Internationale Jugendarbeit und Bildung, Reisen und Mobilität

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Internationale Jugendarbeit und Bildung, Reisen und Mobilität
in Kooperation mit
w w w. f o r s c h e r - p r a k t i k e r - d i a l o g . d e
Internationale Jugendarbeit und
Bildung, Reisen und Mobilität
Forum Internationaler Jugendaustausch - Hamburg,
09. und 10. Januar 2014
BundesForum
Kinder- und Jugendreisen e.V.
Internationale Jugendmobilität in allen Alterstufen
Internationale Jugendarbeit und Bildung, Reisen und Mobilität
Gegenseitige Bezugnahme der unterschiedlichen Ansätze im pädagogischen Kinder- und Jugendreisen, im Schüleraustausch, in der internationalen Jugendarbeit und des globalen Lernens.
Adressaten – Träger – Begründungslinien
Die folgenden Überlegungen sind als Reflexionsfolie für die Entwicklung
eines gemeinsamen fachlichen Diskurses des pädagogischen Kinder- und
Jugendreisens, der Internationalen Jugendarbeit, des Schüleraustauschs
und des globalen Lernens sowie weiterer Mobilitätsformate in der nonformalen Freizeit- und Bildungsarbeit konzipiert. Die Kommunikation der
Akteure kann durch eine neue Plattform und einen größeren zivilgesellschaftlichen Diskurs ergänzt werden. Die aktuelle Initiative der Deutschen
Stiftung Völkerverständigung, dem Forscher-Praktiker-Dialog, transfer
e.V. und dem Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung der Fachhochschule Köln weisen einen Weg zu einer solchen Kooperation und geben
dem aus unserer Sicht notwendigen Diskurs seinen Ort und seinen Rahmen
im Sinne einer verbesserten fachlichen Kommunikation der verschiedenen
Träger im Feld des pädagogisch orientierten Reisens, der internationalen
Jugendarbeit, des Schüleraustauschs, des globalen Lernens und anderer
Mobilitätsaktivitäten. Der Diskurs geht von der Autonomie und der Berechtigung unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen der beteiligten Akteure
aus und sondiert Gemeinsamkeiten unabhängig von der unterschiedlichen
Zuordnung zu Fachministerien (Jugend, Familie, Soziales, Bildung, Kultus,
Außenpolitik, Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Integration…) und den
unterschiedlichen föderal-administrativen Ebenen (Kommune, Region,
Bundesland, Bund, EU, UNO). Zu unterscheiden sind die Perspektive der
Adressaten und Adressatinnen (Kinder, Familien / Erziehungsberechtigte,
Jugendliche, junge Erwachsene), die Perspektive der freien, privatrechtlichen und öffentlichen Träger und Organisationen, die Interessen der
staatlichen und zivilgesellschaftlichen Förderungsinstanzen sowie die
Perspektive der Partnerländer und Partnerorganisationen.
Die hier vorgelegte Initiative unterscheidet erstens einen konzeptionellanalytischen Teil, der auf der Tagung „Forum Internationaler Jugendaustausch“ am 9.01.2014 in Hamburg vorgestellt wird. Parallel dazu soll
zweitens auf der Tagung ein Diskussionsprozess in Gang gebracht werden,
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Forum Internationaler Jugendaustausch, Hamburg 2014
Internationale Jugendmobilität in allen Alterstufen
der in strukturierter Form mit interessierten Vertretern von beteiligten
Institutionen und Trägern den inhaltlichen Impuls in der Praxis weiterentwickelt. Mitinitiator der Initiative und Koordinator des Diskussionsprozesses ist Dr. Werner Müller von transfer e.V. Die Idee dazu entstand im
Kontext des Forscher-Praktiker-Dialogs zur Internationalen Jugendarbeit.
Die Initiative ist als ein Diskurs der Akteure in der Bundesrepublik gedacht
und konzipiert. Von Beginn des Prozesses sind aber alle Teilnehmenden
eingeladen, ihre Kolleginnen und Kollegen aus ihren Partnerorganisationen bzw. aus den Partnerländern in den Diskussionsprozess miteinzubeziehen.
(1) Begrifflichkeit: Die in den letzten Jahren durch politische Impulse (z.B.
im Rahmen der EU-Semantik und ökonomisch orientierter bundesweiter
Bildungskampagnen) in die pädagogische Praxis und die Förderkultur eingeführte Begrifflichkeit der „Mobilität“ wird von mir inzwischen kritischer
als bisher gesehen. Dies bezieht sich durchaus auch auf die ursprünglich
formulierte Überschrift meiner Überlegungen, nämlich „Internationale
Jugendmobilität in allen Altersstufen.“ Der Mobilitätsbegriff transportiert
im aktuellen Diskurs meines Erachtens zu sehr ein auf wirtschaftliche und
instrumentelle Zwecke ausgerichtetes Bildungsverständnis, das ganzheitliche Bildung auf Ausbildung und spätere Arbeitsmarktverwertung verkürzt.
In der hier zur Diskussion stehenden bildungs-, freizeit- und demokratietheoretisch orientierten Gesamtschau einer Ermöglichung der Erfahrung
des Reisens, der (grenzüberschreitenden) Mobilität und der Internationalen
Bildung für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird aus
Sicht der Kinder- und Jugendarbeitsforschung ein ganzheitlicher Bildungsbegriff vertreten. Meine Kritik an der dominanten Begriffsverwendung von
Mobilität richtet sich gegen einen Trend der letzten Jahre, wonach sich in
Feldern des Schüleraustauschs, der internationalen Jugendarbeit und des
Kinder- und Jugendreisens Begründungsmuster für internationale Aktivitäten verschoben haben. Vielfach ging und geht es dann nicht mehr um
die allgemeine Förderung für Kinder und Jugendlichen zur Vorbereitung
für eine globale, tolerante, durch Vielfalt geprägte Welt im Sinne einer
ganzheitlichen Welterfahrung und internationaler Bildung. Stattdessen
Forum Internationaler Jugendaustausch, Hambug 2014
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Internationale Jugendmobilität in allen Alterstufen
steht die potentielle wirtschaftliche Verwertbarkeit der in der internationalen Jugendarbeit und den anderen Feldern zu erwerbenden Kompetenzen im Mittelpunkt. Die Durchdringung der pädagogischen Diskurse
durch die Mobilitäts-Begrifflichkeit folgt Sprachspielen im Rahmen der
Umsetzung der EU-Jugendstrategie, übernimmt begriffliche Vorgaben
aus einer oft kurzfristig agierenden politischen Arena und folgt einem
Trend, der als ökonomistische Verkürzung von Bildung in der Erziehungswissenschaft kritisiert wird. Schließlich verkennt die Tendenz zur Instrumentalisierung der Mobilitätserfahrung auf der individuellen Ebene die
normative, demokratieorientierte Tradition des Reisens und die Funktion
der internationalen Jugendarbeit im Rahmen von Völkerverständigung,
Politischer Bildung, Wiedergutmachung sowie einer guten Nachbarschaft
zwischen Nationen in Europa und der Welt. Diese außenpolitisch relevante
Begründungslinie für internationale Jugendarbeit als Teil des Projekts der
„Völkerverständigung“ hat aktuell nichts von ihrer Bedeutung verloren.
Bisher findet sich kein Begriff, der in der Lage wäre alle genannten Bereiche
abzudecken. Ich spreche deshalb allgemein aufzählend von Angeboten
für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in den Feldern: Kinderund Jugendreisen incl. Ferienfreizeiten, Schüleraustausch, internationale
Jugendarbeit, Freiwilligendienst und globales Lernen. In diesen Feldern
ergibt sich die Forderung nach Teilhabe potentiell aller jungen Menschen
an Aktivitäten des Reisens, der Mobilität und der Internationalität im
formalen und nonformalen Bildungsbereich.
(2) Die Felder des pädagogischen Kinder- und Jugendreisens, der Internationalen Jugendarbeit, des Schüleraustauschs und des globalen Lernens
sowie anderer individueller und gruppenbezogener Mobilitätsformate
sind von einer großen Heterogenität gekennzeichnet. Diese Vielfalt und
Pluralität ist positiv zu bewerten und ein wichtiges Qualitätsmerkmal. In
der Bildungs- und Freizeitpraxis finden sich unterschiedlichste Ansätze,
Konzeptionen, Träger, Akteure und Formate, die in ihren spezifischen
„Bereichen“ einer Eigenlogik und eigenen Zielsetzungen bzw. Begründungslinien folgen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind die Bereiche zu
nennen: Ferienfreizeiten, Kinder- und Jugendreisen, Sprachreisen, Einzel –
und Gruppen-Schüleraustausch, politische Bildungsreisen, internationale
Jugendbegegnungen, Workcamps, Freiwilligendienste (u. a. Europäischer
Freiwilligendienst, entwicklungspolitisch motivierter Freiwilligendienst),
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Forum Internationaler Jugendaustausch, Hamburg 2014
Internationale Jugendmobilität in allen Alterstufen
In-Coming-Aktivitäten für ausländische Jugendliche, Begegnungsreisen
in die Länder des globalen Südens, Auslandsaufenthalte bzw. curricular
verankerte Mobilitätsmodule im Bereich der Jugendsozialarbeit und beruflichen Bildung, Fachkräfteaustausch und Mobilitätsformate im Bereich der
ehrenamtlichen und hauptamtlichen Fachkräfte der Bildungsarbeit und
Sozialen Arbeit.
(3) Zwischen den genannten Bereichen gibt es gemeinsame Querschnittsthemen und Anforderungen, mit denen sich akteurs- und formatübergreifend die Praxis und die sie „begleitende Praxisforschung“ in den
genannten Bereichen beschäftigen. Alle Bemühungen, das Spektrum
dieser ‚Szenen‘ unter gemeinsamen konzeptionellen Überlegungen zusammenzuführen bzw. anzunähern, müssen daher die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Träger und Ansätze nicht nur im Blick behalten, sondern
auch weiter stützen und entwickeln. Eine konzeptionelle „Klammer“ für
die unterschiedlichsten Aktivitäten und Akteure lässt sich aus jugendpädagogischer Sicht mit dem Ziel beschreiben, Kindern, Jugendlichen und
jungen Erwachsenen eine pädagogisch gerahmte Bildungs- und Freizeitmöglichkeit im Kontext der räumlich gesehenen Grenzüberschreitung
bzw. Auslands- und Internationalitätserfahrung zu ermöglichen. Dies ist
als zivilgesellschaftliche Aufgabe anzusehen, die in unterschiedlichster
Weise von der öffentlichen Hand gefördert wird. Die genannten Formate
als Lern- und Bildungsarenen stehen insbesondere für die Persönlichkeitsentwicklung sowie das soziale, interkulturelle, internationale und globale
Lernen (Bildung) von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
(4) Segmentierende Förderlogik und Kommunikation: Die pädagogische
und organisatorische Praxis in den einzelnen Trägerbereichen ist sehr
heterogen. Jugendlichen werden in verschiedenen Lebensaltern diverse
Angebote unterschiedlicher Träger gemacht. Viele der aktuell bestehenden Formate wurden entlang spezifischer historischer Erfahrungen und
erprobter administrativer Vorgaben entwickelt. Die Relevanz der verschiedenen ausdifferenzierten Formate wird hier nicht in Abrede gestellt. Es ist
aber darauf hinzuweisen, dass politische und förderrechtliche Vorgaben
das Feld, die Träger, die Adressatengruppen und ihr Zugang zu spezifischen
Milieus stark vorstrukturieren. Das Gesamtsystem der internationalen
Jugendarbeit und ihrer Abhängigkeit von Förderstrukturen führt dazu,
dass neue Formate des Reisens und der internationalen Jugendarbeit nur
Forum Internationaler Jugendaustausch, Hambug 2014
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langsam oder nur zögerlich entwickelt werden. Finanzierungslinien geben
bestimmte Formate vor. Ein großes Innovationspotential liegt aber in der
Entwicklung neuer Formate in größerer Unabhängigkeit von entsprechenden Vorfestlegungen. Zu fragen ist z.B. ob und wie der Einzelschüleraustausch in einem bestimmten Lebensalter – z.B. in der Pubertät – neben
dem Gastfamilienaufenthalt durch andere Formen der Unterbringung
ergänzt werden kann. In der internationalen Jugendarbeit könnten z.B.
Formate des pädagogischen Auslandsreisens entwickelt werden, bei denen
andere Formen des Gegenseitigkeitsgebots mit den Partnerorganisationen
erprobt werden, ohne dass es sich bei dem Format um eine im strengen
Sinne Hin- und Rückbegegnung der gleichen Gruppe handelt.
Bisher findet die Kommunikation zwischen den Trägern und Akteuren
hauptsächlich im jeweiligen Bezugsbereich des engen Themenfeldes statt.
Der Diskurs dabei ist – neben eigenen Themen - auf die Themensetzung
und die Organisationsanforderungen der finanzierenden Stellen ausgerichtet. Die Kommunikationsstruktur ist oft durch Finanzströme und
Abgrenzungslogiken (z.B. schulisch – außerschulisch; Reisen – internationale Jugendbegegnung; kommunale Jugendarbeit – Spezialveranstalter
für Reisen und Internationale Arbeit; ministerielle und föderalismusbedingte Zuständigkeiten) gekennzeichnet. Diese Kommunikation im eigenen
Umfeld ist wichtig und steht aus organisatorischer Notwendigkeit auch an
vorderer Stelle. Es gibt aber viele Hinweise darauf, dass eine Erweiterung
der Diskussion auf einer breiteren Basis für alle Beteiligten sinnvoll sein
könnte. Dazu bedarf es eines unabhängigen, fördertechnisch nicht festgelegten Akteurs. Hierzu konnte im Rahmen der vorgestellten Konzeption
und des Forscher-Praktiker-Dialogs die Deutsche Stiftung Völkerverständigung als Partner gewonnen werden.
(5) Die Idee einer gegenseitigen Bezugnahme von bestehenden Angeboten
für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in den Bereichen Kinderund Jugendreisen, Schüleraustausch, internationale Jugendarbeit und
globales Lernen bezieht sich vor allem auch auf ein deutlich verbessertes
Informations- und Beratungssystem in der Zusammenarbeit zwischen
formaler und nonformaler Bildung. Idealerweise gehören dazu auch das
Wissen um die Potenziale der Angebote, entsprechende Trägerpartner
und Module in Schulprogrammen ebenso zur Selbstverständlichkeit wie
deren Thematisierung (z.B.) während der Lehrerausbildung oder/und bei
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Forum Internationaler Jugendaustausch, Hamburg 2014
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Schulveranstaltungen, Elternabenden etc… Es scheint plausibel, dass damit
auch viel mehr Familien aus breiteren Zielgruppen viel früher und viel öfter
als bisher die Programme des pädagogischen Reisens und der internationalen Jugendarbeit kennenlernen und auch nutzen. Die Aktivitäten der
jugendpolitischen Initiativen JIVE (Jugendarbeit international – Vielfalt
erleben) und das Projekt IKUS (Interkulturelles Lernfeld Schule) haben
bisher in Ansätzen gezeigt, dass reise-unerfahrene Jugendliche einen
langen Weg benötigen, um an für sie geeigneten Formaten teilzunehmen
bzw. kennen sie diese Angebote überhaupt nicht. Es gilt, gerade diese
Jugendlichen an geeignete Formate heranzuführen und neue Formate
zu entwickeln. Damit steigt auch die Chance, dass sie im weiteren Verlauf
auch andere Formate ausprobieren wollen.
(6) Die Initiative für einen erweiterten Diskurszusammenhang zielt
darauf ab, nicht nur gemeinsame Themen (z.B. die Frage nach Zugängen
zu unterschiedlichen Formaten durch unterschiedliche Ziel- und Altersgruppen) zu diskutieren, sondern gemeinsame Positionen aus Trägerperspektive zu formulieren. Es geht auch darum, eine gemeinsame Interessenvertretung für die „gesamte Szene“ zu schaffen und über diesen Weg
auch gemeinsame Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Das Ziel einer
gemeinsamen Strategie kann es auch sein, alternative und eigene Begriffe
zu finden und mit diesen zu arbeiten, sowie (kurzfristige) politische Zielvorgaben kritisch zu hinterfragen. Die Kommunikation der Akteure kann
durch eine größere Plattform und einen größeren zivilgesellschaftlichen
Diskurs ergänzt werden. Die aktuelle Initiative der Deutschen Stiftung
Völkerverständigung, dem Forscher-Praktiker-Dialog, transfer e.V. und
dem Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung der Fachhochschule
Köln weisen einen Weg zu einer solchen Kooperation und geben dem
aus unserer Sicht notwendigen Diskurs seinen Ort und seinen Rahmen im
Sinne einer verbesserten fachlichen Kommunikation der verschiedenen
Träger im Feld des pädagogisch orientierten Reisens, der internationalen
Jugendarbeit, des Schüleraustauschs, des globalen Lernens und anderer
Mobilitätsaktivitäten. Dabei handelt es sich sowohl um Träger bzw.
Organisationen des formalen und des nonformalen Bereichs; ebenso um
gemeinnützige und gewerbliche Träger, die sich einem Qualitätsdiskurs
und den ethischen und pädagogischen Standards der Arbeit mit Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen verpflichtet fühlen. Aufgrund der
Forum Internationaler Jugendaustausch, Hambug 2014
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starken Vernetzungsexpertise von transfer e.V. und der Rolle des ForscherPraktiker-Dialogs im Gesamtfeld der internationalen Jugendarbeit und der
pädagogischen Mobilität besteht hier eine gute Chance, eine Kommunikation in Gang zu bringen und weiterzutreiben.
(7) Parallel zum Thema der Angebote, Formate und Organisationskulturen
der Träger in den unterschiedlichen Trägerbereichen geht es auch um einen
grundsätzlichen Perspektivwechsel in unserem Feld hin zur Perspektive
der Adressaten und Adressatinnen bzw. der potentiellen Adressaten und
Adressatinnen. Welchen Bedarf an Angeboten (des Jugendreisens, der
internationalen Jugendarbeit, des Schüleraustauschs und des globalen
Lernens haben Kinder (und deren Eltern, Erziehungsberechtigte) Jugendliche und junge Erwachsene? Welche Formate und Formen sind sinnvoll,
um sich in einer zugleich lokalen und globalen Welt zurechtzufinden
und um diese später aus Sicht der Kinder und Jugendlichen mitgestalten
zu können? Wie lassen sich auf der Basis von Erkenntnissen der pädagogischen Kinder- und Jugendforschung neue Formate entwickeln? Wie
bauen bestimmte Formate und Angebote aufeinander auf und lassen sich
aus Sicht der Kinder und Jugendlichen sinnvoll aufeinander beziehen?
Welche negativen Erfahrungen machen Kinder- und Jugendliche in den
genannten Reiseformen und wie gelingt es, durch Praxisforschung entsprechendes Wissen zu generieren und transparent zu diskutieren? Wie sind
Phänomene zu beurteilen, wonach der Besuch bestimmter Zielländer z.B.
im Einzel-Schüleraustausch als Karriere-Privileg konnotiert wird?
(8) Das von mir in die Diskussion gebrachte „reflexive Stufenmodell“ ist als
eine Gesamtsicht auf unterschiedliche Formate für unterschiedliche Altersstufen zu sehen und hilft analytisch bei der differenzierten Betrachtung
der unterschiedlichen Bereiche. In der Praxis haben sich verschiedene
Formate des Reisens im pädagogischen Kontext für die unterschiedlichen
Lebensalter entwickelt. Für Kinder existieren Ferienreisen mit den Eltern,
Ferien in Familienbildungsstätten, Exkursionen mit der Schule, Kinderreisen im Grundschulalter, Stadtranderholungen, Kinderreisen mit einem
kommunalen freien oder öffentlichen Träger, erste Ansätze im Schüleraustausch. Für Jugendliche gibt es Jugendreisen mit einem kommunalen
freien oder öffentlichen Träger, es gibt den Schüleraustausch im Rahmen
der Schulpartnerschaften zwischen Klassen, Schulfahrten in den entsprechenden Klassenstufen, Projekte in der Schule. Es gibt internationale
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Forum Internationaler Jugendaustausch, Hamburg 2014
Internationale Jugendmobilität in allen Alterstufen
Jugendbegegnungen mit der örtlichen Jugendarbeit, regionale oder
bundesweit ausgeschriebene Fahrten, Workcamps oder den Einzelschüleraustausch über einen längeren Zeitraum. Für junge Erwachsene finden
sich Formate wie längerfristige Workcamps während der Schulzeit, nach
Beendigung der Schulzeit bzw. im Übergangszeitraum zwischen Schule
und Ausbildung, Internationalitätsmodule in der beruflichen Bildung
sowie Freiwilligendienste mit unterschiedlichen politischen Begründungen
(Europa, globales Lernen, Politische Bildung).
Die Grundidee der Bezugnahme der einzelnen Formate des Reisens
geht also davon aus, dass es aus Sicht des einzelnen Kindes und Jugendlichen einen relevanten Zusammenhang zwischen diesen Freizeit(en) und
Bildungserfahrungen gibt bzw. geben kann. Der Teilnahme an einer Kinderfreizeit, einer Stadtranderholung, einer Jugendreise folgt das Engagement
im Schüleraustausch, die Teilnahme an einer Internationalen Jugendarbeitsmaßnahme, die dann schließlich in einem Freiwilligendienst oder
der ehrenamtlicher Arbeit im internationalen Bildungsbereich münden
kann. Die oder der junge Erwachsene nimmt – so die Hypothese - mit einer
„stärkeren“ Motivation als ohne die genannte Vorerfahrung während
der Berufsausbildung an einem internationalen Mobilitätsmodul teil oder
profitiert während des Studiums von Erasmus. Diesem Konzept liegt aber
ganz bewusst keine lineare Ableitungskette zugrunde, keine von Politik
oder Pädagogik festzulegende Normativität oder „Pflicht“ zur internationalen Mobilität. Schließlich spreche ich mich entschieden gegen eine
im Bild der Stufen eventuell mittransportierte Hierarchisierung zwischen
den einzelnen Aktivitäten aus. Die einzelnen Formate haben ihre eigene
Berechtigung und stehen für sich allein, d.h. z.B. die Stadtranderholung
folgt einem eigenen pädagogischen Ziel, z.B. dem persönlichen und sozialen
Lernen, der Ermöglichung von Anerkennung in der Gleichaltrigengruppe,
dem Ziel einer Ermöglichung neuer Erfahrung im Außeralltäglichen und im
Kontextwechsel angesichts schulischer oder familiär festgelegter Rollenerwartungen. Die biografisch vorgelagerten Formate haben auf jeden Fall
nicht primär das strategische Ziel, eine spätere Auslandsmobilität für junge
weltoffene Erwachsene in der globalen Arbeitsgesellschaft vorzubereiten.
Jedes Format steht in jedem Lebensalter für sich und hat seine spezifische
Begründung. Dies schließt aber nicht aus, dass es biografisch relevante
Forum Internationaler Jugendaustausch, Hambug 2014
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Internationale Jugendmobilität in allen Alterstufen
Effekte in der beschriebenen Zielrichtung gibt.
(9) Die hier skizzierten Überlegungen einer gemeinsamen Bezugnahme
bestehender Formate und „Szenen“ beinhalten zentral den Grundsatz der
Ermöglichung und Teilhabe einer solchen Bildungs-und Freizeit-Erfahrung
für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die programmatische Rede von der Ermöglichung der „Internationalität für Alle“ trifft
allerdings auf ein Bildungssystem, dessen hohe Selektivität in den „Erzählungen“ der Politik, der Wissenschaft und der Trägerlandschaft lange
geleugnet wurde. Die konzeptionelle und praktische Aufgabe besteht
einerseits darin, das Postulat der Freiwilligkeit in der Jugendarbeit /
Jugendbildungsarbeit / im nonformalen Bereich zu erhalten und anderseits
intensiver als bisher daran zu arbeiten, nicht auch hier das selektive Schulsystem in der außerschulischen Bildung zu reproduzieren. Die Diskussion
um Teilhabe, Inklusion (im weiten Begriffsverständnis) und den Beitrag
der Jugendarbeit und der zivilgesellschaftlichen Akteure zur Reproduktion
einer Gesellschaft, die - folgen wir den Zahlen in den Armutsberichten
- Armut bei circa einem Viertel der in der Bundesrepublik Deutschland
lebenden Kindern und Jugendlichen nicht verhindern kann, bzw. zulässt,
steht erst am Anfang. Hier ist im Anschluss an theoretische Überlegungen
des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, die im fachlichen Diskurs
der Kritischen Politischen Bildung auch auf die Bildungssituation in der
Bundesrepublik übertragen wurden, sehr viel stärker nach den versteckten
institutionellen, finanziellen und kulturellen Ausschluss-Mechanismen
in der Struktur, Zielgruppenansprache, den Inhalten der Träger und den
Förderstrukturen zu suchen. Dies ist eine Aufgabe, der sich alle Träger und
die Verantwortlichen für die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen stellen müssen und sollten.
(10) Es geht neben der Trägerperspektive, der Perspektive der Adressaten
und einer biografischen Bezugnahme verschiedener Angebote sowie dem
Teilhabegebot im internationalen Bereich immer auch um das Postulat der
Partnerschaft, des Dialogs, des Austauschs, der Begegnung, der Völkerverständigung. Auf einer persönlichen Ebene spielen Vielfalt, Umgang
mit Heterogenität, Diversität und Toleranz anderen Lebensentwürfen
gegenüber eine zentrale Rolle. Diese normativ aufgeladenen Begriffe aus
der Tradition der internationalen Jugendarbeit haben nichts von ihrer
Bedeutung verloren und sind immer wieder zu reaktualisieren. Dazu gehört
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auch (im Inland) die Kultur der Anerkennung für Menschen aus anderen
Ländern einschließlich der Flüchtlinge. Die Schnittstelle zur IntegrationsMigrations- und Inklusionspolitik der deutschen Einwanderungsgesellschaft kann hier nur genannt werden (reflexive Internationalität, Franz
Hamburger). In den Überlegungen zu den konzeptionellen Begründungslinien für die internationale Jugendarbeit (reflexive Internationalität) sind
unhintergehbar: das Postulat der Anerkennung und Gleichrangigkeit,
nachhaltige Partnerschaftsbeziehungen, das Dilemma zwischen Gleichrangigkeit und universellen Menschenrechte usw.… Es kommt im weiteren
Prozess darauf an, diese aus meiner Sicht zentralen Prinzipien aus der
internationalen Bildung ständig neu zu diskutieren und auch gegenüber
Zumutungen aus dem politischen Raum stärker zu verteidigen, wenn z.B.
nachhaltige Partnerschaftsbeziehungen als weniger wichtig angesehen
werden.
Köln, 6.01.2014
Prof. Dr. Andreas Thimmel
Forschungsschwerpunkt Nonformale Bildung
Institut für Kindheit, Jugend, Familie und Erwachsene (KJFE)
Fachhochschule Köln
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