Dokumentation des Besuchsprogramms 2008

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Dokumentation des Besuchsprogramms 2008
Deutsch-Japanisches Studienprogramm für Fachkräfte der Jugendarbeit
„Lebenskompetenz fördern“
vom 17. bis 31. Mai 2008 in Japan
Dokumentation der Fachdelegation A2
„Förderung benachteiligter Jungendlicher“
im Auftrag des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Inhaltsverzeichnis
VORWORT ............................................................................................................................................ 4
ABLAUF DES PROGRAMMS IN JAPAN ................................................................................................ 8
EINFÜHRUNG...................................................................................................................................... 10
ERFAHRUNGSBERICHTE ..................................................................................................................... 16
Tag 2: Fachvortrag (19.05.2008)....................................................................................................... 16
Tag 3: Tokyo Metropolitan Education Consultation Center (20.05.2008).................................. 21
Tag 4: Fachvortrag über „Wakamono Jiritsu Juku“ (21.05.2008) ................................................ 25
Tag 4: „Wakamono Jiritsu Juku“: Yokohama Modern Apprenticeship Center (21.05.2008) . 31
Tag 5-9: National Ozu Youth Friendship Center (22.-26.05.2008) ................................................ 36
Tag 6: Fachvortrag an der Universität von Ehime (23.05.2008)................................................... 40
Tag 6: Free space „Noraneko-Gakkan“ (23.05.2008)................................................................... 45
Tag 7: Job-Café „Ai-Work“ in Ehime (24.05.2008) ......................................................................... 48
Tag 9: Ozu FUREAI School des Ozu Youth Friendship Center (26.05.2008) ................................ 51
Tag 11: Öffentliche Mittelschule Shinjuku (28.05.2008) ................................................................. 57
Tag 11: Futaba Fashion Academy (28.05.2008) ............................................................................ 64
LISTE DER TEILNEHMENDEN ................................................................................................................ 67
KURZINFORMATION........................................................................................................................... 68
-2-
Die in dieser Dokumentation verwendeten Fotos
stammen ausschließlich von den Teilnehmenden.
Foto Deckblatt:
Fachdelegation A2 mit japanischen
Teilnehmenden aus 2007 beim Fach
kräfteseminar am 29.05.2008
-3-
Vorwort
Nach dem Beschluss der jeweils verantwortlichen Fachministerien, dem deutschen
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und dem
japanischen Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie
(MEXT) verantwortet seit 2005 das Japanisch-Deutsche Zentrum Berlin (JDZB)
gemeinsam mit IJAB – Fachstelle für internationale Jugendarbeit die Leitung eines
deutsch-japanischen Fachkräfteaustausches unter dem übergreifenden Thema
„Lebenskompetenz fördern“. Im Rahmen dieses Programms besuchen jeweils zwei
Fachdelegationen das andere Land, um in einen Erfahrungsaustausch zu spezifischen jugendpolitischen Themenstellungen mit den Fachkollegen zu treten.
In den Jahren 2005 bis 2007 stand der Austausch der durch das JDZB verantworteten
Delegation (A2) unter dem Thema „Vermittlung sozialer Kompetenzen“. In Anbetracht wachsender Bemühungen um die gelingende Integration insbesondere
sozial benachteiligter junger Menschen, regte Mitte 2007 die deutsche Seite die
Hinwendung zu diesem Themenkomplex an. Das Problem der Benachteiligung
junger Menschen wird in Deutschland insbesondere im Kontext mit Kinderarmut,
dem in verschiedenen Studien verdeutlichten Zusammenhang von sozialer Herkunft
und Bildungserfolg und den damit verbundenen Chancen auf dem Ausbildungsund Arbeitsmarkt diskutiert. Die Komplexität und Brisanz des Problems verlangt
künftig nach Bemühungen aller gesellschaftlicher Kräfte, darunter auch der Kinderund Jugendhilfe, um benachteiligten Jugendlichen ein soziales Umfeld zu schaffen,
in dem sie Kompetenzen erwerben, sich entfalten und Verantwortung übernehmen
können.
Auch in Japan gerät diese Problematik zunehmend in den Fokus des öffentlichen
Interesses. Seit Jahren wird versucht, „Jugendlichen mit Schwierigkeiten“, wie die
Zielgruppe im Japanischen genannt wird, Chancen zu eröffnen, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Unter dem Begriff „Jugendliche mit Schwierigkeiten“ subsumieren dabei Kinder und Jugendliche, die nicht zur Schule gehen, die
sozial abgeschottet bzw. isoliert leben, junge Menschen, die keine Ausbildung oder
Bewerbung anstreben oder die keine feste oder lediglich Anstellungen im Niedriglohnsektor finden. Darüber hinaus zählen zu den „Jugendlichen mit Schwierigkeiten“ junge Menschen mit Behinderungen und jene, die aus krankheitsbedingten
Gründen nicht an außerschulischen Aktivitäten teilnehmen können.
Angesichts ähnlich gelagerter Problemstellungen konnten die Verantwortlichen
beider
Ministerien
sich
mit
dem
Thema
„Förderung
benachteiligter
Jugendlicher“ auf den gemeinsamen Schwerpunkt der Zusammenarbeit in den
nächsten Jahren einigen.
-4-
Im Programm der Fachdelegation A2 sollen dabei insbesondere junge Menschen
mit Problemen in Schule und in der Übergangsphase in Ausbildung und/oder Beruf
im Mittelpunkt stehen. Durch Fachvorträge und -gespräche, Besuche nationaler
Modellprojekte, aber auch langfristig angelegter kommunaler Maßnahmen und
Engagements von freien Trägern sollen die Teilnehmenden die unterschiedlichen
Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe in Japan erfahren. Neben dem Austausch mit
den japanischen Fachkräften soll die Teilnahme am Programm eine tiefgreifende
fachliche Reflexion und Diskussion des eigenen Tätigkeitsfelds ermöglichen und die
Auseinandersetzung mit den fachlichen Ansätzen des Gastgeberlandes, aber auch
der eigenen deutschen Kolleginnen und Kollegen anregen.
Deutsche Delegation mit den Gastfamilien
Unter diesen Voraussetzungen wurden Ende 2007 interessierte Fachkolleginnen und
-kollegen aus dem Arbeitsbereich „Förderung benachteiligter Jugendlicher – soziale
und berufliche Integration“ eingeladen, sich um die Teilnahme am
deutsch-japanischen Fachkräfteaustausch zu bewerben. Die vier Teilnehmerinnen
und vier Teilnehmer waren Vertreterinnen und Vertreter von freien Trägern der
Jugendhilfe, die sich der sozialen und beruflichen Integration junger Menschen
widmen, der Bundesmodellprojekte „Kompetenzagentur“ und „Schulverweigerung –
die 2. Chance“, aber auch Berufsberater aus den Agenturen für Arbeit. Im April 2008
absolvierten diese acht Teilnehmenden die erste Etappe ihres persönlichen
Erlebnisses „Japan“, das Vorbereitungsseminar. Dieses Wochenende dient einem
Kennenlernen in allen Belangen. Dem Kennenlernen jener, mit denen man selbst
das große Abenteuer antreten wird, dem Kennenlernen eines äußerst anspruchsvollen und auch anstrengenden Programms, dem Kennenlernen erster japanischer
-5-
Höflichkeitsfloskeln sowie dem Kennenlernen der Fettnäpfchen, die Japan neben
seiner Gastfreundschaft für seine Gäste auch bereit hält. Neben Dress-Code,
Visitenkartenübergabe, der Sorge ob der möglichen kommunikativen Hürden und
kulturellen Missverständnisse standen im Mittelpunkt dieses Seminars aber auch die
fachlichen Erwartungen der Teilnehmenden. Dazu gehörten in dieser Delegation u.
a. folgende Fragen rund um das Thema „Förderung benachteiligter Jugendlicher in
Japan“:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Sozialisations- und Interventionsmöglichkeiten außerhalb der Familie
Anregungen für die Arbeit mit schulabsenten Jugendlichen
Formen außerschulischer Angebote für Jugendliche
Umgang mit gesellschaftlichem Leitungsdruck
Bedeutung der Kreativität in der Arbeit für benachteiligte Jugendliche
Ideen für den Umgang mit Verweigerungshaltungen junger Menschen
Verlust moralischer Werte und deren gesellschaftliche Auswirkungen
Identifikationsmöglichkeiten für junge Menschen
Einfluss des Staates auf Bildung und Schule
Ritualisierungsformen in der Jugendarbeit
Gibt es eine Lobby für benachteiligte Jugendliche?
Die folgenden Erfahrungsberichte der Teilnehmenden dokumentieren wichtige
Stationen des fachlich-inhaltlichen Programms in Japan. So ist z. B. der Bericht von
Meike von Appen geeignet, die Bedeutung des Lebensmottos des ehemaligen
Rektors der Uni Tôkyô, SAKAGUCHI Junji, und des durch ihn mitentwickelnten Förderprogramms nachzuvollziehen; „Die jungen Menschen sind voller Möglichkeiten und
Antrieb als Vorreiter für eine neue Zeit. Aber sie brauchen dazu die liebevolle Unterstützung von Erwachsenen.“ Stephanie Schöne hingegen reflektiert in ihrem Bericht
den Besuch der Ozu FUREAI School und damit verbunden die japanischen Ansätze,
sich dem Problem der Schulabsenz zu stellen. Dies sind nur zwei Beispiele von acht
sehr persönlichen Blicken auf japanische Erlebnisse und Begebenheiten.
Ich möchte Sie herzlich einladen teilzuhaben an diesen Eindrücken, dem Abgleich
zwischen dem im Vorfeld des Eintauchens in eine andere Welt Gelesenen oder
Gehörten und dem in Japan selbst Gesehenen und Gefühlten. Sicherlich haben sich
nicht alle persönlichen Hoffnungen der Teilnehmenden erfüllt. So muss das
Kabuki-Theater ebenso auf einen zweiten Besuch verschoben werden wie die
Besteigung des Fuji-san. Dennoch, lassen Sie sich durch die folgenden Berichte entführen und begeistern von einem Land, für das es eine Reihe von Klischees und
auch Vorurteilen gibt, welches aber, bei genauerem Hinsehen, vielfältig, spannend,
einzigartig und in jedem Fall mindestens eine Reise wert ist.
Das Gelingen eines solchen Austauschprogramms ist von vielen Faktoren abhängig.
Ein entscheidender ist die vertrauensvolle und gelungene Zusammenarbeit der
Beteiligten. In diesem Kontext gilt der besondere Dank zunächst unserem japa-6-
nischen Partner, dem National Institution for Youth Education (NIYE), und dem
Zuwendungsgeber MEXT. Auf deutscher Seite wurden die Bemühungen um ein
qualitativ hochwertiges und anspruchsvolles Austauschprogramm von unserem Partner IJAB, aber auch vom BMFSFJ und dem Bundesverwaltungsamt tatkräftig unterstützt, auch Ihnen gilt unser großer Dank. Ein Austauschprogramm zweier
unterschiedlicher Kulturen steht und fällt mit der sprachlichen und interkulturellen
Vermittlung: unser besonderer Dank gilt dem unermüdlichen Einsatz unserer
Dolmetscherin, IWAMA Tomoko, die zum fachlichen Austausch, der Vertiefung des
Themas sowie dem Verständnis für das jeweils andere Land eine entscheidende
Rolle gespielt und damit zum Gelingen des Programms in erheblicher Weise
beigetragen hat.
Mir, als Delegationsleiterin der A2, bleibt zum Abschluss der Dank an acht deutsche
Fachkräfte, die mich als Japanerin mein eigenes Land mit einem anderen Blick
erleben ließen, die Dinge hinterfragten, die mir vertraut und „normal“ sind, die das
eine oder andere Mal Durchhaltevermögen bewiesen, auch wenn die Reserven am
Ende schienen und die Reflexionsrunde noch nicht einmal begonnen hatte und die
im entscheidenden Moment die eigenen Belange zurück- und in den Dienst der
Gruppe stellten. Dafür an dieser Stelle meinen herzlichen Dank.
Berlin, im April 2009
Nauka Miura
Am Strand in einer der wenigen Pausen in Ehime
-7-
Ablauf des Programms in Japan
Tag Dat.
Ort
0
17.5.
Sa.
Paris
1
18.5.
So.
19.5.
Mo.
Tokyo
2
3
20.5
Di.
4
21.5.
Mi.
5
22.5.
Do.
6
23.5.
Fr.
Zeit
Programm
Treffpunkt am Gate
23:35 Abflug Paris (AF 278) nach Narita Int’l Airport
18:00 Ankunft in Tokyo
22:30 interne Besprechung A2
Tokyo 10:00 Einführung (gemeinsam mit A1)
1. Programmeinführung
2. Vorstellung der Arbeit des NIYE
Referent: Herr YAMAMOTO Yûji, Abteilungsleiter Program Dept., NIYE
13:30– Fachvortrag: „Jugendpolitische Maßnamen für benachteiligte Jugendliche in Japan“
16:00 Referent: Herr YAMANAKA Kazuyuki, stellv. Referatsleiter und Fachreferent Förderung
der Erlebnispädagogik und Internat. Jugendarbeit, Referat Jugend, Abteilung Sport
und Jugend, MEXT
16:15 Besuch Playpark Haru no Ogawa (Frühlingsbach) in Yoyogi Shô-Kôen (Kleiner Yoyogi
Park) gemeinsam mit A1
18:00- Begrüßungsempfang
Tokyo 09:30- Besuch des Tokyo Metropolitan Education Consultation Center
12:00 Rundgang, Überblick über das Center (Schwerpunkt: Unterstützung der
schulabsenten Kinder und Jugendliche), Diskussion
14:00- Reflexion im Hotel
17:00 - u.a. Fragen für den Schulbesuch (28.5.) zusammenfassen
Tokyo 09:30- Fachvortrag: Vorstellung des Projektes „Wakamono Jiritsu Juku“ (Schule zur
12:00 Selbständigkeit junger Menschen)
Referent: Herr Junji SAKAGUCHI, Vorsitzender Fachkomitee des Projekts
* Situation von NEET (Not in Employment, Education or Training) und Freeter
(Jobhopper) in Japan, Vorstellung des Konzepts „Wakamono Jiritsu Juku“
Negishi 15:00 Praxisbesuch: Wakamono Jiritsu Juku „Yokohama Modern Apprenticeship Center
(Y-MAC)“
Abendessen und Austausch mit Jugendlichen des Y-MAC
Tokyo
11:05 Abflug vom Flughafen Haneda (JL 1465)
Ehime 12:40 Ankunft am Flughafen Matsuyama
16:00 Höflichkeitsbesuch beim Bürgermeister der Stadt Ôzu (Herr Takao ÔMORI)
17:20 Ankunft National Ozu Youth Friendship Center
17:30 Rundgang durch die Bildungsstätte
20:30 Fachvortrag: Die Arbeit des National Ozu Youth Friendship Center
21:30 Reflexion
Ehime 10:00 Fachvortrag: „Förderung der Partizipation von Jugendlichen an Schulen und im
Sozialraum“
Referent: Herr Satoshi SHIRAMATSU (Associate-Professor der Universität Ehime)
14:00 Besuch des Free space „Noraneko-Gakkan“
-16:00 Fachvortrag: Angebote des Noraneko-Gakkan
Referentin: Frau Shimako SHIOMI (Leiterin des Noraneko- Gakkan, freier Träger)
Kennenlernen des japanischen Lebensstils:
2 Std. Onsen/heiße Quelle und Abendessen (Buffet)
19:30- Austausch
mit
Jugendlichen,
Mitarbeitern
und
Ehrenamtlichen
des
21:30 Noraneko-Gakkans
-8-
Tag Dat.
7
24.5.
Sa.
Ort
Ehime
Zeit
Programm
10:00- Besuch des Job-Café „Ai-Work“ und
12:00 Fachvortrag: „Förderung von Jugendlichen beim Übergang ins Berufsleben“
Referentin: Frau Yumi ÔUCHI (Leiterin des Job-Cafés)
14:20- Kennenlernen der japanischen Kultur (Teezeremonie)
16:20
18:00
Austauschabend mit Vorstellung der Gastfamilien
anschließend ins Homestay
8
25.5.
So.
26.5.
Mo.
Ehime
10 27.5.
Di.
11 28.5.
Mi.
Tokyo
12 29.5.
Do.
Tokyo
13 30.5.
Fr.
Tokyo
14 31.5.
Sa.
Tokyo
9
Ehime
Tokyo
ganztägig: Homestay
09:30
Austausch mit Jugendlichen der Ôzu FUREAI School
Fachgespräch mit Fachkräften der Ôzu FUREAI School
nachm. Vertiefungsseminar mit den Mitarbeitern des National Ozu Youth Friendship Center
ganz- Selbststudium
tägig
09:15 Besuch der öffentlichen Mittelschule Shinjuku
-11:30
Nach- Besuch der Futaba Fashion Academy
mittag Unterrichtsbesichtigung (2 Klassen in der 6. Stunde) und Gespräch mit Lehrkräften
Reflexion / Abendessen (Selbstverpflegung)
Vorm. Selbststudium
13:15 Japanisch-Deutsches Fachkräfteseminar
-16:30 (Diskussion mit ehemaligen japanischen TN aus 2007)
Reflexion: Vorbereitung der Auswertung
10:00 Auswertungsgespräch A1+A2
14:30 Kennenlernen der Japanischen Kultur (gemeinsam mit A1)
Besuch des Tokyo National Museum
18:00- Abschlussparty
20:30
Rückflug nach Deutschland
Besuch des Nezu Schrein
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Einführung
Bericht über die Studienreise im Rahmen des Deutsch-Japanischen Studienprogramms für Fachkräfte der Jugendarbeit 2008
In der Zeit vom 18.05. bis zum 31.05.2008 nahm eine Fachdelegation aus 8
Expert/innen der Jugendberufshilfe an einer Studienreise nach Japan teil. Thema
der Studienreise war:
„Lebenskompetenz fördern – Förderung benachteiligter Jugendlicher“.
Organisiert wurde der Studienaustausch vom Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin
(JDZB), der Fachstelle für internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland (IJAB) im Auftrag des Deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie dem Japanischen Ministerium für Bildung, Kultur,
Sport, Wissenschaft und Technologie (MEXT) in Kooperation mit der National Institution for Youth Education (NIYE). Unsere Reiseziele waren die Hauptstadt Tokyo und
die Region Ehimé auf der im Süden gelegenen Insel Shikoku.
In der deutschen Fachdelegation waren Berufsberater der Agentur für Arbeit,
Mitarbeiter/innen freier Träger aus den Bereichen Schulsozialarbeit und Projekten der
Bildung und beruflichen Orientierung Jugendlicher sowie aus Leitungen von sozialen
Ausbildungsträgern. Die Leitung der Delegation hatte Frau Nauka Miura vom
Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin. In Japan stand uns während des gesamten
Aufenthalts eine engagierte Dolmetscherin, Frau Tomoko Iwama, zur Seite. Zur
Vorbereitung der Studienreise fand vom 11.-13. April 2008 ein Vorbereitungsseminar
im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin statt. Neben landeskundlichen
Informationen erhielten wir eine Einführung in die inhaltliche Problematik, erlernten
nützliche japanische Worte der Begrüßung sowie besonders zu beachtende
japanische Bräuche und probierten unser erstes Sushi.
In einem umfangreichen und gut organisierten Programm besuchten wir in Japan 17
Institutionen und Projekte. Neben Fachvorträgen und dem Informationsaustausch
mit den Mitarbeiter/innen fanden 3 offizielle Empfänge mit Vertretern der
gastgebenden Institutionen statt. Dabei standen der Dank für die Ermöglichung der
Studienreise und ein Austausch über die kulturellen Eigenheiten im Vordergrund. Die
lecker angerichteten kulinarischen Köstlichkeiten und unsere (vorher eingeübten)
musikalischen Darbietungen sorgten für freundliche Stimmung in der - oft sprachlich
eingeschränkten - Begegnung zweier sich fremder Kulturen. Trotz des
umfangreichen Studienprogramms gab es ein wenig Zeit, auf „eigene Faust“ die
Großstadt Tokyo mit 18 Mio. Einwohnern zu entdecken und die Kleinstadt Ozu in der
Region Ehimé auf der Insel Shikoku kennen zu lernen. Besuche in einem Onsen (Bad
einer heißen Vulkanquelle) und historischer Orte im ländlichen Raum, die Teilnahme
an einer Teezeremonie sowie der Besuch des Nationalmuseums in Tokyo
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verschafften uns viele Eindrücke der japanischen Kultur. Spannend für alle
Teilnehmer/innen war der Wochenendaufenthalt in einer japanischen Gastfamilie,
der herzliche Empfang und die liebevolle und umfassende Betreuung durch unsere
Gastgeber.
Das Fachprogramm orientierte sich an den beruflichen Hintergründen der
Teilnehmenden und an die im Vorfeld formulierten Interessen der Delegation. Nach
einer Einführung in die Problematik benachteiligter Jugendlicher in Japan, darunter
die sog. “Einnister“ (hikikomori, d. h. Jugendliche, die sich sozial abkapseln), schulabsente Jugendliche (futôkô, mit der Konnotation „nicht in die Schule gehen
können“) und „NEET“ (Jugendliche ohne Ausbildung und ohne - dauerhafte Beschäftigung) wurden uns die jugendpolitischen Ziele der Regierung erläutert und
verschiedene Angebote zur erlebnispädagogischen Förderung von Kindern und
Jugendlichen dargestellt, wie z. B. die Kampagne zur allgemeinen Jugend- und
Familienförderung: „Früher ins Bett gehen, früher Aufstehen, gemeinsam
Frühstücken!“. Darüber hinaus konnten wir konkrete Projekte zur Förderung
benachteiligter und behinderter Jugendlicher besuchen: u. a. Einrichtungen der
beruflichen Beratung und Förderung (das JobCafé „Ai-Work“, die Schule zur
Förderung des selbständigen Lebens junger Menschen „Wakamono Jiritsu Juku“,
das „Yokohama Modern Apprenticeship Center Y-MAC“, die Erziehungs- und
Familienberatung im Tokyo Metropolitan Education Consultation Center, die private
Berufsbildungseinrichtung „Futaba Fashion Academy“) als auch öffentliche Schulen
(Mittelschule Shinjuku, die Ozu Fureai School mit einem gesonderten Raum und
Programm für Lernbeeinträchtigte und Schulabsente) und Projekte freier Träger, z. B.
die kreative Förderung von Menschen mit Behinderungen in der „Free Space:
Noraneko-Gakkan“ (Schule der ‚Straßenkatzen’).
Ziel des Fachkräfteaustausches war es, Eindrücke, Informationen, Inspirationen und
Ideen zu sammeln und sofern möglich, auch gegenseitige Erfahrungen
auszutauschen. Dies ist dank des großen Engagements unserer Dolmetscherin und
der japanischen Gastgeber gut gelungen. So hatten wir Gelegenheit, einen Tag mit
den Mitgliedern der japanischen Delegation zu verbringen, die im Dezember 2007 in
Deutschland waren. Für einen Vergleich der Systeme und Angebote und für die
notwendige Durchdringung der Bedingungen und Konzepte waren die zwei
Wochen jedoch zu kurz.
Eine gemeinsame Definition „benachteiligter“ Jugendlicher für Japan und
Deutschland kann aufgrund der gesellschaftlichen und historisch bedingten
Voraussetzungen selbstverständlich nicht vorliegen. In Deutschland versteht man
darunter z. B. Jugendliche und junge Erwachsene unter 25 Jahren, die arbeitslos sind,
oder die aufgrund ihres sozialen Umfelds lernbeeinträchtigt sind und keinen
Schulabschluss erreicht haben. Auch sind Jugendliche und junge Erwachsene
„benachteiligt“, wenn sie straffällig geworden sind oder ausländischer Herkunft mit
Integrationsproblemen und die einen individuellen Förderbedarf zur Verbesserung
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ihrer Bildung und ihrer Chancen auf eine Integration in Arbeit haben. In Japan
konnten wir beobachten, dass darunter Jugendliche und junge Erwachsene bis zum
35. Lebensjahr, mit starken persönlichen Auffälligkeiten und physischen oder
psychischen Behinderungen verstanden werden. Diese wurden aus der
Gemeinschaft gemobbt oder ziehen sich selbst zurück. Sie werden als
„Einnister“ (Menschen, die sich komplett abkapseln), als „futôkô“ (schulabsente
Kinder und Jugendliche), als „NEET“ (Not in Employment, Education or Training) oder
als „Freeter“ (Jobhopper) bezeichnet. Diese Problematik wird in Japan fast
ausschließlich den Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst zugeschrieben, die
Ursachen scheinen kaum erforscht zu werden und die finanzielle Verantwortung für
die Inanspruchnahme der Hilfs- und Förderangebote wird zu einem wesentlichen Teil
der Familie übertragen. Die bei uns im Vordergrund stehende Problematik der
Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist in Japan kaum
vorhanden, die relativ geringe Zahl von Immigranten stammt aus eher
bildungsbewussten Ländern wie Korea und Australien. Auch das Problem der
Jugendarbeitslosigkeit ist in Japan nachrangig, da aufgrund rückläufiger
Geburtenzahlen und positiver Arbeitsmarktentwicklung die Nachfrage nach
Arbeitskräften gut ist. Laut Aussage der Mitarbeiterin des „Job-Café“ „findet jeder,
der möchte, eine Anstellung (wenn auch zunehmend nur befristet)“. Die steigende
Nachfrage nach Arbeitskräften führt dazu, dass eine Förderung von jungen
Menschen mit Benachteiligungen an Bedeutung gewinnt.
Im Gegensatz zu unserem Handlungsansatz in Deutschland, bei dem die individuelle
Förderung und Entwicklung eines Jugendlichen in seinem Umfeld im Vordergrund
steht, haben wir grundsätzlich folgendes in Japan festgestellt: In Japan hat sich das
Individuum dem „Ganzen“, also den Anforderungen der Gesellschaft,
unterzuordnen. Daher sind individuelle Förderungen auf die Anpassung an die
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen und weniger auf die
Einbeziehung der möglichen Ursachen für Fehlentwicklungen und des sozialen
Umfelds ausgerichtet. Es gab für die deutsche Delegation bemerkenswerte
Eindrücke, auf die im Folgenden kurz eingegangen wird:
Rituale spielen in der japanischen Gesellschaft eine große Rolle. Wir konnten
feststellen, dass in der durch uns erlebten offiziellen Kommunikation ritualisierte
Verhaltensregelungen relativ großen Raum einnahmen, während der kleinere Teil
vom inhaltlichen Austausch bestimmt war. Die Kommunikation verläuft nicht so
direkt, wie wir es in Deutschland kennen, sondern ist von einem vorsichtigen
Abtasten der Positionen bestimmt. Niemand darf das „Gesicht verlieren“,
niemandem zu Nahe treten – „Japanische Harmonie“ ist angesagt. Eine historisch
entwickelte kulturelle Form des Umgangs, die angenehme Seiten hat, aber u. E.
auch Entscheidungen hinauszögern und individuelles Engagement verhindern kann.
Wir konnten sehen, dass Kinder und Jugendliche stets eigene Verantwortung für die
Ordnung und Sauberkeit der Räume und Einrichtungen übernommen haben. Die
- 12 -
Bereitschaft zur Verantwortung für das Gesamte gehört zu den Grundlagen
japanischer Erziehung und erscheint als selbstverständliche Aufgabe der Lernenden.
Daher sind Schulen und öffentliche Orte stets sauber. Der Wechsel der Schuhe beim
Betreten von Gebäuden (auch Schulen) gehört zu den von uns als positiv
wahrgenommenen Ritualen.
Eingang der Mittelschule Shinjuku
Beeindruckend nach deutschem Verständnis war auch das große ehrenamtliche
Engagement von Privatpersonen für gemeinschaftliche und soziale Aktivitäten, aus
unserer Sicht oft verbunden mit einem umfangreichen Einsatz von Zeit und
finanziellen Mitteln. Ein Playpark (Abenteuerspielsplatz nach deutschem Vorbild) in
Tokyo wurde von Rentnern aus der Nachbarschaft mit betreut. Eine ehemalige
Lehrerin in Ehimé hat ihre gesamte Pension für eine Fördereinrichtung von
Behinderten und Schulabsenten eingesetzt und ist dort selbst aktiv. In den vielen
Gesprächen ist uns jedoch aufgefallen, dass die Bedeutung „freier Träger“ vom
Staat nicht besonders hoch geschätzt wird, eine Zusammenarbeit mit öffentlichen
Einrichtungen oft nicht erwünscht zu sein scheint und eine Förderung durch
öffentliche Mittel leider nur selten vorhanden ist. Die Eltern müssen oft wesentliche
finanzielle Beiträge auch für die Betreuung und Angebote öffentlicher Träger leisten.
Daher spielt privates Engagement, der Einsatz von Studenten in der Ausbildung und
Nachbarschaftshilfe eine große Rolle.
In öffentlichen und privaten Einrichtungen konnten wir sehr professionelle Angebote
und eine sehr gute Ausstattung kennen lernen. Besonders beeindruckend waren
stadtteilorientierte Gemeinwesenprojekte in Kombination mit Jugendsozialarbeit. Die
„Wakamono Jiritsu Juku“, die Schule zur Selbständigkeit junger Menschen, bietet ein
von freien Trägern durchgeführtes 3-monatiges Programm zur Verbesserung der
Kommunikation mit anderen, zur Vermittlung der Fähigkeit zur selbständigen
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Bewältigung des Alltags und zur Einübung von Schlüsselkompetenzen und
Arbeitserfahrungen in verschiedensten Arbeits- und Projektgruppen. Die
jugendlichen „Einnister“ und „NEET“ leben gemeinsam mit ihren Betreuern in
Wohngruppen. Oft sind sie mit über 30 Jahren zum ersten Mal wieder mit dem
Umgang mit Menschen außerhalb ihrer Familie konfrontiert. In Yokohama konnten
wir das Projekt „Y-MAC/K2“ (Schule zur Selbständigkeit) besichtigen, welches im
Stadtteil verschiedene Aktivitäten und Angebote für Jugendliche unterhält, von der
Unterbringung in betreuten Wohngruppen, über berufliche Trainingsangebote für
benachteiligte Jugendliche bis hin zu Beschäftigungs- und Arbeitsangeboten im
Verkauf eigener Produkte auf einem Markt und im Betrieb eines attraktiven
öffentlich zugänglichen Restaurants. Die Betreuer/innen sind oft ehemalige
Lehrkräfte oder kommen aus anderen Berufen, da es in Japan keinen Studiengang
für Sozialarbeit/-pädagogik gibt.
Für alle Schüler/innen Japans bieten zahlreiche Schullandheime in allen Teilen des
Landes ein breites Spektrum von erlebnispädagogischen Sport- und
Kulturangeboten mit 3-5 tägiger Dauer/Jahr an. Während unseres Aufenthalts dort in
Ozu konnten wir die Freude, Umsicht und Disziplin der Jugendgruppen im
„Naturhaus“ erleben. Erweiterte erlebnispädagogische Angebote, z. B. in
Gartenbau und Tierhaltung sind auch ein wichtiger Ansatz für die Aktivierung und
Integration benachteiligter Jugendlicher. Ein weiteres Beispiel war die äußerst
nutzerfreundliche Organisation einer Jobberatungsstelle (Job Café Ai-Work) für
Menschen unter 35 Jahren in einem Einkaufszentrum in Matsuyama, freundlich
modern gestaltet, mit einer gut gepflegten Datenbank und der öffentlichen
Darstellung vieler positiver Vermittlungserfolge.
„Glückwunsch-Ecke“ im
Job Café Ai Work
Wir konnten während unseres Aufenthaltes in Tokyo auch widersprüchliches
entdecken. Neben den offiziellen Tageserlebnissen in Institutionen war die
„Straßenszene“ in Tokyo mit Massen an bunt und schrill gekleideten Jugendlichen in
einer von Werbung und Spielhöllen blinkenden Szene für uns Deutsche ein Zeichen,
dass der Wunsch nach Individualität auch bei jungen Menschen in Japan von
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größerer Bedeutung ist, als offiziell zugegeben wird.
Neben den fachlichen Eindrücken der Arbeit waren für die Teilnehmer des
Austausches einige technische Perfektionen in Japan sehr beeindruckend. Dabei
ließen wir uns besonders von den Schließeinrichtungen für Regenschirme und den
Regenschirmtrocknern (mit Wasserabsaugung und Fön) begeistern. Auch die
beheizten Toiletten mit elektronisch regelbarem Wasserstrahl waren für uns eine
technische und hygienische Besonderheit.
Der Fachaustausch, die gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen werden alle
Teilnehmer/innen noch lange beschäftigen. Die Informationen und Bilder aus Japan
lassen sich nicht einfach beschreiben. Das Erlebte hat uns viele Anregungen
gegeben, und besonders die vielen kulturellen und zum Teil philosophischen Ansätze
werden unsere weitere Arbeit begleiten. Unter den in Japan gewonnenen
Eindrücken lasen wir umso aufmerksamer die Mitteilungen über steigende Zahlen
von Schulschwänzern in Berlin-Neukölln (ca. 20% an den Hauptschulen), über Kinder,
die sich in der Schule ausgegrenzt fühlen und die verschiedenen Vorschläge der
politisch Verantwortlichen, dem entgegenzuwirken.
Wir danken allen Beteiligten für die freundliche Aufnahme, das perfekt organisierte
Programm und die vielen liebevollen menschlichen Kontakte in einer für uns sehr
fremden Kultur. Es wird für die Völkerfreundschaft und für das gegenseitige
Verständnis in der global agierenden Welt zunehmend wichtiger, derartige
persönliche Kontakte zu pflegen. Einen besonderen Dank verdient unsere
Delegationsleiterin, Nauka Miura, die aufgrund ihrer persönlichen Lebenserfahrung
und Sprachkenntnisse uns geduldig viele Hintergründe und Bedingungen
erschlossen hat. Wir möchten die Fachaustausche gerne weiterhin unterstützen und
bedanken uns für die Teilnahme.
Burkhard Schäfer und Meike von Appen
Kinder auf dem Schulweg
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Erfahrungsberichte
Tag 2: Fachvortrag (19.05.2008)
Im Rahmen des Deutsch-Japanischen Fachkräfteaustausches zu Thema: Lebenskompetenz fördern – Förderung benachteiligter Jugendlicher“ erhielten wir am
19.05.2008 einen Fachvortrag von Herrn Kazuyki Yamanaka dem stellvertretenden
Referatsleiter und Fachreferenten für Förderung der Erlebnispädagogik und internationaler Jugendarbeit (Ref: Jugend, Abteilung Sport und Jugend des MEXT) zum
Thema:
„Jugendpolitische Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche in Japan“.
Herr Yamanaka stellte die Struktur des Jugendministeriums und seines
Aufgabenbereiches vor. Er ist seit 4 Jahren im Ministerium für die Modellprojekte zur
Förderung der Erlebnispädagogik und für den Internationalen Jugendaustausch
zuständig.
Im Rahmen der Neuorganisation des Ministeriums wurden jugendpolitisch drei
Säulen für lebenslanges Lernen festgelegt:
1. Lernen durch Erlebnisse
2. Maßnahmen gegen jugendgefährdende Medien
3. Förderung des Lesens
Das „Lernen durch Erlebnisse“ ist ein übergreifender gesellschaftspolitischer Ansatz,
bei dem die Erlebnispädagogik im Vordergrund steht und erstmals die Zusammenarbeit verschiedener Fachministerin (Arbeit, Justiz, Schule, Jugend usw.) erreicht
wurde. Eine einheitliche Definition des Begriffs „benachteiligte Jugendliche“ besteht
nicht. Es ist ein zusammenfassender Begriff für mehrere Auffälligkeiten und Probleme:
Sie werden als „Einnister“ (schulabsente Kinder und Jugendliche), als „NEET“ (Not in
Emplyoment, Education or Training) oder als „Freeter“ (Jobhopper) bezeichnet. Als
Schulabsenz werden in Japan 23.825 Kinder von Elementarschulen, 103.069 Jugendliche in Junior High Schulen und 57.544 Jugendliche an Senior High Schulen erfasst.
Als „NEET“ werden schätzungsweise 64.000 Jugendliche und junge Erwachsene im
Alter zwischen 15 und 34 Jahren benannt. Das Ministerium beobachtet die
Veränderungen der Gesellschaft und die Auswirkungen auf die Jugend. Als Einnister
werden Kinder und Jugendliche bezeichnet, die nicht zur Schule gehen können. Es
sind Kinder und Jugendliche, die sich zuhause in ihrem Zimmer vergraben, große
Angst vor anderen haben und Schwierigkeiten, Kontakte aufzubauen. Sie leiden
daran, dass sie sich nicht überwinden können, in die Schule zu gehen, bringen keine
Eigeninitiative auf und verlassen ihr Zimmer oft monate- oder sogar jahrelang nicht.
Einnister sind keine Einzelerscheinung, sondern ein zunehmendes Problem in der
japanischen Gesellschaft, das bei Kindern im Grundschulalter beginnt, während der
- 16 -
Pubertät am häufigsten vorkommt, aber auch bei Erwachsenen auftritt. Ein in dieser
Form in Deutschland nicht bekanntes Phänomen. Eine wichtige Zielgruppe für die
Angebote sind Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung. Sie werden
ebenfalls unter den Begriff benachteiligte Jugendliche gefasst. Die Zahl der
„Einnister“ wird auf ca. 1,6 Mio. Jugendliche geschätzt. Das Ministerium versucht
Modellprojekte aufzulegen. Dafür stehen 260 Mio. Yen zur Verfügung. Das ist für die
große Anzahl an Jugendlichen zu wenig. Es ist daher auch Ziel der Programme, dass
„freie Träger“ und die „Regionalverwaltungen“ selbst Mittel für die Programme
einbringen. Japan ist dabei, die zentrale Verwaltung zu reduzieren und den
Gemeinden und Regionalverwaltungen mehr Verantwortung zu übertragen.
Herr Yamanaka gab einige Bespiele über die Programme: „Man braucht sehr viel
Zeit, um die Jugendlichen (Einnister) in die Gesellschaft zurückzubringen“. Die
Mitarbeiter benötigen Verständnis für die Jugendlichen. Eine enge Zusammenarbeit
von Behörden, Trägern und Fachkräften wie z. B. Psychologen (eine Sozialpädagogenausbildung vergleichbar mit der deutschen gibt es in Japan nicht) ist
erforderlich. Ein Programm versucht, die Jugendlichen (Einnister) in 30 Tagen über
verschiedene „Erlebnistage in der Natur“ zu gewinnen. Da sich die Jugendlichen
abkapseln, sind sie am Beginn sprachlos miteinander. Das Erlebnisprogramm ist
gestaffelt:
1. gemeinsame Tageserlebnisse und Trainings in Wohnnähe. Wenn die Betreuer und Fachkräfte einen ersten Erfolg erkennen, folgt die 2. Stufe.
2. ein Tag mit Übernachtung und erlebnispädagogischen Angeboten zur
Gewinnung des Selbstvertrauens.
3. ein bis zwei Wochen Camp mit vielen Aktivitäten, z. B. Bergtouren oder
Radtouren zum Teil auch mit den Eltern.
Nach diesem Programm haben die Jugendlichen wieder besseres Selbstvertrauen
und werden in die Schule zurückkehren. Voraussetzung ist die Zusammenarbeit mit
dem Schulamt, die Registrierung der Schulabsenten und die Einbeziehung freier Träger mit dem Einsatz von Psychologen. Es findet eine Evaluation des Programms statt.
Viele Probleme tauchen auf und müssen gelöst werden. Die jungen Einnister sind
das Hauptthema und nicht die Natur. Für die Einstiegsphase werden sinnvolle
gemeinnützige Projekte im Qualtier bzw. im Umweltschutz benötigt. Weiterhin
werden Programme zur Vorbeugung von NEET und Schulabsenz benötigt. Ein Grund
für die derzeitige negative Entwicklung wird in der zu späten Selbständigkeit von
Jugendlichen in Japan gesehen, in der japanischen Gesellschaft ist vieles geregelt
und leicht, ohne besonders Engagement zu erreichen. Frühzeitige Angebote zur
Entwicklung von Selbständigkeit bereits im Vorschulalter ist ein neues wichtiges
Thema.
Herr Yamanaka berichtet, dass seit einigen Jahren auf Initiative des Jugendministeriums die Zusammenarbeit verschiedener Ministerien zur Förderung von
Jugendlichen erreicht wurde. Früher waren die Ressorts streng getrennt und es war
ein Tabu, auf andere Ministerin zuzugehen. Es gibt reiche und arme Ministerien. Vor
- 17 -
10 Jahren wurde beispielsweise mit dem Ministerium für Transport und Infrastruktur
(dort stehen sehr viele finanzielle Mittel für Investitionen zur Verfügung) und dem
Jugendministerium neue Ideen vereinbart: Gestaltung und Organisation einer
natürlichen Flussgestaltung: „Renaturierung“ als Erlebnisunterricht. Die Mittel für das
Projekt kam aus beiden Ministerien. Weitere Beispiele sind die Hafengestaltung mit
Erlebnisbereichen, die Zusammenarbeit mit dem Fischereiwesen und der Land- und
Forstwirtschaft.
Herr Yamanaka berichtet weiter, dass die Lehrkräfte oft mit Themen wie Mobbing
und Schulverweigerung überfordert sind. Daher hat das Ministerium ein Programm
zum Einsatz von Schulpsychologen aufgelegt: An 23.000 Elementarschulen und
11.000 Junior High Schulen wird je Schule ein Psychologe nach Möglichkeit mit Fachwissen über Jugendliche eingesetzt. Im Haushalt 2008 sind dafür 3,4 Mrd. Yen in der
Abteilung Primär- und Sekundärerziehung vorgesehen. Dabei ist auch die
Zusammenarbeit mit klinischen Psychologen und Psychiatern vorgesehen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Programme des Ministeriums ist die Bereicherung der
Schulunterrichtsinhalte zum Interessenwecken für das spätere Berufsleben,
Förderung der Einstellung zum Ergreifen des Berufs. Themen sind z. B.
Laufbahnplanung, Alltagsverhalten, Was ist die Gesellschaft? Was bedeutet Arbeit
für das Leben? Ziel ist es, Experten aus der Wirtschaft (Handel/Industrie/Handwerk) in
die Schulen zu holen. Fast alle Senior High Schulen haben nur eine
allgemeinbildende Ausrichtung. Es gibt auch Special High Schulen mit beruflicher
Ausrichtung, diese sind aber nicht so anerkannt wie die allgemeinbildenden Schulen.
Ein Projekt sind „Super Special High Schulen“: das sind z. B. Schulen für Jugendliche
ohne feste Anstellung.
Um die Situation der benachteiligten Jugendlichen zu verändern, hat sich das
gesamte Kabinett der Thematik angenommen und ein Rahmenprogramm zur
Jugendförderung entwickelt. Dazu gehört das Programm „Wakamono Jiritsu Shi-en
Juku“ (Schule zur Unterstützung der Selbständigkeit junger Menschen) von NPOs
(gemeinnützigen Organisationen). Es handelt sich um ein Programm zur Förderung
der Selbständigkeit für „NEET“ und „Einnister“ durch gemeinnützige Tätigkeiten mit
Kontakten mit der Gesellschaft; gemeinsame Unterkunft von etwa 3-6 Monaten,
Arbeitstraining für arbeitssuchende Jugendliche. Freie Träger erhalten für diese Tätigkeit finanzielle Förderungen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Rahmenprogramms war die Einrichtung von
Beratungsstellen in Städten und Gemeinden zur telefonischen Erziehungsberatung
und Einrichtung von Sprechstunden für Kinder, Jugendliche und Eltern zu
Erziehungsfragen.
Weiterhin wird einmal jährlich eine Nationale Konferenz der sozialen Fachkräfte (im
NIYE) durchgeführt. Ziel ist die Entwicklung gemeinsamer wirksamer Projekte. Fall- 18 -
studien und Seminare zur Weiterbildung begleiten die Treffen der zuständigen
Jugendberater aus öffentlicher und freier Trägerschaft. Bei den Konferenzen sind
auch Vertreter unterschiedlicher Bereiche aus Erziehung, Bildung, Soziales, Justiz und
Polizei anwesend.
Von Herrn Yamanaka werden zum Ende des Vortrages auch Probleme angesprochen: Die Jugendförderung ist ein Programm mit langfristiger Wirkung und nicht
in kurzen Zeiträumen zu erfassen. Der japanische Staat hat finanzielle
Schwierigkeiten und Maßnahmen der Jugendförderung sind politisch nur schwer
durchzusetzen. Die Finanzexperten verlangen Erfolgsnachweise und kurzfristige
Berichte über Erfolge der Maßnahmen. Es wird versucht, die Modellprojekte im Land
umzusetzen und gute Kombinationen und Kooperationspartner zu finden, um
Netzwerke zu schaffen. Dabei bleiben viele Fragen offen: Wie kommen wir an die
benachteiligten Jugendlichen heran, wenn diese den Kontakt ablehnen? Sie
kommen oft nicht freiwillig mit ins Ferienlager. Die Ämter kennen die Lage der
Jugendlichen und der Familien, aber die neuen Datenschutzgesetze lassen zum Teil
den Informationsaustausch nicht zu. Seit zwei Jahren besteht ein neues
Datenschutzgesetz und die Institutionen müssen damit erst umgehen lernen. Es gibt
ein Modellprojekt zum Kinder- und Jugendschutz und dem neuen Datenschutz.
Nach dem Vortrag werden die Fragen der Besucher durch Herrn Yamanaka
beantwortet:
1. Wie wird der Kontakt zu den Schulverweigerern erreicht?
Es gibt Kurse für die Anpassungsförderung und Beratungsangebote für Kinder,
Jugendliche und Eltern. Der Erziehungsausschuss (der Ausschuss für Bildung und
Erziehung ist ein Verwaltungsorgan von Präfektur/Kommune) spricht die Familien
an. Den Kindern und Eltern ist dies oft peinlich und alle sind mit dem Problem
überfordert. Es gibt daher auch gesonderte Angebote für Eltern und man
versucht diese freiwillig zur Mitarbeit zu gewinnen.
2. Wie hoch ist die Rückfallquote von Schulverweigerern nach Projektabschluss?
Dazu sind bisher keine Untersuchungen vorhanden. Es gibt Misserfolge und
Abbrüche. Die Projekte laufen über 1 Jahr. Bei Abbrüchen bleiben die Betreuer
dran – weitere persönliche Beratung, durch nachgehende Betreuung. Ein
späterer Wiedereinstieg ist möglich. Auch der Wechsel in ein anderes Projekt, das
vielleicht besser funktioniert, ist machbar.
3. Wie ist die Personalausstattung der Projekte?
Die Projektausstattung ist oft 1:1 und besser. Es werden zusätzlich in großem
Umfang Studenten und ehrenamtliche Personen eingesetzt. Die Modellprojekte
sind außerdem finanziell gut ausgestattet. Mindestens ist das Verhältnis 5:1.
4. Welche Gründe gibt es für die Schulverweigerung?
Der Hauptgrund ist das Mobbing. Mobbing hat körperliche und psychische
Auswirkungen. In der japanischen Schule gibt es straffe Rahmenbedingungen
und ein verantwortungsvolles Gemeinschaftsverhalten wird verlangt. Trainiert
wird für Abschlüsse und Prüfungen. Wenn Kinder oder Jugendliche sich dem
- 19 -
nicht anpassen können, fallen diese aus der Gemeinschaft heraus. Finanzielle
Unterschiede können Gründe für Mobbing sein, aber auch das Verhältnis zu den
Lehren und das Verständnis für Bildung. Misshandlungen von Kindern und
Jugendlichen sind im steigen, aber in der Regel kein Grund für
Schulverweigerung. Die Schulverpflegung ist oft ein Grund, in die Schule zu
kommen. Es gibt keine Untersuchung, ob mehr Jungs oder Mädchen die Schule
schwänzen, dementsprechend gibt es auch keine gesonderten Projekte.
5. Welche Aufgaben haben die Schulpsychologen?
Das Programm des Einsatzes von Schulpsychologen orientiert sich am amerikanischen System der „School-Councelor“. Da es keine Schulsozialpädagogen gibt,
orientiert man sich am amerikanischen Beispiel. Es gibt einen Beratungsraum in
der Schule und bedarfsgemäß kommen zusätzliche psychologische Fachkräfte in
die Schule. Diese machen Angebote für Lehrer, für Kinder und Jugendliche und
beraten auch die Eltern.
6. Gibt es Ausbildungsförderung für Jugendliche außerhalb der Betriebe?
Die meisten Schüler erhalten an den Senior-High-Schulen nur Allgemeinwissen.
Die Betriebe waren und sind für die betriebliche Ausbildung zuständig. In den
vergangenen 10 Jahren gab es jedoch Veränderungen in der japanischen
Gesellschaft. Der Übergang von der Schule in die Betriebe funktioniert nicht mehr
reibungslos, die „Blasenwirtschaft“ ist geplatzt. Jugendliche wurden nicht eingestellt, weil die Betriebe keine Arbeit hatten. Japan hat immer noch eine
schlechte Konjunkturentwicklung und Produktionen wurden in billige
Lohngebiete verlagert. Seit einiger Zeit scheiden ältere Mitarbeiter aus und durch
den deutlichen Geburtenrückgang sind Jugendliche für die Betriebe wieder
gefragt. Einige Betriebe werben wieder mit guter Ausbildung an den
(Hoch-)Schulen und wählen die Besten aus. Da aber meist nur
(Hoch-)Schulleistungen als Erfolge genommen werden ist damit nicht immer eine
gesicherte Entwicklung vorhanden. Schulleistungen und Leistungen im leben
stehen nicht im direkten Verhältnis. Gute Schüler sind im Leben und
Arbeitsprozess nicht immer gut und umgekehrt.
Burkhard Schäfer
Fachvortrag
von
Herrn YAMANAKA
- 20 -
Tag 3: Tokyo Metropolitan Education Consultation Center (20.05.2008)
Das Tokyo Metropolitan Education Consultation Center ist eine von zwei zentralen
Erziehungsberatungsstellen, die für die gesamte Präfektur Tokyo zuständig sind.
Daneben gibt es in Tokyo 72 dezentrale kleinere Erziehungsberatungsstellen sowie
Beratungseinrichtungen freier Träger.
Das Tokyo Metropolitan Education Consultation Center ist eine große Einrichtung mit
ca. 60 MitarbeiterInnen, bei denen es sich vor allem um PädagogInnen und ehemalige Lehrkräfte handelt. Pro Jahr finden insgesamt ca. 32000 Beratungen statt.
Das Zentrum besitzt 10 Beratungs- und Büroräume, drei sog. Play-Rooms sowie 10
Telefonberatungsplätze.
Die Aufgaben bzw. Arbeitsgebiete des Zentrums lassen sich in 5 Punkte unterteilen:
1. Allgemeine Erziehungsberatung
2. Beratung zur schulischen Laufbahn und Re-Start Place
3. Beratung für Lehrkräfte und schulische MitarbeiterInnen
4. Entsendung von FachberaterInnen an die Schulen
5. Erstellen von Studien und Untersuchungen
1. Allgemeine Erziehungsberatung:
In der Beratung geht es vor allem um Erziehungs- und Schulprobleme. Die Beratung
richtet sich an alle Altersgruppen vom Kleinkind bis zum Senior High School-Alter bzw.
an deren Eltern und Familien. Zu den Beratungsthemen gehören:
-
Entwicklungsstörungen
-
Emotionale Instabilität
-
Mobbing
-
Schlechte Schulleistungen und Schulabsenz
-
Gewalt in der Familie
-
Sexualität
-
Suizidgefahr
Für Beratungen zum den Themen Drogen bzw. Missbrauch/Misshandlung gibt es
besondere Beratungsstellen.
Die Beratung erfolgt in persönlichen Gesprächen und Sprechstunden, per Telefon
sowie per E-Mail. Auch nachts sind MitarbeiterInnen der Einrichtung telefonisch
erreichbar.
2. Beratung zur schulischen Laufbahn und Re-Start Place:
In diesen Beratungen geht es vor allem um schulische Probleme und über Informationen zu den verschiedenen Schultypen bzw. -modellen. Ein wichtiger Bereich hier-
- 21 -
bei ist auch die Schulabsenz bzw. der Wiedereinstieg in die Schulkarriere. Für diesen
Bereich gibt es im Rahmen des Re-Start Place sowohl Einzel- als auch
Gruppenberatungen bzw. -angebote. Die Angebote richten sich ebenso an
Jugendliche wie an deren Eltern. Die Ziele sind Informationsaustausch, Abbau von
Ängsten, Gruppenfähigkeit, Vermittlung an weitere Stellen (Zentrum für Arbeitssuchende, Teilzeitschulen etc.) und Vorbereitung der Reintegration in die Schule.
3. Beratung für Lehrkräfte und schulische Mitarbeiter
Die MitarbeiterInnen des Zentrums stehen auch als BeraterInnen für die Lehrkräfte
und MitarbeiterInnen der ca. 2200 Schulen (darunter 60 Schulen für Behinderte) in
der Präfektur Tokyo zur Verfügung. Sie führen Fachberatungen durch, organisieren
Fortbildungen und machen Kriseninterventionen.
4. Entsendung von FachberaterInnen an die Schulen
Das Zentrum entsendet auf Anfrage der Schulen auch BeraterInnen direkt an die
Schulen. Da es nur an wenigen Schulen sog. School Councelor (vergleichbar mit
SchulsozialpädagInnen) gibt, werden bei Bedarf Fachkräfte an die Schulen gesandt,
die je nach Anfrage einen pädagogischen, medizinischen oder psychologischen
beruflichen Hintergrund haben. Auch diese Fachkräfte führen Seminare, Fallstudien
und Kriseninterventionen durch.
5. Erstellen von Studien und Untersuchungen
Aufgabe des Zentrum ist es außerdem, wissenschaftliche Untersuchungen und
Studien zu den Bereichen Bildung und Erziehung zu erstellen. Ein Beispiel dafür ist z.B.
eine Studie zu Einstellungen von Jugendlichen in der Pubertät.
Rundgang durch die Einrichtung:
Das Tokyo Metropolitan Education Consultation Center liegt im Erdgeschoss eines
großen Bürogebäudes der Präfektur Tokyo. Zur Begrüßung wurde unsere Gruppe
aber der schönen Aussicht wegen in einen Besprechungsraum im 8. Stock geführt.
Dort begrüßte uns Herr Sekiguchi als Leiter der Einrichtung mit sechs weiteren
leitenden Angestellten des Zentrums (darunter eine Frau).
Beim anschließenden Rundgang wurden wir zunächst in ein Großraumbüro geführt,
in dem sich die Büroarbeitsplätze der einzelnen Beratungsbereiche befinden und
auf einer Seite außerdem ca. 8 Telefonberatungsplätze. Die Telefonberatung wird
hauptsächlich von ehemaligen Lehrkräften durchgeführt, außerdem ist dort eine
Psychologin beschäftigt. Die Beratung ist auf Wunsch anonym und wird vor allem
von Eltern wahrgenommen. Sie ist wochentags von 9 bis 21 Uhr besetzt, am
Wochenende bis 17 Uhr. Außerdem gibt es zum Thema Mobbing eine Hotline, die 24
Stunden am Tag besetzt ist. Pro Tag gehen ca. 30-100 Anrufe dort ein.
Im Bereich der Beratungsräume gibt es einen gemütlichen Warteraum mit Sofas und
Stofftieren sowie mehrere Beratungsräume. Die Räume haben keine Fenster nach
außen. Zum Beratungsteam gehören 10 PsychologInnen und sechs weitere
BeraterInnen, die auch Fallbesprechungen untereinander abhalten.
- 22 -
Weiter gibt es im Beratungsbereich des Zentrums verschiedene Räume, in den
unterschiedliche Methoden, Untersuchungen und Aktivitäten durchgeführt werden:
-
einen Raum mit zwei Sandkisten und vielen Figuren, die für Aufstellungen
genutzt werden und mit Mal- und Zeichengelegenheiten
-
einen Play-Room für kleine Kinder mit Tatami-Matten
-
einen größeren Play-Room für Grundschüler
-
einen größeren Raum für Jugendliche, in dem auch die Gruppenangebote
bzw. -therapien stattfinden. Dieser Raum ist u.a. mit einer Tischtennisplatte,
einer Dart-Scheibe, Musikinstrumenten, Comics etc. ausgestattet. Die Teilnahme an den Gruppenangeboten ist freiwillig, einmal im Jahr wird auch
zusammen gekocht. Die Gruppenangebote sind für max. 6 Jugendliche und
werden von 2 hauptamtlichen sowie 2 nebenamtlichen BetreuerInnen
begleitet.
-
In einem Raum besteht die Möglichkeit, Intelligenz- bzw. Charaktertests
durchzuführen. Dort befindet sich unterschiedliches diagnostisches Material.
-
In einem anderen Raum befindet sich zahlreiches Informationsmaterial über
die verschiedenen Schultypen und -modelle, in denen sich Schulabbrecher
über die verschiedenen Möglichkeiten der Fortsetzung ihrer Schulkarriere
informieren können.
Im Rahmen des sich an den Rundgang anschließenden Fachgesprächs wurden
unterschiedliche Fragen zur Arbeit des Zentrums angesprochen:
-
Die Werbung für die Angebote des Zentrums erfolgt durch Plakate, Flyer und
eine Infozeitung der Präfektur. Darüber hinaus publizieren die Schulen die
Angebote der Einrichtung.
-
Der Erstkontakt zu den Jugendlichen erfolgt meistens über die Eltern, die sich
an das Zentrum wenden. Die BeraterInnen gehen nicht in die Familien, die
Beratung erfolgt im Zentrum oder an Schulen.
-
Bei der Frage nach Ursachen von Schulverweigerung werden an erster Stelle
Schwierigkeiten der betroffenen Jugendlichen in ihrem Sozialverhalten
genannt. Mobbing kann eine weitere Ursache sein, sozioökonomische
Ursachen wie z.B. mangelnde Bildungs- bzw. Berufsperspektiven sowie
steigender Leistungsdruck in der Schule werden auf Anfrage ebenfalls als
mögliche Ursachen von Schulabstinenz eingeschlossen.
-
Es gibt vermehrt besondere Schulmodelle, in denen Methoden erprobt
werden, die Jugendliche zum Schulbesuch ermuntern sollen. Dazu gehören
die Einführung berufspraktischer Anteile während der Schulzeit, Betriebspraktika und internetgesteuertes Lernen.
Fazit:
Mit dem Tokyo Metropolitan Education Consultation Center hatten wir die Gelegen-
- 23 -
heit, eine große Beratungseinrichtung in Japan kennen zu lernen, die mit einem
multiprofessionellem Team verschiedene Beratungsbereiche abdeckt. In Aufbau
und Methodik ähnelt die Einrichtung dabei auch dem, was wir aus verschiedenen
Beratungseinrichtungen aus Europa kennen.
Unterschiede ließen sich vor allem bei der Definition psychologischer Störungen und
Auffälligkeiten und ihrer Ursachen feststellen. Individuelle Betrachtungs- und
Interventionsformen sind in Japan mehr die Regel als bei uns, systemische Blickwinkel
in der Arbeit mit auffälligen Jugendlichen haben geringere Bedeutung.
Insgesamt war der Besuch der Einrichtung informativ und interessant.
Wünschenswert von unserer Seite aus wäre darüber hinaus noch die Möglichkeit
gewesen, sich in kleiner Runde mit einzelnen MitarbeiterInnen des Zentrums
auszutauschen, die nicht in Leitungsfunktionen sind. Dies hätte für die PraktikerInnen
beider Seiten den informativen Wert des Besuches sicherlich noch erhöhen können.
Hendrik Abel
Besuch beim Tokyo Metropolitan Education Consultation Center
- 24 -
Tag 4: Fachvortrag über „Wakamono Jiritsu Juku“ (21.05.2008)
Inhaltliche Wiedergabe des Fachvortrags von Herrn Junji Sakaguchi, Vors. des
Projekt-Fachkomitees
Herr Sakaguchi ist Ausbilder für Pädagogen und ehemaliger Rektor an der Uni Tokyo.
Als Psychologe hat er sich mit Gestalttherapie beschäftigt und Gruppenprozesse
untersucht.
Eine der Grundlagen seiner Arbeit ist die Abhandlung „Die Psyche der Jugend“ von
Herbert Spranger aus dem Jahr 1924. Sein Motto ist: „Die jungen Menschen sind
voller Möglichkeiten und Antrieb als Vorreiter für eine neue Zeit. Aber sie brauchen
dazu die liebevolle Unterstützung von Erwachsenen.“
Die Kenntnis der Schwierigkeiten von Jugendlichen, in ihrem Zwischenstadium vom
Kind zum Erwachsenen eine gute Kommunikation(sfähigkeit) zu entwickeln und
damit Vertrauen und Freundschaften aufzubauen, motiviert Herrn Sakaguchi zu
seiner Arbeit.
Die Problemlage und Ursachen
Herr Sakaguchi stellt bei Jugendlichen heute einen Mangel an „menschlicher
Kompetenz“ fest insbesondere eine ungenügende Fähigkeit zur Kommunikation mit
den Mitmenschen. Dafür macht er sowohl externe als auch interne Faktoren in
einer sich wandelnden Gesellschaft verantwortlich. Als externe Faktoren definiert er:
-
den Wandel im familiären Umfeld, das Auseinanderbrechen der Familien
(Scheidungen), den Rückgang der Geburtenrate, die Verringerung der
Kommunikation in der Familie u.ä.
-
die Abnahme des gemeinschaftlichen Zusammenhalts im Wohnumfeld, in der
Gemeinde und in der Region, den Verfall der nachbarschaftlichen Beziehungen,
insbesondere in Bezug auf bisher als gemeinschaftlich empfundene Aufgaben
wie z. B. die gemeinschaftliche Reinhaltung des Wohnumfelds, gemeinsame Feste
der Nachbarschaft, Begegnungen und die gemeinsame Sorge für das
Wohlergehen aber auch das Wohlverhalten der Kinder.
-
die Priorität der Ökonomie, die die bisher konfuzianisch geprägten traditionellen
Werte und Rollenverteilungen in Familie und Gesellschaft verdrängt. Eine der
negativen Begleiterscheinungen der Entwicklung von Individualität ist der
Egoismus, der im scheinbaren Widerspruch der gesellschaftlich vermittelten Werte
(Individuum/Leistung – Gemeinschaft/Unterordnung) zur Isolation von Einzelnen
führen kann. Die Verbreitung der IT-Technik verändert das allgemeine
Kommunikationsverhalten der Nutzer.
- 25 -
-
Das Schulsystem verändert sich zugunsten vermehrter Wissensvermittlung auf
Kosten der Entwicklung von Lebenskompetenz. Erhöhter Leistungsdruck erzeugt
Konkurrenz und verdrängt die soziale Kompetenz.
-
Seit der 2. Hälfte der 80er Jahre verändern Globalisierung und Neoliberalismus
das Wirtschaftsgeschehen und haben einen konjunkturabhängigen Arbeitsmarkt
geschaffen. Die lebenslange Bindung der Arbeitnehmer/innen an einen Betrieb
nimmt ab, kurzfristige Arbeitsverhältnisse bei wechselnden Firmen nehmen zu und
führen zu neuen Normen und Werten in der Arbeitswelt und zur Zersplitterung der
Gesellschaft. Die Jugendlichen werden zunehmend als frei verfügbare „Ware
Arbeitskraft“ gesehen. Sie fühlen sich einerseits frei aber andererseits auch
fremdbestimmt und als – schlecht bezahltes – „Eigentum“ der Betriebe und der
Erwachsenen. Sie erleben ihre Kündigung durch den Betrieb in Zeiten der
Konjunkturschwäche als soziale Ausgrenzung und Entsolidarisierung der Gesellschaft von oben. Zur Zeit arbeiten ca. 3 Millionen Japaner in Teilzeit und müssen
als „working poor“ ihr Leben organisieren. Als Reaktion auf diese Entwicklung
nimmt die Identifikation der Jugendlichen mit der Gesellschaft ab, sie verlieren
ihre soziale Kompetenz.
Als interne Faktoren definiert Herr Sakaguchi:
-
das Gefühl bei Jugendlichen, den Wertewandel nicht mithalten zu können. Er
sieht eine Entwicklung vom „Have to Be” – die Gesellschaft vermittelt den Wert
des Habens (Besitz und Geld) – die Jugendlichen entwickeln für sich den Wert des
(selbstbestimmten) Seins als Individuum.
-
Die Erziehungsziele der Eltern werden von den Kindern nicht mehr angenommen,
es gibt eine Kommunikationslücke zwischen Eltern und Kindern. Für das Leben der
veränderten Werte fehlen die Vorbilder und gesellschaftlichen Muster. Das
Wahrnehmen des „Ich als Einzelperson“, die Entwicklung eines Bewusstseins des
eigenen Ichs im (An)Erkennen der Unterschiede zu anderen und eine neue
Definition der Beziehungen zwischen dem Ich und der Gesellschaft müssen die
Jugendlichen alleine bewältigen.
-
Die durch die Eltern vermittelten Werte und die gesellschaftlichen Anforderungen
werden von den Jugendlichen zunehmend als Hindernis für die eigene Entwicklung wahrgenommen. Jugendliche sind im Stadium des „weder – noch“ bzw.
des „sowohl - als auch“. Jugendliche bringen die erforderliche gesellschaftliche
Toleranz nicht mit. Fehlende Erfahrungen und geringe Hilfestellung durch
Erwachsene in diesem individuell erlebten Konflikt können krank machen, führen
zu einem Mangel an Durchhaltevermögen und zu Entwicklungsstörungen, wie z.B.
zu Schulabsenz und selbstgewählter Isolation zuhause („Einnisten“). Ein weiterer
- 26 -
Aspekt ist bei steigender Verbreitung der IT-Technik die Gefahr der Vereinzelung
vor dem Fernseher oder dem PC.
Maßnahmen und Kooperationen
In Kooperation der Ministerien für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt (MEXT) und Wirtschaft, Handel und Industrie wurde vom Kabinett der „Plan für die Selbständigkeit
und Herausforderung von jungen Menschen“ mit verschiedenen Maßnahmen
beschlossen:
-
Die Gründung von Schulen zur Reintegration von „Einnistern“ in die Gesellschaft
(Wakamono Jiritsu Juku – Schule zur Selbständigkeit junger Menschen),
die Einrichtung von „Job-Cafés“ für die verbesserte Arbeitsvermittlung von
Jugendlichen,
die Einführung der „Job-Card“,
erste Ausbildungsgänge im dualen System (ähnlich wie in Deutschland),
berufsorientierende Angebote in Elementarschulen und Junior High Schools,
Schulalternativen für benachteiligte Jugendliche (Wakamono Jiritsu Juku) und
Beratungseinrichtungen.
Angesichts der steigenden Zahl von betroffenen jungen Menschen haben sich seit
längerem freie Träger gegründet die Angebote für die Reintegration junger
Menschen entwickelt und umgesetzt haben. Seit 2003 kooperieren die Behörden mit
den freien Trägern und unterstützen deren Arbeit auch finanziell. Nach Meinung von
Herrn Sakaguchi kommt das 2003 von der Verwaltung und den Behörden initiierte
Programm jedoch zu spät. Darüber hinaus ist die Arbeit der inzwischen vier beteiligten Ministerien leider immer noch von Kompetenzstreitigkeiten geprägt und
dadurch behindert bzw. weniger effizient.
Das Konzept der Schule
Die „Wakamono Jiritsu Juku“, die Schule für die Selbständigkeit junger Menschen,
wurde vom Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Wohlfahrt (MEXT) gegründet. Das
Konzept wurde von England übernommen. Es steht unter dem Motto „Welfare from
work - Welfare to work“ (Wohlstand von der Arbeit - Freude an der Arbeit) und
arbeitet nach folgenden vier Schlüsselbegriffen:
Trust–Learning–Association–Challenge
(Vertrauen–Bildung–Gemeinschaft–Wettbewerb)
Die Schule nimmt Jugendliche auf, die seit Jahren nicht mehr am öffentlichen
Bildungsangebot teilgenommen haben, die seit der Junior Highschool (Ausscheiden
meistens im 3. Jahr, kurz vor der Aufnahmeprüfung in die Senior Highschool) nicht
mehr zur Schule gehen bzw. keinen Arbeitsplatz suchen. Aufnahme oder Austritt (bei
- 27 -
Erfolg) sind jederzeit möglich. Das Training an der Schule beruht auf der Stärkung der
3 Säulen:
1. Entwicklung und Festigung einer Tagesstruktur (Wohnen in einer Wohngemeinschaft mit innewohnender Betreuung, Entwerfen und Erproben von
Lebensgewohnheiten)
2. Kombination von Lernen und praktischer Arbeit im Betrieb, z. B. Hotel und Gaststätten, für private Auftraggeber oder bei kommunalen Aufgaben, Grünpflege
und Wohnumfeld (Test und Profiling zum Erkennen der individuellen Potenziale
und Stärken des Einzelnen, Stärkung der Motivation zur Integration in Arbeit und
Betrieb).
3. Gezielte Qualifizierung nach Möglichkeit mit der Perspektive der anschließenden
Übernahme in Arbeit oder Ausbildung (Stärkung der schulischen Bildung,
Absolvierung kleiner Bildungsmodule mit Zertifikat z.B. in der Altenpflege, in der
aufgrund der alternden Gesellschaft zukünftig viele Arbeitsplätze entstehen
werden, als Helfer im Transport gefährlicher Güter, als Hundeführer u.ä. Nach ca.
der Hälfte der Teilnahmezeit von gewöhnlich ca. 3 Monaten (!) können die
Jugendlichen mit ihrer Arbeit ein kleines Einkommen erzielen.
Folgende didaktische Schwerpunkte bilden den roten Faden der Aktivitäten:
-
Entwicklung sozialer Kompetenzen durch die Förderung von Beziehungen zu
anderen Menschen (gemeinsame Arbeit und gemeinsame Erlebnisse in
Gruppenaktivitäten mit Kameraden und Betreuern), Einführung von Ritualen der
gegenseitigen Begrüßung und ausgesprochenen Wertschätzung der Arbeit des
anderen.
-
Erlebnispädagogische Angebote und Kontakt zur Natur und zu Tieren (Natur als
Lehrmeisterin).
Es gibt 30 Einrichtungen dieser Art in Japan, die alle von freien Trägern (Jugendverbände, freie Schulen, Bildungsorganisationen und Einrichtungen der Wohlfahrt für
Behinderte) geführt werden. Zur Zeit (2008) nehmen 2.000 Jugendliche das Angebot
wahr. Die Nachfrage ist sehr groß, nur ca. 10 % der Anfragen können berücksichtigt
werden. Die Angebote werden über Aushänge, Vorträge von Mitarbeitern in den
Job-Cafés, über die ca. 100 existierenden psychologischen Beratungsstellen
(Support-Stationen) oder über die Jugendberatungshäuser bekannt gemacht. Ein
Budget von jährlich 1 Mrd. Yen steht zur Verfügung. Davon werden neben den
Bildungskosten nur 50% der Lebenshaltungskosten für die Jugendlichen finanziert.
Der Rest wird von den Eltern aufgebracht (Nach unserer Berechnung sind das ca.
650,- Euro/Mon.). Empfänger von Sozialhilfe können dafür einen Kredit beantragen
oder vom Staat subventioniert werden.
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Praxiseinblick
Es wurde ein 10-min. Film aus dem Jahr 2006 vorgeführt, der die Arbeit mit einigen
von zur Zeit 650.000 Jugendlichen „NEET“ (Not in Employment, Education or Training)
schildert. Darin werden Interviews und Demonstrationen der praktischen Arbeitsgebiete in der „Wakamono Jiritsu Juku in einer kleineren Gemeinde Japans gezeigt.
Die Arbeit der Schule wird vor Ort durch Betriebe, u.a. ein Hotel unterstützt. Es bietet
Praktika und Ausbildungsplätze im Bereich des Tourismus an. Die Gemeinde lebt
vom Tourismus und bietet den Jugendlichen reale Arbeitserfahrungen in der
Öffentlichkeit. 2 Jugendliche berichten von Ihren Lern- und Arbeitserfahrungen
(„Macht Spaß ist aber anstrengend !“) Die interviewten Betreuer erwähnen, dass
auch sie selbst durch den Kontakt mit diesen Jugendlichen wertvolle Erfahrungen
machen, die ihre Lebenskompetenz stärken. Die Fortführung des erfolgreichen
Konzepts bedarf aber weiterer öffentlicher Finanzierung. Die örtlichen Behörden in
der Präfektur unterstützen das Anliegen.
Erfolg und Ausblick
Wakamono-Schulkonzept: Die Erfolge im 3. Jahr seit Einführung sprechen für sich. Ca.
60% der Jugendlichen haben eine Anstellung in Teilzeit oder Vollzeit gefunden, 87 %
der TN insgesamt haben sich verändert (Ende des NEET). Sie haben einen
Ausbildungs-, Schul- oder einen Studienplatz (!) gefunden und konnten wieder in die
Gesellschaft integriert werden. Eine Vermittlung in weiterführende Angebote wird
unterstützt und auch das Coaching im Anschluss an die Integration ist möglich.
Ab 2008 soll die Dauer der Teilnahme auf 6 Monate verlängert werden, um die
Qualifizierung zu verbessern, z. B. um kleine abschlussorientierte Bildungsmodule zu
absolvieren. Zukünftig sollen die Gemeinden verstärkt in die Finanzierung der
Schulen eingebunden werden (staatliche Unterstützung wird gekürzt) und die
Schulen sollen einen stärkeren Eigenbeitrag erwirtschaften.
Schulabschluss: Um die Verfestigung der Problematik der Abkapselung von Jugendlichen zu verhindern, ist auch eine weitere Veränderung des Schulsystems erforderlich. Früher haben schulabsente Jugendliche keinen Abschluss bekommen. Heute
gibt es Alternativen, z. B. „Free Space“ (freie Schulräume) innerhalb der regulären
Schulen für Kinder mit Schwierigkeiten, freie Schulen als gesonderte Einrichtungen
oder die Möglichkeit für die Schüler, ihren Abschluss der Senior Highschool im
E-Learning Verfahren zu absolvieren.
Ausbildung: Die Gesellschaft sollte mehr Möglichkeiten für eine berufliche
Integration der Jugendlichen bieten und die Perspektiven und Nachhaltigkeit des
Schulkonzepts stärken. Berufliche Ausbildung findet heute vor allem in großen
Betrieben statt, in die ca. 30% der jungen Menschen einmünden. 70% werden von
mittelständischen Betrieben eingestellt und erhalten dort im Wesentlichen nur eine
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praktische Ausbildung in der Arbeit. 30% der Angestellten wechseln (oft nach 2-3
Jahren) den Betrieb und müssen selbst für ihre Weiterbildung sorgen.
Regionaler Zusammenhalt: Angedacht ist die Gründung einer Interessenvertretung,
eines „Netzwerkes von Menschen für Menschen“ als lokale Gemeinschaft in der
Gesellschaft (z.B. in einem Wohnumfeld), um zu sensibilisieren, um weitere
Vorschläge zu entwickeln und politisch durchzusetzen. In den Sozialräumen, deren
Bewohner/innen sich am Konzept des „Achtet aufeinander !“ beteiligen, ist die
Jugendkriminalität deutlich zurückgegangen.
Fazit: Nicht das Festhalten an den traditionellen Werten der Gesellschaft ist
wünschenswert, sondern die Entwicklung einer neuen Kooperation „im Geiste“ ist
notwendig. Vorbilder sind dabei Habermas und Taylor (Kommunitarismus und öffentliche Philosophie). Unterstützt werden kann dieser Prozess dabei durch die heute zur
Verfügung stehende Informationstechnologie, die den direkten persönlichen und
weitweiten Austausch ermöglicht.
Meike von Appen
Fachvortrag über „Wakamono Jiritsu Juku“
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Tag 4: „Wakamono Jiritsu Juku“: Yokohama Modern Apprenticeship Center
(21.05.2008)
Nach dem Fachvortrag von Herr Junji SAKAGUCHI zu dem Projekt „Wakamono Jiritsu
Juku“ ist unsere Delegation am Nachmittag nach Negishi gefahren. Dort besuchten
wir den freien Träger K2 International Group, der unter anderem das Projekt
„Wakamono Jiritsu Juku“ (eine Schule für die Selbständigkeit junger Menschen) im
Auftrag des Y-Mac durchführt.
Nach der freundlichen Begrüßung der Mitarbeitenden begann unsere Besichtigung
der Einrichtung. Als erstes wurden uns die verschiedenen Aufenthaltsräume gezeigt:
einmal steht den Jugendlichen ein Computerraum mit Fernseher zur Verfügung. Hier
haben die Jugendlichen die Möglichkeit zu arbeiten, im Internet zu surfen und auch
ihre Zeit miteinander zu verbringen. Der Raum wirkte sehr freundlich. Das lag
mitunter daran, dass an den Wänden verschiedene Plakate mit Fotos hingen, auf
denen die zahlreichen Aktionen und Projekte zu sehen war, die mit den
Jugendlichen gemacht wurden. Ebenfalls stehen ein Besprechungsraum für
Elterngespräche und ein Spielzimmer für die Kinder der Teilnehmer/innen bereit. Hier
erhalten die Alleinerziehenden Unterstützung bei der Erziehung ihrer Kinder. Diese
Arbeit wird von ehrenamtlichen Helfern geleistet, meistens von älteren Damen, die
den Müttern bzw. Vätern mit ihrem Erfahrungsschatz zur Seite stehen.
Die nächste Station unserer Besichtigung war eine von mehreren Unterkünften für
Jugendliche, die am Programm „Wakamono Jiritsu Juku“ teilnehmen, zwischen 21
und 34 Jahre alt sind. Der älteste Teilnehmer bildete mit seinen 36 Jahren schon eine
Ausnahme, auch weil er ungefähr 15 Jahre lang in seinem Zimmer ohne sozialen
Kontakt zur Familie oder anderen gelebt hat.
Abhängig vom Betreuungszustand der Jugendlichen werden sie in die verschiedenen Heime der Einrichtung untergebracht. Das erste besichtigte Heim war für
Jugendliche, die teilweise sich schon selbst versorgen können. Im Erdgeschoss
wohnten die Jungs, im oberen Stockwerk waren die Mädchen untergebracht,
insgesamt wohnten 14 Jugendliche in diesem Haus. Jedes Zimmer hatte eine Kochund Waschgelegenheit und je nach Belegung und Verfassung eines Jugendlichen
wurden die Zimmer auch zu zweit bewohnt. Die Betreuer der Jugendlichen leben
selbst nicht in dem Haus, da sie sich soweit stabilisiert hatten. Dieses Haus diente zur
schrittweisen Eingewöhnung in die Selbständigkeit der Jugendlichen. Das Mittagund Abendessen gab es jedoch in der Einrichtung. Wenn sich die Selbständigkeit
der Jugendlichen weiter verbesserte und gefestigte hatte, zogen die Jugendlichen
aus. Die nächste Stufe der Unterbringung war die Rückführung in die Selbständigkeit.
Die Jugendlichen versorgten sich komplett selbständig und suchten von dort aus
dann eine eigene Wohnung und eine Arbeit. Die Heime von K2 International Group
waren bei den Jugendlichen deshalb beliebt, da sie sowohl in der Nähe der Stadt
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waren als auch mitten im Wohngebiet lagen. Diese Art der Umgebung und des
Wohnens waren die Jugendlichen gewohnt und boten ihnen somit auch Sicherheit.
Danach besuchten wir den Markt von Negishi, der einer Markthalle glich. Die
einzelnen Stände lagen nebeneinander an einer kleinen überdachten Straße. Hier
hatte die Einrichtung zwei verschiedene Stände, einen kleinen Imbissstand und ein
offenen Treff. Der vordere Teil der Marktstraße wurde vor einiger Zeit durch einen
Brand zerstört, dadurch verlor die Einrichtung ihren Kaffeestand. Doch diese Katastrophe barg auch etwas positives. Vor dem Brand hatten die Marktbesitzer und
Anwohner eine eher ablehnende Haltung gegenüber den Jugendlichen, die
anscheinend nicht arbeiten „wollen“. Sie zeigten eher wenig Verständnis für die
schwierige Situation der Jugendlichen. Doch als es nach dem Brand um die Beseitigung des Schutts ging, halfen die Jugendlichen tatkräftig mit, dadurch konnte
kostengünstig der Schutt beseitigt und somit Geld gespart werden. Diese gemeinsame Aktion bot den Standbesitzern und Anwohnern die Gelegenheit, ihre Meinung
über die Jugendlichen zu revidieren. Das Verständnis und Vertrauen wurde größer
und die Jugendlichen hatten auch die Möglichkeit, sich in die Gemeinschaft einzuleben und den Umgang mit fremden Menschen zu üben. Es wurde ein neuer Stand
aufgemacht, der ein offener Treff ist. Hier kommen die Elementarschüler hin und die
Jugendlichen der Einrichtung betreuen die Kleinen bei den Hausaufgaben oder
spielen mit ihnen. Der im 2. Stock mit Tatamimatten ausgelegte Raum dient als
Aufenthaltsraum und zum Tee trinken. Nachdem wir die leckeren selbstgebackenen
Kekse verköstigt hatten, wurden wir zu einem weiteren Heim geführt.
Betreuer
des
Wakamono
Jiritsu
Juku am Imbissstand des Projektes
auf dem Markt Negishi
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Die Jugendlichen, die in dieser Wohngemeinschaft untergebracht waren, benötigten eine engmaschige Betreuung. Es waren schwere Fälle, die entweder
psychisch oder emotional schwer gestört waren und Medikamente brauchten. Die
Betreuer lebten mit den Jugendlichen in einem Haus. Im ersten Stock befanden sich
der Gemeinschaftsraum, Küche, Bad und Wohnzimmer. Im 2. Stock waren die
Zimmer der Jugendlichen und der Betreuer. Das besondere daran war, dass die
Betreuer mit den Jugendlichen ein Zimmer teilten und der Arbeitsrhythmus der
Betreuer sehr intensiv war: sie waren eine Woche lang für 24 Stunden Ansprechpartner und Betreuer der Jugendlichen! Die Betreuer wechselten sich ab und
sprachen sich auch untereinander zwecks Freizeitgestaltung ab. Falls alle drei
Betreuer nicht konnten, z.B. wegen einer Sitzung, kam ein ehrenamtlicher Helfer für
die Zeit, um die Jugendlichen zu beaufsichtigen. Insgesamt lebten in dem Haus 13
bis 14 Jugendliche mit insgesamt 3 verantwortlichen Betreuern (2 Männer und 1
Frau). Ein Wohnprinzip in diesem Haus war beispielsweise, dass die
Gemeinschaftsräume immer sauber zu sein hatten. Die Betreuer erstellten den Putzund Arbeitsplan unter Berücksichtigung der Fähigkeiten der Jugendlichen, damit
auch gewährleitstet werden konnte, dass alles gemacht wurde. Dafür wurde das
Zimmer der Jugendlichen nicht kontrolliert. In einem Zimmer lebten insgesamt vier
Jugendliche mit ihrem Betreuer! Das hatte uns in ziemlich große Verwunderung
versetzt. Wir nahmen an, dass die Betreuer ihre eigene Zimmer im Haus hatten, doch
dem war nicht so. Im Erdgeschoß gab es auch ein Tatamizimmer, dies war das
Arbeitszimmer des Vorgesetzten, der auch teilweise dort schlief.
Nach der Besichtigung hörten wir dann zum Abschluss einen Vortrag über die
Einrichtung K2 International Group. Die Arbeit begann vor 20 Jahren. Es gab eine
kleine Gruppe von freien Trägern, die unter anderem das Ziel verfolgten,
schulabsente Schüler zu unterstützen. Die heutige K2 International Group lässt sich in
6 Organisationen gruppieren mit einer schulischen Außenstelle der „Yoyogi Senior
High School“. Im folgenden werde ich kurz die Tätigkeitsbereiche der Untergruppen
skizzieren. Beginnend mit der K2 International Japan Co: Hier werden verschiedene
Unterstützungsprogramme für junge Menschen angeboten, beispielsweise Hilfestellung bei der Stellensuche oder beim alternativen Auslandsstudium. Des weiteren
die „Wakamono Jiritsu Juku“ und das Y-MAC Yokohama Modern Apprenticeship
Centre. Unter dem Bereich K2 Food Service Ltd. werden die selbständige
Gastronomieangebote zusammengefasst wie das Okonomiyaki Columbus in Negishi
und in Konandai, das Don Cafe HAMA Market und die Imbissbude. Hier haben die
jungen Menschen die Möglichkeit zu arbeiten, um unter anderem Anerkennung zu
erfahren. Die gemeinnützige Organisation Columbus Academy bietet unter
anderem Beratung, das Besuchsangebot „Mental Friend“, die gemeinsame
Unterkunft Hamacolo und einen „Raum für Dich“ in Geborgenheit für Kinder an.
Soziale Unterstützungsprogramme für erwerbslose junge Menschen, die Unterkunft
„Group Home“, eine Werkstatt und den Verkaufsladen liegen im Aufgabenfeld der
gemeinnützigen Organisation Human Fellowship. In Australien und Neuseeland gibt
es zwei weitere Stellen der K2 Group. Hier haben die Jugendlichen die Möglichkeit,
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ins Ausland zu gehen, um ein Auslandsstudium oder die Schule zu absolvieren.
An dieser Stelle möchte ich auf die Betreuung, die den Jugendlichen in dieser
Einrichtung zu gute kommt, beschreiben. Junge Menschen, die Schwierigkeiten
haben zu arbeiten werden auf individuelle Art unterstützt. Der erste Schritt ist ein
Wohnumfeld in Geborgenheit ihnen zu geben, damit sie dementsprechend
professionell seelisch betreut und stabilisiert werden können. Die Vermittlung und das
Aneignen von Grundlebensgewohnheiten ist ein weiterer Baustein, der bei der
Arbeit mit den Jugendlichen eine wichtige Rolle spielt. Das Ziel soll ein Aufbau von
Kameradschaft zwischen den jungen Menschen sein, die Schwierigkeiten haben im
Umgang mit anderen Menschen. Die Organisation bietet verschiedene Arbeitsfelder
an, in denen die Jugendlichen sich betätigen können und individuelle Unterstützung
erfahren. Dadurch kann die Eignung jedes Einzelnen festgestellt werden und ist bei
der weiteren Betreuung hilfreich. Das Ziel ist, dass die Jugendlichen vermittelt
werden. Entweder in einen Teilzeitjob, befristete Arbeit oder in eine
Vollbeschäftigung. Wenn die Jugendlichen selbständig arbeiten, können sie
trotzdem, falls erwünscht, weiter von der Einrichtung betreut werden.
An dieser Stelle werden die Besonderheiten des Projektes „Wakamono Jiritsu
Juku“ beschrieben. Das Projekt ermöglicht erstmals eine Zusammenarbeit zwischen
den Ämtern für Kindheit, für Jugend und für Erwachsene. Zuvor gab es keine
Zusammenarbeit zwischen diesen, da in Japan der Datenschutz einen sehr hohen
Stellenwert hat und somit einen Austausch verhindert hatte. Durch diese
Zusammenarbeit ist nun eine Förderung aller möglich. Die Kosten für eine Teilnahme
an der „Wakamono Jiritsu Juku“ werden zu 50% vom Staat übernommen. Diese
Förderung ist bis jetzt in Japan einmalig! Wie kam es zu diesem Schritt? Zum einen
sind die Beiträge in die Rentenkasse rückläufig gewesen, bedingt durch eine
geringe Geburtenrate. Ein weiteres Phänomen kam hinzu: der Beratungsbedarf in
den Beratungsstellen stieg stark an. Deshalb war der Staat gezwungen,
entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Bevor weitere Schritte unternommen
werden konnten, bedurfte es einer Begriffsbestimmung. Vor 20 Jahren wurde das
Phänomen von Schülern, die nicht zur Schule gingen, als „einkapseln“ bezeichnet.
Betraf also die Junior und die Senior High School Schüler. Doch die „sich
einkapselnden Kinder“ sind älter geworden. Deshalb wurde der Begriff „soziale
Einnister“ amtlich eingeführt. Dieser Begriff beschreibt die Verschärfung des
Phänomens „Einkapseln“, da ein bis zu völliges Zurückziehen stattfindet. Es wird dann
von „Einnisten“ gesprochen, wenn länger als 6 Monate kein Kontakt zu anderen
besteht, außer mit der Familie.
Mit dem Projekt „Wakamono Jiritsu Juku“ soll die Integration in die Arbeitswelt
gefördert werden. Leider gibt es in der japanischen Gesellschaft viele Vorurteile,
welche diese Unterstützung der jungen Menschen betrifft. Ein altes japanisches
Sprichwort heißt: „Wer nicht arbeitet, darf nicht essen!“. Deshalb sind über der Hälfte
der Japaner gegen die finanzielle Förderung.
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Im Falle des Projektes ist die staatliche finanzielle Unterstützung auf max. 3 Monate
Maßnahmenlaufzeit befristet. Die anderen 50% übernehmen in den meisten Fällen
die Eltern, denen es ein großes Anliegen ist, dass ihre Kinder wieder ein Teil der
japanischen Gesellschaft werden. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Laufzeit von 3
Monaten zu kurz ist, um den jungen Menschen die Unterstützung zukommen zu
lassen, die sie dringend benötigen. Das bedeutet, dass nach den drei Monaten die
Kosten komplett selbst zu tragen sind. Die Hinführung zur Selbständigkeit dauert
eigentlich zwischen 6 – 12 Monate. Die K2 Group hat eine Vermittlungsquote von
70%!
Lange Zeit waren die gesellschaftlichen Probleme tabuisiert. Zu dieser Zeit gab es
kaum Unterstützung von schulabsenten Kindern. Doch jetzt haben endlich die
Behörden das Problem erkannt und streben eine Zusammenarbeit mit den freien
Trägern an. Es gibt erst seit 5 Jahren eine finanzielle Unterstützung von freien Trägern.
1999 wurde erst ein Gesetzt für die NGO´s (bzw. NPO – Non Profit Organizations) in
Japan erlassen, die K2 Group besteht schon seit 1989.
Nach diesen vielen Eindrücken und Informationen beschlossen wir unseren Tag im
Okonomiyaki-Laden. Ein ehemaliger Teilnehmer der „Wakamono Jiritsu Juku“ ist der
Geschäftsführer des Restaurants. Hier gingen wir dann in den entspannten und
lustigen Teil unseres Tages über. Neben den vielen kulinarischen Köstlichkeiten, die
wir verköstigen durften, und dem leckeren Bier hatten wir hier die Gelegenheit, drei
Teilnehmer und die Mitarbeiter des Projektes kennen zu lernen. Es wurde zu einem
unvergesslichen Abend, der leider viel zu früh endete.
Liane Hagelauer
Okonomiyaki-Laden des Wakamono Jiritsu Juku
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Tag 5-9: National Ozu Youth Friendship Center (22.-26.05.2008)
Im oben genannten Zeitraum sind wir auf die Insel Shikoku in die Präfektur Ehime
gereist. Während dieses Aufenthaltes haben wir verschiedene Programmpunkte
wahrgenommen. Unsere Unterbringung erfolgte, bis auf die Übernachtung bei einer
Gastfamilie, im „National Ozu Youth Friendship Center“ (OFC).
Der Empfang im OFC wurde getragen von einer großen Herzlichkeit. Dies drückte
sich zum Beispiel durch ein eigens für uns gemaltes Plakat aus, welches bei unserer
Ankunft von Jugendlichen und Mitarbeitern des OFC präsentiert wurde. Diese
Herzlichkeit zog sich durch unseren gesamten Aufenthalt auf Shikoku hindurch.
Besonderer Dank gebührt in diesem Zusammenhang Herrn Takashi Sonoda, der die
Planung für die verschiedenen Programmpunkte während des Aufenthalts in der
Präfektur Ehime übernommen hatte und uns während unseres gesamten Aufenthaltes auf Shikoku begleitete.
Während der Unterbringung hatten wir die Gelegenheit, einen Einblick in die Arbeit
des OFC zu bekommen. Das OFC besteht seit 1974 und liegt an einem Berg der
Stadt Ozu oberhalb des Hijikawa Flusses. Die Schwerpunkte der Arbeit des OFC
wurden immer wieder an die Bedürfnisse der Jugendarbeit angepasst, die letzte
Reorganisation hat im April 2006 stattgefunden und bildet seitdem das derzeitige
Programmangebot.
Eine Einführung über die Angebote des OFC bekamen wir ebenfalls durch Herrn
Sonoda, der zurzeit Chief Programm Director des OFC ist. Herr Sonoda ist
Elementarschullehrer und seit 10 Jahren in der Jugendarbeit tätig, für die Dauer von
3 Jahren ist er abgeordnet für den Aufgabenbereich beim OFC.
„National Youth Friendship Center“ wie in Ozu gibt es über ganz Japan verteilt, sie
stehen alle in Verbindung mit dem „National Institution for Youth Education“ (NIYE)
mit Sitz in Tokyo, welches als Dachorganisation fungiert und dem Ministry of
Education, Culture, Sports, Science & Technology (MEXT).
Das OFC verfügt zur Zeit über 22 Mitarbeiter, wovon einige wie Herr Sonoda
abgeordnet sind, andere wiederum sind direkt beim OFC angestellt. Das Angebot
des OFC untergliedert sich in vier Bereiche:
1. Originalprogramme (Standardangebote)
1.1 Ausbildung von Leaders (Gruppenleiter, Betreuer usw.)
Hier werden Betreuer für verschiedene Bereiche in der
Jugendarbeit ausgebildet, zum Beispiel für den Bereich der
Erlebnispädagogik oder Projekten, die Arbeiten in der Natur
beinhalten. Ein Fokus liegt hier sowohl auf dem pädagogischen
Bereich der Gruppenarbeit als auch auf der Organisation und der
Gestaltungsmöglichkeit solcher Projekte.
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1.2 Unterstützung zur Selbständigkeit
In diesem Bereich gibt es verschiedene Projekte für z. B. „Einnister“ ,
schulabsente Jugendliche und Jugendliche mit Lernschwächen. Im
OFC ist die „Ozu Fureai School“ angesiedelt, die sich z. B. mit diesen
Zielgruppen beschäftigt. Ergänzend dazu gibt es Lehrgänge zur
Erziehungsberatung (für Eltern) und Lehrgänge für ehrenamtliche
Helfer usw.
1.3 Programm mit traditionellen Kulturen
Unter diesem Programmpunkt werden Erlebnispädagogik mit Teilen
traditioneller Kulturen verbunden. Die Gruppen erarbeiten z. B. wie
die Dorfbewohner in der Edo Zeit gelebt haben oder es werden
Kanutouren am Fuß der Berge durchgeführt, wobei während der
Kanutour auf die Historie von Ozu und die Bedeutung des Flusses für
die Region eingegangen wird.
2. Förderung von Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit
Das OFC sieht sich als Bindeglied zwischen verschiedenen Organisationen
und versucht hier die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit zu erleichtern
und zu unterstützen z. B. zwischen dem Shikoku Youth Forum und dem
Verband der Vereinigung junger Menschen in 4 Präfekturen von Shikoku.
Oder auch zwischen den Betreuern für den Bereich „traditionelle Kultur in der
Iyo-Region“ und der Universität Ehime usw.
3. Studien
Das MEXT legt zur Zeit Wert auf eine stärkere Einbindung der
Elementarschulen im Bereich der Erlebnispädagogik, daher arbeitet das OFC
an einem Programm zur Gestaltung von entsprechenden Aktivitäten. Bisher
sind die Verweildauern der einzelnen Gruppen zwischen 2 bis 3 Tage, dies soll
in der nächsten Zeit ausgeweitet werden. Das OFC übernimmt diesbezüglich
die Planung, die Ausbildung der Betreuer und erhebt die Ergebnisse positiver
und negativer Veränderungen durch einen längeren Aufenthalt in der
Einrichtung, um dann ggf. im Bereich der Angebotsstruktur oder der
Ausbildung von Betreuern nachsteuern. Die Ergebnisse werden dann an das
MEXT weitergeleitet.
4. Unterstützung der Lehrgänge und Programme anderer Gruppen
Im Jahr 2007 zählte das OFC insgesamt 125.069 Besucher. Diese setzten sich
zusammen aus Kinder- und Jugendgruppen verschiedenster Organisationen,
Schülern der Junior High School, der Senior Highschool, der Elementarschulen
und weiteren Organisationen wie Unternehmen, sonstige Schulen,
Familiengruppen usw. Den größten Anteil hatten daran die Kinder- und
Jugendgruppen mit insgesamt ca. 50.000 Teilnehmern
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Das OFC hat zur Zeit ca. 40 verschiedene Angebote, einen Schwerpunkt bildet hier
das Kanufahren unter Anleitung, dies bedingt sich durch die gute Lage zum Hijikawa
Fluss, auf welchem man optimale Voraussetzungen für das Kanufahren findet.
Des weiteren gibt es: Freeclimbing, Stadtrallye, Kendo, Fahrradtouren,
Tee-Zeremonie usw. Es gibt Angebote mit ausgebildeten Fachleuten z. B. für die
Kanufahrten. Diese können dann sowohl mit den Lehrern zusammen, als auch ohne
Lehrer durchgeführt werden.
Der Aufenthalt im OFC ist für Schulklassen kostenlos, einzig die Verpflegung in der
hauseigenen Mensa muss bezahlt werden. Andere nichtschulische Gruppen zahlen
ca. 250 Yen (entspricht ca. 2€) pro Tag und Kopf Benutzungsgebühr, hinzu kommt
noch Verpflegung, Bettwäsche usw. Im letzten Jahr sind die Zahlen der Schulgruppen leicht zurück gegangen, man vermutet, dass dies mit einer Änderung der
Überstundenvergütung von Lehrern zu tun hat.
Insgesamt stehen im OFC 400 Betten zur Verfügung, hier gibt es sowohl
4-Bett-Zimmer, als auch kleine Schlafsäle.
Am ehesten könnte man diese Einrichtung wohl mit einem „Schullandheim“ vergleichen, wobei das Betreuungs- und Bildungsangebot in Japan bei
weitem größer ist als in einem deutschen Schullandheim.
„Morgenappell“
Am 23.05. hatten wir als deutsche Delegation noch die Ehre, an einem für die
Friendship Center üblichen Morgenappell teilzunehmen. Der Morgenappell und
Abendappell wird in allen Youth Friendship Centern durchgeführt, einzige
Ausnahme bildet hier das Friendship Center in Tokyo (National Olympics Memorial
Youth Center – NYC).
Um 6:30 Uhr wird man durch Musik aus Lautsprechern einer Sprechanlage geweckt.
Es folgt eine Begrüßung über den Lautsprecher und man wird an den Morgenappell
erinnert, welcher um 7:00 Uhr stattfindet.
Zum Morgenappell versammeln sich die Schüler, Lehrkräfte und Gruppen auf dem
Sportplatz, bei Regen findet der Appell in der Turnhalle statt. Beeindruckend bei
dieser Zusammenkunft war vor allem die große Disziplin, welche die Jugendlichen
aus verschiedenen Altersgruppen an den Tag legten. Die einzelnen Personen
stellten sich in Reihen und Gruppen auf, mit Blick auf Herrn Sonoda, der sich an einer
Seite des Sportplatzes mit einem Mikrofon bereithielt. Um 7:00 Uhr begrüßte Herr
Sonoda alle Anwesenden, dann ertönte aus den Lautsprechern Klaviermusik und
Anweisungen zu Leibesübungen, die stark an Turnvater Jahn erinnerten. Die
Übungen wurden von Herrn Sonoda, mit dem Gesicht zu den Gruppen, vorgeturnt
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und von den Gruppen nachgeturnt. Diese Leibesübungen erstreckten sich über ca.
5 Minuten und wurde sehr diszipliniert durchgeführt. Danach wurde zur japanischen
Hymne die Nationalflagge und die Flagge des OFC gehisst. Dann trat je ein
Vertreter aus den Gruppen vor und begrüßte die anderen Gruppen. Auch die
deutsche Delegation konnte sich kurz vorstellen und entmystifizierte den Aufenthalt
der ungewöhnlich aussehenden Europäer im OFC etwas, denn für die Jugendlichen
war die Delegation schon etwas sehr außergewöhnliches.
Am Ende des Morgenappells fanden sich die verschiedenen Gruppen noch mal
zusammen, um vor dem Frühstück den Tagesablauf durchzusprechen. In der Nachschau wurde der Morgenappell von einzelnen Delegationsmitgliedern mit den Riten
der Schulzeit in der DDR verglichen. Tatsächlich hat er einen leicht paramilitärischen
Eindruck hinterlassen. Zudem ist das Hissen der Nationalflagge in Japan ein sensibles
Thema, da Japan ähnlich wie Deutschland im Krieg schon als Aggressor aufgetreten
ist. Ursprünglich war geplant, auch am Abendappell teilzunehmen, dies war jedoch
wegen einer Terminüberschneidung nicht möglich.
Stephan Heinicke
Im Speisesaal des National Ozu Youth Friendship Center
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Tag 6: Fachvortrag an der Universität von Ehime (23.05.2008)
„Förderung der Partizipation von Jugendlichen an Schulen und im Sozialraum“
Referent: Satoshi Shiramatsu (Associate-Professor / Universität Ehime)
Die Universität von Ehime:
Die Universität liegt im Stadtgebiet von Matsuyama, der größten Stadt mit ca.
500 000 Einwohnern auf der Insel Shikoku. Die Universität wurde im Mai 1949 gegründet, sie hat sich sehr schnell positiv entwickelt und gehört heute zu den 20
besten staatlichen Universitäten in Japan. An der Universität studieren ca. 10 000
Studenten in den Bereichen Rechtswissenschaft, Erziehungswissenschaften,
Naturwissenschaften, Medizin, Ingenieurwissenschaften und Agrarwissenschaften.
Ferner beschäftigt die Universität ca. 2000 Mitarbeiter sowohl im akademischen als
auch im administrativen Bereich.
Zum Vortrag von Prof. Shiramatsu
Der Referent Satoshi Shiramatsu hat an der Universität von Hiroshima zunächst
Pädagogik studiert, anschließend in Erziehungswissenschaften promoviert. Seine
erste Dozentenstelle trat er an der Tokushima Bunri Universität im Bereich
Literaturwissenschaften an, nach 3 Jahren wechselte er zur Universität von Ehime als
Assistenz-Professor für Erziehungswissenschaften. Herr Shiramatsu hat in den Jahren
1997-2007 in der einschlägigen Fachliteratur mehrere Artikel und Aufsätze zu den
Themen „Jugendkultur“ und „Erziehungswissenschaften“ veröffentlicht. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Drogenproblematik unter Jugendlichen, des Weiteren
gilt er auch als Experte für Delinquenz und Fachmann für Benachteiligtenförderung
von psychisch kranken Jugendlichen. In seinem Referat geht es um präventive
Maßnahmen in der Benachteiligtenförderung, bezogen auf eine Provinzstadt in der
Präfektur Ehime.
Ausgangspunkt seiner Darlegungen ist eine Untersuchung aus dem Jahr 2002, die
die Situation von Jugendlichen im NEET-Zustand (nicht in Arbeit, Ausbildung oder in
einem Trainingsprogramm) im Alter von 15-34 Jahren zum Thema hat. Die Untersuchung kommt zu folgendem Ergebnis: in Japan gibt es ca. 850 000 Jugendliche
(oft „Einnister“: psychisch kranke Jugendliche, die außerhalb des Elternhauses keine
sozialen Kontakte mehr haben) im NEET-Zustand, davon leben etwas 10 500 in der
Präfektur Ehime, das sind ca. 3% der Gesamtbevölkerung - die fünftschlechteste
Bilanz in Japan. Bezogen auf die Arbeitslosenquote im Alter von 15-24 Jahren weißt
diese Untersuchung für diese Region mit 16,3% die drittschlechteste Arbeitslosenquote in Japan nach. Eine Befragung der arbeitslosen Jugendlichen hat gezeigt,
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dass 80% der Befragten eine Beschäftigung anstreben.
Eine Untersuchung, die die Entwicklung der schulabsenten Kinder in der
Grundschule in den Jahren 2002-2007 verfolgt, kommt zu dem Ergebnis, dass in
dieser Zeit die absolute Zahl der Schulabsenten leicht abgenommen hat. Allerdings
ist die Quote insgesamt nicht wesentlich besser, weil auch die Kinderzahl in Japan
als Ganzes abgenommen hat. Im Jahr 2007 steigt die Zahl der schulabsenten Kinder
sogar wieder leicht an. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass im
Durchschnitt etwa 2 Schüler pro Klasse wegen Schulabsenz nicht am Unterricht
teilnehmen. Insbesondere der schulpsychologische Dienst versucht mit
familientherapeutischen Maßnahmen, zur Verringerung der Schulabsenz
beizutragen. Dies gelingt aber nur dort, wo dem schulpsychologischen Dienst auch
die Fälle bekannt sind. Als besonders problematisch gilt das 2. Jahr in der Junior High
School, hier ist insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und
schulpsychologischem Dienst noch zu verbessern. In erster Linie werden hier
datenschutzrechtliche Gründe für die mangelnde Kommunikation angeführt.
Laufende Maßnahmen in der Provinzstadt von Ehime
Maßnahmen durch Verwaltung und Behörden zur Unterstützung der „Einnister“,
NEET- und schulabsenten Jugendlichen.
Durchgeführt durch Ai-Work („Job-Cafe“), die Ministerien der Präfektur Ehime sowie
die „Ehime Support Station“:
•
Job-Training, z. B. Verkaufstraining im Kaufhaus
•
Training zur Förderung der Selbständigkeit
•
Betriebspraktika, Betriebsbesuche, Softskills-Training, Job-Training
•
Beratungsangebote im Zentrum für Erziehung und Bildung (Ausschuss für
Bildung und Erziehung der Präfektur Ehime). Diese Beratungsangebote sind für
Familien kostenfrei.
•
Zentrum für Entwicklung und Behinderungen der Präfektur Ehime. Das Zentrum
ist relativ neu, Professor Shiramatsu von der Universität ist gleichzeitig Leiter des
Zentrums.
•
Freie Träger, die Beratung gegen Bezahlung anbieten.
•
Kurse zur Anpassungsförderung an öffentlichen Schulen, einschließlich der
Ozu Fureai School. Derzeit gibt es 12 Einrichtungen. Diese bieten
lebenspraktische Erziehung und sozial-kommunikatives Training an.
Im Unterstützungsplan für die Jugend von Ehime werden Maßnahmen für NEETJugendliche festgelegt.
- 41 -
Aufbau eines Netzwerks:
•
„Ehime Wakamono Support Station“ zur Integration von NEET- Jugendlichen
durch ehrenamtliche Tätigkeiten für die Gesellschaft („Dog-sitting“)
•
Sensibilisierung der Gesellschaft für die Unterstützung der NEET-Jugendlichen,
Durchführung von Beratungs- und Aufklärungsarbeit.
Förderung der Selbständigkeit in der Gesellschaft
• Erfassen und Führen von unterstützungsbedürftigen Jugendlichen
•
Förderung des Erwerbs der grundlegenden sozialen Kompetenz und der
positiven Einstellung zur Arbeit.
•
Unterstützung für Eltern von NEET-Jugendlichen
Problemstellungen
• Kinder im Grundschulalter sind auf die Unterstützung der Eltern angewiesen, z.
B. Begleitung der Kinder auf dem Schulweg
•
Die Beratung und die Kontaktaufnahme von langfristigen „Einnistern“ ist sehr
schwierig
•
Durch die Haushaltlage und die finanzielle Ausstattung der Präfektur fehlt es
zum Teil an Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten und am Personal
•
Große Konzerne und Betriebe könnten sich unterstützend engagieren, da sie
die finanziellen Ressourcen haben. Es fehlt ihnen aber an Problembewusstsein
•
Kleine und mittelgroße Betriebe erkennen zum Teil die Problematik, haben
aber nicht die finanziellen Mittel, um helfend eingreifen zu können.
•
Es gibt große regionale Unterschiede zwischen den Ballungszentren Tokyo
und Osaka sowie den ländlichen Provinzen, was die Wirtschaftskraft der
Regionen und damit auch die Arbeitslosigkeit betrifft
Unterstützung zur Integration in Arbeit / Ausbildung
Die Beschäftigungslandschaft in Japan hat sich in den letzten Jahrzehnten
verändert. Nicht jeder Arbeitnehmer verbleibt lebenslang in „seiner“ Firma. Es
werden Menschen entlassen oder Stellen neu angetreten. Deswegen ist eine
breitere Qualifikation für den Arbeitnehmer wichtig. Ein flexibleres Reagieren am
Arbeitsmarkt durch den Arbeitnehmer ist gefragt. Die Mobilität hat deutlich
zugenommen in allen Bildungsschichten und wird auch in der japanischen
Gesellschaft immer weniger als negativ erlebt. Berufliche Beratung wird aus diesem
Veränderungsprozess heraus als zunehmend wichtiger über alle Schulformen hinweg
erlebt. Es kommt auch zu einem verstärkten Einsatz von „ehrenamtlichen Beratern“.
- 42 -
Pensionäre berichten Schülern von ihrer früheren Berufstätigkeit, treten somit als
nachahmenswerte Vorbilder auf.
Auflistung einiger aktueller Maßnahmen zur verstärkten Integration in Arbeit
1. Reibungsloserer Übergang in die einzelnen Bildungssysteme.
•
Zusammenarbeit mit „Job-Cafe Ai-Work“ (vergleichbar mit unserer Berufsberatung in der Agentur für Arbeit)
•
Durchführung von Praktika, zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse, Anstellung
auf Probe
•
Durchführung einer Berufsausbildung, bisher oft „training on the job“
•
Unterstützung der Beschäftigung in der Landwirtschaft
2. Nach der Anstellung: attraktive Gestaltung des Arbeitslebens und weitere berufliche Qualifizierung
3. Förderung der Vielfältigkeit und des Neuanfangs im Arbeiten
Erfahrungen aus dem National Ozu Youth Friendship Center
Schulabsenz hängt häufig mit dramatischen Schulerlebnissen zusammen.
1. Ozu Fureai School
Die Jugendlichen haben intensiven Kontakt mit sehr problembewussten,
einfühlsamen Pädagogen. Mit der Zeit wächst gemeinsames Vertrauen, die
Jugendlichen fangen an, sich zu öffnen und nehmen sowohl schulische als auch
freizeitpädagogische Angebote wahr. Das Alter der Teilnehmer liegt zwischen 15
und 30 Jahren. Die jungen Menschen haben ausreichend Zeit, ein tragfähiges
Vertrauensverhältnis aufzubauen und ihr Verhalten zu ändern. „Sie müssen nicht
schnell erwachsen werden, aber sie können sich überlegen, wie es wäre, erwachsen
zu sein“. Im ersten Jahr erhalten sie Beratung und schulische Nachhilfe, im zweiten
Jahr haben sie verstärkt Kontakt mit unterschiedlichen Erwachsenen, im dritten Jahr
werden sie an lebensfrohen Freizeitprojekten beteiligt. Sie können den Alltag der
„Edo-Zeit“ kennen lernen, sie werden mit der japanischen Geschichte vertraut
gemacht, auch um die Gegenwart bewusster zu erleben.
Mit der Zeit wird auch verstärkt Kontakt mit außerschulischen Einrichtungen
aufgenommen, z. B. freien Trägern oder sozialen Projekten im Wohnumfeld. Speziell
in den sozialen Projekten des Wohnumfeldes haben die Jugendlichen die
Möglichkeit, negative Lebensläufe, auch die Lebensläufe von negativen
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„Vorbildern“, aufzuarbeiten, um neuen Mut für die Aufgaben der Zukunft zu
entwickeln. Jugendliche können den Teufelskreis des stetigen Misstrauens
gegenüber den Erwachsenen und der Gesellschaft durchbrechen. Über die
Kontaktaufnahme mit offenen, einfühlsamen und vertrauenswürdigen Menschen
entsteht somit eine neue gesellschaftliche Bindung („social bound“).
2. Gemeindehäuser
Es gibt verschiedene Projekte in Gemeindehäusern, die Nachhilfe, Sport- und
Kulturangebote anbieten. Hier engagieren sich auch ältere Menschen aus der
Gemeinde
im
Rahmen
eines
Multigenerationsaustausches.
Ergänzende
erzieherische Angebote dienen zur Vorbeugung, damit es gar nicht erst zu
Schulabsenz und “Einnisten“ kommt.
3. Junior High School Matsuyama
Hier handelt es sich um ein Projekt an der Junior High-School der Stadt Matsuyama.
Aufgrund der erhöhten Mobbing-Gefahr wurde ein „Null-Mobbing-Projekt“ ins Leben
gerufen, das durch die Eigeninitiative der Schüler entstanden ist und überwiegend
praktische Angebote zur Prävention enthält. Schüler, Lehrer, Studenten, Eltern
engagieren sich im Wohnumfeld und unterstützen die emotionale Entwicklung und
die Integration in die Gesellschaft. Aber auch an der Schule selbst werden präventive Erziehungsmaßnahmen angeboten, wie z. B. Konfliktbearbeitung, Streitschlichtung und gemeinsame „Planspiele“, in denen insbesondere die
Gemeinschaft und die Teamentwicklung gefördert werden sollen.
Dies kann aber nur den Anfang darstellen. Insbesondere um die Aktivitäten außerhalb der Schule zu stärken, sind mehr ehrenamtliche Helfer notwendig, ebenso die
Stärkung und Weiterentwicklung der Netzwerke.
Christoph Emrich
Fachvortrag an der Universität Ehime
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Tag 6: Free space „Noraneko-Gakkan“ (23.05.2008)
Um es gleich vorweg zu nehmen, der Besuch beim Freien Träger im
„Noraneko-Gakkan“ (zu Deutsch Straßenkatzen-Haus) gehörte für uns zu den emotionalsten Begegnungen unserer Japanreise. Und nach zweimonatigem Abstand
kommen uns die Erlebnisse im „Katzenhaus“ umso mehr wie ein Märchen vor:
„Es war einmal eine Frau, die hieß Shimako SHIOMI, sie war unglaublich vitale 76
Jahre alt und lebte auf der wunderschönen japanischen Insel Shikoku im Pazifischen
Ozean.
Frau SHIOMI arbeitete lange Jahre als Lehrerin. Als zwei ihrer vier Kinder starben,
wechselte sie zu einer Sonderschule für Behinderte, um ihre Trauer aufzuarbeiten und
ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben. Dort arbeitete sie 12 Jahre lang und als sie
mit 57 Jahren in Pension ging, verwirklichte sie sich ihren Traum: Sie kaufte von ihrer
Pensions-Abfindung ein Haus mit Grundstück und öffnete es für Menschen mit
Behinderung oder anderen Benachteiligungen. Den Nachbarn gefiel das gar nicht.
Sie schauten voller Vorurteile und Argwohn auf das Haus. Aber im Laufe der Jahre
erkannten diese Menschen den „guten Geist“ des Hauses.
Da das „Straßenkatzen-Haus“ von den Reichen keine finanzielle Unterstützung
bekommt, musste Frau SHIOMI einen anderen Weg finden, um Geld zu verdienen.
Seitdem organisiert sie in ganz Japan als Referentin ca. 200 Veranstaltungen im Jahr,
auf denen sie anderen Menschen den Umgang mit Behinderten vermittelt. Denn
Frau SHIOMI ist der festen Überzeugung, dass
ein Jeder dazu bestimmt ist, für Jemanden auf der Welt da zu sein.
Diese Überzeugung teilen mittlerweile viele Menschen und unterstützen ihre Arbeit
ehrenamtlich. Besonders ihre Tochter, die Ballett-Unterricht gibt, ist eine große Hilfe.
Und an jedem Wochenende treffen sich in ihrem Haus Menschen zwischen 9 und 50
Jahren, um gemeinsam zu tanzen und zu lachen und ihre Freude zu teilen.
Und wenn sie nicht gestorben sind …, leben sie noch ewig glücklich und zufrieden
miteinander.“
Während unseres Besuches sagte Frau SHIOMI: „Menschen leben mit und von ihrem
Traum.“ Wir durften eine außergewöhnliche Frau kennen lernen, die voller Energie,
humorvoll und selbstlos ihren Traum auf so wunderbare Weise wahr gemacht hat.
Frau SHIOMI zeigte uns, dass nur Geld allein nicht glücklich macht, sondern für sie
bedeutet Glück, ihr Leben lang mit Menschen zu arbeiten, sie emotional zu
- 45 -
berühren und zum Strahlen zu bringen.
Dass ihr das gelingt, spürten wir während ihrer äußerst berührenden Schilderungen
über ihr Leben und ihre Berufung und unserer Abendbegegnung im „Straßenkatzenhaus“. Gemeinsam mit ca. 30 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, von denen
die Hälfte Behinderungen durch Autismus, Down-Syndrom, Lähmungen und
aggressiven
Verhaltensauffälligkeiten
gezeichnet
war
oder
zu
den
„Einnistern“ gehörten, tanzten wir ausgelassen im Kreis. Zum Abschluss gab es Tee,
selbstgebackenen Kuchen und für alle Geschenke.
Noraneko-Gakkan: links Frau Shiomi, rechts Frau Iwama (Dolmetscherin)
Als alle zum Abschied Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ sangen und ihre
Hände zu einem langen Tor verbanden, durch das wir das Haus verließen, waren wir
mehr als gerührt.
Auf die Frage, wieso das Haus „Straßenkatze“ heißt, erklärte Frau SHIOMI, dass das
Wort „Straßenkatze“ in Japan bedeutet, „nichts wert“ zu sein. Aber in ihrem Haus ist
„alles und jeder etwas wert“ und willkommen.
Das folgende Gedicht des Dichters Shinmin Sakamura aus Ehime, das in großer
Schrift das Haus schmückt, drückt die Seele des „Noraneko-Gakkan“ und von Frau
SHIOMI aus:
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Alles leuchtet von Shinmin
Es leuchtet
Es leuchtet
Alles leuchtet
Es gibt auf der Welt nichts,
was nicht leuchtet.
Und wenn es von alleine
nicht leuchten kann,
spiegelt es das Licht
der anderen und
leuchtet.
Dieses wunderschöne Gedicht haben wir mit nach Deutschland genommen. Es ist
eine Erinnerung an die großartige Begegnung mit den Menschen im „Straßenkatzen-Haus“ und ein Symbol für die große Wertschätzung eines Jeden und den
Gemeinschaftssinn in Japan.
Kathrin Jahnke
Austauschabend im NorakenoGakkan: in der Mitte die Tochter
von Frau Shiomi
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Tag 7: Job-Café „Ai-Work“ in Ehime (24.05.2008)
Eine kleine Einführung
Die Quote der jungen Arbeitslosen in der Präfektur Ehime zählt zu den schlechtesten
in Japan. Seit 1991 besteht in Ehime eine wirtschaftliche Flaute und es gab so gut
wie keine Neueinstellungen seit dieser Zeit. Diese schwierige Lage wird als „Eiszeit“ für
die Stellensuche für Berufsanfänger bezeichnet. Es ist zu befürchten, dass in Zukunft
schwerwiegende Probleme entstehen könnten, wie z.B. lückenhafte Weitergabe
von technischen und handwerklichen Fertigkeiten, Verschlechterung der
Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Industrie etc. Als das Modellprojekt Job-Café
Ai-Work im März 2007 endete, wurde die Organisation „Ehime Organization for the
Promotion of Young Human Resources“ gegründet. Unter Mitwirkung von der
regionalen Wirtschaft, Erziehungs- und Ausbildungseinrichtungen, Elternverbänden
und interessierten Unternehmen konnte die Organisation realisiert werden.
Die Finanzierung von Job-Café Ai-Work
Die regionalen Betriebe sind Mitglieder und unterstützen die Organisation mit ihrem
Mitgliedsbeitrag. Doch 70% der Kosten übernimmt immer noch der Staat. Diese
finanzielle Leistung nimmt leider jährlich ab. Das Ziel des Staates ist die
Kostenübernahme durch die Präfekturen und Provinzen. Eine Auswirkung dieser
Entwicklung ist, dass die Angestellten im Job-Café Ai-Work teilweise auch befristete
Verträge haben. (Also auch eigentliche Freeter sind).
Vorstellung des Angebots im Job-Café Ai-Work
Die bisherigen öffentlichen Einrichtungen zur Stellenvermittlung waren strikt und
bürokratisch und wirkten somit eher abweisend. Das Job-Café Ai-Work ist aber eine
Einrichtung, die für junge Menschen unter 35 Jahren eine Informations- und
Arbeitsvermittlung in Café-Atmosphäre anbietet. Es stellt ein niederschwelliges
Angebot für junge Menschen dar. Deshalb wurde darauf geachtet, dass es gut
zugänglich in einer Einkaufspassage liegt. Jede/r kann dort vorbei kommen, sich
registrieren lassen und sich über freie Stellen erkundigen. Das besondere am
Job-Café Ai-Work ist, dass vor Ort Berufsberater vom Arbeitsamt und Pädagogen
zusammenarbeiten. Dies führt zur Bündelung der fachlichen Kompetenzen und
ermöglicht ein breites Angebot für die jungen Stellensuchenden.
Die persönlichen Berufsberater kümmern sich um die Zielgruppe, indem sie unter
anderem Einzelberatungen anbieten, dies schließt auch E-Mail und Telefonate mit
ein. Die Beratungen decken den Bedarf der ganzen Präfektur ab. Die Unterstützung
bei der Stellensuche bedeutet zum Beispiel, dass sie gemeinsam Interview-Treffen
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mit Unternehmen und Stellensuchenden organisieren sowie Seminare, Bewerbungstrainings, Vermittlung von Praktika anbieten. Auch gehen die Berufsberater mit den
Stellensuchenden vor Ort und besichtigen verschiedene Arbeitsplätze, damit die
jungen Menschen neue Berufsbilder kennen lernen können. Sie sind auch nach Anstellung Ansprechpartner für die jungen Menschen. Falls sie Sorgen und Probleme
am Arbeitsplatz und im Umgang mit Kollegen haben sollten, können sie sich an ihre
Berufsberater wenden. Sie werden mit ihrem Anliegen ernst genommen und werden
in ihrem Durchhaltevermögen gestärkt.
Neben der Arbeit mit den jungen Menschen arbeitet das Job-Café Ai-Work eng mit
den Unternehmen in der Präfektur zusammen. Diese können sich einerseits beraten
lassen und sie haben die Möglichkeit, ihre offenen Stellenangebote dort zu
offerieren. Eine weitere Maßnahme zur Unterstützung der regionalen Unternehmen
ist die Zusammenführung von Arbeitssuchenden, die z Zt. außerhalb der Präfektur
Ehime leben, und den stellenanbietenden Betrieben.
Ein kleiner Rundgang durch das Job-Café Ai-Work
Schon im Eingangsbereich kommt die einladende Atmosphäre auf: Ein Teppich liegt
vor der Tür, der extra für das Café von Studenten gestaltet wurde. Die Blautöne des
Teppichs werden zur Eingangstür stufenweise heller, damit das Eintreten den jungen
Menschen erleichtert wird. Neben der Tür steht ein Schild, dass dem Eintretenden
das tagesaktuelle Angebot zeigt. Auf der Rückseite wird täglich ein anderer Spruch
bzw. Weisheit geschrieben, damit der Hinausgehende etwas mit auf den Weg
nimmt, bspw. „Wenn du denkst, du schaffst es heute, dann beginn auch heute“.
Ähnliches kennen wir ja auch in Deutschland: „Was du heute kannst besorgen, dass
verschiebe nicht auf morgen“.
Das Café ist in drei Bereiche eingeteilt. Im Eingangsbereich findet man die aktuellen
Informationen zum Arbeitsmarkt. Neben den Informationen ist gleich die
„Glückwunsch-Ecke“. Dort hängen Fotos von den Jugendlichen, die eine Arbeit
gefunden haben. Das Plakat soll als Motivationshilfe dienen. Gleich daneben
befindet sich der Empfang. Hier werden die eintretenden Jugendlichen befragt,
was sie wollen und es wird geklärt wie ihnen geholfen werden kann. Erstbesuchern
wird das Job-Café mit seinen Angeboten und Möglichkeiten vorgestellt. Damit die
Jugendlichen die erste Hemmung verlieren, hängen an der Wand Bilder von den
Berufsberatern.
Nach der Bedarfsklärung werden die Jugendlichen an die entsprechende Stelle
geführt.
Neben dem Empfang schließen sich gleich die Arbeitsplätze der Berufsberater vom
Arbeitsamt an.
Der zweite Bereich des Cafés ist der „Refreshment Corner“. Die Jugendlichen
können hier eine kleine Pause machen, sich hinsetzten, ausruhen und arbeiten, lesen
oder auch Bewerbungen schreiben.
Im dritten Bereich stehen Plätze zur Beratung der Jugendlichen bereit. Hier finden
- 49 -
die Jugendlichen Ansprechpersonen, die über die Stellensuche hinaus ihnen Hilfe
und Unterstützung anbieten.
Besonders hat uns….
die liebevolle Gestaltung
die wertschätzende Einrichtung
der strukturierte Eingangsbereich
die angenehme Atmosphäre
der logische Aufbau der Einrichtung
die Bündelung der Fachkompetenzen gefallen.
Und nicht zu vergessen: das ehrenamtliche Engagement der Studierenden. Denn
ohne diesen Einsatz der Studierenden würde aller Wahrscheinlichkeit das Café sich
nicht so präsentieren können, wie es sich uns präsentiert hat.
Liane Hagelauer
Eingang des Job-Café Ai-Work
in Ehime (in der Mitte Frau
Ôuchi)
Teppich vor der Eingangstür des Job Café Ai Work
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„Jeder hat sein eigenes Tempo, in dem er sich vorwärts bewegt“
(Motto der FUREAI School)
Tag 9: Ozu FUREAI School des Ozu Youth Friendship Center (26.05.2008)
Im Rahmen unseres Regionalprogramms und des Aufenthaltes im National Ozu
Youth Friendship Center hatten wir am 26. Mai 2008 die Gelegenheit, sowohl mit
Mitarbeitern als auch mit Jugendlichen des Schulalternativprojektes FUREAI School
zu sprechen.
Zum Projekt
Die Ozu FUREAI School existiert seit 1997 als ein Angebot für schulabsente Jugendliche (sowohl Schüler der Elementary Schools als auch der Junior High Schools). Seit
2001 öffnete das Projekt sich auch der Gruppe der sich sozial abkapselnden
Jugendlichen (Einnister) bis zum 22. Lebensjahr.
In den 12 Jahren, die die FUREAI School besteht, wurden insgesamt 182 Jugendliche
betreut. Im vergangenen Jahr nahmen 15 Schüler das Angebot des Projektes an.
Hiervon konnten 8 Schüler in ihre Herkunftsschule mit Hilfe des Projektes reintegriert
werden - 2 Schüler aus der Elementary School und 6 Schüler aus der Junior
Highschool. Die verbleibenden 7 Jugendlichen waren Einnister, die ihre Schulpflicht
bereits erfüllt haben (älter als Junior High School).
Im Projekt arbeiten derzeit 6 Mitarbeiter und ehrenamtliche Helfer.
Rahmenbedingungen
In der FUREAI School können maximal 15 Jugendliche, meist aus der näheren Umgebung, begleitet und betreut werden. Die Jugendlichen werden in zwei Gruppen
unterteilt:
- schulpflichtige Jugendliche (Schüler der Elementary School und der Junior
High School)
- Jugendliche, die ihre Schulpflicht bereits erfüllt haben (16-22 Jahre)
Als Ausschlusskriterium gelten psychische / psychiatrische Auffälligkeiten der
Jugendlichen. Sollte ein Jugendlicher therapeutische Hilfe benötigen, wird dieser
nicht in der FUREAI School aufgenommen. Hier sehen die Mitarbeiter sich eher in der
Verantwortung, die Jugendlichen den für sie besser geeigneten Hilfen zuzuführen.
- 51 -
Die Zuweisung der Schüler erfolgt zumeist über die Schulpsychologen der
Herkunftsschulen, aber die Schüler bzw. deren Eltern können sich auch direkt an das
Projekt wenden. Die Teilnahme am Projekt ist freiwillig – sind die Schüler in der Ozu
FUREAI School, so wird dies als Schulbesuch anerkannt. Die Angebote stehen den
Jugendlichen montags bis donnerstags in der Zeit von 9:30 Uhr bis 15.30 Uhr zur
Verfügung. Die Jugendlichen sollen jeden Morgen von einem Familienmitglied in die
FUREAI School begleitet werden. Die Mitarbeiter des Projektes, alles ehemalige
Lehrer, sind von 8.30 Uhr bis 17.00 Uhr anwesend, so dass die Betreuung der Schüler
auch vor und nach der offiziellen Projektzeit erfolgen kann.
Die Teilnahme am Projekt ist für die Jugendlichen kostenfrei. Es fallen lediglich
Beiträge für die Essensversorgung an.
Der FUREAI School stehen verschiedene Räume zur Verfügung - neben einer Küche,
in der die Jugendlichen gemeinsam kochen können, gibt es einen Seminarraum, in
dem die Einzel- und Gruppenangebote stattfinden. Dieser Raum ist mit 3 Arbeitstischen, 2 Computern, 1 Musikecke und 2 TV-Geräten ausgestattet.
Die Verweildauer der Jugendlichen im Projekt beträgt im Regelfall ein Jahr – es sind
in Einzelfällen allerdings Verlängerungen möglich.
Teilnehmendenstruktur
Die meisten Jugendlichen kommen im dritten und letzten Jahr der Junior High
School zur FUREAI School. Sie nutzen die Angebote und Unterstützung der
Projektmitarbeiter dahingehend, dass sie gezielte Nachhilfe und Motivation erhalten,
um dann die Aufnahmeprüfung an einer Senior High School zu bestehen. Zumeist
besuchen die Schüler dann wieder regelmäßig die Schule.
Die Auffälligkeiten und Problemkonstellationen der Jugendlichen lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
- Kommunikationsschwierigkeiten
- Außenseiterposition in der Herkunftsklasse / in der Peergroup
- Gefühl der Isolation
- mangelnde / fehlende Gruppenfähigkeit
- Mobbing in der Klasse
Als ursächlich für die Probleme nehmen die Mitarbeiter die übertriebene Vorwegnahme von Sichtweisen anderer durch die Jugendlichen an.
In den letzten Jahren ist die Teilnehmendenzahl im Projekt gesunken, da es mittlerweile in vielen Schulen gesonderte Angebote für die Schüler gibt, die Ängste und
Hemmungen haben, im Klassenverband zu sitzen und zu lernen. Durch diese neuen
Angebote an den Herkunftsschulen wird gut entstehender Schulabsenz vorgebeugt.
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Viele Teilnehmende gehen nach der einjährigen Projektdauer zurück an die Regelschule. Die Jugendlichen, die älter als 22 Jahre sind, werden in weiterführende
Angebote und Beratungen vermittelt – so bspw. zum Job-Café oder in ein
Wakamono-Projekt.
Viele ehemalige Teilnehmer lassen sich nach Beendigung des Projektes als
ehrenamtliche Helfer der FUREAI School / des National Ozu Youth Friendship Center
registrieren. Ihre Aufgabe ist es, im normalen Programm des Projektes bzw. des
Centers zu helfen. Ein wichtiger Termin für die ehrenamtlichen Ehemaligen ist der
jährlich stattfindende Tag der offenen Tür. Hier betreuen sie selbständig u. a. Bastelstände. Die Ehrenamtlichen erhalten hierfür eine geringe Aufwandsentschädigung
(850 Yen / ca. 5,30€ inkl. Verpflegung) und einen kostenlosen Shuttleservice vom
Bahnhof zum National Ozu Youth Friendship Center.
Ablauf / Angebote
Ziel des Projektes ist es, dass die Jugendlichen ihr Selbstvertrauen zurückgewinnen,
um dann den Mut zu haben, den regelmäßigen Besuch in der Schule wieder zu
versuchen. In der FUREAI School erfolgt kein regulärer Unterricht nach dem Lehrplan.
Die Jugendlichen haben aber die Möglichkeit, in den Vormittagsstunden
individuelle Nachhilfe zu bekommen.
Die FUREAI School setzt einen großen Schwerpunkt auf erlebnispädagogische Angebote. Die Arbeit findet v. a. im Gruppensetting statt – Einzelarbeit mit den Jugendlichen stellt eher die Ausnahme dar. Den Jugendlichen ist es freigestellt, welche
Programmbestandteile sie für sich auswählen - die Projektmitarbeiter unterstützen
die Teilnehmer hierbei.
Es gibt im Wesentlichen folgende Grundbausteine:
1. gesellschaftliche Aktivitäten
- ehrenamtliche Tätigkeiten (in Altersheimen und Kindergärten)
- Berufliche Orientierung
- Praktika
- Kennen lernen von Berufsbildern und Arbeitsplätzen
2. Erlebnisse in der Natur
- Gemüse- und Obstanbau (Mitarbeit auf einer Mandarinenplantage)
- Hilfe bei der Tierpflege auf einem Bauernhof
3. Kreativwerkstatt
- Töpfern
- Basteln
- 53 -
-
Holzwerkstatt / Schnitzen
4. körperliche, sportliche Aktivitäten
- Nutzen der vielfältigen Angebote des National Ozu Youth Friendship Centers
Ein wichtiger Bestandteil des Projektes ist der Freitag als „Challenge Day“ – die
teilnehmenden Schüler werden dahingehend motiviert, die Freitage als
Experimentiertage zum Schulbesuch in der Herkunftsschule zu nutzen.
Der Einbezug der Eltern wird durch die Aufforderung erreicht, dass sie ihre Kinder
morgens zum Projekt begleiten und am Nachmittag wieder abholen sollen. Einmal
im Monat findet zudem eine Elternversammlung statt, in der ein Berater / Mitarbeiter
der FUREAI School mit den Eltern der teilnehmenden Jugendlichen zu verschiedenen
Themen arbeitet. Einmal jährlich gibt es einen Tag, den die Eltern mit ihren Kindern
im Projekt verbringen: es wird zusammen gekocht, gebastelt, gemalt, spaziert …etc.
Zudem gibt es einmal jährlich ein Übernachtungserlebnis – eine Gruppenfahrt in die
benachbarte Präfektur Hiroshima. Dort besuchen die Jugendlichen ebenfalls ein
Youth Friendship Center und machen u. a. eine Kutterfahrt.
Zusammenarbeit mit den Herkunftsschulen
Da es das Hauptziel der FUREAI School ist, die teilnehmenden Jugendlichen in ihre
Herkunftsschule zu reintegrieren, ist eine enge Kooperation mit den Lehrern der
Regelschulen unverzichtbar. Monatlich werden Berichte über die Arbeit und die
Entwicklung des einzelnen Schülers an die Herkunftsschule geschickt, die die Grundlage für die stattfindenden Gespräche mit den Lehren bilden. Die Auswertungs- und
Planungsgespräche zwischen den Mitarbeitern der FUREAI School und den Lehrkräften der Herkunftsschule finden sowohl im National Ozu Youth Friendship Center
als auch in den jeweiligen Schulen statt.
Den Jugendlichen ist die Teilnahme an diesen Gesprächen freigestellt – fühlen sie
sich dazu in der Lage, ihrem ehemaligen Klassenlehrer gegenüberzutreten, dann
finden die Gespräche mit ihnen statt. Im Projektverlauf versuchen die Mitarbeiter der
FUREAI School die Jugendlichen zu einer Teilnahme an diesen Gesprächen zu motivieren. Ebenso dienen die Gespräche zur Auswertung und Vorbereitung der
Challenge Days.
Gegen Ende der Projektzeit und vor der Reintegration des Jugendlichen in die
Herkunftsschule finden Rückführungsgespräche mit dem Klassenlehrer statt. Hierbei
steht im Mittelpunkt, dass der Jugendliche seine Wünsche für den Re-Start in der
Klasse äußern kann und dass der Klassenlehrer Informationen erhält, worauf er
besonders achten soll, damit die Rückführung möglichst erfolgreich verläuft.
- 54 -
Für die Teilnehmer, die ihre Schulpflicht bereits erfüllt haben, gibt es im Rahmen der
FUREAI School folgende Abschlussmöglichkeiten:
-
Ermöglichung der Aufnahme an einer Senior High School
Ermöglichung praktischer Arbeitserfahrungen
Weitervermittlung an ein Job-Café, in ein Wakamono-Projekt oder ähnliches.
Ursachen der Auffälligkeiten aus Sicht der Projektmitarbeiter
Für die Schulabsenz v. a. der Junior High School-Schüler machen die Mitarbeiter der
FUREAI School weniger den allgemeinen Leistungsdruck oder die überzogenen
Erwartungshaltungen der Familien verantwortlich.
Sie vermuten die Ursachen eher in einem nicht gelingenden Übergang zwischen
den Elementary Schools zu den Junior High Schools. Ihre Beobachtungen sagen,
dass die Wahrscheinlichkeit einer Schulflucht / Schulabsenz steigt, wenn das Gefühl
der Isolation bei einem Schüler bereits im 1. Jahr der Junior High School besteht.
Diese Hypothese wird scheinbar dadurch bestätigt, dass es an den Junior High
Schools weniger Probleme mit sich abkapselnden Jugendlichen gibt, die spezielle
Lehrer beschäftigen, die weder Klassen- noch Fachlehrer sind und sich so sehr
intensiv um die neu ankommenden Schüler aus verschiedenen Elementary Schools
kümmern können, indem sie bspw. den Prozess der Gruppenfindung in den neuen
Klassen begleiten und unterstützen.
Die Mitarbeiter der FUREAI School setzen sich demzufolge stark für eine Verbesserung
des Übergangsmanagement von den Elementary Schools zu den Junior Highschools
in der Umgebung ein.
Reflexion aus deutscher Sicht
Wir haben in der FUREAI School sehr engagierte Mitarbeiter kennen gelernt, die
großen Wert darauf legen, die Kompetenzen der Jugendlichen wahrzunehmen und
zu fördern.
In dem Austausch, an dem auch 2 Jugendliche teilnahmen, fiel uns auf, dass es
möglicherweise einen wesentlichen Unterschied in der Gruppe der schulabsenten
Jugendlichen zwischen Deutschland und Japan gibt. Während wir in der FUREAI
School den Eindruck gewannen, dass die teilnehmenden Jugendlichen zum Teil
erhebliche individuelle Auffälligkeiten (bis hin zu psychischen Problemen) haben,
setzt die Arbeit in deutschen Schulverweigererprojekten oftmals umfangreicher an:
Veränderungen im Schulalltag und in der Unterrichtsgestaltung; Einbeziehung der
- 55 -
Eltern; gesellschaftlich-strukturelle Ursachen.
Sehr angenehm fiel die enge Zusammenarbeit mit den Herkunftsschulen und den
Eltern auf. Es wäre den Kollegen der FUREAI School sehr zu wünschen, dass ihre
Ideen, Erfahrungen und Beobachtungen u. a. in der Gestaltung des Überganges
von einer Schulform in die nächste berücksichtigt werden.
Stephanie Schöne
Icebreaker beim Projektbesuch Ozu FUREAI School
- 56 -
Tag 11: Öffentliche Mittelschule Shinjuku (28.05.2008)
Die Shinjuku Junior High School entstand vor vier Jahren aus der Zusammenlegung
von zwei Junior High Schools. Erst im April 2008 bezog die Schule das neu gebaute,
sehr großzügig angelegte, helle und geräumige Schulgebäude, welches wir am
28.5.2008 besuchten.
Diese Schule liegt in einem Botschafts- und Businessviertel Tokyos, so dass Schüler
verschiedener Nationalitäten unterrichtet werden. Vor allem aus den Ländern
Japan, China, Malaysia, Korea, der Ukraine und von den Philippinen kommen die
Schüler. Zurzeit erhält ein Schüler aus China expliziten Japanisch-Unterricht (vgl. den
DAZ 1-Klassen in Deutschland), alle anderen ausländischen Schüler sind voll in ihre
Jahrgangsstufen integriert.
Insgesamt hat die Schule 239 Schüler in 3 Jahrgangsstufen, wobei die Jahrgänge
zweizügig unterrichtet werden. In jeder Klasse sind maximal 40 Schüler. Zudem gibt
es 3 Sonderklassen für behinderte Kinder. Nach Aussage des Schulleiters Herrn
MAKITA und der Schulberaterin Frau SAITO gibt es an dieser Schule aktuell einen
Schüler in der 3. Jahrgangsstufe, der den Schulbesuch total verweigert und einige
Schüler, die stunden- bzw. tageweise unentschuldigt fehlen.
In japanischen Schulen ist es üblich, dass die Schüler die Verantwortung für Ordnung
und Sauberkeit im Schulgebäude (mit) übernehmen. So reinigen die Schüler nach
dem Unterricht selbst ihre Klassenzimmer. In der Shinjuku Junior Highschool besteht
zudem Hausschuhpflicht – im Eingangsbereich der Schule wechseln alle (egal ob
Besucher, Lehrer oder Schüler) die Schuhe.
Der Besuch in der Junior Highschool teilte sich in 2 Abschnitte: einem Rundgang mit
Vorstellung der einzelnen Arbeitsbereiche und einem ausführlichen Vortrag über die
Tätigkeit der Schulberaterin (school counselor).
Rundgang
1.
Erste–Hilfe–Raum
Diese Räume sind eine Besonderheit im japanischen Bildungssystem und finden
keine Entsprechung in Deutschland. Hier gibt es 2 Betten und verschiedene
Untersuchungsmöglichkeiten
(Waage,
Messmöglichkeit…).
In
dem
Erste–Hilfe–Raum arbeitet die Pflegelehrerin, die gerade 2 Studentinnen
(angehende Pflegelehrerinnen) zur Anleitung hat.
Die Pflegelehrerin ist zuständig für „die Gesunderhaltung von Körper und Geist“; sie
- 57 -
gibt Unterricht in Sexualerziehung, Gesundheitsförderung (bspw. in Kooperation
mit den Sportlehrern zum Thema Rauchen). Zielsetzung ist es, den Schülern Wissen
und die Einstellung zu vermitteln, dass sie dazu in der Lage sind, gesund zu leben.
Pflegelehrer
sind
ausgebildete
Lehrer
mit
einer
abgeschlossenen
Zusatzqualifikation.
In vielen japanischen Schulen sind die Pflegelehrer etwas wie „die gute Seele“ der
Schule und sind bei den Schülern beliebt (sicher u. a. bedingt dadurch, dass die
Pflegelehrer im Unterschied zu anderen Lehrern die Schüler nicht benoten). Die
Schüler haben jederzeit die Möglichkeit, die Pflegelehrer aufzusuchen. Oft scheint
es den Schülern auch leichter zu sein, als den Klassen- oder einen Fachlehrer
anzusprechen. Nach Aussage der Pflegelehrerin der Shinjuku Junior High School
kommen die Schüler u.a. mit folgenden Anliegen zu ihr:
- bei körperlichen Symptomen (Fieber, Verletzungen, Schmerzen)
- bei Gefühlen von Isolation / Vereinsamung (familiär, schulisch)
Vor allem montags scheinen viele Schüler einfach kurz zum Reden
vorbeizukommen, so dass sie die Hypothese entwickelt hat, dass ein Teil der
Schüler im familiären Kontext wenig eingebunden zu sein scheinen. Diese Schüler
scheinen gern zu nutzen, dass in der Person der Pflegelehrerin jemand da ist, der
ihnen zuhört.
Durchschnittlich
nutzen
10-20
Schüler
(plus
Begleiter)
täglich
das
Gesprächsangebot im Erste-Hilfe-Raum, wobei manche nahezu jede Stunde
kommen, andere zweimal am Tag und wieder andere noch seltener.
In den Gesprächs-, Beratungs- und Untersuchungssituationen kann die
Pflegelehrerin in manchen Fällen Spuren von Misshandlungen (schulisch / familiär)
und Mobbing feststellen. Dies sind bspw. Hunger, unzureichende Ernährung,
schlechte
bzw. unangemessene
Kleidung, psychosomatisch
bedingte
Bauchschmerzen. Der Misshandlungs- oder Mobbingverdacht bestätigt sich nach
Aussage der Lehrerin dadurch, dass die betreffenden Schüler im Gespräch und
auf Nachfrage in Tränen ausbrechen.
Der Unterricht der Pflegelehrerin zu Themen der Sexual- und Gesundheitserziehung
findet wie folgt statt:
Im ersten Trimester eines Schuljahres finden Gesundheitsuntersuchungen statt. Im 2.
und 3. Trimester erfolgen Absprachen mit den Sportlehrern, in welchem Umfang
welche Themen bearbeitet werden sollen. Vorrangig ist hierbei immer der
originäre Sportunterricht. Der Gesundheitsunterricht findet als Team Teaching mit
Pflegelehrerin und Sportlehrer statt. Im Rahmen der Nikotinaufklärung steht die
Idee im Vordergrund, dass Wissen Nikotinkonsum verhindern kann. So lernen die
Schüler viel über die Substanz Nikotin und die Auswirkungen auf einen
- 58 -
menschlichen Organismus, der sich im Wachstum befindet. Im Rahmen der
Sexualerziehung geht es sowohl um Geschlechtskrankheiten als auch um
umfängliche Informationen über alles, was Teenager über Sexualität wissen sollten.
2.
Sonderklasse für behinderte Kinder
Die Klasse besuchen Schüler, die besondere Unterstützung brauchen. Es werden
die drei Jahrgangsstufen zusammen unterrichtet. In der Klasse sitzen 8 Schüler, die
von 2 Lehrern unterrichtet werden. Im Fremdsprachenunterricht ist eine der
Lehrkräfte Muttersprachler.
Insgesamt gibt es an der Shinjuku Junior Highschool 19 Schüler mit besonderem
Unterstützungsbedarf, die in drei Klassen mit maximal 8 Schülern aufgeteilt sind. Für
die Unterrichtung stehen 4 Sonderpädagogen und 2 studentische Helfer zur
Verfügung.
In den Fächern Mathematik und Japanisch werden die Schüler in 4 Gruppen
unterteilt, wobei weniger die Jahrgangsstufen als die individuellen Fähigkeiten
ausschlaggebend sind.
3.
Junior High School – Klassen
In den Hauptfächern Mathematik, Englisch und den Naturwissenschaften werden
die Klassen in 2-3 Gruppen aufgeteilt, die getrennt voneinander unterrichtet
werden. Team Teaching scheint in Japan eine verbreitete Unterrichtsmethode zu
sein.
Die Klassenzimmer sind so gestaltet, dass Einzel- und Kleingruppenarbeit möglich
sind. Die Tische sind im Unterrichtsgeschehen sehr in Bewegung: so sehen wir auf
unserem Rundgang allein arbeitende Schüler, Gruppenarbeiten mit 4 Schülern
und Zweiergruppen bspw. bei einer Dialogübung im Fach Englisch.
Im Fach Sport wird die gesamte Jahrgangsstufe zusammen von 3 Sportlehrern
unterrichtet.
4.
Beratungsraum der Schulberaterin
In der Shinjuku Junior Highschool hat die Schulberaterin einen eigenen
Beratungsraum, der sowohl für Elterngespräche / Erziehungsberatungen (bei
Bedarf bzw. auf Wunsch der Eltern) als auch als Pausenmöglichkeit für Schüler
genutzt werden kann. In diesem sehr freundlich gestaltetem Raum gibt es eine
abgetrennte
Beratungsecke, Spielmöglichkeiten und
einen
Platz
für
Bürotätigkeiten der Schulberaterin.
Weiterhin gibt es an der Shinjuku Junior Highschool:
- 59 -
-
einen Raum für die japanische Teezeremonie
-
eine Budo–Halle
-
einen Speisesaal
-
einen Computerraum
Sichtlich stolz sagt der Schulleiter, dass ein Rundgang durch die gesamte Schule
mehr als eine Stunde dauern würde.
Tätigkeit der Schulberaterin (school counselor)
Die Schulberater sind keine Angestellten der Schulen, sondern freie Mitarbeiter der
Präfektur, nicht des Bezirkes. Das japanische Kultusministerium unterstützt die Schaffung von Stellen für Schulberater finanziell.
Schulberater müssen über ein Zertifikat in klinischer Psychologie verfügen. Hierzu ist
keine staatliche Prüfung notwendig, aber eine Anerkennung und Zertifizierung durch
die Gesellschaft für klinische Psychologie. Hierzu ist ein Studium der klinischen
Psychologie erforderlich.
In der Präfektur Tokyo sind in allen Junior Highschools und teilweise in den
Elementary Schools und den Senior High Schools Schulberater im Einsatz. Frau SAITO
ist bereits seit 13 Jahren als Schulberaterin tätig. In der Shinjuku Junior High School
arbeitet sie einmal in der Woche, was bedeutet, dass eine gute Zusammenarbeit mit
und ein funktionierender Informationsfluss zu / von den Lehrer unabdingbar sind. An
den anderen Tagen arbeitet sie in einer Erziehungsberatungsstelle in einem anderen
Stadtbezirk.
Hauptaufgaben einer Schulberaterin sind:
-
Beratung von Schülern
-
Beratung von Eltern
-
Beratung von Lehrern
-
Seminar- und teilweise Unterrichtsgestaltung
Die Verteilung der Aufgaben unterscheidet sich je nach Einzugsgebiet und Wohnumfeld der Schule.
In der Shinjuku Junior High School übernimmt die Pflegelehrerin die „Managerrolle“ für die Schulberaterin. Die Lehrer teilen ihre täglichen Beobachtungen der
Pflegelehrerin mit, die wiederum die Schulberaterin informiert, wenn weitergehende
Unterstützungen erforderlich scheinen. Die Schulberaterin und die Pflegelehrerin
stehen in engem Austausch. So kann die Pflegelehrerin an den Beratungsgesprächen der Schulberaterin teilnehmen.
- 60 -
Ebenso verfügt die Schule über drei ehrenamtlich tätige Studenten, die zweimal
wöchentlich im Beratungsraum der Schulberaterin für die Schüler zur Verfügung
stehen.
Der Ansatz der Schulberaterin ist es, dass nicht nur durch die expliziten
Beratungssituationen Hilfe geleistet wird, sondern dass dies auch und vor allem in
alltäglichen Pausenkontakten und Kurzgesprächen möglich ist.
Die Beratungsangebote bei der Schulberaterin gibt es für die Schüler generell in der
Mittagspause bzw. nach dem Nachmittagsunterricht, in begründeten Einzelfällen ist
eine Beratung während des Unterrichts möglich. Bei weiterführendem Beratungsund Therapiebedarf vermittelt die Schulberaterin die Eltern / den Schüler an eine
Erziehungsberatungsstelle im Bezirk. Allerdings scheinen sich aus Sicht der
Schulberaterin die Eltern ihrer Probleme oftmals nicht bewusst zu sein, so dass es
schwierig ist, die Eltern für eine Zusammenarbeit zu gewinnen. Normalerweise findet
der Kontakt zwischen Schule und Eltern über den Klassenlehrer (ggf. mit Unterstützung durch die Pflegelehrerin) statt. So ist die Schulberaterin selbst eher selten in
Kontakt mit den Eltern der Schüler – es sind lediglich 2 Fälle jährlich, in denen es eine
Beratung der Eltern durch die Schulberaterin gab.
Die Lehrerberatung findet weniger im Rahmen eines Lehrer-Coachings statt. In den
meisten der Fälle nutzen die Lehrer die Schulberaterin, um über einzelne Kinder mit
besonderem Verhalten zu sprechen. In diesen Gesprächen bietet die Schulberaterin
Erklärungen zu möglichen Gründen und Ursachen des Verhaltens an und entwickelt
daraus mit den Lehrern Reaktions-, Interventions- und Unterstützungsmöglichkeiten.
Thema Mobbing
Das Thema Mobbing wird in der Shinjuku Junior High School von zwei Seiten betreut:
zum einen durch die Schulberaterin und zum anderen durch die Lehrer, die
zuständig sind für das Verhalten der Schüler im Alltag. In der Arbeit der
Schulberaterin steht das Mobbing-Opfer im Mittelpunkt, eine Arbeit mit den Tätern
bzw. zur zukünftigen Verhinderung solcher Situationen scheint weniger das Thema zu
sein.
Oftmals erfolgt das Mobbing unter den Schülern sehr verdeckt, ist schwer zu entdecken. Dann sind Lehrer auf Informationen von Freunden, Eltern angewiesen. Von
Seiten der Schulleitung gibt es die Anweisung / Bitte an alle Lehrkräfte, genau auf
jedes Kind und mögliche Verhaltensänderungen zu achten.
Die Fokussierung auf die Opferarbeit begründet der Schulleiter mit Suizidfällen
infolge von Mobbingerlebnissen. Er sieht die Konzentration auf die Opfer daher als
Suizidprophylaxe. Die Täter werden ermahnt, damit sie verstehen, dass solch ein
- 61 -
Verhalten nicht erwünscht ist, dass sie es nicht wiederholen werden.
In den gewählten Schülerversammlungen der Schulen des Stadtbezirkes war die
Frage nach Möglichkeiten, Mobbing an Schulen zu verhindern, Thema. Die Schüler
haben Ideen entwickelt, unter der Lehrerschaft gibt es keine solchen Präventivansätze, außer den einmal wöchentlich stattfindenden Moralunterricht in Verantwortung des Klassenlehrers, in dem gegenseitige Rücksichtsnahme und Wertschätzung des Anderen Thema sind.
Gründe für Schulabsenz
Die Vertreter der Shinjuku Junior Highschool verneinen die Frage, ob Shinjuku ein
besonderer Schwerpunkt für Schulabsenz bzw. Mobbing sei. Generell scheinen in
Tokyo solche Schwerpunkte nicht auszumachen zu sein. Die Minderjährigen, die
abends und nachts in Shinjuku (v. a. in Bahnhofsnähe) zu beobachten seien, wären
oftmals aus anderen Stadtbezirken.
Die Gründe für die Schulabsenz der Schüler an der Shinjuku Junior High School sind
aus Sicht der Schulberaterin sehr unterschiedlich:
-
Angst vor Leistungsversagen
-
Leistungsverweigerung
-
Familiäre Sorgen bzw. Sorge um die Familie (Krankheit der Eltern; Beaufsichtigung jüngerer Geschwister; psychische Auffälligkeiten der Eltern; Verlustängste)
-
Seelisch–emotionale Gründe
Entwicklungsstörungen)
bei
den
Schülern
(Berührungsängste;
Je nach Ursache würden die Lehrer, die Pflegelehrerin und die Schulberaterin
versuchen, eine Lösung mit und für den Schüler zu finden.
Reflexion aus deutscher Sicht
Wir haben in Shinjuku eine sehr schöne und moderne Schule gesehen, die sich
möglicherweise sehr von der „normalen“ Schule in Japan / Tokyo unterscheidet.
Sehr beeindruckend fanden wir, wie es den Lehrern gelang, dass die Schüler
Verantwortung für ihre Schule übernehmen. Es scheint ein gemeinsames Ziel zu sein,
die Sauberkeit und das Neue an dem Schulgebäude lange zu erhalten.
Interessant war die Institution der Pflegelehrerin – in Deutschland könnte die
Schulsozialarbeit ein Äquivalent hierzu sein. Aber möglicherweise ist die Stellung der
Pflegelehrerin in Japan einfacher und klarer im Lehrerkollegium, weil sie zur gleichen
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Profession gehört.
Ebenfalls war es sehr spannend zu sehen, dass Gruppenarbeit und Team Teaching
im japanischen Bildungssystem (oder zumindest in der Shinjuku Junior High School)
vertraute und angewandte didaktische Methoden sind.
Stephanie Schöne
Erste-Hilfe-Raum der öffentlichen Mittelschule Shinjuku
Unterricht der öffentlichen Mittelschule Shinjuku
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Tag 11: Futaba Fashion Academy (28.05.2008)
Die Schule bietet die Fachrichtung Fashion Design in einer 3-jährigen Ausbildung mit
Senior High School-Abschluss für Mädchen und Jungen an. Hierbei handelt es sich
um eine mit der Fachoberschule vergleichbare Einrichtung, an der man mit der
Berufsausbildung auch einen allgemeinbildenden Oberschulabschluss erwerben
kann. Die Futaba Fashion Academy ist keine spezielle Schule für Benachteiligte,
jedoch spielen Zeugnisse oder Anwesenheit an Mittelschulen keine Rolle, so dass de
facto ehemalige schulabsente Schüler unterstützt und aufgenommen werden
können. Der Ursprung der Futaba Fashion Academy liegt etwa 70 Jahre zurück. Es
begann mit einem Schneiderkurs am Vorplatz des Bahnhofs von Kichijoji im Westen
von Tokyo.
In der Fachrichtung Fashion Design gibt es die Kombination aus einer 3-jährigen
Ausbildung und dem schulischen Weg zum Senior High School-Abschluss. Die Schüler
können nach dem Abschluss der Junior High School die Techniken und das Fachwissen der Mode erlernen und zur gleichen Zeit mit normalen Schulunterricht den
Abschluss der Senior High School erwerben. Die Futaba Fashion Academy ist als
Fachoberschule mit Doppelqualifizierung, d. h. einem System der Kombination von
Allgemeinbildung und Berufsausbildung, vom Ausschuss für Bildung und Erziehung
anerkannt und arbeitet zusammen mit der privaten Universität Tokai und der dazu
gehörigen Bosei Senior High School.
In 3 Jahren Schulzeit werden die Schüler umfassend über aktuelle Modetrends informiert und entsprechend ausgebildet. Der Lehrplan der Fachoberschule wird ergänzt
durch den Lehrplan des spezialisierten Berufscolleges für Mode des gleichen Trägers.
Die jungen Menschen im Alter von 15-18 Jahren, mit einem hohen kreativen
Potential, sollen die Möglichkeit haben, ihre Persönlichkeit zu entfalten, ihre
Sensibilität weiter zu entwickeln und sich neue geistige Fähigkeiten anzueignen,
damit sie schon als Heranwachsende eine führende Rolle in der Modebranche
spielen können. Für die Aufnahme spielen Noten und Schulabsenz keine Rolle, in
einem Interview müssen die Schüler die Schulleitung von ihrer Kreativität und ihrem
Interesse an Mode überzeugen. Es findet keine Aufnahmeprüfung statt, die Schüler
schreiben einen Aufsatz, in dem sie ihr Interesse und ihre Ziele in Bezug auf die Mode
formulieren. Sollten die Schüler aber mehr als 30 % Fehltage haben, kommt es nicht
zur Versetzung. Grundsätzlich spielen Leistungen und Fehltage eine untergeordnete
Rolle, in besonders extremen Fällen erhält der Schüler eine Versetzung auf Probe
und eine gezielte Förderung, auch in seiner Freizeit. Die Eltern sind dabei
aufgefordert, diese Förderung zu unterstützen und ihre Kinder auch zum
Förderunterricht zu bringen. Der Persönlichkeit des Lehrers kommt sehr viel
Bedeutung zu, er soll durch sein Auftreten die Schüler motivieren und inspirieren. Der
Lehrplan setzt sich zusammen aus allgemeinbildenden und berufsbezogenen
Fächern, eine Unterrichtsstunde dauert 45 Minuten und aufgrund der zum Teil weiten
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Schulwege beginnt die Schule um 09:00 Uhr. Am Vormittag werden in der Regel die
allgemeinbildenden
Fächer
unterrichtet,
am
Nachmittag
dann
die
berufsbezogenen Fächer. Kontakte zu Betrieben sind aufgrund der Altersstruktur
eher selten und wenn, dann im Rahmen von Praktika. Jedoch ist der Praxisanteil im
Bereich des Berufscolleges (diese Schüler sind älter) wesentlich höher, dies ist ein
weiterer Bildungsgang der Futaba Fashion Academy.
An dieser Schule wurden bereits viele bekannte Modedesigner Japans ausgebildet,
auch die derzeit sehr angesagte Hanae Mori hat an der Futaba Fashion Academy
ihre Ausbildung erhalten. Diese erfolgreichen Designer sollen als positive Vorbilder für
die junge Schülergeneration dienen.
Die Schule beteiligt sich an weltweiten Ausschreibungen und nimmt an Wettbewerben teil. Im Mai wurden die Schüler auf einen Modewettbewerb für „Brautkleider“ im Juli vorbereitet. Durch den Erfolg bei den Wettbewerben ergibt sich eine
zusätzliche Einnahmequelle, denn das Copyright für diese Produkte kann dann an
Textilfirmen weiterverkauft werden.
Die Persönlichkeiten der jungen Menschen, die hier eine Ausbildung beginnen, sind
sehr vielfältig. Es sind durchaus auch schwierige Charaktere mit diversen persönlichen Problemen oder bislang schwachen Schulleistungen darunter zu finden, aber
ebenso ehemalige schulabsente Jugendliche. Die Lehrer versuchen, die Kreativität
zu fördern, gleichzeitig bemühen sie sich, den Schülern Regeln im Sinne des Gemeinwohls beizubringen (z. B. keine unentschuldigten Fehlzeiten, kontinuierliches Lernen
für den Unterricht). Es besteht durchaus ein Spannungsfeld zwischen der Anpassung
an die gesellschaftlichen Regeln und dem Fördern der individuellen Kreativität. Die
Lehrer versuchen, mit pädagogischen und psychologischen Methoden auf die
Schüler einzuwirken und sie über Einsicht und Erfolg zu motivieren.
Die Schule gliedert sich im Bereich Textil- und Modedesign in 3 Schultypen:
•
Berufscollage
•
Fachoberschule
•
Berufsfachschule
Der Schulträger bietet auch noch andere Berufsausbildungen an, jedoch nicht in
Form der Doppelqualifizierung. Hierbei handelt es sich um 1-2 jährige Ausbildungen
im Bereich Kosmetik, Friseurhandwerk und Kochen. Aufgrund der kürzeren
Ausbildungsdauer kann hier der allgemeinbildende Unterricht nicht im vergleichbaren Umfang vermittelt werden.
Bekannt ist die Schule auch für ihre Ausbildung zum Konditor/in, hier findet ein
internationaler Austausch mit Belgien (Antwerpen) und Österreich (Wien) statt.
Für die Schulausbildung, in der die Doppelqualifizierung angeboten wird, muss ein
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Schulgeld gezahlt werden. Für Familien, die finanzielle Hilfen benötigen, gibt es
Stipendien der Präfektur Tokyo, es sind aber auch individuelle Ratenzahlungen möglich. Die Raten werden pro Trimester gezahlt. Ansonsten gibt es keine staatliche
Unterstützung durch die Präfektur.
Die Schule ist insgesamt gut besucht, es gibt aber keine Wartelisten: Bei Bedarf
könnte die Schule mehr Schüler aufnehmen. Die Schule verzichtet auch auf aktive
Werbung, sie führt lediglich Informationstage durch. Diese Schulform der
„Doppelqualifizierung“ ist allerdings in der Gesellschaft wenig bekannt. Da es in
Japan nur ganz wenige dreijährige Ausbildungsgänge gibt, ist die Form der
„Doppelqualifizierung“ eher selten.
Nach dem Abschluss münden die Absolventen über vier Hauptbereiche ins Berufsleben ein:
•
Einstieg ins Berufsleben als Designer/in
•
Einstieg in ein Studium, z. B. Design
•
Einstieg in das Berufsfeld Verkauf
•
Einstieg in den Bereich Planung und Entwicklung bei einer Textilfirma
Christoph Emrich
Futaba Fashion Academy
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Liste der Teilnehmenden
Name
Hendrik ABEL
Beruf / Tätigkeit
Entsendestelle
Pädagogischer Mitarbeiter
Jugendhilfe Göttingen e. V.
Koordinierungsstelle Göttingen „Die 2. Chance“
Untere Karspüle 4, 37073 Göttingen
E-Mail: [email protected]
Christoph EMRICH Mai 2008: Berufsberater U25, Mai 2008: Agentur für Arbeit Kaiserslautern
(aktuell: Führungs- und Bildungsakademie der
Supervisor u. Coach
(aktuell: Dozent für Beratung Bundesagentur für Arbeit)
U25, Kommunikation und E-Mail.: [email protected]
Methodenkompetenz)
Liane HAGELAUER Qualifizierungsbegleiterin
Diakonische Jugendhilfe Region Heilbronn e.V.
(aktuell:
Wilhelmstr. 26, 74072 Heilbronn
Schulsozialarbeiterin)
E-Mail: [email protected]
Stephan HEINICKE Berufsberater U25
Agentur für Arbeit Herford
(aktuell: Teamleiter U25)
Hansastr. 33, 32049 Herford
E-Mail: [email protected]
Kathrin JAHNKE
Coach,
Verbund für Soziale Projekte
Koordinatorin
„Kompetenzagentur“ MV
Lübecker Str. 41, 19053 Schwerin
E-Mail: [email protected]
Burkhard SCHÄFER Leiter der Einrichtung
SOS Berufsausbildungszentrum Berlin
Oudenarder Str. 16, 13347 Berlin
E-Mail: [email protected]
Stephanie SCHÖNE Projektleitung
„Die
2. Plan L e.V., Leipzig
Chance“ und systemische Brandvorwerkstr. 78, 04275 Leipzig
Therapeutin
E-Mail: [email protected]
Meike VON APPEN Projektentwicklerin für Bil- Zukunftsbau GmbH, Berlin
dung und Beschäftigung Strelitzer Str. 60, 10115 Berlin
von Arbeitslosen
E-Mail: [email protected]
MIURA Nauka
Leiterin Jugendaustausch,
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin
(jp. Namen in dieser Delegationsleitung A2
Abt. Deutsch-Japanischer Jugendaustausch
Reihenfolge)
E-Mail:[email protected]
Vorbereitungsseminar in Berlin
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Kurzinformation
Das Studienprogramm besteht aus zwei Fachdelegationen mit unterschiedlichen
Themen, die auf deutscher Seite vom JDZB und IJAB - Fachstelle für Internationale
Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e. V. verantwortlich organisiert und
durchgeführt werden.
Die dem JDZB beauftragte Fachdelegation steht auch 2009 unter dem Thema
„Lebenskompetenz fördern – Schwerpunkt: Förderung benachteiligter Jugendlicher“ und wendet sich an Fachkräfte der Jugendarbeit, die als leitende bzw.
verantwortliche Mitarbeiter von freien oder öffentlichen Trägern der Jugendhilfe
aller föderaler Ebenen tätig sind und sich vorwiegend mit der Förderung von
benachteiligten Jugendlichen beschäftigen.
In einem zweiwöchigen Besuchsprogramm erhalten die 8 Teilnehmenden die
Möglichkeit, sich mit Fachkräften der außerschulischen Jugendarbeit im Partnerland
u. a. über das o. g. Thema und die Arbeit vor Ort, Probleme und Erfahrungen über
und mit jungen Menschen auszutauschen. Wichtiger Bestandteil dabei ist ein
Vorbereitungsseminar in Berlin (17.-19. April 2009).
Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des deutschen BMFSFJ (KJP) und des
japanischen Ministeriums für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft u. Technologie
[MEXT] mit einer Eigenbeteiligung von € 950,00.
Die deutsche Delegation besucht vom 16. bis 30. Mai 2009 Japan, der
Gegenbesuch der japanischen Delegation in Deutschland erfolgt vom 15. bis 28.
November 2009.
Auch für die folgenden Jahre ist die Fortsetzung des Studienprogramms geplant.
Interesse an der Teilnahme, ferner Rückmeldungen, Fragen und Anregungen zu
dieser Dokumentation richten Sie bitte an die folgende Adresse:
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin (JDZB)
Deutsch-Japanischer Jugendaustausch (DJJA)
Nauka Miura, Hitomi Makino
Saargemünder Straße 2, 14195 Berlin
Tel: 030/83907-0, Fax: 030/83907-220
E-Mail: [email protected], [email protected]
Homepage: www.jdzb.de (bitte unter Austauschprogramme)
oder bei unserem Kooperationspartner:
IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland
e.V., Herr Meggers, Herr Szczesny, Herr Recht
Godesberger Allee 142-148, 53175 Bonn
Tel.: 0228 9506-0, Fax: 0228 9506-199
E-Mail: [email protected], [email protected], [email protected]
Homepage: www.ijab.de
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