen Stromversorgung gemeistert werden sollen.
© OECD/IEA, 2013
Der Bericht hebt drei Hauptziele hervor: Integration eines Anteils von 39% EE in der
Stromerzeugung, insbesondere Windkraft, wirtschaftlich optimierter Einsatz von
konventionellen Kraftwerken unter Berücksichtigung des wachsenden europäischen
29. Dena-Netzstudie II, Integration erneuerbarer Energien in die deutsche Stromversorgung im Zeitraum 2015-2020 mit
Ausblick 2025, Deutsche Energie-Agentur GmbH, 2010.
135
8. Erneuerbare Energien
Stromhandels. Die Studie ermittelt technische und wirtschaftliche Optionen für eine
bestmögliche Vereinbarung dieser Ziele miteinander.
In der Studie wurden zahlreiche Varianten für die Weiterentwicklung des Stromnetzes in
Deutschland untersucht. Die Analyse konzentrierte sich einerseits sowohl auf die heute
bereits vorhandenen als auch die in der Entwicklung befindlichen Übertragungstechnologien, die von typischen 380-kV-Drehstrom-Freileitungen über Hochtemperaturleiterseile und Hochspannungsgleichstromübertragung bis zu Erdkabeln reichen. Ferner
wurde weiteren einschlägigen Maßnahmen Rechnung getragen, wie beispielsweise der
Erhöhung der Leitungskapazität durch Temperaturmonitoring, Kontrolle der Stromnachfrage sowie Einsatz von Stromspeichersystemen. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen
auf das Gesamtsystem wurden für alle Varianten untersucht.
SOLARE STRAHLUNGSENERGIE
2011 stammten 22,2 TWh (bzw. 16,8%) der insgesamt aus erneuerbaren Energien
erzeugten Strommenge (132,3 TWh) aus Photovoltaik-Anlagen. 2011 waren PhotovoltaikAnlagen mit einer Gesamtleistung von 25 039 MW installiert. Das entspricht einem Anstieg
um 23 531 MW gegenüber dem Stand von 2005, dem Jahr der letzten Prüfung der
Energiepolitik Deutschlands. Allein im Jahr 2011 nahm die installierte Leistung um etwa
7,7 GW und 2012 um weitere 7,6 GW zu. Dem Nationalen Aktionsplan für Erneuerbare
Energie (NREAP) zufolge wird die installierte PV-Leistung bis 2020 in Deutschland 51,8 GW
erreichen und schätzungsweise 41,4 TWh Strom erzeugen.
Das System der Einspeisevergütung für PV-Anlagen ist angesichts der Tatsache, dass der
PV-Zubau weit jenseits des gewünschten Zielkorridors liegt, mehrfach novelliert und
angepasst worden. Im Jahr 2008 wurde ein Korridorsystem eingeführt, das die
Absenkungsrate der Solarförderung vom Ausbauvolumen abhängig macht. Trotz dieser
Maßnahme wurden 2010, 2011 und 2012 vier nicht geplante Absenkungen des
Unterstützungsniveaus vorgenommen. Dank dieser Korrekturen konnten die Einspeisevergütungstarife – in Bezug auf den Nettogegenwartswert aller künftigen Zahlungen –
realistisch nah an den tatsächlichen PV-Kosten in Deutschland gehalten werden, die
dank der Reife des Markts sehr viel niedriger sind als in sonnigeren Ländern.
Bei der Photovoltaik scheint die Kostenkontrolle besonders schwierig zu sein. Die
Technologie ist extrem modular, lässt sich einfach und rasch installieren und ist für die breite
Öffentlichkeit erschwinglich. In den zwölf Monaten des Jahres 2010 wurden in Deutschland
288 000 PV-Anlagen mit einer Kapazität von weniger als 100 kW installiert – nahezu dreimal
so viel, wie im ehrgeizigen ursprünglichen Programm insgesamt vorgesehen waren. Die
genannten Anlagen vereinten 62% der zusätzlich installierten Kapazität auf sich, der übrige
Teil wurde von weniger als 1 200 größeren Anlagen bereitgestellt.
30. Solar Energy Perspectives, IEA, 2011.
136
© OECD/IEA, 2013
Entsprechend erscheint die Angebotskurve recht flach, was auf ein erhebliches Potenzial
auf einem vorgegebenen Kostenniveau hindeutet. Eine Mengenkontrolle würde eine
sehr präzise Preissetzung in einem ungewissen und sich ständig verändernden
wirtschaftlichen Umfeld erfordern. Jederzeit besteht die Gefahr, dass das Anreizniveau
entweder „zu hoch“ ist und den Investoren keine sehr hohe Rendite beschert, aber mehr
Investitionen in den PV-Zubau lenkt als erwünscht, oder „zu niedrig“ und sehr viel
weniger Investitionen getätigt werden als erwünscht30.
8. Erneuerbare Energien
Nach einem drastischen Sprung beim PV-Zubau (3 GW) im Dezember 2011 entstand in
Deutschland eine lebhafte Debatte über das weitere Vorgehen. Einige sprachen sich für
eine Deckelung des Zubaus auf 1 GW pro Jahr aus. Andere setzten dem eine harte
Deckelung des Gesamtbudgets oder des Gesamtzubauvolumens entgegen und befürworteten häufigere Senkungen der Vergütungssätze. Daraufhin wurden mit der von den
beiden zuständigen Ministerien, BMU und BMWi, gemeinsam entworfenen Novelle im
Juni folgende Änderungen der Einspeisevergütung eingeführt:

Die Absenkungen der Einspeisevergütung wurden von Juli auf April vorgezogen. Sie
werden nicht, wie geplant, 15% betragen, sondern je nach Größe der Anlage 30%
überschreiten (Tabelle 15).

Ab April 2012 erhöht sich die Frequenz der Vergütungssatzabsenkung (monatlich).

Nur bis zu 90% der erzeugten Strommenge werden nach dem EEG vergütet. Der
darüber hinausgehende Stromanteil muss selbst verbraucht, an der Strombörse
verkauft oder zum durchschnittlichen Spotmarktpreis auf anderem Weg direkt
vermarktet werden. Gleichzeitig fällt der Eigenverbrauchsbonus weg.
Tabelle 14 Neue Einspeisetarife ab 1. April 2012 gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz
Inbetriebnahme
Installierte Anlagenleistung Dachanlagen
Bis 30 kW
Bis
100 kW
Bis
1 000 kW
Über 1 000 kW
Konversionsflächen
Sonstige
24,43
23,23
21,98
18,33
18,76
17,94
Ab 1. Januar 2012
Ab 1. April 2012
Freiflächenanlagen
Bis 10 kW
Bis 1 000 kW
Über 1 000 kW
bis max. 10 MW
Alle, max. 10 MW
19,5
16,5
13,5
13,5
80%
90%
Quelle: BMU.
WINDENERGIE
Mit einer installierten Windleistung von 48,9 TWh im Jahr 2011 geht von der Windenergie
der größte Beitrag zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien aus. Erzeugt wurde diese
Energie von den mehr als 20 000 Windkraftanlagen, die 2011 in Deutschland in Betrieb
waren und eine Gesamtstrommenge von 29,1 GW produzierten. Der deutsche Windenergiemarkt verzeichnete 2012 weiterhin ein stabiles Wachstum: Es wurden 1 008 neue
Windkraft-Turbinen mit einer Gesamtleistung von 2,4 GW aufgestellt, gegenüber 895
Anlagen bzw. einer Kapazität von 2 GW im Jahr 201131. Gemäß dem Nationalen Aktionsplan
für erneuerbare Energie wird Deutschland 2020 über einen Windkraftpark mit einer
Gesamtleistung von 46 GW und einer Stromerzeugung von insgesamt 104 TWh verfügen.
© OECD/IEA, 2013
Der Windenergieausbau ist in Deutschland stark regionalisiert. Im Jahresverlauf 2012
wurde in den nördlichen Bundesländern die größte Zahl an Neuanlagen gebaut, die 40%
der neu installierten Leistung auf sich vereinten. Ein Großteil dieser neu installierten
Leistung ist in Niedersachsen (15%), Schleswig-Holstein (14%) und MecklenburgVorpommern (13%) konzentriert. Rheinland-Pfalz vereinte im Süden nahezu 12% der
zugebauten Leistung auf sich, gefolgt von Brandenburg mit einem Anteil von etwa 10%.
31. Status des Windenergieausbaus in Deutschland, Deutsche WindGuard GmbH im Auftrag von Bundesverband WindEnergie
e.V. (BWE) und VDMA Power Systems, 2012.
137
8. Erneuerbare Energien
Tabelle 15 Kumulierte installierte Leistung und Anlagenzahl in den Bundesländern
Kumulierte Leistung
31.12.2012 (MW)
Kumulierte Anzahl
31.12.2012
Niedersachsen
7 338
5 479
Schleswig-Holstein
3 588
2 926
Mecklenburg-Vorpommern
1 950
1 507
Bremen
146
76
Hamburg
53
58
Brandenburg
4 814
3 135
Sachsen-Anhalt
3 813
2 413
Nordrhein-Westfalen
3 179
2 899
Sachsen
1 003
844
Thüringen
900
641
Hessen
802
705
2
1
Bundesland/Region
Norden
Mitte
Berlin
Rheinland-Pfalz
1 923
1 243
Bayern
881
559
Baden-Württemberg
502
383
Saarland
158
103
Nordsee
230
46
Ostsee
51
22
31 332
23 040
Süden
Offshore
Insgesamt
Quelle: Bundesverband WindEnergie e.V.
2012 wurden 16 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 80 MW
ans Netz angeschlossen, und zum Jahresende war eine Gesamtleistung von 280,3 MW
aus Offshore-Windenergieanlagen am Netz. Es wurden 109 neue Fundamentstrukturen
auf See installiert. Im zweiten Halbjahr 2012 gingen vier weitere Offshore-Windenergieprojekte in Bau. Damit sind mittlerweile insgesamt sechs Offshore-Windenergieprojekte
mit über 350 Anlagen und einer Leistung von rd. 1 800 MW in Bau. All diese Projekte
befinden sich in der Nordsee.
WASSERKRAFT
Die Wasserkraft liefert 13,1% des aus erneuerbaren Energien zur Deckung des GesamtEndenergiebedarfs erzeugten Stroms. Im Jahr 2011 entfielen auf die Wasserkraft
(einschl. 6,8 TWh aus Pumpspeichern) 17,3 TWh der insgesamt aus erneuerbaren
Energiequellen erzeugten Strommenge von 132,3 TWh. Diese Strommenge wird derzeit
mit einer installierten Leistung von 11 532 MW, darunter 6 777 MW Pumpspeicherkapazität, produziert.
Mit 33,3% stellte Biomasse den zweitgrößten Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Von den 132,3 TWh aus erneuerbaren Energien erzeugtem Strom im
Jahr 2011 stammten etwa 44 TWh aus Biomasse, davon 19 425 GWh Biogas. Die 2011
zur Erzeugung dieser Strommenge installierte Leistung belief sich auf 7 324 MW, davon
138
© OECD/IEA, 2013
BIOMASSE
8. Erneuerbare Energien
waren 2 997 MW Biogasleistung. Biomasse umfasst solide und flüssige Biomasse;
Biogas, Deponiegas, Klärschlamm sowie Bioabfall.
Im April 2009 erstellten das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (BMELV) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU) gemeinsam einen Nationalen Biomasseaktionsplan für
Deutschland, Beitrag der Biomasse für eine nachhaltige Energieversorgung (der
Biomasseaktionsplan). Der Biomasseaktionsplan soll aufzeigen, über welches Potenzial
Deutschland für den Einsatz von Biomasse verfügt, und noch verfügbare Reserven
ermitteln. Ferner wird erläutert, welche Strategien die Bundesregierung zum Ausbau der
Bioenergienutzung im Wärme-, Strom- und Kraftstoffbereich verfolgt und welche
Maßnahmen vorgesehen sind. Der Biomasseaktionsplan hebt hervor, welche Strategien
verfolgt werden sollten, um den Ausbau der Bioenergie effizient und nachhaltig zu
betreiben, und welche konkreten Maßnahmen diesbezüglich zu ergreifen sind. Der
Biomasseaktionsplan wurde in den Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie
integriert.
Biogas in Deutschland
Deutschland ist europäischer Vorreiter im Bereich der Stromerzeugung aus Biogas. Im
Jahr 2012 erzeugten rd. 7 600 Anlagen mit einer Gesamtleistung von nahezu 3 200 MW
in Deutschland 19,4 TWh Strom. Zur Erzeugung von Biogas werden als Substrate
hauptsächlich Energiepflanzen und Agrargülle oder Jauche verwendet.
Tabelle 16 Einsatz von Biogas in Deutschland
2010
2011
2012
(Schätzungen)
5 095 (45)
7 320 (80)
7 589 (95)
Installierte Leistung in MW
2 291
2 997
3 179
Nettostromproduktion (MWh)
14,82
17,92
19,2
4,2 Mio.
5,4 Mio.
6,3 Mio.
Anzahl der Anlagen (einschl. Biomethan-Anlagen)
Mit Strom aus biomassebefeuerten Heizsystemen
versorgte Haushalte
Quelle: Fachverband Biogas e.V.
WÄRMEVERSORGUNG
© OECD/IEA, 2013
Die Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern umfasst den Einsatz von
Biomasse als Brennstoff, Solarthermie und Geothermie. Dem im Energiekonzept und im
Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz für 2020 definierten Ziel zufolge ist ein Anteil an
erneuerbaren Energien zur Deckung des Wärme- und Kälteenergiebedarfs von 14%
vorgeschrieben.
Biomasse, Geothermie und Solarenergie trugen 2010 zusammengenommen 136,1 TWh
zur Wärmeerzeugung in Deutschland bei. Das entspricht einem Anteil von 9,5% am
Endenergieverbrauch im Wärme-/Kältesektor. Daher ist der Beitrag der erneuerbaren
Energieträger zur gesamten Wärmeerzeugung seit dem letzten Prüfbericht um 3,5%
gestiegen. Das am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz ist gemeinsam mit dem Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien ein wichtiges Instrument zur Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien am Wärmemarkt.
139
8. Erneuerbare Energien
Wärme aus Biomasse
Biomasse leistet mit 125,3 TWh bzw. 92% der Wärmeversorgung den größten Beitrag zur
Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern. Die Biomasse umfasst feste und
flüssige biogene Brennstoffe, Klärschlamm, Deponiegas sowie Bioabfall. Von diesen
Substraten leisten feste biogene Brennstoffe mit Abstand den größten Beitrag zur
Wärmeversorgung (100,3 TWh bzw. 80%). Der biogene Abfallanteil macht 9,5% aus,
Biogas 6,1%, flüssige biogene Brennstoffe 3,3%, Klärschlamm 0,9% und Deponiegas 0,1%.
Solarenergie
Im Jahr 2010 waren solarthermische Anlagen mit einer Kollektorfläche von etwa 14 000 m2
in Betrieb, die 5 200 GWh Strom erzeugten. Das ist doppelt so viel wie im Jahr 2005, als
die letzte Prüfung der Energiepolitik Deutschlands durchgeführt wurde.
Geothermie
Die geothermale Energie macht mit 5,585 TWh 0,4% des Anteils der erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch und 4,2% des Anteils der erneuerbaren Energien an
der Wärmeversorgung aus. Innerhalb dieser Kategorie leistet die oberflächennahe Geothermie (Wärmepumpen und Pumpen, die Umweltwärme aus Luft und Wasser verwenden) mit einem Anteil von 3,9% mit Abstand den größten Beitrag. Mittlerweile
entfallen auf die Tiefengeothermie 0,2%.
VERKEHRSSEKTOR
Es ist geplant, dass Energie aus erneuerbaren Quellen bis 2020 mindestens 10% des
gesamten Kraftstoffverbrauchs abdeckt (ohne Flugtreibstoff). 2010 lag der Anteil
der erneuerbaren Energien am Kraftstoffaufkommen bei etwa 5,8% bzw. 35,7 TWh. Hiervon entfielen 26 520 GWh (74,3%) auf Biodiesel, 8 541 GWh (23,9%) auf Bioethanol und
636 GWh (1,8%) auf Pflanzenöl.
BEWERTUNG
Ein Kernelement des deutschen Erfolgs bei der Entwicklung der erneuerbaren Energien
war der stabile Politikrahmen für Investoren in den vergangenen zehn Jahren. Die
wichtigste Komponente dieses Politikrahmens ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG),
das sich seit seiner Verabschiedung im Jahr 2000 als sehr wirksames Instrument zur
Einführung erneuerbarer Energien und insbesondere der Stromerzeugung aus Biomasse,
Windenergie und Photovoltaik erwiesen hat. Die Stromerzeugung aus Biogas, Wind- und
insbesondere Solarenergie hat dank der Förderung durch die EEG-Einspeisevergütung
drastisch zugenommen. Dieses Politikinstrument hat sich auch bei der Kostenreduzierung
als erfolgreich herausgestellt, wie insbesondere die Senkung der Einspeisetarife für PVAnlagen von 0,457 Euro/kWh im Jahr 2004 auf 0,1794 Euro/kWh im Jahr 2012 bei
140
© OECD/IEA, 2013
Zusammen mit der Steigerung der Energieeffizienz steht der umfassende Ausbau der
erneuerbaren Energien im Zentrum des Energiekonzepts bzw. der Energiewende. Mit
der Aufstellung von Langzeitzielen für die Einführung erneuerbarer Energieträger sendet
das Energiekonzept allen beteiligten Akteuren ein starkes Signal und bringt das
Engagement des ganzen Landes zum Ausdruck. Die Umsetzung des Energiekonzepts
wurde im Anschluss an die Entscheidung zum rascheren Ausstieg aus der Kernenergie
nach dem Reaktorunfall in Fukushima Daiichi im Juni 2011 beschleunigt.
8. Erneuerbare Energien
Freiflächenanlagen und von 0,574 Euro/kWh auf 0,2443 Euro/kWh im Jahr 2012 bei
kleinen Aufdachanlagen veranschaulicht, was unter dem von den privaten Haushalten zu
zahlenden Endkundenstrompreis liegt.
Die Netzparität für PV-Anlagen, definiert als der Zustand, bei dem eine kWh genau so
viel oder weniger kostet als der Strom, der beim Netzbetreiber eingekauft wird, ist in
Deutschland für private Haushalte erreicht. Umgekehrt hat die Preissenkung bei den
erneuerbaren Energietechnologien, insbesondere bei der Solarenergie, zur Folge, dass
die Einspeisetarife mit der Entwicklung nicht Schritt halten konnten und relativ viele
Anlagen mit hohem Leistungsvolumen ans Netz angeschlossen wurden. Selbst als in
anderen Ländern, wie beispielsweise in Spanien, mit einer Deckelung der vergütungsfähigen Strommenge aus PV-Anlagen reagiert wurde, hielt das Wachstum der Zubauten
in Deutschland 2011 an.
KOSTEN DES PV-ZUBAUS
Im Jahr 2010 trug die Solarenergie 11,76 GWh (2009: 6,6 GWh) zur Stromversorgung bei
und bezog eine Vergütung von 6 Mrd. Euro (2009: 3,2 Mrd. Euro) bzw. 39% der EEGUmlage. Photovoltaik-Anlagen machten etwa 15% der gesamten EEG-Einspeisevergütung für 2010 aus, ein Betrag, der nur ca. 2,4% des Umsatzvolumens entspricht,
das im betreffenden Jahr mit dem Stromverkauf an die Endverbraucher erzielt wurde.
Ungeachtet des künftigen Verlaufs des PV-Ausbaus wird die den Betreibern von
Solaranlagen in den kommenden Jahren zu zahlende Gesamtvergütung auf sehr hohem
Niveau verharren 32.
Mit der Umsetzung der Einspeisevergütung für PV-Anlagen in ihrer jetzigen Form ist es
trotz der zahlreichen zu diesem Zweck vorgenommenen Novellierungen bisher aber
nicht gelungen, das Zubauvolumen nahe an der Zielvorgabe von etwa 3 GW pro Jahr zu
halten. Der zur Beschleunigung oder Verlangsamung der vom jährlichen Zubau abhängigen Tarifdegression konzipierte „atmende Deckel“ hat noch keine Wirkung gezeigt.
Der Trend zum Zubau von mehr als 7 GW pro Jahr setzte sich fort. Die Installationskosten
von PV-Anlagen sind wahrscheinlich zu niedrig, und die Entwicklung der realen Kosten ist
zu ungewiss und unterliegt zu starken Schwankungen, um über eine Feinsteuerung der
Tarife eine sichere Volumenkontrolle zu ermöglichen.
Der rasche unkontrollierte Zubau von PV-Anlagen ist zu einem großen Politikproblem
geworden und für die Verbraucher mit erheblichen Kosten verbunden. So ist beispielsweise der größte Teil der Erhöhung der EEG-Umlage 2013 auf die Zunahme der Stromerzeugung aus PV-Anlagen im Jahr 2012 zurückzuführen, die 29% des Anstiegs ausmacht.
Dennoch war die Bundesregierung bei der Reduzierung des Unterschieds zwischen den
Anreizniveaus und der Minderung der Kosten bisher erfolgreich, weniger aber bei der
Steuerung der erzeugten Strommengen.
© OECD/IEA, 2013
Zusammen mit einer weiteren, rückwirkend zum 1. Januar 2012 erfolgten drastischen
Absenkung der Einspeisetarife hat die Bundesregierung einige neue Optionen zur
Bewältigung des Problems eingeführt. So können Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auf die Einspeisevergütung verzichten und sich
alternativ für die Direktvermarktung des von ihnen erzeugten Stroms entscheiden – mit
mehreren zusätzlichen Prämien, die ebenfalls über die EEG-Umlage auf die Stromrechnung übergewälzt werden. Die Marktprämie wird auf der Basis der Differenz
32. Monitoringbericht, Bundesnetzagentur, 2012.
141
8. Erneuerbare Energien
zwischen dem Referenzmarktwert für die jeweilige Technologie und der EEG-Abnahmevergütung berechnet. Sie wird durch eine Managementprämie von 0,012 Euro je kWh
ergänzt. Erzeugern von Biogas, die sich für die Direktvermarktung entscheiden, wird
zudem eine Flexibilitätsprämie angeboten.
Hiermit soll erreicht werden, dass die Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien ihre Produktion enger an der Marktnachfrage und ihren
Schwankungen im Zeitverlauf orientieren. Im Fall der Stromerzeugung aus Bioenergie
veranlasst das Marktsystem die Anlagenbetreiber dazu, Strom zu Spitzenzeiten zu
erzeugen, indem sie in Gasspeicher- und möglicherweise größere Stromerzeugungskapazitäten mit niedrigerem Wirkungsgrad investieren. Bei kleinen Solardachanlagen sollte
das Marktsystem Eigentümern von Stromerzeugungkapazitäten Anreize zum Eigenverbrauch des von ihnen erzeugten Stroms in Niedertarifzeiten und zum Verkauf in
Hochtarifzeiten bieten, wodurch jeder Betreiber angehalten wird, beim Lastmanagement
individuelle Anstrengungen zu unternehmen. Bei existierenden Windkraft-Turbinen
scheinen sich die Optionen in Grenzen zu halten: Die Anbieter können den Wert ihres am
Markt verkauften Stroms am besten über eine Verfeinerung der Produktionsvorhersagen
steigern. Bei neuen Windkraftanlagen könnte die Entwicklung Veränderungen für kleinere
Windkraftanlagen mit größerem Kapazitätsfaktor nach sich ziehen, was im Fall einer nicht
beherrschbaren Stromerzeugung ein Vorteil sein könnte. Nach drei Monaten wurden 60%
der erzeugten Windenergie direkt am Markt verkauft, so dass die Betreiber von den zu
großzügig bemessenen Markt- und Managementprämien profitieren konnten, mit geringer
Wertschöpfung auf Systemebene. Indessen haben sich unter den Betreibern von
Photovoltaik- und Biomasse-Anlagen, wenn überhaupt, nur sehr wenige bzw. wenige für
das neue System entschieden. Die Einspeisetarife für Biogas gelten generell als großzügig,
so dass die Prämien, die bei einer Direktvermarktung erzielt werden könnten, im Vergleich
u.U. zu niedrig ausfallen werden.
Zum 1. April 2012 traten in Bezug auf PV-Anlagen weitere wichtige Veränderungen in Kraft,
mit neuen Absenkungen der Vergütungssätze um 20-30%. Die Betreiber von Kleinanlagen
können nur für 90% ihrer Produktion eine Vergütung nach EEG erhalten und müssen den
übrigen Teil selbst verbrauchen oder direkt am Markt verkaufen. Die Vergütungssätze
wurden bis November 2012 weiter um 1% monatlich gekürzt; seit diesem Zeitpunkt hängt
die Höhe der Degression von der im dritten Quartal 2012 installierten Leistung ab.
Es stellt sich dennoch weiter die Frage, ob eine Steuerung der Mengen über eine Vergütung je Kilowattstunde früher oder später wirkungsvoll sein wird. Sollte dies nicht der
Fall sein, könnte eine Deckelung des gesamten neuen finanziellen Engagements (statt der
Stromerzeugungskapazität), das jährlich hinzukommt, eine Möglichkeit sein, die Nutzung
erneuerbarer Energien auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen und Investitionssicherheit
zu gewährleisten. In Bezug auf Großanlagen könnte dieses maximale finanzielle Engagement die Form von Ausschreibungsverfahren für den Zubau neuer Kapazitäten annehmen
und an die Stelle der Einspeisevergütung treten, sofern dieses Verfahren nicht zur
Fixierung auf bestimmte Technologien führt, sondern transparent und gerecht ist.
Die Debatte über die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des ErneuerbareEnergien-Gesetzes (EEG) hat in dem Maß an Bedeutung gewonnen, in dem der Anteil
erneuerbarer Energien parallel zum Anstieg der Strompreise auf der Ebene der Energieversorgungsunternehmen weiter gestiegen ist. Nachdem der Zubau erneuerbarer
Energien, vor allem aber der solaren Strahlungsenergie, in den vergangenen vier Jahren
142
© OECD/IEA, 2013
KOSTENSENKUNG UND POLITIKSTABILITÄT
8. Erneuerbare Energien
unter dem Einfluss der sinkenden Technologiekosten und der im Vergleich zu den
Investitionskosten verhältnismäßig hohen garantierten Einnahmen aus der EEG-Vergütung die Erwartungen bei weitem übertraf, hat der drastische Anstieg der EEG-Umlage
zusammen mit anderen Kostenfaktoren eine öffentliche Debatte über die Kosten der
Fördermechanismen für erneuerbare Energien ausgelöst.
Der Übergang zu einem CO2-armen Energiesektor setzt die Unterstützung der Öffentlichkeit
voraus, was mithin bedeutet, dass die Strompreise auf Endkundenebene erschwinglich
bleiben müssen. Die Tatsache, dass die deutschen Strompreise trotz der relativ niedrigen
Börsenstrompreise mit zu den höchsten in Europa zählen, sollte als Warnsignal betrachtet
werden. Gleichzeitig beruht die Energiepolitik auf langfristigen Investitionsentscheidungen,
und die Rahmenbedingungen für einen Politikkonsens zu Gunsten einer weitreichenden
Einführung erneuerbarer Energien waren in Deutschland nie besser als heute. Vor diesem
Hintergrund sollte die Bundesregierung an ihrer energiepolitischen Position im Hinblick auf
erneuerbare Energien festhalten, die auf einem vorhersehbaren und stabilen Regulierungsrahmen beruht, gleichzeitig aber nach Mitteln und Wegen zur Kostenreduzierung suchen.
Die deutschen energiepolitischen Ziele sind langfristiger Natur, und ihre Erreichung setzt
einen verlässlichen Politik- und Regulierungsrahmen voraus. Plötzliche Veränderungen
können das Vertrauen der Anleger untergraben und dürften die Kosten auf Grund höherer
Risikoprämien langfristig in die Höhe treiben. Rückwirkende Tarifsenkungen jeder Art, selbst
wenn sie nur für einen kurzen Zeitraum angewendet werden, sind zu vermeiden. Was Not
tut, ist eine systematische Reform des Förderumfelds für die Einführung erneuerbarer
Energien. Ein reformierter Politikrahmen des EEG muss die Vorteile des Wettbewerbs
ausschöpfen, Standortwahl und Ausbautempo im Einklang mit dem Infrastrukturbedarf
gewährleisten und für ausreichende Sicherheit für die Investoren sorgen. Ein richtig
konzipiertes und mit dem EU-Recht und anderen Rechtsvorschriften im Einklang stehendes
Ausschreibungsverfahren für größere Anlagen könnte diese Kriterien erfüllen.
Die Kostenauswirkungen des EEG müssen im Kontext der allgemeinen Entwicklungen im
Energiesektor bewertet werden. Der jüngste Strompreisanstieg belastet vor allem Haushalte mit geringem Einkommen, wohingegen Großverbraucher, die Strom an der Strombörse kaufen, von der Umlage abgeschirmt sind, zugleich aber in den Genuss der durch die
erneuerbaren Energien herbeigeführten Senkung der Großhandelstarife kommen. Zudem
erhöht sich die Energiearmut auch durch den starken Anstieg der Kosten für fossile
Brennstoffe. Kosten und Nutzen der erneuerbaren Energien müssen fair und transparent
verteilt werden. Die Sonderregelungen für die Industrie haben in den vergangenen Jahren
zugenommen (darunter die Befreiung von Netzentgelten für energieintensive Branchen)
während die Kosten für Kleinverbraucher drastisch gestiegen sind.
Gleichzeitig müssen die Kosten für den Einsatz erneuerbarer Energien auf eine breitere
Basis verteilt werden. Die Vorteile einer CO2-armen Stromerzeugung reichen bis in andere
Sektoren: Eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes in anderen Bereichen der Wirtschaft, wie
Verkehr und Wärmeerzeugung in privaten Haushalten und in der Industrie, lässt sich häufig
leichter über eine verstärkte Elektrifizierung erreichen, sofern der Strom CO2-neutral erzeugt
wird. Dementsprechend könnten diese betroffenen Sektoren mit in die Kostenteilung für
die Dekarbonisierung des Stromsektors einbezogen werden.
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SYSTEMINTEGRATION
Eine erfolgreiche Energiewende setzt eine grundlegende Neugestaltung des technischen
und ordnungspolitischen Rahmens für den Stromsektor voraus. Die Aufnahmekapazität
143
8. Erneuerbare Energien
des deutschen Systems der Stromerzeugung muss angesichts der projizierten sehr großen
Strommengen insbesondere aus PV- und Windkraftanlagen systematisch erhöht werden.
Verbesserte operationelle Strategien, wie der koordinierte Betrieb der vier Übertragungsnetzbetreiber sowie ein stärkerer Echtzeithandel an den Strommärkten, sind
Schritte in die richtige Richtung. Gleichwohl bleibt die Synchronisierung des Ausbaus der
erneuerbaren Energien mit der Entwicklung anderer Teile des Systems nach wie vor eine
Herausforderung. Eine bessere Koordinierung und Planung des PV-Ausbaus wird
entscheidend sein, um eine kosteneffizientere Planung und Modernisierung der Verteiler- und Übertragungsinfrastruktur zu ermöglichen. Diesem Punkt muss in einem
überarbeiteten Förderprogramm für erneuerbare Energien besser Rechnung getragen
werden. Heute können die Verteilernetzbetreiber auf eine große Zahl an PV-Anlagen nur
reagieren. Im Idealfall sollte das Verteilernetz mit einer klareren Vorstellung der Anzahl
der langfristig am Netz bleibenden PV-Anlagen ausgebaut werden.
Bei einer Analyse der Optionen für eine Steigerung der Flexibilität des deutschen Stromerzeugungssystems muss es möglich sein, alle flexiblen Ressourcen einzubeziehen: Übertragung, nachfrageseitige Reaktion, flexible Stromerzeugung und Speicherung. Gezielte
Forschung ist in diesem Bereich unerlässlich – insbesondere im Hinblick auf die Speicherung.
Auch wenn die Forschung im Bereich der Stromspeichertechnologien bahnbrechende
Fortschritte verspricht, sollte hier daran erinnert werden, dass die Pumpspeicherung derzeit
die einzige erschwingliche und auf breiter Ebene verfügbare Technologie darstellt.
WÄRME- UND KÄLTEERZEUGUNG
Wärme aus erneuerbaren Energien, sei es Geothermie, Solar- oder Bioenergie, ist unerlässlicher Bestandteil eines umfassenden Programms zum Einsatz erneuerbarer Energien. Im
Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energie rechnet die Bundesregierung mit einem
Anteil der erneuerbaren Energien im Wärme-/Kältesektor von 15,5% im Jahr 2020. Im
Mittelpunkt des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes steht der Gebäudebestand, wo
eine stärkere Nutzung erneuerbarer Energien voraussichtlich durch die kommenden
Energie-Einspar-Vorschriften für 2020 gefördert wird. Jedoch scheint der Einsatz effizienter
Wärmepumpen kein wichtiges Element dieser Politik zu sein, obgleich er ein wirksames
Instrument zur Speicherung von Umweltwärme darstellt, die aus erneuerbaren Energien
stammt – sei es Solarenergie oder Geothermie oder beides.
144
© OECD/IEA, 2013
Des Weiteren scheint das Potenzial für die Nutzung von Wärme aus erneuerbaren
Energien im Industrie- und Dienstleistungssektor ausgeklammert zu werden und dürfte
sich nur in Bereichen weiterentwickeln, in denen es seit langem ausgeschöpft wird, wie
Biomasse in der Zellstoff- und Papierindustrie. Industrie und Dienstleistungssektoren sind
Großkunden von Niedertemperaturwärme, einschließlich Niederdruckdampf, der heutzutage aus verschiedenen erneuerbaren Energiequellen erzeugt werden kann, darunter
Solarenergie (selbst in einem Land wie Deutschland, wo die Solarressourcen zumeist diffus
und nicht direkt sind). Die Kosten des Einsatzes von Solarenergie in der Industrie und in
den Dienstleistungssektoren sind geringer als für die Raumheizung, da die Saisonabhängigkeit der Energiezufuhr eine untergeordnete Rolle spielt, wenn die Nachfrage das
ganze Jahr über besteht. Die Bundesregierung sollte die Möglichkeiten sondieren und die
Anreize schaffen, die diesem potenziellen Markt zum Aufleben verhelfen könnten.
8. Erneuerbare Energien
KAPITALKOSTEN
Ein wichtiges Element der Stromgestehungskosten sowie von Energieeinsparungen sind
die Kapitalkosten. Erneuerbare Energien, Stromnetze und Energieeinsparungen sind
kapitalintensive Investitionen mit niedrigen laufenden Kosten und vor allem keinen oder
nur sehr geringen Ausgaben für Energieträger. Daher sind die Kapitalkosten für die
Wettbewerbsfähigkeit von allergrößter Bedeutung. Wie sie es bereits bei den Energiesparmaßnahmen und seit kurzem auch bei Offshore-Windparks praktiziert, sollte die
Bundesregierung auch weiterhin für die Zufuhr von billigem Kapital für den Ausbau der
Stromnetze und erneuerbaren Energien sorgen, und dabei die Ressourcen der KfWBankengruppe, aber möglicherweise auch der Europäischen Investitionsbank nutzen.
Öffentliche Gelder, z.B. aus dem Klima- und Energiefonds, könnten u.U. am besten als
Sicherheiten für Kredite eingesetzt werden, die deutsche und/oder europäische
öffentliche Finanzinstitute von der Europäischen Zentralbank bekommen könnten.
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 den Effekt der EEG-Umlage im Kontext der globalen Entwicklungen im Energiesektor
beurteilen und publik machen und dabei die bedeutende Rolle der erneuerbaren
Energien bei der Erreichung energiepolitischer Ziele in Deutschland berücksichtigen;
 auf eine Begrenzung der Erhöhung der EEG-Umlage hinarbeiten, die für den Zubau
erneuerbarer Energien erhoben wird, bei gleichzeitiger Ausschöpfung aller mit den
rasch sinkenden Kosten einhergehenden Vorteile;
 gewährleisten, dass Kosten und Nutzen der deutschen Energiewende gerecht auf die
verschiedenen Energiesektoren und Interessengruppen verteilt werden;
 die verschiedenen im Rahmen der Direktvermarktung gebotenen Prämien so ausgestalten, dass die Netzbetreiber im Austausch gegen eine angemessene Vergütung
effektive Flexibilität bieten. Der Anteil des von der EEG-Vergütung begünstigten Stroms
aus PV-Anlagen sollte regelmäßig angepasst werden, und die Kontrolle des PV-Ausbaus
sollte sich nicht auf rasche Revisionen des Niveaus der Einspeisetarife beschränken;
© OECD/IEA, 2013
 Politiken konzipieren, um die Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien durch
den Einsatz wirksamer Wärmepumpen sowie Niedertemperaturwärme, einschließlich
Niederdruckdampf, in der Industrie und in den Dienstleistungssektoren zu unterstützen.
145
9. Elektrizität
9. ELEKTRIZITÄT
Eckdaten (2011)
Installierte Leistung: 171,7 GW
Spitzenlastbedarf*: 79,8 GW
Gesamtstromerzeugung: 602,4 TWh, +5,3% seit 2000
Energiemix in der Stromerzeugung: Kohle 45,1%, Kernenergie 17,9%, Erdgas 13,9%, Wind
8,1%, Biokraftstoffe und Abfall 7,3%, Solarenergie 3,7%, Wasserkraft 2,9%, Erdöl 1,1%
* Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
ÜBERBLICK
Deutschland ist mit über 170 GW installierter Leistung der größte Elektrizitätsmarkt in
Europa. Der Markt befindet sich in einer Umbruchphase, da er sich an die 2011 getroffene
Entscheidung anpasst, der zufolge acht der ältesten Kernkraftwerke des Landes vom Netz
genommen wurden und die verbleibenden bis 2022 abgeschaltet werden. Unsicherheit
herrscht auch im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Markteinführung von erneuerbaren
Energien und der mit diesen verbundenen Markteffekte angesichts der ehrgeizigen Ziele
für erneuerbare Energien, die im Energiekonzept vorgesehen sind.
ANGEBOT UND NACHFRAGE
STROMERZEUGUNG
In der Bundesrepublik belief sich die Stromerzeugung im Jahr 2011 auf 602,4 Terawattstunden (TWh), was gegenüber 2010 einem Rückgang um 3,1% entspricht. Seit 2000 hat
die Stromerzeugung mit 0,5% pro Jahr zugenommen, während der wirtschaftlichen
Rezession war allerdings eine gewisse Volatilität zu verzeichnen.
© OECD/IEA, 2013
Kohle ist der wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung in Deutschland, auf sie
entfielen 45,1% (271,9 TWh) des 2011 erzeugten Stroms. Im Vergleich hierzu belief sich
ihr Anteil an der Gesamtstromerzeugung im Jahr 2000 auf 304,2 TWh bzw. 53,1%. Kernenergie trug mit 108 TWh bzw. 17,9% zur Gesamtstromerzeugung bei. Die Nutzung der
Kernenergie erreichte 1997 ihren Höhepunkt, als sie rd. 31% der Stromerzeugung
ausmachte, seitdem ist ihr Anteil jedoch stetig gesunken, insbesondere mit dem starken
Rückgang des Jahres 2011 nach der Stilllegung von acht Anlagen.
Die seit 2000 rückläufige Nutzung von Kernenergie und Kohle für die Stromerzeugung
wurde durch den steigenden Einsatz von Erdgas und erneuerbaren Energien weitgehend
ausgeglichen. In jüngerer Zeit hat sich der Einsatz von Kohle wieder zu erhöhen begonnen,
was durch niedrigere Marktpreise bedingt ist, und Kohle hat auf Kosten von Erdgas einige
Marktanteile zurückgewonnen. Aus Erdgas erzeugter Strom hat seit 2000 um 59,3%
zugenommen und machte 2011 13,9% der Stromerzeugung aus. Aus Windkraft, Solarenergie und Biokraftstoffen erzeugter Strom erfuhr im Vergleich ein wesentlich rascheres
147
9. Elektrizität
Wachstum, da die Nutzung dieser Energieträger für die Energieerzeugung um die
Jahrhundertwende noch unerheblich war. Auf Windenergie entfielen 2011 8,1% der
Gesamtstromerzeugung und Biokraftstoffe sowie Solarenergie stellten 7,3% bzw. 3,7%.
Abbildung 24 Stromerzeugung nach Energiequellen, 1973-2011
700
TWh
Erdöl
Erdgas
600
Kohle
500
Biokraftstoffe
und Abfälle
400
Kernenergie
300
Wasserkraft
Solarenergie
200
Windkraft
100
Geothermie*
0
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
2006
2009
* Unerheblich.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
Abbildung 25 Stromerzeugung nach Energiequellen in IEA-Mitgliedstaaten, 2011
Polen
Australien
Luxemburg
Griechenland
Niederlande
Irland
Japan
Türkei
Italien
Ver. Königreich
Korea
Ver. Staaten
Deutschland
Deutschland
Tschech. Rep.
Dänemark
Portugal
Spanien
Ungarn
Belgien
Finnland
Österreich
Slowak. Rep.
Neuseeland
Kanada
Frankreich
Norwegen
Schweden
Schweiz
10%
20%
Erdöl
30%
Erdgas
40%
Kohle
50%
Kernenergie
60%
Wasserkraft
70%
80%
90%
Sonstige*
* Die Rubrik „Sonstige“ umfasst die Energieerzeugung aus Geothermie, Solarenergie, Windkraft und Umgebungswärme.
Quelle: Energy Balances of OECD Countries, IEA/OECD Paris, 2012, und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
148
100%
© OECD/IEA, 2013
0%
9. Elektrizität
Erneuerbare Energien werden 2030 der wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung
sein: Die Bundesregierung projiziert, dass 58% der gesamten Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energien stammen werden, wobei Windkraft im Jahr 2030 mit 30,6% die
wichtigste Energiequelle sein wird. Aus Windenergie gewonnener Strom dürfte seinen
Anteil in den nächsten 19 Jahren verdreifachen, während sich die Stromproduktion aus
Sonnenenergie verdoppeln wird. Wasserkraft wird um 35,8% wachsen und schließlich
5,2% der Stromerzeugung ausmachen, auch der Einsatz von Biokraftstoffen wird um
39,1% steigen, und auf sie werden 13,3% der Gesamtstromerzeugung entfallen. Die
Nutzung von Erdgas für die Stromerzeugung wird im Zeitraum bis 2030 ebenfalls
zunehmen und sich auf 22,6% der Gesamtstromerzeugung belaufen. Der Anteil der
Kohleverstromung wird voraussichtlich auf weniger als 20% der Gesamtstromerzeugung
zurückgehen, und die Nutzung von Kernenergie wird bis 2022 vollständig auslaufen.
Diese Zahlen stehen mit den „Energieszenarien“ der Bundesregierung im Einklang.
Im Vergleich zu anderen IEA-Mitgliedstaaten liegt in Deutschland der Anteil der fossilen
Energieträger an der Stromerzeugung beim Medianwert, ähnlich wie in den Vereinigten
Staaten und der Tschechischen Republik (Abb. 25). Der Beitrag der erneuerbaren Energien
zur Stromversorgung liegt unter den IEA-Mitgliedern auch beim Medianwert.
STROMVERBRAUCH
Strom wird in Deutschland überwiegend von der Industrie verbraucht, auf die 2011 44,2%
des Verbrauchs entfielen. Der Gesamtverbrauch der Industrie erreichte 2011 mit rd. 260
TWh einen Rekordstand, was mit dem zweiten Jahr der Erholung nach der Rezession 2009
im Zusammenhang steht. Der Anteil des Gewerbes und des Dienstleistungssektors sowie
der privaten Haushalte lag 2011 bei 26,4% bzw. 26,2% des Stromverbrauchs. In beiden
Sektoren ist der Strombedarf in den letzten zehn Jahren gestiegen, wenn auch langsamer
als in der Industrie. Der Stromverbrauch des Verkehrssektors belief sich 2011 auf 3,2%, ein
Prozentsatz, der sich in den letzten dreißig Jahren kaum verändert hat.
Der Gesamtstromverbrauch hat zwischen 2000 und 2011 im Durchschnitt um 0,7% pro Jahr
zugenommen, vor der Rezession war er allerdings mit einer höheren Rate gestiegen. Die
Projektionen der Bundesregierung deuten darauf hin, dass der Stromverbrauch zwischen
2012 und 2030 um 14,7% abnehmen wird. Den Prognosen zufolge werden die Industrie, die
privaten Haushalte und das Gewerbe ihren Strombedarf infolge von Energieeffizienzmaßnahmen reduzieren, während der Verkehrssektor seinen Verbrauch im Zuge der Einführung von Elektrofahrzeugen und Mobilitätsmaßnahmen um nahezu 100% steigern wird.
IMPORTE UND EXPORTE
© OECD/IEA, 2013
Seit 2003 ist Deutschland Nettostromexporteur mit einem Handelsüberschuss von weniger
als 5% der Gesamtstromerzeugung. Die Exporte liegen zwischen 7% und 10% der Stromerzeugung und beliefen sich 2011 insgesamt auf 54,8 TWh. Österreich war 2011 mit 29,3%
das Hauptziel für Stromexporte, gefolgt von der Schweiz und den Niederlanden mit 25,9%
bzw. 17,5%. Der Rest wurde in die anderen Nachbarländer exportiert.
Die Stromimporte beliefen sich 2011 auf 51 TWh, wobei 39,8% aus Frankreich und
weitere 18,4% bzw. 13,5% aus der Tschechischen Republik und Österreich stammten.
Während Deutschland Strom in all seine Nachbarländer exportiert, wird aus Luxemburg
und Belgien kein Strom importiert. Was die Handelsbeziehungen mit bestimmten
Ländern betrifft, ist Deutschland generell ein Nettoexporteur von Strom, und die Exporte
gehen in die Schweiz, nach Österreich, den Niederlanden, Polen und Luxemburg, wohin-
149
9. Elektrizität
gegen die Nettoimporte vor allem aus Frankreich, Dänemark, Schweden und der
Tschechischen Republik kommen (Abb. 26).
In den zehn Jahren bis 2011 sind die Gesamtexporte um 30% gestiegen, während die
Importe ein langsameres Wachstum von 11,4% verzeichneten. Die Exporte in die
Tschechische Republik, nach Polen und nach Österreich erfuhren in diesem Zeitraum das
stärkste Wachstum, und die Importe aus den Niederlanden, Schweden, Frankreich und
Dänemark nahmen erheblich zu. Angesichts der Stilllegung von acht Kernkraftwerken
2011 und des wachsenden Anteils des aus erneuerbaren Energien gewonnenen Stroms
ist zu erwarten, dass Deutschland, sofern in Mitteleuropa keine neuen Investitionen
getätigt werden, höhere Stromimporte verzeichnen wird und Engpässe im Netz das
derzeitige Problem der Ringflüsse (loop flows) für die Nachbarsysteme erheblich
verstärken werden, da Stromflüsse vom Norden Deutschlands durch Polen und die
Tschechische Republik in den stärker industrialisierten Südteil des Landes laufen.
Abbildung 26 Deutschlands Nettoein- und -ausfuhren von Strom, nach Ländern, 1990-2011
GWh
50 000
Frankreich
40 000
Schweden
Nettoimporte
30 000
Tschech. Rep.
20 000
Dänemark
10 000
Luxemburg
0 000
Polen
-10 000
-20 000
Niederlande
-30 000
Schweiz
-40 000
Nettoexporte
-50 000
Österreich
Gesamthandel
-60 000
Quelle: Electricity Information, IEA/OECD Paris, 2012.
INSTITUTIONEN UND RECHTSRAHMEN
In der Bundesrepublik existieren sowohl auf Bundes- als auch Länderebene Regulierungsbehörden. Die Regulierungsbehörde für die Netzindustrien, die Bundesnetzagentur,
wurde 2005 gemäß den EU-Energiebinnenmarktrichtlinien eingerichtet. Die Bundesnetzagentur ist eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMWi
mit Sitz in Bonn. Aufgabe der Bundesnetzagentur ist es, im Elektrizitätssektor durch
Liberalisierung und Deregulierung für die weitere Marktentwicklung zu sorgen.
150
© OECD/IEA, 2013
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) trägt die Hauptverantwortung für die Formulierung und Umsetzung der Energiepolitik, während Maßnahmen zur
Förderung erneuerbarer Energien und Reaktorsicherheit in den Aufgabenbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) fallen.
9. Elektrizität
Dem Bundeskartellamt und den Landeskartellämtern obliegen die Durchsetzung des
Wettbewerbsrechts sowie die Fusionskontrolle für den Elektrizitätssektor nach dem
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Ferner werden Markttransparenzstellen
bei der Bundesnetzagentur und dem Bundeskartellamt eingerichtet.
Gemeinsam mit der Bundesnetzagentur wurden in den einzelnen Bundesländern Landesregulierungsbehörden gegründet. Im Rahmen der Aufgaben, die ihnen gemäß Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zugewiesen sind, obliegt den Landesregulierungsbehörden die
Aufsicht über kleinere Elektrizitäts- oder Gasverteilernetze, an die jeweils weniger als
100 000 Kunden angeschlossen sind und die nicht über das Gebiet eines Bundeslandes
hinausreichen. Bundes- und Landesbehörden wenden dieselben aufsichtsrechtlichen
Gesetze und Verordnungen an und koordinieren ihre allgemeinen Regulierungsentscheidungen in mehreren Zusammenkünften, die über das ganze Jahr hinweg abgehalten werden.
DAS ENERGIEKONZEPT (ENERGIEWENDE)
Im September 2010 verabschiedete die Bundesregierung das Energiekonzept (Energiewende), das eine ausführliche Darstellung der Energiepolitik der Bundesrepublik bis
2050 umfasst. Darin ist eine Reihe von Maßnahmen und Zielsetzungen für die
Entwicklung der erneuerbaren Energien, die Übertragungs- und Verteilungsnetze sowie
die Energieeffizienz festgelegt. Nach dem Reaktorunfall von Fukushima Daiichi im März
2011 wurde die Rolle der Kernkraft bei der Energiewende neu bewertet, und es wurde
die sofortige Abschaltung der sieben ältesten Meiler sowie des Kernkraftwerks Krümmel
beschlossen. Die Entscheidung umfasste auch die Stilllegung der verbleibenden neun
Kernkraftwerke, die bis 2022 schrittweise vom Netz genommen werden. Die Bundesregierung verabschiedete daher am 6. Juni 2011 das Energiepaket, das die im Energiekonzept enthaltenen Maßnahmen ergänzt und ihre Umsetzung beschleunigt.
MARKTGESTALTUNG UND -STRUKTUR
MARKTSTRUKTUR
Die vier großen Energieversorgungsunternehmen E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall
Europe sind zwar nach wie vor wichtige Akteure auf dem deutschen Markt, seine
Struktur hat sich aber mit der vorzeitigen Stilllegung der acht Kernkraftwerke und dem
kontinuierlichen Zubau an Kapazitäten aus erneuerbaren Energien verändert. Zunächst
haben die Stilllegungen der acht Kernkraftwerke die Marktanteile der vier führenden
Erzeugungsunternehmen reduziert, die jedoch noch immer etwa 73% der Erzeugungskapazitäten auf sich vereinen 33. Darüber hinaus sehen die Regulierungsbehörden wegen
der hohen verfügbaren Kuppelkapazität Österreich und Deutschland als einen gemeinsamen Elektrizitätsmarkt an, weshalb der Marktanteil der großen vier Versorger um
etwa ein Zehntel niedriger ist. Zudem stehen die konventionellen Erzeugungskapazitäten
nun mit den großen Mengen an erneuerbaren Energien im Wettbewerb, da der Einspeisevorrang größtenteils vom Marktgeschehen entkoppelt ist.
© OECD/IEA, 2013
Im Endkundenbereich sind die Anteile der großen vier Versorger ebenfalls zurückgegangen,
den Regulierungsbehörden zufolge lag der kumulierte Anteil der großen vier Unternehmen
im Jahr 2011 bei 45%, im Vergleich zu 50% im Jahr 2008. Der Rest des Endkundensektors
setzt sich aus rd. 900 Stadtwerken zusammen, die als Versorger fungieren.
33. Monitoringbericht 2012, Entwicklungen auf den Elektrizitäts- und Gasmärkten in Deutschland, Bundesnetzagentur und
Bundeskartellamt, 2013.
151
9. Elektrizität
ERZEUGUNGSKAPAZITÄT
Zum 31. Dezember 2011 waren 171,7 GW Erzeugungskapazitäten an das Stromversorgungssystem angeschlossen. Dies entspricht einem Anstieg um 14,7 GW bzw. 8,6%
gegenüber dem Vorjahr und einem Anstieg um 53,3 GW bzw. 45% gegenüber dem Jahr
2000. Der Kapazitätsanstieg zwischen 2010 und 2011 ist hauptsächlich auf eine
beträchtliche Erhöhung der Solarenergieleistung zurückzuführen, die sich von 17,3 GW
2010 auf 25 GW 2011 ausgeweitet hat.
Tabelle 17 Bestandskraftwerke in Deutschland mit einer elektrischen Netto-Nennleistung von
mindestens 10 MW (Stand 1.2.2013)
Energieträger (in MW)
Abfall
Biomasse
Erneuerbar
Nicht erneuerbar
Gesamtergebnis
62
1102
1164
5 569
Braunkohle
Deponiegas
18 053
262
Erdgas
Geothermie
5 569
18 053
262
19 253
12
19 253
12
Grubengas
254
254
Kernenergie
12 068
12 068
Klärgas
Laufwasser
Mehrere Energieträger
90
90
3 798
3 798
15 102
15 248
Mineralölprodukte
3 742
3 742
Pumpspeicher
9 229
9 229
Solare Strahlungsenergie
146
32 508
Sonstige Energieträger
Speicherwasser (ohne Pumpspeicher)
32 508
1 147
1 309
Steinkohle
1 147
1 309
20 176
20 176
Windenergie (Offshore-Anlage)
280
280
Windenergie (Onshore-Anlage)
30 016
30 016
Gesamtergebnis
74 052
100 126
174 179
Die Kapazitäten aus erneuerbaren Energien beliefen sich auf 65,7 GW bzw. 38,3% der
Gesamtkapazität. Vor der Entscheidung, aus der Kernenergie auszusteigen, entfielen
20,5 GW (14%) der konventionellen Erzeugungskapazität auf Kernenergie, 11 GW (7,5%)
auf Wasserkraft (einschl. 6,8 GW Pumpspeicher) und 68,8 GW (47%) auf sonstige
Brennstoffe, vor allem auf Kohle. Auf Grund erheblicher Veränderungen der Erzeugungsstruktur bedeutet dieser Anstieg der Kapazitäten aus erneuerbaren Energien, dass nun
mehr Erzeugungskapazitäten an die Verteilungsnetze als an die Übertragungsnetze
angeschlossen sind.
152
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur, Bundesnetzagentur, 2013.
9. Elektrizität
Den Monitoringdaten des Bundeskartellamts zufolge belief sich der Anteil der vier größten
Erzeuger, E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall, am 31. Dezember 2010 (ohne Anlagen, die
nicht nach Erneuerbare-Energien-Gesetz vergütungsfähig sind) auf rd. 77%. Gleichzeitig
verwies das Bundeskartellamt darauf, dass von der Gesamtzahl der sich im Bau befindlichen konventionellen Kraftwerksprojekte 18 Vorhaben, deren Gesamtleistung sich auf
12,3 GW beläuft, eine Mindestleistung von jeweils 100 MW aufweisen.
Zusätzlich zu dem unmittelbaren Verlust von 8,4 GW an Kernkraftwerkskapazitäten, die
im Sinne der Neuregelung des Atomgesetzes stillgelegt wurden, ist eine weitere Verringerung um rd. 6,2 GW der konventionellen Erzeugungskapazität bis Ende 2014 vorgesehen. Es wird erwartet, dass der Bau von rd. 12 GW neuen konventionellen Kraftwerkskapazitäten diesen Kapazitätsverlust bis 2015 ausgleichen wird.
Aus der jüngst von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Kraftwerksliste, in der die
Bestandskraftwerke in Deutschland mit einer elektrischen Netto-Nennleistung von mindestens 10 MW aufgeführt sind, geht hervor, dass sich die Netto-Nennleistung in
der Bundesrepublik zum Stand 1. Februar 2013 auf 174,2 GW beläuft. Hiervon entfallen
74,5 GW auf erneuerbare Energieträger und insgesamt 70,6 GW sind nach EEG vergütungsfähig. Weiterhin sind in der Liste in das deutsche Netz einspeisende Kraftwerksleistungen aus Luxemburg, Frankreich, der Schweiz und Österreich enthalten, die
insgesamt 4,4 GW ausmachen.
Erzeugungsanlagen kleiner 10 MW, die nicht nach dem EEG vergütungsfähig sind,
werden in der Kraftwerksliste nicht aufgeführt. Die bedeutendste Änderung zwischen
Dezember 2011 und Februar 2013 ist die Zunahme der Kapazitäten aus der solaren
Strahlungsenergie, die von 24,8 GW auf 32,5 GW, d.h. um 7,7 GW bzw. 31%, gestiegen
sind. Dies entspricht in diesem Zeitraum 75% des Anstiegs der Erzeugungskapazität.
ÜBERTRAGUNG UND VERTEILUNG
Das deutsche Stromübertragungsnetz ist das wichtigste Transitnetz und Drehscheibe im
kontinentaleuropäischen Strommarkt. Es gibt einen Netzverbund mit anderen europäischen Ländern wie z.B. Schweden, Dänemark, Polen, den Niederlanden, Luxemburg,
Frankreich, der Tschechischen Republik, der Schweiz und Österreich. Die Exporte gehen
in die Niederlande, die Schweiz und nach Österreich, während die Importe hauptsächlich
aus Frankreich, der Tschechischen Republik und Dänemark kommen.
© OECD/IEA, 2013
Es gibt keinen zentralen nationalen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), sondern vier ÜNB,
die früher im Eigentum der vier großen Versorgungsunternehmen standen. Die Eigentümerstruktur hat sich in den letzten Jahren jedoch grundlegend verändert, da die vier
großen Versorgungsunternehmen ihre Übertragungsnetze aus verschiedenen Gründen
veräußert haben. Dazu gehörten der Regulierungsdruck im Anschluss an Initiativen der
Europäischen Kommission und des Bundeskartellamts sowie die Notwendigkeit, die
Unternehmensbilanzen zu stärken, und diese Entwicklung führte zum Verkauf von
Vermögenswerten an unabhängige Aktionäre oder zu einer gesellschaftsrechtlichen
Trennung von der Muttergesellschaft.
Mit einem Stromnetz von etwa 11 000 km Länge und etwa 160 Umspannanlagen betreibt
die Amprion GmbH das größte Übertragungsnetz in Deutschland. Amprion ist eine wichtige
Drehscheibe für den Stromhandel zwischen Nord- und Südeuropa sowie zwischen Ost- und
Westeuropa. Das Unternehmen, das vor 2011 Teil des RWE-Konzerns war, befindet sich
heute zu 74,9% im Eigentum eines Konsortiums, dem vor allem deutsche institutionelle
Finanzinvestoren angehören, während RWE noch einen Anteil von 25,1% hält.
153
9. Elektrizität
Um den im Rahmen einer kartellrechtlichen Untersuchung gegenüber der EU-Kommission
eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, veräußerte E.ON Ende 2009 sein Übertragungsnetz an den niederländischen Netzbetreiber TenneT B.V. Das Übertragungsnetz der
TenneT TSO GmbH ist etwa 10 700 km lang und umfasst 115 Umspannwerke. Das Netz
erstreckt sich über etwa 140 000 km2 und reicht von der dänischen Grenze bis zu den Alpen.
Die TransnetBW GmbH (TransnetBW), eine Konzerngesellschaft der EnBW Energie
Baden-Württemberg AG, betreibt das Übertragungsnetz in Baden-Württemberg, das aus
rd. 3 236 km Hochspannungsleitungen und mehr als 80 Umspannwerken besteht.
Die 50Hertz Transmission GmbH ist für das Übertragungsnetz im Norden und Osten
Deutschlands, d.h. das Gebiet der ehemaligen DDR, zuständig. Das Netz erstreckt sich
über eine Fläche von 110 000 km2, hat eine Gesamtlänge von etwa 9 840 km und
umfasst 75 Umspannanlagen. Im März 2010 übernahmen der belgische Netzbetreiber
Elia System Operator und der australische Investor Industry Fund Manager die von
Vattenfall an 50Hertz Transmission gehaltenen Anteile, und die Transaktion wurde im
Mai 2010 von der Europäischen Kommission genehmigt.
Tabelle 18 Struktur des deutschen Übertragungs- und Verteilungssystems, 2010
ÜNB
VNB
Insgesamt
Zahl der Netzbetreiber
4
869
873
Zahl der Betreiber mit weniger als 100 000 Kunden
4
794
798
34 403
1 716 442
1 750 845
34 268
481
34749
Hochspannung
135
95 019
95 154
Mittelspannung
0
497 044
497 044
Niederspannung
0
1 123 898
1 123 898
146
46 894 531
46 894 677
Handel und Industrie
134
2 503 262
2 503 396
Private Haushalte
12
44 391 269
44 391 281
Länge der Stromkreise (km)
Höchstspannung
Zahl der an die Netze angeschlossenen Endverbraucher
Quelle: BMWi.
2010 gab es in Deutschland insgesamt 869 Verteilernetzbetreiber (VNB). Die regionalen
oder lokalen Verteilernetze werden von einer großen Anzahl vertikal integrierter Versorgungsunternehmen betrieben. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die sowohl im
Geschäftsfeld Stromerzeugung als auch im Bereich Stromversorgung und -verteilung
tätig sind und an denen die vier großen Stromerzeuger häufig Anteile halten. Das Bundeskartellamt hat Beteiligungen der vier großen Netzbetreiber an regionalen Unternehmen in
der Vergangenheit jedoch mit der Begründung unterbunden, dass ein solcher Beteiligungserwerb eine marktbeherrschende Stellung verstärken würde.
Der Netzzugang für die grenzüberschreitende Stromversorgung ist in der Europäischen Union
harmonisiert. Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 enthält Bestimmungen über Netzzugangsentgelte, Engpassmanagement und einen Ausgleichsmechanismus zwischen Übertragungsnetzbetreibern. Durch die Verabschiedung von Verordnung (EG) Nr. 714/2009 im März 2011
wurde die Basis dafür geschaffen, die grenzüberschreitende Stromversorgung und den
154
© OECD/IEA, 2013
GRENZÜBERSCHREITENDER HANDEL UND TRANSIT
9. Elektrizität
Netzzugang im Kontext des EU-Binnenmarkts zu verbessern34. Die neue Verordnung legte
die Grundprinzipien in Bezug auf Tarife und Kapazitätsvergabe fest und errichtete das
Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber – ENTSO (Strom).
RINGFLÜSSE IN MITTELEUROPA
Ringflüsse, also der Transport von Strom von Deutschland durch die Nachbarländer,
verursachen in Mitteleuropa, insbesondere in Polen und in der Tschechischen Republik,
offenbar erhebliche Schwierigkeiten. Diese Ringflüsse entstehen, wenn die Netzinfrastruktur
in Deutschland nicht ausreicht, um den z.B. durch Windenergie erzeugten Strom aufzunehmen und der Strom deshalb über den Umweg der Netze der Nachbarländer in einen
anderen Teil Deutschlands geleitet wird. Solche Ringflüsse nehmen zu, weil Deutschland die
Windstromerzeugung in den nördlichen Bundesländern massiv ausgebaut hat, ohne die
Netzinfrastruktur zu entwickeln, die erforderlich ist, um den erzeugten Strom nach Süden zu
transportieren, auf den ein großer Teil der Nachfrage entfällt. Diese Problematik wurde
durch das Abschalten von acht Kernkraftwerken im Jahr 2011 noch verschärft.
Das Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) hat in seinem Zehnjährigen
Netzentwicklungsplan für Strom dargelegt, dass die wichtigsten Stromflüsse in der Region
Süd-Ost (Continental South East) und in der Region Zentral-Süd (Continental Central South),
darunter die von Norden nach Süden verlaufenden Ringflüsse, zu den Problemen gehören,
die erhebliche Investitionen in Mitteleuropa erforderlich machen.
In der Tschechischen Republik, die insgesamt über die höchste Kuppelkapazität in Mitteleuropa verfügt, werden die Übertragungskapazitäten durch die Ringflüsse, die überwiegend
aus Deutschland stammen und über Polen in die Tschechische Republik fließen, reduziert.
Darüber hinaus wird der Ausbau der Windenergie in Norddeutschland das Übertragungsnetz
des Landes voraussichtlich noch weiter belasten.
Tabelle 19 Nettoübertragungskapazitäten (NTC) zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern,
Winter 2010/2011* (MW)
Nach Deutschland
Aus Deutschland
Österreich
2 000
2 200
Tschechische Republik
2 300
800
Schweiz
3 500
1 500
Frankreich
2 700
3 200
Luxemburg
n.v.
980
Niederlande
3 000
3 850
Dänemark, Westen
1 500
950
585
600
1 100
1 200
Dänemark, Osten
Polen
Schweden
610
600
Insgesamt
17 295
15 880
* Die NTC-Werte stellen eine Ex-ante-Schätzung der saisonalen Übertragungskapazitäten des gesamten Verbundnetzes an der Grenze zwischen
Nachbarländern dar. Die Beurteilung erfolgt durch Sicherheitsanalysen auf der Basis der bestmöglichen Einschätzung der ÜNB in Bezug auf den
System- und Netzzustand für den betreffenden Zeitraum.
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Von ENTSO-E bereitgestellte Daten.
34. Verordnung (EG) Nr. 714/2009 vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel.
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9. Elektrizität
Quelle: Von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
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© OECD/IEA, 2013
Abbildung 27 Regelzonen in Deutschland
9. Elektrizität
© OECD/IEA, 2013
Abbildung 28 Stromnetz in Deutschland
Quelle: Von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
157
9. Elektrizität
Abbildung 29 Deutsche Stromimporte und -exporte, 2011
Quelle: Von ENTSO-E bereitgestellte Daten.
In Polen führen die Ringflüsse des in Norddeutschland erzeugten Windstroms zu erheblichen
Problemen. Zeitweise stehen dem Markt auf Grund beträchtlicher Probleme hinsichtlich der
Sicherheitsmarge, die u.a. auf die erheblichen Ringflüsse aus Deutschland zurückzuführen
sind, keine Übertragungskapazitäten zur Verfügung 35. Im Dezember 2012 beschlossen
50Hertz und der polnische Übertragungsnetzbetreiber PSE-Operator, in einem Pilotprojekt
an der deutsch-polnischen Grenze virtuelle Phasenschieber einzusetzen. Andernorts hat der
belgische ÜNB Elia vier Phasenschiebertransformatoren installiert, um die grenzüberschreitenden Stromflüsse aus Deutschland zu verteilen und zu steuern. Und in den Niederlanden hat TenneT Phasenschiebertransformatoren an der Grenze zu Belgien eingerichtet,
um die Ringflüsse zu reduzieren und die Transitflüsse aus Norddeutschland zu steuern.
GROSSHANDELSMARKT
Deutschland verfügt über einen leistungsfähigen Energy-only-Strommarkt, und es gibt
keinen einheitlichen bundesweit zuständigen Marktbetreiber. Stattdessen können die
Marktteilnehmer an der European Energy Exchange oder der European Power Exchange
Strom kaufen und verkaufen.
35. Energy Policies of IEA Countries, Poland 2011 Review, IEA, 2011.
158
© OECD/IEA, 2013
Die European Energy Exchange (EEX) mit Sitz in Leipzig ging 2002 aus der Fusion der
beiden in Frankfurt und Leipzig ansässigen Strombörsen hervor und ist der größte Stromgroßhandelsmarkt in Deutschland (und Österreich). Die EEX betreibt Handelsplattformen
für Strom, Erdgas, CO2-Emissionsrechte und Kohle. Sie hat einen Spotmarkt, einen
Derivatemarkt und einen Over-the-Counter-(OTC-) Markt für Elektrizität.
9. Elektrizität
Abbildung 30 Konvergenz der Preise an den europäischen Spotmärkten, Region Zentralwesteuropa,
2005-2011
75
Euro/MWh
Nieder lande
Frankreich
70
Österreich
65
Deutschla nd
60
Belg ien
55
50
45
40
35
30
200 5
200 6
200 7
200 8
200 9
201 0
201 1
Anmerkung: Für Belgien liegen keine Daten für die Zeit vor 2007 vor.
Quelle: Annual Report on the Results of Monitoring the Internal Electricity and Natural Gas Markets in 2011, ACER/CEER, 2012.
Die EEX und die französische Energiebörse Powernext betreiben gemeinsam die EPEX Spot,
den Spotmarkt (Day-Ahead- und Intraday-Handel) für Frankreich, Deutschland, Österreich
und die Schweiz. An der EPEX SPOT finden Day-Ahead-Auktionen für drei Marktgebiete
statt: Deutschland/Österreich, Frankreich und Schweiz. Die EPEX SPOT bietet zudem einen
Intraday-Markt für Deutschland und Frankreich. 2012 wurden auf den EPEX-Spotmärkten
339 TWh gehandelt, womit das Handelsvolumen im Vergleich zum vorangegangenen
Rekordjahr (314 TWh) um 8% gestiegen ist.
Ein Großteil der seit Anfang 2010 verzeichneten Expansion der Handelsvolumen auf dem
Day-Ahead-Markt erklärt sich daraus, dass die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) gemäß
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und der Ausgleichsmechanismusverordnung
(AusglMechV) gesetzlich verpflichtet sind, Strom aus erneuerbaren Energien an der
Spotbörse zu vermarkten. Zugleich wurden von den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Quellen aber auch zunehmend neue Instrumente der Direktvermarktung genutzt,
die im Januar 2012 eingeführt wurden. In beiden Fällen hat sich der Spotmarkt als ein
geeignetes Instrument für die Vermarktung dieser Energieformen erwiesen 36.
Marktkopplung in Zentralwesteuropa
© OECD/IEA, 2013
2006 lancierte die Europäische Kommission gemeinsam mit den europäischen Energieregulierungsbehörden die Regionalinitiativen Erdgas und Elektrizität. Ziel der europäischen
Regionalinitiative Elektrizität ist die Beschleunigung der Integration der nationalen Strommärkte in Europa. Die Marktkopplung ist ein grundlegender Bestandteil dieses Prozesses,
wohinter insgesamt die Absicht steht, bis Ende 2014 ein Zielmodell für den Intraday-Handel
an allen europäischen Grenzen umzusetzen. Eine entscheidende Aufgabe der Marktkopplung
36. Handelsvolumina an der europäischen Strombörse EPEX SPOT erreichen 2012 neues Rekordhoch, Pressemitteilung der
European Power Exchange vom 8. Januar 2013.
159
9. Elektrizität
besteht darin, die verfügbaren grenzüberschreitenden Kapazitäten effizienter zu nutzen und
eine stärkere Preisharmonisierung auf den teilnehmenden Märkten herbeizuführen.
Kasten 8 Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zum Stromgroßhandel
Im März 2009 hat das Bundeskartellamt eine Sektoruntersuchung „Stromerzeugung und
Stromgroßhandel“ eingeleitet. Zweck der Untersuchung war es, die Wettbewerbssituation und
den Preisbildungsmechanismus auf den deutschen Stromerzeugungs- und Stromgroßhandelsmärkten in den Jahren 2007 und 2008 zu beurteilen. Die Sektoruntersuchung wurde
eingeleitet, weil trotz zahlreicher Beschwerden über die Strompreisentwicklung und der für
missbräuchliches Verhalten anfälligen Marktstruktur keine für die Einleitung konkreter Missbrauchsverfahren hinreichenden Anhaltspunkte für missbräuchliches Verhalten einzelner
Unternehmen vorlagen. Es ließen sich zwar keine Beweise für die Behauptung finden, dass
Erzeugungskapazitäten systematisch in wesentlichem Umfang zurückgehalten wurden, die
Analyse ergab jedoch, dass für die Unternehmen Anreize und Möglichkeiten bestehen, durch
Kapazitätszurückhaltungen erheblichen Einfluss auf die Preisbildung zu nehmen.
Im Rahmen der umfangreichen Ermittlungen wurden für die Jahre 2007 und 2008 von achtzig
Unternehmen umfassende Informationen für alle Kraftwerksblöcke mit einer Stromerzeugungskapazität von mehr als 25 MW erhoben. Insgesamt wurden für 2007 und 2008 jeweils
340 Kraftwerksblöcke analysiert, in denen 2007 etwa 93,6% der gesamten Strommenge
erzeugt wurden bzw. 92,9% im Jahr 2008.
Die Untersuchung ergab, dass die Wettbewerbssituation auf dem Markt für den erstmaligen
Absatz von Strom nach wie vor unbefriedigend ist. Auch wenn in jüngerer Zeit E.ON Kapazitäten und Stadtwerksbeteiligungen in nicht unerheblichem Umfang abgegeben hat, liegen
nach wie vor gut 80% des Erstabsatzmarkts in den Händen von nur vier Markteilnehmern. Zwar
ließ sich keine signifikante Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten nachweisen, doch zeigte
sich, dass die Marktstruktur Spielraum und Anreiz eröffnet, durch nicht gerechtfertigte
Kapazitätszurückhaltungen auf die Preisbildung Einfluss zu nehmen.

Es sollte zügig eine Markttransparenzstelle eingerichtet werden, um das Vertrauen der
Verbraucher in die Funktionsfähigkeit der Energiemärkte wiederherzustellen bzw. zu
stärken.

Die bisweilen langwierigen Genehmigungsverfahren zur Errichtung von konventionellen
Kraftwerken sollten beschleunigt werden, um neuen Wettbewerbern den Zutritt zu den
Stromerzeugungsmärkten zu erleichtern.

Eine Freistellung bestimmter Stromerzeugungsunternehmen wie z.B. Stadtwerke vom
Vergaberecht könnte öffentlichen Auftraggebern, insbesondere den Stadtwerken, ein
Tätigwerden auf diesen Märkten erleichtern und die gegenüber den großen Stromerzeugungsunternehmen resultierenden strukturellen Nachteile verringern.

Die Herausbildung eines funktionierenden Markts für Reserveverträge würde kleineren
Stromerzeugern ein besseres Agieren im Wettbewerb ermöglichen.

Auf Grund der zunehmenden Bedeutung von EEG-Strom an der Gesamtstromerzeugung
sollte die Marktintegration von EEG-Strom zügig vorangetrieben werden. Im Mittelpunkt
der Marktintegration sollte dabei die bedarfsgerechte Erzeugung von EEG-Strom stehen
sowie eine Vermarktung, die sich an den Marktmechanismen orientiert.
Quelle: Sektoruntersuchung Stromerzeugung/Stromgroßhandel, Bundeskartellamt, 2011.
160
© OECD/IEA, 2013
Trotz dieser uneindeutigen Ergebnisse machte das Bundeskartellamt eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung der Marktsituation, die sich folgendermaßen zusammenfassen
lassen:
9. Elektrizität
Die Marktkopplung beruht auf impliziten Auktionen, bei denen die Marktteilnehmer keine
grenzüberschreitenden Kapazitäten zugeteilt bekommen, sondern an den jeweiligen
Strombörsen Gebote für Energie abgeben. Den Kaufgeboten in einem Land stehen
Verkaufsgebote in einem anderen Land gegenüber, wo der Preis niedriger sein kann. Die
Kauf-/Verkaufsgebote auf den verschiedenen Märkten werden gepoolt und dann nach
finanziellen Kriterien zusammengeführt.
Folglich kann billigere in einem Land erzeugte Energie zur Deckung einer hohen Nachfrage
in einem anderen Land eingesetzt werden. Wenn es keine grenzüberschreitenden
Kapazitätsengpässe gibt, wird der Marktkopplungsmechanismus zur Entstehung eines
einheitlichen Preises auf allen Märkten führen 37. Der Marktkopplungsmechanismus leistet
somit einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Liquidität der Energiemärkte, und die
Möglichkeiten zur Beschaffung der erforderlichen Übertragungskapazitäten für den
grenzüberschreitenden Handel verbessern sich deutlich.
Im November 2010 wurden die Strommärkte der Region Zentralwesteuropa, d.h. von
Deutschland, Frankreich, Österreich und den Beneluxländern, gekoppelt. Dadurch wurde
eine optimale Nutzung grenzüberschreitender Kapazitäten erleichtert und die Preiskonvergenz gefördert.
Die Konvergenz der Großhandelspreise kann als guter Indikator für die Marktintegration
betrachtet werden: Im Zeitraum 2005-2011 war eine deutliche Konvergenz der niederländischen, belgischen, französischen und deutschen Spotpreise zu beobachten (vgl. Abb. 30).
2011 bestand an der holländisch-deutschen Grenze während 87% der Zeit völlige Preiskonvergenz, und an den anderen Grenzen war die Preiskonvergenz während 63-71% der Zeit
gewährleistet – außer an der Grenze Belgien-Frankreich, wo sogar während 95% der Zeit
Preiskonvergenz bestand. 2012 war zudem während 64% der Zeit eine Preiskonvergenz
zwischen den deutschen und französischen EPEX-Märkten festzustellen.
Darüber hinaus ist die Region Zentralwesteuropa über Grenzkuppelstellen zwischen
Deutschland und Dänemark sowie Deutschland und Schweden mit dem nordischen Markt
verbunden. Die Marktkopplung in Nordwesteuropa (NWE) zwischen der nordischen Region,
dem Vereinigten Königreich und der Region Zentralwesteuropa ist für Ende 2013 geplant.
VERFÜGBARKEIT AUSREICHENDER STROMERZEUGUNGSKAPAZITÄTEN („GENERATION
ADEQUACY“) IN DEUTSCHLAND
KONTEXT
© OECD/IEA, 2013
Durch die plötzliche Stilllegung von 8,4 GW Kernkraftwerkskapazitäten im Jahr 2011 hat
sich Deutschlands Stromerzeugungskapazität auf ungefähr 174,4 GW verringert. Daraus
ergibt sich eine zuverlässig verfügbare Stromerzeugungskapazität, die recht genau der
Spitzenlast des Systems entspricht, von der angenommen wird, dass sie bei ungefähr
83 GW angesiedelt ist. Bis 2022 werden weitere 12 GW Kernkraftwerkskapazitäten vom
Netz gehen, wobei bis dahin im gleichen Umfang neue fossile Kraftwerkskapazitäten
gebaut werden dürften. Unter dieser Voraussetzung dürfte das System während der
kommenden zehn Jahre relativ sicher bleiben. Dies wird jedoch wahrscheinlich nicht der
Fall sein, da zahlreiche andere Variablen ebenfalls zu berücksichtigen sind, z.B. die
Nachfrageentwicklung während dieses Zeitraums, der Zeitpunkt der Kapazitätszubauten,
37. Day-Ahead Market Coupling Ensuring Better Market Liquidity, Elia, 2010.
161
9. Elektrizität
Größe und Standort der Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energien sowie
das Tempo der Investitionen in den Netzausbau.
Außerdem kamen von der Bundesnetzagentur in Auftrag gegebene Studien zu dem
Schluss, dass lokale Probleme im Hinblick auf die Netzzuverlässigkeit mit Leitungsengpässen und Spannungsabweichungen in Nord- und Süddeutschland festzustellen sind.
Dies ist großenteils das Resultat des Ausstiegs aus der Kernenergie, durch den zunehmend regulierende Eingriffe nötig werden, z.B. ein Redispatching von Kraftwerken und
eine Begrenzung der Einspeisung von erneuerbaren Energien. Solche administrativen
Eingriffe hielten sich bislang in Grenzen, das Toleranzniveau im Hinblick auf die
Zuverlässigkeit des Systems im Fall unerwarteter Störungen (Ausfall eines Kraftwerks oder
einer Leitung, Prognosefehler) hat sich jedoch verringert. Der Bericht weist darauf hin, dass
es sich lohnen dürfte, wenigstens eines der stillgelegten Kraftwerke für den
Phasenschieberbetrieb in Reserve zu halten 38. Der Bericht rät ferner, dass die ÜNB rasch
Reservekapazitäten kontrahieren und dass die Planfeststellungen für die Leitungsbauprojekte in Bälde durchgeführt werden sollten.
Infolgedessen haben die Übertragungsnetzbetreiber 2 GW Reserveleistung sowie den
Kernkraftwerksblock Biblis A für den Phasenschieberbetrieb kontrahiert, um die Netzstabilität zu sichern. Die Bundesnetzagentur hat auch mit einer kontinuierlichen Beobachtung der Entwicklungen der Stromerzeugungskapazitäten begonnen und empfohlen,
dass bestimmte Übertragungsleitungen dringend in Betrieb genommen werden sollten.
Als ergänzende Maßnahme stimmte der Bundestag im November 2012 einer Änderung
des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zu, die neue Bestimmungen für
Offshore-Windparks und insbesondere einen Offshore-Netzentwicklungsplan und ein
Haftungssystem für Offshore-Anlagen vorsieht. Die Gesetzesnovelle befugt die Bundesnetzagentur, Betreiber von Anlagen zur Erzeugung oder Speicherung elektrischer Energie
mit einer Nennleistung von 10 MW zu verpflichten, vorläufige und endgültige Stilllegungen ihrer Anlage oder von Teilkapazitäten ihrer Anlage dem systemverantwortlichen Betreiber des Übertragungsnetzes und der Bundesnetzagentur mindestens zwölf
Monate vorher anzuzeigen. Vorläufige und endgültige Stilllegungen ohne vorherige
Anzeige und vor Ablauf der Zwölfmonatsfrist sind verboten.
Derzeit wird an einer Reservekraftwerksverordnung gearbeitet, in der zur Konkretisierung der EnWG-Novelle neue Regeln in Bezug auf die Kontrahierung von Kapazitäten
durch die Übertragungsnetzbetreiber als kurzfristige Maßnahme zur Sicherung der Netzzuverlässigkeit festgelegt werden; diese Verordnung wird voraussichtlich Mitte 2013 in
Kraft treten.
KAPAZITÄTSSITUATION
38. Bericht zu den Auswirkungen des Kernkraftausstiegs auf die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit zugleich Bericht
zur Notwendigkeit eines Reservekernkraftwerks im Sinne der Neuregelungen des Atomgesetzes, Bundesnetzagentur, 2011.
162
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesnetzagentur informiert monatlich aktualisiert über die Kapazitätssituation in
Deutschland. Im Februar 2013 belief sich die installierte Leistung der regelbaren konventionellen Kraftwerke (Kern-, Gas-, Kohle- und Ölkraftwerke) auf ungefähr 100 GW. Weitere
0,5 GW können im Notfall durch Importe aus Österreich und der Schweiz beschafft werden.
Die installierte Leistung der Stromerzeugungsanlagen aus erneuerbaren Energien beläuft sich
auf etwa 74,6 GW, davon 10,9 GW regelbare Kapazitäten (Biomasse, Abfallvergasung,
Laufwasserkraftwerke und Wasserspeicher) und 30 GW Onshore-Windkraftkapazitäten.
9. Elektrizität
Unter der Annahme, dass mit der gesamten installierten Onshore-Windkraftkapazität 2% des
Spitzenlastbedarfs in Deutschland gedeckt werden können, stehen weitere 0,5 GW
Erzeugungskapazitäten in Spitzenlastzeiten zur Verfügung.
Die Bundesnetzagentur rechnet damit, dass die konventionellen Kraftwerkskapazitäten
bis 2015 um 5 GW expandieren werden (1 GW Gaskraftwerks- und 4 GW Kohlekraftwerkskapazitäten). Die noch verbleibenden Kernkraftwerkskapazitäten im Umfang von 13 GW
werden zwischen 2015 und 2022 nach und nach vom Netz gehen: 1,4 GW im Jahr 2015,
1,4 GW im Jahr 2017, 1,5 GW im Jahr 2019, 4,3 GW im Jahr 2021 und 4,3 GW im Jahr 2022.
Die Kapazitätsmarge beläuft sich gegenwärtig auf 10 GW bzw. 12% des Spitzenlastbedarfs39.
Tabelle 20 Verfügbare Kapazitäten und Reservemargen in Deutschland, 2013-2015
Alle Zahlenangaben in GW
Heute
2015
Spitzenlastbedarf
83
84,079
Verfügbare konventionelle regelbare Kapazitäten
100
98,6
Verfügbare Importkapazitäten
0,5
0,5
Verfügbare Onshore-Windkraftkapazitäten bei Spitzenlast
0,5
0,5
8
8
Wegen Wartungsarbeiten usw. nicht verfügbare Kapazitäten
Nettokapazitätsexpansion
Reservemarge in GW
Reservemarge
6,4
10
13,921
12%
17%
Quelle: Bundesnetzagentur.
Dem Stromnachfrageprognosemodell der IEA zufolge ist während der Referenzperiode
mit einem jährlichen Nachfragewachstum von 0,42% zu rechnen. Unter der Annahme,
dass sich dies direkt in einem höheren Spitzenlastbedarf niederschlägt, ergibt das Modell
für das Jahr 2015 eine Spitzenlastnachfrage von 84 GW mit einer Kapazitätsmarge von
13 GW bzw. 17% (andere Parameter können sich ändern).
Tabelle 21 Verfügbare Kapazitäten und Reservemarge in Deutschland, 2022
Alle Zahlenangaben in GW
2022
Spitzenlastbedarf
85,49
Verfügbare konventionelle regelbare Kapazitäten
87
Verfügbare Importkapazitäten
0,5
Verfügbare Onshore-Windkraftkapazitäten bei Spitzenlast
0,5
Wegen Wartungsarbeiten usw. nicht verfügbare Kapazitäten
8
Nettokapazitätsexpansion
0
Reservemarge in GW
-5,49
Reservemarge
-6%
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Bundesnetzagentur.
39. Regelbare inländische Kapazitäten zuzüglich regelbare Importkapazitäten zuzüglich des Beitrags der Onshore-Windkraftkapazitäten abzüglich Spitzenlast abzüglich von in Spitzenlastzeiten nicht verfügbaren regelbaren Stromerzeugungskapazitäten.
163
9. Elektrizität
Die Entwicklungen in der Zeit nach 2015 lassen sich schwerer vorhersagen, es kann jedoch
von bestimmten Annahmen ausgegangen werden: Das Wachstum des Spitzenlastbedarfs
wird weiter den jüngsten Trends entsprechen; der Ausstieg aus der Kernenergie wird
erwartungsgemäß fortgesetzt; mit einem Wachstum der Onshore-Windkraftkapazitäten ist
nicht zu rechnen; die Importe bei Spitzenlast werden unverändert bleiben; die regelbaren
Kraftwerkskapazitäten werden weder zu- noch abnehmen. Die voraussichtliche Situation
im Jahr 2022 unter diesen Annahmen ist in Tabelle 21 zusammengefasst.
Unter diesen Bedingungen könnte es in Deutschland in Spitzenlastzeiten zu Versorgungsengpässen kommen. Der Markt hat bislang stets für Investitionen in neue Stromerzeugungskapazitäten auf dem Energy-Only-Market gesorgt. Unter der Annahme, dass sich
diese Investitionen fortsetzen, sind zwischen 2015 und 2022 zusätzliche Erzeugungskapazitäten im Umfang von 6 GW erforderlich, um eine Reservemarge von 10% zu sichern.
Nicht berücksichtigt in diesen Zahlen sind etwaige Entwicklungen im Bereich des nachfrageseitigen Lastmanagements (demand response), die zu einer Verringerung des Bedarfs
an Investitionen in neue Kapazitäten führen könnten, z.B. Energieeffizienzsteigerungen,
Umorganisationen von Wartungszyklen, weitergehende regionale Kooperationen zur
gemeinsamen Nutzung von Spitzenlastkraftwerken oder Verbesserungen des Windkraftangebots in Spitzenlastzeiten.
BRAUCHT DEUTSCHLAND EINEN KAPAZITÄTSMARKT?
Lastmanagement wird von Versorgungsunternehmen und Übertragungsnetzbetreibern auf
vielen Elektrizitätsmärkten als Instrument zur Zuverlässigkeitsverbesserung, zur Erhöhung
der Wirtschaftlichkeit sowie zunehmend auch zur Integration größerer Mengen an
erneuerbaren Energien in ihre Systeme eingesetzt. Die im Allgemeinen genutzten
Mechanismen lassen sich in drei große Kategorien einteilen: Kapazitätsmärkte, preisreagible
Märkte (mit zeitlich variablen Tarifen) und Systemdienstleistungsmärkte. Die derzeitige
Debatte in Deutschland konzentriert sich hauptsächlich auf die Rolle der Kapazitätsmärkte.
Angesichts der eingeleiteten Energiewende vertreten in Deutschland einige Akteure die
Ansicht, dass das derzeitige Energy-Only-Marktmodell möglicherweise nicht mehr
ausreicht, um die Systemsicherheit zu gewährleisten. Die Bundesnetzagentur hat in der
Tat darauf hingewiesen, dass der kontinuierliche Ausbau der Stromerzeugung aus
fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen wohl zu einer zunehmenden Verringerung
der Laufzeit flexibler, konventioneller Kraftwerke führen wird 40.
Der deutsche Elektrizitätsmarkt befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Wandels, da die
Menge an erneuerbarer Energie wächst, während gleichzeitig umfangreiche Kernkraftwerkskapazitäten vom Netz genommen werden. Konventionelle Kraftwerke sind weiterhin notwendig, um einen Ausgleich für die schwankende Einspeisung der erneuerbaren Energien zu
schaffen, die Laufzeiten der konventionellen Kraftwerke dürften jedoch abnehmen, so dass
diese wohl gezwungen sein werden, entweder höhere Erträge mit geringeren Laufzeiten zu
erzielen oder den Betrieb einzustellen.
40. Monitoringbericht 2011 – Monitoringbericht gemäß § 63 Abs. 4 EnWG i.V.m. § 35 EnWG, Bundesnetzagentur, 2012.
164
© OECD/IEA, 2013
In den kommenden zehn Jahren werden in Deutschland ungefähr 12 GW Kernkraftwerkskapazitäten vom Netz gehen, und für weitere 10 GW existierende Kraftwerkskapazitäten besteht eine akute Gefahr, dass sie stillgelegt werden. Zudem müssen u.U.
bis 2022 ungefähr 17 GW neue Kraftwerkskapazitäten und bis 2030 mindestens weitere
9. Elektrizität
10 GW gebaut werden, um den geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien zu
ergänzen, damit eine ausreichende Stromerzeugungskapazität gesichert ist.
In diesem Kontext wird in Deutschland darüber diskutiert, ob die Marktregelungen auch in
Zukunft für ausreichende Signale für Investitionen in konventionelle Kraftwerke sorgen
können. Dies hat eine Debatte über die mögliche Einführung sogenannter Kapazitätsmärkte ausgelöst – eine Frage, der insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft
und Technologie im Rahmen des BMWi-Kraftwerksforums weiter nachgeht.
Kapazitätsmärkte sind andernorts üblich – so gibt es in Nordamerika z.B. den PJM-Markt –,
und in anderen Ländern, allen voran Frankreich, werden sie in näherer Zukunft wahrscheinlich eingeführt werden 41. Auch im Vereinigten Königreich wird intensiv über dieses
Thema diskutiert. Kapazitätsmärkte schaffen zusätzliche Anreize dafür, dass in Phasen, in
denen die Situation im System angespannt ist, was häufig in Spitzenlastzeiten der Fall ist,
Kapazitäten bereitgestellt werden. Die Vergütung der Kapazitätsanbieter erfolgt nach
Megawatt pro Jahr für die bereitgestellten Kapazitäten bzw. im Fall eines Lastmanagements
(demand response) für die ermöglichte Lastreduktion.
Viele Marktteilnehmer haben darauf hingewiesen, dass der deutsche Strommarkt ein
Beispiel für einen der besser funktionierenden Märkte in Kontinentaleuropa ist: Es
handelt sich um einen liquiden Großhandelsmarkt mit vielen aktiven Stromhändlern, und
er ist über Grenzkuppelstellen mit neun anderen Ländern gut in die europäischen
Märkte integriert. Energy-Only-Märkte (z.B. in Australien und den Niederlanden) haben
bislang im Allgemeinen gut funktioniert, und die Stromerzeugungsunternehmen haben
weiter stark in neue Kapazitäten investiert, wenn dies nötig war.
Ein zunehmend wichtiges Element der „generation adequacy“ in Deutschland ist die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass flexible Ressourcen als Ergänzung zur dargebotsabhängigen Wind- und Sonnenenergieerzeugung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus
muss gewährleistet werden, dass ausreichende Kapazitäten verfügbar sind, um die
Nachfrage in Phasen zu decken, in denen das System einer besonders hohen Belastung
ausgesetzt ist, wie dies im Februar 2012 der Fall war 42.
Die Meinungen der Marktakteure in Bezug auf die nächsten Schritte divergieren. Einige
sind der Ansicht, der Energy-Only-Markt solle beibehalten, aber gestärkt werden; andere
sprechen sich für die Aktivierung von Lastmanagement-Mechanismen und eine Verbesserung der Gestaltung der für erneuerbare Energien vorgesehenen Systeme zur
Erleichterung ihrer Marktintegration aus; wieder andere befürworten die Entwicklung
und Integration einer Vielzahl von Kapazitätsmechanismen in den Markt.
© OECD/IEA, 2013
Statkraft, ein norwegisches Versorgungsunternehmen, das auf dem deutschen Markt tätig
ist, vertritt die Ansicht, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nötig sei, in den
deutschen Großhandelsmarkt für Strom einzugreifen und Kapazitätsmärkte einzuführen oder
Investitionen durch direkte Subventionen zu fördern. Dem Unternehmen zufolge sind
Energy-Only-Märkte am besten geeignet, die richtigen Preissignale zu geben sowohl für
einen optimalen Kraftwerkseinsatz als auch für die Anwerbung von Investitionen in den
richtigen Technologiemix, was auch Nachfrageflexibilität beinhaltet. Weitere Verbesserun-
41. PJM Interconnections ist ein regionaler Übertragungsnetzbetreiber, der den Transport von Großhandelsstrom auf dem
gesamten Gebiet bzw. in Teilen von Delaware, Illinois, Indiana, Kentucky, Maryland, Michigan, New Jersey, North Carolina,
Ohio, Pennsylvania, Tennessee, Virginia und West Virginia sowie im District of Columbia koordiniert.
42. Consultation Paper on Generation Adequacy, Capacity Mechanisms and the Internal Market in Electricity, Europäische
Kommission, November 2012.
165
9. Elektrizität
gen der Funktionsweise des Elektrizitätsmarkts ließen sich auf längere Sicht durch eine
Umgestaltung der existierenden Regelungen in Richtung eines marktorientierten Systems für
die Förderung der erneuerbaren Energien erzielen (um ein marktorientiertes Dispatching
und eine Verringerung der Stromerzeugung in Phasen mit Überangebot und Sicherheitsproblemen zu gestatten). Durch die Einführung von „intelligenten“ Stromzählern (Smart
Meters), die in Echtzeit Informationen über die Stromkosten liefern, könnten Anpassungen
auf der Nachfrageseite zusätzlich gefördert werden 43.
Auch eine vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Auftrag
gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass der Energy-Only-Markt funktioniert und
dass ein tiefer Regulierungseingriff derzeit nicht notwendig ist. Die Studie weist auch auf
Elemente des Energy-Only-Markts hin, die Einfluss auf dessen künftige Widerstandsfähigkeit haben und deshalb weiterentwickelt werden sollten 44.
Die BDEW-Studie weist aber auch darauf hin, dass der Anstieg des Anteils der erneuerbaren
Energien und die Integration des EU-Binnenmarkts zur Folge haben, dass derzeit eine
Umbruchsituation besteht. Dies führe zu vorübergehend geringeren Preisen und folglich zu
Zurückhaltung bei Investitionen in konventionelle Kraftwerkskapazitäten. Es wäre daher u.U.
sinnvoll, die Versorgungssicherheit durch einen geeigneten Mechanismus abzusichern, der
nicht zu Verzerrungen der Funktionsweise des Strommarkts oder einer Erhöhung des
Regulierungsrisikos führt; ein solcher Mechanismus wäre beispielsweise die Einführung einer
strategischen Reserve. Um Investitionszurückhaltung zu vermeiden, benötigen potenzielle
Investoren einen Ordnungsrahmen, innerhalb dessen sie agieren können. Nötig sei ein
politisches Bekenntnis zum Energy-Only-Markt, das durch eine als Absicherung dienende
strategische Reserve mit festgeschriebenen Einsatzpreisen ergänzt wird.
Das Öko-Institut spricht sich indessen für einen deutschen Kapazitätsmarkt aus, der im
Rahmen des integrierten Strommarktes in Kontinentaleuropa umgesetzt werden sollte 45. Es
wird eine koordinierte Initiative von Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden,
Luxemburg und Österreich vorgeschlagen. Dieser Ansatz wird allerdings dadurch erschwert,
dass einige dieser Länder in ihren Diskussion über bzw. bei der Einführung von Kapazitätsmärkten schon weiter sind, was die Harmonisierung schwierig macht. Auch wenn Kapazitätsmechanismen angesichts wachsenden Handlungsdrucks zunächst in einzelnen Ländern
isoliert eingeführt werden können, sollten sie doch flexibel genug sein, um zu einem
späteren Zeitpunkt eine Einbindung in ein integriertes Modell zu gestatten.
Eine ältere Studie, die von RWE in Auftrag gegeben wurde, kommt zu dem Schluss, dass die
gegenwärtige ebenso wie die zuvor prognostizierte Situation in Bezug auf die Reservekapazitäten in Deutschland nicht kritisch sei. Daran werde wohl auch der beschleunigte
Ausstieg aus der Kernenergie nach dem Reaktorunfall von Fukushima nichts ändern. Im Falle
einer weniger günstigen Entwicklung müsste Deutschland in Extremsituationen allerdings
u.U. in größerem Umfang auf Importe zurückgreifen 46. Es könnte auch alternative Politikmaßnahmen geben, die gleichermaßen dazu beitragen könnten, einige der Bedenken zu
43. Statkraft Position on Capacity Markets for the German Power Market, Statkraft, 2012.
45. Fokussierte Kapazitätsmärkte: Ein neues Marktdesign für den Übergang zu einem neuen Energiesystem, Studie für die
Umweltstiftung WWF Deutschland, Öko-Institut, Oktober 2012.
46. Practical considerations of capacity mechanisms – German situation and international experience, A Frontier Economics
report prepared for RWE, Frontier Economics, Juli 2011.
166
© OECD/IEA, 2013
44. Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen – Endbericht, Ecofys, beauftragt durch Bundesverband der Energie- und
Wasserwirtschaft (BDEW), September 2012.
9. Elektrizität
zerstreuen, die in der Diskussion um die Einführung von Kapazitätsmärkten zum Ausdruck
kommen: ein verlässliches und vorhersehbares Politikumfeld, die Förderung eines nachfrageseitigen Lastmanagements, die Erleichterung des Marktzutritts und die Schaffung von
Standortanreizen sowie die Verbesserung der Energie- und Regelenergiemärkte.
ZUGANG ZU ÜBERTRAGUNGS- UND VERTEILERNETZEN
NETZZUGANG
Die Netzbetreiber sind verpflichtet, Dritten diskriminierungsfreien Zugang zu ihrer
Infrastruktur zu gewähren. Der Zugang kann nur verweigert werden, wenn die Gewährung
des Netzzugangs aus betriebsbedingten, kapazitätsbedingten, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Mit der am 4. August 2011 in Kraft
getretenen Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) wurden die Erfordernisse für den
diskriminierungsfreien Netzzugang und somit für den Wettbewerb auf den Strom- und
Gasmärkten verschärft.
ÜBERTRAGUNGSNETZENTGELTE
In der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) ist festgelegt, wie Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) die Entgelte für Übertragungsleistungen zu berechnen haben. Anstatt
bestimmte Tarife vorzugeben, hat die Bundesnetzagentur einen Anreizmechanismus für
Netzbetreiber entwickelt, mit dem sie zu Effizienzsteigerungen angehalten werden sollen.
Zu diesem Zweck wurde die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) verabschiedet. Nach
Maßgabe dieses Instruments hängen die Preise oder Erlöse eines Übertragungs- oder
Verteilernetzbetreibers nicht allein von seiner Kostenbasis ab (wie es unter dem vorherigen
Regulierungsrahmen der Fall war), sondern es gelten höhere Erlösobergrenzen für
effizientere Unternehmen.
Damit die Bundesnetzagentur ermitteln kann, welche ÜNB effizienter sind als andere, muss
jeder Netzbetreiber der Regulierungsbehörde detaillierte Informationen zu seiner Kostenbasis und zu verschiedenen Parametern, mit denen bestimmte Kosten begründet werden
können, bereitstellen. Nach Prüfung dieser Kosten mittels statistischer BenchmarkingMethoden bestimmt die Bundesnetzagentur, welche Betreiber vergleichsweise effizient sind
und welche nicht. Basierend auf – unter anderem – den geprüften Kosten und der relativen
Effizienz der einzelnen ÜNB legt die Bundesnetzagentur die Obergrenze für die jährlichen
Gesamterlöse fest, die der Netzbetreiber über die Entgelte für seine Übertragungsleistungen
während einer definierten Regulierungsperiode vereinnahmen darf.
VERTEILERNETZZUGANG UND -ENTGELTE
© OECD/IEA, 2013
Im Allgemeinen gelten für die 869 Verteilernetzbetreiber (VNB) die gleichen Zugangsund Entgeltgrundsätze wie für die Übertragungsnetzbetreiber. Es bestehen jedoch
Unterschiede hinsichtlich der Art und Weise, wie Investitionen oder Netzausbaumaßnahmen im Kontext der Entgeltregulierung berücksichtigt werden. Darüber hinaus
werden bei VNB mit weniger als 100 000 Kunden die Netzentgelte von der Landesregulierungsbehörde des Bundeslandes, in dem der Netzbetreiber tätig ist, festgesetzt.
Verschiedene Bundesländer haben diese Zuständigkeit auf die Bundesnetzagentur
übertragen.
167
9. Elektrizität
NETZENTWICKLUNG UND -AUSBAU
Im August 2011 traten das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG)
und das Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften in Kraft. Ziel des
NABEG ist es, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für überregionale Übertragungsleitungen zu rationalisieren, indem sie unter bestimmten Bedingungen von der
Bundesnetzagentur durchgeführt werden können. Damit wird sichergestellt, dass die
Genehmigungsverfahren durch eine einzige Stelle und nach einheitlichen Regeln durchgeführt werden. Zentraler Bestandteil der Neuregelung ist die frühzeitige und umfassende
Beteiligung der Öffentlichkeit am Planungsprozess. Zudem wurden die Rahmenbedingungen
für den Bau von grenzüberschreitenden Stromkabeln und für den Einsatz von Erdkabeln auf
der 110-Kilovolt-Ebene optimiert. Die Netzanbindung von Offshore-Parks wurde erleichtert,
indem statt der Einzelanbindung eine effiziente Sammelanbindung von Windparks
ermöglicht wird (Clusteranbindung). Künftig können Gemeinden, durch deren Gebiet
Stromtrassen verlaufen, mit den Netzbetreibern im Rahmen der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) einen finanziellen Ausgleich vereinbaren. Das NABEG und die
Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes dürften bedeutende Verbesserungen bei der
Beteiligung der Öffentlichkeit sowie größere Planungssicherheit für Investoren auf allen
Verfahrensebenen des Netzausbaus bewirken. Am 19. Dezember 2012 hat das
Bundeskabinett den Entwurf des „Bundesbedarfsplangesetzes“ beschlossen.
ZEHNJÄHRIGE NETZENTWICKLUNGSPLÄNE
Das Energiewirtschaftsgesetz sieht die Erstellung bindender und koordinierter zehnjähriger Netzentwicklungspläne durch die Übertragungsnetzbetreiber (sowie die
Fernleitungsnetzbetreiber im Gassektor) vor. Diese Netzentwicklungspläne bestimmen
den Umfang des erforderlichen Netzausbaus und bilden die Grundlage für umfassende
Konsultationen mit den vom Bau der Übertragungsleitungen Betroffenen.
Der NEP 2012 verdeutlicht den offenkundigen Ausbau- und Optimierungsbedarf des
Übertragungsnetzes, insbesondere derjenigen Trassen, die Strom von Nord- nach
Süddeutschland transportieren sollen. Die ÜNB schlagen den Bau neuer GleichstromÜbertragungsleitungen vor, da diese ihrer Ansicht nach am besten geeignet sind, um
Strom über weite Strecken zu transportieren. Diese Leitungen werden die bestehenden
380-Kilovolt-Drehstromleitungen ergänzen, die ebenfalls ausgebaut und optimiert werden
müssen. Den Schätzungen der ÜNB zufolge belaufen sich die Kosten für den Ausbau des
Übertragungsnetzes in den nächsten zehn Jahren auf rd. 20 Mrd. Euro. Im November 2012
genehmigte die Bundesnetzagentur 51 der 74 von den ÜNB vorgeschlagenen Projekte,
darunter Verstärkungsmaßnahmen an bestehenden Trassen auf rd. 2 900 km Länge sowie
Neubautrassen von 2 800 km Länge. Im März 2013 legten die vier ÜNB der Bundesnetzagentur die ersten Entwürfe für den Netzentwicklungsplan Strom 2013 (NEP 2013)
und den ersten Offshore-Netzentwicklungsplan (O-NEP 2013) vor. Dieses Maßnahmenpaket enthält Pläne zur Steuerung von Ringflüssen mit Nachbarländern.
168
© OECD/IEA, 2013
Dementsprechend legten die vier ÜNB im Mai 2012 den ersten nationalen zehnjährigen
Netzentwicklungsplan, den Netzentwicklungsplan Strom 2012 (NEP 2012), vor. Der Plan
enthielt die nach Ansicht der Übertragungsnetzbetreiber in den nächsten zehn Jahren
erforderlichen Maßnahmen zur Modernisierung und Verbesserung sowie zum Ausbau der
Stromnetze. Bis 10. Juli 2012 bestand für die Öffentlichkeit Gelegenheit, zu diesem Plan
Stellung zu nehmen. In der Folge wurde von der Bundesnetzagentur eine öffentliche
Konsultation zum NEP 2012 durchgeführt.
9. Elektrizität
Nach der Anpassung der nationalen Gesetzgebung an das Dritte EU-Binnenmarktpaket
sind die ÜNB verpflichtet, Lizenzen bei der Bundesnetzagentur zu beantragen
(Zertifizierung). Um zertifiziert zu werden, müssen die ÜNB nachweisen, dass sie den
Netzbetrieb rechtlich, organisatorisch und personell unabhängig von Energievertrieb und
-erzeugung führen. Damit werden die strukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen,
dass die Netze eine neutrale Plattform für den Wettbewerb im Energiemarkt bilden.
Zudem müssen die ÜNB nachweisen, dass sie über ausreichende Finanzmittel verfügen.
In der ersten Zertifizierungsrunde wurde einer der vier ÜNB von der Bundesnetzagentur
nicht zertifiziert. Der Regulierungsbehörde zufolge wurde TenneT TSO GmbH nicht zertifiziert, da das Unternehmen nicht in der Lage war, die notwendigen Nachweise über
den Besitz der erforderlichen finanziellen Mittel zur Erfüllung seiner gesetzlichen
Netzbetriebs- und -ausbaupflichten zu erbringen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass
TenneT TSO GmbH sein Übertragungsnetz künftig nicht mehr selbst betreiben darf. Falls
TenneT seine Geschäftstätigkeit fortführen kann, wird es möglicherweise weitere
Verfahren durchlaufen müssen; die Zertifizierung an sich ist keine Betriebsgenehmigung.
Wenn ein Unternehmen sein Netz ohne Erteilung der Zertifizierung betreibt, stellt dies
eine Ordnungswidrigkeit dar, die in einem separaten Verfahren festzustellen ist 47.
Zehn-Jahres-Netzentwicklungsplan von ENTSO-E 48
Das am 3. März 2011 in Kraft getretene Dritte Gesetzespaket für den Binnenmarkt für Strom
(Drittes Binnenmarktpaket) umfasst eine Reihe von Anforderungen an die europäische
Stromindustrie im Hinblick auf die regionale Kooperation zur Förderung der Entwicklung der
Strominfrastruktur sowohl innerhalb als auch zwischen EU-Mitgliedstaaten und befasst sich
zudem mit dem grenzüberschreitenden Stromaustausch zwischen den Mitgliedstaaten.
Zentraler Bestandteil des Dritten Binnenmarktpakets ist der Auftrag an das Europäische Netz
der Übertragungsnetzbetreiber (European Network of Transmission System Operators for
Electricity – ENTSO-E), alle zwei Jahre einen nicht verbindlichen Zehn-Jahres-Netzentwicklungsplan (Ten-Year Network Development Plan – TYNDP) zu erstellen und zu veröffentlichen. Die wichtigsten Zielsetzungen des TYNDP bestehen darin,

Investitionslücken, insbesondere in Bezug auf grenzüberschreitende Kapazitäten,
aufzuzeigen;

zu einem ausreichenden Maß an grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen sowie
zur Nichtdiskriminierung, zum wirksamen Wettbewerb und zum effizienten Funktionieren des Marktes beizutragen;

größere Transparenz im Hinblick auf das gesamte gemeinschaftsweite Stromübertragungsnetz sicherzustellen.
© OECD/IEA, 2013
Im Juli 2012 veröffentlichte ENTSO-E sein erstes TYNDP-Paket (TYNDP 2012) und legte es der
Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Agency for the
Cooperation of Energy Regulators – ACER) zur Stellungnahme vor. Das TYNDP-Paket 2012
umfasst acht Dokumente und veranschlagt einen Investitionsbedarf in Höhe von 104 Mrd.
Euro für die Sanierung und den Bau von rd. 52 300 km Höchstspannungsleitungen in
100 Investitionsprojekten europaweit. Etwa 80% der identifizierten 100 Engpässe stehen
im Zusammenhang mit der direkten oder indirekten Integration von erneuerbaren Energien
47. Bundesnetzagentur trifft erste Zertifizierungsentscheidungen, Pressemitteilung der Bundesnetzagentur, November 2012.
48. Ten-Year Network Development Plan 2012, European Network of Transmission System Operators for Electricity, Juli 2012 (aktualisiert im September 2012).
169
9. Elektrizität
(EE) wie Wind- oder Solarenergie. Ein typisches Beispiel stellen die Nord-Süd-Korridore in
Deutschland dar. Der massive Ausbau der EE ist der Hauptgrund für umfangreichere und
volatilere Stromflüsse über weitere Entfernungen in ganz Europa.
Bei der Szenarienanalyse, die dem TYNDP 2012 zu Grunde liegt, wurde neben dem Atomausstieg in Deutschland auch der erste nationale zehnjährige Netzentwicklungsplan berücksichtigt, der von den deutschen Übertragungsnetzbetreibern Amprion GmbH, 50Hertz
Transmission GmbH, Tennet TSO GmbH und Transnet BW GmbH erstellt wurde. Von den für
den Prognosezeitraum veranschlagten 104 Mrd. Euro an Investitionsbedarf dürften dem
TYNDP 2012 zufolge mehr als 25% oder 30,1 Mrd. Euro auf Deutschland entfallen.
AUSBAU DER VERTEILERNETZE
Auf Grund der hohen Strommengen aus regenerativen Stromerzeugungsanlagen, die an das
Stromverteilernetz angeschlossen werden, übersteigt die an das Verteilernetz angeschlossene Erzeugung mittlerweile die an das Übertragungsnetz angeschlossene. Der Ausbau
der erneuerbaren Energien und die zunehmend dezentrale Stromerzeugung sind zu einer
wachsenden Herausforderung nicht nur für die Übertragungsnetze, sondern auch für die
Verteilernetze, an denen die meisten dieser Anlagen angeschlossen sind, geworden. Um dem
Ausbau der erneuerbaren Energien Rechnung zu tragen, wurden bereits erhebliche
Investitionen in das Verteilernetz getätigt. Dies wird auch in den kommenden Jahrzehnten
erforderlich sein, damit die Bundesrepublik Deutschland ihre Ziele erreichen kann. In vielen
Regionen übersteigt die vom Netzbetreiber nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
abgenommene Einspeisemenge häufig die lokale Nachfrage.
Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) stellte Schätzungen zum erforderlichen
Investitionsumfang sowohl im Hinblick auf die Kosten als auch auf den Ausbaubedarf der
Infrastruktur auf 49. Den Schätzungen der Studie zufolge sind in den deutschen Stromverteilernetzen bis zum Jahr 2030 der Neubau von 135 000-193 000 km und die Umrüstung von
rd. 21 000-25 000 km Leitungen erforderlich. Die Studie schätzt die für diesen Netzausbau
erforderlichen Investitionsausgaben auf 27,5 Mrd. Euro bis 42,5 Mrd. Euro. Da die
Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien ins Verteilernetz weiter zunimmt, wird die
gegenwärtige Kapazität der Verteilernetze künftig nicht mehr ausreichen, um den Stromtransport von den erneuerbaren Energiequellen zu den Stromverbrauchern zu bewältigen.
Darüber hinaus besteht der Studie zufolge weiterer Forschungsbedarf, wie sich regenerative
Stromerzeugungsanlagen künftig verstärkt an der Bereitstellung von Systemdienstleistungen
beteiligen können. Ferner weist die Studie darauf hin, dass Bedarf an neuen Betriebsführungskonzepten in den Stromnetzen, die auf der Basis einer stärkeren Zusammenarbeit
zwischen ÜNB und VNB die Aufrechterhaltung der Systemstabilität und -sicherheit ermöglichen, sowie an verstärkter Kooperation zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern
besteht.
INTEGRATION VERTEILTER UND VARIABLER STROMERZEUGUNG AUS ERNEUERBAREN
ENERGIEN
49. Ausbau- und Innovationsbedarf der Stromverteilnetze in Deutschland bis 2030, Deutsche Energie-Agentur, 2012.
170
© OECD/IEA, 2013
Der gegenwärtige Regulierungsrahmen bietet günstige Voraussetzungen für den Anschluss
von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Trotz gewisser Hürden
wurde in Deutschland im Verlauf der vergangenen zehn Jahre sehr erfolgreich eine
9. Elektrizität
Vielzahl von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ohne größere
Probleme angeschlossen; das Marktdesign weist verschiedene Merkmale auf, die günstig
für die Integration erneuerbarer Energien sind, wie etwa die relativ kurzen Gate-ClosureZeiten und der Einspeisevorrang.
Der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vergütete Strom muss von den ÜNB am
Spotmarkt einer Strombörse verkauft werden. Dabei wird die gemäß Vortagesprognose
vorhergesagte Einspeiseleistung des EEG-Stroms preisunabhängig am Day-Ahead-Markt
angeboten. Bei Abweichungen, die sich aus den untertägigen Prognosen ergeben, sind
weitere Mengen am Intraday-Markt zu verkaufen bzw. zu erwerben. EEG-Strom wirkt sich
somit auf die Preissetzung an der Börse und folglich auf den Verlauf der sogenannten Merit
Order aus. Eine unelastische Nachfrage unterstellt, wird konventionelle Erzeugung im
Umfang der EEG-Erzeugung aus der Merit Order verdrängt.
Da die EEG-Vergütungssätze immer über dem Börsenpreis liegen, fallen für den EEG-Strom
gegenüber dem konventionell erzeugten Strom Mehrkosten an. Die von den Energieverbrauchern zu entrichtende EEG-Umlage wird jeweils im Voraus für das Folgejahr festgelegt.
Die Höhe der Umlage bestimmt sich aus der erwarteten Differenz zwischen den Vermarktungserlösen einerseits und den Vergütungen, prognostizierten Kosten und zusätzlich
anfallenden Transaktionskosten andererseits. Am Jahresende festgestellte Differenzen
zwischen der Höhe der Umlage und den im Jahresverlauf tatsächlich angefallenen Kosten
werden auf das Folgejahr übertragen. Die EEG-Umlage für das Jahr 2013 beträgt 0,05277
Euro pro kWh, verglichen mit 0,0353 Euro pro kWh für 2011, 0,0205 Euro pro kWh für 2010
und 0,012 Euro pro kWh in den Jahren 2008 und 2009.
Der Verkauf fast aller EEG-Strommengen (fluktuierende und konstante Einspeisung) an der
Strombörse seit 2010 hat eine Liquiditätsverbesserung an den Spotmärkten (Day-Aheadund Intraday-Märkte) bewirkt. Ein Trend lässt sich sowohl am Termin- als auch am
Spotmarkt beobachten: Die Preisvolatilität oder Schwankungsbreite der Preise hat sich im
Vergleich zu den letzten Jahren deutlich verringert. Insbesondere die umfangreichen
neuen Kapazitäten zur Erzeugung von Solarenergie haben dazu geführt, dass die Differenz
zwischen Peak- und Off-Peak-Preisen stark zurückgegangen ist. An Schwachlasttagen mit
hohen Solarstromeinspeisungen kann die Relation daher negativ sein.
Zudem kam es im Jahr 2009 in vereinzelten Extremsituationen auf Grund von hohen
Windenergieeinspeisungen und niedriger Residuallast zu stark negativen Preisen an den
Strombörsen. Vergleichbare Ereignisse blieben 2010 und 2011 weitgehend aus, da die
Marktakteure flexibel reagierten und Flexibilitätspotenziale nutzen konnten. Es wird davon
ausgegangen, dass das im System vorhandene Flexibilitätspotenzial (einschließlich Lastgradienten konventioneller Kraftwerke, bedarfsorientierter Direktvermarktung geeigneter
EE-Stromerzeugungsanlagen, Beseitigung von Engpässen in den Stromnetzen sowie Einsatz
von Stromspeicheranlagen und schaltbaren Lasten) in der Lage sein wird, einige Jahre lang
bis 2020 den rapiden Zubau von Kapazitäten, insbesondere von Anlagen mit fluktuierender
EE-Stromerzeugung, auszugleichen 50. Wie dies angesichts des sinkenden Anteils konventioneller thermischer Kraftwerke auch in der Folgezeit gewährleistet werden kann (auch im
Hinblick auf die erforderlichen Systemdienstleistungen), wird derzeit intensiv diskutiert.
© OECD/IEA, 2013
Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2011 (EEG 2012) enthielt
als wichtige Neuerung die Einführung einer optionalen Marktprämie ab Anfang 2012, mit
der die Marktintegration durch eine bedarfsorientiertere Einspeisung von Strom aus
50. Der Lastgradient gibt an, wie stark die Leistung eines Kraftwerks verändert werden kann.
171
9. Elektrizität
erneuerbaren Energien vorangetrieben werden soll. Anlagenbetreiber können auf
Monatsbasis entscheiden, ob sie weiter die garantierte Einspeisevergütung in Anspruch
nehmen oder den erzeugten EEG-Strom stattdessen direkt am Markt verkaufen wollen
(über Vertriebsverträge oder an der Strombörse). Im letzteren Fall erhalten sie neben
dem Vermarktungserlös eine Marktprämie, mit der die Differenz zwischen der jeweiligen
EEG-Einspeisevergütung und dem durchschnittlichen monatlichen Preis an der Strombörse ausgeglichen wird (sowie eine Managementprämie, die den Transaktionskosten
der Direktvermarktung und Prognoseabweichungen Rechnung trägt; ferner gibt es eine
auf den Biogassektor begrenzte Flexibilitätsprämie). Für den Erzeuger ergibt sich dabei
u.U. ein Anreiz, seine Erlöse durch eine am Marktbedarf ausgerichtete Vermarktung des
Stroms zu optimieren und die Leistung von Wind- und Solarstromanlagen in Phasen
überschüssiger Stromerzeugung herunterzuregeln, um negative Preise zu vermeiden.
INTELLIGENTE STROMNETZE (SMART GRIDS)
Ein wichtiger Bestandteil der Energiewende ist das Konzept der intelligenten Stromnetze
(Smart Grids). Für den Ausbau und die Systemintegration erneuerbarer Energien sind
intelligente Stromverteilernetze von zentraler Bedeutung. In Deutschland liegt der Fokus
darauf, nach und nach die Voraussetzungen für den marktgetriebenen Aufbau dieser
Netze zu schaffen, flankiert durch die Entwicklung und Anwendung neuer Speichertechnologien, um die fluktuierende Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien zu
verstetigen. Die Novelle des Energiewirtschaftgesetzes (EnWG) stärkte die Grundlagen
für intelligente Netze und Speicher. Letztere sind ein wesentlicher Baustein bei der
Integration der fluktuierenden erneuerbaren Energien. Neue Speicher sind deshalb von
den ansonsten anfallenden Netzentgelten befreit.
172

Das Projekt E-DeMa erforscht Möglichkeiten der intelligenten Verbrauchssteuerung
einschließlich einer zeitnahen Verbrauchsdatenerfassung und -bereitstellung an die
Verbraucher.

In Cuxhaven wurde im Rahmen des eTelligence-Projekts ein Regelsystem zur
Ausbalancierung fluktuierender Windenergie und zur Integration des Stroms in die
lokalen Netze und den regionalen Markt erprobt.

Im Rahmen des Forschungsprojekts MeRegio testen 1 000 Stromkunden in Freiamt und
Göppingen (Baden-Württemberg) Lösungen für ein intelligentes Haus (Smart Home).

Für MoMa (Modellstadt Mannheim) wurden 200 Haushalte mit neuen Steuerungsgeräten ausgestattet, die sie dabei unterstützen, durch gezielte Steuerung ihres
Energieverbrauchs von zeitvariablen Energiepreisen zu profitieren.

Im Harz befasst sich das Projekt RegModHarz mit Möglichkeiten, die lokale Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu bündeln und diese Energie auf verschiedenen Märkten zu verkaufen.

Das Projekt Smart Watts ist ein unbundlingkonformes Informations- und Steuerungsmodell für Energiesysteme, bei dem den Marktakteuren zeitnah Angebots- und
Nachfragedaten zur Verfügung gestellt werden.
© OECD/IEA, 2013
Mit Unterstützung der Bundesregierung werden gegenwärtig in sechs Modellregionen in
Deutschland intelligente Netze getestet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie fördert das Programm mit 40 Mio. Euro, das Bundesumweltministerium
steuert 20 Mio. Euro bei, und die an den Modellprojekten beteiligten Unternehmen
tragen weitere 80 Mio. Euro. Es handelt sich dabei um folgende sechs Projekte:
9. Elektrizität
NACHFRAGESEITIGE MASSNAHMEN
Es gibt eine begrenzte Anzahl von Programmen zur nachfrageseitigen Laststeuerung in
Deutschland. Hauptmechanismus ist ein indirekter Anreiz zur Vermeidung von Spitzenlastzeiten und zur Reduzierung des Spitzenverbrauchs über die Netzentgeltsystematik.
Am Markt wird daher ein breites Spektrum an Energiedienstleistungen (wie z.B. Energiemanagementberatung) angeboten.
Für Standardlastprofil-Kunden steht eine Kombination von Hoch- und Niedertarifen zur
Verfügung. In einigen Fällen gibt es Feldversuche, in denen mehr Tarifzeitzonen oder
eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahr zu einem Pauschalsatz angeboten werden. Für
Energieverbraucher mit einem Verbrauch von mehr als 30 000 kWh (Industriekunden
und Gruppen aus mehreren Verbrauchern) erfolgt die Abrechnung auf Jahres- oder
Monatsbasis in Abhängigkeit von der Verbrauchsspitze und dem jeweiligen jährlichen
oder monatlichen Gesamtverbrauch; es stehen verschiedene Modelle zur Verfügung, die
innerhalb eines einzigen Tages unterschiedliche Tarife zulassen.
KRAFT-WÄRME-KOPPLUNG
In der Zeit von 2002 bis 2010 erhöhte sich der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
an der Nettostromerzeugung um 1,5% auf nunmehr fast 16%. Die Bundesregierung hat
sich zum Ziel gesetzt, den KWK-Anteil bis zum Jahr 2020 auf 25% zu erhöhen.
Im Jahr 2002 wurden gesetzliche Bestimmungen eingeführt, um die bestehenden KWKAnlagen zu schützen und zu modernisieren sowie Anreize für den Bau kleinerer KWKAnlagen (bis 50 kW) zu schaffen (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz). Nach Maßgabe dieses
Gesetzes erhalten KWK-Betreiber je nach Alter, Größe und Effizienz der Anlage Zahlungen für
jede Kilowattstunde Strom, die sie in das Netz einspeisen. Das Gesetz wurde 2008 novelliert,
um die Förderung auf große neue Kraftwerke auszuweiten, die KWK für industrielle Prozesse
oder Fernwärme nutzen, sofern sie bis 2016 in Betrieb gegangen sind.
Im Juli 2006 wurden die gesetzlichen Bestimmungen zur Besteuerung des Brennstoffeinsatzes in der Stromerzeugung dahingehend geändert, dass für Erdgas, das zur Stromerzeugung in ortsfesten KWK-Anlagen mit einem Monats- oder Jahresnutzungsgrad von
mindestens 70% eingesetzt wird, eine Steuerentlastung gewährt wird. Die Abschaffung der
Erdgassteuer für Kondensationskraftwerke erhöht die Attraktivität der erdgasbefeuerten
KWK-Erzeugung mit ihren relativ niedrigen Emissionen.
Mit dem Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-WärmeKopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, KWKG) wurden zusätzliche Anreize in Form von
gesetzlichen Zuschlägen auf Strom aus KWK-Anlagen, gestaffelt nach Größenkategorien,
geschaffen. Nach Maßgabe dieses Gesetzes haben die Netzbetreiber KWK-Anlagen vorrangig
an ihr Netz anzuschließen und den in diesen Anlagen erzeugten KWK-Strom abzunehmen.
Außerdem werden nach der KWKG-Novelle des Jahres 2008 Investitionen in Wärmenetze,
die zu einem stärkeren KWK-Einsatz beitragen, mit einem einmaligen staatlichen Investitionszuschuss in Höhe von höchstens 20% der ansatzfähigen Kosten gefördert.
© OECD/IEA, 2013
STROMVERSORGUNGSSICHERHEIT
Gemäß §13 Abs. 1 EnWG sind die vier ÜNB berechtigt und verpflichtet, Gefährdungen oder
Störungen des Elektrizitätsversorgungssystems durch netzbezogene und marktbezogene
Maßnahmen zu beseitigen. Soweit sie für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitäts-
173
9. Elektrizität
versorgung in ihrem Netz verantwortlich sind, sind die Verteilernetzbetreiber gemäß
§14 Abs. 1 EnWG ebenfalls berechtigt und verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu
ergreifen 51. Dies ist für das Funktionieren der Strommärkte von großer Bedeutung. Bei den
marktbezogenen Maßnahmen in Deutschland handelt es sich um bilaterale Verträge mit
bestimmten Kraftwerken, die einen dämpfenden Effekt auf die Strompreise haben und die
Anreize für Investitionen verringern. Eine eindeutige Definition der Zuverlässigkeitskriterien
und der Störung des Elektrizitätsversorgungssystems ist unerlässlich.
Die Bundesnetzagentur hat drei Berichte über die Auswirkungen des Kernkraftausstiegs auf
die Übertragungsnetze und die Versorgungssicherheit erstellt. Im Allgemeinen haben diese
Berichte gezeigt, dass die gegenwärtige Netzsituation zwar beherrschbar ist, jedoch
zunehmend häufiger Eingriffe der Netzbetreiber in das Marktgeschehen erforderlich macht.
Dennoch ist der Netzbetrieb im Stromsektor nach wie vor stabil und sicher. Im Fall einer
Gefährdung oder Störung des Elektrizitätsversorgungsnetzes sind die Übertragungsnetzbetreiber berechtigt und verpflichtet, die damit zusammenhängenden Probleme durch
netzbezogene und marktbezogene Maßnahmen zu beseitigen.
Netzbezogene Maßnahmen, insbesondere Netzschaltungen, wurden im Jahr 2010 (vor
dem Kernkraftwerks-Moratorium) an jedem Tag des Jahres ergriffen. Marktbezogene
Maßnahmen, insbesondere Maßnahmen des Engpassmanagements, wurden im selben
Jahr an 129 Tagen durchgeführt. Darüber hinaus haben die ÜNB an 157 Tagen des Jahres
Handelsgeschäfte getätigt, um Gefährdungen oder Störungen im Netz zu beheben.
Zukünftig kann ein anhaltend hohes Niveau der Versorgungssicherheit mit Elektrizität
nur durch massive Investitionen auf allen Spannungsebenen des Stromnetzes in
Verbindung mit neuen Stromerzeugungskapazitäten gewährleistet werden.
Durch das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) von 2009 soll die Realisierung der
erforderlichen Ausbaumaßnahmen deutlich erleichtert werden. Das Gesetz benennt
unmittelbar 24 Projekte, die vorrangig zu realisieren sind. Zwei dieser Projekte wurden
bislang fertig gestellt. Bei zwölf der 24 EnLAG-Projekte sind deutliche Verzögerungen im
Genehmigungs- und Realisierungsplan zu beobachten, so dass die jeweils vorgesehene
Inbetriebnahme teilweise um mehrere Jahre überschritten wird.
Die Berichte der ÜNB an die Bundesnetzagentur über den Umsetzungsstand ihrer
geplanten Netzausbauvorhaben dokumentieren ebenfalls Verzögerungen. Mit Stand des
zweiten Quartals 2011 sind insgesamt 149 Ausbaumaßnahmen bis zum Jahr 2014
vorgesehen. Von den gesamten Ausbaumaßnahmen unterlagen am Ende des zweiten
Quartals 2011 insgesamt 73 Ausbaumaßnahmen Verzögerungen oder einem verschobenen Zeitrahmen. Dementsprechend dokumentieren auch die im Zuge des
Monitoring 2011 gemeldeten Investitionsdaten die erheblich hinter den Planungen
zurückbleibende Realisierung von Neu- bzw. Ausbauvorhaben der Übertragungsnetze.
51. Monitoringbericht 2011, Monitoringbericht gemäß §63 Abs. 4 und 5 EnWG i.V.m. §35 EnWG, Bundesnetzagentur, 2012.
174
© OECD/IEA, 2013
Das BMWi führt nach Maßgabe des Energiewirtschaftsgesetzes ein Monitoring der
Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität
und Erdgas durch. Der Monitoring-Bericht zur Versorgungssicherheit im Elektrizitätsbereich ist alle zwei Jahre zu erstellen und gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2003/54/EG der
Europäischen Kommission zu übermitteln. Gegenstand des Monitoring-Berichts sind das
Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem heimischen Markt, die erwartete
Nachfrageentwicklung und das verfügbare Angebot, die in Planung und im Bau befindlichen zusätzlichen Kapazitäten, die Qualität und der Umfang der Netzwartung, eine
9. Elektrizität
Analyse von Netzstörungen sowie Maßnahmen zur Bedienung von Nachfragespitzen und
zur Bewältigung von Ausfällen eines oder mehrerer Versorger 52.
Gemäß §23 der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) sind die Investitionsbudgets von
der Bundesnetzagentur zu genehmigen. Die Anreizregulierung sieht zudem Mechanismen
zur Steigerung der Effizienz und Versorgungsqualität der Energieversorgungsnetze vor.
ÜNB-Sicherheitskooperation
Die ÜNB-Sicherheitskooperation (Transmission System Operator Security Cooperation – TSC)
wurde im Dezember 2008 als Initiative zur Verbesserung der Sicherheit in den Übertragungsnetzen in Mitteleuropa gegründet. Bei der TSC handelt es sich um eine Kooperation
von elf europäischen Übertragungsnetzbetreibern, der auch alle vier deutschen ÜNB
angehören. Ziel der Initiative ist eine allgemeine Verbesserung der Systemsicherheit der
Stromnetze durch intensivere Kooperation, wozu unter anderem die Einrichtung eines
ständigen Expertennetzwerks und die Entwicklung koordinierter Verfahren und Maßnahmen
beitragen sollen. Zu den Zielsetzungen der TSC gehören die Vermeidung von Risiken in den
Stromnetzen in Mitteleuropa und der sichere Betrieb grenzüberschreitender Stromnetze.
Die Initiative umfasst ein ständiges ÜNB-Sicherheitsgremium und verfügt über ein
Echtzeitinformationssystem (Real-time Awareness and Alarm System – RAAS) sowie eine
gemeinsame IT-Plattform für den Datenaustausch und die Auswertung gemeinsamer
Sicherheitsberechnungen. TSC unterstützt die ÜNB bei der besseren Echtzeit-Steuerung
ihrer expandierenden Aktivitäten, insbesondere im Hinblick auf die Integration der
Windenergie und die Bewältigung zunehmender grenzüberschreitender Handels- und
Stromübertragungsaktivitäten.
ENDKUNDENMARKT UND -PREISE
Ungefähr 1 100 Stromversorger sind in Deutschland aktiv. Neben einer Reihe von
Großunternehmen ist eine Vielzahl kleiner und mittlerer Energieversorger tätig, von
denen sich die meisten – über zwei Drittel aller Versorgungsunternehmen – in
kommunalem Besitz befinden. Viele von ihnen bieten ihr Produkt in mehr als einem
Netzgebiet an, und die Verbraucher können aus einer wachsenden Zahl alternativer
Anbieter auswählen und sind daher nicht mehr an ihren regionalen Grundversorger
gebunden. 2011 waren in über drei Viertel der Netzgebiete über 50 Anbieter aktiv,
gegenüber weniger als einem Viertel der Netzgebiete im Jahr 2007. Zum Anbieterwechsel kommt es ebenfalls zunehmend häufiger: 2011 hatten sich 54% der Industrieund Unternehmenskunden sowie 17% der Haushaltskunden für einen anderen als den
Grundversorger entschieden. Im selben Jahr wechselten rd. 3,8 Millionen Kunden den
Anbieter – ein Anstieg um 27% gegenüber dem Vorjahr 53.
© OECD/IEA, 2013
Die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) definiert
die Gesamtpreise nach Steuern (post-tax total prices – POTP) als Summe des Rohstoffpreises, der regulierten Übertragungs- und Verteilungsentgelte sowie endkundenbezogener Komponenten (Abrechnung, Verbrauchsmessung, Kundendienst sowie eine
52. Monitoring-Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie nach § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im
Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität, BMWi, Juli 2012.
53. Entwicklungen auf den Elektrizitäts- und Gasmärkten in Deutschland, Zusammenfassung Monitoringbericht 2012,
Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt, 2013.
175
9. Elektrizität
angemessene Marge auf diese Dienstleistungen) zuzüglich Mehrwertsteuer, gegebenenfalls lokaler, nationaler oder umweltbezogener Abgaben und aller gegebenenfalls
erhobenen Aufschläge. Nach diesem Konzept verzeichnet Deutschland den höchsten
Gesamtpreis nach Steuern aller elf europäischen Länder, in denen die Preise im Jahr
2011 keinerlei Regulierung unterlagen 54. 2011 betrug der Gesamtpreis für die privaten
Haushalte in Deutschland 25,3 Cent je kWh, was z.B. um 80%, 68% bzw. 25% über dem
Preis lag, der den privaten Haushalten in Frankreich, dem Vereinigten Königreich bzw.
Italien berechnet wurde. Dies lässt sich durch die Tatsache erklären, dass die
Energiesteuern in Deutschland in der Tendenz höher sind. Generell gesagt sind die
höchsten Verbraucherpreise – wie zu erwarten – in den Ländern zu beobachten, in
denen die Besteuerung höher ist bzw. in denen nur ein begrenzter oder überhaupt kein
Netzverbund mit den Nachbarländern existiert (sogenannte „Strominseln“ wie z.B. das
Baltikum, Malta und Zypern) 55.
Anfang 2013 stiegen die Strompreise im Durchschnitt um 11%, wobei 728 der 854
Stromversorger, die Standardverbraucher ohne besondere Lieferverträge versorgen, ihre
Preise im Durchschnitt um 12% anhoben.
ZUSAMMENSETZUNG DER ENDKUNDENPREISE
Die Strompreise in Deutschland, insbesondere die, die den privaten Haushalten
berechnet werden, zählen zu den höchsten in Europa. Im jüngsten vierteljährlichen
Bericht über die europäischen Strommärkte wurde festgestellt, dass Dänemark und
Deutschland die EU-Mitgliedstaaten waren, in denen die privaten Haushalte mit 0,331
Euro je kWh bzw. 0,284 Euro je kWh in der Verbrauchergruppe Db (zwischen 1 000 kWh
und 2 500 kWh) die höchsten Strompreise zahlten 56. Der durchschnittliche Strompreis
für die privaten Haushalte in den EU27-Ländern (die Preise wurden für jeden
Mitgliedstaat nach dem Verbrauch der privaten Haushalte im Jahr 2010 gewichtet)
betrug in der zweiten Jahreshälfte 2011 0,184 Euro je kWh.
Darüber hinaus wurde in einer 2012 veröffentlichten Studie der Europäischen
Kommission über Endkundenstrompreise in der Europäischen Union festgestellt, dass
die Energie- und Transportkomponente (Übertragung und Verteilung) der Stromrechnung für Medianhaushalte in Deutschland im Zeitraum 2007-2011 stabil geblieben
ist, wohingegen sich die Steuer- und Abgabenkomponente mehr als verdreifacht hat.
Insgesamt führte dies zu einer Steigerung von 40% in konstanten Preisen und von 60% in
nominalen Preisen 57. Eurostat zufolge lag der Anteil der Steuern und Abgaben am
Gesamtpreis für Stromkunden in Deutschland bei 44,9%, der zweithöchste Wert unter
den untersuchten Ländern 58.
54. Jährlicher ungewichteter Durchschnitt je Land auf der Grundlage von Halbjahresdaten anhand der EurostatVerbrauchergruppen DC (2 500-5 000 kWh) für die privaten Haushalte und ID (2 000-20 000 MWh) für Nichthaushalte.
55. Die Republik Zypern wird von allen Mitgliedern der Vereinten Nationen mit Ausnahme der Türkei anerkannt. Die
Informationen in diesem Bericht beziehen sich auf das Gebiet, das sich de facto unter der Kontrolle der Regierung der Republik
Zypern befindet.
57. Price developments on the EU retail markets for electricity and gas 1998 – 2011, Generaldirektion für Energie, Europäische
Kommission, 2012.
58. http://epp.eurostat.ec.europa.eu/statistics_explained/index.php/Energy_price_statistics, Zugriff am 1. März 2013.
176
© OECD/IEA, 2013
56. Generaldirektion Energie, Market Observatory for Energy Volume 5, ISSUE 2: April 2012 – June 2012 Quarterly Report on
European Electricity Markets, Europäische Kommission, 2012.
9. Elektrizität
Abbildung 31 Aufschlüsselung der Preise für Haushaltskunden zum 1. April 2012*
1%
1%
Steuern (Strom- und Umsatzsteuer)
13%
24%
Energiebeschaffung
Netzentgelte
17%
Bereitstellungskosten (einschl.
Lizenzgebühr)
EEG-Abgabe
Abrechnung und Verbrauchsmessung
Sonstige
Another
20%
24%
* Mengengewichteter Durchschnitt für Haushaltskunden in allen Tarifkategorien.
Quelle: Monitoringbericht 2012, Bundesnetzagentur, 2013.
© OECD/IEA, 2013
Ein wesentlicher Kostenfaktor beim Strom ist in Deutschland die EEG-Abgabe, die 2012
14% des Haushaltspreises ausmachte. Die EEG-Abgabe für 2013 beträgt 0,0523 Euro je
kWh – ein Preisanstieg gegenüber dem Vorjahr um 47%. Dies stellt im Durchschnitt einen
Anstieg der jährlichen Stromrechnung der privaten Haushalte um nahezu 60 Euro bzw.
einen Anstieg des Anteils der Stromkosten an den Ausgaben der privaten Haushalte von
rd. 2,4% im Jahr 2012 auf nahezu 2,5% im Jahr 2013 dar. Dieser Anteil fällt für Niedrigeinkommenshaushalte deutlich höher aus als für Haushalte mit hohem Einkommen 59.
Einer Empfehlung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge könnte das
bestehende Sozialleistungssystem zur Abfederung sozialer Härten, die auf Grund der
steigenden Stromkosten für Niedrigeinkommenshaushalte entstehen, angepasst werden, um
Preissteigerungen bereits im Voraus Rechnung zu tragen. Gleichzeitig könnten Niedrigeinkommenshaushalte durch gezielte Beratung und finanzielle Hilfe unterstützt werden, um
die Effizienz ihrer Stromnutzung zu verbessern und einen dauerhaften Rückgang der
Stromausgaben sicherzustellen. Alternativ könnte die Stromsteuer auf eine Grundmenge an
Strom reduziert werden.
Ein großes Problem bezüglich der Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist die
Verteilung dieser Kosten. Laut BAFA waren 2012 lediglich 734 Industriekunden (85 TWh)
größtenteils (aber nicht vollständig) im Rahmen der Besonderen Ausgleichsregelung von der
Zahlung der EEG-Abgabe befreit. Für 2013 stellten 2057 Industriekunden (107 TWh) Anträge,
über die noch nicht entschieden wurde, wobei mit einer Entscheidung im Lauf des ersten
Halbjahrs gerechnet wird. Darüber hinaus können seit 2011 auch mittelständische
stromintensive Unternehmen, auf die Stromabnahmen von 9 300 GWh entfallen, die
Begrenzung der EEG-Abgabe in Anspruch nehmen 60.
59. „Strompreise: Künftig nur noch geringe Erhöhung durch erneuerbare Energien“, DIW-Wochenbericht, Deutsches Institut für
Wirtschaftsforschung, 2011.
60. Hintergrundinformationen zur Besonderen Ausgleichsregelung für die Jahre 2012/2013, BMU, 2012.
177
9. Elektrizität
Abbildung 32 Strompreise in Deutschland und in anderen ausgewählten IEA-Mitgliedsländern, 1980-2011
Industrie
US-$/MWh
180
Niederlande
160
Deutschland
140
Frankreich
Polen
120
Tschech. Rep.
100
80
60
40
20
0
1980
1983
1986
1989
1992
1995
1998
2001
2004
2007
2010
Anmerkung: Für Polen liegen keine Daten für 1980 vor. Für die Tschechische Republik liegen keine Daten für 1980-1984 vor. Für die Niederlande
liegen keine Daten für 2002-2006 vor.
Private Haushalte
400
US-$/MWh
Niederlande
Frankreich
350
Deutschland
300
Tschech. Rep.
Polen
250
200
150
100
50
0
1980
1983
1986
1989
1992
1995
1998
2001
2004
2007
2010
178
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Energy Prices and Taxes, IEA/OECD Paris, 2012.
9. Elektrizität
Abbildung 33 Strompreise in den IEA-Mitgliedsländern, 2011
Industrie
350
Steueranteil
US-$/MWh
300
250
200
150
100
50
0
* Für die Vereinigten Staaten liegen keine Informationen zur Besteuerung vor.
Anmerkung: Für Australien, Österreich, Kanada und Korea liegen keine Daten vor.
Private Haushalte
500
US-$/MWh
Steueranteil
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
* Für Korea und die Vereinigten Staaten liegen keine Informationen zur Besteuerung vor.
Anmerkung: Für Australien und Kanada liegen keine Daten vor.
© OECD/IEA, 2013
Quelle: Energy Prices and Taxes, IEA/OECD Paris, 2012.
179
9. Elektrizität
BEWERTUNG
Deutschland verfügt über ein großes, diversifiziertes Stromsystem, dem der Netzverbund mit
den Nachbarländern zugute kommt. Dank seiner ausreichenden thermischen Kraftwerkskapazitäten und der starken grenzüberschreitenden Stromverbindungen konnte das System
die Stilllegung von 8,4 GW Kernkraftwerkskapazitäten bislang verkraften, ohne dass es zu
größeren Versorgungsengpässen gekommen wäre, wenngleich die Situation im Winter
2011/2012 sehr angespannt war. Der Ausstieg aus der Kernenergie und das Wachstum der
Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien setzen die bestehende Netzinfrastruktur in
Deutschland und andernorts jedoch unter Druck. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energien ist um rd. 12 TWh jährlich gewachsen, während sich konventionelle Stromerzeugungskapazitäten im Umfang von rd. 10 GW im Aufbau befinden. Die Projektionen lassen
darauf schließen, dass Deutschland bis mindestens 2015 eine hohe Kapazitätsbilanz aufweist,
auch wenn es noch zu früh ist, um zu beurteilen, ob die Bilanz in der zweiten Phase des
Kernenergieausstiegs ab 2018 auf Engpässe zusteuern wird.
Strom steht im Zentrum der Energiewende, die auf den Ausstieg aus der Kernkraft unter
gleichzeitiger Fortsetzung der Rückführung des CO2-Ausstoßes in der Wirtschaft und Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit abzielt. Hierfür sind der kontinuierliche umfangreiche Ausbau der erneuerbaren Energien, der großflächige Ausbau der Stromübertragungsnetze sowie eine Veränderung der Marktausgestaltung erforderlich, um sicherzustellen, dass
das deutsche Stromversorgungssystem auch weiterhin über angemessene Kapazitäten an
regelbaren Kraftwerken, Stromspeichern sowie Lastmanagementkapazitäten verfügt.
Ein robuster, voll in den EU-Binnenmarkt für Energie integrierter deutscher Strommarkt ist
ein entscheidendes Instrument, mit dem es möglich sein dürfte, die kostengünstigsten
Lösungen zur Bewältigung des ambitionierten Umbaus der Energieversorgung, der Gegenstand der Energiewende ist, zu schaffen. Leistungsfähige Groß- und Endkundenmärkte
können eine sichere, wettbewerbsfähige und umweltfreundliche Versorgung der privaten
Haushalte und der Industrie in Deutschland mit Energie gewährleisten und zugleich für
geeignete Investitionssignale sorgen.
Deutschland hat einen Großhandelsmarkt für Strom aufgebaut, der zu den besten in Europa
zählt. Eine hohe Liquidität, detaillierte und transparente Informationen sowie eine große Zahl
von Marktteilnehmern tragen zu einer Preissetzung bei, die in Kontinentaleuropa als Referenz
dient. Darüber hinaus arbeitet Deutschland uneingeschränkt mit den regionalen Initiativen
zusammen, an denen sich die ÜNB, die Europäische Union sowie die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden beteiligen. Die Errichtung von Marktkopplungsmechanismen hat das Auftreten von Stromflüssen von Gebieten mit hohen Strompreisen in
Gebiete mit niedrigen Preisen deutlich reduziert und zu einer erhöhten Preiskonvergenz in
Zentralwesteuropa geführt. Die jüngsten Maßnahmen zur Stärkung der Heranführung der
erneuerbaren Energien an Marktbedingungen verbessern die Effizienz ebenfalls.
Die Aufrechterhaltung und weitere Stärkung von Liquidität und Transparenz auf dem
Markt sollten weiterhin Priorität haben. Zusätzliche Anstrengungen sind im Hinblick auf
den Regelenergiemarkt notwendig, der auf Grund der im Tagesverlauf stark fluktuierenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die
Stärkung und Integration der Regelenergiemärkte ist eine maßgebliche Aufgabe, da der
Netzverbund mit den Systemen der Nachbarländer wichtige Flexibilität schafft, die der
Integration der erneuerbaren Energien in Deutschland dient.
180
© OECD/IEA, 2013
GROSSHANDELSMARKT
9. Elektrizität
Die Aufrechterhaltung des Leistungsgleichgewichts zwischen Stromerzeugung und
-abnahme in der Regelzone ist Aufgabe der vier ÜNB. Generell wird die Kapazitätsbilanz
auf einer statischen Grundlage berechnet, indem der jährliche Spitzenlastbedarf
betrachtet und mit dem verfügbaren Mindestangebot verglichen wird. Den Prognosen
zufolge wird die Kapazitätsbilanz nach dem vollständigen Abschalten der verbleibenden
neun Kernkraftwerke bis 2022 knapp ausfallen, und es wird wesentlicher Veränderungen
der Art und Weise bedürfen, wie das System betrieben wird.
Gegenwärtig ist nur ein sehr begrenzter Teil der Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energieträgern in den Berechnungen der Kapazitätsbilanz berücksichtigt. Die Photovoltaik ist nicht berücksichtigt, und die Windkraft wird zwar mit eingerechnet, aber nur
in sehr geringem Maße (zurzeit 1%). Es könnte effizienter sein, ihren Beitrag zur Deckung
des Spitzenlastbedarfs in enger Abstimmung mit anderen Technologien zu erhöhen, z.B.
der flexiblen Gasverstromung, Speichertechnologien oder Lastmanagement, um nur
einige zu nennen. Um ihren Beitrag zu aktivieren und die richtigen Technologien zum
richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu bestimmen, sollte Deutschland systemweite
Politikansätze sowie regulatorische und marktorientierte Konzepte identifizieren und
umsetzen, mit denen diese Dimensionen zwischen den Marktteilnehmern und den
regulierten Netzen optimiert werden.
Im Hinblick auf die Systemintegration und die Flexibilität der bestehenden Erzeugungskapazitäten treten in Kürze zahlreiche das Fernwärmesystem betreffende Maßnahmen
in Kraft. In diesem Zusammenhang wird die Förderung des Baus von Wärmespeicherkapazitäten als wichtig erachtet, da Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen damit Flexibilität
am Strommarkt schaffen können.
VERFÜGBARKEIT AUSREICHENDER ERZEUGUNGSKAPAZITÄTEN (GENERATION ADEQUACY)
Das deutsche Stromversorgungssystem wird als sicher betrachtet; mit einem Verlust von im
Durchschnitt 19,27 Minuten im Jahr 2010 zählte es zu den sichersten Systemen Europas 61. In
den vergangenen zwanzig Jahren verfügte Deutschland über hohe Reservekapazitäten,
sowohl in der Stromerzeugung als auch im Stromtransport, vor allem im Verteilungsnetz.
© OECD/IEA, 2013
Die Erzeugungskapazitäten sind unter den gegenwärtigen Marktbedingungen ausreichend
zur Deckung des Spitzenlastbedarfs. Ungeachtet des Ausstiegs aus der Kernenergie bleiben
die Reservemargen bis mindestens 2015 über dem Spitzenlastbedarf. Im Zeitraum 20152022 sind neue Investitionen erforderlich, es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten zur
Senkung des Bedarfs an neuen Erzeugungskapazitäten. Trotz der Effizienz der Strommärkte
bestehen nach wie vor Bedenken in Bezug auf die Frage, inwieweit die derzeitigen Marktregelungen für die nötigen Investitionen zur Aufrechterhaltung sicherer und verlässlicher
Stromdienstleistungen sorgen können. Aus heutiger Sicht erfolgten die Investitionen in
manche Kraftwerke auf Grund des beispiellosen Anstiegs der Stromerzeugung aus
erneuerbaren Energieträgern sowie des Rückgangs der Stromnachfrage infolge der Wirtschaftskrise zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Gegenwärtig verringert sich die Wettbewerbsfähigkeit der existierenden Gaskraftwerke infolge niedriger CO2-Preise und hoher
Gaspreise, und einige Gaskraftwerke werden vom Netz genommen. Die durchschnittliche
Lastdauer eines kombinierten Gas-Dampf-Kraftwerks in Deutschland beträgt rd. 3 000
Stunden und dürfte weiter sinken. Gleichzeitig können sich diese Gaskraftwerke nicht
61. Fifth CEER Benchmarking Report on the Quality of Electricity Supply 2011, Council of European Energy Regulators, 2012.
181
9. Elektrizität
vollständig auf Einnahmen aus volatileren Betriebserfordernissen stützen, auch wenn diese
Anlagen bestehenden Kohlekraftwerken technisch und wirtschaftlich u.U. überlegen sind.
Zusätzlich dürfte der großangelegte Markteintritt von Erzeugungskapazitäten mit niedrigen
Grenzkosten zu einer weiteren Komprimierung des Großhandelsmarkts führen und es
schwieriger machen, die Investitionskosten für konventionelle Kraftwerke zu amortisieren.
Dies hat Diskussionen über Kapazitätsmechanismen und andere Investitionsanreize
ausgelöst.
Die derzeitigen Reservekapazitäten lassen zwar vermuten, dass keine dringende
Notwendigkeit besteht, die eine oder andere Art von Kapazitätsmechanismus zu
entwickeln, eine Anpassung der bestehenden Marktregelungen ist jedoch erforderlich.
Solche Anpassungen können dazu beitragen, dass die Umsetzung weiterer Regelungen
erst später und möglicherweise gar nicht nötig wird, und leistungsfähige Energy-OnlyMärkte sichern helfen. Beispielsweise können lediglich auf EU-Ebene harmonisierte
Vorschriften über Reservekapazitäten in Zeiten der Stromknappheit zu harmonisierten
Marktpreisreaktionen führen. Auf internationaler Ebene sollte Deutschland daher
existierende Mechanismen nutzen, um die Regeln, Verfahren und Vorräte zur
Gewährleistung der Versorgungssicherheit zu harmonisieren, ähnlich wie dies z.B. für die
Regelungen der nordischen Strombörse Nord Pool der Fall ist.
Ein aktives Lastmanagement, nichtverzerrte Groß- und Endkundenmarktpreise sowie
politische Glaubwürdigkeit können die Investitionssicherheit in Bezug auf potenziell
benötigte neue Kraftwerke verbessern. Weitere Novellen des Erneuerbare-EnergienGesetzes sind u.U. ebenfalls vonnöten, um die gegenwärtige Situation künftig zu
vermeiden, in der die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nicht auf Marktpreise
reagieren kann. Die Evaluierungen sollten mit Bezug auf die internationalen
Entwicklungen (z.B. den North American Electric Reliability Council of Texas – ERCOT –
und den PJM-Markt in Nordamerika oder die Erfahrungen in Alberta, Kanada, und in
Australien) parallel zur genauen Beobachtung des deutschen Markts fortgesetzt werden.
Insoweit die Bundesregierung, um die Zuverlässigkeit des Netzes zu sichern, als
kurzfristige Maßnahme Kapazitäten kontrahieren muss, wie dies bereits jetzt geschieht,
sollte diese Kontrahierung transparent und offen erfolgen, z.B. im Wege einer
öffentlichen Ausschreibung. Solche Maßnahmen sollten durch netzbasierte Anreize für
die Stromerzeuger ergänzt werden, um deren Standortentscheidungen unter den
Gesichtspunkten der systemweiten Zuverlässigkeit und der Kosten zu optimieren.
Darüber hinaus bedarf es transparenter und allgemein verstandener „Trigger“, die
anstatt an den Preis an die Fundamentaldaten von Angebot und Nachfrage geknüpft
sind, um das Risiko einer Verdrängung inkrementeller Kapazitäten zu minimieren. Diese
Trigger sollten als eine Übergangsmaßnahme zur Erleichterung der möglicherweise
schwierigen mittelfristigen Anpassung betrachtet werden.
Deutschland hat Zeit, die Gestaltung seines Energy-Only-Marktmodells anzupassen; es
verfügt über ausreichend große Reservemargen sowie gute grenzüberschreitende Stromverbindungen mit den Nachbarländern. Es bedarf einer genauen Beobachtung der Situation,
die auf mittlere Sicht fortgesetzt werden sollte. Deutschland sollte seinen Energy-Only-Markt
stärken, indem es die Nachfrageelastizität verbessert, Ziele für Reservemargen festlegt, den
182
© OECD/IEA, 2013
Marktregelungen, einschließlich der effizienten Einführung intelligenter Messsysteme
(„Smart Metering“), sind von wesentlicher Bedeutung, um nachfrageseitige Reaktionen zu
bewirken, die eine kosteneffiziente Möglichkeit zur Schaffung von Flexibilität werden und
zugleich einen effizienteren und kostengünstigeren Netzausbau unterstützen könnten.
9. Elektrizität
Kosten entsprechende Rückvergütungen für Netzdienstleistungen einführt, die Marktpreisreagibilität der erneuerbaren Energien erhöht. Die Bundesrepublik sollte Preisobergrenzen festsetzen und die Koordination auf EU-Ebene verbessern. Dafür gibt es
Beispiele aus anderen Regionen, z.B. aus Nordamerika (ERCOT) oder aus Australien (National
Electricty Market – NEM); Deutschland sollte diese kollektiven Erfahrungen nutzen.
In unerwarteten Fällen könnten die Reservemargen unter das gewünschte Niveau sinken;
sollte dies geschehen, sollte Deutschland beginnen, Optionen zur Ergänzung seines
liquiden und leistungsfähigen Energy-Only-Markts durch marktorientierte Instrumente zu
untersuchen. Angestrebt werden sollte ein gezielter und zeitlich befristeter Kapazitätsmechanismus, dessen Beendigung so terminiert sein sollte, dass die Phase der größten
Unsicherheit, während an Ersatzmöglichkeiten für die Kernenergie gearbeitet wird,
bewältigt werden kann. Deutschland sollte auch netzbezogene Aspekte der Zuverlässigkeit
überwachen, um das Stromsystem insgesamt besser auszugleichen.
INVESTITIONEN IN ÜBERTRAGUNGS- UND VERTEILUNGSINFRASTRUKTUREN
Das Übertragungsnetz ist für den Transport von Strom aus großen thermischen und
Kernkraftwerken konzipiert worden. 2011 entfielen 20% der gesamten Stromerzeugung
auf – überwiegend variabel erzeugten – Strom aus erneuerbaren Energieträgern. Im
Energiekonzept wird davon ausgegangen, dass sich dieser Anteil bis 2020 auf 35%
erhöhen wird. Gleichzeitig wird die Entscheidung, aus der Kernkraft auszusteigen, zum
Verlust eines großen Teils der Grundlastkapazitäten führen. Es wird einen wesentlichen
Unterschied bei der räumlichen Verteilung der Stromerzeugung geben, da die
Kernkraftkapazitäten in den südlichen und zentralen Landesteilen stillgelegt werden und
der aus Windkraft erzeugte Strom zu großen Teilen aus Norddeutschland kommt. Diese
grundlegenden Veränderungen vergrößern die Herausforderungen an das Management
und die Sicherheit des Stromsystems.
© OECD/IEA, 2013
Auf Grund der Veränderungen im Kraftwerkspark wandelt sich die Funktion des
Übertragungsnetzes mit Blick auf die Anbindung der hohen Zahl von Photovoltaik- und
Windkraftanlagen an das Verteilungsnetz grundlegend. In den kommenden zehn Jahren
werden die Übertragungsnetze bedeutende Mengen variabel erzeugten Stroms aus
erneuerbaren Energieträgern – insbesondere aus Offshore-Windkraftanlagen – aus den
Erzeugerregionen im Norden zu den Verbrauchern im Süden transportieren müssen.
Hierfür bedarf es der Beseitigung von in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Engpässen
durch die Verstärkung und den Ausbau des Netzes.
Die Expansion der erneuerbaren Energien und die zunehmend dezentrale Stromerzeugung ist zu einer wachsenden Herausforderung nicht nur für die Übertragungsnetze
geworden, sondern auch für die Verteilungsnetze, an die die meisten dieser Anlagen
angeschlossen sind. Umfangreiche Investitionen in die Verteilungsnetze sind erforderlich,
um die wachsende Menge aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms aufzunehmen
und dorthin zu transportieren, wo er benötigt wird. Schätzungen der Deutschen EnergieAgentur zufolge belaufen sich die Kosten der entsprechenden Investitionen über die Dauer
der Energiewende auf zwischen 27,5 und 42,5 Mrd. Euro. Die dena hat darüber hinaus auf
den Bedarf an weiteren Studien über die Kosten und den Umfang der benötigten
Investitionen hingewiesen, ebenso wie auf die Notwendigkeit einer stärkeren
Zusammenarbeit zwischen den Übertragungs- und den Verteilungsnetzbetreibern sowie
zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern.
183
9. Elektrizität
Die Größenordnung der erforderlichen Investitionen wird von der Kapazität und der
Wirksamkeit des Systembetriebs auf Verteilerebene abhängen. Es bedarf eines effektiveren
Systembetriebs auf Verteilerebene sowie der potenziellen Vorteile, die im Hinblick auf die
effizientere Nutzung der bestehenden Infrastruktur (die den Bedarf an Investitionen in das
Netz potenziell senken würde), die Systemsicherheit, die Verlässlichkeit sowie die Kapazität
des Systems zur Integration der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern zu den
geringsten Kosten hiermit verbunden wären. Dies wird mit Regulierungsrisiken einhergehen,
weshalb die Regulierungsbehörden Investitionen in damit zusammenhängende Technologien
für intelligente Netze angemessen Rechnung tragen sollten.
Die Planung ist ebenfalls problematisch: In der Vergangenheit sind die Genehmigungsverfahren auf Grund starken lokalen und politischen Widerstands gegen neue Überlandleitungen oftmals langwierig und kompliziert gewesen. Durch die Verabschiedung des
Netzausbaubeschleunigungsgesetzes hat die Bundesregierung den Planungsprozess
gestrafft, was im Hinblick auf die wichtigsten Investitionen in das Übertragungsnetz die
Genehmigung und den nachfolgenden Bau beschleunigen dürfte.
Die Einführung eines intelligenten Stromnetzes birgt das Potenzial, die Notwendigkeit
zum Ausbau des konventionellen Übertragungsnetzes zu verringern und die Flexibilität
zu erhöhen. Ein intelligentes Netz ist im Wesentlichen eine Frage der Systemintegration.
Es eröffnet durch die Einführung neuer Ansätze im Hinblick auf den Betrieb des Stromsystems Alternativen zum klassischen Netzausbau. Gewöhnlich folgt die Last der Nachfrage, aber in Anbetracht des hohen Anteils an variabler Stromerzeugung birgt ein
flexibles nachfrageseitiges Lastmanagement das Potenzial, in vielen Fällen eine kostenwirksame Alternative zu Investitionen in den Netzausbau zu werden. Solche
Investitionen werden jedoch nach wie vor erforderlich bleiben.
STROMPREISE
Die Strompreise für die privaten Haushalte sind in Deutschland in den vergangenen zehn
Jahren deutlich gestiegen und zählen nunmehr zu den höchsten in den europäischen
IEA-Ländern. Anfang 2013 stiegen die Preise für die privaten Haushalte im Durchschnitt
um 11%, und 728 der 854 Stromversorger, die Standardverbraucher ohne besondere
Lieferverträge versorgen, hoben ihre Preise im Durchschnitt um 12% an.
Um die Glaubwürdigkeit der Energiewende zu erhalten, müssen die Kosten für diese
Elemente sowie ihre Aufteilung auf die einzelnen Verbraucherkategorien geprüft
werden. Die Bundesregierung steht diesbezüglich dreifach in der Pflicht: Die Kosten des
184
© OECD/IEA, 2013
Ein Großteil dieses Anstiegs ist auf die zunehmenden Kosten des EEG zurückzuführen.
Schätzungen des Bundesumweltministeriums zufolge könnten sich die Kosten für den
Einspeisetarif nach dem EEG ohne Kürzungen bis 2022 auf bis zu 680 Mrd. Euro belaufen,
die Kosten für den Netzausbau, Reservekapazitäten, Forschung und Entwicklung,
Elektromobilität und die energetische Sanierung von Gebäuden nicht eingerechnet. Im
November 2012 veröffentlichten die vier ÜNB ihre Prognosen für die EEG-Abgabe für 2014
sowie ihre über fünf Jahre reichende Mittelfristprognose. Die ÜNB gehen davon aus, dass
die Abgabe 2014 zwischen 0,0489 Euro je kWh und 0,0574 Euro je kWh betragen wird, was
einem leichten Anstieg gegenüber der Abgabe im Jahr 2013 entspricht. Bis 2017 erwarten
die ÜNB, dass die installierte Kapazität an erneuerbaren Energieträgern 111 GW betragen
wird, gegenüber den unterstellten 80,6 GW Ende 2013. Auf Solarenergie und Windkraft
werden 2017 91% des Angebots entfallen (Solarenergie: 54,8 GW, Onshore-Windkraft:
38,97 GW, Offshore-Windkraft: 7,9 GW).
9. Elektrizität
EEG müssen gesenkt und die verbleibenden Kosten gerecht verteilt werden, und es muss
sichergestellt werden, dass Investitionen in den Netzausbau so getätigt werden, dass ein
möglichst effizientes Ergebnis für die Verbraucher dabei herauskommt. In dieser Hinsicht
ist die im Februar 2013 erfolgte Ankündigung des Bundeswirtschaftsministers und des
Bundesumweltministers, dass sie aktiv auf der Suche nach Möglichkeiten zur Begrenzung
der auf das EEG zurückzuführenden Stromkosten seien, zu begrüßen. Eine systematische
Reform des Fördermechanismus für die Einführung erneuerbarer Energien sollte in
Betracht gezogen werden. Längerfristig bedarf es in Anbetracht der großen Mengen an
erneuerbaren Energien, die in den kommenden fünf Jahren ans Netz gehen werden,
einer Reform des Systems, damit die Vorteile des Wettbewerbs zum Tragen kommen
und neue Inbetriebnahmen örtlich und zeitlich mit der notwendigen Infrastruktur
einhergehen und die Investoren ausreichend Sicherheit bekommen. Ein richtig
konzipiertes und mit dem EU-Recht und anderen Rechtsvorschriften im Einklang
stehendes Ausschreibungsverfahren für größere Anlagen könnte diese Kriterien erfüllen.
Zusätzlich ist die Billigung des Netzentwicklungsplans 2012 (NEP 2012) eine weitere
Maßnahme zur Steuerung der Kosten durch die Priorisierung bestimmter Schlüsselinfrastrukturen. Die Entscheidung, die Zahl der von den ÜNB vorgeschlagenen Großprojekte von insgesamt 74 auf 51 zu reduzieren, ist wichtig, ebenso wie die Entscheidung, nur drei der vier vorgeschlagenen Höchstspannungsgleichstromleitungen zu
genehmigen, um den zusätzlich in Norddeutschland aus Windkraft erzeugten Strom in
andere Regionen zu transportieren. Eine weitere Analyse wird im NEP 2013 erwartet,
der der Bundesnetzagentur im März 2013 vorgelegt wurde.
Der Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zur Abfederung sozialer
Härten, denen sich Niedrigeinkommenshaushalte auf Grund der steigenden Stromkosten
ausgesetzt sehen, ist wichtig. Mit dem Transfersystem sollten Preissteigerungen
antizipiert und durch Energieberatung sowie finanzielle Hilfen zur Verbesserung der
Effizienz der Energienutzung ergänzt werden können, um die Stromausgaben zu senken.
Alternativ könnte Spielraum vorhanden sein, um die Stromsteuer für eine gewisse
Strommenge, die den grundlegenden Verbrauch abdeckt, zu senken.
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 sicherstellen, dass die großangelegten Projekte zum Ausbau der Übertragungs- und
Verteilungsnetze einschließlich der Investitionen, die erforderlich sind, wenn die
Energiewende erfolgreich sein soll, rechtzeitig und kosteneffizient eingeleitet
werden;
 ein Regulierungssystem unterhalten, das ein ausreichendes Maß an finanziellen
Anreizen und Investitionssicherheit zur Mobilisierung der notwendigen Investitionen
in die Verteilung gewährleistet;
© OECD/IEA, 2013
 Anstrengungen im Bereich Forschung und Entwicklung fördern, um die Kapazität des
Übertragungssystems zu verbessern;
 kosteneffiziente Maßnahmen betonen, um anhand eines marktorientierten Ansatzes,
einschließlich der Einbeziehung des variabel erzeugten Stroms in diese Märkte, den
zunehmenden Anteil der schwankenden Stromerzeugung auszugleichen;
185
9. Elektrizität
 nachfrageseitige Maßnahmen durch die Einführung von Lastmanagement fördern,
einschließlich der Einführung intelligenter Technologien zur Verbesserung der
Verlässlichkeit, Widerstandsfähigkeit und Flexibilität des Systems und zur
Inbetriebnahme variabler Stromerzeugungskapazitäten, insbesondere auf der Ebene
der Verteilungsnetze;
 in Zusammenarbeit mit allen relevanten Akteuren prüfen, ob die gegenwärtigen
Marktvorkehrungen bei gleichzeitiger Wahrung eines Wettbewerbsrahmens die
Finanzierung von Investitionen in neue regelbare Kapazitäten ermöglichen und die
Stilllegung bzw. Abschaltung der Kraftwerkskapazitäten verhindern, die zur
Sicherung der zur Aufrechterhaltung der Kapazitätsbilanz notwendigen Verlässlichkeit und kosteneffizienten Stromerzeugung erforderlich sind. In diesem
Zusammenhang sollte auch die Eignung von Kapazitätsmärkten als Übergangsmaßnahme zur Unterstützung des Anpassungsprozesses auf dem Weg hin zu einem
Stromerzeugungssystem ohne Kernenergie bewertet werden;
 wo möglich mit den Stromsystemen der Nachbarländer zusammenarbeiten, um
internationale Märkte für Bilanzausgleichsleistungen zu erschließen und das
grenzüberschreitende Nettingpotenzial zu nutzen;
 die Integration der Stromgroßhandelsmärkte mit den Nachbarländern fortsetzen und
die Zusammenarbeit verstärken, um die Mechanismen zur Gewährleistung der
Versorgungssicherheit zu harmonisieren;
186
© OECD/IEA, 2013
 entschlossene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Kosten der
Energiewende so niedrig wie möglich gehalten und fair sowie gerecht auf alle
Verbraucherkategorien verteilt werden.
10. Kernenergie
10. KERNENERGIE
Eckdaten (2011)
Zahl der in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke (2012): 9 Meiler in Betrieb, 8 Meiler
wurden 2011 vom Netz genommen
Installierte Leistung (2012): 12,1 GW
Stromerzeugung: 108 TWh, -36,3% seit 2000
Anteil der Kernenergie: 9% am Gesamt-Primärenergieaufkommen und 17,9% an der
Stromerzeugung
ÜBERBLICK
Deutschlands Ausstieg aus der Kernenergienutzung wurde im April 2002 durch die Verabschiedung des Gesetzes zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität rechtlich umgesetzt. In diesem Gesetz wird die Beendigung
der Nutzung der bestehenden deutschen Kernkraftwerke (KKW) zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität geregelt. Zu diesem Zweck wurde eine Entscheidung über die Reststrommengen getroffen, die die einzelnen Kernkraftwerke noch produzieren können.
Diese Menge basierte auf der gesamten Elektrizitätsmenge, die in einer Regellaufzeit von
32 Jahren erzeugt werden kann. Die Kraftwerke sollten abgeschaltet werden, sobald sie
die gesetzlich vorgeschriebene Strommenge erzeugt haben.
© OECD/IEA, 2013
Im Herbst 2010 verabschiedete die Bundesregierung ein Energiekonzept, in dem der
Kernenergie die Rolle einer Brückentechnologie zugewiesen wurde, jedoch nur für den
Zeitraum, bis die erneuerbaren Energien einen größeren Beitrag zur Stromversorgung
leisten können und die dafür erforderliche Infrastruktur aufgebaut ist. Das Elfte Gesetz
zur Änderung des Atomgesetzes, das im Dezember 2010 in Kraft trat und auf dem Energiekonzept basiert, erhöhte die den einzelnen KKW zur Verfügung stehenden Reststrommengen und verlängerte deshalb die Laufzeit von Deutschlands 17 Kernkraftwerken um durchschnittlich zwölf Jahre (die sieben Kraftwerke, die den Betrieb vor 1980
aufgenommen hatten, erhielten die Genehmigung, eine zusätzliche Elektrizitätsmenge
zu erzeugen, die acht zusätzlichen Betriebsjahren entspricht; bei den anderen zehn
Kraftwerken entsprach die Menge 14 zusätzlichen Betriebsjahren).
Im Anschluss an den Reaktorunfall von Fukushima Daiichi im März 2011 beschloss die Bundesregierung, die mit der Nutzung der Kernenergie verbundenen Risiken neu zu bewerten.
Sie entschied in Koordinierung mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer, in denen
Kernkraftwerke in Betrieb sind, alle deutschen KKW einer umfassenden Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Im Rahmen dieser Sicherheitsüberprüfung wurden acht KKW – sieben
ältere Anlagen sowie das Kraftwerk Krümmel – entweder vom Netz genommen oder, falls sie
zum damaligen Zeitpunkt nicht in Betrieb waren, nicht wieder angeschaltet. Die acht von dieser vorübergehenden dreimonatigen Abschaltung betroffenen Anlagen waren Neckarwestheim 1, Phillipsburg 1, Biblis A und Biblis B, Isar 1, Unterweser, Brunsbüttel und Krümmel. Die
Sicherheitsüberprüfung aller deutschen KKW wurde von der Reaktor-Sicherheitskommission
187
10. Kernenergie
in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Atomaufsichtsbehörden durchgeführt. Im
Mai 2011 legte die Reaktor-Sicherheitskommission eine umfassende Analyse der mit den
deutschen KKW verbundenen Risiken vor. Darüber hinaus setzte die Bundesregierung eine
unabhängige Ethikkommission ein, die Ethikkommission Sichere Energieversorgung, die im
Mai 2011 ein umfassendes Gutachten zu den mit der zukünftigen Energieversorgung
Deutschlands zusammenhängenden Themen vorlegte. Die Ergebnisse dieser Kommissionen
dienten als Leitlinien für die zu treffenden energiepolitischen Entscheidungen.
Am 30. Juni 2011 beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit, die Erzeugung von
Strom durch deutsche Kernkraftwerke bis spätestens 2022 vollständig einzustellen.
Dieses Dreizehnte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes trat am 6. August 2011 in
Kraft.
Tabelle 22 Die deutschen Kernkraftwerke*
Eigentümer
Bruttostromerzeugung
2010
Im Gesetz zur
Änderung des
Atomgesetzes
vorgesehenes
Abschaltdatum
Kernkraftwerk
Typ
Jahr der
Inbetriebnahme
Biblis A
DWR
1975
1 167 MW
RWE
RWE
5 042 GWh
2011
Neckarwestheim 1
DWR
1976
785 MW
EnBW
EnBW
2 208 GWh
2011
Biblis B
DWR
1977
1 240 MW
RWE
RWE
10 306 GWh
2011
Brunsbüttel
SWR
1977
771 MW
Vattenfall
67% Vattenfall,
33% E.ON
Isar 1
SWR
1979
878 MW
E.ON
E.ON
6 543 GWh
2011
Unterweser
DWR
1979
1 345 MW
E.ON
E.ON
11 239 GWh
2011
Philippsburg 1
SWR
1980
890 MW
EnBW
EnBW
6 791 GWh
2011
Krümmel
SWR
1984
1 346 MW
Vattenfall
50% Vattenfall,
50% E.ON
Grafenrheinfeld
DWR
1982
1 275 MW
E.ON
E.ON
7 938 GWh
2015
9 954 GWh
2017
Maximalleistung
Betreiber
2011
2011
Gundremmingen B
DWR
1984
1 284 MW
RWE
75% RWE,
25% E.ON
Philippsburg 2
DWR
1985
1 402 MW
EnBW
83,3% E.ON,
16,7% SWB
11 797 GWh
2019
Gundremmingen C
SWR
1985
1 288 MW
RWE
75% RWE,
25% E.ON
10 936 GWh
2021
Grohnde
DWR
1985
1 360 MW
E.ON
75% RWE,
25% E.ON
11 417 GWh
2021
Brokdorf
DWR
1986
1 410 MW
E.ON
EnBW
11 945 GWh
2021
Isar 2
DWR
1988
1 410 MW
E.ON
80% E.ON,
20% Vattenfall
12 007 GWh
2022
Emsland
DWR
1988
1 329 MW
RWE
75% E.ON,
25% SWM
11 560 GWh
2022
Neckarwestheim 2
DWR
1989
1 310 MW
EnBW
87,5% RWE,
12,5% E.ON
10 874 GWh
2022
* Die vom Netz genommenen Kernkraftwerke sind grau schattiert; SWR = Siedewasserreaktor; DWR = Druckwasserreaktor.
188
© OECD/IEA, 2013
Quelle: BMWi.
10. Kernenergie
Deutschland wird die Erzeugung von Kernenergie in einem schrittweise ausgerichteten Prozess, der spätestens Ende 2022 abgeschlossen sein soll, vollständig einstellen. Für die acht
KKW, die während der Sicherheitsüberprüfung vom Netz genommen wurden, lief die Genehmigung zur Stromerzeugung mit Inkrafttreten des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung
des Atomgesetzes am 6. August 2011 ab. Weitere KKW sollen in folgender Reihenfolge vom
Netz genommen werden: der Meiler Grafenrheinfeld bis Ende 2015, Gundremmingen B bis
Ende 2017, Philippsburg 2 bis Ende 2019 und Grohnde, Gundremmingen C sowie Brokdorf
bis Ende 2021. Die drei jüngsten Meiler – Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 – sollen bis
spätestens Ende 2022 vom Netz genommen werden. Die acht Kernkraftwerke, die nach dem
Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes dauerhaft vom Netz genommen
wurden, hatten insgesamt eine maximale Nettokapazität von 8,4 GW. Dies entspricht 41%
der Stromerzeugungskapazitäten der in Betrieb bleibenden Meiler.
Deutschland führte darüber hinaus eine Kernbrennstoffsteuer ein, die am 1. Januar 2011 in
Kraft trat. Die Steuerpflicht entsteht, wenn ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in
einen Kernreaktor eingesetzt werden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird. Die Einnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer dienen der Konsolidierung der
öffentlichen Finanzen. Die Steuer soll am 31. Dezember 2016 auslaufen.
DIE STRUKTUR DER KERNINDUSTRIE
Deutschland nutzt die Kernenergie seit 1960, als die nukleare Inbetriebnahme (Kritikalität)
des ersten Kernkraftwerks erfolgte. Im Anschluss an den Reaktorunfall von Tschernobyl
breitete sich jedoch Skepsis aus, und die Bundesregierung schloss im Jahr 2000 die erste
Vereinbarung über die Beendigung der Kernenergienutzung ab.
Alle in Deutschland derzeit in Betrieb befindlichen KKW wurden in den 1970er und 1980er
Jahren von der Kraftwerk Union AG (KWU, gegründet von Siemens und AEG) gebaut. Die
KWU, die lange Zeit ein 100%iges Tochterunternehmen der Siemens AG war, wurde 2001
in ein französisch-deutsches Gemeinschaftsunternehmen eingegliedert, in dem das französische Unternehmen AREVA einen Anteil von etwa zwei Drittel und die Siemens AG einen
Anteil von einem Drittel hatte. Im April 2006 wurde das Gemeinschaftsunternehmen in
AREVA NP umbenannt. Im März 2011 wurde AREVA NP eine 100%ige Tochtergesellschaft
von AREVA.
Das Unternehmen Babcock-Brown Boveri Reaktor GmbH (BBR, ein Gemeinschaftsunternehmen von Brown, Boveri & Cie. und Babcock & Wilcox aus den Vereinigten Staaten,
das später in ABB umbenannt wurde und dessen Nukleargeschäft im Dezember 1999 an
das britische Unternehmen BNFL, heute umbenannt in Westinghouse, veräußert wurde)
errichtete den Druckwasserreaktor Mülheim-Kärlich, der 1988 abgeschaltet wurde.
© OECD/IEA, 2013
Nach Inkrafttreten des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes sind derzeit noch neun KKW in Betrieb. Diese neun Meiler, deren Anteile sich in Privatbesitz befinden, haben eine Stromerzeugungskapazität von insgesamt 12,1 GW. 2012 erzeugten
sie 100 Milliarden kWh Strom, was fast 18% der gesamten Elektrizitätserzeugung entsprach. Die Anlagen- und Energieverfügbarkeit der KKW erreichte 90%.
Die Betreiber der KKW sind einzelne Energieversorgungsunternehmen oder ihre Tochtergesellschaften. Sie sind gesetzlich verpflichtet, finanzielle Rückstellungen zu bilden,
um die aus dem Betrieb eines Kernkraftwerks resultierenden Folgekosten, namentlich
Stilllegung und Rückbau der Anlagen sowie Behandlung und Entsorgung radioaktiver
Stoffe, einschließlich abgebrannter Brennelemente, tragen zu können. Die finanziellen
189
10. Kernenergie
Rückstellungen werden jährlich angepasst. Die Bewertung dieser Rückstellungen wird
regelmäßig von unabhängigen Wirtschaftsprüfern und den Finanzbehörden überprüft.
Neben den KKW wurden in Deutschland 46 Forschungsreaktoren gebaut und betrieben.
Zurzeit sind die meisten Forschungsreaktoren abgeschaltet und werden stillgelegt. Acht
Forschungsanlagen – drei mit einer Feuerungswärmeleistung von über 50 kW und fünf
kleine Schulungsreaktoren – sind noch in Betrieb.
Seit Dezember 2010 sind 19 KKW dauerhaft abgeschaltet. Davon werden zurzeit 15 mit
dem Ziel des „Rückbaus bis zur grünen Wiese“ abgebaut, zwei befinden sich in sicherem
Einschluss und zwei wurden bereits vollständig bis zur grünen Wiese zurückgebaut. Sechs
weitere KKW wurden nie in Betrieb genommen, da die Projekte während der Bauphase
eingestellt wurden. Für die acht im August 2011 im Anschluss an den Reaktorunfall von
Fukushima Daiichi abgeschalteten KKW ist noch kein Stilllegungsantrag gestellt worden.
KERNBRENNSTOFFE
In Deutschland findet keine Urangewinnung mehr statt. Durch die Stilllegung und Sanierung der Uranmine der Wismut GmbH fallen jedoch manchmal noch geringfügige Mengen an Uran an. Das bedeutet, dass die deutschen KKW den Kernbrennstoff, den sie benötigen, auf den Weltmärkten kaufen müssen. Die URENCO-Gruppe – ein internationales
Anreicherungsunternehmen – betreibt eine Anreicherungsanlage in Gronau. Die ANF
GmbH, eine Tochtergesellschaft der AREVA NP GmbH mit Sitz in Lingen, produziert
Brennelemente für Druckwasserreaktoren und Siedewasserreaktoren.
ENTSORGUNG RADIOAKTIVER ABFÄLLE: SCHWACH- UND MITTELAKTIVE ABFÄLLE
Deutschland beabsichtigt, alle Arten von radioaktiven Abfällen entsprechend der in anderen europäischen Ländern verfolgten Politik dauerhaft in tief unter der Erde gelegenen geologischen Endlagern zu lagern. Radioaktive Abfälle aus dem Betrieb und der Stilllegung von KKW sind bis zu ihrer Verbringung in ein Endlager in Zwischenlagern zu
lagern. Gegenwärtig stehen für diese Abfälle Zwischenlager an den Standorten der
Kraftwerke und an externen Lagerstätten zur Verfügung (die externe Lagerhalle Unterweser, das dezentrale Standortzwischenlager Biblis, die Abfalllager in Gorleben und
Ahaus, das Zwischenlager Mitterteich, das Zwischenlager der Firma Nuclear & Cargo
Service GmbH in Hanau, das Zwischenlager Nord bei Greifswald sowie das Zwischenlager der Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe des Forschungszentrums Karlsruhe).
Radioaktive Abfälle aus Großforschungseinrichtungen werden in der Regel an ihrem Entstehungsort zwischengelagert. Radioaktive Abfälle aus Forschung, Industrie und Medizin
können bei elf Landessammelstellen abgegeben werden. Die Schachtanlage Konrad ist
als Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle (Abfälle mit vernachlässigbarer
Wärmeentwicklung) vorgesehen. Der Planfeststellungsbeschluss für das Endlager der
Schachtanlage Konrad wurde 2002 zugestellt und ist seit 2007 rechtsverbindlich. Der Einlagerungsbeginn wird nicht vor 2019 erwartet.
Gemäß dem Atomgesetz erfolgt die Entsorgung von abgebrannten Brennelementen aus
Kernreaktoren durch Zwischenlagerung und – vorbehaltlich der Verfügbarkeit tief unter
der Erde gelegener stabiler geologischer Formationen – spätere direkte Endlagerung. Die
Betreiber der deutschen Kernkraftwerke haben Standort-Zwischenlager errichtet, in denen
die in diesen Meilern anfallenden abgebrannten Brennelemente bis zur Einstellung des
190
© OECD/IEA, 2013
ENTSORGUNG RADIOAKTIVER ABFÄLLE: HOCHAKTIVE ABFÄLLE
10. Kernenergie
Kraftwerkbetriebs gelagert werden. Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente gibt es
in Deutschland an den Standorten von insgesamt zwölf Kernkraftwerken.
Früher wurden die abgebrannten Brennelemente aus deutschen KKW in Frankreich und
im Vereinigten Königreich wiederaufbereitet. Der Transport abgebrannter Brennelemente
in Wiederaufbereitungsanlagen ist seit dem 1. Juli 2005 jedoch verboten.
Nach Ablauf des zehnjährigen Erkundungs-Moratoriums wurde die Erkundung des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager für hochaktive Abfälle im November 2010 wiederaufgenommen. Zugleich wurde im Juni 2010 eine vorläufige Sicherheitsanalyse eingeleitet, die im zweiten Quartal 2013 abgeschlossen wird. In einer in Zusammenhang mit
dem Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes am 8. Juli 2011 veröffentlichten Protokollerklärung bekräftigte die Bundesregierung ihre Position, dass die Generation, die Kernenergie nutzt, sich auch um die Lagerung der radioaktiven Abfälle sorgen
müsse. Dies schließt die ergebnisoffene Weitererkundung des Salzstocks Gorleben ebenso ein wie ein Verfahren zur Ermittlung allgemeiner geologischer Eignungskriterien und
möglicher Entsorgungsoptionen. Die Weitererkundung des Standorts Gorleben wurde im
Dezember 2012 bis auf Weiteres ausgesetzt, um die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern über die zukünftige Entsorgung radioaktiver Abfälle in
Deutschland nicht zu beeinträchtigen.
REGULIERUNG
Da die Bundesrepublik Deutschland ein Bundesstaat ist, liegt der Vollzug der Bundesgesetze grundsätzlich in der Verantwortung der Bundesländer, soweit nichts anderes
bestimmt ist. Die „staatliche Stelle“ besteht daher aus Behörden des Bundes und der
Länder. Die Länder nehmen ihre aufsichtsrechtliche Funktion hinsichtlich der nuklearen Sicherheit im Auftrag der Bundesregierung wahr (§24 des Atomgesetzes in Verbindung mit den Artikeln 85 und 87c des Grundgesetzes). Die Bundesregierung ernennt
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) durch
Organisationserlass zur obersten aufsichtsrechtlichen Behörde, die für kerntechnische
Sicherheit und Strahlenschutz zuständig ist. In den Verantwortungsbereich des BMU
fällt die Aufsicht des Bundes über die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Handelns der Länder, was auch das bundesaufsichtliche Weisungsrecht umfasst. Nachgeordnete Behörde des BMU ist das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Das BfS unterstützt das BMU fachlich und wissenschaftlich, insbesondere bei der Wahrnehmung der
Bundesaufsicht, der Erarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie bei
der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit.
© OECD/IEA, 2013
Gemäß Atomgesetz werden die für Genehmigung und Aufsicht bei Kernkraftwerken zuständigen obersten Landesbehörden durch die jeweilige Landesregierung bestimmt. Bei
technischen Fragen im Genehmigungsverfahren und in der Aufsicht von KKW werden die
Aufsichtsbehörden der Länder durch unabhängige Gutachterorganisationen unterstützt, in
der Regel die für Kernenergie zuständigen Abteilungen dieser Gutachterorganisationen.
Durch die Verabschiedung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes im
Jahr 2010 wurde nicht nur die EU-Richtlinie 2009/71/EURATOM über die Schaffung eines
Gemeinschaftsrahmens für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen umgesetzt,
sondern es wurden auch neue Bestimmungen über „weitere Vorsorge gegen Risiken“
aufgenommen. Diese neuen Bestimmungen haben den Zweck, weitere Vorsorge gegen
Risiken zu leisten, um die Sicherheit zu erhöhen und zu gewährleisten, dass die KKW das
bestmögliche Sicherheitsniveau aufweisen.
191
10. Kernenergie
SENSIBILISIERUNG DER ÖFFENTLICHKEIT
Die Außendarstellung des BMU erfolgt insbesondere bei Fragen der nuklearen Sicherheit
über einen breiten Fächer von Medien und Aktivitäten, darunter Öffentlichkeitsarbeit
(Pressemitteilungen, Pressekonferenzen und die Organisation von Werksbesichtigungen
für die Öffentlichkeit und die Medien), Informationskampagnen, Veranstaltungen, Informationsbroschüren und Druckerzeugnisse, umfassende Online-Informationsdienste,
audiovisuelle Medien, Aktivitäten im Zusammenhang mit der Umsetzung des Umweltinformationsgesetzes, die Beantwortung von Einzelanfragen und – auf Antrag – öffentliche Vorträge. Darüber hinaus führen die für Genehmigungen und Aufsicht zuständigen
Länderbehörden auf eigene Initiative ähnliche Maßnahmen durch.
BEWERTUNG
Am 14. März 2011 führte die Bundesregierung im Anschluss an den Reaktorunfall von
Fukushima Daiichi ein Moratorium ein, durch das alle deutschen KKW, die vor 1980 den
Leistungsbetrieb aufgenommen hatten, vom Netz genommen wurden. Davon betroffen
waren die KKW Biblis A, Neckarwestheim 1, Biblis B, Brunsbüttel, Isar 1, Unterweser und
Philippsburg 1. Das KKW Krümmel war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschaltet.
Am 30. Juni 2011 bestätigte der Bundestag, dass Deutschland die Erzeugung von Strom
in den deutschen KKW bis Ende 2022 einstellen wird. Dieses Dreizehnte Gesetz zur
Änderung des Atomgesetzes trat am 6. August 2011 in Kraft. Die weitere Berechtigung
zum Leistungsbetrieb wurde für die acht vom Netz genommenen Meiler ab diesem
Datum aufgehoben.
Die im Dezember 2010 festgelegte Laufzeitverlängerung wurde durch die Entscheidung
von August 2011 rückgängig gemacht, und die zusätzlichen Elektrizitätsmengen wurden
gestrichen. Die Bundesnetzagentur beschloss am 31. August 2011, auf die Nutzung der
am 6. August 2011 vom Netz genommenen KKW als Reserve für mögliche Stromengpässe
zu verzichten.
Der Ausstieg aus der Kernenergie findet große Unterstützung, da er jedoch sehr schnell
beschlossen wurde, erfordert er eine Nachjustierung der geplanten Einführungsrate der
erneuerbaren Energien und führt zu finanziellen Belastungen bei den Versorgungsunternehmen und den Netzbetreibern. Aus den Geschäftsberichten geht eindeutig hervor,
dass die Rentabilität der Stromunternehmen durch diese Entscheidung beeinträchtigt
wird, und in einer vor kurzem vorgelegten Schätzung werden die Kosten für den Ausbau
der Ersatzkapazitäten auf 45,8 Mrd. Euro veranschlagt.
Die Bundesregierung hat beschlossen, dass die Versorgungsunternehmen keine Entschädigung für ihre Einnahmeverluste erhalten, jedoch weiterhin der Kernbrennstoffsteuer unterliegen und nach wie vor alle bei der Stilllegung der Kraftwerke und der
Entsorgung der Abfälle anfallenden Kosten vollständig tragen müssen.
192
© OECD/IEA, 2013
Die unmittelbare Folge der Abschaltung der acht Meiler bestand darin, dass Deutschland
für ein halbes Jahr von einem Nettoexporteur zu einem Nettoimporteur wurde, was erhebliche Auswirkungen auf die Stromverfügbarkeit in anderen Teilen Europas hatte. Die
Abschaltung der Kernkraftwerke wird zusätzlichen Druck auf andere Sektoren ausüben,
den Verlust der Kernenergie als CO2-arme Elektrizitätsquelle auszugleichen.
10. Kernenergie
ENTSORGUNG RADIOAKTIVER ABFÄLLE
Radioaktive Abfälle werden zurzeit entweder an den Standorten der Kraftwerke oder in
Lagerstätten in Mitterteich, im Forschungszentrum Karlsruhe und in Hanau zwischengelagert. Es gibt keine Endlager für schwach-, mittel- oder hochaktive Abfälle. Derzeit werden Maßnahmen ergriffen, um einen Standort für die Endlagerung zu finden, wobei die
Kosten je nach Fall anteilsmäßig von den Privatunternehmen und der Bundesregierung
getragen werden.
Für schwach- und mittelaktive Abfälle ist die Endlagerung in tief unter der Erde gelegenen geologischen Formationen vorgesehen (im Schacht Konrad in der Nähe von Salzgitter in Niedersachsen), und derzeit wird über ein neues Erkundungsverfahren für das Endlager von hochaktiven Abfällen diskutiert. Der Planfeststellungsbeschluss für den Schacht
Konrad ist seit 2007 rechtsverbindlich, der Lagerbetrieb wird jedoch voraussichtlich
frühestens 2019 aufgenommen werden. An diesem Standort können 303 000 m3
schwach- und mittelaktive Abfälle gelagert werden.
Hochaktive Abfälle werden gegenwärtig in zwölf Standort-Zwischenlagern und drei externen
Zwischenlagern aufbewahrt, während die Erkundung eines Endlagers neu beginnt. Derzeit
erörtern das BMU und die Länder den Vorschlag, Eignungskriterien für das Erkundungsverfahren festzulegen, um die möglichen Standorte vergleichen zu können. Der Standort in Gorleben stellt nach wie vor eine Möglichkeit dar, angesichts des starken und gut informierten
Widerstands, der sich im Lauf der Jahre gebildet hat, ist ein Festhalten an diesem Standort
jedoch mit großen Schwierigkeiten verbunden. Bis 2029 soll ein geeigneter Standort gefunden sein, und der Betrieb soll 12-15 Jahre später aufgenommen werden.
Die Fortschritte in Bezug auf die Lagerstätte für schwach- und mittelaktive Abfälle sind bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie schwer es ist, öffentliche Unterstützung für ein solches Endlager zu gewinnen. Der Neubeginn der Endlagersuche für hochaktive Abfälle wirft jedoch viele
Fragen in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit eines akzeptablen Ergebnisses auf. Die derzeitigen
Zeitpläne sind lang, und es gibt viele Gründe, die zu Verzögerungen führen können.
Da noch keine Entscheidung über den Standort des Endlagers oder den Zeitplan vorliegt, ist es
schwierig, den Finanzbedarf für die Endlagerung zu bestimmen. Darüber hinaus verursacht die
fortgesetzte Nutzung von Zwischenlagern Kosten, und der Zeitplan für die Schließung dieser
Anlagen ist nicht bekannt. Die Lagerstätten werden sich in staatlicher Hand befinden.
KRAFTWERKSTILLLEGUNG
in Deutschland befinden sich 19 Reaktoren in verschiedenen Phasen der Stilllegung, wobei
die acht 2011 abgeschalteten Kernkraftwerke und die endgültig abgeschalteten Forschungsreaktoren nicht berücksichtigt werden. Es ist daher überaus wichtig, die fachliche Kompetenz
zu bewahren und weiterzuentwickeln, um einen umweltverträglichen Stilllegungsprozess zu
gewährleisten.
© OECD/IEA, 2013
Die Verantwortung für die Stilllegung liegt bei den Versorgungsunternehmen, und dies hat
sich trotz der vorgezogenen Schließung der KKW nicht geändert. Die Verantwortung für die
anderen Anlagen (Forschungs- und Prototypreaktoren) liegt je nach Fall entweder bei der
Bundesregierung oder bei den Ländern. Für die Finanzierung der Stilllegung von Kernkraftwerken sind die Versorgungsunternehmen ebenfalls zuständig. Es gibt kein Sondervermögen
für diesen Zweck.
Die meisten deutschen Kernforschungsanlagen sind bereits oder werden gerade stillgelegt, wenngleich die wichtigen Brennstoffkreislaufanlagen von URENCO und ANF noch in
193
10. Kernenergie
Betrieb sind. Dies bedeutet ein erhebliches Maß an internationaler Erfahrung im Bereich
der Kraftwerkstilllegung. Einige Leistungs- und Forschungsreaktoren sind noch in Betrieb,
auf Grund der hohen Anzahl stillgelegter Anlagen steigt jedoch der Druck, Lösungen für
die Entsorgung radioaktiver Abfälle zu finden.
ENTWICKLUNG DER HUMANRESSOURCEN
Die Bundesregierung hat erkannt, dass für die Restlaufzeit des bestehenden Kernkraftwerksparks, für die Abfallentsorgung und für die Stilllegung der Kraftwerke angemessen
qualifizierte Fachkräfte erforderlich sind, und sie ist sich der Notwendigkeit bewusst, ihre
qualitativ hochwertige Arbeit im Bereich von Kernenergieanwendungen, die nicht der
Stromerzeugung dienen, fortzusetzen. Um diese Kapazitäten auch in Zukunft zu sichern,
wurde ein FuE-Budget eingerichtet. Dieses Programm hat folgende Ziele:

Gewährleistung des sicheren Betriebs der verbleibenden KKW;

Bewahrung des Fachwissens für zukünftige Aufgaben;

Beitrag zu internationalen Sicherheitsfragen im Bereich der Kernenergie.
Im Bundeshaushalt werden jährlich etwa 75 Mio. Euro für nukleare Sicherheitsforschung
und etwa 150 Mio. Euro für Fusionsforschung bereitgestellt. Dies umfasst etwa 10 Mio.
Euro für die Förderung junger Forscher. Es handelt sich um ein beachtenswertes Programm, das einen wichtigen Beitrag dazu leistet, eine angemessene Personalausstattung
zu gewährleisten.
Einige andere Länder sind insofern in einer ähnlichen Lage, als sie entweder aus der
Kernenergie aussteigen oder nur über ein kleines Kernenergieprogramm verfügen. Um
die sinkende Attraktivität dieser Branche für junge Menschen und den damit zusammenhängenden Rückgang an Bildungs- und Ausbildungsprogrammen zu bewältigen und
das notwendige Fachwissen zu sichern, sind internationale Zusammenarbeit und gemeinsame Nutzung von Anlagen wichtig.
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 sich weiter bemühen, das richtige Gleichgewicht zwischen der erforderlichen weiteren Erkundung einer Endlagerstätte und der Notwendigkeit einer angemessenen und
effektiven Einbeziehung der Öffentlichkeit herzustellen; aus den Erfahrungen anderer
Länder in Bezug auf die langfristige Einbeziehung und finanzielle Unterstützung der
von den möglichen Standorten betroffenen Bevölkerung können wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden;
 eine bestmögliche Nutzung der bereitgestellten Ressourcen gewährleisten, indem sie
spezielle Bildungs- und Ausbildungsprogramme durchführt, und sie sollte ihre Mitarbeit
in internationalen Bildungs- und Ausbildungsnetzwerken sowie in kooperativen Forschungsabkommen, wie sie z.B. in der Europäischen Union vorgeschlagen und umgesetzt werden, intensivieren.
194
© OECD/IEA, 2013
 sicherstellen, dass die Finanzausstattung ausreicht, wenn die Einnahmen im Zuge der
Schließung von Reaktoren zurückgehen und außerdem dafür Sorge tragen, dass ausreichend Mittel für die Endlagerung zur Verfügung stehen, wenn die Standortentscheidung getroffen ist;
© OECD/IEA, 2013
TEIL III
ENERGIETECHNOLOGIE
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
11. FORSCHUNG, ENTWICKLUNG UND EINFÜHRUNG IM ENERGIEBEREICH
Eckdaten (2011)
Staatliche Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
(Schätzungen für 2012): 764 Mio. Euro
Anteil am BIP: 0,31 je 1 000 BIP-Einheiten (IEA-Median: 0,39)
Pro-Kopf-Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Einführung: 10,9 US-$
(IEA-Median: 14)
ÜBERBLICK
Am 3. August 2011 veröffentlichte die Bundesregierung das Sechste Energieforschungsprogramm der Bundesregierung mit dem Titel „Forschung für eine umweltschonende,
zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“. Der Zweck dieses Programms besteht
darin, eine im Energiekonzept aufgeführte Schlüsselmaßnahme umzusetzen. Das Programm umfasst darüber hinaus die aus dem Energiepaket von Juni 2011 resultierenden
Anpassungen am Energiekonzept. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Förderung einer hochwertigen, breit angelegten und gut vernetzten – von der Grundlagenforschung bis zur industriellen Anwendung und Demonstration reichenden – Forschung
und Entwicklung (FuE) zu den wichtigsten Voraussetzungen gehört, neue Konzepte zu
erproben, Innovationen zu beschleunigen und zukunftsfähige Energietechnologien an
den Markt heranzuführen.
© OECD/IEA, 2013
Das Programm wurde unter der Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie (BMWi) in Zusammenarbeit mit den anderen für Energieforschungsfragen
zuständigen Ministerien (das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – BMU, das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – BMELV und das Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF) und in
Koordinierung mit anderen Ministerien erstellt. Das Sechste Energieforschungsprogramm
konzentriert sich auf drei Hauptziele:

Beitrag zur Erfüllung der energiewirtschaftlichen und klimaschutzrelevanten Ziele der
Bundesregierung;

Unterstützung von Unternehmen im Bereich moderner Energietechnologien, darunter
Anstrengungen zur Vermarktung dieser Technologien auf den Weltmärkten;

Erschließung, Konsolidierung und Ausweitung technologischer Optionen, um Risiken
für die Volkswirtschaft abzuwenden.
Um diese Ziele zu erreichen, plant die Bundesregierung die Förderung von Forschung,
Entwicklung und Demonstration im Bereich moderner Energietechnologien. Zu diesem
Zweck werden im Zeitraum 2011-2014 insgesamt etwa 3,5 Mrd. Euro für Projektfinanzierung und für institutionelle Förderung im Rahmen des Fachbereichs Energie der
Helmholtz-Gemeinschaft bereitgestellt. Dies entspricht einem Anstieg der Fördermittel
um über 75% gegenüber dem Zeitraum 2006-2009.
197
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
INSTITUTIONEN
Die Bundesregierung unterhält eine Plattform für Energieforschung, die als Hauptinstrument für die Koordinierung der Energieforschungsaktivitäten zwischen den verschiedenen
Ressorts dient.
Das neue Energieforschungsprogramm erweitert die Rolle der Koordinierungsplattform;
es ist geplant, die Koordinierung der Energieforschungsaktivitäten auf Länderebene
ebenfalls zu erfassen. Angesichts der steigenden Anzahl von Forschungsinitiativen im
Energiesektor plant die Bundesregierung die Einrichtung eines zentralen Informationssystems beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, um die Transparenz
der staatlichen Förderpolitik zu erhöhen und eine effektivere Beurteilung und Analyse
der Entwicklungen im Bereich der Energietechnologie zu ermöglichen. Auf der Basis
dieses Informationssystems wird das Ministerium gemeinsam mit den anderen Ressorts
einen „Bundesbericht Energieforschung“ vorlegen, der bestehende Informationen zur
Energieforschung für die Öffentlichkeit und die politisch Verantwortlichen bereitstellt.
Die Ergebnisse des Berichts fließen in den offiziellen Prozess der Bundesregierung zur
Überprüfung der bei der Umsetzung des Energiekonzepts erzielten Fortschritte ein. In
Zukunft wird die Arbeit der Koordinierungsplattform auch die Aktivitäten der Länder auf
dem Gebiet der Energieforschung erfassen.
Vier Bundesministerien sind am Energieforschungsprogramm beteiligt: das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Bei der Unterstützung von FuE kommen zwei Instrumente zum Einsatz: Projektförderung
und institutionelle Förderung. Die Projektförderung wird eingesetzt, um inhaltlich klar
definierte und zeitlich befristete Forschungsvorhaben in Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Universitäten zu unterstützen. Ein charakteristisches Merkmal dieser Projekte
ist ihre Anwendungsorientierung und Marktnähe.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) trägt die Hauptverantwortung für die programmatische Gesamtausrichtung der Energieforschung. Die
Projektförderung des Ministeriums zielt auf den Bereich der nichtnuklearen Technologien,
der die gesamte Energiekette umfasst. Dazu gehören: energieoptimiertes Bauen, energieeffiziente Stadt, Energieeffizienz in der Industrie, im Gewerbe, im Handel und bei Dienstleistungen, Energiespeicher und Netze einschließlich stromversorgungsbezogener Schlüsselelemente der Elektromobilität, Kraftwerkstechnologien und CO2-Abscheidung, Brennstoffzellen/Wasserstoff sowie Systemanalyse. Weitere prioritäre Forschungsbereiche sind
nukleare Sicherheit und Endlager, wobei das Hauptaugenmerk auf den Erhalt und den
Ausbau des wissenschaftlichen Fachwissens gelegt wird.
198
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesregierung bestimmt die Aufteilung der Zuständigkeit im Energieforschungsbereich zwischen den einzelnen Ministerien. Die ressortübergreifende Koordinierung erfolgt im Rahmen der Koordinierungsplattform für Energieforschung. Die Bundesministerien können die Projektförderung innerhalb des ihnen zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs frei gestalten. Darüber hinaus erfolgt eine Frühkoordinierung, die es den
Ministerien ermöglicht, die einzelnen Projekte zu einem frühen Zeitpunkt untereinander
zu besprechen und dadurch Doppelarbeit zu vermeiden.
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
Im Rahmen der institutionellen Förderung der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt das
BMWi die Forschungsarbeit des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt auf den
Gebieten der Verbrennungstechnik, der Solarenergie und der Systemanalyse. Zu den
Projektträgern des BMWi gehören das Forschungszentrum Jülich (40,5 Vollzeitstellen),
das Forschungszentrum Karlsruhe (vier Vollzeitstellen) und die Gesellschaft für Anlagenund Reaktorsicherheit (sechs Vollzeitstellen).
Kasten 9 Die Helmholtz-Gemeinschaft
Die institutionelle Förderung der energiebezogenen FuE erfolgt im Wesentlichen im
Rahmen des Fachbereichs Energie der Helmholtz-Gemeinschaft, eine Institution, die
vom BMWi und BMBF unterstützt wird.
Die Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft konzentrieren sich in der Regel auf
Fragestellungen, die grundlagenorientiert sind oder wegen ihres hohen Maßes an Komplexität oder des Bedarfs an Großgeräten am besten in Großforschungseinrichtungen bearbeitet werden können. Die Helmholtz-Gemeinschaft bringt 18 naturwissenschaftlichtechnische und biologisch-medizinische Forschungszentren zusammen. Mit etwa 32 698
Beschäftigten und einem Jahresbudget von etwa 3,8 Mrd. Euro ist sie die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Die Helmholtz-Gemeinschaft unterstützt die Energiestrategie der Bundesregierung und fördert durch ihre Fachkenntnisse und ihre Erfahrung
die Umsetzung dieser Strategie. Sie schließt darüber hinaus Forschungslücken und ist
bestrebt, die Fortschritte in allen relevanten Bereichen zu beschleunigen.
Die Arbeit der Helmholtz-Gemeinschaft ist in sechs strategische Forschungsbereiche
aufgeteilt: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der
Materie sowie Luftfahrt, Raumfahrt und Verkehr. Im Energiesektor werden die Programme in fünf breit gefassten Themenbereichen organisiert: Erneuerbare Energien,
Rationelle Energieumwandlung und -nutzung, Kernfusion, Nukleare Sicherheitsforschung
sowie Technologie, Innovation und Gesellschaft.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) ist verantwortlich für die Projektförderung in den Bereichen Windenergie, Photovoltaik, Geothermie, Thermische Solarenergie, Solarthermische Kraftwerke, Wasserkraft und Meeresenergie. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Projekten, die einen Beitrag zur Umstellung auf
ein Energiesystem leisten, das auf erneuerbaren Quellen basiert. Projektträger des BMU ist
das Forschungszentrum Jülich (49 Vollzeitstellen).
© OECD/IEA, 2013
Die Projektförderung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) konzentriert sich auf Technologien zur Nutzung der Bioenergie.
Dazu gehören feste, flüssige und gasförmige Biokraftstoffe. Ein Schwerpunkt des BMELV ist
die institutionelle Förderung des Deutschen BiomasseForschungsZentrums (DBFZ). Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (mit Sitz in Gülzow in Mecklenburg-Vorpommern)
führt Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsprojekte im Bereich der Bioenergie
für das BMELV durch (29 Vollzeitstellen).
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist verantwortlich für die Tätigkeiten im Bereich der Grundlagenforschung. Bei der Projektförderung liegen die Schwerpunkte in den Bereichen Photovoltaik, organische Photovoltaik, Bioenergie, Windenergie
und Energieeffizienz. Um langfristig Handlungsmöglichkeiten zu erhalten, fördert das Ministerium auch Projekte im Bereich der Kernfusion. Im Rahmen der nuklearen Sicherheits- und
Entsorgungsforschung sowie der Strahlenforschung fördert das BMBF darüber hinaus junge
199
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
Wissenschaftler, um sicherzustellen, dass in Deutschland in diesen Bereichen die notwendige
Fachkompetenz erhalten bleibt. Das BMBF ist auch zuständig für die allgemeinen Forschungsarbeiten im Fachbereich Energie der Helmholtz-Gemeinschaft, die einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Stellung Deutschlands als exzellenter Forschungsstandort zu
sichern. Die Projektträger des BMBF befinden sich im Forschungszentrum Jülich (16,5 Vollzeitstellen) und im Forschungszentrum Karlsruhe (zwei Vollzeitstellen).
ENERGIEFORSCHUNGSPRIORITÄTEN UND MITTELBEREITSTELLUNG
Die Prioritäten des Energieforschungsprogramms sind auf die im Energiekonzept der
Bundesregierung festgelegten Parameter ausgerichtet. Dazu gehören insbesondere:

erneuerbare Energie;

Energieeffizienz;

Speicher- und Netztechnologie;

die Integration erneuerbarer Quellen in die Energieversorgung;

die Wechselbeziehungen zwischen den für diese Bereiche relevanten Technologietypen.
Netztechnologie ist eine neue Forschungspriorität, die ebenso wie die Energiespeicherforschung ausgeweitet wird. Auf Grund des sektorübergreifenden Charakters dieser
Forschungsbereiche plant die Bundesregierung, diesen Prioritäten durch ressortübergreifende Förderung zu begegnen. Drei Ministerien haben bereits eine gemeinsame
Aufforderung zur Einreichung von Projektvorschlägen im Bereich der Energiespeicher
veröffentlicht; dabei geht es um einen Gesamtförderbetrag von bis zu 200 Mio. Euro.
Abbildung 34 Öffentliche Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich,
1974-2012*
* Schätzungen für 2012.
Anmerkung: Kernenergie umfasst die Ausgaben für Kernfusion.
200
© OECD/IEA, 2013
Quelle: BMWi.
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
MITTELBEREITSTELLUNG
Die Förderpolitik der Bundesregierung basiert auf den folgenden Leitlinien:

strategischer Ansatz;

ressortübergreifende Kooperation;

internationale Perspektive;

Zusammenarbeit und Koordinierung,

Transparenz;

Flexibilität;

Qualitätssicherung.
Deutschland führt seit 1974 Energieforschungsprogramme durch. Die Programme sind
auf die jeweiligen Parameter der deutschen Energiepolitik ausgerichtet. Das Sechste
Energieforschungsprogramm, Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und
bezahlbare Energieversorgung, wurde am 3. August 2011 von der Bundesregierung verabschiedet. Das Programm legt die Leitlinien und Prioritäten der Energieforschungsförderung für die kommenden Jahre fest.
Dieses Programm ist ein wichtiger Schritt in der Umsetzung des Energiekonzepts der
Bundesregierung, das am 28. September 2010 als strategischer Aktionsplan auf dem
Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien verabschiedet wurde.
Das Energieforschungsprogramm hat ein Fördervolumen von etwa 3,5 Mrd. Euro, das
zum großen Teil aus dem von der Bundesregierung am 1. Januar 2011 eingerichteten
Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ finanziert wird. Für den Zeitraum 20112014 werden aus dieser Quelle weitere 685 Mio. Euro für das Programm bereitgestellt.
Diese Mittel werden ausschließlich für FuE-Projekte in den Bereichen erneuerbare Energien
und Energieeffizienz eingesetzt.
Eine ausführliche Aufschlüsselung der Fördermittel findet sich in den Tabellen 23 und 24.
© OECD/IEA, 2013
Abbildung 35 Das Energieforschungsprogramm der Bundesregierung
Quelle: Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, Sechstes Energieforschungsprogramm, BMWi.
201
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
Tabelle 23 Haushaltsmittel des BMWi für energiebezogene FuE (Mio. Euro)
Plandaten
Ist 2010
Soll 2011
2012
2013
2014
Rationelle Energieverwendung
118,3
119,3
120,9
115,1
122,5
Elektromobilität
16,8
21,2
0
0
0
0
22,0
28,5
103,2
113,5
Nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung
33,0
33,3
33,7
34,1
34,1
(1) Summe
168,1
195,8
183,1
252,5
270,1
Rationelle Energieverwendung
12,7
14,2
14,6
15,3
16,0
Erneuerbare Energien
3,5
3,6
4,2
4,5
4,7
Energie- und Klimafonds
Institutionelle Förderung
(DLR in der Helmholtz-Gemeinschaft)
Technologie, Innovation, Gesellschaft
1,2
1,2
1,2
1,2
1,2
(2) Summe
17,4
19,0
20,0
21,0
21,9
(1+2) Gesamtsumme
185,5
214,8
203,1
273,5
292,0
Plandaten
Ist 2010
Soll 2011
2012
2013
2014
120,9
115,1
122,5
Rationelle Energieverwendung
118,3
119,3
Elektromobilität
16,8
21,2
0
0
0
0
22,0
28,5
103,2
113,5
Nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung
33,0
33,3
33,7
34,1
34,1
(1) Summe
168,1
195,8
183,1
252,5
270,1
Rationelle Energieverwendung
12,7
14,2
14,6
15,3
16,0
Erneuerbare Energien
3,5
3,6
4,2
4,5
4,7
Technologie, Innovation, Gesellschaft
1,2
1,2
1,2
1,2
1,2
(2) Summe
17,4
19,0
20,0
21,0
21,9
(1+2) Gesamtsumme
185,5
214,8
203,1
273,5
292,0
Energie- und Klimafonds
Institutionelle Förderung
(DLR in der Helmholtz-Gemeinschaft)
Quelle: Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, Sechstes Energieforschungsprogramm, BMWi.
Evaluierung
202
© OECD/IEA, 2013
Der Projektträger führt im Rahmen der Projektförderung in der Regel für jedes einzelne Projekt eine gründliche Bewertung durch (z.B. Fortschrittsberichte, Abschlussberichte, Ergebnisverwertung sowie Preisprüfungen). Darüber hinaus werden die Forschungsergebnisse häufig
auf Fachtagungen vorgestellt. In einigen Fällen werden Beiräte gegründet, die Empfehlungen
hinsichtlich der Fördertätigkeit aussprechen. Außerdem unterziehen die zuständigen Ministerien ihre Fördertätigkeit in regelmäßigen Abständen einer Ex-ante-Evaluierung.
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
Tabelle 24 Von anderen Ministerien bereitgestellte Haushaltsmittel für energiebezogene FuE (Mio. Euro)
Plandaten
Ist 2010
Soll 2011
2012
2013
2014
Projektförderung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Erneuerbare Energien
Energie- und Klimafonds
(1) Summe
120,2
128,9
148,9
158,4
158,4
0
22,0
16,0
71,4
91,0
120,2
150,9
164,9
229,8
249,4
Projektförderung durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Bioenergie
Energie- und Klimafonds
(2) Summe
23,2
25,0
25,0
25,0
25,0
0
9,0
6,5
29,3
37,0
23,2
34,0
31,5
54,3
62,0
Projektförderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
Energieeffizienz
12,1
15,3
15,8
16,3
12,3
Erneuerbare Energien
16,3
18,7
18,2
17,7
18,6
Nukleare Sicherheits- und Endlagerforschung
9,1
10,0
10,0
10,0
10,0
Fusionsforschung
8,3
11,0
14,0
14,0
11,0
0
15,0
11,5
47,9
61,0
45,8
70,0
69,5
105,9
112,9
Energie- und Klimafonds
(3) Summe
Institutionelle Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung: Helmholtz-Gemeinschaft
Rationelle Energieumwandlung und -nutzung
46,1
41,1
41,8
42,7
43,5
Erneuerbare Energien
37,7
42,4
43,3
44,3
45,3
Nukleare Sicherheitsforschung
29,5
29,7
30,2
30,8
31,5
Fusionsforschung
122,7
137,1
138,7
140,6
142,6
7,3
7,7
7,8
7,9
8
Technologie, Innovation, Gesellschaft
Sonstige Maßnahmen
0
5,2
23,7
34,3
19,5
(4) Summe
243,3
263,2
285,5
300,6
290,4
(1+2+3+4) Gesamtsumme
432,5
518,1
551,4
690,6
714,7
Quelle: Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, Sechstes Energieforschungsprogramm, BMWi.
© OECD/IEA, 2013
RESSORTÜBERGREIFENDE INITIATIVEN
Die staatliche Technologieförderung muss sich an diese neuen Entwicklungen anpassen.
Eine wichtige Rolle spielen dabei ressortübergreifende Förderstrategien. Durch Kooperation verschiedener Ressorts ist es am besten möglich, das jeweilige Fachwissen zu nutzen,
Synergievorteile zu erzielen und Kräfte zu bündeln, um auf den für die künftige Energieversorgung Deutschlands wichtigen Feldern die notwendigen technologischen Durchbrüche
zu erzielen.
203
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
Gemeinsame Förderstrategien bieten sich vor allem auf Gebieten an, bei denen:

der Komplexitätsgrad der Technologie hoch ist und Systemzusammenhänge zu beachten sind;

eine enge Verzahnung von Grundlagenforschung, angewandter Forschung, Ersterprobung und Vermarktung wichtig ist;

die Politik möglichst rasch Erfolge erzielen will.
Die Bundesregierung hat entschieden, zunächst auf drei Gebieten ressortübergreifende
Förderinitiativen zu entwickeln und umzusetzen: „Energiespeicher“, „Netze“ und „Solares
Bauen – energieeffiziente Stadt“. Diese Initiativen stehen untereinander in einem fachlichen und politischen Zusammenhang und bedürfen in besonderer Weise der weiteren
Abstimmung mit verwandten bzw. vergleichbaren Initiativen in Deutschland (z. B. in den
Bundesländern) und Europa.
Abbildung 36 Ressortübergreifende Forschungsinitiativen
Quelle: Forschung für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, Sechstes Energieforschungsprogramm, BMWi.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium für Bildung und Forschung
fördern FuE bei Speichertechnologien mit jeweils unterschiedlichen Ausrichtungen. Dadurch
leisten sie aktiv einen Beitrag für den Weg in eine hocheffiziente und überwiegend auf
erneuerbaren Energieträgern basierende Energieversorgung.
Im Kontext der Hightech-Strategie der Bundesregierung sind diese ressortübergreifenden
Förderinitiativen ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der auf die Zukunft der Energie-
204
© OECD/IEA, 2013
Da die drei Bundesministerien (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie Bundesministerium
für Bildung und Forschung) FuE im Bereich Netze mit jeweils unterschiedlichen Ausrichtungen fördern, können durch eine enge ressortübergreifende Zusammenarbeit Synergien
genutzt und dringend notwendige technologische Entwicklungen beschleunigt werden.
Wegen der Dringlichkeit der anstehenden Investitionen zum Netzausbau und der
Anpassung an hohe Anteile erneuerbarer Energien ist eine intensive und koordinierte
Zusammenarbeit aller Akteure auf diesem Gebiet besonders wichtig. Dies schließt auf
Grund der europäischen Dimension des Themas Stromnetze eine Verstärkung der
EU-Kooperation im Rahmen des Strategischen Energietechnologieplans (SET-Plan) ein.
Ziel der gemeinsamen Fördermaßnahme „Solares Bauen – energieeffiziente Stadt“ ist es,
die Anstrengungen in den strategisch wichtigen Feldern auszubauen und zu verstärken.
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
erzeugung, -verteilung und -nutzung abzielenden Projekte „Intelligenter Umbau der Energieversorgung“ und „CO2-neutrale, energieeffiziente und klimaangepasste Stadt“.
Diese Projekte werden im Rahmen der den jeweiligen Bundesministerien zugewiesenen
fachlichen Verantwortung und Zuständigkeit durchgeführt. Die Umsetzung der Projekte erfordert eine enge Abstimmung, gute Kooperation und ein gemeinsames Programmmanagement.
Abbildung 37 Staatliche Budgets für Forschung, Entwicklung und Einführung in den
IEA-Mitgliedsländern, 2011
Je 1 000 BIP-Einheiten in US-$ zu KKP
1.8
Series3
Anteil der Kernenergie
1.6
1.4
1.2
1.0
0.8
0.6
0.4
0.2
0.0
Anmerkung: Für Luxemburg, die Tschechische Republik und die Türkei liegen keine Daten vor.
Quelle: OECD-Wirtschaftsausblick, OECD Paris, 2012 und von der Bundesregierung zur Verfügung gestellte Unterlagen.
INTERNATIONALE ZUSAMMENARBEIT
Im europäischen Kontext wird die Bundesregierung die Anstrengungen deutscher Antragsteller bei der Mitwirkung und erfolgreichen Umsetzung des Strategischen Energietechnologieplans (SET-Plan) der EU unterstützen. Deutschland misst Projekten mit einer
klaren europäischen Dimension Priorität bei, insbesondere bei folgenden Forschungsthemen: Stromnetze, erneuerbare Energien, Speichertechnologien, Energieeffizienz
sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung. Deutschland nimmt an 24 multilateralen
Technologieinitiativen der IEA (Durchführungsvereinbarungen) teil.
© OECD/IEA, 2013
BETEILIGUNG DES PRIVATSEKTORS
Die Industrie spielt eine entscheidende Rolle, insbesondere im Bereich der anwendungsorientierten Forschungsförderung. Sie arbeitet in vielen Fällen in Verbundprojekten mit
Universitäten und Forschungszentren zusammen und stellt darüber hinaus oft private Fördermittel für FuE-Aktivitäten bereit. Für Projekte, die von kommerziellen Unternehmen
205
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
durchgeführt werden, stellt die Regierung maximal 50% der Mittel bereit (kleinen und
mittleren Unternehmen kann ein Bonus gewährt werden). Die Fördersätze werden in Einklang mit den Entwicklungsrisiken festgelegt und können daher niedriger als 50% sein.
Aus im November 2010 vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, einer Gemeinschaftsaktion der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Innovation im deutschen Wissenschaftssystem, veröffentlichten Daten geht hervor, dass der Privatsektor 2009 etwa 300 Mio.
Euro für energiebezogene Forschung bereitgestellt hat. Die Zahlen des Stifterverbands basieren auf Erhebungen des Statistischen Bundesamts.
BEWERTUNG
Um das festgelegte energiepolitische Ziel zu erreichen, müssen die Möglichkeiten einer
effektiven Politik im Bereich Forschung, Entwicklung und Einführung (research, development and deployment – RD&D) umfassend geprüft werden. Vor diesem Hintergrund
veröffentlichte die Bundesregierung im August 2011 das neue Energieforschungsprogramm, das RD&D-Aktivitäten fördert, um die im Energiekonzept 2010 festgelegten
politischen Ziele unter Berücksichtigung einiger im Rahmen des Energiepakets von Juni
2011 verabschiedeten Anpassungen zu erreichen.
Zu den Hauptförderquellen gehören der Bundeshaushalt und der Energie- und Klimafonds.
Die Bundesregierung hat das Budget für die Förderung von RD&D-Aktivitäten im Bereich der
Energietechnologien in den letzten zehn Jahren erhöht und beabsichtigt, den Förderbetrag,
der sich 2006-2009 auf 1,9 Mrd. Euro belief, für den Zeitraum 2011-2014 auf 3,5 Mrd. Euro
zu erhöhen, um die im Energieforschungsprogramm festgelegten Ziele zu erreichen. Dieses
Engagement der Bundesregierung für eine weitere Erhöhung der energiebezogenen RD&DAusgaben ist zu begrüßen.
Was den prozentualen Anteil der energiebezogenen RD&D-Ausgaben am BIP anbelangt,
so liegt Deutschland unter den IEA-Mitgliedsländern im unteren Bereich. Dies ist teilweise darauf zurückzuführen, dass einige wichtige fortgeschrittene Technologien (Batterien,
Informations- und Kommunikationstechnologien, Festkörpermaterialien usw.) derzeit im
Datensystem der Bundesregierung nicht als energiebezogene Technologien eingestuft
werden. Da nur begrenzte öffentliche Mittel für energiebezogene RD&D zur Verfügung
stehen, sollte die Kostenwirksamkeit des RD&D-Programms erhöht werden. Die Bundesregierung sollte die Datenerhebung hinsichtlich RD&D verbessern, um die energiebezogenen RD&D-Ausgaben überprüfen zu können und sicherzustellen, dass die Mittel effizient in Einklang mit den energiepolitischen Prioritäten zugeteilt werden.
Die Bundesregierung stellt RD&D-Fördermittel für einen breiten Fächer von technischen
Bereichen bereit, konzentriert sich jedoch zugleich auf einige wichtige Schwerpunkte.
Die energiebezogene RD&D-Förderung ist in Deutschland im Allgemeinen eng mit den
energiepolitischen Gesamtzielen des Landes verbunden. So wird erneuerbaren Energien
und Energieeffizienz beispielsweise im Energiekonzept hohe Priorität eingeräumt, und
diese Bereiche erhalten erhebliche öffentliche RD&D-Fördermittel.
2011 wurde das Informationssystem Energieforschung eingeführt, um die Transparenz zu
erhöhen und die Fortschritte der von der Bundesregierung geförderten RD&D-Aktivitäten zu
überwachen. Der erste „Bundesbericht Energieforschung“ wurde 2012 veröffentlicht. Dar-
206
© OECD/IEA, 2013
Die Bundesregierung hat eine Koordinierungsplattform eingerichtet, die es den betroffenen Ministerien ermöglicht, ihre Finanzmittel effizient zuzuteilen. Das neue Energieforschungsprogramm erweitert diese Koordinierungsfunktion auf die Länderregierungen.
11. Forschung, Entwicklung und Einführung im Energiebereich
über hinaus bezieht die Bundesregierung die Privatwirtschaft aktiv ein, indem sie RD&DAktivitäten verschiedener Branchen fördert, um die Markteinführung neuer Technologien zu
erleichtern. Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, die Effektivität der staatlichen Fördermittel insgesamt zu erhöhen.
In Deutschland sind derzeit in einem breiten Fächer wichtiger Technologiebereiche wie
Maschinenbau, Elektrotechnik und Elektronik, chemische Technologien, Automobilindustrie
usw. gute Fortschritte zu verzeichnen. Die IEA ermutigt die Bundesregierung, auf der Basis
dieser Erfahrungen in verschiedenen Technologiebereichen eine breitere Perspektive einzunehmen und das Förderspektrum zu erweitern, um langfristige Herausforderungen bewältigen zu können. Zu den Bereichen, die in Zukunft gefördert werden könnten, gehören
Brennstoffzellen, Wasserstoff und Alternativen zu seltenen Erden. Deutschlands kontinuierliches und starkes Engagement für energiebezogene RD&D wird nicht nur Deutschland
zugute kommen, sondern dem Energiesektor weltweit.
Angesichts des steigenden Bedarfs an neuen kohlenstoffarmen Technologien sollte die
Bundesregierung die Bildungsprogramme im Bereich der Energietechnologie in Zusammenarbeit mit Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen verbessern. Eine gute
Möglichkeit zur Optimierung der RD&D-Ausgaben stellt die Teilnahme an internationalen
Kooperationsprogrammen dar. Deutschland nimmt auf bilateraler und multilateraler
Ebene aktiv an solchen Programmen teil. Im europäischen Kontext unterstützt die Bundesregierung die Anstrengungen deutscher Antragsteller bei der Mitwirkung am Strategischen
Energietechnologieplan der EU. Darüber hinaus beteiligt sich Deutschland verstärkt an der
Arbeit der IEA.
EMPFEHLUNGEN
Die Bundesregierung sollte:
 die Fördermittel für RD&D weiter erhöhen, um sicherzustellen, dass die Innovation im
Bereich der Energietechnologie ausreicht, um die im Energiekonzept aufgeführten
Herausforderungen bewältigen zu können;
 die Koordinierungsplattform weiter ausbauen, um alle beteiligten Akteure effektiv
einzubeziehen;
 die zu bewältigenden Aufgaben im RD&D-Bereich weiter prüfen und ihr RD&DPortfolio kontinuierlich an die sich ändernden nationalen energiepolitischen Prioritäten anpassen;
© OECD/IEA, 2013
 die Anstrengungen hinsichtlich der Bildungs- und Ausbildungsprogramme im Energiebereich fortsetzen, um den künftigen Bedarf an Forschern und Ingenieuren decken zu
können.
207
© OECD/IEA, 2013
TEIL IV
ANHÄNGE
Anhänge
ANHANG A: ORGANISATION DER PRÜFUNG
PRÜFUNGSKRITERIEN
Die Gemeinsamen Ziele, die von den Ministern der IEA-Länder bei ihrer Tagung vom
4. Juni 1993 in Paris angenommen wurden, dienen als Beurteilungskriterien für die von
der Agentur durchgeführten Länderprüfungen. Die Gemeinsamen Ziele sind in Anhang C
dargelegt.
PRÜFUNGSPROZESS
Das Prüfungsteam hielt sich vom 26.-30. März 2012 in Berlin auf. Während des einwöchigen Besuchs traf das Prüfungsteam mit Regierungsvertretern, Vertretern von
Ministerien und staatlichen Stellen, Energieerzeugern und -versorgern, Interessengruppen
und verschiedenen anderen Organisationen und Akteuren zusammen. Verfasst wurde
dieser Bericht auf der Basis der bei diesen Zusammenkünften erhaltenen Informationen,
der Antworten der Bundesregierung auf den IEA-Fragebogen sowie anderer aus
zahlreichen Quellen stammenden Informationen. Das Prüfungsteam dankt den vielen
Personen, mit denen es während seines Aufenthalts zusammengetroffen ist, für ihre
Kooperationsbereitschaft und die gewährte Gastfreundschaft. Dank ihrer Offenheit und
Aufrichtigkeit war der Besuch äußerst produktiv.
Insbesondere möchte das Team Stefan Kapferer, Beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Detlef Dauke, Ministerialdirektor,
Energiepolitik, BMWi, und Diethard Mager, Ministerialrat, Energiepolitik, BMWi, für ihr
persönliches Engagement bei seinem Besuch danken. Großer Dank gebührt auch ihren
Mitarbeitern im Ministerium für ihre Bereitschaft, dem Team detailliert über die Energiepolitik in Deutschland Auskunft zu geben. Das Prüfungsteam möchte sich ferner beim
Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit für seine Beteiligung an dem
Besuch und seine Unterstützung während des gesamten Prozesses bedanken. Die
Bereitschaft aller Beteiligten auf deutscher Seite, Informationen zur Verfügung zu stellen,
und ihre große Gastfreundschaft trugen nicht zuletzt zu einem erfolgreichen und
produktiven Besuch bei.
Der besondere Dank des Autors gilt Oliver Bornkamm, stellvertretender Referatsleiter
(BMWi) für die Koordinierung des Besuchs des Prüfungsteams und seine laufende
Unterstützung während des Entwurfsprozesses wie auch Patrick Specht, Berater in
Energie- und Handelsfragen, Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei
der OECD, für seine Unterstützung und Beratung während des gesamten Prozesses.
© OECD/IEA, 2013
Das Prüfungsteam setzte sich aus folgenden Mitgliedern zusammen:

Teamleiterin – Marie-Pierre Fauconnier, Generaldirektorin, Wirtschaftsministerium,
Belgien und Vorsitzende des IEA-Verwaltungsrats

Florence Tordjman, stellvertretende Leiterin der Abteilung Energie, Generaldirektion
für Energie und Klimawandel, Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Industrie,
Frankreich
211
Anhänge

Anders Højgaard Kristensen, Leiter der Abteilung Stromübertragung, Danish Energy
Agency, Dänemark

Ed Stafford, Leiter des Bereichs Gas Markets Policy, International Energy and Energy
Security, Department of Energy and Climate Change, Vereinigtes Königreich

Lukas Gutzwiller, Senior Energy Policy Advisor, Sektion Internationales, Bundesamt
für Energie, Schweiz

Dinko Raytchev, Economic Analyst, Energiemärkte, Energiepolitik & Marktbeobachtung
Strom, Gas, Kohle und Erdöl, Europäische Kommission – Generaldirektion Energie

Ron Cameron, Abteilungsleiter, Abteilung Nuklearentwicklung, Kernenergie-Agentur
der OECD

Laszlo Varro, Leiter der Abteilung Gas-, Kohle- und Strommärkte, IEA

Cedric Philibert, Senior Analyst, Abteilung Erneuerbare Energien, IEA

Shinji Fujino, Abteilungsleiter, Abteilung Länderstudien, IEA

Lisa Ryan, Energy Economist, Referat Energieeffizienz, IEA

Kieran McNamara, Länderreferent, Abteilung Länderstudien, Internationale EnergieAgentur
Die Prüfung stand unter der Leitung von Ulrich Benterbusch, Leiter der Abteilung Globale
Energiepolitik, IEA. Für den organisatorischen Ablauf der Prüfung war Kieran McNamara
zuständig, der auch den Bericht verfasste, mit Ausnahme von Kapitel 3 über Energieeffizienz und Kapitel 6 über Erdöl, die gemeinsam mit Lisa Ryan bzw. Andrew Robertson
ausgearbeitet wurden. Die in den einzelnen Kapiteln enthaltenen Abschnitte über
Energiedaten wurden von Sonja Lekovic zusammengestellt. Ulrich Benterbusch, Rebecca
Gaghen, Kijune Kim, Paolo Frankl, Ron Cameron, Gabriele Gwinner, Douglas Cooke,
Manuel Baritaud, Dennis Volk, Anne-Sophie Corbeau, Thijs van Hittersum, Carlos
Fernández Alvarez, Christina Hood, Justine Garret, Sylvia Beyer, Sonja Lekovic, Simon
Müller und Cédric Philibert steuerten hilfreiche Kommentare für die Erstellung dieses
Berichts bei.
212
© OECD/IEA, 2013
Die Abbildungen wurden von Sonja Lekovic, Catherine Smith und Bertrand Sadin erstellt.
Karen Treanton und Zakia Adam leisteten Unterstützung für die statistische Aufbereitung. Muriel Custodio, Cheryl Haines, Astrid Dumond und Angela Gosmann waren
für den Produktionsablauf zuständig. Viviane Consoli leistete redaktionelle Unterstützung, und Catherine Smith und Sonja Lekovic halfen bei der Erstellung der endgültigen Fassung dieser Studie.
© OECD/IEA, 2013
ANHANG B:
ENERGIEBILANZEN UND STATISTISCHE SCHLÜSSELDATEN
Anhänge
Einheit: Mio. t RÖE
AUFKOMMEN
GESAMTENERGIEGEWINNUNG
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle1
Kernenergie
Wasserkraft
Windkraft
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
NETTOEINFUHREN INSGESAMT 2
Kohle
Ausfuhren
Einfuhren
Nettoeinfuhren
Erdöl
Ausfuhren
Einfuhren
Bunker
Nettoeinfuhren
Erdgas
Ausfuhren
Einfuhren
Nettoeinfuhren
Strom
Ausfuhren
Einfuhren
Nettoeinfuhren
BESTANDSVERÄNDERUNGEN INSG.
GESAMTAUFKOMMEN3
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle1
Kernenergie
Wasserkraft
Windkraft
Geothermie
Solarenergie/Sonstige2
Stromhandel4
Anteile (in %)
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle
Kernenergie
Wasserkraft
Windkraft
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
Stromhandel
1973
171.7
141.4
6.9
16.4
2.5
3.2
1.3
164.1
18.3
15.2
-3.1
9.8
170.7
-7.0
153.9
0.1
12.4
12.3
0.7
1.7
1.0
-1.1
334.7
139.4
158.7
28.6
2.5
3.2
1.3
1.0
1990
186.2
121.7
0.1
4.7
13.5
4.8
39.8
1.5
0.0
0.0
0.0
160.3
8.1
11.5
3.4
10.1
132.2
-7.0
115.1
0.9
42.7
41.7
2.6
2.7
0.1
4.7
351.1
128.6
121.4
55.0
4.8
39.8
1.5
0.0
0.0
0.0
0.1
2010
132.6
45.1
3.3
11.0
29.6
36.6
1.8
3.3
0.5
1.5
193.8
1.0
32.8
31.8
18.6
131.3
-10.8
101.8
17.2
78.8
61.6
5.0
3.7
-1.3
3.3
329.8
77.1
105.2
75.8
29.4
36.6
1.8
3.3
0.5
1.4
-1.3
2011
124.2
46.5
3.5
10.9
26.7
28.2
1.5
4.2
0.6
2.2
188.5
1.0
32.7
31.7
18.3
125.7
-10.5
96.9
14.7
75.1
60.4
4.7
4.4
-0.3
-1.0
311.8
77.4
101.9
69.6
26.6
28.2
1.5
4.2
0.6
2.2
-0.3
2020
104.6
33.8
1.8
8.6
35.5
8.2
1.7
8.7
2.1
4.3
161.9
0.9
23.3
22.4
13.0
108.7
-10.0
85.6
6.5
60.3
53.8
3.3
3.3
0.0
266.5
56.2
87.4
62.4
35.5
8.2
1.7
8.7
2.1
4.3
0.0
2030
88.4
14.0
0.6
5.0
43.7
2.1
12.1
4.1
6.8
128.3
0.3
12.3
12.0
7.1
77.6
-9.9
60.6
4.9
53.6
48.7
2.0
5.8
3.8
216.7
26.1
61.2
53.7
46.8
2.1
12.1
4.1
6.8
3.8
2040
80.4
4.6
1.4
43.7
2.1
14.3
6.2
8.1
104.7
0.1
10.0
9.8
3.0
51.7
-9.5
39.3
3.0
40.4
37.4
1.4
8.9
7.5
185.1
14.4
39.3
38.9
54.3
2.1
14.3
6.2
8.1
7.5
41.6
47.4
8.6
0.7
0.9
0.4
0.3
36.6
34.6
15.7
1.4
11.3
0.4
-
23.4
31.9
23.0
8.9
11.1
0.5
1.0
0.2
0.4
-0.4
24.8
32.7
22.3
8.5
9.0
0.5
1.3
0.2
0.7
-0.1
21.1
32.8
23.4
13.3
3.1
0.6
3.3
0.8
1.6
-
12.0
28.2
24.8
21.6
1.0
5.6
1.9
3.2
1.7
7.8
21.2
21.0
29.3
1.1
7.7
3.3
4.4
4.1
214
© OECD/IEA, 2013
0: unerheblich, -: null, .. nicht verfügbar
Die Projektionen basieren auf Unterlagen für 2010/2011.
Anhänge
Einheit: Mio. t RÖE
NACHFRAGE
ENDVERBRAUCH
Gesam t-Endenergieverbrauch (EEV)
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle1
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
Strom
Wärme
© OECD/IEA, 2013
Anteile (in %)
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
Strom
Wärme
INDUSTRIE INSGESAMT5
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle1
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
Strom
Wärme
1973
241.7
55.7
133.3
18.6
1.7
26.9
5.5
1990
240.7
39.2
111.2
39.1
3.0
0.0
0.0
39.1
9.1
2010
229.9
7.4
94.7
56.6
13.5
0.5
0.4
45.5
11.3
2011
221.0
8.2
92.0
51.2
13.7
0.6
0.6
44.9
10.0
2020
202.6
7.5
80.2
42.9
19.3
1.0
1.5
40.8
9.4
2030
176.1
4.8
55.7
35.0
28.5
2.0
3.3
39.2
7.7
2040
154.6
3.5
35.1
29.1
35.4
2.7
4.5
38.3
6.0
23.0
55.1
7.7
0.7
11.1
2.3
16.3
46.2
16.2
1.2
16.3
3.8
3.2
41.2
24.6
5.9
0.2
0.2
19.8
4.9
3.7
41.6
23.2
6.2
0.3
0.3
20.3
4.5
3.7
39.6
21.2
9.5
0.5
0.7
20.1
4.6
2.7
31.6
19.9
16.2
1.2
1.9
22.2
4.4
2.3
22.7
18.8
22.9
1.8
2.9
24.8
3.9
105.5
29.5
46.5
12.5
0.0
15.3
1.6
89.1
21.1
26.9
19.3
0.8
18.6
2.4
78.8
6.1
24.0
21.5
4.3
19.4
3.5
78.8
6.6
23.2
21.3
3.7
19.8
4.0
72.6
6.8
21.0
18.6
5.8
0.1
16.9
3.4
63.6
4.4
17.6
16.4
6.1
0.1
16.0
3.1
57.9
3.2
15.0
16.0
6.1
0.2
15.0
2.5
Anteile (in %)
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
Strom
Wärme
VERKEHR3
SONSTIGE6
Kohle
Torf
Erdöl
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle1
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
Strom
Wärme
28.0
44.1
11.9
14.5
1.5
23.7
30.2
21.7
0.9
20.9
2.7
7.7
30.4
27.3
5.5
24.6
4.4
8.4
29.5
27.0
4.7
25.2
5.1
9.4
28.8
25.6
8.1
0.1
23.2
4.7
6.8
27.6
25.8
9.6
0.2
25.1
4.8
5.5
25.8
27.6
10.5
0.3
25.9
4.4
36.1
100.1
24.5
53.2
6.1
1.7
10.7
3.9
54.4
97.2
18.2
31.0
19.8
2.2
0.0
0.0
19.3
6.7
53.7
97.5
1.3
22.3
34.3
6.3
0.5
0.4
24.7
7.8
54.2
88.1
1.6
19.6
29.2
7.0
0.6
0.6
23.6
6.0
50.3
79.7
0.7
17.5
23.2
7.9
1.0
1.5
22.0
5.9
44.4
68.1
0.5
10.3
16.6
10.4
1.9
3.3
20.5
4.6
37.6
59.2
0.3
5.5
11.2
12.2
2.6
4.5
19.4
3.4
Anteile (in %)
Kohle
Torf
Erdgas
Biokraftstoffe und Abfälle
Geothermie
Solarenergie/Sonstige
Strom
Wärme
24.4
6.1
1.7
10.7
3.9
18.7
20.3
2.2
19.9
6.9
1.3
35.2
6.4
0.5
0.5
25.3
8.0
1.8
33.2
7.9
0.6
0.6
26.8
6.8
0.9
29.2
9.9
1.2
1.9
27.6
7.4
0.7
24.4
15.3
2.8
4.8
30.0
6.8
0.6
18.9
20.6
4.3
7.7
32.7
5.8
215
Anhänge
Einheit: Mio. t RÖE
NACHFRAGE
ENERGIEUMWANDLUNG UND ENERGIEVERLUSTE
STROMERZEUGUNG7
1973
1990
2020
2011
INPUT (Mio. t RÖE)
98.5
138.0
143.0
131.5
99.6
71.3
57.0
OUTPUT (Mio. t RÖE)
32.2
47.1
53.5
51.8
46.4
39.6
33.9
374.4
547.7
622.0
602.4
539.9
461.0
394.3
69.0
58.7
44.0
45.1
37.6
18.9
10.5
-
-
-
-
-
-
-
Erdöl
12.0
1.9
1.3
1.1
..
..
..
Erdgas
(Brutto-Teraw attstunden)
Outputanteile (%)
Kohle
Torf
2020
2030
2040
10.9
7.4
14.0
13.9
18.1
22.6
13.6
Biokraftstoffe und Abfälle
0.8
0.9
6.4
7.3
9.9
13.3
16.1
Kernenergie
3.2
27.8
22.6
17.9
5.8
-
-
Wasserkraft
4.1
3.2
3.3
2.9
3.7
5.2
6.1
Windkraft
-
-
6.1
8.1
18.8
30.6
42.3
Geothermie
-
-
-
-
0.2
0.4
1.0
Solarenergie/Sonstige
-
-
2.4
3.7
5.9
9.0
10.5
92.5
110.2
100.8
92.0
63.7
40.5
30.4
59.9
80.2
77.2
68.5
43.0
23.3
16.5
8.7
9.4
7.4
7.3
6.7
6.1
5.5
23.9
20.6
16.3
16.1
14.1
11.1
8.3
0.5
0.2
-1.0
-1.2
0.1
0.1
0.1
1973
1990
2010
2011
2020
2030
2040
1491.80
2216.30
2959.10
3048.70
3214.46
3470.73
3769.80
78.96
79.36
81.76
81.78
80.50
79.10
76.90
Gesamt-'Primärenergieverbrauch/BIP10
0.22
0.16
0.11
0.10
0.08
0.06
0.05
Energieerzeugung/Gesamt-Primärenergieverbrauch
Gesamt-Primärenergieverbrauch pro Kopf 11
0.51
0.53
0.40
0.40
0.39
0.41
0.43
4.24
4.42
4.03
3.81
3.31
2.74
2.41
Mineralölverbrauch/BIP10
0.11
0.06
0.04
0.03
0.03
0.02
0.01
EEV/BIP10
0.16
0.11
0.08
0.07
0.06
0.05
0.04
ENERGIEVERLUSTE INSGESAMT
Strom- und Wärmeerzeugung8
Sonstige Umw andlungen
Eigenverbrauch und Energieverluste9
Statistische Differenzen
INDIKATOREN
BIP (Mrd. US-$ von 2005)
Bevölkerung (Millionen Einw ohner)
Pro-Kopf-EEV 11
Energiebedingte CO2-Emissionen (Mio. t CO2) 12
CO2-Emissionen von Bunkern (Mio. t CO2)
WACHSTUMSRATEN (in % pro Jahr)
Gesamt-Primärenergieverbrauch
Kohle
Torf
3.06
3.03
2.81
2.70
2.52
2.23
2.01
1053.1
949.7
769.0
747.6
604.4
396.4
261.1
21.4
21.1
32.7
31.7
30.3
30.0
28.7
73-90
90-00
00-10
10-11
11-20
20-30
30-40
0.3
-0.4
-0.2
-5.5
-1.7
-2.0
-1.6
-0.5
-4.1
-0.9
0.3
-3.5
-7.4
-5.7
-
-
-100.0
-
-
-
-
-1.6
0.3
-1.7
-3.1
-1.7
-3.5
-4.3
Erdgas
3.9
2.7
0.5
-8.2
-1.2
-1.5
-3.2
Biokraftstoffe und Abfälle
3.9
5.1
14.1
-9.6
3.2
2.8
1.5
Kernenergie
16.1
1.0
-1.9
-23.1
-12.8
-100.0
-
Wasserkraft
0.8
2.2
-0.6
-15.5
1.6
1.8
-0.0
Windkraft
-
63.2
15.0
29.4
8.4
3.3
1.7
Geothermie
-
33.2
15.7
10.4
15.3
6.8
4.3
Solarenergie/Sonstige
-
30.2
29.2
53.0
7.6
4.8
1.7
Erdöl
EEV
-0.0
-0.4
-0.1
-3.9
-1.0
-1.4
-1.3
Stromverbrauch
2.2
0.6
0.9
-1.4
-1.0
-0.4
-0.2
Energieproduktion
Nettoerdölimporte
0.5
-3.1
-0.2
-6.4
-1.9
-1.7
-0.9
-1.7
0.3
-1.5
-4.9
-1.4
-3.4
-4.2
BIP
Zunahme des Gesamt-Primärenergieverbrauch/BIP-Quotienten
Zuw achs des EEV/BIP-Quotienten
2.4
1.9
1.0
3.0
0.6
0.8
0.8
-2.0
-2.3
-1.2
-8.1
-2.3
-2.9
-2.3
-2.3
-1.0
-7.7
-1.5
-2.1
-2.2
-2.3
Anmerkung: Die Abw eichungen in den Summen erklären sich aus Rundungen.
216
© OECD/IEA, 2013
davon:
Anhänge
FUSSNOTEN ZU DEN ENERGIEBILANZEN UND STATISTISCHEN SCHLÜSSELDATEN
1. Die Rubrik „Biokraftstoffe und Abfälle“ umfasst feste Biokraftstoffe, flüssige Biokraftstoffe, Biogase, Industrieabfälle und Hausmüll. Die Daten sind häufig
Teilerhebungen entnommen und länderübergreifend nicht vergleichbar.
2. Neben Kohle, Erdöl, Erdgas und Strom schließen die Nettoeinfuhren insgesamt auch
Torf, Biokraftstoffe und Abfälle sowie den Wärmehandel mit ein.
3. Ohne Bunkerbestände der internationalen Seeschiff- und Luftfahrt.
4. Das Gesamtstromaufkommen entspricht dem Nettohandel. Ein negativer Wert beim
Anteil des Gesamtaufkommens gibt an, dass die Ausfuhren über den Einfuhren
liegen.
5. Einschließlich nichtenergetischer Verbrauch.
6. Die Rubrik „Sonstige“ umfasst die privaten Haushalte, den gewerblichen Sektor, den
öffentlichen Sektor, Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und sonstige nicht
genannte Sektoren.
7. Die Inputs für die Stromerzeugung umfassen die Inputs für Elektrizitätswerke, KWKAnlagen und Heizkraftwerke. Der Output bezieht sich ausschließlich auf die
Stromerzeugung.
8. Energieverluste, die bei der Strom- und Wärmeerzeugung der Versorgungsbetriebe
und bei Eigenerzeugern entstehen. Bei der Stromerzeugung ohne Verwendung
fossiler Brennstoffe werden die theoretischen Energieverluste auf der Basis einer
Anlageneffizienz von etwa 33% für die Kernenergie, 10% für die Geothermie und
100% für die Wasserkraft, Windenergie und Photovoltaik angezeigt.
9. Die Daten zu den „Energieverlusten“ für die kommenden Jahre weisen häufig große
statistische Differenzen auf, die sich aus Abweichungen zwischen den Angebots- und
Nachfrageerwartungen ergeben, zumeist aber die realen Erwartungen hinsichtlich
der Umwandlungsgewinne und -verluste nicht widerspiegeln.
10. Tonnen RÖE je 1 000 US-$ zu Preisen und Wechselkursen von 2005.
11. Tonnen RÖE je Person.
© OECD/IEA, 2013
12. „Energiebedingte CO2-Emissionen“ sind nach dem in den Überarbeiteten IPCCLeitlinien von 1996 enthaltenen IPCC-Sektoransatz (IPCC Tier I) geschätzt worden. Im
Einklang mit der IPCC-Methodik sind Emissionen internationaler Schifffahrts- und
Luftfahrtbunker in den nationalen Gesamtwerten nicht enthalten. Die projizierten
Emissionen aus der Mineralöl- und Erdgasverbrennung wurden durch Berechnung
des Verhältnisses Emissionen/Energieeinsatz für das Jahr 2010 und Anwendung
dieses Faktors auf die Prognosen für den künftigen Energieverbrauch ermittelt. Die
künftigen Emissionen aus der Kohleverbrennung fußen auf produktspezifischen
Verbrauchsprojektionen und werden anhand von IPCC/OECD-Emissionsfaktoren und
-Methoden berechnet.
217
Anhänge
ANHANG C: GEMEINSAME ZIELE DER IEA-LÄNDER
Die Mitgliedstaaten* der IEA bemühen sich, die nötigen Voraussetzungen zu schaffen,
damit die Energiesektoren ihrer Volkswirtschaften den größtmöglichen Beitrag zu einem
nachhaltigen Wirtschaftswachstum, zum Wohlergehen der Bevölkerung und zum Schutz
der Umwelt leisten können. Ein grundlegender Gesichtspunkt bei der Konzipierung der
Energiepolitik ist die Schaffung freier und offener Märkte, wobei die Regierungen jedoch
der Energiesicherheit und dem Umweltschutz besonderes Gewicht beimessen müssen. Die
IEA-Länder erkennen die Bedeutung der zunehmenden weltweiten Interdependenz im
Energiebereich an. Sie streben daher ein wirksames Funktionieren der internationalen
Energiemärkte an und fördern den Dialog mit allen Marktteilnehmern. Zur Verwirklichung
ihrer Ziele bemühen sich die Mitgliedsländer um die Schaffung eines Aktionsrahmens, der
den nachstehenden Erfordernissen gerecht wird.
1. Diversifizierung, Effizienz und Flexibilität im Energiesektor sind grundlegende Voraussetzungen für die längerfristige Energieversorgungssicherheit: Die Energieverbrauchsstruktur in und zwischen den einzelnen Sektoren sollte ebenso wie die Lieferquellen für die
jeweiligen Energieträger so breit gefächert wie möglich sein. Nichtfossile Energieträger,
namentlich Kern- und Wasserkraft, leisten zur Diversifizierung des Energieangebots der
IEA-Länder als Gruppe einen wesentlichen Beitrag.
2. Die Energiesysteme sollten imstande sein, unverzüglich und flexibel auf energiewirtschaftliche Krisensituationen zu reagieren. Das erfordert in einigen Fällen kollektive
Mechanismen und Aktionen: Die IEA-Länder arbeiten im Rahmen der Agentur zusammen,
um gemeinsame Maßnahmen für den Fall einer Ölversorgungskrise zu definieren.
3. Die umweltverträgliche Bereitstellung und Verwendung von Energie ist von zentraler
Bedeutung für die Verwirklichung dieser gemeinsamen Ziele. Die Entscheidungsträger
sollten bestrebt sein, die negativen Umweltfolgen energiewirtschaftlicher Aktivitäten so
gering wie möglich zu halten, und umgekehrt sollte bei Entscheidungen im Umweltbereich den energiewirtschaftlichen Folgen Rechnung getragen werden. Der Staat sollte
seine Interventionen soweit irgend möglich am Verursacherprinzip ausrichten.
© OECD/IEA, 2013
4. Es müssen verstärkt umweltverträgliche Energiequellen gefördert und entwickelt
werden. Von wesentlicher Bedeutung ist hier die saubere und rationelle Verwendung
der fossilen Brennstoffe. Priorität gebührt ferner auch der Nutzung wirtschaftlich
rentabler nichtfossiler Energieträger. Eine Anzahl von IEA-Mitgliedstaaten möchte die
Kernkraftoption, unter Anwendung der strengsten verfügbaren Sicherheitsstandards,
auch in Zukunft aufrechterhalten und weiter verbessern, weil die Kernkraftnutzung nicht
mit Kohlendioxidemissionen verbunden ist. Erneuerbare Energiequellen werden
ebenfalls einen zunehmend wichtigen Beitrag zu leisten haben.
5. Die Steigerung der Energieeffizienz ist ein kostenwirksames Mittel, um sowohl den
Umweltschutz als auch die Energieversorgungssicherheit zu fördern. Das Potenzial zur
rationelleren Energienutzung ist auf sämtlichen Stufen des Energiezyklus von der
Produktion bis hin zum Verbrauch beträchtlich. Um diese Möglichkeiten zu nutzen,
bedarf es energischer Anstrengungen von Seiten der Regierungen wie auch sämtlicher
Energieverbraucher.
219
Anhänge
6. Fortgesetzte Bemühungen auf dem Gebiet von Forschung, Entwicklung und Markteinführung neuer und verbesserter Energietechnologien leisten einen entscheidenden
Beitrag zur Verwirklichung der oben umrissenen Ziele. Energietechnologische Maßnahmen
sollten die Energiepolitik im weiteren Sinne ergänzen. Die internationale Zusammenarbeit
bei der Entwicklung und Verbreitung von Energietechnologien, insbesondere auch die
Einbeziehung der Wirtschaft und die Zusammenarbeit mit Nichtmitgliedstaaten, sollte
gefördert werden.
7. Nichtverzerrte Energiepreise ermöglichen ein wirksames Funktionieren der Märkte.
Die Energiepreise dürfen nicht im Interesse sozialer oder industrieller Ziele künstlich
unter den effektiven Kosten der Energieversorgung gehalten werden. Die durch Energieerzeugung und -verwendung bedingten Umweltkosten sollten sich, soweit möglich und
nötig, in den Preisen niederschlagen.
8. Ein freizügiger und offener Handel und zuverlässige Rahmenbedingungen für
Investitionen tragen zu effizienten Energiemärkten und zur Energieversorgungssicherheit
bei. Verzerrungen bei Energiehandel und energiewirtschaftlichen Investitionen müssen
vermieden werden.
9. Die Zusammenarbeit aller Energiemarktteilnehmer untereinander trägt dazu bei,
den Informationsfluss und das Verständnis zu verbessern, und fördert weltweit die
Entwicklung effizienter, umweltverträglicher und flexibler Energiesysteme und -märkte.
Diese sind nötig, um die Investitionen, den Handel und das Vertrauen zu fördern, was
wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Verwirklichung der globalen Energiesicherheits- und Umweltziele darstellt.
(Die Gemeinsamen Ziele wurden von den Ministern der IEA-Länder auf der Tagung vom
4. Juni 1993 in Paris, Frankreich, angenommen.)
220
© OECD/IEA, 2013
*Australien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Japan,
Kanada, Korea, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal,
Schweden, Schweiz, Slowakische Republik, Spanien, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Vereinigtes
Königreich, Vereinigte Staaten.
Anhänge
ANHANG D: GLOSSAR UND ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
© OECD/IEA, 2013
Im vorliegenden Bericht wird eine Reihe der von der IEA verwendeten Begriffe durch
Abkürzungen und Akronyme ersetzt. Diese Begriffe wurden zwar bei ihrer erstmaligen
Erörterung im Text in der Regel ausgeschrieben, doch bietet das Glossar eine rasche und
zentrale Nachschlagemöglichkeit für viele der verwendeten Abkürzungen.
ACER
Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
AGEB
b/d
BAFA
Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen
Barrel pro Tag
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
BfS
Bundesamt für Strahlenschutz
BGR
BKartA
BMBF
BMBVS
BMELV
Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe
Bundeskartellamt
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
BMF
BMU
BMWi
BNetzA
CCS
DEHSt
Bundesministerium der Finanzen
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Bundesnetzagentur
CO2-Abscheidung und -Speicherung
Deutsche Emissionshandelsstelle
DENA
EBV
EE
EEG
EEV
EEX
ENTSO-E
EU-ETS
EWI
FNB
FuE
Deutsche Energie-Agentur
Erdölbevorratungsverband
Erneuerbare Energien
Erneuerbare-Energien-Gesetz
Endenergieverbrauch
European Energy Exchange
Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber
Emissionshandelssystem der Europäischen Union
Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln
Fernleitungsnetzbetreiber
Forschung und Entwicklung, insbesondere im Bereich Energietechnologie,
kann auch die Demonstrations- und Verbreitungsphase umfassen
Gas- und Dampfturbinen-Anlagen
Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen
Tausend Barrel pro Tag
GuD
IPCC
kb/d
221
Anhänge
KfW
Kreditanstalt für Wiederaufbau
KGV
KKP
Koordinierungsgruppe Versorgung
Kaufkraftparitäten: Währungsumrechnungsfaktoren, durch die die Kaufkraft
verschiedener Währungen gleichgesetzt wird, d.h. Schätzwerte der
Differenzen im Preisniveau der einzelnen Länder
KKW
KMU
Kernkraftwerk
Kleine und mittlere Unternehmen
kt
Tausend Tonnen
KVR
KWK
LNG
Krisenversorgungsrat
Kraft-Wärme-Kopplung
Flüssigerdgas
3
Mio. m
Mio. t RÖE
Mio. t SKE
Mrd. m³
NCG
Millionen Tonnen Rohöleinheiten, vgl. „t RÖE“
Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten
Milliarden Kubikmeter
Net Connect Germany
NEEAP
Nationaler Energieeffizienz-Aktionsplan
NESO
NREAP
PV
RD&D
National Emergency Sharing Organisation
Nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energie
Photovoltaik
Forschung, Entwicklung und Einführung (research, development and
deployment)
RSK
Reaktor-Sicherheitskommission
SSK
t RÖE
THG
TSC
Strahlenschutzkommission
Tonne Rohöleinheiten, definiert als 107 kcal
Treibhausgas
ÜNB-Sicherheritskooperation (Transmission System Operator Security
Cooperation
Umweltbundesamt
Übertragungsnetzbetreiber
Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen
Verteilernetzbetreiber
UBA
ÜNB
UNFCCC
VNB
222
Flüssiggas
Millionen Kubikmeter
© OECD/IEA, 2013
LPG
Dieses Dokument wurde ursprünglich auf Englisch veröffentlicht.
© OECD/IEA, 2013
Die IEA hat zwar im Rahmen des Möglichen sichergestellt, dass die deutsche Übersetzung
dem englischen Original getreu ist, kleine Abweichungen sind jedoch nicht auszuschließen.
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