Zur Frage der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft

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Zur Frage der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft
Zur Frage der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft
Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und PSA (CGZP)
Vor dem Berliner Arbeitsgericht fand Anfang April 2009 in erster Instanz die Verhandlung
zur Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und PSA
(CGZP) statt. Das Berliner Arbeitsgericht hat entschieden, dass die CGZP nicht tariffähig sei.
Die Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig und wird auch keine
Rechtskraft erlangen, weil die CGZP Rechtsmittel einlegen und in die nächst höhere Instanz
gehen wird.
Welche Auswirkungen diese Entscheidung hat
Die Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts ist – und wird – nicht rechtskräftig und hat
deswegen keine direkten Auswirkungen. Die CGZP wird das Landesarbeitsgericht Berlin/Brandenburg anrufen. Danach wird sich mit größter Wahrscheinlichkeit auch noch das
Bundesarbeitsgericht mit dem Fall beschäftigen müssen, denn die DGB-Gewerkschaften
werden eine Bestätigung der Tariffähigkeit der CGZP in zweiter Instanz bestimmt nicht hinnehmen. Solange es aber keine rechtskräftige Entscheidung gegen die CGZP gibt, behalten
die mit dieser Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge ihre Gültigkeit.
Allerdings wirft die Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts und vor allem die Begründung
eine Frage auf, die nicht nur für die Zeitarbeitsbranche selbst, sondern auch für alle Kundenunternehmen von elementarer Bedeutung ist: Wenn die Mitgliederzahl bei den Zeitarbeitskräften das entscheidende Kriterium für die Durchsetzungsfähigkeit (soziale Mächtigkeit) und damit die Tariffähigkeit ist, welche Gewerkschaft ist dann überhaupt in der Zeitarbeit tariffähig? Die DGB-Gewerkschaften selbst haben nämlich in dieser Branche einen außerordentlich geringen Organisationsgrad, sprich: kaum Mitglieder.
Dass es in der Zeitarbeit um die soziale Mächtigkeit und damit die Durchsetzungsfähigkeit
der DGB-Gewerkschaften nicht gut bestellt ist, zeigen die Verhandlungen mit dem Zeitarbeitsverband BZA über neue Entgelttarifverträge: Seit zwei Jahren ist es dem DGB-Lager
nicht gelungen, seine Forderung nach höheren Löhnen durchzusetzen und entsprechende
Tarifverträge abzuschließen. Und der Versuch des DGB, über eine Demonstration von Zeitarbeitskräften Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben, kann angesichts der Anzahl von
gerade einmal 50 Teilnehmern nur als Fiasko bezeichnet werden.
Dies alles zeigt, wie absurd die Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts ist: Seine Argumentation würde dazu führen, dass für die Zeitarbeitsbranche von keinem Gewerkschaftslager Tarifverträge abgeschlossen werden könnten. Denn das Gericht hat gleich auch noch
entschieden, dass Ver.di stellvertretend für die DGB-Gewerkschaften die für gültige Tarifverträge notwendige Tarifzuständigkeit fehle.
Wer die Christlichen Gewerkschaften sind
Die Christlichen Gewerkschaften gibt es seit dem Kaiserreich. Nach den Jahren des Verbots
durch die Nationalsozialisten wurden sie Mitte der 50er Jahre wieder gegründet. Sie vereinigen heute unter dem Dach des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) ca. 280.000 Mitglieder in 16 Einzelgewerkschaften und sind keiner Ideologie oder Partei verpflichtet. Die
christlichen Grundwerte bilden die Grundlage einer Tarifpolitik, die auf Arbeitsplatzerhaltung
ausgerichtet ist. Der Tarifpartner des AMP, die CGZP, ist eine aus vier dieser sechzehn Einzelgewerkschaften gegründete Tarifgemeinschaft mit Sitz in Berlin. Ihr gehören die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), der DHV – die Berufgewerkschaft, die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) und die Christliche Gewerkschaft Postservice und
Telekommunikation (CGPT) an.
Wie das Verhältnis der CGB-Gewerkschaften zu den DGB-Gewerkschaften ist
Der CGB ist der drittgrößte Gewerkschaftsdachverband. Die DGB-Gewerkschaften bestreiten
seit Jahrzehnten die Tariffähigkeit der Christlichen Gewerkschaften mit der Behauptung, den
„Christen“ fehle der erforderliche Organisationsgrad und die soziale Mächtigkeit, um die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend zu vertreten. Hierzu seien allein die DGBGewerkschaften in der Lage. Dieser Monopolanspruch der DGB-Gewerkschaften führte in
der Vergangenheit zu diversen juristischen Auseinandersetzungen, die bis in die heutige Zeit
reichen und auch für die Zukunft zu erwarten sind.
So gab es immer wieder Versuche von DGB-Einzelgewerkschaften, entsprechende Prozesse
gegen die CGZP zu lancieren. Allerdings klagten nicht der DGB und seine Einzelgewerkschaften selbst, sondern benutzten dazu Arbeitsgerichtsprozesse von Zeitarbeitskräften. Dabei
war das Schema immer wieder dasselbe: In der Klageschrift des Zeitarbeitnehmers wurde
behauptet, die AMP-Tarifverträge seien nicht wirksam, weil die CGZP nicht tariffähig sei.
Aufgrund dieser Behauptung musste das jeweilige Arbeitsgericht die Verhandlung aussetzen
und zur Klärung dieser Frage an das zuständige Berliner Arbeitsgericht verweisen. Alle Versuche des DGB und seiner Einzelgewerkschaften, der CGZP auf diese Weise die Tariffähigkeit aberkennen zu lassen, scheiterten aber vor dem Berliner Arbeitsgericht.
Warum die DGB-Gewerkschaften bei ihren Angriffen auf die CGZP erfolglos sind
Zeitarbeit war bis zur Jahreswende 2002/2003 für die Gewerkschaften aus ideologischen
Gründen kein Tätigkeitsfeld. Vielmehr war es immer das Ziel der DGB-Gewerkschaften, das
Prinzip der Lohngleichheit zwischen Zeitarbeitnehmern und Stammbelegschaft zu erreichen.
Auch deshalb haben die DGB-Gewerkschaften bisher niemals ihre Zuständigkeit für die Zeitarbeit in ihren Satzungen festgelegt. Formal wären sie damit – so zumindest die Sicht des
Berliner Arbeitsgerichts – alle nicht tarifzuständig und die Gültigkeit der DGB-Tarifverträge
für die Zeitarbeit zweifelhaft.
Die fehlende Regelung der Zuständigkeit für die Zeitarbeit in der Satzung von Ver.di hat
deshalb folgerichtig dazu geführt, dass das Berliner Arbeitsgericht trotz seiner negativen
Entscheidung über die CGZP auch festgestellt hat, dass Ver.di nicht antragsbefugt ist, und
deshalb den Antrag dieser Gewerkschaft zurückgewiesen. Die Dienstleistungsgewerkschaft
Ver.di, so das Berliner Arbeitsgericht, sei gar nicht für die Zeitarbeit zuständig und könne
darum nicht gegen die CGZP klagen.
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Genauso würde es allen anderen DGB-Gewerkschaften ergehen, die ebenfalls die Zeitarbeitsbranche nicht als ihren Zuständigkeitsbereich in den Satzungen geregelt haben. Ähnliches gilt definitiv für den Dachverband DGB, der laut eigener Satzung gar nicht befugt ist,
überhaupt Tarifverträge abzuschließen.
Warum es trotzdem zu einer Entscheidung gekommen ist
Offensichtlich war DGB und Ver.di schon bei Einleitung des Verfahrens gegen die CGZP bewusst, dass ihre eigenen Anträge wegen fehlender Tarifzuständigkeit zurückgewiesen werden könnten. Deshalb wurde vorsorglich die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und
Soziales des Landes Berlin mit ins Boot genommen. Das Berliner Arbeitsgericht sah die Antragsbefugnis der Senatsverwaltung aus dem Gesetzeswortlaut des Arbeitsgerichtsgesetzes
heraus als gegeben an, obwohl auch diese Einschätzung auf wackeligen Beinen steht. Nur
durch diese Konstruktion konnte das Verfahren überhaupt durchgeführt werden.
Die vom Berliner Arbeitsgericht für die fehlende Tariffähigkeit der CGZP gegebene Begründung ist im Übrigen äußerst dürftig, denn sie stützt sich lediglich auf zwei Punkte: Die nicht
offen gelegte Anzahl der von der CGZP in der Zeitarbeit vertretenen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und die angeblich fehlende Organisationsstruktur, bei der das Gericht nicht
erkennen wollte, auf welche Weise z.B. die Forderungen für die nächsten Tarifverhandlungen ermittelt werden. Die Zahl der von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge wollte das
Berliner Arbeitgericht dagegen nicht als Indiz für die soziale Mächtigkeit der Tarifgemeinschaft werten und setzt sich damit in deutlichen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das hat in seiner höchstrichterlichen Entscheidung nämlich festgelegt,
dass der Anzahl der geschlossenen Tarifverträge eine erhebliche Indizwirkung für die geforderte „Sozialmächtigkeit“ einer Gewerkschaft beizumessen ist.
Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts
keinen Bestand haben wird. Hinzu kommt noch ein eklatanter Formfehler, der den Verdacht
nahe legt, dass das Gericht sich des ganzen Falles so schnell wie möglich entledigen wollte:
Wenn schon der Zahl der bei der CGZP organisierten Zeitarbeitskräfte aus Sicht des Berliner
Arbeitsgericht eine so entscheidende Bedeutung zukommt, wäre es zwingend dazu verpflichtet gewesen, das noch in der Anhörung unterbreitete Auskunftsangebot der CGZP anzunehmen. Das hat das Berliner Arbeitsgericht jedoch unterlassen und stattdessen einfach
eine Entscheidung verkündet.
Mit welcher Verunsicherungstaktik gearbeitet wird
Der DGB mit seinen Einzelgewerkschaften und Wettbewerber werden versuchen, mit der
nicht rechtskräftigen Entscheidung des Berliner Arbeitsgerichts die Kunden der Zeitarbeit zu
verunsichern. Hauptstoßrichtung wird dabei die Behauptung sein, Kundenunternehmen seien besonderen Haftungsrisiken ausgesetzt, wenn sie mit Zeitarbeitsfirmen zusammenarbeiten, die „Christen-Tarifverträge“ zur Anwendung bringen. Weil der CGZP gerichtlich die Tariffähigkeit aberkannt worden sei, so die „Argumentation“, seien auch die von dieser Tarifgemeinschaft abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam.
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Die Konsequenz daraus sei, dass das Zeitarbeitsunternehmen seinen Mitarbeitern rückwirkend die Differenz zu den im Kundenunternehmen gezahlten Löhnen (Equal Pay) entgelten
müsse. Ebenso seien die auf die Lohndifferenz zu berechnenden Sozialversicherungsbeiträge
abzuführen, für die auch der Einsatzbetrieb gegenüber den Sozialversicherungsträgern gem.
§ 28e Abs. 2 SGB IV subsidiär hafte. Falls das Zeitarbeitsunternehmen zur Zahlung nicht in
der Lage sei, ergebe sich ein Risiko für den Kundenbetrieb hinsichtlich der für die Einsatzzeit
nachträglich zu berechnenden Sozialversicherungsbeiträge.
Warum sich ein Blick auf den Fall Christliche Gewerkschaft Metall lohnt
Die Verunsicherungstaktik des DGB-Lagers und der Wettbewerber geht von einer Grundannahme aus, die definitiv nicht gegeben ist: Dass der CGZP rechtskräftig die Tariffähigkeit
aberkannt wurde. Das ist aber aus den oben ausgeführten Gründen mitnichten der Fall. Und
ein Blick auf den Fall Christliche Gewerkschaften Metall (CGM) zeigt, dass ein erstinstanzlicher „Erfolg“ völlig bedeutungslos ist:
Die IG Metall klagte 1996 gegen die Christlichen Metaller, um ihnen die Tariffähigkeit absprechen zu lassen. Auch hier gab die erste Instanz, das Arbeitsgericht Stuttgart, dem Antrag der IG Metall statt, die daraufhin triumphierte und die „christliche“ Konkurrenz schon
als erledigt bezeichnete. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hob diese Entscheidung im Oktober 2004 aber wieder auf und bestätigte ausdrücklich die Tariffähigkeit der
CGM. Das wollte die IG Metall nicht wahrhaben und rief das Bundesarbeitsgericht an – mit
dem Ergebnis, dass sich das Bundesarbeitsgericht im März 2006 der Entscheidung der Vorinstanz anschloss, so dass die CGM nun höchstrichterlich als tariffähig anerkannt ist.
Übrigens sind auch bei anderen Christlichen Gewerkschaften wie dem DHV und der Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung (GKH) bisher alle Versuche der IG Metall
gescheitert, deren Tariffähigkeit auf gerichtlichem Wege aberkennen zu lassen. Gegen die
übrigen Mitglieder der CGZP sind keine arbeitsgerichtlichen Verfahren auf Feststellung fehlender Tariffähigkeit anhängig. Solche Verfahren würden auch aller Wahrscheinlichkeit nach
nicht von Erfolg gekrönt werden, denn die CGPT ist an dem Mindestlohntarifvertrag für die
Briefdienstleistungen beteiligt, der vom Bundesarbeitsminister Ende 2007 durch Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Und die GÖD hat zusammen mit den Arbeitgebern des Wach- und Sicherheitsgewerbes den Antrag auf Aufnahme der Branche in
das Arbeitnehmer-Entsendegesetz gestellt und im Sommer 2008 einen entsprechenden
Mindestlohntarifvertrag abgeschlossen.
Wo Sie weiterführende Informationen bekommen
Die Juristen des Arbeitgeberverbands Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) stehen
für Rückfragen zum Verfahren gegen die CGZP und dessen Auswirkungen jederzeit zur Verfügung und sind gerne bereit, weiterführende Informationen zum tatsächlichen Sachstand
zu geben.
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Wer der AMP ist
Der AMP ist einer der drei bundesweiten Branchenverbände der Zeitarbeit mit aktuell rund
1.100 Mitgliedsunternehmen. Der AMP und die CGZP haben am 29.11.2004 einen bundesweit gültigen Branchentarifvertrag für die Zeitarbeit abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag ist
am 1.1.2005 in Kraft getreten. Er unterscheidet sich nur in wenigen Aspekten von denen
der DGB-Gewerkschaften. In einigen Punkten liegen die Konditionen für die Arbeitnehmer
über denen der DGB-Gewerkschaften, in anderen darunter. Der AMP ist von der Solidität
seines Tarifvertragswerkes so überzeugt, dass er alle Bestandteile der Tarifverträge öffentlich unter http://www.amp-info.de/AMP-Tarifvertraege.121.0.html zugänglich macht – eine
Transparenz, die bei den Tarifverträgen der DGB-Einzelgewerkschaften nicht unbedingt die
Regel ist.
AMP, Kronenstraße 3, 10117 Berlin, Tel.: (030) 20 60 98 0 Fax: (030) 20 60 98 11, www.amp-info.de
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