Die Miami 5 sind frei... - Freundschaftsgesellschaft BRD

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Die Miami 5 sind frei... - Freundschaftsgesellschaft BRD
Quelle:
, Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika, Nr. 384, April 2015
Die Miami 5 sind frei, die Cuba-Solidarität geht weiter
Cubanische Kunst aus dem US-Gefängnis: Ausstellung von Antonio Guerrero
von Heinz-W. Hammer
Fotos: Heinz-W. Hammer; Amtonio Guerrero, einer der MIAMI 5, begann im US-Gefängnis zu malen. Hier
posiert er vor einigen seiner Bilder
3.478 Tote und 2.099 Invalide durch Terroranschläge, die vom US-Territorium ausgingen
– das ist die schreckliche Bilanz, die die cubanische Regierung im Jahre 2001 dem UNMenschenrechtsrat vorlegte. Immer wieder hatte sie die US-Regierung aufgefordert,
diesem blutigen Treiben ein Ende zu setzen, doch dies wurde in Washington ignoriert.
Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, wie tief die US-Geheimdienste und -Behörden
bis in höchste Regierungskreise selbst mit der rechtsextremen Miami-Mafia verwoben
sind. Anfang der 90er Jahre hatte die cubanische Regierung deshalb Aufklärer in den
Terroristensumpf nach Miami gesandt, um weitere Anschläge gegen ihr Land zu
verhindern. Im Juni 1998 übergab sie durch den kolumbianischen Schriftsteller Gabriel
García Márquez an die US-Regierung umfangreiche Unterlagen über terroristische
Aktivitäten in Südflorida, die auf diesem Wege gesammelt worden waren. Statt jedoch
den Mafia-Sumpf trocken zu legen, verhaftete das FBI am 12. September 1998 eine
Gruppe cubanischer Kundschafter, die „Miami 5“ (benannt nach dem Ort der Verhaftung):
Gerardo Hernández, René González, Ramón Labañino, Antonio Guerrero und Fernando
González. Im Dezember 2014 kamen die letzten drei von ihnen frei und Anfang des
Jahres war eine Ausstellung mit Aquarellen eines der ehemaligen Gefangenen in Essen
und Köln zu sehen.
In einem Schauprozess in Miami wurden diese Kundschafter im Dezember 2001 zu
langjährigen Haftstrafen verurteilt: René González war zu 15 Jahren Haft verurteilt
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worden. Am 16. September 2011 ordnete Richterin Joan Lenard an, dass René nach
seiner Freilassung aus dem Gefängnis am 7. Oktober 2011 (nach Verbüßung des
kompletten Strafmaßes) eine „Bewährungszeit“ von drei Jahren in der TerroristenHochburg Miami mit einer elektronischen Fußfessel verbringen müsse. Für ihn bestand
in diesem Umfeld akute Lebensgefahr. Erst am 3. Mai 2013 wurde ihm unter der Auflage
des Verzichts auf seine US-Staatsbürgerschaft die Erlaubnis erteilt, in Cuba zu bleiben.
Zu diesem Zeitpunkt war er für zwei Wochen nach Cuba gekommen, um an der
Trauerfeier für seinen kurz zuvor verstorbenen Vater Cándido teilzunehmen.
Fernando González war ursprünglich zu 19 Jahren Haft verurteilt worden. Das Strafmaß
war in einem weiteren Verfahren vor dem Bezirksgericht von Südflorida, das erst auf
Druck der weltweiten Solidaritätsbewegung zustande gekommen war, am 13.10.2009 auf
17 Jahre plus neun Monate Haft reduziert worden. Fernando wurde am 27.02.2014 nach
15 ½ Jahren entlassen. Bereits am nächsten Tag wurde er nach Havanna abgeschoben
und dort am Flughafen José Martí vom cubanischen Präsidenten Raúl Castro, weiteren
Führungspersönlichkeiten und Familienangehörigen mit größter Herzlichkeit in Empfang
genommen. Fernandos Mutter, Magali Llort, betonte bei dieser Gelegenheit: „Unsere
Söhne haben das Leben von Menschen verteidigt und gegen den Terrorismus gekämpft“,
und appellierte an die Menschen in aller Welt, „den Kampf fortzusetzen, bis auch die
anderen drei zu Unrecht Verurteilten zurückgekehrt sind.“ Demgegenüber wetterten in
den USA antikommunistische Hardliner wie die republikanische Kongressabgeordnete
Ileana Ros-Lehtinen gegen Fernandos Freilassung: „Die Castros werden das nutzen, um
ihre Propaganda zu verstärken“, zitierte die Tageszeitung Nuevo Heraldo die ultrarechte
Politikerin. Bei den von Magali angesprochenen „anderen drei“ handelte es sich zum
einen um Antonio Guerrero, der ursprünglich zu Lebenslänglich plus zehn Jahre Haft
verurteilt worden war. Das Strafmaß war in dem bereits genannten zweiten Verfahren auf
21 Jahre plus zehn Monate Haft reduziert worden. Des Weiteren Ramón Labañino, der
zunächst zu Lebenslänglich plus zehn Jahre Haft verurteilt worden war. Sein Strafmaß
war im zweiten Verfahren auf 30 Jahre Haft reduziert worden. Und schließlich Gerardo
Hernández, der zu zwei Mal Lebenslänglich plus 15 Jahre Haft verurteilt worden war und
nach dem Willen der US-Regierung im Knast sterben sollte.
Zu diesem Zeitpunkt waren fast alle juristischen Mittel ausgeschöpft und die weltweite
Solidaritätsbewegung war sich einig, dass ihre Freiheit nun nur noch auf dem Wege des
politischen Kampfes erreicht werden könne. Die Formen der Solidaritätsaktionen waren
so vielfältig wie die Solidaritätsbewegung auf allen Kontinenten selbst.
NobelpreisträgerInnen, Parlamentsabgeordnete und andere Prominente wurden für das
Anliegen gewonnen; die Zugspitze wurde erklommen, internationale Tribunale,
Demonstrationen und Kulturveranstaltungen organisiert. Parallel dazu fand laufend ein
direkter schriftlicher Austausch mit den Inhaftierten statt, die somit moralische
Rückenstärkung aus aller Welt erhielten. Die Unterstützenden wiederum bekamen
direkte Informationen über Leben und Leiden der Häftlinge in den USHochsicherheitsknästen (siehe hierzu www.miami5.de).
So erfuhr die Solidaritätsbewegung auch, dass sich Antonio Guerrero zu einem ernst zu
nehmenden Künstler entwickelt hatte. Er verfasste beeindruckende Gedichte und hatte
zu malen begonnen. Über die zuständigen cubanischen Stellen war es möglich
geworden, seine Aquarelle auch in der Bundesrepublik auszustellen.
In Essen nahmen die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V. und der Deutsche
Gewerkschaftsbund (DGB) diese Möglichkeit wahr und plante für Ende Januar 2015 eine
Ausstellung unter dem Titel „Antonio Guerrero: ‚Wie ich gelebt habe, sterbe ich’ –
Cubanische Kunst aus dem US-Gefängnis“. Antonio hatte hierzu geschrieben:
„In meinem Kopf entstanden Bilder, die ich zunächst skizziert und dann auf
Aquarellpapier gemalt habe, dort haben sie allmählich Farbe bekommen. Alle diese
Bilder hatten etwas gemeinsam: Sie sind Erinnerungen an die ungerechte und grausame
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Behandlung unserer Verhaftung, die wir vom ersten Tag an erlitten haben, es waren
Momente unseres Überlebens. 17 Monate lang, isoliert in den Strafzellen des
sogenannten ‚Lochs’ des Federal Detention Centers von Miami“. Die beeindruckenden
Werke, zum Teil naturalistisch, zum Teil deutlich kubistisch inspiriert, wurden von
Texttafeln komplettiert, auf denen der Künstler die jeweiligen Hintergründe und
Motivationen beschreibt.
Titel des Aquarells (hier nur ein Ausschnitt): Die Ketten. „Jedes Mal, wenn Du aus der
Isolationshaft herausgenommen wurdest, bekamst Du Hand- und Fußfesseln.“
Die Vorbereitungen für die Essener Ausstellung waren im Oktober 2014 begonnen
worden und sie hatte ursprünglich das Ziel, den Fall der Fünf weiter bekannt zu machen
und damit einen weiteren Mosaikstein im Kampf um ihre Befreiung beizutragen. Die
Veranstalter waren ebenso freudig überrascht wie die gesamte weltweite
Unterstützungsgemeinde, als am 17. Dezember der cubanische Präsident Raúl Castro
die Freilassung der in den US-Knästen noch verbliebenen drei der „Miami 5“ verkündete.
Umgehend wurden in Essen die Ankündigungsplakate mit Aufklebern versehen, wonach
mit der Ausstellung und der Vernissage am 23. Januar ihre Befreiung gefeiert werden
solle. Bei dieser Ausstellungseröffnung im vollbesetzten Saal des Gewerkschaftshauses
war die Stimmung entsprechend gut. Der argentinische Sänger und Gitarrist Daniel
Rodríguez aus Köln begeisterte mit von ihm vertonten Gedichten von Antonio im
spanischen Original, die von der Schauspielerin und Kabarettistin Mischi Steinbrück im
Wechsel auf Deutsch rezitiert wurden. In Redebeiträgen gingen die Leiterin der
Außenstelle Bonn der Botschaft der Republik Cuba, Anette Chao García, der
Regionsgeschäftsführer Mülheim-Essen-Oberhausen des DGB, Dieter Hillebrand, sowie
der Vorsitzende der Regionalgruppe Essen der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
e.V. (und Verfasser dieser Zeilen), Heinz-W. Hammer, auf die Präsentation der
Ausstellung, die 16 Jahre währende ungerechte Haft, die endgültige Befreiung der
„Miami 5“ und die aktuelle Lage auf Cuba sein.
Zu der am 17. Dezember angekündigten Normalisierung der diplomatischen
Beziehungen stellte ich als Vertreter der Freundschaftsgesellschaft klar, dass damit noch
lange nicht das Ende der völkerrechtswidrigen US-Blockade erreicht sei. Die Befreiung
der „Miami 5“ beweist einmal mehr, dass die weltweite Solidaritätsbewegung erfolgreich
sein kann. Diese Erkenntnis muss für den weiter notwendigen Kampf um das Ende der
Blockade genutzt werden. Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba wird sich nicht
daran beteiligen, nun die cubanische Revolutionsregierung mit ungebetenen
Ratschlägen einzudecken. Die neue Situation bringt natürlich neue Anforderungen mit
sich. Allerdings hat sich die cubanische Revolution seit nunmehr 56 Jahren gegen die
stärkste Militärmacht der Weltgeschichte erfolgreich verteidigt und wird mit Sicherheit
auch die neuen Herausforderungen erfolgreich meistern. Auch die Solidaritätsbewegung
steht vor neuen Herausforderungen. Ein verstärkter Propagandakrieg gegen Cuba ist
sicher, womit die Notwendigkeit der politischen Solidarität mit dem sozialistischen Cuba
weiter auf der Tagesordnung bleibt.
Fotogalerie siehe:
www.cubafreundschaft.de/Home/home.html#Vernissage