Referat J. Hollenweger
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Referat J. Hollenweger
Zusammenarbeit – oder geht es ums Zusammenspiel? Prof. Dr. Judith Hollenweger, Pädagogische Hochschule Zürich Impulstagung „Behinderte Medizin“ Universität Bern, 1. September 2012 Drei Botschaften: Proaktiver Umgang mit Ungewissheit ist Grundlage professionellen Handelns. Optimales Zusammenspiel erfordert einen gemeinsamen Gegenstand. Komplexe Dinge lassen sich nur durch gemeinsames Handeln lösen. Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 2 Proaktiver Umgang mit Ungewissheit ist Grundlage professionellen Handelns. Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 3 Professionelles Handeln Um was geht es? • Professionen kümmern sich um die stellvertretende Krisenauflösung für die primäre Lebenspraxis • Ziel dabei ist: die Autonomie der Lebenspraxis zu ermöglichen oder wieder herzustellen • Indikation/Legitimation: Scheitern der alltagspraktischen Krisenlösung Einfache Lösungen gibt es nicht • Beziehungspraxis als Arbeitsbündnis als Voraussetzung – notwendigerweise interaktives Handeln • Handeln erfordert Vertrauen, sonst würde die Komplexität unheimlich gesteigert • Kein standardisierbares Handeln und deshalb geprägt von Ungewissheit • Fallverstehen als konstitutive Wissensform professionellen Handelns im Umgang mit struktureller Ungewissheit; dass mit dem Eigensinn spezifischer Lebens- und biografischer Lagen gerechnet werden muss, ist konstitutiv Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 4 Beispiel 1: In einer Schweizer Sonderschule im Jahr 2011 Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 5 Zusammenarbeit als Koordination Gegenstand 1 Gegenstand 2 Gegenstand 3 Akteur A Akteur B Akteur C Skript Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 6 Sicherheit schaffen durch Arbeitsteilung? http://www.dr-walser.ch/index.html?witz.htm Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 7 Optimales Zusammenspiel erfordert einen gemeinsamen Gegenstand. Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 8 Offenheit für Unsicherheit - auch gegenüber Betroffenen? http://www.rippenspreizer.com Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 9 Quellen der Unsicherheit Ungewissheit Wahrscheinlichkeit Ambiguität Komplexität Han, Klein & Arora 2011 Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 10 Umgang mit Ungewissheit • Wiederherstellung oder Sicherung von zentralen Gütern ist Aufgabe von Professionen: Gesundheit und Leben, Seelenheil, Recht und Gerechtigkeit • Ideologie der Unsicherheitsreduktion in der Medizin • Damit verbundene Eingrenzung des Zuständigkeitsbereichs • Damit verbundene Eingrenzung der Zielperspektiven • Es braucht einen konstruktiven, offenen Umgang mit Ungewissheit und Unsicherheit • Das gibt den anderen Beteiligten mehr Raum • So kann ein gemeinsamer Handlungsraum entstehen Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 11 Konflikte sind Chancen für Arbeitsbündnisse http://www.f-woessner.de Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 12 Problembereiche der Ungewissheit in der Medizin Ungewissheit Wissenschaftlich: bezogen auf Daten Praktisch: bezogen auf System Krankheitszentriert Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin Persönlich: bezogen auf Person Personzentriert © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 13 Zusammenarbeit als Kooperation Gemeinsamer Gegenstand Skript Akteur A Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin Akteur B © Pädagogische Hochschule Zürich Akteur C 1. September 2012 14 Suche nach dem gemeinsamen Gegenstand http://www.aerzteblatt.de/archiv/42858 Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 15 Komplexe Dinge lassen sich nur durch gemeinsames Handeln lösen. Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 16 Imaginierte Laien – erträumte Experten Hanabusa Itchō, 1888 Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 17 Verortung des Ungewissheit • Ungewissheit kann bei einer der beteiligten Personen auftreten, bei mehreren oder bei allen. • Man kann dabei ein gemeinsames Bewusstsein der Ignoranz entwickeln • Phänomen der «Metaignoranz» – fehlendes Wissen darüber was man nicht weiss • Man kann wissen was, man nicht weiss (Ungewissheit empfinden) • Man kann nicht wissen, was man nicht weiss («metaignorant» sein) • Unsicherheit ist auch sozial konstruiert • Auch eine Frage ist, wieweit man sich mit Unsicherheit befasst in der Interaktion Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 18 Modell für Entwicklung gemeinsamer Handlungsräume Instrumente Gegenstand Subjekt Regeln Gemeinschaft Ergebnis Arbeitsteilung Arbeiten von Yrjö Engeström, basierend auf Vygotsky und Leontiev Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 19 Beispiel 2: In einem Schweizer Spital im Jahr 2012 Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 20 Zusammenarbeit als Kommunikation Gemeinsamer Gegenstand Akteur A Skript Akteur B Akteur C Nummijoki & Engeström 2009 Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 21 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Babrow, A.S., Kline, K.N. (2000). From „reducing“ to „coping with“ uncertainty: reconceptualizing the central challenge in breast self-exams. Social Science and Medicine, 51, 1805-1816. Daniels, H., Edwards, A., Engeström, Y., Gallagher, T., Ludvigsen, S.R. (2009). Activity Theory in Practice: Promoting Learning Across Boundaries and Agencies. London: Routledge. Gisler, P., Guggenheim, M., Maranta, A., Pohl, C., Novotny, H. (2004). Imaginierte Laien. Die Macht der Vorstellung in wissenschaftlichen Expertisen. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Han, P.K.J., Klein, W.M.P., Arora, N.K. (2011). Varieties of uncertainty in health care: a conceptual framework. Medical Decision Making, 31(6), 828-838. Nummijoki, J., & Engeström, Y. (2009). Towards co-configuration in home care of the elderly: Cultivating agency by designing and implementing the mobility agreement. In H. Daniels, A. Edwards, Y. Engeström, T. Gallagher, & S. Ludvigsen (Eds.), Activity theory in practice: Promoting learning across boundaries and agencies. London: Routledge. Zusammenarbeit - Zusammenspiel, Tagung Behinderte Medizin © Pädagogische Hochschule Zürich 1. September 2012 22