Anmerkung zu: ArbG Limburg 1. Kammer, Beschluss vom 19.11

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Anmerkung zu: ArbG Limburg 1. Kammer, Beschluss vom 19.11
Anmerkung zu:
Autor:
ArbG Limburg
1. Kammer,
Beschluss
vom
19.11.2008 1 Ca 541/08
Holger Dahl,
RA
Erscheinungsdatum: 25.03.2009
Quelle:
Normen:
§ 622 BGB, § 97
ArbGG, § 3 AÜG, § 9
AÜG
Fundstelle:
jurisPR-ArbR
12/2009 Anm. 5
Herausgeber: Franz Josef Düwell,
Vors. RiBAG
Klaus Bepler, Vors.
RiBAG
Aussetzung des Verfahrens bis Klärung der Tariffähigkeit der
„Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und
PSA“ (CGZP)
Orientierungssatz
Aussetzung des Verfahrens bis zur Klärung der Frage der
Tariffähigkeit in einem Beschlussverfahren.
A.
Problemstellung
Die Christlichen Gewerkschaften spielen in der Zeitarbeit eine
kontroverse Rolle. Denn einerseits will sich die CDU bei der aktuell
diskutierten Festsetzung der Höhe eines Mindestlohns an den
Tarifverträgen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften
Zeitarbeit und PSA (CGZP) orientieren. Andererseits werden die
Tariffähigkeit der CGZP und damit die Wirksamkeit ihrer
Tarifverträge in der Literatur und der Rechtsprechung zu Recht in
Frage gestellt. Das ArbG Limburg schließt sich denjenigen
Arbeitsgerichten an, die ob der Zweifel an der Tariffähigkeit ihr
Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt haben.
B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten nach Ausspruch einer Kündigung des
beklagten Zeitarbeitsunternehmens um die Länge der
einzuhaltenden Kündigungsfrist in der Probezeit. Während sich der
Kläger auf die gesetzliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB
beruft, meint die Beklagte, die Bezugnahme des Arbeitsvertrages
auf die Tarifverträge der CGZP mit dem Arbeitgeberverband
Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) habe die gesetzlichen
Kündigungsfristen in zulässiger Weise gemäß § 622 Abs. 4 BGB
abgekürzt. Ziffer 20.1 des Manteltarifvertrages lautet: „In der
Probezeit beträgt die Kündigungsfrist während der ersten zwei
Wochen 1 Werktag, bis zum Ende des ersten Monats 2 Werktage,
während des zweiten Monats 3 Werktage, danach bis zum Ende
des dritten Monats eine Woche, vom 4. bis 6. Monat 2 Wochen.“
Das ArbG Limburg hat das Verfahren bis zur Entscheidung über die
Tariffähigkeit der CGZP im Rahmen eines Beschlussverfahrens
gemäß § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt. Unter Bezugnahme auf die
überwiegende Literatur und einige weitere Aussetzungsbeschlüsse
der Instanzengerichte sei eine Aussetzung nach § 97 Abs. 5 Satz 1
ArbGG wegen erheblicher Zweifel der Tariffähigkeit der CGZP
angezeigt. Die Zweifel ergeben sich nach Ansicht des ArbG
Limburg aus der Tatsache, dass die CGZP die Arbeitsbedingungen
der Leiharbeitnehmer im Vergleich zum in § 9 Abs. 2 AÜG
gesetzlich geregelten Grundsatz des „equal pay“ erheblich durch
den von ihr abgeschlossenen Flächentarifvertrag verschlechtere
und sogar in einzelnen Firmentarifverträgen noch einmal vom
Flächentarifvertrag zum Nachteil der Leiharbeitnehmer abweiche.
Ferner gründeten sich die Zweifel auf die Tatsache, dass nicht
bekannt sei, über wie viele Mitglieder die CGZP verfüge. Die
Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP würden nicht dadurch
beseitigt, dass möglicherweise ein oder zwei Mitglieder der CGZP
tariffähig sind. Denn die Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation
hänge davon ab, dass alle ihre Mitglieder tariffähig sind.
C.
Kontext der Entscheidung
Die CGZP trat in der Zeitarbeit erstmals im Zuge des ersten
Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I)
vom 23.12.2002 in Erscheinung. Damals führte der Gesetzgeber
die Pflicht zur Anpassung der Arbeitsbedingungen („equal pay“
oder „equal treatment“) mit dem ersten Tag der Überlassung in §
3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG und § 9 Nr. 2 AÜG ein. Ein Tarifvertrag kann
allerdings abweichende Regelungen zulassen und im
Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können auch nicht
tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der
tariflichen Regelungen vereinbaren. Die Pflicht zur Anpassung von
Arbeitsbedingungen erachteten beide im Zeitpunkt der Reform
bestehenden Arbeitgeberverbände, der Interessenverband
Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und der Bundesverband
Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA), aus vielen Gründen
(Verwaltungsaufwand, Geheimhaltungsinteressen der Kunden,
Rechtsunsicherheit bei der Ermittlung der vergleichbaren
Arbeitsbedingungen, Offenlegung der Margen) als nicht gangbaren
Weg und nahmen die Verhandlungen über den Abschluss von
Tarifverträgen mit dem DGB auf. Dieser war allerdings nicht ohne
weiteres bereit, seinen Vorbehalt, die Zeitarbeit führe zum
„Ausbluten“ der Stammbelegschaft, zu überwinden, und forderte
eine „equal pay“-ähnliche Lösung. Erst ein Haustarifvertrag, den
ein Verleiher mit der CGZP abschloss, brachte Bewegung. Es
folgten der erste Verbandstarifvertrag der Zeitarbeit zwischen dem
neuen Arbeitgeberverband Nordbayerischer
Zeitarbeitsunternehmen (INZ – heute AMP) und der CGZP sowie
schließlich auch Tarifverträge zwischen dem iGZ und dem BZA mit
dem DGB. Die Tarifverträge sehen allesamt eigenständige
Arbeitsbedingungen vor, die keinen Bezug auf die
Arbeitsbedingungen der jeweiligen Stammbelegschaft der Kunden
nehmen.
Konnte damals eine ganze Branche durch die von der CGZP
geebnete Eigenständigkeit aufatmen, entwickelte sich die CGZP
durch ihre Tarifpolitik und unglückliche Fernsehinterviews mehr
und mehr zum Stein des Anstoßes. Vor allem Schüren und Ulber
nahmen die arbeitgeberfreundlichen Tarifverträge aufs Korn (vgl.
Schüren, AuR 2008, 239; NZA 2008, 453; AuR 2004, 241; Park/v.
Paar/Schüren, NJW 2008, 3670; J. Ulber, AuR 2008, 297; D.
Ulber, NZA 2008, 438; auch Böhm, DB 2005, 2023 und Reipen,
NZS 2005, 407). Ferner kursieren Berichte, wonach einige
Haustarifverträge der CGZP das ohnehin niedrige Niveau des
Flächentarifvertrages bis auf 4,81 € brutto Stundenlohn absenken
(vgl. Schüren, NZA 2008, 453). Schon vor dem ArbG Limburg
hatten dies eine Reihe von Arbeitsgerichten zum Anlass
genommen, die bei ihnen rechtshängigen Verfahren auszusetzen,
wenn die Entscheidung von den Tarifverträgen der CGZP und
damit deren Tariffähigkeit abhing (vgl. Schüren, NZA 2007, 1213).
Ob dieser Hintergründe überrascht die Haltung der CDU im
Rahmen des von dem Koalitionsausschuss am 17.01.2009
beschlossenen Mindestlohns in der Zeitarbeit. Eine Einigung über
die konkrete Höhe scheiterte bisher an der Meinung der CDU, man
müsse auf das niedrige Niveau der Flächentarifverträge der CGZP
abstellen.
D.
Auswirkungen für die Praxis
Ver.di und die Berliner Arbeitssenatorin haben im Oktober 2008
einen neuen Versuch zur Klärung der Tarif(un)fähigkeit beim ArbG
Berlin unternommen (Az. 35 BV 17008/08). Bis zu einer
rechtskräftigen Entscheidung dritter Instanz können Jahre
vergehen. Bis dahin wird die CGZP die Literatur, Rechtsprechung
und über den Mindestlohn auch die Politik weiter beschäftigen.