Was tun bei Oberschenkel- halsbruch?

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Was tun bei Oberschenkel- halsbruch?
Was tun
bei Oberschenkelhalsbruch?
Becken
Pfanne
Gelenkkopf
Bruchlinie
Röntgenbild eines
Oberschenkelhalsbruches.
Die alleinstehende alte Frau ist
im Bad schwer gestürzt. Bewegen kann sie sich nicht, ihre
Hilferufe werden nicht gehört.
Erst nach zwei Tagen verschafft sich eine Nachbarin Zutritt zur Wohnung. Die völlig unterkühlte und verwirrte
alte Dame sitzt apathisch und regungslos auf den kalten
Kacheln. Sie wird schnell ins Krankenhaus eingeliefert.
Dort stirbt sie kurze Zeit später an den Folgen einer Lungenentzündung – eine tragische Geschichte, wie sie so
oder so ähnlich immer wieder in Deutschland passiert.
Wenn alte Menschen auf die Außenseite des Oberschenkels oder aufs Gesäß stürzen, dann kommt es oft
zu einem Bruch des Oberschenkelhalses – das ist der
Übergang vom Oberschenkel zur Hüftkugel. Die Folgen
des Bruches sind schlimm: Das Gelenk funktioniert nicht
mehr. Das Bein liegt nach außen gedreht und ist verkürzt, der Betroffene kann sich nicht bewegen und hat
starke Schmerzen.
Wenn der hilflose Patient nicht schnell genug gefunden wird, besteht Lebensgefahr. Unterkühlung führt bei
den durchs Alter ohnehin geschwächten Menschen oft
schnell zu Lungenentzündungen, bei Bettlägerigkeit zu
Thrombosen und anderen Komplikationen.
Nicht selten bedeutete in der Vergangenheit die Schenkelhalsfraktur lange Krankenhausaufenthalte, Heimpflege bis hin zum Tod. Auch heute noch sterben nach diesem Bruch zehn Prozent der betroffenen Patienten. Die
Chancen auf Heilung haben sich aber in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.
Moderne Operationstechniken ermöglichen eine frühe
Belastung des Beines, der Patient wird schnell wieder remobilisiert, schwere Komplikationen werden vermieden.
Früher wurden die Patienten in einen Streckverband
eingespannt.
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Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
Ziel war der Längenausgleich des durch den Bruch
verkürzten Beines. Mit dieser Maßnahme gelang es
auch, die Schmerzen wirksam zu bekämpfen.
Die Ärzte bohrten einen Draht durch den Oberschenkel, ein Drahtzug ermöglichte dann die Streckung des
Beins. Verbunden war dieses umständliche Verfahren mit
einem langen Krankenhausaufenhalt.
Warum sind vor allem ältere Menschen
betroffen?
Die Zahlen sind eindeutig: 87,5 Prozent der Patienten
mit Schenkelhalsbruch sind älter als 70 Jahre. 20 Prozent sind Männer, 80 Prozent Frauen.
Bruchursache ist bei 80 Prozent der Betroffenen ein
Unfall, bei 20 Prozent sind es Nebenerkrankungen, zum
Beispiel Schwindel, Herz- oder Gehirnerkrankungen
oder auch ein Herzschrittmacher-Ausfall. Zu dieser
Gruppe gehören auch Osteoporose-Kranke, bei denen
die Knochen leicht zerbrechen. Die Osteoporose ist eine
Erkrankung, bei der die Knochenmasse zunehmend abgebaut wird. Von der Osteoporose sind vor allem alte
Menschen betroffen, und hier besonders Frauen. Ein
Drittel aller Frauen über 60 und ein Zehntel aller Männer aus derselben Altersgruppe haben Osteoporose. Das
sind immerhin etwa 12 Prozent der bundesdeutschen
Bevölkerung.
Was tun bei Osteoporose?
Weil die Zahl der Menschen in Deutschland, die 60
Jahre und älter sind, deutlich zunimmt, wird die Osteoporose auch immer mehr zu einem gesundheitsökonomischen Problem. Das heißt, immer häufiger müssen
Menschen wegen Brüchen im Bereich der Wirbelkörper
und des Schenkelhalses im Krankenhaus behandelt und
operiert werden. Das kostet natürlich sehr viel Geld und
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Heute ist mit modernen Operationsmethoden eine sofortige Belastung des Beines möglich. Der
Patient kann nach
relativ kurzer Zeit
wieder in seine gewohnte Umgebung
zurückkehren.
Informieren Sie sich
bei Ihrem Arzt über
Osteoporose! Wer als
Patient von seiner Erkrankung weiß, der
wird sensibler für die
Gefahren eines möglichen Knochenbruchs!
schlägt sich zunehmend auf die Etats der Krankenkassen
nieder.
Eine Verhinderung der Osteoporose ist nach allgemeiner Auffassung aber nicht möglich. Der Schwund der
Knochenmasse kann jedoch verlangsamt werden, wenn
der Patient bis ins hohe Alter körperlich aktiv ist und Vitamin D sowie Kalzium einnimmt. Besonders empfehlenswert sind Sonne, Milch und die Einnahme von Hormonen.
Insbesondere alleinlebende ältere Menschen sollten
sicherstellen, daß ein möglicher Unfall in der Wohnung
auch bemerkt wird. Das ist zum Beispiel mit Piepsergeräten möglich, die im Notfall benutzt werden können.
Sozial- und Pflegestationen in ihrer Umgebung werden
Sie umfassend informieren!
Wie geht es nach dem Bruch weiter?
Der Patient ist gestürzt. Er hat große Schmerzen in der
Leiste oder am Oberschenkel, sein Bein ist verkürzt und
nach außen gedreht. Liegend wird er zunächst einmal
mit dem Krankenwagen in die Klinik transportiert. Dort
versorgt man ihn mit Schmerzmitteln, außerdem werden
Röntgenaufnahmen gemacht.
In aller Regel ist die Diagnose eindeutig. Zuweilen
kann es aber auch Probleme geben: Nicht immer beweist die Röntgenaufnahme auch den Bruch! Wenn weiter Schmerzen beim Laufen bestehen, dann ist eine erneute Röntgenaufnahme zwei bis drei Wochen später
sinnvoll.
Wenn es allerdings keine Zweifel über die Art der Verletzung gibt, dann folgt die stationäre Aufnahme und die
allgemeine Untersuchung. Bei Nebenerkrankungen
müssen neben dem Chirurgen oft auch Ärzte aus anderen Fachdisziplinen hinzugezogen werden. Es gilt möglichst schnell, Nebenerkrankungen zu behandeln, zum
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Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
Beispiel durch die Gabe von Herzmitteln bei Herzbeschwerden.
Internist und Narkosearzt besprechen mit dem Chirurgen den Zeitpunkt der Operation. Sie sollte innerhalb
von 12 bis 24 Stunden nach dem Knochenbruch durchgeführt werden. Jeder Aufschub kann nämlich dazu führen, daß neue Probleme auftauchen und weitere Komplikationen entstehen, so zum Beispiel auch eine Lungenentzündung.
In ganz seltenen Fällen ist übrigens eine längere Vorbereitungszeit nötig. Dann muß das Bein, so wie es früher üblich war, zunächst in einem Streckverband langgezogen werden.
Was passiert bei der Operation?
Bei der Operation geht es darum, daß der Patient das
Hüftgelenk wieder voll belasten kann.
Ist der Hüftkopf abgebrochen, aber nicht verrutscht,
besteht sogar die Chance, daß nicht operiert werden
muß. Das Bein wird dann vorsichtig zunehmend belastet, damit der Kopf wieder einheilen kann.
Meist muß der Hüftkopf jedoch verschraubt oder
durch einen Metallhüftkopf ersetzt werden. Bei jüngeren
Menschen wird das gesamte Hüftgelenk, also Pfanne
und Hüftkopf, ausgetauscht.
Die Operation dauert – je nach Art – etwa ein bis
zwei Stunden. Dazu kommt die Zeit, die benötigt wird,
um den Patienten sorgsam auf einem speziellen Operationstisch zu lagern.
Wenn der Hüftkopf oder gar das ganze Gelenk ersetzt
wird, kann der Patient nach der Operation sofort wieder
das Bein belasten. Im idealen Fall besteht auch bei anderen Operationsmethoden die Chance einer Teil- bis
Vollbelastung innerhalb kürzester Zeit, zum Beispiel
dann, wenn der Hüftkopf verschraubt wird.
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Operiert werden
sollte innerhalb von
12 bis 24 Stunden
nach dem Knochenbruch.
Schaft
Pfanne
Hüftendprothese mit
Pfanne und Schaft
Welche Komplikationen sind möglich?
Problematisch sind
komplizierte Brüche.
Bei totalem Hüftersatz oder einem Teilersatz des Hüftgelenks ist die Komplikationsrate gering, sie liegt bei unter
einem Prozent.
Anders sieht es bei problematischen Operationen aus,
etwa, wenn es sich um eine Trümmerfraktur handelt, bei
der mehrere Teile zusammengefügt werden müssen.
Dann liegt die Möglichkeit, daß es an der Wunde zu einer Infektion kommt, bei drei bis fünf Prozent. Bei
einem Patienten mit Osteoporose können ebenfalls
Komplikationen auftreten, weil die Schrauben nicht gut
halten. Im Alter sind die Patienten infarktgefährdeter.
20 Prozent der Komplikationen sind Lungenentzündungen und Herzprobleme, außerdem bereiten aufgelegene
Stellen an Rücken und Gesäß Probleme, wenn die Patienten nach dem Bruch lange Zeit reglos unterkühlt auf
derselben Stelle gelegen haben.
Typische Komplikationen bei Eingriffen im Bereich
der Hüfte sind auch Embolien. Die Wahrscheinlichkeit
aber, daß es tatsächlich zu einer Embolie kommt, ist gering. Das Embolierisiko liegt bei ein bis drei Prozent,
und zwar auch dann, wenn Frühmobilisierungen gemacht und Thrombosespritzen gegeben worden sind.
Der Blutverlust bei einer Schenkelhalsoperation kann
500 Milliliter und mehr betragen. Da es sich um eine
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Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
Notfalloperation handelt, Eigenblutentnahme also nicht
möglich ist, muß damit gerechnet werden, daß die Ärzte
dem Patienten Fremdblut geben müssen. Der Bruch allein kann bereits einen Liter Blutverlust bedeuten. Ältere
Menschen haben außerdem oft ohnehin zuwenig rote
Blutkörperchen.
Wie lange dauert der Aufenthalt im Krankenhaus?
Bis zur Entlassung aus der Klinik dauert es im Durchschnitt etwa einen Monat. Allerdings hängt der genaue
Zeitpunkt vom Allgemeinzustand des Patienten ab.
Mindestens ebenso wichtig ist auch die Gewißheit,
daß die Nachbetreuung in einem Heim oder in der Familie nahtlos gewährleistet ist. Je nach Art der Operation
beginnt in der Klinik bereits die Frührehabilitation. Fast
jeder zweite Patient wird nach dem Unfall in eine Rehaoder Pflegeanstalt verlegt. 13 Prozent kommen in ein
Pflegeheim.
Ältere Patienten finden sich im Krankenhaus nicht immer zurecht und wollen möglichst schnell in ihre gewohnte Umgebung. Hier sollte man großzügig sein,
aber mit den Angehörigen und den Mitarbeitern der
Hauspflege einen möglichst frühen Rückverlegungstermin besprechen.
Dies kann sogar durchaus von pflegerischem Vorteil
sein, denn die Angehörigen zu Hause oder ambulante
Pfleger sind bemüht, ebenso wie im Krankenhaus,
frischoperierte Patienten zu mobilisieren. In den Fällen,
in denen es nicht durch einen Unfall zum Sturz kam,
sondern etwa durch Herzrhymusstörungen oder Durchblutungsstörungen des Gehirns, kann nach Versorgung
der Fraktur sogar ein weiterer Krankenhausaufenthalt in
einer anderen Fachabteilung notwendig sein, um bleibende Schäden und weitere Schwindelattacken oder
Stürze zu verhindern.
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Wichtig ist die Pflege
zu Hause.
Wie geht es zu Hause weiter?
Mit Krücken oder dem Gehwagen muß der Patient wieder das Gehen lernen. Manchmal fährt er auch nach
kurzem Zwischenstopp zu Hause direkt in eine RehaKlinik. Hier bietet im übrigen die neue Pflegeversicherung neue Perspektiven, denn sie sieht auch die Finanzierungsmöglichkeit einer vorübergehenden Betreuung
durch Pflegekräfte vor. Das wird sicher ein Viertel der
Patienten, die aus der Klinik nach Hause kommen, in
Anspruch nehmen. Informieren Sie sich!
Von der Pflegeversicherung kann man für häusliche
Pflege mit einer Unterstützung von bis zu DM 1300.–,
bei Sachleistungen sogar bis zu DM 2800.– rechnen. Ob
Sie einen Anspruch haben, sollte man schon während
des stationären Aufenthaltes klären.
Um wieder gehen
zu lernen, gibt es verschiedenartige Gehhilfen, mit denen man
sogar einkaufen kann.
(Abb. Fa. Orthopedia)
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Wie verlaufen die wichtigsten Operationen?
Besonders tragisch ist manchmal die Tatsache, daß
die vor dem Sturz sehr selbständigen, alleine wirtschaftenden Menschen nicht mehr in ihr eigenes Heim zurückkönnen und hierfür weder der Arzt noch die Angehörigen die Verantwortung übernehmen können. Es
bedarf großer Geduld und viel Zuwendung, um diese
alten Menschen wider zu stabilisieren oder ihnen
den Entschluß, in ein Pflegeheim zu gehen, leichter zu
machen.
Das Wichtigste auf einen Blick
Hauptsymptome sind Schmerzen in der Leiste nach
Sturz auf Gesäß und Oberschenkel, Auftreten unmöglich.
Schenkelhalsbrüche im Alter sind meist eine Folge
von Osteoporose.
Bei Klinikaufnahme informieren Sie den Arzt im
Krankenhaus nach einem Knochenbruch sofort über
den Unfallhergang und ob sie an weiteren Erkrankungen leiden (zum Beispiel Schwindel).
Operation: Hüftprothese; Stabilisierung des Bruchs
durch Schrauben und Platten.
Belastung des Beins nach der Operation oft sofort,
beim Oberschenkelbruch nach sechs bis acht Wochen.
Der Einsatz von Fremdblut bei der Operation läßt
sich meist nicht vermeiden.
Der Aufenthalt im Krankenhaus dauert mindestens
vier Wochen.
Wenn Sie alleinstehend sind: Sorgen Sie dafür, daß
bei einem Knochenbruch zu Hause schnelle Hilfe
möglich ist (zum Beispiel mit einem Piepsgerät oder
durch regelmäßige Kontrollanrufe einer Sozialstation).
Erkundigen Sie sich, welche Möglichkeiten die Pflegeversicherung bei der Rehabilitation zu Hause bietet!
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Wegen der Pflegeversicherung Sozialarbeiter oder Krankenkasse
kontaktieren.