Otto Heinrich Kühner – Meine Damen und Herren!
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Otto Heinrich Kühner – Meine Damen und Herren!
2.1 Die Kunst des Redens 11 Aufgabenstellung ll Verfassen Sie in einer Partnerarbeit drei mögliche Eröffnungen von Reden zu einer Veranstaltung Ihrer Wahl. Gestalten Sie die Einleitung jedes Mal anders. Beginnen Sie mit einer zu Ihren Ausführungen passenden Frage, einem aktuellen Ereignis oder einer kurzen Geschichte etc. 12 Aufgabenstellung l Gestalten Sie eine kurze Rede mit einer Dauer von maximal fünf Minuten über ein beliebiges Thema. Wählen Sie ein aktuelles Thema, das die Klasse interessieren könnte, und beachten Sie dabei die folgende Checkliste. siehe Band 2, Kapitel CHECKLISTE – Verfassen einer Meinungsrede „Schreibhandlungen“ Redeanlass: Wer ist das Publikum? In welchem Rahmen wird die Rede gehalten? Redeabsicht: Was ist das Ziel der Rede? Planen der Rede (Konzept) Aufbau der Rede: Einleitung – Hauptteil (Abfolge der Argumente und Aussagen) – Schluss (Zusammenfassung und Appell) Formulieren Sie Ihre Rede schriftlich aus und setzen Sie gezielt mindestens eine rhetorische Frage und eine Wiederholung (Anapher oder Epipher) ein. 13 Parodie: komisch-satirische Nachahmung Aufgabenstellung l Lesen Sie die folgende Parodie auf eine Rede, die nur aus Leerformeln und Allgemeinplätzen besteht. Gestalten Sie selbst eine Redeparodie zu einem Redeanlass Ihrer Wahl (z. B. Rede zum runden Geburtstag Ihrer Großmutter) und setzen Sie dabei möglichst viele Allgemeinplätze ein. Otto Heinrich Kühner – Meine Damen und Herren! Im Namen, willkommen heißen, Ausdruck verleihn, Echtes Bedürfnis, bedanken und Meilenstein; Prioritäten setzen, sich aufdrängende Fragen, Denkanstöße, wesentlich dazu beitragen; Suche nach Identität, ins Auge fassen, Stellung beziehen und Pläne reifen lassen; Optimale Lösung, Position und Transparenz, Plattform, Entschiedenheit und Konsequenz, Fragenkomplex, Problematik und Kriterium, Zu erkennen geben, Anliegen und Wissen um; Unverzichtbar, weitgehend und beispielhaft. Wichtige Impulse, Initiative, Errungenschaft, Spielraum, dringende Bitte, der Sache dienen, Gegenwärtige Situation. Ich danke Ihnen. Kühner, Otto Heinrich: Meine Damen und Herren. In: Schneider, Wolf: Deutsch für Kenner. Die neue Stilkunde. 7. Auflage, München, Zürich, Piper, 2011, S. 97 44 KOMMUNIKATION 2.1.5 2 Argumentieren – wie überzeuge ich? Die Fähigkeit zu argumentieren ist in persönlichen und beruflichen Situationen sehr wichtig. Dies gilt für die mündliche Kommunikation im Hinblick auf die argumentativen Rede- und Vortragsformen, aber auch bei Gesprächen, Verhandlungen, Diskussionen und Debatten. Auch bei den schriftlichen Formen des Argumentierens oder Erörterns geht es darum, Argumentationsformen zu erkennen, persönlich Stellung zu nehmen, Pro- und KontraZusammenhänge aufzuzeigen, begründet zu beurteilen und den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen. siehe Band 1 und 2, Kapitel „Schreibhandlungen“ Aus den vergangenen Jahren wissen Sie bereits, wie eine Argumentation idealerweise aufgebaut sein sollte: Ausgangspunkt ist eine Behauptung, eine Forderung oder eine strittige These. 14 Ein Argument ist eine Äußerung, die eine These stützt. Es ist also eine Begründung, die andere davon überzeugen soll, dass die Behauptung richtig ist. Argumente sollen überzeugen, daher sollten sie durch einen sogenannten Beleg, der das Argument unterstreicht und veranschaulicht, unterstützt werden. Aufgabenstellung ll Formulieren Sie zu den unten angeführten Behauptungen Argumentationslinien nach dem folgenden Muster: Stellen Sie die eigene Behauptung, Forderung, These auf. So lautet das Argument der anderen Seite. Ja, darin liegt etwas Wahres. Aber man kann die Sache auch anders sehen. Behauptungen: Die Informationen im Internet sind unzuverlässig. Das Internet ist eine Gefahr für Kinder. Das Internet ist nur etwas für junge Leute. Das Internet vernichtet Arbeitsplätze. 15 Aufgabenstellung ll Lesen Sie das Interview mit der für Verkehr und Planung zuständigen Wiener Stadträtin Maria Vassilakou (Die Grünen). Fassen Sie mit eigenen Worten zusammen, welche Problematik sie darin anspricht. Welche Regelung wird angedacht? Welche Argumente bzw. Begründungen werden von der Interviewten angeführt, um eine neue Regelung durchzusetzen? 45 Lesen – Verstehen – Analysieren 3.1 3.1 Lesen – Verstehen – Analysieren 3.1.1 Was Sachtexte aussagen Sachtexte können aus wenigen Sätzen bestehen oder die Seiten eines Sachbuches füllen. Von der Intention der Verfasserin bzw. des Verfassers ausgehend, unterscheidet man darstellende, informierende und instruierende Sachtexte, die klare Handlungsanweisungen enthalten können (Gebrauchsanweisungen, Beschreibung eines Experiments, Rezept etc.), argumentative, erörternde Sachtexte, die Fakten und Wissensstände interpretieren (Feuilleton etc.) und appellierende Sachtexte (Rede etc.). Tipp: Nehmen Sie sich genügend Zeit und Ruhe für das Lesen eines Textes! Außerdem gibt es zahlreiche Mischformen zwischen Sachtexten und literarischen Texten wie Reisereportagen, Tagebücher etc. In Schule und Beruf werden Sie häufig mit Sachtexten konfrontiert, deren Informationsgehalt Sie analysieren und bewerten müssen. Daher ist es sehr wichtig, auch schwierige und lange Texte schnell und effizient zu erschließen. Mithilfe der bereits gelernten Lesetechnik der SQ3R-Methode wird es Ihnen leicht fallen, stets den Überblick zu behalten. Diese Methode ist zwar zeitintensiv und aufwendig, hilft aber, einen Text systematisch zu erarbeiten und ihn zu verstehen. Führen Sie daher die fünf Schritte immer in exakt dieser Reihenfolge durch! siehe Band 1 und 2, Kapitel „Lesen“ 1 2 3 4 5 62 Survey Question Read Recite Review Überblick gewinnen Überfliegen Sie den Text oder blättern Sie das Buch durch. So bekommen Sie einen ersten Eindruck vom Thema, vom Umfang, von der Struktur des Textes, vom Einsatz von Bildern und Grafiken etc. Fragen stellen Formulieren Sie auf einem eigenen Blatt Fragen, die Sie mittels des Textes gerne beantworten möchten oder die Ihnen beim Durchblättern in den Sinn kommen. Lesen Beginnen Sie, den Text intensiv zu lesen, markieren Sie wichtige Textstellen und unklare Begriffe. Notieren Sie wichtige Informationen des Textes oder Antworten, die Sie bereits auf Ihre Fragen gefunden haben. Arbeiten Sie mit Randnotizen oder Symbolen. Erinnern Nehmen Sie Ihre Notizen zur Hand und versuchen Sie, sich den gelesenen Text als Ganzes in Erinnerung zu rufen. Notieren Sie eventuell neue Erkenntnisse. Wiederholen Lesen Sie den Text noch einmal, erstellen Sie nun eine Mindmap zum Thema oder verfassen Sie eine Zusammenfassung des Textes. LESEN 1 3 Aufgabenstellung l a. Bevor Sie den Text durchlesen, überlegen Sie – ausgehend vom Titel –, wovon der Text handeln könnte. Halten Sie Ihre Überlegungen in Stichworten fest. b. Lesen Sie den Zeitungstext nach der SQ3R-Methode. Klären Sie die Wörter im Text, die Ihnen unbekannt sind. Verwenden Sie dazu ein Wörterbuch. c. Kennen Sie die im Text genannten Schuhe? Beschreiben Sie die Schuhmodelle Sneaker, High Heels, Pumps sowie Sneaker Wedges. Von Chucks bis Adidas: Ohne Turnschuh geht nichts Kein Sommer ohne Turnschuhmode: Immer noch grassiert das Retro-Modell1 – und die Vorstellung, dass die schnieken2 Sneakers alles über ihren Träger verraten. Die sportlichen Treter in knalligen Farben wie Rot, Blau und Grün sind in diesem Sommer gefragt. Selbst Regen und Wind konnte den Hunderten von jungen Menschen nichts anhaben, die Anfang Juni auf den Gehsteigen kampierten. Mehr als eine Woche harrten Sneaker-Freaks in Berlin, Hamburg und Köln aus. Und das alles nur, um ein Paar „Nike Air Yeezy 2“ zu bekommen, designt vom Rapper Kanye West. Mit einem Karton unterm Arm – oder dem Sehnsuchtsmodell gleich an den Füßen – sah man dann aber bloß etwa zweihundert glückliche Käufer aus den Läden kommen, jeder von ihnen um 260 Euro ärmer. Das Modell war streng limitiert, nicht nur in Deutschland. So schürt man die Nachfrage. Solche schuhfixierten Kampf-Camper sind natürlich nur die marketingoptimierte Speerspitze in der Erfolgsgeschichte des sportiven Alltagsschuhs. Einst funktional als Turn- oder Sportschuhe bezeichnet, sprechen heute selbst Senioren von Sneakers, die bei den Unter-Dreißigjährigen auch als „Schnieks“ wieder eingedeutscht werden. Neue Schnieks trägt man nicht nur – man liebt sie. Mindestens zwei Wochen lang sehr innig, einen Sommer lang durchaus mit Hingabe, und bestenfalls hält die Begeisterung ein Jahr. Dann drängt sich meist ein neues Objekt des Begehrens in das Bewusstsein. Turnschuhe als Statussymbol In kreischenden Farben warten die Modelle der Sportartikelhersteller derzeit in den Schaufenstern großer Sportartikelhersteller auf die Shopping-Flaneure. Wenigstens die Hochphase der Neonfarben, so scheint es, ist überwunden. Nun haben Reinfarben Saison: sattes Blau, kräftiges Rot, starkes Grün – oftmals auch mit Akzenten in Gelb, Lila, Türkis oder Pastell tollkühn angerichtet. Mehr als jedes andere Kleidungsstück ist der Sneaker ein Markenprodukt, ein Statussymbol, ein Statement. Die drei Adidas-Streifen, der Nike-Swoosh, die Puma-Raubkatze oder die Asics-Tigerstreifen definieren das Lebensgefühl des Trägers. Das Wertesystem verläuft auch weit unterhalb des Markenlogos – das Modell ist entscheidend, seine Geschichte, und, in Zeiten des perpetuierenden3 Retrotrends, das Zitat. Subtile Distinktionsmechanismen4 ordnen den SneakerFreund in entsprechende gesellschaftliche Kontexte ein. Und die Trottoirs der Metropolen sind die Catwalks5, auf denen die Sneakers vorgeführt werden. RunDMC macht Adidas zum Kult Tatsächlich begann der Aufstieg des funktionalen Sportschuhs zum Lifestyle-Schuh auch ebendort, auf der Straße. Anfang der Siebziger tanzten in den sozialen Brennpunkten New Yorks die B-Boys6 zu frühem HipHop7 ihre halsbrecherischen Breakdance-Moves. Gutes Schuhwerk mit genügend Halt und tadellosem Design gehörte zum Style jener Straßengangs, die in Form von Breakdance-Battles ihre Meinungsverschiedenheiten tänzerisch austrugen. Doch erst die HipHop-Combo Run DMC verschaffte dem Sportschuh wahrhaftige Street Credibility8, wie der Dokumentationsfilm „Sneakers – Der Kult der Turnschuhe“ von Thibaut de Longeville und Lisa Leone (2005) darlegt. Anfang der Achtziger erhoben die drei MCs aus Queens den „Adidas Superstar“ zum Kultobjekt, indem sie den Basketballschuh mit der Muschel- 63 6.2 Prozessorientiertes Schreiben siehe Band 1 und 2, Kapitel „Schreibprozesse“ redigieren: bearbeiten, überarbeiten, druckfertig 6.2 Prozessorientiertes Schreiben 6.2.1 Die Planung der Textproduktion Selbst geübte Schreiberinnen und Schreiber setzen sich nicht vor ein Blatt Papier oder an den PC und schreiben einfach „drauflos“, um in kurzer Zeit einen fertigen Text vor sich zu haben, den sie veröffentlichen. Jedes Schreiben bedeutet prozessorientiertes Arbeiten und verlangt eine Überarbeitung, im besten Fall ein Redigieren durch eine weitere Person. Selbstverständlich bekommt man im Laufe der Zeit Übung im Verfassen von Texten. Doch auch routinierte Journalistinnen und Journalisten, ja sogar Schriftstellerinnen und Schriftsteller holen sich immer wieder Feedback, um in ihrer Schreibarbeit noch besser zu werden. machen lassen Die Schule stellt ein großes Übungsfeld für das Erlernen des Schreibens dar. Hier können und sollen Sie experimentieren, sich Feedback holen und Routine in Ihrem Schreiben erwerben. Achten Sie daher darauf, bei jeder Ihrer Schreibarbeiten einen Plan bei der Textproduktion einzuhalten. Selbst bei Schularbeiten sollten Sie nicht einfach ohne Überlegung zu schreiben beginnen, sondern sich Zeit für Vorarbeiten zur Textproduktion (Stichworte, Exzerpt, Konzept) nehmen und auch nach Beendigung des Schreibens genügend Zeit für zumindest zwei Korrekturlesephasen haben (inhaltliches Korrekturlesen und Korrekturlesen nach orthografischen, grammatikalischen und stilistischen Fehlern). Sie werden bemerken, dass Sie Übung bekommen werden, wenn Sie Ihre Textproduktion planen. Prozess der Textproduktion (mit Textvorlage) Vorarbeiten Lesen Sie die Textvorlage genau. Markieren Sie unbekannte Wörter und recherchieren Sie ihre Bedeutung. Lesen Sie die Textvorlage noch einmal und markieren Sie wichtige Stellen (Schlüsselwörter). Exzerpieren Sie den Text und verfassen Sie eine Kurzfassung zum Inhalt der Textvorlage. Machen Sie ein Brainstorming bzw. notieren Sie Stichworte zur Textproblematik. Verfassen Sie ein Konzept. Schreiben des Textes Achten Sie auf die geforderten Operatoren der jeweiligen Textsorte (z. B. informieren, argumentieren, interpretieren). Gliedern Sie Ihre Arbeit (Einleitung, Hauptteil, Schlussteil). Beachten Sie die angestrebte Textsorte (Bericht, Sachtextanalyse, Leserbrief etc.). Formulieren Sie adressatenadäquat (nach den Erfordernissen der Zielgruppe). Beachten Sie das Zeitbudget (wann muss der Text fertig sein?). Überarbeiten des Textes Lesen Sie Ihren eigenen Text Korrektur (Selbstevaluation). Überarbeiten Sie Ihre Erstfassung inhaltlich und korrigieren Sie die Fehler der Erstfassung. Holen Sie von einer Mitschülerin bzw. einem Mitschüler Feedback ein (Fremdevaluation). Nach der Rückmeldung des Feedbacks und einer Selbstreflexion überarbeiten Sie den Text ein weiteres Mal. Erstellen Sie die Endfassung des Textes. Holen Sie Feedback von Ihrer Deutschlehrerin bzw. Ihrem Deutschlehrer ein. 158 SCHREIBEN 6 Die folgenden beiden Übungen zur Sachtextanalyse dienen als Musterbeispiele dafür, wie Sie erfolgreich Textarbeit leisten und Ihre Textproduktion durchführen können. 2 Aufgabenstellung a. l Lesen Sie die Textvorlage „Farbgeschichte: Rosa, die umstrittenste Farbe der Welt“ von Anne-Catherine Simon, erschienen in der Tageszeitung „Die Presse“, genau durch. Sie haben einen relativ langen Text mit vielen Informationen vor sich, deshalb ist es hilfreich, den Text mithilfe der SQ3R-Methode (Fünf-Schritte-Technik) zu lesen und dabei erste Analyseschritte durchzuführen. siehe Band 1 und 2, Kapitel „Lesen“ b. l l l Stellen Sie Hypothesen über den Text auf: Was will die Autorin mit dem Text aussagen? Welchen Zweck verfolgt dieses Feuilleton? Diskutieren Sie anschließend die gesammelten Hypothesen und notieren Sie die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Überlegungen. Diese Ideen sollten später unbedingt in Ihre Schreibarbeit einfließen. Feuilleton: epische kleine Form, literarischer, kultureller Aufsatz c. l Verfassen Sie ein Exzerpt des Textes. Dieses sollte übersichtlich gestaltet sein und nur Stichworte enthalten. Schreiben Sie auch sämtliche Fremdworterklärungen in dieses Exzerpt. Denken Sie daran, dass auch die Quelle, der Name der Autorin und das Erscheinungsdatum wichtige Bestandteile eines Exzerpts darstellen. Das Exzerpt sollte die Grundlage für Ihre Schreibarbeit sein. d. l Lesen Sie den Text jetzt noch einmal und schreiben Sie alle spontanen Ideen, die Ihnen beim Lesen einfallen, ergänzend in Ihr Exzerpt. e. l Verfassen Sie nun ein Konzept Ihrer Sachtextanalyse, d. h., skizzieren Sie den korrekten Aufbau dieser Textsorte und berücksichtigen Sie gleichzeitig in Stichworten Ihre Erkenntnisse, die Sie beim Lesen bzw. bei den Vorarbeiten gewonnen haben. Farbgeschichte: Rosa, die umstrittenste Farbe der Welt Wie aus einer Buben- eine Mädchenfarbe wurde und was Pink mit dem kleinen Finger zu tun hat. Anlässlich der umstrittenen Barbie-Ausstellung in Berlin: eine kurze Geschichte des „kleinen Rot“. Noch vor einem Jahr nannte Klara als Lieblingsfarben Rosa, Lila, Schwarz, nun ist sie vier und liebt nur noch Rosa und Lila. Nach Rosa griff sie schon mit zwei. Und das, obwohl ihre Mama einst im Kindergarten Rosa so blöd fand wie Prinzessinnen und Ballett. Klaras Schwester schließlich ist zwei und tauscht einen rosa Teller liebend gern gegen einen orangen oder roten Teller. Je greller, desto besser, Rosa ist ihr egal. Wie lange noch? 1918: „Die Regel ist Rosa für Buben“ Rosa verniedliche und schwäche, kritisiert die „Pink stinks“-Kampagne. Vor hundert Jahren glaubte man das Gegenteil. In den 1920er-Jahren vermarkteten Textilunternehmen Rosa als passend für die Buben. Man sah es, wie schon seit Jahrhunderten, als das „kleine Rot“. Rot, die Farbe von Blut und Krieg, war traditionell Männerfarbe, abgeschwächt wurde es zu Rosa und schien passend für die Männer in Kleinformat. Eine Handelszeit- 159 6.5 Analysieren und Interpretieren literarischer Texte siehe Band 2, Kapitel „Schreibhandlungen“ 6.5 Analysieren und Interpretieren literarischer Texte 6.5.1 Epische Texte Für das Textverständnis eines literarischen Textes ist es wichtig, diesen aufmerksam zu lesen und im Anschluss daran den Text detektivisch genau zu untersuchen und auf Details und verschiedene Textmerkmale zu achten. Erst durch diesen Lesevorgang entdeckt man textspezifische Besonderheiten, die eine gute, stichhaltige Interpretation erlauben. Gehen Sie beim Analysieren und Interpretieren epischer Texte immer folgendermaßen vor: Lesen Sie den Text genau und aufmerksam. Markieren Sie Ihnen unbekannte Wörter oder unklare Textstellen. Klären Sie von Ihnen markierte Stellen (Nachschlagewerke, Internet etc.). Skizzieren Sie einen Überblick über den Inhalt. Informieren Sie sich über die Autorin bzw. den Autor. Stellen Sie erste Hypothesen über die Intention der Autorin bzw. des Autors auf. 18 Aufgabenstellung Wiederholen Sie, welche Interpretationskriterien in einem literarischen Text analysiert werden müssen und wie man diese zuordnen kann (z. B. Erzählform, Erzählperspektive, Schauplatz). Analyse und Interpretation eines epischen Textes Die Einleitung enthält Informationen über die Autorin bzw. den Autor, die Quelle (Titel, Ort, Datum), die Textgattung und das Thema, eventuell auch den Kontext. Der Hauptteil besteht aus einer kurzen Inhaltsangabe sowie der Textanalyse (inhaltliche, formale und sprachliche Analyse) und Interpretation: Erzählform Erzählperspektive Aufbau und Handlungsverlauf Erzählstruktur Erzählzeit und erzählte Zeit Gestaltung des Raumes Personenbeschreibung und Charakteristik sprachliche Merkmale des Textes Kernaussage des Textes Im Schlussteil wird die Aussage der Autorin bzw. des Autors anhand der Analyse des Textes und einer ausführlichen Hintergrundrecherche formuliert sowie die eigene sachliche Meinung über den Text zum Ausdruck gebracht. Sowohl Analyse als auch Bewertung und Interpretation (Deutung) des Textes und seiner Aussagen haben sachlich zu erfolgen. Mögliche Kritikpunkte sind mit Textstellen zu belegen. Die grammatikalische Zeitform ist das Präsens. Direkte Reden sind in die indirekte Redeweise umzuwandeln. 190 SCHREIBEN 19 6 Aufgabenstellung a. l l l Lesen Sie die Textvorlage „Saisonbeginn“ von Elisabeth Langgässer (S. 192). Markieren und klären Sie unbekannte Wörter oder Textstellen. Skizzieren Sie grob den Inhalt des Textes. Suchen Sie Informationen über die Autorin und stellen Sie erste Hypothesen auf, welche Intention Elisabeth Langgässer mit diesem Text verfolgt haben könnte. Elisabeth Langgässer (1899–1950), deutsche Schriftstellerin. Sie gehörte zu den b. l l christlich orientierten Notieren Sie erste Analyseüberlegungen: Textsorte, Erzählform, Erzählperspektive, Aufbau und Handlungsverlauf, Erzählstruktur, Gestaltung von Raum und Zeit, Personenbeschreibung und -charakteristik, sprachliche Besonderheiten, Kernaussage des Textes. Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts und wurde vor allem durch ihre Lyrik und ihre Erzählungen und Kurzgeschichten c. l berühmt. Verfassen Sie eine Textinterpretation und bearbeiten Sie dabei folgende Arbeitsaufträge: Die Kurzgeschichte Fassen Sie den Inhalt des Textes kurz zusammen und geben Sie Informationen über die Autorin und die Textsorte wieder. „Saisonbeginn“ wurde 1947 veröffentlicht. Analysieren Sie die sprachlichen Kriterien und formalen Strukturen des Textes und deuten Sie die Kernaussage des Textes. Nehmen Sie zur Kernaussage des Textes kritisch Stellung. Schreiben Sie zwischen 400 und 440 Wörter. siehe Band 1, Kapitel d. l „Schreibprozesse“ Überprüfen Sie den Inhalt Ihrer Interpretation mithilfe der Textlupe anhand folgender Kriterien: Entspricht der Text dem Aufbau einer Interpretationsarbeit? Haben Sie alle Operatoren des Arbeitsauftrages bearbeitet? Gibt es einen roten Faden, der sich durch Ihre Interpretation zieht? Ist der Text in sich schlüssig? Konnten Sie Ihre Standpunkte sachlich richtig darstellen und kritisch zur Kernaussage des Textes Stellung nehmen? e. l l Korrigieren Sie in einer Partnerarbeit Ihre Interpretation auf orthografische, grammatikalische sowie stilistische Richtigkeit. Kennzeichen Sie diese Stellen und machen Sie Lösungsvorschläge. f. l Formulieren Sie Ihre Interpretation aufgrund der Tipps, die Sie bekommen haben, noch einmal um und erstellen Sie eine Endfassung Ihrer Arbeit. 191 8.2 Die Dramatik 8.2.8 Bertolt Brechts „Episches Theater“ Es gab schon vor Bertolt Brechts Schaffen eine Form des epischen Theaters, doch Brecht hat sich durch seine bewusste Abgrenzung vom Theater Aristoteles’ eine eigene Dramentheorie geschaffen. Wie am Begriff selbst schon erkennbar, gibt es auch erzählende Passagen, die Handlung ist komplex und die Zeiträume sind länger dimensioniert. Auch liegen die Orte weiter auseinander – die Darstellung kann als offene Form bezeichnet werden. Eine Besonderheit stellt zudem dar, dass die einzelnen Szenen nicht zwingend aufeinander folgen müssen – eher könnte man sie mit einer erzählenden Bilderfolge vergleichen. Mit Mitteln des Verfremdungseffekts und der Provokation soll sich die Zuschauerin bzw. der Zuschauer vom Geschehen distanzieren können, denn die Darstellung soll nicht zur Identifikation einladen, sondern zur Interpretation. Brecht meinte, dass mit diesem dramaturgischen Effekt die Zuschauerin bzw. der Zuschauer die gesellschaftlichen Verhältnisse bzw. Missstände erkennen kann. Dramentheorien Aristotelische Form des Theaters Epische Form des Theaters handelnd erzählend verwickelt den Zuschauer in eine Bühnenaktion macht den Zuschauer zum Betrachter verbraucht seine Aktivität weckt seine Aktivität ermöglicht ihm Gefühle erzwingt von ihm Entscheidungen Erlebnis Weltbild der Zuschauer wird in etwas hineinversetzt der Zuschauer wird (einer Handlung) gegenübergesetzt Suggestion Argument Empfindungen werden konserviert Empfindungen werden bis zu Erkenntnissen getrieben der Zuschauer steht mittendrin der Zuschauer steht gegenüber er erlebt die Szene mit er studiert die Szene der Mensch als bekannt vorausgesetzt der Mensch ist Gegenstand der Untersuchung der unveränderliche Mensch der veränderliche und verändernde Mensch Spannung auf den Ausgang Spannung auf den Gang eine Szene für die andere jede Szene für sich Wachstum Montage Geschehnisse linear Geschehnisse in Kurven evolutionäre Zwangsläufigkeit Sprünge der Mensch als Fixum der Mensch als Prozess das Denken bestimmt das Sein das gesellschaftliche Sein bestimmt das Denken Gefühl Ratio (Verstand, Vernunft) Idealismus Materialismus Episches Theater: Vergleich: dramatisches Theater – episches Theater bei Brecht. In: Wikipedia. Online: de.wikipedia.org/wiki/Episches_Theater (06. 06. 2014), mit kleinen Ergänzungen 260 LITERATUR, KUNST UND GESELLSCHAFT 37 8 Aufgabenstellung lll Lesen Sie die Tabelle auf Seite 260 zur aristotelischen und epischen Form des Dramas, die die wichtigsten Unterschiede der beiden Dramentheorien gegenüberstellt. Klären Sie die Fremdwörter mithilfe eines Lexikons oder des Internets. Ordnen Sie die in diesem Kapitel besprochenen Dramen der jeweiligen Dramenform zu. Überlegen Sie, welche Teile eindeutig zuzuordnen sind und wo es Überschneidungen oder Unklarheiten geben könnte. 38 Aufgabenstellung lll Diskutieren Sie in Kleingruppen die folgenden Arbeitsaufträge. Vergleichen Sie in einem abschließenden Klassengespräch Ihre Gruppenergebnisse: a. Vergleichen Sie die Sprache der fünf Dramen, die in diesem Kapitel behandelt wurden, und halten Sie Auffälligkeiten fest. Welches Stück bereitete beim Lesen weniger Probleme, bei welchem Stück hatten Sie zunächst Schwierigkeiten und brauchten Erklärungshilfen? b. Welche Personen der genannten Theaterstücke sind für Sie positive, welche negative Figuren? Wechselt eine Figur während der Handlung ihren Sympathiewert? Begründen Sie Ihre Entscheidung. c. Welche Protagonistinnen bzw. Protagonisten sind aus Ihrer Sicht „moralische Figuren“? Welche missbrauchen ihre Machtposition, welche setzen ihre Macht moralisch richtig ein? d. Welche Figur ist Ihnen am sympathischsten, welche empfinden Sie als unsympathisch oder abstoßend? Könnten Sie sich mit einer Rolle identifizieren? 39 Aufgabenstellung Lesen Sie die Monologe Johannas oder Bernhardis nochmals intensiv und versuchen Sie, sich in die beschriebene Situation zu versetzen. Lesen Sie die Textstelle anschließend mit dem entsprechenden Pathos laut vor. Achten Sie darauf, die entsprechende Stimmung, die im Drama vermittelt wird, auszudrücken. 40 Aufgabenstellung l Schreiben Sie einer der handelnden Hauptfiguren einen Brief und gehen Sie dabei argumentativ auf die Art und Weise, wie die Figur gehandelt hat, ein. Weisen Sie auf mögliches positives Verhalten oder Fehlverhalten hin und stellen Sie die Konsequenzen dar, die aufgrund dieses Verhaltens in der Zukunft zu erwarten sind. Überlegen Sie sich zu einem der Dramen einen neuen passenden Schluss. Geben Sie einem der Dramen durch Einführung einer neuen Protagonistin bzw. eines neuen Protagonisten eine entscheidende Wende, welche die Handlung beeinflusst. Schreiben Sie einen Zeitungsbericht, in welchem Sie die Ereignisse eines Dramas Ihrer Wahl darstellen. Gestalten Sie ein fiktives Interview mit einer Hauptfigur eines Dramas während des Geschehens oder nach Abschluss der Ereignisse. Zeichnen Sie ein Mindmap zum Thema „Macht“ und/oder zum Thema „Moral“. 261