RECHTSGESCHICHTE

Transcription

RECHTSGESCHICHTE
ZEITSCHRIFT
DER SAVIGNY .. STIFTUNG
FüR
RECHTSGESCHICHTE
HERAUSGEGEBEN VON
R. KNÜTEL, D. NÖRR, G. THÜR,
A. LAUFS, E. WADLE,
H.·... BECKER, M. HECKEL, K. W. NÖRR
HUNDERTSECHZEHNTER BAND
CXXIX, BAND DER ZEITSCHRIFT FÜR RECHTSGESCHICHTE
'.~ ~
~\.J
I"''')IJ
\
//F
GERMANISTISCHE ABTEILUNG
GI"
f:
p:
,/,'
"
1999
BÖHLAU VERLAG WIEN-KÖLN-WEIMAR
"
. L//
IH.
Krönungsritus und Kronenbrauch
im Westgotenreich von Toledo
Von
Alexander Pierre Bronisch
I. Die Herrschaftszeichen des christlichen Spanien:
Königsgewand, Szepter und Thron
Die im christlichen Spanien seit den Westgoten häufig wiederkehrenden
Bezeichnungen der königlichen Insignien und der herrschaftlichen Würde
sind das Königsgewand, das Szepter und der Thron. Mit König Leovigild
(568-586) begannen die westgotischen Herrscher, sich als den byzantinischen Kaisern ebenbürtig zu präsentieren l ). Isidor von Sevilla berichtet, dieser habe als erster Westgotenkönig in das Königsgewand gehüllt auf einem
Thron gesessen. Bis dahin hätten sich König und Volk in Kleidung und Sitz
nicht voneinander unterschieden2). Schon Sidonius Apollinaris hatte Theo1) Zur Übernahme byzantinischer Elemente durch die Westgoten siehe Karl
Friedrich Stroheker, Das spanische Westgotenreich und Byzanz, in: Bonner Jahrbücher 163 (1963) 252-274, und in ders., Germanentum und Spätantike, Zürich u.
Stuttgart 1965, S. 207-245; Dietrich Claude, Geschichte der Westgoten, Stuttgart
u. a. 1970, S. 89; Maria R. Valverde Castro, Simbologia deI poder en la monarqufa visigoda, in: Studia Historica,HistoriaAntigua 9 (1991) S. 139ff.; Luis A. Garcfa Moreno, Historia de Espafia visigoda, Madrid 1989, S. 119f., 148,321 ff.
2) Las historias de los godos, vandalos y suevos de Isidoro deSevilla,Estudio, edici6n
criticay traducci6ndeCrist6bal Rodriguez Alonso, Le6n 1975 (im folgenden als
HistIsid zitiert), 51 : 7-10: primusque inter suos regali veste opertus sofio resedit: nam
ante eum et habitus et consessus communis ut populo, ita et regibus erat. Dieser Satz
steht nur in der kurzen Version von Isidors Gotengeschichte. Rodrfguez Alonso,
Historias de los godos, S. 47 f., vermutet, daß die entschieden antibyzantinische Haltung
Isidors ihn dazu bewog, diesen Hinweis auf byzantinisches Hofzeremoniell in der
langen Version seiner Chronik zu vermeiden. Vgl. auch die asturische Chronik von Albelda, in: Chroniques asturiennes (fjn IX· siecle), hg. u. übers. v. Yv e s B 0 nn az, Paris
1987 (im folgenden als ChrAlb zitiert), 19: Primus regali veste opertus saUo resedit.
38
Alexander Pierre Bronisch
3
derich 11. (453-466) auf einem verschleierten Thron sitzend beschrieben ).
Nach Dietrich Claude aber handelte es sich dabei um Metaphern, die ge4
genüber der klaren Aussage Isidors nur geringes Gewicht hätten ). Mare
Reydellet hat jene Stelle Isidors ausführlich besprochen. Er glaubt, daß
Leovigild als erster auch im Kreise des gotischen Adels (inter SUDS) im
Königsgewand thronte, während zur Zeit Theoderichs der König nur bei
offiziellen äußeren Angelegenheiten, z.B. beim Empfang von Gesandten,
auf dem Thron saßS). Die Demonstration gegenüber dem eigenen Adel war
der entscheidende Schritt, damit die zunächst rein protokollarischen Zeichen sich zu Symbolen der Königswürde wandeln und im allgemeinen
Sprachgebrauch und Verständnis als stellvertretend für diese verinnerlicht
werden konnten.
Mehrfach wird vom Ablegen der Königsgewänder als Zeichen des Niederlegens der Königswürde berichtet6 ). Auch bei den Merowingern war eine
besondere Königskleidung bekannt. Sie kennzeichnete den König und war
deshalb ein Herrschaftszeichen. Reinhard Schneider hat aus Berichten über
die Devestitur bei den Merowingern den Schluß gezogen, daß man berechtigterweise auch von Investitur als logischer Entsprechung ausgehen
könne7). Das gilt analog auch für die westgotischen Verhältnisse.
3) Sidonius Apollinaris, Gai Sollii Apollinaris Sidonii epistulae et carmina, hg. v.
Christian Luet Johann (MGHAABd. 8), Berlin 1887 (Nachdr. 1961), Ep. 2 S. 3:
4-5.
4) Dietrich Claude, Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, Sigmaringen 1971, S. 61 u. 62 Anm. 36.
5) Marc Reydellet, La royaut6 dans Ia liMrature latine de Sidoine Apollinaire a
Isidore de Seville (Bibliotheque des Ecoles Fran<;:aises d' Athenes et de Rome,
Bd. 243), Rom 1981, S. 532ff.
6) So wird Hermengild in der Gefangenschaft seines Vaters seiner Kleider entledigt.
Gregorii episcopi Turonensis libri historiarum X, hg. v. Bruno Krusch u. Wilhelm
Levison (MGH SS merov. 1,1), Hannover 1951 (Nachdr. 1965), V, 38 S. 245: adpraehensum spoliavit eum ab indumentis suis induitque illum veste vile. - Claude
(Anm.4) 63f.; Konrad Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittela~~e~, ~onn 1979:. S. 560f. - Der Usurpator Paulus legte nach seiner Niederlage die
komgh~hen Gewa~der selbst ab: Sancti Iuliani Toletanae sedis episcopi historia Wambaeregls, hg. v. WIlhelm Levison, in: Sanctiluliani Toletanae sedis episcopi opera
pars 1, hg. v. J ocelyn N. Hillgarth (CChr. SL Bd. 115), Tumhoult 1976 (neubearb.
Nachdr. der Ausgabe von Theodor Mommsen (Hg.): Chronica minora saec.
I~.V.VI.Vll ~d. 2 (MGH AA XI), Berlin 1894, (S. 241-303) (im folgenden als
~lstWamb ZItIert), 20 Z. 527-530: Tune omnimoda desperatione permotus, regalia
mdumenta , quae tyranm'd'lS am b't'
. quam ordine praeeunte perceperat,
1 lone pottuS
tabefaetus deposuit. Bund, w. 0., S. 580.
7) Reinhard Schneider, Königswahl und Königserhebung im frühen Mittel-
I
l
.ä
i
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
39
Formulierungen mit dem Thron als Synonym für die Königsherrschaft
finden sich bis zum Ende des Westgotenreiches (711)8). Der Bericht über die
Wahl Wambas nach dem Tode König Rekkesvinths (649-672) vennerkt,
daß dieser bei seiner Investitur nicht auf den Thron des Reiches in der
Königsstadt Toledo verzichten wollte9). Auch die altspanische Liturgie
spricht vom Thron als einem Symbol königlicher Herrschaftl°). Konstitutive
Thronsetzungen hat es auch bei den nördlichen Nachbarn der Westgoten,
den fränkischen Merowingern gegeben ll ). Hinsichtlich des Thrones verlief
die spanische Entwicklung also durchaus konfonn mit den Verhältnissen in
den vergleichbaren gennanischen Reichen. Im fränkischen Bereich allerdings hat es keinen festen Krönungsort gegeben, und aus den Quellen wird
auch nicht deutlich, ob es sich um einen konkreten königlichen Thronsitz
handelte, während die von Wamba gewollte Verzögerung seiner Investitur
und Königsweihe auf eben einen solchen speziellen Thron in Toledo als
Herrscher- und Reichsinsigne schließen läßt I2 ). Aus den, Vitas Sanctorum
Patrum Emeretensium' geht hervor, daß der Thron einen erhöhten Platz einalter, Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge bei den Langobarden und Merowingern, Stuttgart 1972, 220ff. Siehe ibid. S. 218ff. die erhellenden Ausführungen zur
Bedeutung der vestis regalis bei den Merowingern.
8) ConciIios visig6ticos e hispano-romanos, Edicion preparada por Jose Vives
Gatell con la colaboracion de Tomas Marin Martfnez u. Gonzalo Martfnez
Diez, Barcelona u. Madrid 1963, darin: 3. Konz. v. Toledo (589), BriefRekkareds an
Papst Gregor 1., S. 145: nullatenus ad regni nostri solium convaluit peraccedere.
8. Konz. v. Toledo (653) S. 295: ut non ante quispiam solium regale conscendat. Siehe
ebenso Wendungen mit der Formulierung ,sedes regni' im 6. Konz. v. Toledo (638)
S. 236, 245; 7. Konz. v. Toledo (646) S. 256; 8. Konz. v. Toledo (653) S. 261 u. 295;
12. Konz. v. Toledo (681) S. 381; 16 Konz. v. Toledo (693) S. 485. Chr 754 15:
Reccharedo denique huic Sisebuto succedente in solio. 44 Z. 3 f.: Hic (Witiza; Bro.)
patris succedens in solio. Siehe auch die Chronik Alfonsos Ill., Version ,Rotense' in:
Chroniques asturiennes (fin IX" siede), hg. u. übers. v. Yves B onnaz, Paris 1987 (im
folgenden zitiert als ChrRot bzw. die Version ,Ovetense' als ChrOvet), 4 S. 35: Vitiza
ad regni solium revertitur Toleto.
9) HistWamb 3 Z. 45 -48: ungi se tamen per sacerdotis manus ante non passus est,
quam sedem adiret regiae Lwbis, atque solium peteret paternae antiquitatis. Claude
(Anm. 4) 62.
10) Le Liber Ordinum en usage dans l'eglise wisigothique et mozarabe d'Espagne
du cinquieme au onzieme siecle, hg. v. Marius Ferotin, Paris 1904 (im folgenden
als LibOrd zitiert), Sp. 155 u. 296: Thronum eius iustitiafirmet.
11) Schneider (Anm. 7) 213ff.
12) Roderich Schmidt, zur Geschichte des fränkischen Königsthrons, in: Frühmittelalterliche Studien 2 (1968) S. 53 f., 55: "Die Bemerkung der Gesta Dagoberti, es
sei mos bei den Frankenkönigen gewesen, super solium aureum coronatus zu residieren, ist mit keinem bestimmten Thronobjekt und mit keinem bestimmten Ort verbun-
40
Alexander Pierre Bronisch
nahm. Dort wird berichtet, daß König Leovigild vom zornigen Donnergrollen Gottes erschreckt vom Thron herabgefallen seP3). Als Symbol der legitimen Herrschaft ist er in seiner Bedeutung durchaus vergleichbar mit der zu
14
späterer Zeit in anderen Reichen üblichen Königskrone ).
Ebenso häufig wie die Thronbesteigung findet sich in den schriftlichen
Quellen die Annahme des Szepters als symbolischer Ausdruck für den Herrschaftsantritt. Zweifellos gehörte es bei den Westgoten zu den Zeichen königlicherWürde15 ). Wamba (672-680), Ervig (680-687), Egica (687-702)
den, wie ja auch die Herrschererhebung und eine dabei mögliche Thronsetzung nicht
an einem festgelegten Ort zu erfolgen hatte."
.
13) C1aude (Anm. 4) 62. Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium, hg. v. Antolll.a
Maya Sanchez (CChr. SL Bd. 116), Tumhout 1992 (im folgenden als VitPatr z~­
tiert), V. VI Z. 99-102: Dum hec et his similia loquerentur et esset multa celi serem-
tas, maiestas divina celitus fragore magno repente intonuit ita ut tremebundus de trono
suo Leovigildus rex in terram cum pavore procideret. Deutlicher scheint mir der erhöhte Thron ibid. I: 34-36 S. 8 belegt. Siehe hierzu unten Anm. 161.
14) Aufgrund der Bedeutung des väterlichen Thrones, die uns in den Quellen immer
wieder unmißverständlich begegnet, kann deshalb das folgende Urteil von Schramm
zumindest für das Westgotenreich nicht bestätigt werden: "In den Reichen auf der Iberischen Halbinsel blieb - ähnlich wie in Frankreich - der Thron also ein auswechselbares Prunkstück, das den Respekt vor dem auf ihm Sitzenden mehren sollte; aber er
war nicht (wie z.B. die Krone) ein eigentliches "Herrschaftszeichen": Percy Ernst
S chrarnm, Zur Geschichte des Throns in den Spanischen Reichen, in: de rs., Kaiser,
Könige und Päpste, Bd. IV, 1, Stuttgart 1970, S. 343ff., 348. Zehn Jahre vorher hatte
Schramm völlig richtig die Bedeutung des Thrones als "sfrnbolo de la soberanfa" umschrieben und die Bedeutung des väterlichen Thrones hervorgehoben: "la posesi6n deI
trono heredado era considerada corno la justificaci6n de la 1egitimidad de la soberania". Siehe ders., Las insignias de la realeza en la Edad Media espafiola, ins Spanische übersetzt u. eingeleitet von Luis Vazquez de Parga, Madrid 1960, S. 25 u.
27. S. a. die Stichwörter sedes, solium, thronus bei Isidor von Sevilla, in: San Isidoro
de Sevilla, Etimologfas, Edici6n bilingüe, Texto latino, versi6n espanola y notas por
J ose Oroz Reta y Manuel-A. Marcos Casquero, 2 Bde., Introducci6n general
por Manuel C. Diaz y Diaz, Madrid2 1993-94 (im folgenden als Etym zitiert),
VII, 5,21; 5,26; XX, 11,9-10.
15) HistIsid 62: 2-4: Svinthila ... regni suscepit sceptra. Juan de Bic1aro, obispo de
Gerona, Su vida y su obra, hg. v. Julio Campos, Madrid 1960 (im folgenden als
ChrBicl zitiert), a. 586 Z. 277: Reccaredus cum tranquillitate regni eius sumit sceptra.
Eugenii Toletani episcopi carmina et epistulae, hg. v. Friedrich Vollrner (MGHAA
XIV), Berlin (Nachdr. 1962) 1905, S. 251 Nr. 25 Z. 17: sceptra qui regia gessi. 13.
Konz. v. Toledo (683) S. 431: et post irnperialia terreni regni sceptra coronandus perveni~t ad ca~lestia reg~a. 15. Konzil von Toledo (688) S. 471 : Egicani principi nostro
a~t~tbuat Jelzcern regm retentare sceptrum. Chronica regurn Visigothorum, in: Leges
Vlslgothorum, hg. v. Kar 1 Zeumer (MGH Leg. I, 1: Leges Nationum Germanicarum,
Bd. 1), Hannover u. Leipzig 1902 (Nachdr. 1973),47 S. 461: Suscepit autem succe-
-I-~-
,
I
Q,..
,
'"
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
41
und der Rebell Suniefred (692-693), der kurzzeitig die Macht in Toledo errang, halten auf den während ihrer Regierung geschlagenen Münzen kreuzförmige Szepter in der Hand. Die Münzen, die zur Zeit der Doppelregierung
von Egica und Witiza (700-702) geschlagen wurden, zeigen die beiden
Herrscher im Profil und zwischen ihnen ein Kreuzszepter I6 ).
Als Insignien gewissermaßen zweiter Kategorie der westgotischen Könige können Reliquien und besondere Reliquien- bzw. Gemmenkreuze angesehen werden. Sie waren nicht unverzichtbar für den Herrschaftsantritt
und galten auch nicht als Symbole der Herrschaftsausübung. Gleichwohl
waren sie eng mit dem Königshaus verbunden. Victor BIbern hat "Reliquienbesitz als herausragendes Kennzeichen schon des frühmittelalterlichen
Herrschertums" bezeichnet I7 ). Wahrscheinlich auf westgotische Zeit geht
der sogenannte ,arca santa' zurück, ein Reliquienschrein in der Oimara
Santa von Oviedo, für den nach der Legende Alfonsos II. (791-842) die
Erlöserkirche in Oviedo errichten ließ und dessen heutige Form auf die Neugestaltung des Schreins im Auftrag Alfonsos VI. (1072-1109) zurückgeht I8 ). Der Legende nach stammt der Schrein aus Toledo und war vor der
muslimischen Eroberung nach Asturien in Sicherheit gebracht worden. Der
Kern der Überlieferung, die Überführung von Reliquien aus dem muslimisehen Spanien in den christlichen Norden, könnte den Tatsachen entsprechen 19). Die Reliquienverehrung der Westgotenkönige äußerte sich aber vor
allem in der Bedeutung einer Kreuzesreliquie, die eingelassen in ein kleines,
goldenes Kreuzreliquiar, gewissermaßen zum wichtigsten Kultgegenstand
der westgotischen Königsherrschaft geworden war2°).
dente die IIferia gloriosus dominus noster Ervigius regni sceptra. Cl a u de (Anm. 4) 65
u. Anm. 61. Der westgotischen Epoche nahe stehen auch die beiden mozarabischen
Chroniken aus der Mitte des 8. Jahrhunderts: Cr6nica mozarabe de 754, edici6n crftica
y traducci6n, hg. v. J ose Eduardo L6pez Pereira, Zaragoza 1980 (im folgenden
als Chr754 zitiert), 16: Svintila .. , gubernacula in regno Gothorum suscepit sceptra.
Vgl. Chronica byzantina-arabica, in: Corpus scriptorum Muzarabicorum, Bd. I, hg. v.
Iuan Gil Fernandez, Madrid 1973 (im folgenden als Chr741 zitiert), 14 S. 9.
16) Georges C. Miles, the Coinage of the Visigoths of Spain. Leovigild to
Achilla 11., New York 1952, S. 34f., 51ff. Siehe die zeichnerische Wiedergabe von
Münzbildem ibid. S. 57ff. Zu Suniefred siehe Bund (Anm. 6) 586f.
17) Viktor H. EIbern, Goldschmiedekunst im frühen Mittelalter, Darmstadt
1988, S. 109.
18) Zum ,arca santa' siehe Francisco J avier Fernandez Conde, EI Libro de
los Testamentos de la Catedral de Oviedo (Publicaciones deI Instituto Espanol de
Estudios Eclesiasticos, Monograffas Nr. 17), Rom 1971, S. I11ff.
19) In diesem Sinne ibid. S. 117f.
20) Zum westgotischen Kreuzeskult siehe Carmen Garcfa Rodrfguez, EI culto
42
Alexander Pierre Bronisch
Haben die Westgotenkönige neben dem Königsgewand und dem Szepter
auch Kronen getragen und sie wie den Thron als unverzichtbares Symbol
ihrer Herrschaft betrachtet? Bislang geht man allgemein davon aus. Häufig
wird auch wie selbstverständlich angenommen, daß die westgotischen Könige bei ihrem Herrschaftsantritt in einer feierlichen Zeremonie gekrönt
wurden21 ). Der Verdacht, daß es eine Königkrönung im Reich von Toledo
nicht gegeben hat, wurde trotz der dafür nur dürftigen Anhaltspunkte nur selten und eher beiläufig geäußert22). Noch seltener als die Krönung werden
de los santos en la Espafia romana y visigoda, Madrid 1966, S. 120-124, sowie in
Alexander Pierre Bronisch, Reconquista und Heiliger Krieg, Die Deutung des
Krieges im christlichen Spanien von den Westgoten bis ins frühe 12. Jahrhundert
(Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, Reihe II Bd. 35), Münster 1998, im
Kapitel "Der Kreuzeskult im Westgotenreich und in den Reichen der Reconquista bis
zum ausgehenden 11. Jahrundert", S. 286ff.
21) Beispielsweise Percy Ernst Schramm, Die Krönung im katalanisch-aragonesischen Königreich, in: Homenaje a A. Rubib i Lluch, Barcelona 1936, Bd. 3
S. 577-598. Geringfügig überarbeitet nachgedruckt unter dem Titel: Die Krönung im
Aragonesischen Königreich, in: ders., Kaiser, Könige und Päpste, Bd. IV, 1, Stuttgart
1970, S. 353. Carlrichard Brühl, Kronen- und Krönungsbrauch im frühen und
hohen Mittelalter, in: Historische Zeitrschrift 234 (1982) S. 19f., der bei den Westgoten einen Kronenbrauch für hinreichend belegt hält, nicht aber den Krönungsbrauch.
Claudio Sanchez-Albornoz y Menduifia, La "ordinatio principis" en la
Espafia goda y postvisigoda, in: ders., Viejos y nuevos estudios sobra las instituciones medievales espafiolas, Bd. 2, Madrid 1976, S. 1176f.; Walther Schücking, Der
Regierungsantritt, eine rechtsgeschichtliche und staatsrechtliche Untersuchung,
Bd. 1 : Die Urzeit und die Zeit der ost- und westgermanischen Stammesreiche, Leipzig 1899, S. 71; Valverde Castro (Anm. 1) S. 144; Bonifacio Palacios Martin, La coronaci6n de los reyes de Arag6n 1204-1410, Aportaci6n al estudio de las
estructuras medievales, Valencia 1975, S. 14.
22) Siehe z.B. Schücking (Anm. 21) 73f.; Hans-Dietrich Kahl, Zur Frühgeschichte der Krone als Zeichen christlicher Herrschaft, in: Konstanzer Arbeitskreis für
mittelalterliche Geschichte (hessische Reihe), Protokoll der 16. Arbeitssitzung vom
14.5.1966 im Hist. Seminar der Universität Frankfurt: "Die gegebene Lösung, die
Erstkrönung des neuen Herrschers von kirchlicher Hand an kirchlicher Stätte, wurde
in Byzanz sehr allmählich in einem Zeitraum entwickelt, der sich von der Mitte des
5. bis ins 8. oder 9. Jahrhundert erstreckt; das spanische Westgotenreich, derjenige
Staat, der in hochentwickelter Staatssymbolik damals allem Anschein nach an zweiter
Stelle stand, ist in den 120 Jahren zwischen Katholisierung und Untergang (589-711),
soviel erkennbar, überhaupt nicht zu dieser Lösung gelangt." Kurt-Ulrich
Jäschke, frühmittelalterliche Festkrönungen ? Überlegungen zur Terminologie und
Methode, in: Historische Zeitschrift 211 (1970), S. 585: "Doch obgleich wir gelegentlieh ... recht eingehend über den Ablauf der Königserhebung unterrichtet sind,
fehlen bislang Hinweise auf dazugehörige ,Erstkrönungen'." Reydellet (Anm. 5)
536 Anm. 117: "La liturgie visigothique n' a jamais connu le couronnement propre-
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
43
Kronen als Zeichen der Königsherrschaft bei den Westgoten in Frage
gestellt. Nur Reydellet hat diesen Verdacht einmal beiläufig geäußert23 ).
Allerdings sind die Fragen nach der Existenz eines Krönungsritus bei den
Westgoten und nach Königskronen als Herrscherinsignien nicht unabhängig
voneinander zu beantworten. Ohne Kronen kann keine Krönung stattgefunden haben. Wohl aber kann es Kronen als Herrschaftszeichen auch ohne
feierliche Erstkrönung gegeben haben24). Diese von Carlrichard Brühl
getroffene Unterscheidung hat im Falle Spaniens durchaus ihren Sinn. Entsprechend seiner methodischen Differenzierung wird hier zunächst die
Frage gestellt, ob es im Reich von Toledo Königskrönungen gegeben hat,
und darauffolgend erst den Hinweisen auf westgotische Königskronen und
ihrer Bedeutung als Königsinsigne nachgegangen.
11. Zur Frage der Krönung im Westgotenreich
1. Die Salbung der westgotischen Könige:
Den ersten Bericht von einer Königsweihe bei den Westgoten gibt Julian
von Toledo in seiner ,Historia Wambae'. Er beschreibt, wie der Westgote
Wamba in Gerticos, in der Provinz von Salamanca, von den dort anwesenden
Magnaten zum König gewählt und 19 Tage späterin Toledo von Bischof Quiricus in der Basilika der Apostel Peter und Paul zum König gesalbt wurde25 ).
Die Art der Berichterstattung, mit der Julian, ein Zeitgenosse Wambas, den
Nachweis von Wambas Herrschaftslegitimität führt, und die Selbstverständlichkeit, mit der er von der Salbung des Königs berichtet, hat mehrheitlich
ment dit." Brühl (Anm. 21) 22ff. schließt den konstitutiven Charakter von Krönungen für diese Zeit grundsätzlich aus. Suzanne Teillet, Des Goths ala nation gothique, Les origines de l'idee de nation en Occident du Ve au vrre siede, Paris 1984,
S. 607 Anm. 152, findet in den Quellen keine Hinweise auf eine Krönung, zumal
Julian eine solche erwähnt haben müßte. Doch erörtert sie nicht einmal das Problem
der Krone des Paulus. Siehe hierzu unten im Kapitel ,Die Krone des Paulus'.
K. Sc hni th, Art. ,Krönung', in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München und Zürich
1991, Sp. 1548: "Doch ist fraglich, ob etwa die westgot. oder langob. Kronen des
7. Jahrhunderts als staatssymbol. Zeichen beim Herrschaftsantritt eine Rolle spielten."
23) Re y delle t (Anm. 5) 536: "Une autre difficulte reside dans la question de savoir
si la couronne existait reellement comme attribut des rois de TolMe".
24) Vgl. Brühl (Anm. 21) 2: " ... ohne Krone keine Krönung. Diese Feststellung
klingt so primitiv, daß sie schon fast peinlich wirkt. Ich treffe sie hier dennoch, weil ich
vor dem Umkehrschluß : ohne Krönung keine Krone, ausdrücklich warnen möchte. ','
25) HistWamb 2-4; 4 Z. 55-61: At ubi ventum est, quo sanetae unetionis vexillam
susciperet, in praetoriensi ecclesia, sanctorum seificet Petri et Pauli, regio iam cultu
conspieuus ante altare divinum consistens, ex more fidem populis reddidit. Deinde
eurbatis genibus oleum benedietionis per sacri Quirici pontificis manus vertici eius
refunditur et benedictionis copia exibetur.
44
Alexander Pierre Bronisch
zur Annahme geführt, sie sei zur Zeit Wambas bereits ein geübter Brauch gewesen26). Doch ist nicht mit Sicherheit festzustellen, wann die Westgoten
begonnen haben, ihre Könige zu salben. Es gibt Hinweise darauf, daß die
westgotische Königssalbung aus der postbaptismalen Salbung entstanden
ist, welche an Arianem bei ihrem Übertritt zum katholischen Bekenntnis
vollzogen wurde. Möglicherweise geht sie auf eine rituelle Bestätigung der
Konversion König Rekkareds 1. (586-601) zurück. Zu einem eigenständigen Ritus dürfte sich die westgotische Königssalbung allerdings erst später
entwickelt haben. Nur so läßt sich erklären, daß vor dem Bericht Julians
keine Nachrichten über die Königssalbung auf uns gekommen sind. Es ist
denkbar, daß der Ritus, von dem sich Fragmente im Antiphonar von Le6n
erhalten haben, überhaupt erst von Julian von Toledo geschaffen wurde27 ).
Ab Wamba allerdings ist die Bedeutung der Königssalbung als entscheidender Akt der Tauglichmachung eines Königs sicher belegt. Schon der
Usurpator Paulus, der kurz nach dem Herrschaftsantritt Wambas gegen den
König konspirierte, betonte in seinem Brief an diesen, er selbst sei ein gesalbter König2ß ). Seit der Zeit Wambas verzeichnen die Königslisten beim
Herrschaftsantritt eines Königs auch den Tag seiner Salbung29 ).
Bedeutsam für die Frage nach dem Gebrauch von Kronen bzw. nach Krönungszeremonien bei den Westgoten und später ist die Salbung deshalb, da
sie an sich keiner Krönung bedarf, bzw. da eine Krönung im Kontext der
Königssalbung ursprünglich eine untergeordnete Funktion haben mußte30).
Arnold Angenendt erklärt die Verbindung von Salbung und Krönung
durch das linteum, eine Kopfbedeckung zum Schutz der Salbung der Getauften, die von Amalar von Metz als Mitra, von Alcuin als diadema regni
bezeichnet werde. Diese Ausdeutung habe sich durchgesetzt und schließlich
zur liturgischen Krönung geführt. Im Jahre 781 seien bei der Taufe und
Königssalbung zweier Söhne Karls des Großen durch Papst Hadrian wahr26) Zur Darstellung der Forschungsgeschichte um die Probleme der westgotischen
Königssalbung siehe Bronisch (Anm. 20) 327ff.
27) Ibid., S. 331 ff., 338. Zu den Fragmenten des Weiheordo siehe Antifonario
visig6tico moziirabe de laCatedral deLe6n, hg. v. Louis Brou u. Jose Vives, Barcelona u. Madrid 1959 (im folgenden als LibAnt zitiert), S. 450-452.
28) HistWamb: ,Epistola Pauli pe1jidi', S. 217: Flavius Paulus unctus rex orientalis, Wambani regi austro. Zur Rebellion des Paulus siehe Bund (Anm. 6) 578ff.
29) Chronica regum Visigothorum, S. 461. V gl. zur Salbung Ervigs, 12. Konz. v. Toled~ (681) S. 381 u. 387. Karl Zeumer, Die Chronologie der Westgotenkönige des
ReIches von Toledo, In: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 27 (1902) S. 436ff.
30) Brühl (Anm. 21) 20ff.
_.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
45
scheinlich bereits Kronen verwandt worden 31 ). Folgt man Angenendts Herleitung, käme eine liturgische Krönung der spanischen Gotenkönige bereits
im 7. Jahrhundert nicht in Betracht. Eine konstitutive Bedeutung hatte die
Krönung ohnehin auch bei den Franken noch während des 8. Jahrhunderts
nicht besessen32). Denkbar wäre demnach lediglich eine nicht konstitutive
Erstkrönung als Teil der westgotischen Herrscherweihe.
2. Die Fragmente des westgotischen Ordos der Königsweihe :
Die Unsicherheit in der Frage nach der Krönung der westgotischen Könige und ihrer Nachfolger liegt vor allen Dingen in der Tatsache begründet,
daß der Text des ,Ojficium in ordinatione sive in natalicio regis', wie der
Ordo der Königsweihe im Antiphonar von Lean genannt wird33 ), im westgotisch-mozarabischen Liber Ordinum fehlt. Dieses liturgische Buch wurde
in seiner uns heute überlieferten Form Mitte des 11. Jahrhunderts zusammengestellt. Der Schreiber des Liber Ordinum ex patrum ordine collectum
in unum beabsichtigte in erster Linie die getreue Überlieferung der traditionellen, hauptsächlich noch zur westgotischen Zeit in der zweiten Hälfte
des 7. Jahrhunderts entstandenen Texte34). Wahrscheinlich wurde der Liber
Ordinum wenig später als Beispiel für die Zulässigkeit der hispanischen
31) Arnold Angenendt, Rex et sacerdos, zur Genese der Königssalbung, in: Tradition als historische Kraft, Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des frühen
Mittelalters, hg. v. Norbert Kamp u. Joachim Wollasch, Berlin u. New York
1982, S. 112ff.
32) Brühl (Anm. 21) 22ff.
33) Die Riten der Königsweihe dürften wohl kaum jährlich zum Geburtstag des
Königs wiederholt worden sein. Gemeint ist mit der Formulierung sive in natalitio regis eher der Jahrestag der Salbung des Königs, der zugleich der eigentliche Jahrestag
seines sakralen Königtums war. Auch der Hymnus ,ln ordinatione regis' nennt den Tag
der Salbung dies natalis. Hymnodia gotica, die mozarabischen Hymnen des altspanischen Ritus, hg. v. Clemens Blume, Leipzig 1897 (Nachdr. New York u. London
1961) (im folgenden als Hymnodia gotica zitiert), Nr. 193,3: Sit dies natalis huius
feriata gaudio. Zur Entstehung des jährlichen Herrscherweihegedenkens in Rom und
zur Vermittlung über Byzanz auch an den fränkischen Hof siehe Alain J. Stoclet,
Dies Unctionis, A Note on the Anniversaries ofRoyal Inaugurations in the Carolingian
Period, in: Frühmittelalterliche Studien 20 (1986) S. 546 ff.
34) Ferotin (Anm. 10) XXI: "Tous ces textes sont copies ala lettre, sans aucune
mOdification, pas meme dans les rubriques, et apparemment sans autre souci de la part
du scribe que celui de nous conserver une collection de vieux texte liturgiques ... V g1.
Jose Janini (Hg.), Liber Ordinum episcopal. (Cad. Silos, Arch. Momlstico, 4),
Burgas 1991, S. 17. Nach J orge Maria Pinell, Art. ,Liturgia Hispanica', in: Diccionario de Historia Eclesülstica de Espafia, Bd. 2, Madrid 1972, S. 1310, enthält der
Liber Ordinum bis auf die Weihe von Bischöfen, Kirchen und Königen vollständig alle
Riten der Kirche.
46
Alexander Pierre Bronisch
Liturgie Papst Alexander n. in Rom vorgelegt3S). Segnungen und Gebete,
die wie die Versöhnung von Arianern und Donatisten bereits seit langem
keine aktuelle Bedeutung mehr hatten und lediglich der Vollständigkeit
halber in diese Sammlung liturgischer Weihetexte aufgenommen worden
waren, konnten nun zur Hervorhebung der spanischen Rechtgläubigkeit
dienen. An anderer Stelle habe ich bereits die Vermutung geäußert, daß der
Ordo der Königsweihe deswegen unterschlagen wurde, weil er Reminiszenzen an seine Herkunft aus der Versöhnungssalbung der Arianer enthalten
haben könnte. Denkbar wäre, daß die spanischen Bischöfe es vermeiden
wollten, an den einstigen Arianismus der gotischen Könige zu erinnern, um
das Mißtrauen der Kurie in Rom nicht zu erregen36). Gewißheit hierüber
kann es freilich nicht geben.
Die Ansicht Zacarias Garcia Villadas, das Krönungszeremoniell,
das in einem Codex des Klosters Cardefia überliefert wurde, sei eine Verschmelzung des iberischen mit dem römischen Krönungsritus und lasse
deshalb Rückschlüsse auf die ursprüngliche Verfahrensweise zu, hat sich als
unrichtig erwiesen. Zweifellos handelt es sich um einen fränkischen Krö~
nungsordo37). Doch haben sich im Antiphonar von Le6n, im Liber Commi35) Ferotin(Anm.lO)XVIDf.;Juan Francisco Rivera Recio,GregorioVU
y la liturgia mozarabe, in: Revista Espafiola de Teologfa 2 (1942) S. 9. Der Bericht
hierüber befindet sich im sogenannten ,Codex Aemilianensis', ms.d.!, 1, fol. 395", Biblioteca de San Lorenzo de EI Escorial. Zum Wortlaut der Quelle siehe Ri vera Reci 0, La controversia adopcionista deI siglo VID y la ortodoxia de la liturgia mozarabe,
in: Ephemerides liturgicae 47 (1933), S. 515, wo der vollständige Text wiedergegeben
wird. Vgl. Ferotin (Anm. 10) XIX Anm. 1 u. Enrique Fl6rez, Espafia sagrada,
Bd. 3, Madrid2 1754, S. 389ff. Zur Diskussion um den Bericht siehe Pierre David,
Gregoire VII et Alphonse VI, in: Etudes historiques sur la Galice et le Portugal du VI"
au XU" siecle, Lissabon u. Paris 1947, S. 392 ff. Er hält den Bericht für eine Fälschung,
die in einem kastilischen oder navarresischen Kloster zur Zeit des Widerstandes gegen
die Einführung der neuen Liturgie entstanden ist. Mansilla Reoyo dagegen glaubt an
seine Echtheit: Demetrio Mansilla Reoyo, EI Reino de Castilla y el papado en
tiempos de Alfonso VI (1065-1109), in: Estudios sobre Alfonso VI y la reconquista
de Toledo, Actas deill Congreso Internacional de Estudios Mozarabes (Toledo, 20-26
mayo 1985), Toledo 1987, S. 40f.
36) Bronisch (Anm. 20) 335f.
37) Zacarias Garcfa Villada, Historiaec1eshlstica deEspafia, Bd. 2: La Iglesia
desde la invasi6n de los pueblos germanicos en 409 hasta la cafda de la monarqufa
visigoda en 711, Madrid 1932, S. 84ff. Noch 1960 glaubte Jose Orlandis an die Möglichkeit einer völligen Rekonstruktion der westgotischen Königssalbung durch die
Texte Julians von Toledo und des Zeremoniells von Cardeiia: Jose Orlandis Rovira, La iglesia visigoda y los problemas de la sucesi6n al trono en el siglo VII, in:
Le chiese nei regni dell'Europa occidentale e i loro rapporti con Roma sino al1'800,
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
47
cus sowie unter den Hymnen Texte erhalten, die zur Weihe des Königs
gesungen wurden und eine Ahnung über die Art des Rituals vermitteln38).
Das Antiphonar von Le6n wurde in seiner heutigen Form in der ersten
Hälfte des 10. Jahrhundert auf der Basis von Texten niedergeschrieben, die
etwa zur Zeit König Wambas entstanden sein dürften39). Im ,Officium in
ordinatione sive in natalicio regis' steht vermerkt, daß der Hymnus ,In Ordinatione regis', der unter den westgotischen Hymnen überliefert ist, zur
Königsweihe gesungen wurde. Doch fällt im Hymnus kein Wort zu den
Herrscherinsignien. Nur die Salbung wird erwähnt40). Der andere überlieferte Königshymnus Anni peracto circulo nennt ebenfalls keine Insignien,
auch nicht die Salbung, ist allerdings auch nicht im Text des Antiphonars
von Le6n verzeichnet. Er gehört zum Festtag des königlichen Geburtstages,
den die Westgoten nach dem Vorbild des byzantinischen Hofzeremoniells
begingen, und steht nicht im Zusammenhang mit der Salbung41 ).
Spoleto 1960, S. 350 Anm. 27. Der Text des Zeremoniells von Cardefia ist wiedergegeben bei Francico de Berganza, Antigüedades de Espafia propugnadas en las
noticias de sus reyes ... , 2 Bde., Madrid 1719-1721, Bd. 2, S. 681ff. Sanchez-AIbornoz (Anm. 21) 1177, 120Zf.: "Su origen ultrapirenaico es seguro. Constituye una
fiel reproducci6n deI ORDO AD REGEM BENEDICENDUM usado en las entronizaciones de los reyes francos, germanos y angIosajones."
38) LibAnt S. 450ff.; Justo Perez de UrbellAtilano Gonzalez Ruiz Zorilla (Hgg.), Liber Commicus, 2 Bde., Madrid 1950 u. 1955, Bd. 2 S. 535ff. (im
folgenden zitiert als LibCom); Hymnodia gotica, Nr. 193.
39) LibAnt S. XIII; Justo Perez de Urbel, Antifonario de Le6n, EI escritor y la
epoca, in: Archivos Leoneses 8 (1954) 115-144. Manuel Cecilio Diaz y Diaz,
Los pr6logos deI Antiphonale visigothicum, in: Archivos leoneses 8 (1954) 226-257,
datierte das Antiphonar in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts. Dem widersprach
Jose Vives Gatell, En torno a Ia dataci6n deI antifonario legionense, in: Hispania
Sacra 8 (1955) 117-124, der die Argumente der Diskussion um die Abfassungszeit des
Antiphonars zusammengefaßt und durch eigene Beiträge abrundet hat. Eine Vorlage
des in der heutigen Form überlieferten Antiphonars stammte nachweislich aus dem
Jahre 808. Siehe A. Cordoliani, Les textes et figures de comput de L'antiphonaire
de Leon, in: Archivos Leoneses 8 (1954) S. 286. Zur Datierung des Antiphonars ins
10. Jahrhundert aus kunsthistorischer Sicht siehe Maria BIena G6mez-Moreno,
Las miniaturas deI Antifonario de Ia Catedral de Le6n, in: Archivos Leoneses 8 (1954),
S. 312, 314f.
40) LibAnt S. 451 Z. 4. Hymnodia gotica, Nr. 193,2. Provehe regnumjidelis prin-
cipis ad gloriam, / Unguine sacro nitescat, sanctitate jloreat.
41) Hymnodia Gotica, Nr. 194, 1: Anni peracto circulo / Adest dies celebrior, / Natale nobis principis / Novans recursu temporis / Quo matris alvo proditus .,. Zur Übernahme byzantinischen Hofzeremoniells bei den Westgoten siehe Valverde Castro
(Anm.l) 139ff. Zur Rolle der Kirche innerhalb des Hofzeremoniells bei den Geburtstagsfeiem der byzantinischen Kaiser siehe Lud wi g B ie hI, Das liturgische Gebet für
48
Alexander Pierre Bronisch
Ausführlich verzeichnet sind im Antiphonar die Gesangstexte von Antiphonen ,ad vesperum', ,ad matutinum' und ,ad missa', die am Tage der Königssalbung gesungen wurden. In der Antiphon zur Vesper wird als einziges
Herrschaftszeichen der Königsthron genannt42). Zum zweiten Anlaß wird
keines der königlichen Herrschaftszeichen erwähnt. Doch der Abschnitt ,ad
missa' beginnt mit einem Hinweis auf die Salbung. Gleich darauf wird die
Krönung mit einer gemmenverzierten Krone erwähnt. Es folgt die Nennung
43
der königlichen Stola, erneut der goldenen Krone und des Diadems ), dann
wiederum ein Hinweis auf die Krönung und Salbung und schließlich im Opferteil erneut auf den Thron44).
Die uns überlieferten Texte des Antiphonars sind alle in Anlehnung an das
Alte Testament verfaßt. Die erste Erwähnung des Throns ist ein nahezu
wörtliches Zitat von Isaias 16,5. Auch die Worte posuiste in capite eius
Kaiser und Reich, Ein Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses von Kirche und Staat,
Paderbom 1937, S. 126f. Dfaz y Dfaz datiert den Hymnus in die leonesische Zeit.
Siehe seinen Diskussionsbeitrag zu Michel Gros, Les Wisigoths et les liturgies occidentales, in: L'Europe heritiere de l'Espagne wisigothique, hg. v. Jacques Fontaine u. Christine Pellistrandi, Madrid 1992, S. 405: " ... mais de point de vue
du contexte et de la metrique, du point de vue codicologique aussi - c' est a dire de la
transmission -, j' en vien ala conclusion que cet hymne est originaire de Leon." S. a.
ders., Index scriptorum latinorum medii aevi Hispanorum, Bd. 1, Salamanca 1958,
S. 94 Nr. 341. Hingegen datierte Perez de Urbel, Origen de los himnos mozarabes,
S. 234f. den Hymnus in die westgotische Zeit. Dort bemerkt er auch, daß sich unter
den Hymnen des Eugenius von Toledo einige befänden, die den Eindruck erweckten,
für den Geburtstag des Königs geschrieben worden zu sein. Man kann also angesichts
der spätantiken Wurzeln der Zelebration des Herrschergeburtstages zumindest westgotische Vorbilder für den Hymnus annehmen.
42) LibAnt S. 450: Haec dicit dominus preparabi tibi solium in misericordia et
sedebis super eum in veritate iudicans et querens iudicium et velociter reddens quod
iustum est.
43) Krone und Diadem werden im Mittelalter synonym gebraucht und können nicht
voneinander abgegrenzt werden. Viktor H. Elbern, Art. ,Krone', in: Lexikon des
Mittelalters, Bd. 5, München u. Zürich 1991, Sp. 1544. Vgl. Jäschke (Anm. 22) 573
u. Anm. 100-102.
44) LibAnt S. 451 f.: ANT. Unxit te dominus deus tuus. VR. Propter veri(tatem). Ant.
Prevenisti eum domine in benedictione dulcedenis posuisti in capite eius choronam de
lapide pretioso vitam petUt da domine in Zongitudine die rum. VR. Domine in vir(tute).
A. Processit princeps stoZam habens regalem et coronam auream et diadema et videntes eum populi laetati sunt etfactum est gaudium in omnem civitatem. (... ) AN. Viri
Iherusalem exite et videte principem cum coronam quia coronabit eum dominus ...
PS~M.' Inve~i Davit se,:,um meum oleo sancto unxi eum. ... Loquutus est dominus ad
prmclpem dlcens suscltabo tronum tuum sicut promisi tibi. (... ) rex dedit olocausta
coram deo (... ) et conjirmabo solium tuum in Israhel usque in eternum ...
Krönungsritus und Kronenbraueh im Westgotenreich
49
choronam de lapide pretioso sind ein fast wörtliches Zitat von Ps. 20, 4-5.
Die Nennung des königlichen Gewandes und der goldenen Krone erinnert
an Esther 8,1545 ). Der Verweis auf die Salbung ist ein exaktes Zitat
von Ps. 88,21-2246). Es folgen Ps. 20, 247 ), und Anspielungen auf 2 Sam.
7,13-16, 2 Par. 7,18,1 Par. 16, 1,3 Reg. 8,22-23,1 Par. 17, 12,22, Wund
Ps. 88. Der Hymnus Inclite rex magne regum, der zur Vesper gesungen
wurde, verwendet das Wort ,Krone' im übertragenen Sinne der hispanischen
Liturgie48 ).
Auch die Lesungen zur Messe der Königsweihe aus (Salomons) Buch der
Weisheit 9, 1-12, aus dem Römerbrief, 12, 1-8, und aus dem Lukasevangelium, 4, 14-22, geben keinen Hinweis auf die Insignien oder gar eine
eventuelle Krönung. Allerdings wird wiederum die Salbung durch eine
Stelle im Text des Lukasevangeliums hervorgehoben49).
Die Reste der Zeremonie der Königsweihe zeigen also das Bild einer
Kompilation alttestamentarischer Texte. Von daher ist es keinesfalls möglich, direkt auf die reale Ausgestaltung der Feierlichkeiten bei den Westgoten und ihren Nachfolgereichen zu schließen. Angesichts dessen, daß in
den westgotischen Quellen die Salbung als der eigentliche Weiheakt gilt und
der Thron, das Königsgewand und das Szepter als die entscheidenden Herrschaftszeichen genannt werden, wäre es falsch, aus den biblisch inspirierten
Worten videte principem cum coronam quia coronabit eum dominus auch
auf eine Krönung zu schließen. Der überlieferte Hymnus ist hierbei ein wertvolles Vergleichsstück. Er kennt nur die Salbung als Weiheakt und nennt die
Krone wie in allen anderen westgotischen Texten lediglich in übertragenem
Sinne. Weiterhin beinhalten die uns erhaltenen Fragmente der Königsweihe
keine Hinweise auf die Bedeutung des Thrones als väterliches Erbteil. Das
45) Est. 8,15: Mardochaeus autem de palatio, et de conspectu regis egrediens,Julgebat vestibus regiis, hyacinthinis videlicet et aeriis, coronam auream portans in
capite, et amictus serico pallio atque purpureo. Omnisque civitas exultavit, atque
laetata est.
46) Ps. 88,21-22: Inveni David, servum meum, IOelo sancto mev unxi eum.1 Manus enim mea auxiliabitur ei, lEt brachium meum confortabit eum.
47) Ps. 20,2: Domine, in virtute tua laetabitur rex, I Et super salutare tuum exsultabit vehementer.
48) Hymnodia gotica, Nr. 193,2: Provehe regnum fidelis I principis ad gloriam, I
Unguine sacro nitescat, I sanctitate floreat, I Fulgeat vitae corona, I polleat clementia. S.a. BiehI (Anm. 41) 117f. Zum übertragenen Bedeutung von ,corona' in der
Liturgie siehe unten im Kapitel ,Die Wortwahl in Konzilsakten, Liturgie und Gesetzestexten'.
49) LibCom S. 535 ff., S. 537: Spiritus Dominus super me: propter quod uncxit (sie)
me.
4
Zeitschrift fUr ReChtsgeschichte. CXVI. Genn. Abt.
wüw
50
Alexander Pierre Bronisch
Szepter, wichtiges Herrschaftszeichen der westgotischen und asturisch-Ieonesischen Könige, wird überhaupt nicht erwähnt.
Besonders fallt auf, daß das Königsgewand mit dem Begriff ,stola' bezeichnet wird. Natürlich ist hier nicht die geistliche Stola gemeint, die in
nichtspanischen Krönungsordines erst zu viel späterer Zeit als Teil des Herrscherornates erscheint. In den westgotischen Konzilstexten wird das, was
wir heute unter Stola verstehen, wie zunächst allgemein üblich orarium genannt und steht dort in keiner faßbaren Beziehung zum Herrscherornat50).
Die Bezeichnung ,stola' setzte sich erst seit dem 9. Jahrhundert von Gallien
her im übrigen Europa durch51 ). Die geistliche Stola als Teil des abendländischen Herrscherornats ist ohnehin erst ab dem 13. Jahrhundert nachweisbar2). Im Sprachgebrauch der hispanischen Liturgie ist stola zunächst einmal die Bezeichnung für ein Gewand, das meistens in einem übertragenen
Sinne von ,Heil' und, Vergebung' steht53) • In den vorliegenden Antiphonen
des Königsordos ist stola zweifellos der Name des alttestamentarischen Königsgewandes, das z.B. David bei der Überführung der Bundeslade nach
Jerusalem getragen hat54). Auch hier liegt eindeutig eine Anlehnung an den
Sprachgebrauch des Alten Testamentes vor. Gemeint war mit stola das
königliche indumentum, und nicht das geistliche orarium.
Die erhaltenen Stellen der Königsweihe deuten also darauf, daß die Königssalbung in Anlehnung an das alttestamentarische Vorbild vonstatten
ging. Der König wurde gesalbt, dann präsentierte er sich dem Volk und verrichtete möglicherweise eine öffentliche Opferhandlung am Altar. Darauf
deuten Anspielungen auf die Opferhandlungen Davids und Salomons55 ).
5~ 1. Konz. v. Braga (561) S. 73: ,De orario diaconi'; 4. Konz. v. Toledo (633)
S. 202f.: ut si episcopus fuerit recipiat coram altario de manu episcoporum orarium,
annulum et baculum,' S. 206: Oraria dua ne episeopo quidem lieere nec presbytero
uti. 3. Konz. v. Braga (675) S. 374f.: Kanon: ,Ne saeerdos sine orario missam audeat
eelebrare.' Vgl. Rafael Puertas Tricas, Iglesias hispanicas (siglos IV al VIII),
Testimonios literarios, Madrid 1975, darin: ,Lexico arqueol6gico de las iglesias',
S. 130: ,Orarium'.
51) Th. Bogler,Art. ,Stola', in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 9, Freiburg
21964, Sp. 1090.
52) Josef Deer, Byzanz und die Herrschaftszeichen des Abendlandes, in: Byzantinische Zeitschrift 50 (1957), S. 416f.
53) LibOrd Sp. 39 Anm. 2: suscipiat repromissionis stolam. Sp. 230 Anm. 1: Redde
mici, Domine, stolam inmortalitatis. S. a. Sp. 98, 136,271. Vgl. die Fundstellen im
Index von Marius Ferotin (Hg.): Le Liber mozarabicus Sacramentorum et les
m~~uscrits mozarabes, Paris 1912 (im folgenden als LibSacr zitiert), Sp. 1087: ,stola'.
) 1 Par 15,27: Porro David erat indutus stola byssina.
55) LibAnt S. 452: rex dedit oloeausta coram deo . ... Alleluia stetit rex coram altare
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
51
Auf eine Krönungszeremonie kann man jedoch aufgrund der erhaltenen
Texte nicht schließen.
Die Deutung der Stola als prachtvolles Königsgewand zeigt vor allem
eines: die Übernahme von Texten aus dem Alten Testament bedeutete keineswegs auch die sklavische Übernahme aller in diesen Texten genannten
Elemente. Es genügte auch ein allegorischer Sinngehalt, der die Zusammenhänge verstehen ließ. Dies könnte auch im Falle der im Alten Testament
genannten goldenen Gemmenkrone geschehen sein. Die Worte der Antiphon
Processit princeps stolam habens regalem et coronam auream et diadema 56 )
kennzeichnen das Gewand als königliches Herrschaftszeichen und erwähnen eine goldene Krone. Doch die muß der westgotische König nicht unbedingt getragen haben; es hätte genügt, wenn er eine Kopfbedeckung
besessen hätte, die liturgisch als Krone im weitesten Sinne zu begreifen gewesen wäre57).
3. Ein Hinweis bei Isidor von Sevilla?
Das wichtigste Indiz auf eine mögliche Krönung der westgotischen
Könige findet sich in der Gotengeschichte des Isidor von Sevilla. Zur Kennzeichnung der Nachfolge Rekkareds nach dem Tode Leovigilds bedient er
sich der Formulierung regno est coronatus58 ). Der eigentliche Herrschaftsantritt hatte wenigstens teilweise schon zuvor mit der Assoziation Rekkareds und seines Bruders Hermengild auf den väterlichen Thron stattdomini in conspectu universe multitudinis Israel manus autem suas elebans ad celos
et exorans dominum dixit non est similis tibi deus in caelo et in terra. Vgl. 3 Reg.
8,22-23: Stetit autem Salomon ante altaris Domini in conspectu ecclesiae Israel, et
expandit manus suas in caelum, et ait: Domine Deus Israel, non est similis tui Deus
in caelo desuper, et super terramdeorsum. 1 Par. 16,1-2: etobtulerunt holocausta, et
pacifica coram Deo. Cumque complesset David offerens holocausta, et pacifica, benedixit populo in nomine Domini. Möglicherweise war auch der Eid des Königs, den
Glauben und die Kirche zu schützen und gerecht zu regieren, und der Treueeid der
Untertanen mit der Zeremonie der Salbung verbunden. Siehe Valverde Castro
(Anm. 1) 146f. u. Jose Orlandis Rovira, HistoriadeEspafia. La Espafia visig6tica,
Madrid 1977, S. 212. Zum Eid siehe Abilio Barbero de Aguilera/Marcelo Vigil Pascual, La formaci6n deI feudalismo en la Peninsula Iberica, Barcelona 51991,
S. 170ff. u. Dietrich Claude, Königs- und Untertaneneid im Westgotenreich, in:
Historische Forschungen für Walter Schlesinger, hg. v. Helmut Beumann, Köln u.
Wien 1974, S. 358-378.
56) LibAnt S. 452.
57) Diese ,Kopfbedeckung' könnte beispielsweise eine Herrschertiara gewesen
sein. Siehe hierzu Bronisch, Die iberische Herrschertiara, in: Frühmittelalterliche
StUdien 33 (1999) (in Druck).
58) HistIsid 52: 3 f.: Recaredus regno est coronatus.
4*
52
Alexander Pierre Bronisch
gefunden. Dies berichtet Johannes von Biclaro, der im übrigen die Regierungsübemahme Rekkareds mit den Worten regni eius sumit sceptra beschreibt59).
Wie also ist coronatus hier zu verstehen? Eine Vergleichs stelle in Isidors
Gotengeschichte legt als Übersetzung ,auszeichnen' nahe. Wie Christen
durch das Martyrium, so wurde Rekkared durch seine Frömmigkeit mit der
Herrschaft ausgezeichnet60). Schließlich hatte Rekkared die Goten vom
Arianismus zur Rechtgläubigkeit bekehrt und damit einen besonderen, geradezu heilsgeschichtlichen Platz eingenommen. Der Bericht über Rekkared trägt bei Isidor einen deutlich panegyrischen Charakter6 1).
Auch in anderen Zusammenhängen bediente sich Isidor des Wortes
,corona', dessen eigentlichen Sinngehalt er durchaus kennt62 ), in einer übertragenen Bedeutung. So nennt er in seinen ,De ecclesiasticis ojJiciis' den
Haarkranz der Tonsur als ,corona circuli' ein Symbol der Priesterschaft und
des himmlischen Königreiches 63 ). Ansonsten verwendet Isidor ausschließlich andere, häufig variierende Ausdrücke zur Bezeichnung des Herrschaftsantritts, wie suscepit sceptra regni oder apicem fastigii regalis
conscendifA). Offensichtlich ist Isidor aus stilistischen Gründen um Ab59) ChrBic1 a. 573 Z. 95 f.: Hermenegildum et Reccaredum consortes Regni facit.
a. 586 Z. 277 : Reccaredus cum tranquilitate regni eius sumit sceptra.
60) HistIsid (kurze Version) 6: 7-10: ex quibus plerique, quia idolis immolare non
adquieverunt, martyrio coronati sunt. In diesem Sinne auch Reydellet (Anm. 5)
538f.: ,,martyrio est, sans conteste, un ablatif de moyen. Reccarede, de mSme, a done
ete eouronne de la royaute et non po ur exercer la royaute."
61) Reydellet (Anm. 5) 534ff.
62) Isidor von Sevilla: ,De ecclesiasticis officiis' (PL 83), Lib. II, IV, 4 Sp. 780:
Corona autem latitudo aurei est circuli, quae regum capita cingit. V gl. Etym XIX, 30,
1-2.
63) Isidor von Sevilla: ,De ecclesiasticis officiis' (PL 83), Lib. II, IV, 4 Sp. 780:
Quod vero, detonso superius capite, inferius circuli corona relinquitur, sacerdotium
regnumque in eis existimojigurari. Siehe zu diesem Komplex Reydellet (Anm. 5)
537, der auch weiter Beispiele für Isidors übertragenen Gebrauch von ,Krone' anführt:
in: ,Allegoriae quaedam scripturae sacrae' (PL 83), Sp. 129, u. in: ,De Ortu et obitu
patrum' (PL 83), 64 Sp. 148 u. 68 Sp. 149. Peter Classen, Corona Imperii, Die
Krone als Inbegriff des römisch-deutschen Reiches im 12. Jahrhundert, in: Festschrift
für Percy Ernst Schramm zu seinem siebzigsten Geburtstag von Schülern und Freunden zugeeignet, hg. v. Peter Classen u. Peter Scheibert, Wiesbaden 1964, Bd. 1
S. 91, spricht vom "metonymischen Gebrauch des Wortes corona".
64) Einige Beispiele aus HistIsid 6: 2-4: primus Gothorum gentis administrationem suscepit Athanaricus; 12: 3 f. : Alaricum regem sibi constituunt; 23: 3 f.: Theuderidus succedit in regnum; 20: 3f.: Sigericus princeps electus est,. 30: 2-4: Turismundus filius Theuderedi provehitur ad regnum; 41 : 3 f. : Theudis in Spania creatur in
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
53
wechslung im Ausdruck bemüht. Eine Formulierung, die auf die tatsächliche
Übergabe einer Krone schließen ließe, etwa ,coronam regni suscepit', wird
von ihm nirgends verwandt65 ). Claudio Sanchez-Albornoz hatte noch
auf der Bedeutung von ,coronare' im Sinne von ,krönen' aufgrund eines
Analogieschlusses mit Stellen im Antiphonar von Lean und in der ,Exortatio ad principem' bestanden, die im Codex von Albelda aus dem Jahre 976
überliefert ist und die er mit Marius Ferotin bzw. Enrique Flarez in
das 7. Jahrhundert datierte66 ). Doch hat neuere Forschung ergeben, daß diese
spanische, Via regia' eine verkürzte Fassung von Smaragds Fürstenspiegel
darstellt67 ).
regnum; 45 : 3: Agila rex constituitur; (kurze Version) 48 : 3: Liuva Narbonnae regno
praeficitur,. 49 : 2-4: Leuvigildus adepto Spaniae et Galliae principatu; (kurze Version) 57: 2f. : filius eius Liuva regni suscepit sceptra; bzw. in der langen Version der
Chronik: post Recaredum regem regnat Liuva filius eius,. (kurze Version) 59: 1 f. :
Gundemarus post Wittericum princeps efficitur; 60: 21: Sisebutus post Gundemarum
regali fastigio evocatur; 62; 2f.: Svinthila gratia divina regni suscepit sceptra;
62: 7f.: Postquam vero apicemfastigii regalisconscendit; 65 : 3: cumpatri solio conlaetatur. S. a. in Isidors ,Sentenzen' : Sancti Isidori Hispalensis epsicopi Sententiarum
libri tres (PL 83), folgende Wendungen zur Kennzeichnung der Königsherrschaft: m,
XLVIll, 8: ad culmen potestas venerint; m, XLIX, 2: Qui recte utitur regni potestate
formam; regni fastigio humili praesidet animo,. m, LI, 3: et quamvis culmine regni
sunt praediti.
65) Schon Mare Bloch, Les rois thaumaturges, Etudes sur le caractere surnaturel
attribue ala puissance royale particulierement en France et en Angleterre, Straßburg
1924, S. 461 f., war der Ansicht, daß die "Krönung" Rekkareds im metaphorischen
Sinne verstanden werden müsse. Daß die westgotischen Könige trotzdem zu bestimmten Gelegenheiten Kronen getragen haben, schließt er dabei mit Berufung auf
Felix Dahn nicht aus. Dieser nahm wegen der Krone des Rebellen Paulus, Abbildungen auf Münzen und dem Schatzfund von Guarrazar einen gotischen Kronenbrauch
an. Felix Dahn, Die Könige der Germanen, Das Wesen des ältesten Königthums der
germanischen Stämme und seine Geschichte bis zur Auflösung des karolingischen
Reiches, 2. erweit. Aufl., Leipzig 1885, Bd. 6 S. 53lf. Gegen Blochs Interpretation
wendet sich A biEo B arbero de Aguilera, EI pensamiento politico visigodo y las
primeras unciones regias en la Europa medieval, in: Hispania 30 (1970), S. 317. Eine
Münze aus der Zeit Leovigilds, die den König mit einer byzantinischen Krone zeigt,
und, etwas vage, die Hinweise in den Quellen sind ihm hierfür Beweis genug.
Sehüeking (Anm. 21) 73f., glaubt nicht an eine Krönung Rekkareds, da auch in der
Historia Julians von Toledo keine Krönung, sondern nur die Salbung erwähnt wird.
66) Sanchez-Albornoz (Anm. 21) 1178. Ferotin (Anm.l0) 502, bzw. Fl6rez,
Espafia sagrada, Bd. 6, Madrid 21773, S. 37.
67) Hans Hubert Anton, Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit, Bonn 1968, S.135, 168ff.; Otto Eberhardt, Viaregia,DerFürstenspiegeISmaragds von St. Mihiel und seine literarische Gattung, München 1977, S. 127ff. Diese
Via regia ist wiedergegeben in: Colleetio maxima coneiliorum omnium Hispaniae,
1115' _
54
Alexander Pierre Bronisch
4. Formulierungen in mozarabischen Chroniken:
Bezeichnend ist die Wortwahl der beiden ersten lateinischen Chroniken, die nach dem Zusammenbruch des Westgotenreiches (711) Mitte des
8. Jahrhunderts im muslimischen Spanien entstanden sind. Während der
Regierungsbeginn der arabischen Kalifen in der Regel mit wechselnden
68
neutralen Wendungen oder mit der Thronbesteigung umschrieben wird ),
wird der Herrschaftsantritt der byzantinischen Kaiser in der 754 entstandenen ,Chronica byzantina-arabica' häufig, in der ,Chronica muzarabica'
von 741 stets mit den Worten imperio coronatur bezeichnet69). Es ist
denkbar, daß hier die wörtliche Übersetzung einer griechischen Formel ins
Lateinische vorliegeO). Dubler hat nachgewiesen, daß der Chronist von
741 seine Informationen vor allem aus griechischen und syrischen Vorlagen bezogen hat7l ). Für den Regierungsantritt der gotischen Könige hinBd. 1, hg. v. Jose Saenz de Aguirre, Rom 1693, S. 232-234, bzw. in: Collectio
conciliorum Hispaniae, hg. v. G. Loaisa, Madrid 1593, S. XXXIv-xXXIX.
68) Chr 74113 Z. 2,17 Z. 4f., 19 Z. 2f., 23 Z. lf., 27: lf., 28 Z. 1,29 Z. 3, 31 Z.2,
34 Z. 1,38 Z. 1f., 41 Z. 1,43 Z. 2f. Einmal ist auch im muslimischen Zusammenhang
vom Reichsszepter die Rede. Innerhalb des Satzgefüges wirkt diese Formulierung aber
wie ein Versehen, 36 Z. 1f. : Sarracenorum Rutit sceptra regni ... succedit in regnum,.
Chr 754 10: Abubaccar ... succedit in solio. 21: Attuman ... administrationem susCtpit. 28 Z. 1f.: Moabia precesoris sortitus est sedem. 87 Z. 2f. : Emir Almuminim .. , a
cunctis sublevatur in solio. Vgl. auch 12 Z. 3, 34 Z. 2, 40 Z. 2,50 Z. 2, 51 Z. 2,58
Z. 3, 61 Z. 2, 67 Z. 2, 72 Z. 1,76 Z. 2, 84 Z. 2, 88 Z. 9f. u. 21 f., 94 Z. 5. Nur zweimal
beim Kalifen al-Walid wird der Ausdruck ,sceptra regni' verwandt; 51 Z. 1,52 Z. 2.
Der Chronist setzt Kenntnisse über die Thronfolge bei den Sarazenen nicht voraus und
erläutert, daß bei ihnen der Nachfolger noch zu Lebzeiten seines Vorgängers von diesem mit allen königlichen Privilegien ausgestattet wird, um Wirren bei seinem Tod zU
vermeiden (ibid. Kap. 73).
69) Chr 741 4 Z. lf., 7 Z. lf., 20 Z. lf., 22 Z. lf., 25 Z. 3f., 30 Z. 1, 33 Z. 1, 35
Z. lf., 37, 39, Z. 3. Viermal wird die Herrscherinvestitur mit ,coronatur' umschrieben: 6 Z. 1,26 Z. 2, 32 Z. 2,37 Z. 3. Chr 7541 Z. 1,20 Z. 1f., 24 Z. lf., 30 Z. lf.,
39 Z. lf., 42 Z. 2f., 46 Z. lf., 63 Z. lf., 66 Z. lf., 71 Z. lf., 89 Z. 2f. u. 4f. Einzige
Ausnahme ist hier der Satz Leo imperii, ut diximus, suscepit sceptra (72 Z. 4f.), nachdem im vorangehenden Abschnitt schon von der Krönung des Kaisers in der üblichen
Weise berichtet worden war.
70) J ose Eduardo L6pez Pereira, Estudio critico sobre la Cr6nica Mozarabe
de 754, Zaragoza 1980, S. 95f., 111 f. "EI cliche es siempre e1 mismo, y su empleo se
hace mas significativo por la falta de antecedentes en nuestra historiografla" (ibid.
S. 95). L6pez Perreira versucht diese Formel damit zu erklären daß sie die lateinische
Übersetzung des griechischen 7:cf! n(}a7:EL oucpavov7:at sei. Na~hrichten über Byzanz
und die arabischen Kalifen habe die Mozarabische Chronik über lateinische syrischnordafrikanische Quellen bezogen (ibid. S. 95ff., 115ff.).
71) Cesar E. Dubler, Sobre 1a cr6nica arabigo-bizantina de 741 y la infiuencia
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
55
gegen wird in der Chronik von 754 keine spezifische Wendung verwandt.
Diese Unterscheidung ist nicht belanglos. Insofern die Formel für die Inthronisation in Byzanz suggeriert, daß der entscheidende Akt der Investitur
der byzantinischen Kaiser die Krönung war, müßte man aus der der unterschiedlichen Wortwahl für die gotische Investitur schließen, daß es nach
Ansicht des Chronisten hier entweder keine spezifische Zeremonie der
Machtübergabe gab, oder daß er den Herrschaftsantritt durch eine Reihe von
Akten markiert sah, die sich schließlich in der Vielfalt der von ihm hierfür
gewählten Formulierungen niedergeschlagen haben. Wie Isidor von Sevilla
variiert der Autor der Chronik die verschiedenen Möglichkeiten des
Ausdrucks. Dabei überwiegt allerdings neben allgemeinen Wendungen die
Formel, in welcher der Thron des Reiches als Sinnbild für die Herrschaft
gewählt wird72 ). Ein einziges Mal, im Falle Ervigs, wird eine Königsweihe
angedeuteC3). Auf die Königswahlläßt sich nur durch eine indirekte Formulierung schließen74). Indizien für einen Krönungs- oder Kronenbrauch
bei den Westgoten sucht man jedoch vergebens.
bizantina en la Peninsula Ib6rica, in: AI-Andalus 11 (1946), S. 326ff. und Tafel
S.332.
72) Im Zentrum des Interesses der Chr 741 steht die Geschichte im Spannungsverhältnis zwischen den Sarazenen und Byzanz. Gotische Ereignisse werden nicht berichtet, und die eingestreuten Daten gotischer Könige von Rekkared I. bis Svinthila,
wobei Rekkared rr. nicht erwähnt wird, dienen lediglich einer weiteren zeitlichen Einordnung der Geschehnisse. Siehe Chr 7412 Z. 2, 5 Z. 2,9 Z. 1. Nur in einem Fall wird
auf das Reichszepter verwiesen, 14 Z. 1 f.: Svinthila in regno Gothorum digna gubernacula suscepit sceptra. Chr 754 13: Sisebutus .. , Iberiam ... tetentat. 15 Z. 11:
Reccharedo ... succedente in solio. 16: Svintila ... gubernacula in regno Gothorum
suscepit sceptra. 17: Sisenandus ... regali locatus est solio. 19: Tulgas ... regno suscepto principat a. JI. 22: Chindasvintus per tirannidem regnum Gothorum invasum
Yberie triumphabiliter principat. 25: Chindas Reccesvintum ... fllium suum regno
Gothorum proponit. 41 Z. 2f.: Egika .. , primum et summum obtinet principatum. 44
Z. 4: (Witiza) patris succedens in solio. 52 Z. 2f.: Rudericus tumultuose regnum
ortante senatu invadit. S. a. Dubler (Anm. 71) 333. Vgl. Ana Moure Casas, En
torno a la fuentes de la Cr6nica Mozarabe, in: Humanitas, In honorem Antonio Fontan,
Madrid 1992, S. 359f.
73) Chr 754 37: Gothorum Ervigius consecratur in regno.
74) Chr 754 18 Z. 1-3: Cintila ... Gothis preficitur. 35 Z. 1: Vvamba Gothis prefectus regnat. L6pez Pereira übersetzt: "Ios godos eligen a Chintila" bzw. "Wamba
elegido rey de los Godos gobierna" (Ders., Cr6nica mozarabe, S. 37 u. 53). Vgl. 91
Z. 2-4: Toaba (ein muslimischer Gouverneur; Bro.) in Hispaniis ... a cunctis ...
preficitur. Ibid. Z. 5 -7: Iuzzif ... adclamatur in regno. Die geläufigere Wendung mit
,eligere' findet sich nur einmal 84 Z. 1-3: Abdebnelic vero consensu omnium ...
56
Alexander Pierre Bronisch
5. Die angebliche Selbstkrönung König Rodrigos:
Eine Stelle in der arabischen Chronik des Ibn al-Qutiyya aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts steht allerdings dem ersten Anschein nach
im scharfen Gegensatz zu den bisherigen Ergebnissen. Als Kompilation
älterer mündlicher, möglicherweise auch schriftlicher Überlieferungen wird
dieser Chronik ein verhältnismäßig hoher Quellenwert zugemessen75 ).
Bei Ibn al-Qo.tiyya scheint die Praxis der westgotischen Königskrönung
belegt. Inden Übersetzungen von Julian Ribera undJames M. Nichols
heißt es, Rodrigo habe sich zur Mißbilligung der Christen selbst gekrönt,
nachdem er zur Königsherrschaft gelangt war76). Hier scheint unmißverständlich ausgedrückt, daß es bei den Westgoten im Zusammenhang mit der
Inthronisation eine Krönungszeremonie gegeben hat. Die Selbstkrönung
Rodrigos hat nach der Lesart Riberas und Nichols gegen Regeln dieser
Zeremonie verstoßen und wurde deshalb vom Volk abgelehnt. Darüber hinaus könnte man diese Stelle als Hinweis darauf deuten, daß Rodrigo usurpatorisch an die Macht gekommen war.
Prof. Christoph Correll von der sprachwissenschaftlichen Fachgruppe der Universität Konstanz hat sich auf meine Bitte hin den arabischen
Text dieser Stelle bei Ribera und Nichols genauer angesehen. Er hält die
vorliegenden Übersetzungen für vom Originaltext auf unzulässige Weise
abweichende Interpretationen. Das Verbum des Satzes habe die allgemeine
eligitur Arabum in regno. Dagegen wird ,praeficere' häufig in der Chr 741 verwandt,
2 Z. H.: Liuva ... Gothis praeficitur ... in regno. 5 Z. H.: Gundemarus '" in regno
praeficitur. 9 Z. 1: Sisebutus in Gothis regali fastigio evoe,atur.
75) Zur Chronik des Ibn al-Qutiyya siehe die knappe Darstellung des Forschungsstandes bei Bettina Münzel, Feinde, Nachbarn Bündnispartner, "Themen und
Formen" der Darstellung christlich-muslimischer Begegnungen in ausgewählten
historiographischen Quellen des islamischen Spanien, Münster 1995, S. 21 ff., und ergänzend Mafia Isabel Fierro, La obra hist6rica de Ibn Al-Qutiyya, in: AI-Qantara
10 (1989) 485-512.
76) Historia de la conquista de Espana de Abena1cotia el Cordobes seguida de fragmentos hist6ricos de Abenoctaiba, etc., hg. u. übers. ins Spanische von Julilin Ribera, Madrid 1926, S. 5: ,Alllegar a manos de Rodrigo la autoridad real, se ciii6 por
si mismo la corona, hecho que el pueblo cristiano no aprobO.' James Mansfield
Ni c hol s, The History of the Conquest of al-Andalus by Ibn al-Qfiitlya the Cordovan:
Translation and Study (Phi!. Diss. masch.-schriftl), The University ofNorth Carolina
at Chapel Hill1946, S. 15: When it fell to Roderick to govern he donned the crown,
and the Christians disapproved ofit. Besonders frei übersetzt M. A. Cherbonneau,
Histoire de la conquete de 1'Espagne par les musulmans, traduite de la chronique d'lbn
el-Kouthya, in: Journal asiatique se sero 8 (1856) S. 434 f.: Or Rodrigue avait souleve
contre sa personne le mecontentement des chretiens, d'abord en osant mettre la
couronne de Witiza (sie !) sur son front ...
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
57
Bedeutung von stellenisetzenllegenJmachen, vergleichbar dem lateinischen
ponere, und sei in der arabischen Form transitiv-aktiv oder auch passivisch
aufzufassen. Er übersetzt deshalb: Als das Reich dem Rodrigo zukam, setzte,
stellte etc. er die Krone, bzw. in der passiven Form: ... wurde die Krone gesetzt etc.; da fand die Christenheit das befremdlich77 ). Da Ribera und
Nichols die Existenz von Königskronen und ihre konstitutive Bedeutung als
selbstverständlich voraussetzten, interpretierten sie und mit ihnen B ettina
MünzeF8) den arabischen Text als eine geläufige Wendung zur Umschreibung eines Herrschaftsantritls bzw. einer Usurpation.
Freilich bleibt die Bedeutung dieser Stelle auch in der Übersetzung Corrells zunächst dunkel. Klarer wird das Bild, wenn man den Kontext beachtet, in den der Bericht von der Krone Rodrigos eingebettet ist. Es ist die in
verschiedenen Varianten überlieferte Legende vom verschlossenen Haus in
Toledo, das nur beim Tod eines Königs geöffnet wurde. Ibn al-Qutiyya bietet nur eine kurze Version der Legende: Rodrigo läßt gegen den Widerstand
des Volkes das Haus öffnen und findet darin die Darstellung arabischer Krieger mit der Inschrift, diese würden das Land erobern, wenn das Haus einst
geöffnet werde79). In den Berichten über die Eroberung Spaniens des
Pseudo-Ibn Qutayba ist die Legende in zweierlei Form überliefert: als
Erzählung von der unerlaubten Öffnung durch Rodrigo und als Bericht über
die reichen Schätze, die den Eroberern in Toledo in die Hände fielen. In der
Erzählung von der Öffnung heißt es, das Haus sei mit vierundzwanzig Riegeln verschlossen gewesen. Jeder König habe dem Vorbild seines Vorgängers folgend jeweils einen weiteren Riegel anbringen lassen80). Der Bericht
von der Kriegsbeute der Muslime erwähnt die Auffindung von 24 goldenen
Kronen in einem ,Haus der Könige' genannten Palast. Jede der Kronen sei
mit den Namen und Lebensdaten eines Königs versehen gewesen, denn es
sei bei den Gotenkönigen üblich gewesen, nach ihrem Tod die Krone, die sie
getragen hatten, in diesem Haus niederzulegen81 ). Beide Varianten sind in
jeweils leicht voneinander abweichenden Versionen - beispielsweise
77) Die Umschrift des Satzes nach Correll:Ja-lamma sara l-mulku 'ila Lfidartq
ga'ala t-taga (pass. gu'ilu t-tagu)Ja-'ankarat dfUika n-nasraniyya.
78) Münzel (Anm. 75) 50, 52f.
79) Abenalcotfa: Historia de la conquista de Espaiia, S. 5.
80) Narraci6n de la conquista de Espaiia tomada dellibro "Alimamato ua as-siasato"
des Abencotaiba (Pseudo-Ibn Qutayba), hg. u. übers. v. Ribera, Historia de la conquista de Espaiia (Anm. 76), S. 112f. Siehe auch Fatho-L-Andalu.,:i, Historia de la
conquista de Espaiia, C6dice arabigo de siglo XII, hg. u. übers. v. J oaquin de Gonzalez, Algier 1889, S. 3.
81) Ibid. S. 109.
!
iI
I
I
I
58
Alexander Pierre Bronisch
schwankt die Zahl der Kronen zwischen 24 und 25 - von verschiedenen arabischen Quellen überliefert82).
Nach Auffassung der Experten sind in die Legende vom verschlossenen
Haus auch orientalische Motive eingeflossen83 ). Heute ist es kaum noch
möglich, christliche und muslimische Elemente sauber voneinander zu
scheiden. Doch gibt es begründete Hypothesen zum historischen Kern dieser Legende. Juan Menendez Pidal interpretierte die verschiedenen
muslimische Legenden über den letzten Gotenkönig, die er mit den Berichten über die Kronen in Beziehung bringt, dahingehend, daß es in Toledo
beim Königspalast eine Kirche gegeben habe, die als königliche Grablege
fungierte und in der die Schätze aufbewahrt wurden, die das Erstaunen der
arabischen Eroberer hervorriefen. In dieser Kirche seien die immer wieder
erwähnten Kronen als Weihegaben nach dem Tode des Herrschers aufgehängt worden84). Allerdings dürften dort nicht nur Könige, sondern auch
Mitglieder der königlichen Familie bestattet worden sein, denn bei 24 bzw.
25 Herrschern wäre dieser Brauch bis weit in die Zeit vor der Entstehung
des Reiches von Toledo zurückzuführen. Sollte Menendez Pidals Hypothese
zutreffen, deutet der Bericht bei Ibn al-Qutiyya darauf, daß Rodrigo die
Grablege der Westgotenkönige hatte öffnen lassen, um dort eine Votivkrone
zu stiften. Wenn es sich um einen Akt handelte, der üblicherweise nur nach
dem Ableben eines Königs vollzogen wurde, könnte dies das Befremden des
Volkes ausgelöst haben.
82) Melchor M. Antufia, Notas de Ibn AbI Riqä' de las lecciones de Ibn Habib
acerca de la conquista de Espafia por los arabes, hg. mit einem Vorwort v. Ciaudio
Sanchez-AIbornoz, in: Cuadernos de Historiade Espafia 1-2 (1944) S. 256f.; Ibn
el-Athir, Annales du Maghreb et de l'Espagne, übers. ins Franz. v. E dm 0 n d Fa g n an,
Algier 1898, S. 50; The History of the Mohammedan Dynasties in Spain; extracted
from the nafhu-t-tfb min ghosni-l-andalusi-r-rattfb wa tarfkh lisanu-d-dfn ibni-l-khattfb by Ahmed Ibn Mohammed Al-Makkari, a native of Telemsan, übers. ins. Engl. v.
Pascuai de Gayangos,Bd.l S. 26lf., 282f.,AppendixD (=eine Version derChronik des Pseudo-Ibn Qutayba) S. XLIIIf., XLVIII u. LXXIIf.; Ibn 'Idari, Histoire de
l' Afrique et de I'Espagne intitulee Al-Bayano'l-Mogrib, übers. ins Französische v.
Edmond Fagnan, Bd. 2,AIgier 1904, S. 4; Ibn al- Kardabus, Historia deal-Andalus
(Kitäb al-Iktifä'), Estudio, traducci6n y notas porFelipe Maillo Salgado, Madrid
21993, S. 53 f., 64. Zu weiteren arabischen Quellen, in denen diese Legende überliefert
ist, siehe Rene Basset, Legendes arabes d'Espagne: la maisonfermee deTolede, in:
Bulletin de la Societe de Geographie et d' ArcMoIogie de la Province d' Oran 20 (1898)
42-58.
83) Münzel (Anm. 75) 51 u. Anm. 56.
84) .Juan ~enendez Pidal, Leyendas deI ultimo rey godo (notas e investigaci6nes), m: Revlsta de archivos, bibliotecas y museos 5 (1901) S. 871 f.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
59
Ren e Ba s set deutete die Legende so, daß Rodrigo Geld für den Kampf
gegen die Partei der Witizaner brauchte, welche die Legitimität seiner Herrschaft nicht anerkannten. Er habe deshalb gegen den Widerstand des Klerus
einen toledanischen Kirchenschatz geplündert85 ).
Bleiben die Hintergründe insgesamt auch dunkel, so liegt ein Ergebnis
doch auf der Hand: Die erwähnte Krone des Rodrigo gehört zur Legende
vom verschlossenen Haus in Toledo und ist nicht als Hinweis auf die Krönung des Königs zu verstehen. Das Befremden der Christenheit gegenüber
der Tat Rodrigos meint somit auch nicht die Ablehnung der usurpierten
Herrschaft Rodrigos oder der selbstherrlichen Annahme des Königsinsigne.
Bei dieser Deutung löst sich auch der bislang unerklärliche Gegensatz zur
Aussage der Chronik Ajbar Mayma'a, die trotz ihrer "anti-Roderich-Sicht"
berichtet, das Volk habe die Wahl Rodrigos als eines entschlossenen und beherzten Mannes gut geheißen86 ).
IU. Zur Frage westgotischer Königskronen
1. Die Votivkronen von Guarrazar:
Von einem anderen Ansatz ausgehend hat auch Brühl die These vertreten, es habe keine Krönung bei den Westgoten gegeben. Er erläutert, Kronen hätten bis ins HochmittelaIter nicht nur keinen "quasi sakramentalen
Charakter" gehabt, wie Ernst Kantorowicz ab der ottonisch-salischen
Zeit angenommen hatte87 ), sondern auch keinen konstitutiven Charakter und
seien deshalb nicht wie in späteren Jahrhunderten als Inbegriff von Herrschaft und Reich verstanden worden. Auch die fränkischen Königssalbungen habe man ursprünglich ähnlich den westgotischen ohne Krönung
vollzogen88 ). Doch die Tatsache, daß eine Krone fester Bestandteil des
Kaiserornats gewesen sei und Purpur und Krone auch zur konsularischen
85)
Basset (Anm. 82) 56.
86) Ajbar Machmua (Colecci6n de tradiciones), Cr6nica an6nima deI siglo X, dada
a luz por primera vez, traducida y anotada por D. Emilio Lafuente y Alcantara,
Madrid 1867, S. 19. Vgl. Münzel (Anm. 75) 50 u. Anm. 53. Auch die Opposition gegen die Öffnung des Hauses durch Rodrigo überinterpretiert Münzel als Hinweis auf
seine llIegitimität. Natürlich soll nicht in Abrede gestellt werden, daß bei Ibn alQfitiyya klar zum Ausdruck gebracht wird, daß die Witiza-Söhne die Herrschaft
Rodrigos nicht anerkannten. Wie auch in der Chronik Ajblir Maymfi'a erwähnt, war
Rodrigo wohl nicht von königlicher Abkunft. Von einer Thronusurpation ist jedoch
nicht die Rede.
87) Brühl (Anm. 21) 4f.; Ernst H. Kantorowicz, Laudes Regiae: A Study in
Liturgical Acclamations and Medieval Ruler Worship, Berkeley-Los Angeles 21958,
S.94.
88) Brühl (Anm. 21) 22ff.
60
Alexander Pierre Bronisch
Amtstracht gehört hätten, sei Grund genug für die Annahme, daß auch die
Germanenkönige Kronen als festen Bestandteil des Herrscherornates besaßen89). Den Gebrauch von Königskronen sieht er bei den germanischen
Völkern für erwiesen90). Hinsichtlich den Westgoten stützt sich Brühl bei
dieser Annahme auf dieselben Argumente, die auch den Verfechtern einer
Krönung bei den Westgoten dienen, vor allem aber auf die Votivkronen des
Mitte des 19. Jahrhunderts westlich von Toledo gefundenen Schatzes von
Guarrazar9 1).
Zwei dieser Kronen wurden von den westgotischen Königen Svinthila
(621-631) und Rekkesvinth (649-672) gestiftet. Die Annahme liegt deshalb nahe, sie seien ursprünglich getragene Kronen gewesen, die erst später
zu Weihegaben umgeformt worden waren. Doch handelt es sich bei diesen
westgotischen Kronen wenigstens zum Teil um "Kunstkronen" , da sie
"durch Größe und Form ungeeignet sind, um aufgesetzt zu werden"92). Liturgisch scheint ihnen sogar geringere Bedeutung zugemessen worden zu
/
89) Ibid. S. 19ff. So erklärt Brühl den profanen Brauch des "Unter-der-Krone-Gehens" als Relikt eines ursprünglichen Tragens der Krone im Herrscherornat (ibid.
S. 21). Beispiele rur Kronen als Teil des byzantinischen Herrscherornates bei J ä s c hk e
(Anm. 22) 571ff.
90) Brühl (Anm. 21) 20. Einige Beispiele für fruhmittelalterliches Kronentragen
hat Jäschke (Anm. 22) 563ff. zusammengetragen. Doch differenziert er dahingehend, daß selbst die frühen Karolinger Kronen "nicht zur Legitimation ihrer
Herrschaft, sondern lediglich zur Vervollständigung ihres königlichen Aussehens
benötigten". Erst Karl der Große habe das kaiserliche Diadem in den Herrscherornat
aufgenommen. Siehe ibid. S. 583 u. 587. Auch Schneider (Anm. 7) 209ff., steht der
Bedeutung von Kronen als Herrschaftszeichen bei den Germanen skeptisch gegenüber. Während er bei den Langobarden Königskronen seit Agilulf (590-616) für erwiesen hält, kennzeichnet er die Belege hierfür bei den Merowingern bis zum 8. Jahrhundert als problematisch.
91) Brühl (Anm.21) 19. Zu den Votivkronen der Schatzfunde siehe Helmut
Schlunk,Arte visigodo, in: Ars Hispaniae, Bd. 2, Madrid 1947, S. 311 ff.; J ose Ferrandis Torre, Artes decorativas visigodas, in: Historia de Espafia (414-711), Bd. 3,
hg. v. Ram6n Menendez Pidal, 2. erweit. Aufl., Madrid 1963, S. 682ff. u.
Abb. 438-44~; Matilde L6pez Serrano, Arte visigodo: arquitectura y escultura,
Artes decoratlVas de la epoca visigoda, ibid. S. 769f.; J ean-Pierre Caillet, L'antiquite classique, le haut moyen age et Byzance au musee de Cluny, Paris 1985,
Nr. 153-161 S. 218ff. u. Farbabb. Nr. 1; J ean und Philip Lozinski, The Treasure
of Guarrazar: in: Actas deI XXIII Congreso Intemacional de Historia deI Arte, Espafia
en~;e el Medlterraneo y el Atlantico (Granada 1973), Granada 1976, S. 379-392.
) Percy Ernst Schramm, Gotische "Kronen"?, in: ders., Herrschaftszeichen
und Staatssymbolik, Bd. 1, S. 134. Ders., Die Kronen des frühen Mittelalters, in:
ders:, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten biS zum sechzehnten Jahrhundert, Bd. 2, Stuttgart 1955, S. 377-417, S. 379.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
61
sein, als den Kreuzen, die den Kirchenraum schmückten. Darauf deutet die
Segensformel zur Weihe von Votivkronen im über Ordinum, die im Vergleich mit der Segnung von Kreuzen kurz ausfällt. Die Segenssprüche wurden um einen besonderen Teil erweitert, wenn es sich um ein goldenes Kreuz
handelte. Eine Erweiterung im Falle einer goldenen Krone oder gar einer
Königskrone ist jedoch nicht vorgesehen 93 ).
Diejenigen Votivkronen von Guarrazar allerdings, die wegen ihrer Größe
und Beschaffenheit theoretisch auch aufgesetzt werden konnten, sind in der
Tat der wichtigste Anhaltspunkt für die Vermutung, Westgotenkönige hätten
Kronen getragen. Schücking meint deshalb sogar, die in der Geschichte der
Rebellion des Paulus genannte Votivkrone sei ein Beleg dafür, daß bereits
ihr Stifter Rekkared 1. eine Krone getragen habe94). Einige der erhaltenen
Kronen weisen sogar Scharniere und Ösen auf, die man als Vorrichtungen
für die Anbringung einer Fütterung gedeutet hat95 ). Theo Jülich hingegen
bietet eine andere Deutungsmöglichkeit : "Einfacher und schlüssiger wäre
eine Interpretation der Ösen als Befestigung eines umlaufenden Drahtes, auf
den Perlen aufgefadelt wären, die dann mit den Granula alternieren würden"96). Trifft dies zu, so wäre ein wichtiges Argument für die Annahme, daß
es sich bei denjenigen Kronen, die dieses Ösen aufweisen, um ehemals wirklich getragene Kronen handelt, hinfällig.
Auf jeden Fall ist mit dem Schatzfund von Guarrazar und mit der muslimischen Überlieferung von den in Toledo gefundenen und mit den Lebensund Regierungsdaten versehenen Kronen die Sitte, den Kirchen Votivkronen zu schenken, hinreichend belegt. Interessanterweise findet sich wiederum in Byzanz der kaiserliche Brauch, in der Hagia Sophia als Weihegeschenk eine Krone niederzulegen97). Im spanischen Westgotenreich läßt
93) LibOrd Sp. 163ff. ,LVIII. - Benedietio eruds'; Sp. 165f. ,LVIII!. - Benedietio
eorone'.
94) Schücking (Anm. 21) 71.
95) Dahn, Könige der Germanen, Bd. 6, S. 532; Schücking (Anm. 21) 72. Diese
Deutung geht wohl auf E. du S ommerard zurück, der am 12. 2. 1859 in ,Le Mond
iIlustre" S. 106f. über den spanischen Schatzfund berichtete. Siehe Theo Jülich,
Gemmenkreuze, Die Farbigkeit ihres Edelsteinbesatzes bis zum 12. Jahrhundert, in:
Aachener Kunstblätter 54/55 (1986/87), S. 239 Anm. 609.
96) Jülich (Anm. 95) 144.
97) Elisabeth Piltz, Kamelaukion et mitra, Insignes byzantines imperiaux et
eccIesiastiques, Stockholm 1977, S. 51ff., 72f. Die Habil.schr. von Hans Dietrich
Kahl, Weihekrone und Herrscherkrone, Studien zur Entstehungsgeschichte mittelalterlicher Symbolhandlungen mit Kronen (masch.-schriftl.), Giessen 1964, ging mir
leider erst nach Abschluß des Manuskripts zu und konnte nicht entsprechend berücksichtigt werden.
62
Alexander Pierre Bronisch
sich auf vielen Gebieten eine Übernahme byzantinischer Formen feststellen98 ). Man darf annehmen, daß auch hinsichtlich der Votivkronen dem
oströmischen Vorbild gefolgt wurde99 ). Die Angleichung an byzantinisches
Herrscherzeremoniell mag auch zur Folge gehabt haben, daß die Gotenkönige in Spanien Kronen getragen haben, um sich ein imperiales Erscheinungsbild zu geben IOO). Es darf dabei aber nicht übersehen werden, daß die
Westgoten sich keinesfalls sklavisch an ihre Vorbilder hielten, sondem
selbstbewußt eigene Traditionen begründeten. Die Übernahme imperialer
Gebräuche war nicht nur schlichte Nachahmung, sondern diente durch die
Ang1eichung imperialer Symbolik der Gleichsetzung des westgotischen
Königs mit dem byzantinischen Kaiser und damit der Legitimation der
Herrschaft über Gebiete, die einst zum Römischen Reich gehÖrten IOI ).
Luis Garcia Moreno spricht von der ,Imperialisierung' der gotischen
Monarchie I02). Demselben Ziel konnte auch die Schaffung neuer Symbole
dienen. Hierfür ist die Königssalbung das beste Beispiel. Im byzantinischen Bereich fand sie erst seit Theodoros I. Laskaris im Jahre 1208 in Nikaia durch den Einfluß des lateinischen Kaisertums in Konstantinopel
stattI03 ). Die Königssalbung war mit den Worten Barberos zweifellos "la
creaci6n original de una instituci6n"104). Daß die Salbung mit einem höheren sakralen Anspruch hier an die Stelle der Krönung getreten ist, die in
Byzanz im übrigen keine konstitutive Bedeutung hatte, sollte nicht verwundern. Kurt- Ulrich Jäschke vertritt die Ansicht, daß der byzantinische Herrscherornat in den germanischen Reichen nachgeahmt wurde,
nicht jedoch die komplizierten Erhebungsvorgänge, und daß deshalb eine
Erstkrönung beim Herrschaftsantritt keine zwingende Notwendigkeit gewesen seP05).
98)
Vgl. oben Anm. 1.
99) Schlunk (Anm. 91) 313, sieht in germanischen Weihekronen die Übernahme
eines byzantinischen Brauchs; ebenso Deer (Anm. 52) 433.
J(JO) Solche "Nachahmungen im äußeren Erscheinungsbild" nimmt Jäschke
(Anm. 22) 582 auch für die fränkischen Könige an.
101) Valverde Castro (Anm. 1) 142ff.; s. a. Barbero de Aguilera (Anm. 65)
247,259.
102) Garcia Moreno (Anm. 1) 119f.: "Esta ,imperializaci6n' de la Monarqula
goda ensayada por Leovigildo .....
. :03) Georg üstrogorsky, Zur Kaisersalbung und Schilderhebung im spätbyzant1n:~chen Krönungszeremoniell, in: Historia 4 (1955) S. 246ff.
105) B.~rbero de Aguilera (Anm. 65) 317; s. a. Valverde Castro (Anm. 1) 146.
) Jaschke (Anm. 22) 584: "Wo sich zeigen läßt daß der Westen nur das Erscheinungsbild, nicht jedoch die komplizierten Erheb~ngsvorgänge byzantinischer
Herrscher nachahmte - und das gilt schon für Chlodwig-, entfällt die zwingende
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
63
Für Spanien kann das bedeuten, daß zur eigenen, westgotischen Form der
Königsweihe der byzantinische Brauch trat, eine Votivkrone als Weihegabe
niederzulegen. Ein Jahrhundert später hat dies auch Karl der Große getan,
wie wir aus dem Bericht des ,Liber PontificaZis' über seine Krönung und
Kaiserakklamation am Weihnachtstage des Jahres 800 erfahren. Denn nach
der Meßfeier schenkte Karl der Peterskirche eine Gemmenkrone, die über
dem Altar aufgehängt wurde 106). Die Bedeutung dieses Aktes darf freilich
nicht überschätzt werden. Denn die Stiftung von Weihekronen war kein
königliches Privileg. Auch Bischöfe, Äbte und Laien übten diesen Brauch.
2. Herrscherabbildungen auf Münzen:
Unter König Leovigild (568-586) begann in Spanien eine eigene
numismatische Tradition, die sich durch die fortschreitende Lösung von
byzantinischen Vorbildern auszeichnete. Mit Ausnahme weniger Münzen
aus einer experimentellen Frühphase, auf denen der abgebildete Herrscher
tatsächlich eine Krone 107) , manchmal auch so etwas wie einen Helm
trägt 108), bildet sich bald ein eigener westgotischer Münztyp heraus, der in
Frontalansicht einen unbedeckten Kopf mit bis auf die Schultern fallendem
Haar zeigt I09). Dieser Typus wird erst gegen 649 unter Rekkesvinth zugunNotwendigkeit für die Annahme, daß alle Bestandteile des Königsomats bereits beim
Herrschaftsantritt feierlich entgegengenommen wurden."
106) Le Liber Pontificalis, Texte, introduction et commentaire, hg. v. Luis Duchesne, Paris 1981 (Nachdr. d. Ausg. von 1955), Bd. 2 S. 7f.: Et missaperacta, post
celebrationem missarum, obtulit ipse serenissimus domnus imperator... et corona
aurea cum gemmis majores, quae pendet super altare.
107) Schon Alois Heiss, Description generale des monnaies des rois wisigoths
d' Espagne, Paris 1872, S. 34, hatte festgestellt, daß auf den westgotischen Münzen nur
sehr selten Abbildungen von Kronen zu finden sind.
108) Abb. bei W. Reinhart, Los yelmos visigodos, in: Archivo Espafiol de Arqueologfa 20 (1947) 122-125 u. Phili pp Griers on, The Coins ofMedieval Europe,
London 1991, Taf. 1. Vgl. Claude (Anm. 4) 64: "Wiederholt erscheinen die westgotischen Könige auf Münzen mit einem konischen Helm, von dem Infuln herabhängen. Auch hier ist es jedoch unklar, ob es sich nicht um eine mißverstandene
Nachahmung römischer Vorbilder handelt. "
109) Zu Abb. vgl. vorangehende Fußnote u. Miles (Anm. 16) 43ff., 47f.; S. 48:
"A distinctive feature of all the facing busts, with the exception of Leovigild's first
experimental ones (where in some cases the king appears to be wearing a crown), and
of some of the childlike busts toward the end of the Visigothic coinage, is the bare
head and long flowing locks descending almost to the shoulders in braids or curls on
each side of the head. The long hair was the ,badge of nobility and perhaps of racial
superiority' of the Gothic kings, and there is little doubt but that tbis characteristic
of the Visigothic facing bust is a true reflection of the ,national' quality of the new
coinage; that is, we have here the evidence not only of a divorcement from imperial
64
Alexander Pierre Bronisch
sten des Herrscherbildes im Profil aufgegeben, das den König mit der Binde
des Diadems und deutlich sichtbaren Infuln zeigt llO).
Leider macht es die Abhängigkeit der westgotischen Münzprägungen von
oströmischen Vorbildern hinsichtlich der Königsdiademe unmöglich zu entscheiden, ob sie der Realität entsprachen, oder ob es idealisierte oder strikt
dem byzantinischen Vorbild folgende Darstellungen sind lll ). Auf jeden Fall
kennzeichnen den König auf den Münzbildern keine Kronen des Typus aus
dem Schatzfund von Guarrazar. Auffallend vielmehr ist stattdessen die
Darstellung des langen Haupthaares, das nach altgermanischer Vorstellung
sichtbares Zeichen des königlichen Heils war ll2). Hinsichtlich der Merowinger stellt Jäschke fest, daß für sie eigentlich keine Notwendigkeit bestanden habe, eine Krone zu tragen, da sie an ihrem langen Haar als Könige
jederzeit zu erkennen waren ll3). Daß Gleiches für die westgotischen Herrscher gilt und die Abbildungen auf den Münzen der Wirklichkeit entsprochen haben könnten, legt ein Brauch nahe, der bis zum Ende des westgotischen Reiches als ein Mittel zur Untauglichmachung von Rebellen oder
Usurpatoren der Königsherrschaft geübt wurde: die schändliche Dekalvation 1l4).
ties but of the conscious creation of a proud and peculiarly Gothic independence of
style."
11') Ibid. S. 51. Zur Entwicklung des westgotischen Münzwesens s. a. Felipe Mateu y Llopis, EI arte monetario visigodo, Las monedas corno monurnentos (uu
ensayo de interpretaci6n), in: Archivo Espafiol deArte 16 (1943) S. 190ff.; 18 (1945)
S.34ff.
111) Heiss, Monnaies de rois wisigoths, S. 24ff.; Miles (Anm. 16) 51, 53; Grierson (Anm. 108) 14f., 22f., Tafell; Claude (Anm. 4) 64.
112) Percy Ernst Schramm, Zur Haar- und Barttracht als Kennzeichen im
germanischen Altertum und im Mittelalter, in: ders., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, Bd. 1 S. 124 ff.; Der s., Brustbilder von Königen auf Siegelringen der
Völkerwanderungszeit, ibid. S. 213ff.
113) Jäschke (Anm. 22) 582. Zur Haartracht der Merowinger siehe auch Schneider (Anm. 7) 204. Doch glaubt Schneider, daß die langen Haare ihren Träger weder
zur Herrschaft legitimierten, noch daß ihr Verlust auch den Verlust des Herrschaftsanspruchs bedeutete, "da sie nachwachsen konnten". Dagegen KI aus S p ri g ade, Die
Einweisung ins Kloster und in den geistlichen Stand als politische Maßnahme im
frühen Mittelalter (Phil. Diss.), Heidelberg 1964, S. 44: "Langes, bis auf den Rücken
herabfallendes Haar ließ bei den Franken das Mitglied des merowingischen Königshauses, den Prinzen wie den zur Herrschaft gelangten König, erkennen. Abschneiden
des langen Haares brachte auf sinnfällige, greifbare Weise den Ausschluß aus der
~önig~familie zum Ausdruck: Das kurzgeschnittene Haar verwies den Merowinger in
dl~l~elhe des zur Königsherrschaft nicht zugelassenen übrigen Volkes."
) Bund (Anm. 6) 600f.; s. a. Schramm (Anm. 112) 126f. Vgl. 6. Konz. v.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
65
3. Kronen bei lsidor von Sevilla:
Aus der schon zitierten Stelle der Historia des Isidor von Sevilla über
die Einführung von Herrscherinsignien durch Leovigild ergibt sich, daß die
Westgotenkönige mindestens bis Leovigild keine Kronen als exklusive
Herrschaftszeichen getragen haben. Denn sonst hätte der Chronist kaum berichtet, er habe sich bis dahin in seinem Aussehen nicht vom Volke unterschieden 1J5 ). Auch an eine Verleihung römischer Amtsabzeichen durch den
byzantinischen Kaiser, unter denen auch das Diadem figuriert haben könnte,
ist kaum zu denken. Nicht nur, daß davon nichts bekannt ist: regalis vestis
und solium gehören nicht zu den Attributen, die römischen Alliierten gemeinhin zuerkannt wurden 1l6).
In seinen Etymologien beschreibt Isisdor Gebrauch und Funktion von
Kronen. Er bezeichnet sie zunächst allgemein als Kopfschmuck, und im engeren Sinne als Zeichen des Sieges, der königlichen Würde oder gar als
Symbol der Herrschaft über mehrere Völker. Allerdings nimmt er nicht direkt auf die Goten Bezug, sondern er schreibt, daß die römischen Imperatoren und einige Könige goldene Kronen benützten. Denn es würden nicht in
allen Reichen die gleichen Herrschaftszeichen verwandt l17). Brühl sieht
Toledo (638) S. 244f.: nullus tyrannica praesumtione regnum adsummat, nullus sub
religionis habitu detonsus aut turpiter decalvatus. Daß Merowinger niemals durch
Skalpierung untauglich gemacht wurden, sondern daß ihr zur Strafe oder Buße geschorenes Haar tatsächlich wieder nachwachsen konnte, was in einigen Fällen tatsächlich geschah, hat auf einer breiten Quellenbasis Sprigade (Anm. 113) 9ff. nachgewiesen. Insofern ist sogar an eine stärkere Bedeutung der Haartracht bei den Westgoten zu denken. Die Dekalvation bedeutete bei ihnen nach einer Bestimmung in den
,Leges Visigothorum', 12, 3, 2, zweifellos eine Skalpierung, wahrscheinlich durch
Schläge, bis sich die Kopfhaut löste (,Leges Visigothorum', XII 3,2 S. 432 u. XII 18
S. 448: centenis decalvatus flagellis; C. flagella decalvati), und keine Rasur, und somit einen dauerhaften Verlust. Siehe Bund (Anm. 6) 581 Anm. 167.
115) So Schücking (Anm. 21) 71. Vgl. Histlsid (kurze Version) 51: 7-10. Kar!
Friedrich Stroheker, Leovigild, in: Germanentum und Spätantike, Zürich u. Stuttgart 1965, S. 143, nimmt, gestützt auf die Isidorstelle und auf die Münzbilder, an, daß
Leovigild als erster westgotischer König eine Krone getragen hat. Claude (Anm. 4)
61 u. 64 läßt die Frage unentschieden, da einerseits viel ältere gotische Stirnreifen
bekannt sind, andererseits durch die ikonographische Abhängigkeit westgotischer
Münzprägungen vom byzantinischen Vorbild Herrscherabbildungen mit Krone kein
hinreichender Beleg dafür sein können, daß die Westgotenkönige tatsächlich Kronen
getragen haben.
116) Reydellet (Anm. 5) 534.
117) Etym XIX, 30,1-3: Omamenta dicta eo quod eorum cultu ora vultusque de-
corentur. Prima omamenta corona insigne victoriae, sive regii honoris signum; quae
ideo in capite regum ponitur, ad signijicandum circumfusos in orbe populos, quibus
5 Zeitschrift für Rechtsgeschichte. CXVI. Genn. Abt.
66
Alexander Pierre Bronisch
darin einen klaren Hinweis auf Königskronen bei den Goten. Dafür seien die
westgotischen Votivkronen der materielle Beleg118). Doch hat Isidor sehr
distanziert formuliert und die Unterschiede der Insignien betont. Für eine
generelle Bestätigung des Kronenbrauchs bei den Goten sollte man eine
direktere Ausdrucksweise erwarten können 119). An anderer Stelle äußert sich
Isidor dann auch eindeutiger. Was in israelitischer Zeit die Königssalbung
gewesen sei, sei zu seiner Zeit das purpume Königsgewand I20).
Ein letztes Beispiel bestärkt die Vermutung, daß Isidor Kronen nicht als
westgotische Insignien königlicher Herrschaft betrachtete. In seinen ,Sentenzen' schreibt er über den Lohn, den gute bzw. schändliche Könige im
Jenseits erhalten. Dem guten König werde ewiger Ruhm zuteil. Verruchten
Regenten hingegen blühe nach einem Leben im Prachtkleid und nach dem
Glanz von Edelsteinen nackt und armselig der Abstieg in die Hölle I21 ). Als
Kennzeichen für die irdische Würde eines Königs wählt Isidor also das
Königsgewand und als weltliches Attribut seiner Herrschaft den Reichtum,
für den das Leuchten der Edelsteine steht. Diese Symbolik findet sich auch
in anderen Zeugnissen aus westgotischer Zeit, die noch zur Sprache kommen. Von Kronen als Herrschaftszeichen gotischer Königsgewalt ist bei
Isidor von Sevilla jedenfalls nirgends ausdrücklich die Rede.
Eine Stelle allerdings scheint auf den ersten Blick doch für den Gebrauch
des Diadems als königliches Insignie zu sprechen. In der ,Laus Spaniae', mit
der er seine Gotengeschichte einleitet, lautet der letzte Satz, daß Spanien nun
an die Goten übergegangen sei, die das sichere Glück der Herrschaft über
das Land genießen, versehen mit königlichen Infuln (regias injulas), umfangreicher Truppenmacht und reichlichen Schätzen 122). Hier möchte man
adcinetus quasi caput suum eoronatur. (... ) Inperatores Romani et reges quidam gentium aureas coronas utuntur. (... ) Non enim eadem sunt insignia omnium regnorum.
Brühl (Anm. 21) 19.
In diesem Sinne auch Reydellet (Anm 5) 537. Eine andere Stelle in den
Etymologien bezeugt den Kronenbrauch bei den Griechen und ist nicht als allgemeine
Bestätigung von Königskronen zu verstehen. Etym IX, 3, 18: Reges autem ob hanc
118)
119)
causam apud Graeeos ,basileis ' voeantur, quod tamquam bases populum sustinent.
Unde et bases coronas habent.
120) Etym VII, 2, 2: et sieut nunc regibus indumentum purpurae insigne est regiae
dignitatis, sie illis unctio sacri unguenti nomen ac potestatem regiam conferebat.
121) I 'd
S'l
.
SI or Von eVlla: ,Sententiarum libri tres', III Cap. XLVIII, 6 S. 719: QUI
inter s~ee~lum bene temporaliter imperat, sine fine in perpetuum regnat .. et de gloria
saecul! hUJus ad aeternam transmeat gloriam. Qui vero prave regnum exercent, post
vestem fulgentem et lumina lapillorum, nudi et miseri ad inferna torquendi descendunt.
122) HistIsid ,Laus Spaniae', S.170: denuo tamen Gothorumflorentissima gens post
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
67
zunächst an die Schleife des Diadems denken, mit der es am Hinterkopf zusammengebunden wurde und die z.B. auf Münzen deutlich zu erkennen ist.
Mit den Infuln wäre dann als pars pro toto das Diadem als Zeichen der
Königswürde angesprochen. In seinen Etymologien aber beschreibt Isidor
die infula ganz im klassischen Sinne als eine Kopfbinde heidnischer Priester, die nach Art eines Diadems gebunden ist und von der auf beiden Seiten
Streifen herabhängen, mit denen die Infula festgebunden wird I23 ). Als Teil
des Herrscherornats nennt Isidor hier die Infula nicht. Das Band, mit dem
die Krone hinter dem Kopf befestigt wird, nennt er ,vitta' bzw. den sichtbaren Teil dieses Bandes, der von der Krone herabhängt ,taenia <I24). Nach
Fougeres war die Infula das Zeichen für einen Weihezustand, also Abzeichen von Priestern, Opfertieren und zum Tode Verurteilter. Die Braut
schmückte damit die Türe ihres Gatten. In der Sprache der figürlichen Darstellung sei die Infula zum Zeichen hoher Würde, insbesondere der Herrschaft (injulae imperiales) geworden I25 ). Die Infula ist also nicht als reeller
Ausstattungsgegenstand byzantinischer oder gotischer Herrscher zu verstehen J26). Die ,infulae regiae' in Isidors ,Lobpreis Spaniens' sind demmultiplices in orbe victorias certatim rapit et amavit, jruiturque hactenus inter regias
infulas et opes largas imperii felicitate securas. Eine Variante, die ich bevorzuge,
lautet felicitate secura. Siehe Mo m ms e n s Edition der Gotengeschichte, in: Chronica
minora saec. IV. V. VI. VII, Bd. 2 (MGH auct. antiqu., Bd. 11), Berlin 1894, S. 267:
25. Die Frage, ob imperii den opes largas oder felicitate zuzurechnen ist, läßt sich
m. E. nicht entscheiden. Beides ist denkbar und möglich und mußte auch einem zeitgenössischen Leser ambivalent erscheinen. Siehe hierzu Reydellet (Anm. 5) 516
Anm. 38, der ,imperium' wegen des Chiasmus regias infulas/opes largas zu jelicitas'
zieht. Zum folgenden s. a. ibid. S. 516f. Opes copiosas bedeutet sowohl Reichtum, als
auch Truppenstärke. Beides ergibt im Kontext einen Sinn. Diese Doppelbedeutung
dürfte beabsichtigt sein. I. d. R. wird mit ,Reichtum' übersetzt. NurIsidoro Rodrfguez, Cantico de San Isidoro a Espafia, in: Helmantica 12 (1961) S. 213f. u. Anm.
126, bevorzugt "tropas copiosas", da bei einer metaphorischen Bedeutung von regias
infulas sonst eine Tautologie gegeben wäre.
123) Etym XIX, 30. 3-4: Gentilium vates infulas, apices, pillea sive galeria utebantur. Infula estfasciola sacerdotalis capitis alba in modum diadematis, a qua vittae
ab utraque parte dependent, quae infulam vinciunt .. unde et vittae dictae sunt, quod
vinciant. Infula autem plerumque lata erat, plerumque tortilis, de albo et cocco.
124) Ibid. XIX, 31. 6: Item vitta est qua corona vincitur .. taenia vero extrema pars
vittae quae dependet coronae.
125) Gustave Fougeres, ,infula', in: Dictionaire des Antiquites Grecques et
~omaines, Paris 1900 (Nachdr. Graz 1963), Bd. 3 S. 215f. S. a. Latte Art. ,infula',
In: Paulys Realenzyklopädie der classischen Altertumswissenschaft, Stuttgart 1916,
~d. 18 Sp. 1543.
126) Einen Hinweis auf die Infula als realer Herrscherinsignie geben weder
5*
68
Alexander Pierre Bronisch
zufolge ein figürlicher Ausdruck, der die besondere Weihe unterstreicht, mit
welcher nach Isidor die Gotenherrschaft in Spanien versehen ist. Als
Übersetzung für infulae regiae böte sich ,königliche Weihe' an. Offenbar
wollte Isidor zum Ausdruck bringen, daß die Goten mit den irdischen und
himmlischen Attributen einer glücklichen Herrschaft versehen waren:
mit irdischem Reichtum und einer von Gott begnadeten, geweihten Regierung. Dabei wählte er zugleich ein Bild, das die Verbindung der Goten
mit dem Land Spanien als Bund zwischen Braut und Bräutigam beschrieb I27 ).
4. Die Krone des Paulus:
Der erste Bericht über den Gebrauch einer Krone durch einen König
steht in der ,Historia Wambae regis' des Julian von Toledo, die er in den siebziger Jahren des 7. Jahrhunderts geschrieben haben dürfte. Darin wird
berichtet, daß der Empörer Paulus es wagte, die von König Rekkared dem
I2ß
heiligen Felix gestiftete goldene Krone auf sein eigenes Haupt zu setzen ).
Diese Stelle dient vielen als Erweis des Gebrauchs von Kronen als HerrAndreas Alföldi, Insignien und Tracht der römischen Kaiser, in: Mitteilungen des
Deutschen Archäologischen Instituts, Röm. Abt. 50 (1935) 1-171 ; noch Kl auS Wessel/Elisabeth Piltz/Cornia Nicolscu, Art. ,Insignien', in: Reallexikon zur
Byzantinischen Kunst, Bd. 3, Stuttgart 1978, Sp. 369-498.
127) Rodriguez Alonso (Anm. 2) 171, hat sich hier in seiner Übersetzung einer
Interpretation entzogen: "sin embargo, al fin, 1a floreciente naci6n de los godoS,
despues de innumerables victorias en tode el orbe, con empefio te conquist6 y te am6
y hasta abora te goza segura entre Infulas regias y copiosisimos tesoros en seguriada
y felicidad de imperio." Kenneth Baxter Wolf, Conquerors and Chroniclers of
Early Medieval Spain, Translated with notes and introduction, Liverpool1990, S. 82 f.,
hat sich für eine neutrale Übersetzung entschieden: "now it is the most flourishing
people of the Goths, who in their turn, after many victories all over the world, have
eagerlY seized you: they enjoy you up to the present time amidst royal emblems and
great wealth, secure in the good fortune of empire." V gl. auch eine Stelle bei Cyprian,
auf die Rodriguez Alonso (Anm. 2) 171 Anm. 5 verweist, und nach der Isidor
seinen Satz gebildet hat: Cyprien de Carthage, ADonat et La Vertu de Patience (Texte
latin). Introduction, traduction et notes de J ean Molager, Paris 1982, 13: 307-310
S. 108: An tu vel Wos putas tutos, illos saltim inter honorum infulas et opes largas
stabili jinnitate. securos, quos regalis aulae splendore fulgentes armorum eXcubantium tutela circumstat? Zur Deutung dieser Isidor-Stelle vor dem Hintergrund
von Isidors providentialistischer Einordnung der Gotenherrschaft in Spanien s. a.
Bronisch (Anm. 20) 48ff., insbesondere S. 53ff.
12ß) HistWamb 26 Z. 676-680: Unde factum est, ut vasa argenti quam plurima de
thesauris dominicis rapta et coronam Wam auream, quam divae memoriae Reccaredu~ princeps ad corpus beatissimi Felicis obtulerat, quam idem Paulus insano capiti
suo zmponere ausus est.
I""t, •
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
69
schaftszeichen bei den Westgoten 129). Mancher glaubt hierin sogar einen
Hinweis auf einen Krönungsakt zu erkennen l30).
Doch ist davon im eigentlichen Sinne nicht die Rede. Vielmehr soll hier
die Schändlichkeit des Verhaltens des Tyrannen Paulus verdeutlicht werden. Auch ist nicht ausgeschlossen, daß er gleichzeitig ins Lächerliche
gezogen wird, wenn er mit einer Votivkrone, d. h. auch mit allen Pendilien
und Autbängungsvorrichtungen auf dem Kopf vorgestellt wird. In der
Gesamtkonzeption der Geschichte des Wamba dient Paulus stets als
schlechtes Beispiel, um die hervorragenden Eigenschaften des Königs zu
unterstreichen l3l ). Der Hintergrund dieser Geschichte dürfte sein, daß der
Usurpator Kirchenschätze konfiszierte, weil ihm sonst die nötigen Mittel
für den Krieg gegen Wamba gefehlt hätten, und daß er damit auch in den
Besitz der Weihekrone des Rekkared gelangte. Daß Paulus sich die geweihte Krone auch aufgesetzt hat, ist jedoch wenig glaubhaft. Denn es ist
äußerst zweifelhaft, ob das Verhalten des Paulus von seinen Anhängern
und vom Volk, über das er zu herrschen gedachte, positiv gewürdigt
worden wäre. Der Frevel wäre doch zu offensichtlich gewesen, als daß er
dem auf Legitimität bedachten Paulus zugetraut werden muß. Daß Paulus
Wert auf die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft legte, zeigt sich in einem
Brief an Wamba, in weIchem er sich selbst ,Flavius Paulus unctus rex
Orientalis' tituliert l32). Er betrachtete also, wie es üblich war, die Salbung
als eigentlichen Akt der Königsweihe und nicht etwa eine Königskrönung.
Es ist bezeichnend, daß Julian die Salbung des Paulus verschweigt, um
seinerseits jeden Anschein von Legitimität der Herrschaft des Paulus zu
vermeiden.
Ferner fällt auf, daß die Entweihung der Krone des Heiligen nicht im Zusammenhang mit der Herrschaftsusurpation des Paulus berichtet wird l33 ),
auch nicht im Zusammenhang mit der Ablegung der Herrschaftszeichen
nach seiner Niederlage - genannt werden an dieser Stelle wiederum die
königlichen Gewänder und das Szepterl34) -, sondern als besonderes BeiSchücking (Anm. 21) 71; Claude (Anm. 4) 65; Elbern (Anm. 43) 1545.
So z.B. Orlandis Rovira (Anm. 55) 258.
131) Zum panegyrischen Charakter der Historia Wambae siehe Teillet (Anm. 22)
591ff., 596, 605f., 617ff. u. dies., L'Historia Wambae, S. 415-424.
(32) Ibid. ,Epistola Pauli pe1jidi', S. 217.
133) HistWamb 8. In diesem Sinne auch Brühl (Anm. 21) 23 Anm. 122. Doch geht
er davon aus, daß Kronen zum Herrscheromat der Westgoten gehören und Paulus deshalb auch eine Krone brauchte. In Ermangelung einer eigenen habe er sich in der Eile
der des hl. Felix bedient.
134) HistWamb 20 Z. 527-533: Tune omnimoda desperatione permotus, regalia
129)
130)
li:
·If!
70
Alexander Pierre Bronisch
spiel seiner Habgier und seines schändlichen Kirchenraubes 135). Aus dem
byzantinischen Bereich überliefert Theophanes die Entweihung einer
Votivkrone durch den Herrscher. Aus Habsucht habe sich Kaiser Leon IV.
(775-780) eine Votivkrone der Hagia Sophia aufgesetzt und sei an den Folgen seines Frevels gestorben. Theophanes berichtet dies zwar aus einer
späteren Zeit, dem Jahre 780, aber es kann kein Zweifel bestehen, daß die
Profanierung von Weihekronen auch im ausgehenden 7. Jahrhundert als
schändlich erachtet wurde 136).
Beim triumphalen Einzug Wambas in Toledo mußte Paulus als Schandkappe einen pechschwarzen Lorbeerkranz aus Leder tragen 137). Auch in diesem Falle hat der Gebrauch des Wortes, coronatus' manchen diese Stelle als
weiteres Indiz für Krönungen bei den Westgoten verstehen lassen 138). Doch
steht der schwarze Lorbeerkranz wohl eher für die Ambitionen des Paulus.
Er wollte triumphieren; nun erfährt er, bekränzt mit einem pervertierten Siegerkranz, die Karikatur eines Triumphzuges. Zugleich mag im Symbol der
Schandkappe in der Konzeption von Julians Erzählung auch eine Allusion
auf den Mißbrauch der Votivkrone durch Paulus vorliegen. Sie steht jedoch
nicht im Mittelpunkt der Symbolik. Jedenfalls ist es zu weit hergeholt, die
Szene als Beweis für die Existenz von Krönungsritus und Kronenbrauch bei
indumenta, quae tyrannidis ambitione potius quam ordine praeeunte perceperat, tabefactus deposuit, miro occultoque Dei iudicio id agente, ut eodem die percept~m
tyrannus regnum deponeret, quo religiosus princeps regnandi sceptrum a Dommo
percepisset.
135) Ibid. 26 Z. 672-676: Cumulaverat enim nefandissimus ipse Paulus pecca~~
peccatum, dum tyrannidi adiungeret sacrilegium. Nam ut quidam sapiens dicit: ,mSI
sacris ecclesiis intulisset spolium, non esset unde suum floreret aerarium '.
,,136) Siehe hierzu Jäschke (Anm. 22) 580 mit Verweis auf Leopold Breyer
(Ubers.), Bilderstreit und Arabersturm in Byzanz, Das 8. Jahrhundert (717-813) auS
der Weltchronik des Theophanes, Graz u.a. 1964, S. 107: "Am 8. September der
4., Indiktio s~arb Le?n, der Sohn des Konstantin, auf folgende Weise: Da er ein
leldens~hafthcher LIebhaber Von Edelsteinen war, gelüstete es ihn sehr nach der
Krone 1D der Großen Kirche. Er nahm sie an sich und setzte sie sich auf. Da bildeten
si~h auf seinem Kopf brandartige Geschwüre (Karbunkel), er wurde von heftigem
FIeber erfaßt und starb sechs Tage vor der Vollendung seines fünften Regentenjahres."
137) Ibi~. 30 Z. 773: ~t picea ex coreis laurea coronatus. Schneider (Anm. 7) 200
~nm. 65 mterpretIert dIe Stelle so: "Paulus trägt also eine aus Leder und Pech gefertigte Lorb.eerkro~e, möglicherweise ist sein Kopf auch verpicht ("geteert") worden,
e~e ma.n Ihm lDIt ledernem (1) Lorbeer kränzte. Darin wäre eine zusätzliche und
korperliche Pein zu sehen."
138) So Schücking (Anm. 21) 72,
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
71
den Westgoten heranzuziehen. Schließlich findet sich auch im Bericht von
der Wahl und der Weihe Wambas kein Hinweis auf eine eventuelle Krönung
des Königs 139).
5. Die Wortwahl in Konzilsakten, Liturgie und Gesetzestexten:
Auch in den westgotischen Konzilien von Toledo finden sich zur Kennzeichnung der Königsherrschaft gewöhnlich Formulierungen wie ,regia
potestas', ,jastigium culminis', ,apex regni' oder ,culmen regni'140). Auf dem
3. Konzil von Toledo (589), das zur Bekräftigung der Abkehr vom Arianismus in Spanien einberufen worden war, wird ,corona' lediglich im übertragenen Sinne gebraucht 14 !). Dieser übertragene Sprachgebrauch von
,corona' entspricht durchwegs den Gepflogenheiten der altspanischen
Liturgie 142). Besonders deutlich wird das in den Gebeten, die anläßlich der
Rückkehr von einem Kriegszug gesprochen wurden. Darin heißt es vom
König, er möge als ein gerechter Herrscher dem Volke vorstehen, damit er
nach dem Tode zusammen mit den Auserwählten gekrönt werde, d. h. besondere Ehrung und Auszeichnung erfahre 143).
Die gleiche Wortwahl wie in den bisher betrachteten Quellen findet sich
auch in den Texten der westgotischen Gesetzessammlung. Apex regni, regie
celsitudinis culmen, culmen regium, culminis jastigium, solium regale und
regia potestas bzw. potestas regis sind die Wendungen, die zur Kennzeichnung der Königsherrschaft herangezogen werden!44).
139) Ibid. S. 74. Das Fehlen von Hinweisen auf eine Krönung Wambas unterstreicht
die Notwendigkeit, Isidors Worte von der Designation Rekkareds regno est coronatus
(HistIsid 52: 3 f.) allegorisch aufzufassen. Ibid. S. 73 f.
140) Siehe z. B. 3. Konz. v. Toledo (589) S. 108, 133; 4. Konz. v. Toledo (633)
S. 219; 5. Konz. v. Toledo (636) S. 228; 6. Konz. v. Toledo (638) S. 236; 16. Konz. v.
Toledo (693) S. 485 u. a. Siehe weitere Fundstellen unter den entsprechenden StichWorten bei J oaquin Mellado Rodriguez, Lexico de los concilios visig6ticos de
Toledo, 2 Bde. (Textos elnstrumentos, Bd. 24), C6rdoba 1990.
141) 3. Konz. v. Toledo (589), S. 110: erit enim mihi inmarcesibilis corona vel gaudium in retributione iustorum, si hii populi qui nostra ad unitatem ecclesiae solertia
transcucurrerunt, fundati in eadem et stabiliti permaneant. S. 116: Cui a Deo aeterna
corona nisi vero orthodoxo Recaredo regi? S. 139: sed gemitus illi id egerunt, ut hi
qui per injidelitatem nobis erant sarcinafierent nostra per suam conversionem corona.
Auch alle andere toledanischen Konzilien benutzten, corona' nur im übertragen Sinne
von christlichen Ruhm und Ehre. Die Fundstellen siehe bei Mellado Rodriguez
(Anm. 140),corona', ,corono', ,diadema'.
142) Siehe das Stichwort ,corona' in den Verzeichnissen von LibOrd 792, und LibSacr Sp. 1025.
143) LibOrd. Sp. 154: 8-9: Itanuncpresitpopulus, utcoroneturposttransitumcum
electis.
144) ,Leges Visigothorum', II, 1,6 S. 51: 1; II,5, 19 S.119: 1; II,2, lOS. 87: 12f.;
Ijf"~
I" '11·.'
I
I
72
Alexander Pierre Bronisch
Üblicherweise wird der gelegentlich gebrauchte Begriff ,apex' als Synonym für die Krone verstanden. Messerschmidt erläutert im Reallexikon für
Antike und Christentum die verschiedenen Bedeutungen dieses Wortes. Ihm
zufolge wird ,apex' schon seit Cicero und Livius auch im Sinne von ,Tiara'
und ,Krone' verwandt I45 ). Die Untersuchung der toledanischen Konzilstexte
auf ihre Verwendung des Wortes ,apex' hin ergibt auch hier einen breiten
Bedeutungsgehalt. Beispielsweise wird im 4. Konzil von Toledo (633) die
Tonsur arianischer Kleriker mit der Scheibe auf der Mütze der Jupiterpriester verglichen, auf welcher ein Stab, der eigentliche Apex, aufsitzt, der für
diese Kopfbedeckung typisch war I46). Im 17. Konzil von Toledo (694) wird
,apex' in seiner Bedeutung als literarisches Längenzeichen verwandt I47 ). Im
6. Konzil von Toledo (638) ist in einer Wortverbindung mit ,apex' von der
Höhe oder Würde der heiligen Kanones die Rede 148).
In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle freilich dient ,apex' zur Umschreibung der Königsherrschaft1 49 ). Auf den Bedeutungsgehalt ,Krone' läßt
jedoch keine der Stellen schließen, sondern vielmehr auf den synonymen Gebrauch für culmen oderjastigium, wie in der Wendung ,provehatur ad apicem
regni' am besten zum Ausdruck kommt 150). In Isidors Gotengeschichte wird
es noch deutlicher: Der Satz apicemjastigii regalis conscendit kann nicht auf
eine Krone weiseniSI). ,Provehi' und ,conscendere' bedeuten ,besteigen'
oder ,aufsteigen' . Das läßt sich mit einer Krone nicht machen, wohl aber mit
einer Höhe oder höchsten Würde. Somit erweist sich, daß Joaquin Mellado
Rodriguez recht hat, wenn er als Übersetzung für ,apex' "cumbre, parte mas
elevada" angibt, also ,Gipfel' oder ,höchster Punkt <1 52).
II, 1,5 S. 48: 10; II, 1,6 S. 51: 16; II, 1,2 S. 46: 5; II, 1,8 S. 56: 1. Das Stichwort
,corona' hat Zeumer nicht in den Index der ,Leges Visigothorum' aufgenommen.
145) F. Messerschmidt,Art. ,Apex', iu: Reallexikon für Antike und Christentum.
Bd. 1, Stuttgart 1950, Sp. 489-493.
146) 4. Konz. v. Toledo (633), XLI, Kau. S. 206: qui prolixis ut laici comis in solo
capitis apice modicum circulum tondunt, ritus enim iste in Spanias haereticorumjuit.
147) 17. Kouz. v. Toledo (694) S. 523: nec verborum prolixa potest ratione depromi
nec litterarum apicibus adnotari.
148) 6. Konz. v. Toledo (638) S. 237: taUs inventus sacrorum ordinum apices pentius adipiscere nullo modo permittatur.
149) 5. Konz. v. Toledo (636) S. 228: quem nec electio omnium provehit nec Gothicae gentis nobilitas ad hunc honoris apicem trakit. 6. Konz. v. Toledo (638) S. 244f.:
nullus .. , provehatur ad apicem regni. 7. Kouz. v. Toledo (646) S. 251 : regni apicem sumere. 8. Kouz. v. Toledo (653) S. 284: apicem regni quisquepercipiat. S. 290: subiectis glorioso apice potuissent adtolli ? S. 295: pro regni apice probantur adquisitajuisse.
150)
151)
6. Konz. v. Toledo (636) S. 245.
HistIsid 62: 7f.
152) Mellado Rodrfguez (Anm. 140) ,apex'.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
73
6. Die Krone des Chindasvinth,'
Die zweite Stelle mit einem Bericht über eine Herrscherkrone findet
sich im Cannen Nr. 25 des Bischofs Eugenius von Toledo. Betitelt als Epitaph auf König Chindasvinth (642-653) ist es ein Schmähgedicht auf den
verstorbenen Monarchen. Darin bekennt der tote König seine Schandtaten
und bittet um das Mitleid der Lebenden zu seiner und ihrer eigenen Erlösung. Dabei hebt er in elegischen Distichen die Nichtigkeit königlicher
Würden und irdischer Schätze hervor:
Hier bin ich wieder zu Asche geworden, der ich das königliche Szepter getragen
habe. Wen der Purpur bedeckt hat, den drückt jetzt nur die Erde. Jetzt nützen mir keine
doppelt purpum gefärbten Königsgewänder, keine grünen Edelsteine, kein strahlendes
Diadem. Nun hilft kein Silber, es hilft kein glänzendes Gold, die Betten am Hof schaden mir und der Schatz gefällt mir nicht. Denn der ganze Ruhm und die Aufgeblasenheit des goldenen Lebens geht wie ein Betrüger dahin, geht bald verflüchtigt verloren.
Wirklich glücklich und glücklich nur durch die Gnade Christi ist, wer stets die
vergänglichen Reichtümer der Welt verabscheut1 53).
Der historische Kontext ist die Thronusurpation des Chindasvinth und
seine nachfolgende unerbittliche Herrschaft. Chindasvinth hatte alle seine
Gegner aus dem Adel, mehrere hundert, töten und ihre Vermögen konfiszieren lassen. Ebenso hart war er mit schweren ökonomischen Repressionen
gegen die klerikale Opposition vorgegangen 154). Eugen von Toledo hatte
auch persönliche Gründe, Chindasvinth böse Worte ins Grab nachzurufen.
Dieser nämlich hatte ihn gegen seinen Willen und den seines Gönners und
Förderers, des Bischofs Braulio von Zaragoza, als Metropolit von Toledo
eingesetzt und damit anderweitige intellektuelle Ambitionen Eugens durchkreuzt I55 ).
In dem von Eugen verfaßten Epitaph werden zwei Gegenstände explizit
als Herrscherinsignien im eigentlichen Sinne gekennzeichnet: sceptra regni
153) Eugen von Toledo, Carmina, S. 251 Nr. 25 Nr. 25: 17-26: en cinis hic redii
sceptra qui regia gessi,' / purpura quem texit, iam modo terra premit. / non mihi nunc
prosunt biblattea tegmina regni, / non gemmae virides, non diadema nitens. / non iuvat
argentum, non fulgens adiuvat aurum, / aulica fulcra nocent nec mihi gaza placet. /
~mnis enim luteae deceptrix gloria vitae / et flatus abiit, mox liquefacta perit. / felix
llle nimis et Christi munere felix, / qui terrae fragiles semper abhorret opes.
Schücking (Anm. 21) 71 Anm.l, übersetzt biblattea tegmina mit "doppelt gefärbte,
PUrpurmäntel".
.
154) Zur Regierung Chindasvinths siehe Claude (Anm. 4) 115ff.; Orlandis Rovira (Anm. 55) 160ff. Zu Chindasvinths Politik gegenüber dem Adel siehe v. a. Garcia Moreno (Anm. 1) 162ff.
155) Claude (Anm. 4) 126. Claude schließt aus Eugens Epitaph, daß er Chindasvinth haßte (ibid. S. 132). Orlandis Rovira (Anm. 55) 164.
74
Alexander Pierre Bronisch
und tegmina regni. Das Diadem rangiert erst hinter den Edelsteinen im Kontext der weltlichen Reichtümer, mit denen die Königsherrschaft verbunden
war und denen Chindasvinth zu Lebzeiten, wie das Gedicht suggeriert,
besonders zugetan war. Als herausragende, gar wichtigste Insignie der
Königswürde dürfte man anstelle des Szepters das Diadem zu Beginn der
Aufzählung herrscherlicher Attribute erwarten. Stattdessen wird es erst an
fünfter Stelle genannt, nämlich nach dem Königszepter, nach dem purpur,
dem Herrscherkleid und nach den Juwelen. In dieser Reihenfolge und im
Kontext des Epitaphs gewinnt das Diadem eher die Bedeutung eines Zeichens abzulehnender Prunksucht156).
Ähnlich verhält es sich auch an seiner Stelle in den ,Leges Visigothorum'.
Dort wird in der Form eines kleinen Fürstenspiegels die königliche Tugend
der inneren Friedenswahrung durch gerechtes und maßvolles Regieren als
Voraussetzung für den militärischen Sieg über äußere Freinde gepriesen.
Gelingt dies dem König, wird er nicht nur als guter Lenker seines Volkes und
Sieger über die Feinde gefeiert, sondern auch mit dem ewigen Leben belohnt. Nach wechselvollen Zeiten wird er ewige Ruhe haben, nach dem
nichtswürden Gold das himmlische Königreich, nach dem Diadem und dem
Purpur Ruhm und die Krone erhalteni57 ). Hier geht es um die Gegenüberstellung irdischer Attribute der Königswürde und himmlischer Attribute der
Heiligkeit. Diese Attribute sind Kennzeichen, nicht Abzeichen, äußeres Beiwerk und nicht Insignien. Für das genannte Gold erübrigt sich jede Erklärung. Purpurne Gewänder allerdings galten im Westgotenreich anders als
in Byzanz, wo sie ausschließlich dem Kaiser vorbehalten waren, nicht als
Vorrecht des Königs, sondern gebührten auch Mitgliedern des hohen
Adels 158). Die Krone erscheint hier wie übrigens auch an der einzigen Stelle
(56) Die Vermutung, daß die Erwähnung des glänzenden Diadems hier eine Metapher sein könnte, hat schon Claude (Anm. 4) 64 geäußert.
157) ,Leges Visigothorum', 1,2,6 S. 42: 16-21: Sicque bonus princeps, interna
regens et externa conquirens, dum suam pacem possidet et alienam litem obrumpit,
celebratur et in civibus rector et in hostibus victor, habiturus post labentia tempora
requiem sempiterna, post luteum aurum celestem regnum, post diadema et purpuram
gloriam et coronam; quin pocius nec deficiet esse rex, quoniam, dum regnum terre
relinquid et celeste conquirit, non erit amisse regni gloriam, sed ausisse. Mit ,corona'
ist die Krone der Märtyrer und Heiligen gemeint, die himmlische Auszeichnung [dr
irdisches Verdienst.
158) Konz. v. Narbonne (589) S. 146: Hoc regulariter definitum est ut nullus cleri-
corum vestimenta purpurea induat, quae ad iactantiam pertinent mundialem non ad
religiosorum dignitatem ... quia [pur}pura maxime laicorum potestate praeditis debetur, non religiosis. In diesem Sinne auch Claude (Anm. 4) 63f.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
75
in den Konzilstexten, an der diadema begegnet, als Symbol des weltlichen
Ruhms im Gegensatz zur corona als himmlische Auszeichnung für ein im
christlichen Sinne ruhmvolles Leben 159). Wie der Purpur durften auch
Kronen nicht nur vom König, sondern auch von anderen Persönlichkeiten in
hohen Positionen getragen werden. Doch das bedarf einer ausführlicheren
Erörterung.
IV. Kronen als Kopfschmuck des Adels
1. Ein westgotisches Zeugnis:
Als äußeres Zeichen des Reichtums, als kostbare Hauptzier, sind Kronen bei den Goten bereits für das 4.-5. Jahrhundert belegt. Percy Ernst
Schramm nennt diesen Kopfschmuck, der nicht Zeichen, sondern Zier ist,
Stirnreifen 160). Allerdings suggeriert diese begriffliche Scheidung einen
Unterschied, der sprachlich zumindest in den westgotischen Quellen kein
Äquivalent hat. Doch erlaubt eine Stelle in den, Vitas Sanctorum Patrum
Emeretensium' aus der Mitte des 7. Jahrhunderts die Annahme, daß Kronen
Im Reich von Toledo auch vom gotischen Adel getragen wurden. Darin wird
vom Traum des Knaben Augustus berichtet. Er sieht in einer paradiesischen
Landschaft goldene Gemmenkronen, seidene Schleier und unzählige Stühle,
die zur Rechten und Linken eines erhöhten Sitzes aufgestellt sind. Diener
bereiten ein Festmahl vor, und alles erwartet die Ankunft des Königs. Plötzlich betreten viele weiß gekleidete Personen die Szene, die mit Gold und
Edelsteinen geschmückt sind und die glänzende Kronen tragen. In ihrer
Mitte schreitet ein Mann von herausragendem Äußeren, der König. Als er
auf seinem erhöhten Sitz Platz nimmt, werfen sich die übrigen zu Boden und
beten ihn an, während er sie segnet. Später wird der Knabe noch Zeuge einer
Gerichtsszene I61 ).
159) 8. Konz. v. Toledo (653) S. 261 f.: In nomine Domini Flavius Reccesvindus rex
reverentissimis patribus in hac sancta synodo residentibus,' Sancti Spiritus admirabili
dono regulamfidei me[ae} solidam tenens et instructam agnoscens atque in honorem
eius diadema gloriae cum cordis humilitate prosternens ...
160) Schramm (Anm. 92) 128ff.
161) VitPatr I Z. 31-41 : "Fui in locum amenum, ubi erant multi odoriferiflores, erbe
viridissime, rose ac lilie et corone ex gemmis et auro multe, vela oloserica innumerabilia et aer tenulsflabralifrigoreflatu suo cuncta refrigerans. Ibi etiam vidi sedes innumerabiles positas ad dextera levaque. In medio vero sedis multo sublimior posita
prominebat. Ibi namque adstabant pueri innumerabiles, omnes omati et pulcri, preparantes mensas et conbibium eximium. (... ) Et prestolabant adventum domini sui
regis." I Z. 47-57: " ... subito advenit ingens multitudo candidatorum, omnes auro et
lapidibus pretiosis omati et coronis rutilantes redimiti. Et una acies ipsius multitudinis ad dextera, aUa vero ad leva parte gradiebatur, atque ita altrinsecus properantes
76
Alexander Pierre Bronisch
Die Stelle ist in vielerlei Hinsicht interessant 162). Der Knabe selbst deutet
seinen Traum als eine Vision Jesu Christi, der Engel und Heiligen und des
ewigen Lebens 163). Für uns ist die Darstellung des Königs und seines Geregi suo ineffabile obsequium exhibebant. In medio autem eorum veniebat vir splendidissimus nimiumque pulcerrimus, forma decorus, aspectu gloriosus, statura procerior cunctis, lucidior sole, candidior nive. Quumque pervenisset ad preparatas
sedes, sedit pulcrior ille vir in eminentiori loco, ceteri vero procidentes adorantesque
eum residerunt in sedibus suis. Statim denique benedixit omnes. (... )." Die Quelle
entstand zwischen 633 und 638. Siehe 1 oseph N. Garvin (Hg. u. Übers.), The Vztas
Sanctorum Patrum Emeretensium, Text and Translation, with an Introduction and
Commentary (Studies in Medieval and Renaissance Latin Language and Literature,
Bd. 19), Washington D.C. 1946, S. Iff. u. Maya Sanchez, Vitas SanctorumPatrum
Emeretensium (Anm. 13) LV.
162) Allegorien dieser Art bergen bei der Interpretation die Gefahr einer Überdehnung, da in manchen Punkten nicht klar entschieden werden kann, welches Bild der
damaligen Realität entlehnt ist, und welches auf gängige lenseitsvorstellungen dieser
Zeit anspielt. So die Stelle, als sich alle zum Zeichen der Verehrung niederwerfen: Es
könnte dies ein Hinweis auf die Praxis der Proskynese am westgotischen Hofe sein.
Eine andere Stelle wirkt durch die Parallelität wie ein kleiner Fürstenspiegel, wenn der
König im Traume zum Knaben sagt ,,NoZi timere, fili. Scito quia protector tuuS ero.
Numquam tibi aliquid deerit. Ego te semper pascam, ego te semper vestiam, ego te
omni tempore protegam et numquam derelinquam" (ibid. I: 65-68 S. 10). An erster
Stelle freilich steht der biblische Anklang. Der König gibt sich als guter Hirte und damit als Gott zu erkennen (vgl. Garvin (Anm. 161) 293). Eine Allegorie auf das himmlische Königreich durch Beschreibung des irdischen bot den Zeitgenossen des Anonymus Raum, auch aktuelle politische Anspielungen zu entdecken. Vielleicht ist eine
solche die seltsame Antwort des Knaben auf die zweifellos politische Frage des
Berichterstatters, ob er unter den im Traume durch Christus/den König verurteilten
Personen auch Berühmtheiten seiner Zeit erkannt hätte. Denn er erwidert, alle ihn
Umstehenden sähen ganz anders aus und seien anders gekleidet als jene im Traum. Es
umgeben ihn im Bericht aber nur Kleriker. (Zur Bedeutung von ,pueruli', zu denen
Augustus gehört, siehe Cesar Chaparro G6mez, "Famulus" y "Servus" y otr~S
terminos referidos al "servicio" en "Vitas Sanctorum Patrum Emeretensium", in: PrImeras Jornadas sobre manifestaci6nes religiosas en la Lusitania (marzo 1984), Caceres 1986, Bd. 1 S. 57: "En este caso se trata de un grupo de j6venes adolescentes que
bajo Ia supervisi6n deI praepositus, realizan un servicio liturgico, a la vez que san instruidos para convertirse despues en clerigos. ") Das könnte u. a. eine Anspielung auf
das Verhältnis der Kirche zum Reich sein; ibid. I: 83-87 S. 11: Rursumque sciscitans
dixi: "Queso, fili, ut mici dicas si aliquem agnovisti ibidem de his qui nobis in hoc
seculo cogniti fuerunt et iam de hac luce arcessiti migraverunt ". Ad hec ille ayt: "Homines quos ibi vidi longe erant ab his hominibus quos videmus modo, nam aliajonna
et alio habitu decorati sunt omnes. "Wegen des Präsens ,decorati sunt' beziehe ich diesen Satz anders als in der Übersetzung von Garvin (Anm. 161) 145, auf die Umstehenden und nicht auf die im Traume Verurteilten.
163) Ibid. 1. 5 S. 138: " ... verum etiam ipsum vitae aeternae auctorem dominutn
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
77
folges wichtig. Denn die Szene wird ohne direkte Anspielungen auf ihre
geistige Bedeutung allegorisch als Hof eines Königs beschrieben und kann
deshalb Hinweise auf das westgotische HofzeremonieU geben l64). Schon
Dietrich Claude meinte dazu: "Da hier vom himmlischen König die Rede
ist, liegt die Vermutung nahe, daß der Schilderung reale Verhältnisse des
westgotischen Königshofes zu Grunde liegen"165). Gleich zu Beginn der
Traumschilderung werden Objekte genannt, die sich typischerweise bei
Hofe finden: Kronen und seidene SchleierI66). Der König ist von den übrigen durch seine erhöhte Sitzposition hervorgehoben - ein weiterer Hinweis
auf den erhöhten Thron der westgotischen Herrscher -, nicht aber durch eine
Krone. Eine solche wird für ihn gar nicht erwähnt. Die Magnaten und Adligen aber, die mit dem König tafeln, sind nicht nur in prachtvolle Gewänder
gehüllt, sondern zeichnen sich auch durch ihre Kronen aus. Freilich sind die
Tischgenossen des Königs durch ihre Kronen vor allem als Märtyrer ausgewiesen. Doch die Gesamtkonzeption der Allegorie mit einem westgotischen
Königshof legt die Vermutung nahe, daß der Vergleich zu den Märtyrerkronen der Heiligen so nicht gezogen worden wäre, wenn nicht auch in der
Wirklichkeit der hohe Adel am Hofe goldene Stirnreifen getragen hätte I67).
2. Gotische Kronen in arabischen Überlieferungen:
Eine Bestätigung dafür, daß Kronen bei den Goten in Spanien kein besonderes Zeichen der Königswürde waren, sondern auch von Angehörigen
des Hochadels getragen wurden, und das Tragen einer Krone somit nicht ein
Vorrecht und deshalb auch keine spezifische Königsinsignie war, findet sich
Ihesum Christum cum angelorum catervas atque omnium sanctorum innumerabiles
multitudines me vidisse confiteor."
164) Von daher erscheint es mir auch angemessener, multitudo candidatorum nicht
interpretierend mit "multitude of saints" zu übersetzen, wie dies Garvin (Anm. 161)
141 u. S. 290.
165) Claude (Anm. 4) 67.
166) Seide war v. a. ein bei Hofe gebräuchlicher Stoff. Bischof Masona von M6rida
wird bei der großen Osterprozession geschildert. Wie einem König schritten ihm Bedienstete mit seidenen Mänteln voran. VitPatr V. m z. 53 f. : plumiri pueri clamides
olisericas induentes quoram eo quasi quoram rege incederent. S. a. den Kommentar
zu ,clamides olosericas' bei Garvin (Anm. 161) 44lf.
167) Tellenbach hat vereinzelte Nachrichten über Herzogskronen in karolingischer
und frühdeutscher Zeit untersucht die vielleicht ähnlich wie Patrizier, Konsuln oder
Könige" vom Kaiser verliehen w~rde; waren: Gerd Tellenbach, Über Herzogskronen und Herzogshüte im Mittelalter, in: Deutsches Archiv für Geschichte des
Mittelalters 5 (1942) 55-71; Nachdr. in: ders., Ausgewählte Abhandlungen und
AUfSätze, Bd. 4, Stuttgart 1989, S. 1183-1199. Ob die westgotischen Adelskronen
ebenfalls als Amtsabzeichen vom König verliehen wurden, bleibt völlig im Dunkeln.
78
Alexander Pierre Bronisch
in Berichten der Muslime über die reiche Beute, die sie bei den Goten gemacht haben. AI-Makkari überliefert in seiner umfangreichen Kompilation,
• 168)
daß in Toledo 170 golden Gemmenkronen aufgefunden worden selen
.
Das können freilich auch Votivkronen gewesen sein. Deutlicher ist der Bericht des Ibn al-Qutiyya über die Rückkehr Muzas aus Spanien. Er erzählt,
wie der muslimische Gouverneur Spaniens 400 gefangene Söhne aus de111
Hochadel, alle mit goldenen Diademen bekrönt, als Geschenk für den Kalifen mit sich führte!69). Auch Pseudo-Ibn Qutayba überliefert, wie Muza die
christlichen Gefangenen mit ihren Kronen schmücken läßt, bevor er mit ihnen dem Sohn des Kalifen gegenübertritt!70). Die besondere Hervorhebung
des Diadems im Ornat der Großen des Reichs läßt darauf schließen, daß die
Muslime von dieser Kopfzier besonders beeindruckt waren. In der Version
von Ibn AbI Riqa' führt Muza 100 Berberfürsten, 20 Könige aus "Rum" und
100 Könige von al-Andalus mit sich I7 !). Der Bericht von der Wegführung
der gotischen Großen ist in vielen arabischen Chroniken überliefert und
wird durch die mozarabische Chronik von 754 bestätigt. Dort wird berichtet, wie Muza auf Befehl des Kalifen Spanien verläßt und als Geschenke
spanische Edle, die dem Tod entronnen waren, und immense Schätze mitbringt 172). Daß es sich bei den Diademen der Adelssöhne aber nicht u111
Königskronen handelte, zeigt die undifferenzierte Verwendung des Wortes
König im ,Ajbar Maymu'a'. Denn nicht nur Rodrigo, sondern auch andere
hohe adlige Funktionäre werden in dieser islamischen Quelle Könige ge168) AI-Makkari (Anm. 82) Bd. 2 S. 7. Zu al-Makkari siehe Claudio SanchezAlb 0 rn 0 z y Me n d u i fi a, En torno a los origenes deI feudalismo, Bd. 2: Los arabes
y el regimen prefeudal carolingio, Fuentes de la historia hispano-musulmana deI siglo
VIII, Mendoza 1942 (Nachdr. Madrid 1993), S. 346ff.
169) Abenalcotfa (Anm. 76) 7: Pusose en camino Muza, hijo de Nosair, llevando
consigo 400 hijos de jefes espafioles que llevaban sobre sus cabezas coronas de oro Y
el cuerpo cefiido con cinturones del mismo metal.
170) "Al-Imamato ua as-Siasato" von Abencotaiba (Pseudo-Ibn Qutayba), in:
Ribera (Anm. 76) 136: Muza habfa previamente ordenado a los de su sequito que
vistieran y adornaran a todos los cautivos que consigo habfa trafdo, y que les pusieran
a cada uno su diadema de oro y los mantos que en otro tiemo habfa usado los senores
de las diademas. Les dijo que vistiesen a treinta de los mejor formados con hdbitoS
reales y reales coronas. Siehe auch S. 121f.
171)
Antufia (Anm. 82) 262.
172) Chr 754 56. Siehe auch Pascual de Gayangos, Mernoria sobre la autentici-
dad de la cr6nica denorninada deI moro Rasis leida en la Real Academia de la Historia, in: Mernorias de la Real Academia de la Historia 8 (1852) S. 386 (80): " ... que
qu~ndo Muga sali6 de Cordova, que se iba para aBende el rnar, que fueron con e110s
rneJores hornes de Espafia ... "; Ibn al-Kardabfis (Anm. 82) 68.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
79
nannt I73 ). Zwar berichtet die Chronik des Rasis, daß sich die Bewohner der
wichtigsten Städte Spaniens, C6rdoba, Sevilla, Toledo, M6rida und Elvira,
nach dem Tode Rodrigos unter neue Könige gestellt hätten I74). Aber es ist
wohl eher an die nun bindungslos gewordene Herrschaft ortsansässiger
Hochadliger zu denken. In dieser Chronik werden nämlich auch alle muslimischen Gouverneure Spaniens als Könige bezeichnet I75 ).
V. Muslimische Legenden
Die bisherigen Ergebnisse führen freilich zu einer gehörigen Portion
Skepsis gegenüber Berichten in arabischen Chroniken, in denen die Krone
als ein gotisches Königsinsigne erscheint, und für die bislang in der Forschung kein Anlaß gesehen wurde. In der Chronik des Ibn 'Abd al-Hakam
(803-870/71) über die Eroberung Nordafrikas und Spaniens wird erzählt,
wie sich Rodrigo im vollen Schmuck und unter der Krone zur Schlacht mit
den Sarazenen begibt I76). Auch die Chronik Fath al-Andalus, entstanden um
die Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert, und die Kompilation des Ibn 'Idari
vom Ende des 13. Jahrhunderts geben diesen Bericht wieder I77). Am deutlichsten aber scheint die Legende vom muslimischen Gouverneur von alAndalus, 'Abd al-' AZlz, für die Existenz von Königskronen bei den Goten
173) AjMr MaymCt' a (Anm. 86), z. B. ein König von C6rdoba, S. 24, 31 ; 27: Cuando
lIeg6 Moguits, estaba sentado sobre su escudo y se entreg6 prisionero, siendo el unico
de los reyes cristianos que fue aprehendido, pues los restantes, 6 se entregaron por capitulacion 6 huyeron a Galicia.
174) Gayangos, Cr6nica deI moro Rasis (Anm. 172) 375 (69). Diego Catalanl
Marfa Soledad de Andres (Übers.), Cr6nica deI moro Rasis versi6n deI ajbär
mulfik al-andalus de ahmad ibn muhammad ibn musa al-rilz!, 889-955, romanzada
para el rey don dionfs de portugal hacia 1300 por mahomad, alarife, y gil perez, c1erigo
de don perianes porgel, Madrid 1975, S. 353.
175) Gay an g 0 s, Cr6nica deI moro Rasis, S. 389 (83) ff. Gayangos vermerkt in einer
FUßnote, S. 373 (67) Anm. 1: ",Reyes' traduccion literal de la palabra ... moluk, con
que los historiadores arabes design an constantemente a los nobles 6 magnates de la
monarqufa goda." S. a. Münzel (Anm. 75) 47f.
176) Eliseo Vidal B eltran (Übers.), Ibn' Abd al-Hakam, Conquista deAfrica deI
Norte y de Espafia, Valencia 1966, S. 46: Rodrigo iba sentado en su trono real, colocado entre dos mulos que 10 llevaban. Mostraba diadema y guantes e iba revestido de
todos los adornos reales tradicionales.
177) Fatho-I-Andalugi (Anm. 80) 7f. S. a. Claudio Sanchez-Albornoz y
Menduifia, EI "Ajbär Maymu'a", Cuestiones historiognfficos que suscita, Buenos
Aires 1944, S. 272f., 314. Zur Datierung siehe ibid. S. 271 u. Pedro Chalmeta
Gendr6, Una historia discontinua eintemporal (Jabar), in: Hispania 123 (1973)
S. 62f.; Luis Molina Fath al-Andalus (La conquista de al-AndaIus) (Fuentes
arabico-hispanas, Bd. 18), Madrid 1994, S. XXXIT. Ibn '!dari, AI-Bayanol'l-Mogrib
(Anm. 82) Bd. 2 S. llf. Zur Datierung siehe Bd. 1 (Algier 1991) S. 1.
80
Alexander Pierre Bronisch
zu sprechen. Im ,Ajbtir Maymu' a' sowie in der Chronik des Rasis, die auf
einer islamischen Quelle vom letzten Drittel des 10. Jahrhunderts basiert
und in einer vom Portugiesischen ins Kastilische übertragenen Version überliefert ist, wird berichtet, wie 'Abd al-' AZlz von seiner Frau Egilo, der
Witwe des letzten Gotenkönigs Rodrigo, dazu überredet wird, eine goldene
Gemmenkrone zu tragen. Die Gotenkönigin versucht ihren muslimischen
Gatten mit dem Argument zu überzeugen, ein König ohne Krone sei ein
König ohne Reich. Die Frau eines anderen muslimischen Beamten,
ebenfalls eine hohe gotische Adlige - sie wird als Königstochter bezeichnet,
nicht aber als Tochter der Frau des Rodrigo - sieht' Abd al-' AZlz in seinem
Palast mit der Krone auf dem Haupt und bietet nun ihrem Mann an, ihm
ebenfalls eine Krone anzufertigen. Der aber lehnt das als unislamisch ab.
, Abd al-' AzlZ wird schließlich wegen seiner Krone von anderen Moslems
für einen Apostaten gehalten und umgebracht I78). In der Chronik des Ibn
'!dari ist diese Legende mit dem Zusatz versehen, der Mordauftrag sei vom
Kalifen Sulayman ergangen, dem 'Abd al-' AZlz den Gehorsam verweigert
hatte I79 ). Den Kalifen als Auftraggeber des Mordes nennen auch Ibn alQutiyya und Pseudo-Ibn Qutayba. Doch überliefern sie nicht die Legende
von der Krone des spanisch-muslimischen Gouverneurs I80 ).
Die Chronik des Ibn' Abd al-Hakam, die des Rasis und die des al-Makkarf berichten auch, wie sich die Witwe Rodrigos bei ihrem Mann darüber
beschwert, daß sich das Volk nicht vor ihm verbeugt und dadurch seine
Reverenz erweist. Dieser läßt daraufhin das große Portal seines Palastes
vermauern und stattdessen eine kleine Pforte errichten, so daß jedermann
nur in gebückter Haltung eintreten konnte I81 ).
178) Siehe die Legende in beiden Versionen bei Sanchez-Albornoz (Anm. 177)
22lf., Appendix S. 40Sf. Im AjMr Maymtl'a nach der Übersetzung von Lafuente Y
Alcantara (Anm. 86) 3lf., lautet die Stelle: Un rey sin corona es un rey sin reino. In
der "Cr6nica deI moro Rasis" heißt es nach Gayangos (Anm. 172) 388 (82): ." ni~­
guno en Espanyajue confirmado, si ante non tuviesse corona en su cabe~a. S. a. di~
Version des Manuskripts von Kopenhagen aus dem 17. Jahrhundert be~
Catalanl Andres (Anm. 174) 363: ca ninguno en Espafiajue confirmado en rrey si
ante non tobiesse corona en la cabeza. (... ) Muchas buenas razones ay porque la
corona ha de ser puesta e non vos enpeze nada, e non abra quien os vea que non VOS
conozca por rrey, evas e los atros conaceredes a Dios por ella.
Ibn 'Idari, AI-Bayano'l-Mogrib (Anm. 82) Bd. 2 S. 30f.
Ribera (Anm. 76) 8, 146ff.
181) Ibn' Abd al-Hakam (Anm. 176) SOff.; al-Makkari (Anm. 82) Bd. 2 S. 31, wobei .in diesen beiden Chroniken nur die Episode der kleinen Pforte, nicht die O~­
schichte der Krone wiedergegeben ist. Gayangos (Anm. 172) 388 (82). Ibn 'ldan,
Al-Bayano'l-Mogrib (Anm. 82) Bd. 2 S. 3lf.; Catalanl Andres (Anm. 174) 363f.
179)
180)
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
81
Sanchez-Albornoz deutet die Legende um 'Abd al-'Azlz und seine
Frau als muslimische Erfindung, um als Erklärung für den Mord ein akzeptables Motiv zu geben und damit das gute Andenken an den Herrscher in
Damaskus zu wahren, der den Auftrag zur Ermordung des Gouverneurs von
Spanien gegeben hatte. Denn der Kalif gehörte zum Herrschergeschlecht der
Omayyaden, aus dem auch die späteren andalusischen Emire und Kalifen
stammten 182). Doch ist dieses Argument nicht stichhaltig. Auch der PseudoIbn Qutayba überliefert die Ermordung des 'Abd al-Azlz, allerdings ohne
die Geschichte von der Krone. Mit gleichem Recht ließe sich nun annehmen,
daß in dieser Chronik die Legende, die ein ungünstiges Bild vom muslimischen Gouverneur zeichnet, nur deshalb unterdrückt wird und die Version
eines heimtückischen Komplotts überliefert, weil ihr Autor, wie SanchezAlbomoz selbst angibt, zur Familie des Ermordeten gehörte183). Was
Sanchez-Albornoz nicht erwähnt, ist daß auch Ibn al-Qutiyya auf die
Kronen-Legende verzichtet und als Auftraggeber für die Ermordung des
'Abd al-' AZlz den omayyadischen Kalifen Sulayman nennt, obwohl er
selbst zur Familie der Nachfahren des Gotenkönigs Witiza gehörte, die den
Omayyaden stets eng verbunden war 184). Angesichts dessen erscheint die
Deutung der Legenden als Erfindungen einer pro-omayyadischen Partei
wenig überzeugend, wenngleich man Sanchez-Albomoz darin zustimmen
kann, daß die Erklärung für den Mord an 'Abd al-' AZlz bei Ibn al-Qutiyya
und beim Pseudo-Ibn Qutayba wohl der Wahrheit entspricht.
Zweifelsohne haben diese Legenden einen historischen Kern. Bereits die
,mozarabische' Chronik von 754 berichtet, 'Abd al-' AZlz habe Spanien
während dreier Jahre befriedet, die Gotenkönigin geheiratet, sich Töchter
der Könige zu Konkubinen genommen und in Sevilla mit Reichtum und
Ehren geprotzt, bis er durch eine Verschwörung beim Gebet getötet worden
sei. Der Verschwörer Ayub habe später seine Tat mit der Behauptung
gerechtfertigt, 'Abd al-' AZlz habe auf Betreiben seiner Frau versucht, das
arabisch Joch abzuwerfen und ein eigenes iberisches Reich zu errichDie Legende von der Krone und von der Pforte findet sich vereint bei Fatho-LAndalugi, hg. v. Gonzalez (Anm. 80) 23ff.
182) Sanchez-Albornoz y Menduiiia, La Espaiia musulmana segUn los autores islamitas y cristianos medievales, Buenos Aires 1946, S. 53.
183) Ibid. S. 53. Diese Auffassung vertritt auch Mahmfid 'AU Makki, Egipto y
los origenes de la historiografia arabigo-espaiiola, Contribuci6n al estudio de las ~ri­
meras fuentes de historia hispanomusulmana, in: Revista deI Instituto de Estudios
Isliimicos en Madrid 5 (1957) S. 213ff., 217.
184) Ribera, Historia de la conquista de Espafia (Anm. 76) XII, XIX, XXIII,
XXxf., sowie S. 8.
6
Zeitschrift fUr Rechtsgeschichte. CXVI. Genn. Abt.
82
Alexander Pierre Bronisch
ten 18S). Für die Richtigkeit dieser Behauptung spricht die von den arabischen
Chroniken bestätigte Ehe mit der Witwe des Gotenkönigs. Entsprechendder
westgotischen Tradition fühlten sich die Gefolgsleute des Königs auch
dessen Witwe verpflichtet. Durch die Heirat mit der Witwe gelangte ein
Anwärter auf den Thron nicht nur zu ihrem Reichtum, sondern auch zu
ihrem Einfluß. Der Sohn aus einer solchen Verbindung besaß zudem eine
unabdingbare Voraussetzung für die Königswürde, nämlich eine Mutter aus
königlichem Geblüt186). Die Heirat des' Abd al-' AZlz mit Egilo kann demnach als Versuch gewertet werden, die Herrschaft der Invasoren durch An187
knüpfung an die traditionelle Herrschaftslinie zu konsolidieren ). Claude
hat diese Politik als den "interessanten Versuch einer an westgotischen
188
Legitimismus anknüpfenden hybriden Reichsbildung" gewertet ). Freilic~
konnte der Kalif diesen ersten Versuch einer Verselbständigung des mushmischen Spaniens innerhalb der arabischen Welt mit seinem Mordauftrag
verhindern.
Die wichtigen arabischen Chroniken zur Geschichte Spaniens sind
großenteils Kompilationen älterer Werke, die von ihren Verfassern nach
einem eklektischen Prinzip miteinander verquickt wurden und teilweise auf
mündliche Traditionen und Legenden zurückgehen 189). Es gibt Hinweise,
daß auch die Geschichte von der Krone des' Abd al-' AZlz nicht das Werk
·~go
) Chr 754 59: Abdellazis omnem Spaniam per annos tres sub censuarlO
I
lli
pacijicans, cum Spalim divitiis et honorum fascibus cum reginam Spanie in coniugio
copulatam velfilias regum hac principum pelicatas et inprudenter distractas extua ret,
seditione suorum facta orationi instans ob consilio Aiub occiditur... Cui de mO rte
Abdillazis ita edicitur, ut quasi consilio Egilonis regine ... iugum Arabicum a sua
cervice conaret evertere et regnum invasum Iberie sibimet retemtare.
186) J ose Orlandis Rovira, La reina en la monarqufa visigoda, in: ders., EI poderrealyla sucesi6n al tronoenlamonarqufa visigoda, Rom u. Madrid 1962, S. 106ff.
Zur Heirat der Egilo S. 1l4f. S. 112: "Entonces la reina representaba un verdadero
poder, disponfa de una fuerza polftica que ofrecer al magnate que contrajera con ~!la
nuevo matrimonio y que podfa hacer uso de ella para intentar ascender al trono 0 bleu
para consolidarse en e1. "
187) Allerdings verstieß sie gegen einige Kanones der westgotischen Konzilien, d~e
der Witwe des Königs eine erneute Heirat verbaten und ihr sogar den Eintritt in elll
Kloster vorschrieben. Diese Vorschriften waren zum Schutz der Witwe, ihrer Kinder
und des Reiches vor Usurpatoren erlassen worden. Ibid. S. 115 ff. 13. Konz. v. ToledO
(683) Kan. V S. 421. 3. Konz. v. Zaragoza (691) Kan. V S. 479.
188) Dietrich Claude, Untersuchungen zum Untergang des Westgotenreichs
~?11-725), in: Historisches Jahrbuch 108 (1988) 329-358, S. 353. Eine arabische
Ube~lieferung schildert des Tod des' Abd al-' AZlz als Mord aus machtpolitischen Gründe~8:m Auftrage Sultan Suleymans. Siehe al-Makkari (Anm. 82) Bd. 2 App. A S. Iff.
) Chalmeta (Anm. 177) passim.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
83
gelehrter Muslime ist, sondern ihren Ursprung in einer mündlichen Überlieferung hat. So fällt auf, daß nur vom äußerlichen Erscheinungsbild des
Gotenkönigs berichtet wird. Der König wird so geschildert, wie er sich den
Muslimen darstellte bzw. so, wie er ihnen beschrieben wurde. Neben der
Krone l90) werden auch andere Ausstattungsstücke des Königs erwähnt. Die
Chronik Ajbiir Maymu' a, eine Sammlung historischer Überlieferungen, die
vermutlich um 835 zusammengestellt wurde, gibt eine Beschreibung des
goldenen und mit Rubinen und Smaragden verzierten Sattels König Rodrigos und seines goldbestickten und mit Perlen und Rubinen besetzten Mantels, der auf dem Schlachtfeld gefunden wurde I91 ). Mäntel und königliche
Gewänder werden auch in der Geschichte der Eroberung Spaniens des
Pseudo-Ibn Qutayba erwähnt I92). Im ,Bayan' des Ibn '!dari und in der
Kompilation des al-Makkarf wird schließlich noch ein zurückgebliebener
silberner Stiefel Rodrigos als letzte Spur des Königs nach dem Kampf
erwähnt I93 ). Die Beschreibung als prachtvolle Stücke der Schatzkunst aber
dient nirgends der Hervorhebung ihrer Funktion, sondern vielmehr der
Betonung des Prunks, mit dem der westgotische König umgeben war I94).
Von der Salbung als dem eigentlichen Weiheakt der Könige haben die muslitnischen Chronisten offenbar keine Kenntniss. So drängt sich der Verdacht
auf, daß die Auffassung, ein König ohne Krone sei ein König ohne Reich,
eine Schlußfolgerung aus dem war, was sich den mit der westgotischen Tradition nicht vertrauten Muslimen darbot. Sie erlebten das Bemühen der
Witwe Rodrigos, auch als Gattin des muslimischen Gouverneurs wie eine
westgotische Königin aufzutreten, und gleichermaßen das Bestreben des
~euen Machthabers, an die westgotische Herrschaftstradition anzuknüpfen
190)
Siehe oben Anm. 176 u. Anm. 177.
191)
Ajbflr Maymfi'a (Anm. 86) 22. S. a. al-Makkari (Anm. 82) Bd. 1 S. 274. Die
Datierung ist umstritten. Juän Ribera nennt die Zeit des spanischen Kalifen 'Abd
al-Rahman (912-961), Sanchez-Albornoz das erste Drittel des 11. Jahrhunderts:
Ribera, Historiadela conquista (Anm. 76) XVll; Sanchez-Albornoz (Anm. 177)
39. Zur Datierung ins 9. Jahrhundert siehe Cha1meta (Anm. 177) 54.
192) "AI-Imamato ua as-Siasato" von Abencotaiba (Pseudo-Ibn Qutayba), in:
Ribera, Historia de la conquista de Espafia (Anm. 76) 136f.
193) Ibn 'Idari, Al-Bayano'l-Mogrib, Bd. 2 S. 13. al-Makkari, Bd. 1 S. 274. Ebenso
Ibn al-Kardabüs, S. 63 (alle oben Anm. 82).
194) Siehe hierzu auch das Urteil von Julian Ribera y Tarrag6, Epica andaluza
romanceada, in: ders., Disertaciones y opusculos, Edici6n colectiva que en su jubilaci6n deI profesorado le ofrecen sus discfpulos Y amigos (1887-1927), Madrid 1928,
s. 117: "Aun las leyendas acerca de D. Rodrigo, en las que est~ rey aparec~ en las
batallas vestido a la oriental sobre trono adornado de piedras preclOsas, etc., tlenen el
seno de la literatura legendaria de Oriente, que correrfa en arabe. "
6*
(,
,,'
)'
I
!I
84
Alexander Pierre Bronisch
und es den alten Gotenkönigen gleichzutun I95 ). Diese Anekdoten sind von
der Unkenntnis der wirklichen Verhältnisse geprägt, d. h. es werden kausale
Zusammenhänge hergestellt, die tatsächlich nur das Ergebnis von Fehldeutungen sind. Offenbar trugen alle hochgestellten gotischen Persönlichkeiten
Kronen. Die Fehldeutung war, daß sie erst durch diese Kronen zu dem wurI96
den, was sie waren, daß sie also ohne Kronen keine Könige sein konnten ).
Die Vermutung, daß diese Anekdote das Ergebnis falscher Schlußfolgerungen ist, läßt sich am Motiv der kleinen Maueröffnung erhärten, die jeden
Eintretenden zur Proskynese zwingt. Das gleiche Motiv taucht nämlich in
einem völlig anderen Zusammenhang auch bei einem anderen Chronisten
auf. Es findet sich im Bericht über eine Delegation des Emirs 'Abd alRahmän ll. (822-852) zu den Normannen. Der muslimische Botschafter
hatte die Bedingung gestellt, daß er sich nicht vor dem Normannenkönig
verbeugen müsse. Das war ihm gewährt worden. Aber der König hatte die
Eingangstüre zum Audienzsaal so niedrig bauen lassen, daß man nicht eintreten konnte, ohne sich zu bücken. Der Botschafter löste das protokollarische Problem, indem er mit den Füßen voran durch die Türe kroch I97 ).
"1
195) Zur Bestimmung der Herkunft von Legenden in der hispanisch-arabischen Bistoriographie nach den drei hierfür wesentlichen Bevölkerungsgruppen in al-Andalus,
der christlich-mozarabischen Gruppe, der Gruppe der Muladfes _ Muslime hispanogotischer Herkunft- und ,nationalistisch-hispanisch' eingestellter Muslime, sowie der
muslimischen Gruppen mit vornehmlich arabischem, syrischem oder berberischem
Selbstverständnis siehe Ribera y Tarrag6 (Anm. 194), v. a. S. 106ff. Ribera fragt
jeweils auch nach dem Zweck einer Legende.
• 196) Z:ur Aufnahme mündlicher Überlieferungen in die hispanisch-arabischen ~hro­
niken, Siehe Chalmeta (Anm. 177) 30ff., 40f., 44, 55. Münzel versucht, die Legende u~ , Abd al-' AZlz und Egilo als Spiegelung der andalusischen Gesellschaft zU
deute~, 10 welcher die Position, die den einzelnen Gruppen zukommt _ Christen und
~ushme, und unter den Christen Anhänger Rodrigos und der Witizaner-, exernp~a­
nsc~ darges~ellt wird. Sie gelangt aber nach eigenem Bekenntnis "nicht zu einer eilldeutlgen, wIderspruchsfreien Erklärung der Anekdote". Siehe Münzel (Anm. 75 )
89ff., 93.
197) D'
L
d
.
. her
..
lese ~gen e ~us Matrzb von Ibn Dihya ist wiedergegeben in spaU1s~
UbersetzungbelFranclsco Pons Boigues Los historiadores y ge6grafos arablgoespanoles. 800-1~~0 A. D. Ensayo de un dicdionano bio-bibliografico, acompan ada
de anotaclones cntlCas y hist6ricas, descripciones analiticas de las obras, Amsterdam
1972 (Nac~dr. der Ausgabe Ensayo bio-bibliografico sobre los historiadores Y ~e6grafos arab~go-eSpafioles, Madrid 1898), S. 38ff. Ibn Dihya übernimmt den Bericht
vo~ C~oru~t~n Temam b. Arnir b. Alcama, einem Zeitgenossen dieser angeblic~en
Erelgrusse. (ibid. S. 39 ~nm. 1). S. a. Sanchez-Albornoz (Anm. 182) 151ff. Eine
deut~che Übersetzung gIbt Georg J aco b, Arabische Berichte von Gesandten an germaruscheFürstenhöfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert, Berlin u. Leipzig 1927, S. 38f.
Krönungsritus und Kronenbrauch im Westgotenreich
85
Bei diesem Motiv handelt es sic,h meines Erachtens wie bei den Kronen
um eine Fehldeutung hinsichtlich ihrer Funktion. Die schmale und niedrige
Pforte könnte beispielsweise aus militärischen Erwägungen heraus angelegt
worden sein, damit mögliche Angreifer nur einzeln und in gebückter Haltung in das Innere des Gebäudes oder Saales gelangen konnten. Bat Ye' 0 r
verweist auf Reiseberichte durch Persien und Yemen vom Anfang des
20. Jahrhunderts, nach welchen es in diesen Ländern der nichtislamischen
Bevölkerung, den sogenannten ,Dhimmies' , nach alter Sitte vorgeschrieben
war, ihre Häuser mit niedrigen Türen zu versehen, so daß sie gezwungen
waren, in gebückter Haltung aus- und einzugehen. Dies sei zu ihrer Erniedrigung gedacht gewesen I98). Die muslimischen Besucher könnten demnach
die kleinen Türen vor dem Hintergrund ihres eigenen Erfahrungshorizonts
gedeutet haben. Die Legende über den Zusammenhang zwischen Pforte und
Proskynese muß also gar nicht frei erfunden sein, sondern könnte das Ergebnis oberflächlicher Kenntnisse der fremden Gebräuche und der Funktion
von Gegenständen und Einrichtungen sein. Für die Legenden, in denen von
der Bedeutung der Königskronen die Rede ist, bedeutet das, daß die islamischen Chronisten des Mittelalters offenbar in Unkenntnis des tatsächlichen
westgotischen Hofzeremoniells weder die sachlich falschen Zusammenhänge noch den satirischen Charakter der Erzählungen erkannten und sie infolgedessen als scheinbar glaubhafte Berichte in ihre Werke aufgenommen
haben.
VI. Ergebnisse
Die Könige im westgotischen Reich von Toledo wurden zu ihrer Königsweihe gesalbt. Sämtliche Indizien, die auf eine zusätzliche zeremonielle
oder gar konstitutive Krönung deuten könnten, erwiesen sich als formelhafte
Wendungen, die im Falle der Liturgie als Bibelzitate übernommen wurden,
im Falle der Historiographie als metonymischer Sprachgebrauch bei Isidor
von Sevilla bzw. als Übernahmen griechisch-byzantinischer Formeln in der
mozarabischen Chronik von 754 zu identifizieren sind. Die angebliche
Selbstkrönung König Rodrigos in der Chronik des Ibn al-Qfttiyya ist das
Ergebnis einer zu freien und interpretierenden Übersetzung einer arabischen
Textstelle. Tatsächlich handelte es sich nicht um eine Krönung, sondern
um einen nicht mehr näher zu bestimmenden zeremonieIlen Akt mit einer
Weihekrone.
198) Bat Ye' 0 r, The Dhimmi, Jews and Christians under Islam, übers. aus dem
Französischen v. David Maisel/Paul FentonIDavid Littmann/Rutherford
u.a. 1985, S. 64.
86
Alexander Pierre Bronisch
Die Analyse sämtlicher Zeugnisse für die Existenz von Königskronen bei
den Westgoten ergab, daß sie zum äußeren Prunk des Königs gehörten und
ein Zeichen höchster Würde, ein diadema gloriae waren, wie die Formulierung in den Akten des 8. Konzils von Toledo lautet. Aber sie waren ebenso
wie der Purpur kein Vorrecht der Könige, kein diadema regni, sondern konnten auch vom hohen Adel getragen werden. Kronen waren somit im Westgotenreich von Toledo kein spezifisches Königsinsigne. Diese Bedeutung
hatten nur das Szepter, der Thron und das Königsgewand.
Daß überhaupt bis heute ganz selbstverständlich von Krönung und Kronenbrauch bei den Westgoten ausgegangen wird, dürfte wesentlich an den
scheinbar eindeutigen Belegen in den arabischen Chroniken liegen. Erst die
genauere Analyse führte dann zu den gegenteiligen Ergebnissen. Als ungeplantes Nebenprodukt dieser Untersuchung zeigt sich somit erneut, mit welcher Vorsicht nicht nur die Übersetzungen arabischer Texte benutzt werden
müssen, besonders wenn sich daran weitreichende Schlußfolgerungen
knüpfen, sondern auch wie diffizil überhaupt der Umgang mit diesem Quellenrnaterial ist, das häufig auf legendenhaften Überlieferungen besteht. Die
Anekdote von der Krone des' Abd al-' AZlz und das Motiv der niedrigen
Pforte können dafür geradezu als Paradebeispiele dienen I99 ).
199) Vergleichbar ist die in arabischen Chroniken überlieferte Ermordung der 5300
Aufständischen Im Alca.zar von Toledo, die sogenannte ,Jornada deI foso'. Die Wahrheit des Berichts wurde von niemandem angezweifelt, bis ihn erst vor wenigen Jahren
Eduardo Manzano Moreno als orientalische Legende identifizieren konnte:
Ders., La frontera de al-Andalus en epoca de los Omeyas (Biblioteca de Historia,
Bd. 9), Madrid 1991, S. 274-284.