Vaskuläre Erkrankungen des ZNS

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Vaskuläre Erkrankungen des ZNS
Vaskuläre Erkrankungen
des Zentralnervensystems
Univ. Prof. Dr. Eduard Auff
Universitätsklinik für Neurologie
Terminologie „akuter Schlaganfall“
„ Ein Syndrom, das durch ein plötzlich
einsetzendes, fokales zentralnervöses
Defizit gekennzeichnet ist
synonyme Begriffe: zerebraler Insult, „Hirninsult“, stroke
(veraltete Bezeichnungen: Apoplexie, Hirnschlag)
Abgrenzung gegenüber:
„
„
langsamer entstehenden Krankheiten mit fokaler
neurologischer Symptomatik (z.B. Hirntumor, MS)
anderen akut einsetzenden, jedoch nicht fokalen
neurologischen Defizit- oder Reizsyndromen (z.B.
Bewußtseinstrübung)
DD des „akuten
Schlaganfalls“
„ Ischämische Insulte
„ Hämorrhagische Insulte
ƒ Zebrale Parenchymblutungen
ƒ Subarachnoidealbutungen
ƒ Epidurale und subdurale Blutungen
„ Hirnvenen- und Sinusvenenthrombose
„ Nicht-vaskuläre Insultsyndrome
ƒ Migräne mit Aura, akute metabolische Entgleisung,
konvulsives und postkonvusives Defizit, andere
nichtvaskuläre strukturelle Gehirnerkrankungen
(ADEM, HSE, … ), Kompressionssyndrome, …
Ischämischer Insult: Begriffe
Insult vs Infarkt
„ Insult: beschreibt ausschließlich das klinische Syndrom, ohne
Zusatz keine weitere ätiologische oder pathogenetische
Information (jedoch: ischämischer Insult)
„ Infarkt:
rein morphologische Diagnose, z.B. durch
bildgebende Verfahren akut beweisbar; praktisch immer
arteriell-ischämischer Infarkt (seltene Ausnahmen:
hämorrhagische Infarkte z.B. als Stauungsinfarkt infolge einer
Sinusvenenthrombose)
Ischämischer Insult: Begriffe
Zeitlicher Verlauf der Symptome
„ TIA: beschreibt den flüchtigen zerebralen Insult, dessen
Defizite definitionsgemäß maximal 24 Stunden bestehen und
sich vollständig zurückbilden
„ Vollendeter Insult (completed stroke):
wenn die
Symptome über die 24-Stunden-Grenze hinaus fortbestehen
„ RIND, PRIND: nicht mehr zeitgemäße Begriffe, weil kein
klinisch-relevanter Informationsgewinn damit verbunden ist und
weil oft fäschlich eine völlige Restitution der Ausfälle suggeriert
wird, obwohl bei subtiler neurologischer Prüfung die Residuen
nachweisbar bleiben
Ischämischer Insult: Begriffe
Schweregrad der Insultsymptomatik
„ „minor stroke“: reversible oder nicht behindernde Defizite
„ „major stroke“: behindernde Defizite
„ „maligner Hirninfarkt “:
sehr großer, lebensbedrohlicher, mit
einer Raumforderung und Hirnkompression einhergehender Hirninfarkt, diese
ungünstige Entwicklung lässt sich anhand der initialen Bildgebung für große
Infarkte des Media-Stromgebietes, andere große oder biterritoriale
Hemisphäreninfarkte und große (oder bilaterale) Kleinhirninfarkte bereits
vorausahnen und hat dann unmittelbare therapeutische Konsequenzen (z.B.
dekompressive Kraniotomie)
Ischämischer Insult: Begriffe
Abgrenzung TIA und vollendeter Insult
ƒ Ursprüngliches TIA-Konzept:
klinische Hilfestellung zur Indikation der
Karotisdesobliteration, keine strukturellen Läsionen bei TIAs
ƒ Zusätzliche Kriterien durch verbesserte Bildgebung:
bei 50%
der TIAs strukturelle Läsionen nachweisbar, Darstellung von klinisch stummen Infarkte
„
„
„
„
klinisch kann initial nicht zwischen TIA und einem in Entstehung befindlichen,
vollendeten Insult unterschieden werden
Didaktisch schlecht!
Suggeriert vermeintlich harmlose Störung, bagatellisert die Insultsymptomatik
Zeitintervall von 24 Stunden aus heutiger Sicht untauglich, weil zu lang
Pathophysiologisch sinnlos, da zugrundeliegende Mechanismen ident
„ Neues TIA-Konzept:
„flüchtige zerebrale oder retinale Dysfunktion mit einer
Symptomdauer von meist unter einer Stunde und fehlendem
Infarktnachweis“
Ischämische Insulte
Einteilung anhand klinischer Befunde
„ Topographische Zuordnung der Symptome
zu Gefäßversorgungsgebieten
„ Unspezifische Symptome (Atypische S.)
„ Kortikale und subkortikale Symptomatik
Neuroanatomie
Gefäßversorgungsgebiete
Topik
1 kortikale Monoparese
2 kapsuläre Hemiparese
3 Dezerebration
4 Tetraparese und gekreuzte Hirnnervensyndrome bei
Hirnstammläsion
5 Tetraparese bei hoher
Halsmarkläsion
6 Paraparese bei
Brustmarkläsion
Ischämische Insulte
Atypische Symptome
stellen bei isoliertem Auftreten in der Regel keinen Insult dar
„
„
„
„
„
„
„
„
„
„
„
„
Bewußtseinstrübung
Kopfschmerz
Ohnmachtsanfall, Synkope
Gedächtnisstörung, Verwirrtheit, kognitive Defizite
Affektlabilität, Reizbarkeit, Depression
Halluzinationen
Psychomotorischer Erregungszustand
Schwindel als isoliertes Symptom
Hörminderung
Drop Attack
Transiente globale Amnesie
Tinnitus
Ischämische Insulte
Typische kortikale Reizsymptome
„ Déviation conjugée (Blickwendung vom Herd weg)
„ Fokale epileptische Anfälle
„ Phosphene und Metamorphopsien (sehr selten)
Typische kortikale Ausfallssymptome
„ Déviation conjugée (Blickwendung zum Herd hin)
„ Homonyme Hemi- oder Quadrantenanopsie
„ Aphasie, Alexie, Apraxie, Akalkulie, Neglect
„ Akinetischer Mutismus
„ Operkularsyndrom (sehr selten)
Ischämische Insulte
Typische lakunäre Syndrome (subkortikal)
„ Rein motorische Hemiparese (pure motor stroke)
„ Rein sensible Halbseitensymptome
(pure sensory stroke)
„ Kombination aus Dysarthrie und Ungeschick-
lichkeit einer Hand (dysarthria clumsy hand syndrome)
„ Ataxie mit beinbetonter Hemiparese
(ataxia hemiparesis)
„ Sensomotorische Hemiparese ohne
neuropsychologisches Defizit (sensorimotor stroke)
„ Hemichorea, Hemiballismus (typisch, aber selten)
Ischämische Insulte - Ätiologie
„ Arterielle Makroangiopathie
„ Arterielle Mikroangiopathie
„ Kardiogene Embolien
„ Andere Ischämieursachen
Ischämische Insulte - Ätiologie
Arterielle Makroangiopathie
„ Arteriosklerotische Gefäßkrankheiten
„
„
Intrakranielle hirnversorgende Arterien
Extrakranielle hrinversorgende Arterien
„ Gefäßdissektionen
„ Vaskulitiden
„ Andere Vaskulopathien ungeklärter Dignität
„
„
Fibromuskuläre Dysplasie
Moya-Moya
Häufigkeit
arteriosklerotischer
Veränderungen
an den großen
kraniozervikalen Gefäßen
häufig
gelegentlich
selten
Ischämische Insulte - Ätiologie
Arterielle Mikroangiopathie
„ Erworbene Lipohyalinose penetrierender
Arteriolen
„ Hereditäre Syndrome
„
„
„
„
CADASIL, CARASIL
HERNS
Susac´s Syndrom
Morbus Fabry
„ Andere Vaskulopathien ungeklärter Dignität
„
Toxämische Leukenzephalopathie
Ischämische Insulte - Ätiologie
Kardiogene Embolien
„ Herzrhythmusstörungen
„ Klappenerkrankungen
„ Kontraktionsstörungen, Wandaneurysmen
„ Akuter Myokardinfarkt
„ Intrakavitäre Thromben
„ Rechts-Links-Shunt (PFO)
„ Atriales Septumaneurysma
Ischämische Insulte - Ätiologie
Andere Ischämieursachen
„ Sinusthrombose mit venösem Stauungsinfarkt
„ Hämatologische Erkrankungen
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
„
„
„
„
Anämie
Thrombophilien: erworben/hereditär
Hyperviskositätssyndrome
Myeloproliferative Erkrankungen
Migränöser Infarkt
Mitochondriopathien (MELAS-Syndrom u.a.)
Gefäßkompression durch Tumor
Iatrogene periinterventionelle Ischämien
(Herzkatheter, zerebrale Angiogaphie, Karotisstenting u.a.)
Pathophysiologie der Ischämie /1
Gehirn:
„ 2% des Körpergewichts
„ 15% des Herzminutenvolumens
„ 20% des gesamten Sauerstoffbedarfs
(3,35 ml O2 /100g Hirngewebe und Minute)
Pathophysiologie der Ischämie /2
Energiebedarf des Gehirns:
„ im Schlaf und bei geistiger Aktivität gleich
„ Glukose ist Hauptenergielieferant
unter physiologischen Bedingungen:
„
„
90-95% oxidativ metabolisiert
5-10% anaerob zu Pyruvat abgebaut
Pathophysiologie der Ischämie /3
„ Bei Sauerstoffmangel fällt Atmungskette aus
anaerobe Glykolyse Æ weniger Energie
entsteht Æ Strukturstoffwechsel wird
vornehmlich erhalten, aber Funktionsstoffwechsel wird eingestellt Æ Anhäufung von
Laktat
Æ
Empfindliches Gleichgewicht zwischen
O2-Versorgung und Nährstoffzufuhr
(Glukose) gestört !
Zerebrale Mangelperfusion
Zerebrovaskuläre
Zerebrovaskuläre
Reserve
Reserve
„Penumbra“
„Penumbra“
prinzipiell
prinzipiellreversible
reversible
Funktionsstörung
Funktionsstörung
Irreversible
Irreversible
GewebsGewebsschädigung
schädigung
CBF
60
20
10-8
0
paO2
100
40
30-25
0
ml/100g/min
Ischämieschwelle
Ischämieschwelle
Infarzierungsschwelle
Infarzierungsschwelle
Kaskadenreaktion nach Ischämie
Ischämie
Ischämie
MembranMembranstörung
störung
TransmitterTransmitterfreisetzung
freisetzung
verstärkter
verstärkter
Ca++Ca++einstrom
einstrom
freie
freieFettsäuren
Fettsäuren
ArachidonArachidonsäure
säure
Eikosanoide
Eikosanoide
Prostaglandine
Prostaglandine
Thromboxane
Thromboxane
Leukotriene
Leukotriene
freie
freie
Radikale
Radikale
ZellZellschädigung
schädigung
Nekrose
Nekrose
Anastomosen
Abhängigkeit der Gewebsläsion von
Ausprägung des Kollateralkreislaufs
CT – diverse Läsionsmuster
a: Mikroangiopathie, Status lacunaris, SAE; b: hämodynamisch bedingte Grenzzoneninfarkte; c: Territorialinfarkte;
d: bilaterale symmetrische Läsionen nach globaler hypoxisch ischämischer Hirnschädigung
Infarktmorphologie und Pathogenese
„ Makro-Angiopathien
(große piale oder extrakranielle Arterien betroffen)
„
„
Territorialinfarkte (ev. Zentrale Infarkte,
Basalganglieninfarkt) = embolisch, lokal thrombotisch
Endstrom- und Grenzzoneninfarkte =
hämodynamisch
„ Mikro-Angiopathien
(penetrierende kleine intrazerebrale Arterien)
„
„
„
lakunäre Infarkte
subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie
Sonderformen: CADASIL, MELAS, kongophile Angiopathie, SusacSyndrom, M. Fabry, diverse Arteriitiden
Magnetresonanztomographie
„ Diffusionsgewichtete MRT („DWI“)
mißt die Brown-Molekularbewegung im Extrazellulärraum (EZR); in der
Frühphase der Ischämie kommt es durch das intrazelluläre Ödem zu einer
Schwellung der Zelle und damit Verkleinerung des EZR, dadurch nimmt die
Diffusionsbewegung im EZR deutlich ab. Als Folge davon steigt das Signal auf
den sog. Diffusionsbildern deutlich an. Areale, die bereits in der Frühphase der
Ischämie ein hohes signal auf DWI-Bildern haben, bleiben geschädigt.
„ Klassische MR-Verfahren
„ MR-Angiographie
„ Perfusions-MR („PWI“)
es wird ein paramagnetisches Kontrastmittel i.v. als Bolus appliziert und
während der Passage des KM durch die Kapillaren eine T2-gewichtete
Gradientenechosequenz gefahren (durchblutetes Parenchym dunkel, nicht
durchblutetes Gewebe wird hell dargestellt)
Magnetresonanztomographie
„ Mismatch-Theorie
„
kleines Diffusions-, aber großes Perfusionsdefizit:
diese Patienten profitieren von einer Thrombolyse bzw. Rekanalisierung
des verschlossenen Gefäßes am deutlichsten
„
Penumbra:
das Differenzareal (PWI-DWI) wird als („tissue-at-risk“) bezeichnet
„ CAVE: Die Magnetresonanztomographie ist nur eine
Momentaufnahme der zerebralen Perfusionssituation!
Ischämischer zerebraler Insult
Epidemiologie
„ 100 - 700 Schlaganfälle/100.000 EW/Jahr
„ Große geographische Unterschiede
höchste Inzidenz: osteuropäische Länder
„ relativ niedrig: Westeuropa, Skandinavien,
Nordamerika
„
„ Nach einem ersten Schlaganfall:
Ca. 80-85% überleben
„ 8-15% erleiden Zweitereignis im ersten Jahr
„
Ischämischer zerebraler Insult
Häufigkeit - Anhaltszahlen für Österreich:
„ 18.000 Neuerkrankungen pro Jahr
„ 50.000 leiden an Folgen von Schlaganfall
„ 15-20% sterben in den ersten 4 Wochen
„ von den Überlebenden:
1/3 leben ohne Einschränkungen
1/3 selbständig, aber behindert
1/3 dauernd pflegebedürftig
Information
„ http://www.schlaganfall-info.at
Homepage der
Österr. Gesellschaft für Schlaganfallforschung
Was ist ein Schlaganfall
„ Wie erkenne ich einen Schlaganfall
„ Behandlung des Schlaganfalls
„
Schlaganfalltherapie - Überblick
„ Allgemeine Therapiemaßnahmen
„ Perfusionsverbessernde Therapie
„ Neuroprotektive Therapie
„ Spezielle intensivmedizinische Maßnahmen
„ Neurologische Rehabilitation
„ Prophylaxe
Intrazerebrale Blutung
„Hypertonische zerebrale Massenblutung“
„Hämorrhagia cerebri“
Intrazerebrale Blutung
Epidemiologie
„ 5-15% aller Schlaganfälle
„ Ethnische Unterschiede
„
„
Ostasiaten/Japan: 61/100.000
Kaukasier: 7-15/100.000
„ Inzidenzanstieg mit zunehmendem Alter
„ Risikofaktoren
„
„
„
Arterielle Hypertonie (in 72-81% der Fälle)
Zigarettenrauchen
Andere (Alkohol, Drogen etc.)
Intrazerebrale Blutung
„ Abruptes Auftreten
„
„
nur 7% TIA-ähnlicher Beginn
Progredienz der Ausfälle in den ersten Stunden
„ Klinische Folgen
„
„
„
Lokalisatorische Ausfälle
Erhöhter intrakranieller Druck
Bewusstseinsstörung
Besonderheiten: Anfälle bei 50% der lobären Blutungen, sonst
ungewöhnlich! Vegetative Störungen (EKG-Veränderungen!);
multiple Blutungen (Amyloidangiopathie, Gerinnungsstörungen,
Vaskulitis etc.)
Subarachnoidealblutung
SAB, SAH
SAB - Komplikationen
„ Frühkomplikationen
Einblutung ins Hirngewebe (intrazerebrales
Hämatom, Ventrikeleinbruch, akuter
Hydrocephalus)
„ Vasospasmus (Ischämie, Schlaganfall)
„ Rezidivblutung (Einblutung, Tod?)
„
„ Spätkomplikationen
Liquorzirkulationsstörung (Hydrocephalus)
„ Rezidivblutung (Tod?)
„ St.p.Frühkomplikationen (Behinderung)
„