Newsletter Februar 2013 - silberberger.lorenz.towara

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Newsletter Februar 2013 - silberberger.lorenz.towara
Newsletter
Arbeitsrecht
Februar/März
2013
Inhalt:
Keine Betriebsratsbeschlüsse in eigener Sache
Seite 2
LAG Nürnberg, Beschluss vom 16.10.2012, Az.: 7 TaBV 28/12
Datenschutz hindert Betriebsräte nicht an Einsicht in Gehaltslisten
Seite 3
LAG Niedersachsen, Beschluss vom 18.04.2012, Az.: 16 TaBV 39/11
Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer zählen für die
Betriebszugehörigkeit
Seite 4
BAG, Beschluss vom 10.10.2012, Az.: 7 ABR 53/11
Auch vorübergehende Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers auf
einem Dauerarbeitsplatz verstößt gegen das AÜG
Seite 5
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2012, Az.: 4 TaBV 1163/12
Nicht vorübergehende Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers ist
Widerspruchsgrund
Seite 7
LAG Niedersachsen, Beschluss vom 19.09.2012, Az.: 17 TaBV 124/11
Unbefristete Leiharbeit führt zu Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher
Seite 8
LAG Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 09.01.2013, Az.: 15 Sa 1635/12
Wunschzeugnis im gerichtlichen Vergleich muss konkret formuliert sein
Seite 9
Sächsisches LAG, Beschluss vom 06.08.2012, Az.: 4 Ta 170/12
Arbeitgeber trägt Beweislast für Beurteilung „befriedigend“ im Zeugnis
ArbG Berlin, Beschluss vom 26.10.2012, Az.: 28 Ca 18230/11
Seite 1
Seite 10
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Keine Betriebsratsbeschlüsse in eigener Sache
LAG Nürnberg, Beschluss vom 16.10.2012, Az.: 7 TaBV 28/12
Orientierungssatz:
Betriebsratsmitglieder, die aus eigener Betroffenheit eine Beschwerde nach § 85 BetrVG beim
Betriebsrat eingereicht haben, dürfen an den Beschlüssen zur Berechtigung der Beschwerde und
zur Anrufung einer Einigungsstelle nach § 85 Absatz 2 BetrVG nicht mitwirken. Die mit ihrer
Mitwirkung gefassten Beschlüsse sind unwirksam und stehen der Einrichtung einer
Einigungsstelle nach § 98 ArbGG entgegen.
Sachverhalt:
Arbeitgeber und Betriebsrat streiten über die Einrichtung einer Einigungsstelle wegen
Beschwerden einer Reihe von Mitarbeitern.
Der neunköpfige Betriebsrat hatte einstimmig beschlossen, dass eine von 85 Beschäftigten des
Betriebs eingereichte Beschwerde berechtigt sei. An dieser Abstimmung nahmen drei
Betriebsrätinnen teil, die die Beschwerde selbst mit unterzeichnet hatten.
Nachdem die betriebsinternen Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über die Beschwerden
gescheitert waren, beschloss der Betriebsrat die Anrufung der Einigungsstelle. Auch an dieser
Beschlussfassung waren die drei Betriebsrätinnen beteiligt.
Der Arbeitgeber meinte, es sei kein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss über die Anrufung
der Einigungsstelle zustande gekommen. Deswegen legte er gegen deren Einsetzung
Beschwerde ein. Das LAG Nürnberg gab ihm Recht und entschied, dass beide
Betriebsratsbeschlüsse formell nicht in Ordnung seien.
Bei beiden Betriebsratsbeschlüssen sei es um die Frage gegangen, ob die in der Beschwerde
geltend gemachte Beeinträchtigung auch die drei Betriebsrätinnen als Arbeitnehmerinnen
betroffen habe. Daher seien sie individuell und unmittelbar von der Beschlussfassung betroffen
und somit von ihrer Organtätigkeit als Betriebsratsmitglieder ausgeschlossen gewesen.
Das LAG berief sich hier auf die Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 10.11.2009, 1 ABR
64/08), nach der niemand „Richter in eigener Sache“ sein könne. Die Funktion des Betriebsrats
als Organ sei dann nicht mehr gesichert, wenn die Eigeninteressen der Beteiligten bei der
Amtsführung bestimmend sein könnten. Die an der Beratung und Beschlussfassung beteiligten
Betriebsrätinnen seien daher nach Maßgabe von § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verhindert gewesen.
Praxisbedeutung:
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Die Entscheidung überzeugt nicht wirklich: Wenn nur drei der insgesamt 85
Beschwerdeführerinnen dem Betriebsrat angehören, kann man sicher nicht davon sprechen,
dass deren Eigeninteressen bestimmend waren. Bei der zitierten BAG-Entscheidung war die
Qualität auch eine andere: Dort ging es um eine personelle Einzelmaßnahme, bei der das
Betriebsratsmitglied selbst betroffen war. Gleichwohl gilt es, den hier zum Ausdruck kommenden
Formalismus zu beachten, entweder, indem sich die Betriebsratsmitglieder an der Beschwerde
selbst oder an den notwendigen Betriebsratsbeschlüssen nicht beteiligen.
Datenschutz hindert Betriebsräte nicht an Einsicht in Gehaltslisten
LAG Niedersachsen, Beschluss vom 18.04.2012, Az.: 16 TaBV 39/11
Orientierungssatz:
Das Einsichtsrecht des Betriebsrats in die Bruttolohn- und Gehaltslisten verstößt weder gegen
deutsches noch gegen europäisches Datenschutzrecht, auch wenn ein Teil der Beschäftigten der
Einsicht in die Unterlagen widersprochen hat.
Sachverhalt:
In einer neurochirurgischen Klinik sind ca. 120 Beschäftigte tätig, die teilweise außertariflich und
teilweise unter Beteiligung am ärztlichen Liquidationserlös bezahlt werden.
Der Betriebsrat verlangte Einsichtnahme in die Lohn- und Gehaltslisten. Das wurde ihm jedoch
unter Verweis auf das deutsche und europäische Datenschutzrecht verwehrt. Der Arbeitgeber
hielt den Betriebsrat dazu nicht berechtigt, da es bei seinen „hoch- und höchstqualifizierten“
Beschäftigten zur „freien“ Gehaltsfindung gekommen sei. Eine Einsichtnahme könne auch schon
deswegen verweigert werden, weil fast die Hälfte der Beschäftigten dieser widersprochen hätten.
Der Betriebsrat bekam in beiden Instanzen Recht. Nach dem LAG Niedersachsen ist dem
Betriebsrat gem. § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten
zu gewähren, da sie zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrates erforderlich sei. Ohne die
Einsichtnahme könne der Betriebsrat erstens nicht nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber
wachen, dass Tarifverträge und der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungssatz eingehalten
würden. Zweitens sei die Einsichtnahme auch wegen des Mitbestimmungsrechts bei der
betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) erforderlich. Dies gälte auch für
übertariflich und frei verhandelte Lohnbestandteile. Denn nur wenn der Betriebsrat Kenntnis von
dieser Lohngestaltung habe, könne er einschätzen, ob er von seinen Beteiligungsrechten
Gebrauch machen wolle. Auch bei einer Beteiligung an ärztlichen Liquidationserlösen könnten
sich Fragen der Verteilungsgerechtigkeit ergeben.
Das Einsichtsrecht sei dem Betriebsrat zudem unabhängig von einem Widerspruch der
Beschäftigten zuzusprechen. Zum Datenschutz stellte das LAG Niedersachsen klar, dass weder
ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) noch gegen Europarecht vorläge. Das
folge schon aus der Nachrangigkeit des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG;
hierzu auch BAG, Beschluss vom 12.08.2009, Az. 7 ABR 15/08) gegenüber dem Einsichtsrecht
aus § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG. Auch ein Geheimnisverrat nach § 5 BDSG käme
nicht in Frage, da der Betriebsrat als Teil der verarbeitenden Stelle, also des Arbeitgebers, im
Sinne von § 3 Abs. 7 BDSG anzusehen sei. Deswegen sei der Betriebsrat auch zur Verarbeitung
der Daten nach § 28 Abs. 1 BDSG befugt.
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Aufgrund der gleichen Erwägungen läge auch kein Verstoß gegen die Richtlinie 95/46/EG (EUDatenschutzrichtlinie) vor. Auch hier sei der Betriebsrat als Teil des für die Verarbeitung
verantwortlichen Arbeitgebers im Sinne des Art. 2 der Datenschutzrichtlinie anzusehen.
Praxisbedeutung:
Dass Arbeitgeber sich zu Unrecht als „Wahrer des Datenschutzes“ gegenüber Betriebs- und
Personalräten betätigen, ist nicht neu. So hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
(Urteil vom 25.11.2008 - PL 15 S 2634/07) ein Einsichtsrecht des Personalrats in die individuell
ausgehandelten Gagen der Solisten und Bühnentechniker wegen des Schutzes der Kunstfreiheit
(Art. 5 Abs. 3 GG) abgelehnt. Eine vergleichbare „Freiheit“ wollte das LAG den hier Betroffenen
aber nicht zubilligen. Das Thema spielte auch beim betrieblichen Eingliederungsmanagement
eine Rolle. So hatte das BAG entschieden, dass das Erheben von Daten über die
krankheitsbedingten Fehlzeiten durch den Arbeitgeber und ihre Übermittlung an den Betriebsrat
auch bei fehlender Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG
zulässig ist (BAG, Beschluss vom 07.02.2012, 1 ABR 46/10). Wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Angelegenheit und dem Bezug zum EU-Recht hat das LAG die
Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen (Az. 1 ABR 54/12).
Beschäftigungszeiten
Betriebszugehörigkeit
als
Leiharbeitnehmer
zählen
für
die
BAG, Beschluss vom 10.10.2012, Az.: 7 ABR 53/11
Orientierungssatz:
Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb sind auf die Dauer der
Betriebszugehörigkeit für die Wählbarkeit in den Betriebsrat nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
anzurechnen. Das gilt dann, wenn der Arbeitnehmer im Anschluss an die Überlassung in ein
Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher übernommen wurde.
Sachverhalt:
Der antragstellende Kandidat, weitere Kandidaten und der Arbeitgeber streiten mit dem
Betriebsrat über die Wirksamkeit der Wahl eines fünfköpfigen Betriebsrats.
Der Antragsteller war drei Monate in dem Betrieb als Leiharbeitnehmer beschäftigt und wurde
direkt im Anschluss daran zum 1. Januar 2010 in eine Festanstellung übernommen. Ende März
2010 reichte er als Listenvertreter eine aus sechs Bewerbern bestehende Wahlvorschlagsliste
beim Wahlvorstand ein. Der Wahlvorstand wies diese Liste jedoch mit der Begründung zurück,
der Antragsteller sei nicht zum Betriebsrat wählbar, da er noch keine sechs Monate im Betrieb
beschäftigt sei. Die Betriebsratswahl wurde schließlich Ende April 2010 ohne die
Wahlvorschlagsliste des Antragstellers durchgeführt. Sechs Arbeitnehmer der zurückgewiesenen
Liste und der Arbeitgeber haben die Wahl angefochten. Das Arbeitsgericht und das
Landesarbeitsgericht haben den Anträgen entsprochen und die Betriebsratswahl für unwirksam
erklärt.
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Auch das BAG gab den Antragstellern Recht. Die ohne die Vorschlagsliste des Antragstellers
durchgeführte Betriebsratswahl sei unwirksam, da der Antragsteller nach § 8 Abs. 1 BetrVG zum
Betriebsrat wählbar gewesen sei.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind alle Wahlberechtigten, die dem Betrieb länger als sechs
Monate angehören, zum Betriebsrat wählbar. Nach Auffassung des BAG hat der Antragsteller
diese sechsmonatige „Wartezeit“ erfüllt. Die Beschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer unmittelbar
vor Begründung des Anstellungsverhältnisses mit dem Entleiher sei nämlich als
Beschäftigungszeit im Sinne von § 8 Abs. 1 BetrVG anzuerkennen. Hierfür spreche insbesondere
der Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit ihr solle sichergestellt werden, dass ein potenzielles
Betriebsratsmitglied den erforderlichen Überblick über die Verhältnisse des Betriebs besäße. Der
Erwerb dieser erforderlichen Kenntnisse sei dem Antragsteller auch als Leiharbeitnehmer
möglich gewesen.
Als unerheblich schätzte das BAG die Tatsache ein, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der
Einreichung der Vorschlagsliste Ende März 2010 – auch unter Berücksichtigung der
Vorbeschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer – dem Betrieb noch keine sechs Monate angehörte.
Entscheidend sei, dass er die sechsmonatige Betriebszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Wahl
Ende April 2010 aufweisen konnte.
Praxisbedeutung:
Das „Mitzählen“ einer vorherigen Beschäftigungszeit als Leiharbeitnehmer hatte die Literatur
vorher schon nahezu einhellig bejaht; jetzt stand nur noch die höchstrichterliche Entscheidung
aus. Interessant sind die Ausführungen des BAG dazu, ob sich hieraus Auswirkungen auf das
Mitzählen von Leiharbeitskräften z.B. für die Betriebsratsgröße ergeben. Das hatte das BAG in
der Vergangenheit unter Bezug auf die sogenannte Zweikomponentenlehre, wonach
Leiharbeitnehmer dem Betrieb des Entleihers „nicht angehören“ und deshalb nicht nach § 9
BetrVG mitzählen, abgelehnt (BAG, 10. März 2004 - 7 ABR 49/03). Da diese
„Zweikomponentenlehre“ wegen der eingetretenen Betriebszugehörigkeit hier keine Rolle spielte,
hat der 7. Senat ausdrücklich offen gelassen, ob allgemein oder in anderem Zusammenhang an
der Zweikomponentenlehre weiter festzuhalten ist. Man darf also auf die weitere Entwicklung in
dieser Frage gespannt sein.
Auch vorübergehende Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers auf einem
Dauerarbeitsplatz verstößt gegen das AÜG
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2012, Az.: 4 TaBV 1163/12
Orientierungssatz:
Eine Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher ist nicht „vorübergehend“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz
2 AÜG, wenn durch die Arbeitnehmerüberlassung ein reiner Dauerbeschäftigungsbedarf
abgedeckt wird.
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Sachverhalt:
Eine Klinik für Psychiatrie und Neurologie bat den Betriebsrat um die Zustimmung zur befristeten
ein- bzw. zweijährigen Einstellung von drei Leiharbeitnehmerinnen. Für die zu besetzenden
Stellen einer Pflegehelferin, einer Qualitätsmanagementbeauftragten und einer Chefsekretärin
besteht beim Arbeitgeber ein Dauerbeschäftigungsbedarf. Die drei Leiharbeitnehmerinnen haben
Arbeitsverträge
mit
konzerneigenen
Verleihfirmen,
die
über
eine
unbefristete
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügen.
Der Betriebsrat verweigerte dem Arbeitgeber die Zustimmung mit der Begründung, dass es sich
um eine nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) unzulässige Dauerleihe handele. Der
Arbeitgeber behauptete daraufhin die Dringlichkeit der Maßnahme und leitete ein Verfahren der
Zustimmungsersetzung nach §§ 99, 100 BetrVG ein.
Das Arbeitsgericht hielt den Zeitraum der befristeten Einstellung von einem bzw. zwei Jahren für
vorübergehend und ersetzte die Zustimmung zur Einstellung. Das LAG Berlin-Brandenburg gab
jedoch dem Betriebsrat Recht.
Der Betriebsrat sei zur Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG berechtigt
gewesen. Die befristete Einstellung der Leiharbeitnehmerinnen verstoße gegen § 1 Abs. 1 Satz 2
AÜG, wonach die Arbeitnehmerüberlassung nur noch „vorübergehend“ gestattet sei. Das
Merkmal „vorübergehend“ sei jedoch nicht erfüllt, wenn durch die Arbeitnehmerüberlassung ein
reiner Dauerbeschäftigungsbedarf abgedeckt werde. Unerheblich sei dann, für welchen
konkreten Zeitraum der Leiharbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt werde. Das
Merkmal „vorübergehend“ sei nämlich arbeitsplatz- und nicht personenbezogen. Der Wechsel der
konkreten Leiharbeitnehmer ändere nichts an der Tatsache, dass der Arbeitgeber den
Arbeitskräftebedarf dauerhaft mit Leiharbeitnehmern decke.
In seiner Begründung verweist das LAG hierbei vor allem auf die EU-Leiharbeitsrichtlinie, deren
Vorgaben der deutsche Gesetzgeber u.a. durch die Einfügung des § 1 Abs. 1 AÜG gerecht
werden wollte. Nach der EU-Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG sei eine Beschäftigung von
Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen nicht gewollt. Durch die Besetzung eines
Dauerarbeitsplatzes mit Leiharbeitnehmern werden diesen die beim Entleiher geltenden – in der
Regel besseren – Arbeitsbedingungen vorenthalten. Das sei missbräuchlich, weil der dauerhafte
Beschäftigungsbedarf durch die Einstellung eines Stammarbeitnehmers gedeckt werden könne.
Praxisbedeutung:
Diese Entscheidung berührt den kritischsten Punkt der AÜG-Novellierung, nämlich, was unter
einem „vorübergehenden“ Einsatz nach § 1 Abs. 1 AÜG zu verstehen ist. In erfreulicher Klarheit
hat das LAG Berlin-Brandenburg dabei eine arbeitsplatzbezogene Betrachtung gewählt (vgl. auch
LAG Niedersachsen 19.09.2012 - 17 TaBV 124/11 (nachfolgend besprochen); ArbG Cottbus
25.04.2012 - 2 BV 8/12; ArbG Cottbus 22.08.2012 - 4 BV 2/12; anderer Auffassung LAG
Düsseldorf 02.10.2012 - 17 TaBV 38/12; ArbG Leipzig 15.02.2012 - 11 BV 79/11 (in unserem
Newsletter vom Juni 2012); ArbG Offenbach 01.08.2012 - 10 BV 1/12). Die Rechtsbeschwerde
zum BAG ist zugelassen worden, so dass 2013/2014 von dort mit einer endgültigen Klarstellung
zu rechnen ist. Solange sollten Betriebsräte angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung in
jedem Fall diesen Widerspruchsgrund gem. § 99 Abs. 2 BetrVG nutzen.
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Nicht vorübergehende
Widerspruchsgrund
Beschäftigung
eines
Leiharbeitnehmers
ist
LAG Niedersachsen, Beschluss vom 19.09.2012, Az.: 17 TaBV 124/11
Orientierungssatz:
Die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen ausschließlich zur Senkung
der Personalkosten kann einen Rechtsmissbrauch darstellen, der dem Betriebsrat ein
Zustimmungsverweigerungsrecht gem. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gibt. Derartige Einstellungen
sind auch nicht aus sachlichen Gründen dringend erforderlich.
Sachverhalt:
Der Arbeitgeber besetzte seit mehreren Jahren alle freiwerdenden Arbeitsplätze nur noch mit
Leiharbeitnehmern, um damit Personalkosten zu sparen.
In dem Verfahren vor dem LAG Niedersachsen ging es um die beabsichtigte unbefristete
Einstellung einer Leiharbeitnehmerin auf dem Dauerarbeitsplatz einer Personalreferentin. Der
Betriebsrat hatte die Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verweigert, weil keine
vorübergehende Überlassung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
(AÜG) vorliege. Nachdem der Betriebsrat auch die beabsichtigte vorläufige Einstellung der
Arbeitnehmerin nach § 100 BetrVG abgelehnt hatte, beantragte der Arbeitgeber die Ersetzung
der Zustimmung zur Einstellung und die Feststellung, dass die vorläufige Einstellung dringend
geboten war.
Das LAG wies beide Anträge des Arbeitgebers zurück. Es läge ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1
Satz 2 AÜG vor, weil der Arbeitgeber die Leiharbeit nur zur Verdrängung eigenen Personals und
der Möglichkeit untertariflicher Bezahlung nutze. Genau diesem Missbrauch soll die Reform des
AÜG jedoch vorbeugen und gestattet deshalb nur eine „vorübergehende“ Überlassung. Die
Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats stelle eine angemessene und wirksame Sanktion
gegen diesen Missbrauch dar.
Außerdem sei in dem schleichenden Abbau der Stammbelegschaft langfristig eine
Betriebsänderung zu sehen, sodass der Arbeitgeber hier versuche, die §§ 111 ff. des BetrVG zur
Betriebsänderung zu umgehen. Ein solches rechtsmissbräuchliches Vorgehen lasse keine
vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG zu.
Praxisbedeutung:
Ergänzend zu der Begründungslinie, die auch das LAG Berlin-Brandenburg in der
vorhergehenden Entscheidung verfolgt, tritt hier noch eine weitere Dimension hinzu: Das LAG
Niedersachsen sieht in der Neubesetzung von freiwerdenden Stellen ausschließlich mit
Leiharbeitnehmern einen „institutionellen Rechtsmissbrauch“ mit dem Ziel, die Anwendung
gültiger Tarifverträge im Betrieb zu verhindern. Das erweitert die Argumentationsmöglichkeiten
von Betriebsräten bei derartigen Sachverhalten. Auch das LAG Niedersachsen hat die
Rechtsbeschwerde zum BAG zugelassen (Az. 7 ABR 79/12). Wie das BAG sich hier entscheiden
wird, ist schwer vorauszusagen; solange steht Betriebsräten beim Einsatz von Leiharbeitnehmern
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auf Dauerarbeitsplätzen jedenfalls die Möglichkeit offen, von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch
zu machen.
Unbefristete Leiharbeit führt zu Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher
LAG Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 09.01.2013, Az.: 15 Sa 1635/12
Orientierungssatz:
Erfolgt die Überlassung eines Arbeitnehmers an den Entleiher nicht nur vorübergehend, kommt
nach §§ 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative, 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher
zustande.
Sachverhalt:
Der Arbeitgeber betreibt Krankenhäuser und entleiht das dort eingesetzte Pflegepersonal bei
konzerneigenen Verleihunternehmen. Außerhalb des Konzerns sind diese Verleiher nicht am
Markt tätig. Sie besitzen die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Die Beschäftigung der
Leiharbeitnehmer erfolgt auf Dauerarbeitsplätzen, für die keine eigenen Stammarbeitnehmer
vorhanden sind.
Auch die klagende Arbeitnehmerin ist bei einem der Verleihunternehmen angestellt und dauerhaft
auf einer bestimmten Station in einem Krankenhaus der Beklagten tätig. Sie erhob Klage auf
Feststellung, dass zwischen ihr und dem beklagten Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande
gekommen ist.
Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass das Verleihunternehmen über die
Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfüge. Das LAG Berlin-Brandenburg
entschied jedoch, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande gekommen sei.
Eine auf Dauer angelegte Überlassung sei nicht mehr „vorübergehend“ im Sinne von § 1 Absatz
1 AÜG und daher von der AÜG-Erlaubnis nicht mehr gedeckt. In dem oben besprochenen
Beschluss der 4. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg wurde übrigens zum selben Arbeitgeber
festgestellt, dass auch eine befristete Überlassung auf Dauerarbeitsplätze nicht „vorübergehend“
sei. Die daraus folgende Unwirksamkeit des Vertrages zwischen der Arbeitnehmerin und dem
Verleiher führe nach §§ 10 Absatz 1 Satz 1 2. Alternative, 9 Nr. 1 AÜG zu einem Arbeitsverhältnis
mit dem Entleiher. Es handele sich zudem um einen „institutionellen Rechtsmissbrauch“, wenn
das konzerneigene Verleihunternehmen nur an Konzernunternehmen Arbeitnehmer verleihe,
nicht werbend am Markt tätig sei und seine Beauftragung nur dazu diene, Lohnkosten zu senken
oder das Kündigungsschutzrecht ins Leere laufen zu lassen.
Praxisbedeutung:
Anders als bei den vorhergehenden Entscheidungen geht es hier um die individualrechtlichen
Folgen von rechtswidriger Leiharbeit: Das LAG untersagt mit dieser Entscheidung im Anschluss
an von den Professoren Däubler und Schüren vertretene Auffassungen die Nutzung
konzerninterner Leiharbeit zur Kostenreduzierung. Der angebliche „Verleiher“ wurde hier nur
dazwischengeschaltet, um niedrigere Tarifbedingungen für Leiharbeitnehmer zu nutzen und den
Bestandschutz aufheben zu können. Der „Verleiher“ agierte daher als gewerbsmäßiger
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Strohmann. Auch kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen wurden so umgangen: Eine
betriebsbedingte Kündigung wäre unter vereinfachten Bedingungen möglich, denn das Risiko,
dass die Konzernschwester als einzige Kundin ihre Aufträge zurückfährt, tragen allein die
Leiharbeitskräfte. Eine endgültige Entscheidung wird das BAG treffen müssen, denn das LAG hat
die Revision zugelassen. Auch hier gilt, dass entsprechende Konstruktionen zum Gegenstand
des Widerspruchsrechts nach § 99 Abs. 2 BetrVG gemacht werden können.
Wunschzeugnis im gerichtlichen Vergleich muss konkret formuliert sein
Sächsisches LAG, Beschluss vom 06.08.2012, Az.: 4 Ta 170/12
Orientierungssatz:
Ein Vergleich, der lediglich ein „wohlwollendes Zeugnis“ zum Inhalt hat, ist mangels hinreichender
Bestimmtheit nicht vollstreckungsfähig.
Sachverhalt:
Im Rahmen eines vor dem Arbeitsgericht geführten Prozesses schlossen die Parteien folgenden
Vergleich:
„Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen,
das seiner weiteren beruflichen Entwicklung dienlich ist.“
Das von der Beklagten erteilte Zeugnis entsprach jedoch nicht den Vorstellungen des Klägers. Er
wollte vor dem Arbeitsgericht die Erteilung eines Zeugnisses entsprechend eines von ihm
geschriebenen Entwurfes erzwingen. Hiermit scheiterte der Kläger in beiden Instanzen.
Das Sächsische LAG entschied, dass der Arbeitgeber seine Verpflichtung aus dem Vergleich zur
Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses erfüllt habe. Das Zeugnis genüge nach
Form und Inhalt den Vorgaben, die nach Maßgabe des § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO an ein
qualifiziertes Zeugnis zu stellen seien. So enthielte es u.a. Angaben zu Art und Dauer der
Tätigkeit sowie Angaben über Leistung und Verhalten des Klägers, es war auf einem Briefbogen
der Beklagten erstellt und vom Aussteller unterschrieben.
Wenn ein bestimmter Inhalt im Vergleich nicht festgelegt worden sei, so sei im streng
formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahren lediglich zu prüfen, ob der Pflicht zur
Zeugniserteilung überhaupt nachgekommen wurde. Dieser Pflicht werde jedoch schon dann
genüge getan, wenn das Zeugnis die Merkmale eines „qualifizierten Zeugnisses“ aufweise.
Soweit ein Vergleich ein „wohlwollendes“ Zeugnis fordere, gäbe er nur deklaratorisch dasjenige
wieder, was nach allgemeinen Zeugnisgrundsätzen inhaltlich von einem Zeugnis zu fordern sei.
Ein Anspruch auf eine bestimmte Formulierung ergäbe sich hieraus nicht. Vielmehr sei die
Formulierung „wohlwollend“ vollstreckungsrechtlich ohne Bedeutung. Das Gleiche gälte für die
Formulierung „das seiner weiteren beruflichen Entwicklung dienlich ist“.
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Praxisbedeutung:
Oft beginnt bei drohendem oder schon vollzogenem Ende von Arbeitsverhältnissen der Streit um
den Inhalt des Zeugnisses. Wenn man dem aus dem Weg gehen will und im Vergleich die
Erstellung eines „wohlwollenden“ Zeugnisses vereinbart, reicht das allerdings nicht aus, wie diese
Entscheidung zeigt. Das „Wunschzeugnis“ muss konkret formuliert und in vollem Umfang in den
Vergleich aufgenommen werden. Wichtige Hinweise dafür sind der nachfolgend besprochenen
Entscheidung des ArbG Berlin zu entnehmen. Das sollte gerade auch bei der am Ende
einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen z.B. im Rahmen eines gerichtlichen
Vergleichs bedacht werden.
Arbeitgeber trägt Beweislast für Beurteilung „befriedigend“ im Zeugnis
ArbG Berlin, Beschluss vom 26.10.2012, Az.: 28 Ca 18230/11
Orientierungssatz:
Will der Arbeitnehmer, der ein „befriedigendes“ Zeugnis bekommen hat, eine „gute“
Gesamtbewertung erhalten, so muss der Arbeitgeber im Rechtsstreit die Tatsachen beweisen,
die der „guten“ Beurteilung“ entgegenstehen (sollen).
Sachverhalt:
Die Klägerin war als Empfangsmitarbeiterin in einer Arztpraxis tätig. Nach Ende ihrer
Beschäftigung erhielt sie vom Arbeitgeber ein Zeugnis. Danach habe sie die ihr übertragenen
Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“ ausgeführt. Diese Bewertung entspricht nach der gängigen
sogenannten Notenskala der Note „befriedigend“. Die Klägerin wollte jedoch die Formulierung mit
dem Zusatz „stets“ zur vollen Zufriedenheit und damit die Gesamtnote „gut“ im Zeugnis
aufgenommen haben.
Das ArbG Berlin entschied, dass der Arbeitgeber der Klägerin der Sache nach „gute“ Leistungen
und damit das umstrittene „stets“ zu bescheinigen habe. Für eine schlechtere Beurteilung trage
der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.
In seiner Urteilsbegründung verweist das Arbeitsgericht auf die anderslautende Rechtsprechung
des BAG (Urteil vom 14.10.2003, Az. 9 AZR 12/03; ebenso LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom
21.08.2012, Az. 3 Sa 234/12). Das BAG vertrat dort die Auffassung, dass der Arbeitnehmer für
eine von ihm gewünschte „überdurchschnittliche Beurteilung“ die hierfür erforderlichen Tatsachen
beibringen müsse. Dies gelte jedenfalls dann, wenn dem Arbeitnehmer im Zeugnis bereits eine
„gut durchschnittliche“ Leistung bescheinigt worden sei.
Mit „durchschnittlich“ meinte das BAG in diesem Zusammenhang eine „befriedigende“ Leistung.
Eine solche Einstufung sei laut ArbG Berlin jedoch nicht mehr zeitgemäß. Empirische Studien
belegten nämlich, dass die Notendurchschnitte der erteilten Zeugnisse in der Regel weit über der
Note „befriedigend“ lägen. Das Arbeitszeugnis der Klägerin mit der Note „befriedigend“ sei
danach als unterdurchschnittlich zu beurteilen.
Deswegen träfe den Arbeitgeber jetzt die Beweislast für eine schlechtere Benotung als „gut“.
Gründe dafür habe er aber nicht vortragen können.
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Praxisbedeutung:
Wie ein konkret formuliertes „Wunschzeugnis“ aussehen sollte und wer die Beweislast dafür
trägt, macht diese Entscheidung deutlich: Das Arbeitsgericht verweist auf eine nicht veröffentliche
Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 22.03.2012 (Az. 25 Sa 2136/11), die zum
gleichen Ergebnis kam. Dort wurde eine Studie der Universität Erlangen-Nürnberg aus dem Jahr
2011 zitiert, die zu folgendem Ergebnis kam: Von 802 untersuchten Arbeitszeugnissen enthielten
38,8 % die Leistungsbeurteilung 1 oder 1,5; 48,5 % enthielten die Note 2 oder 2,5; 11,6 %
enthielten die Note 3 oder 3,5 und 0,6 % die Note 4. Andere Untersuchungen bestätigen diese
Ergebnisse. Dieser Lebenswirklichkeit hat das Arbeitsgericht Berlin seine Rechtsprechung
angepasst und Beschäftigten wichtige Argumente für den von ihnen eingeforderten Zeugnisinhalt
geliefert.
Verantwortlich im Sinne des Presserechts
V.i.S.d.P.
Dr. Frank Lorenz, silberberger.lorenz, kanzlei für arbeitsrecht, grabenstraße 17,
40213 Düsseldorf
unsere rechtsanwältinnen und rechtsanwälte
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