Von Dvor ák über Gershwin bis Star Trek - djo

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Von Dvor ák über Gershwin bis Star Trek - djo
Sudetendeutsche Zeitung
Folge 3 | 20. 1. 2012
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KULTUR
Das Publikum unter Direktor Dr. Ortfried Kotzian in der ersten Reihe erhebt sich zu „Standing Ovations“ …
… und die Gersthofer Blasharmoniker freuen sich im Stifter-Saal über den reichen Applaus. Bilder: Susanne Habel
 Neujahrskonzert des Hauses des Deutschen Ostens im Sudetendeutschen Haus in München
Von Dvoř ák über Gershwin bis Star Trek
Das Münchener Haus des Deutschen Ostens (HDO) veranstaltete ein großes Neujahrskonzert
im Sudetendeutschen Haus in
München. Die Gersthofer Blasharmoniker spielten im Adalbert-Stifter-Saal Stücke aus
Mittel- und Osteuropa und ein
Potpourri aus bekannten Filmmelodien.
T
rompeten, Posaunen, Hörner,
Saxophone, Klarinetten und
Flöten – vielstimmig erklang eine Art „Halali“ im Adalbert-Stifter-Saal im Sudetendeutschen
Haus. Und viele Pferde, Hunderte von Bisons und ein wilder Wolf
liefen hoch über der Bühne über
eine Leinwand. Was war da los?
Die Gersthofer Blasharmoniker
lieferten ein fulminantes Neujahrskonzert.
Die Gersthofer Blasharmoniker, ein großes Orchester aus
Bayerisch-Schwaben mit über 40
Musikern, hatte Ortfried Kotzian zu Beginn des Konzerts vorgestellt. In seiner Begrüßungsrede, die er mit einem herzlichen
„Prosit Neujahr“ begann, sagte
der HDO-Direktor, das Ensemble
sei Mitglied der Deutschen Jugend in Europa (DJO), und etliche seiner Mitglieder kämen aus
der Adalbert-Stifter-Siedlung in
Gersthofen bei Augsburg, deren
Bewohner meist sudetendeutscher Herkunft seien. Das Blas­
orchester sei 1990 unter der Leitung des Blasmusikers und heutigen Dirigenten Ulrich Fischer
gegründet worden. Seither feiere es Erfolge mit einem breiten
Repertoire. Dies erstrecke sich
von konzertanter Blasmusik mit
überwiegend Originalkompositionen für Blas­orchester über gehobene Unterhaltungsmusik wie
Filmmusik, Musicals oder Rockmusik bis hin zu Swing und Jazz.
Konzertreisen hätten die Musiker aus Schwaben nach Rußland,
China, Südafrika, Amerika und
durch halb Europa geführt. Aber
auch bei kleineren Festen träten
die jungen Musikanten gern auf,
dann meist in kleinerer Besetzung. In voller Mannschaft präsentierten sie sich jedoch immer
wieder bei der „Serenade“ im
Gersthofener Nogentpark und
dem eigenen Jahreskonzert in
der Stadthalle sowie bei anderen
großen Festivals.
Kotzian führte dann charmant
und geistreich durch das Programm. Passend zum Jahresauftakt bildete er zu den Musiktiteln eine Rahmenhandlung unter
dem Motto „Traumprophezeiungen“: Die reichten vom „Blinden
Seher“ aus dem Riesengebirge
über Seni, den Astrologen Wallensteins, sowie die Drei Weisen
aus dem Morgenland und ihrem
Stern bis zur imaginierten Fahrt burg in Rußland geboren und lette“ des Stückes, wie Kotzian von Jay Bocook mit Ausschnitten
mit dem Traumschiff durch die starb als Emigrant 1971 in New es nannte, erfreute auch wirklich aus dem englischen Originalfilm
Karibik. In seiner einfallsreichen York. Sein Ballett „Der Feuervo- durch ihre perlenden Läufe, die „unterlegten“. So konnten die
Moderation stellte Kotzian im- gel“, das ihm zu Weltruhm ver- kaum mehr an normale Blasmu- Zuschauer im Saal passend zur
mer einen Bezug zwischen einer half, komponierte er 1910 in Pa- sik, sondern eher an Saitenspiel Musik auf der Leinwand verfol„Traumvision“ und dem Musik- ris, wo er ab 1920 fast ständig leb- erinnerten.
gen, wie Kevin Costner als First
titel her und verwies dabei auch te.
Danach folgte „Rhythm of Lieutenant John Dunbar durch
– passend zum Veranstalter –
Zurück nach Böhmen ging the Winds“ von dem berühm- die Prärie reitet, Indianern beimmer irgendwie auf den Osten. es mit dem „Slawischen Tanz ten amerikanischen Musiker, Ar- gegnet, den titelgebenden Wolf
Kotzians witzige Erläuterungen Nummer 8“ von Antonín Dvoák rangeur, Trompeter und Kompo- trifft und Büffel erlegt – immer
brachten selbst die Musiker zum (1841–1904), der in seinen Klän- nisten Frank William Erickson genau von der szenisch passenSchmunzeln und regten Zuhörer gen viel Heimatliches bot. So sei (1923–1996). Hier konnten die den Musik untermalt. Den Film
und Gäste zum Applaus an.
dieser Tanz ein „Furiant“, wie Zuhörer wohl alle den bekannten zur Musik hatte Gersthofer-DiriMassiven Applaus erhielten Kotzian erläuterte. Dieser böh- „Böhmwind“ über die Wipfel des gent Ulrich Fischer paßgenau zuvor allem die Musiker für ihr mische Komponist war allen Zu- Böhmerwalds streichen hören.
sammengeschnitten.
herrliches Konzert, das mit hei- hörern sicher bekannt. Gustav
Nach der Pause mit einem
Die wohlvertrauten Klänge
matlichen Tönen begonnen hat- Theodore Holst, ein englischer kleinen Empfang im Foyer des und die schönen Bilder dazu bete: Schon zur Begrüßung war Komponist lettisch-schwedischer Sudetendeutschen Hauses wur- geisterten alle, genau wie an„Kolíne, Kolíne“ erklungen, ei- Abstammung wohl eher nicht.
de das Programm dann ganz in- schließend die Leitmelodie „Gonne Komposition des böhmischen
Holst lebte von 1874 bis 1934 ternational. Die Gersthofer Blas- na Fly Now“ von Bill Conti aus
Musiklehrers František Kmoch in England und strebte zunächst harmoniker bewiesen ihre Welt- dem Film-Epos „Rocky I“ (1976)
(1848–1912) und eine Hym- eine Karriere als Pianist an; im offenheit bei der einfallsreichen um den Boxer Rocky Balboa, die
ne auf dessen Heimatort Ko- Alter von 17 Jahren mußte er Interpretation von weltbekann- danach erklang. Erst beim konlin. Kmochs Vater war Schnei- diese Pläne aufgrund einer Ner- ten Filmmusiken. Den Einstieg zertanten Erleben der Musiker
der und Klarinettist, der vor allen venentzündung des Armes auf- in eine Folge von Megahits bot stellt man fest, wie stark bei dieDingen Volksmusik aufführte. geben. Später studierte er Kom- ganz kurz die „20th Century Fox sem „schlagkräftigen“ Film auch
Wie selbstverständlich erlernte position und Posaune am Roy- Fanfare“ von Alfred New­man, je- die Musik vom Schlagzeug beauch František ein Musikinstru- al College of Music in London dem vertraut vom Vorspann zahl- stimmt wird, wobei Josef Schiele
ment, und zwar Violine. Bereits und arbeitete zwischen 1898 und loser Hollywoodfilme des gleich- an der Pauke so richtig zum Zumit zehn Jahren begann er klei- 1903 in verschiedenen Orche- namigen Studios.
ge kam.
ne Stückchen zu komponieren. stern als Posaunist. Anschließend
Nach den Fanfarenklängen
Danach konnten alle abheben
1868 studierte er am Lehrer-Kol- war er an einigen Institutionen gab es einen Multimedia-Ge- in die „unendlichen Weiten“ des
leg in Prag. Neben seinem Beruf als Musiklehrer und Kompositi- nuß: Die Musiker spielten Moti- Weltraums, denn mit der „Symmusizierte er eifrig in verschie- onsdozent beschäftigt. Berühmt ve aus der unvergeßlichen Film- phonic Suite of Star Trek“ gab es
denen Ensembles, bildete sich wurde Holst vor allem mit sei- musik von John Barry zu Kevin ein Raumschiff-Enterprise-Medals Dirigent weiter und kompo- ner Orchestersuite „The Planets“ Costners mehrfachem Oscar-Ge- ley. Dabei handelte es sich um
nierte später hauptberuflich. Sei- (Die Planeten, 1914–1916), aus winner „Der mit dem Wolf tanzt“ eine Mischung der Musik des
ne Heimatode „Kolíne, Kolíne“ der die Gersthofer Blasharmoni- (1990). Barry schrieb unter an- jüngsten Spielfilms „Star Trek“,
bot einen fröhlichen Einstieg in ker dem Publikum den vierten derem auch die Soundtracks zu dem nachgereichten „Prolog“
den abwechslungsreichen Kon- Satz, „Jupiter“, boten. Alle Sät- „Jenseits von Afrika“ und al- von 2009, mit der schmetternden
zertabend.
ze dieser Suite sind griechischen len James-Bond-Filmen. Der be- Fanfarenouvertüre der ursprüngNach diesem bejubelten Ein- Göttern gewidmet, und dieser sondere Clou bei der Auffüh- lichen „Raumschiff Enterprise“stieg und Kotzians Begrüßung hier eben Jupiter, dem Gott der rung der Blasharmoniker war, Serie aus den Sechzigern, wieder
folgte der „Böhmische Traum“ Freude. Die „Magische Klangpa- daß sie das Musik-Arrangement in einem Arrangement von Jay
von Norbert GälBocook nach der
le: Der 1964 in
Komposition von
Weingarten im
Michael
GiacKreis Ravensburg
chino, der dafür
geborene Kom2010 mit einem
ponist und MusiGrammy geehrt
ker erlernte schon
wurde.
mit 13 Jahren das
Ähnlich
wie
Tenorhorn, das
„Star Trek“ erer seit 1988 prolebte auch der
fessionell spielt.
Film um den PiSeine schmissirat Jack Sparge Polka „Böhrow eine Reihe
mischer Traum“
von Folgefilmen:
wurde sein erster
Der erste Teil von
großer Komposi„Fluch der Karitionserfolg und
bik“ (2003) erhielt
begeisterte auch
seine Titelmelodas Publikum im
die vom gebürAdalbert-Stiftertigen FrankfurSaal.
ter Klaus Badelt,
Das war auch
der in Hollywood
der Fall beim
Karriere machte.
„Danse InfernaFür die jüngeren
le“ aus Igor StraGäste und Zuwinskys
„Feuhörer boten die
ervogel“.
Der
Blasharmoniker
russisch-franzötemperamentvoll
sische Kompoauch diese Munist wurde 1882
sik .
in Oranienbaum
Zurück zu eibei Sankt Peters- Auf einer Leinwand werden zur Musik passende Szenen aus dem Film „Der mit dem Wolf tanzt“ gezeigt.
nem „Klassiker“
der Filmmusik ging es mit George Gershwin. Der 1898 als Jacob Gershovitz geborene, später
so erfolgreiche Komponist, Pianist und Dirigent, ein Kind von
russisch-jüdischen
Einwanderern aus Sankt Petersburg, bot
Kotzian wieder einen guten Ansatzpunkt, um stolz nach Osten
zu verweisen. Gershwins „I Got
Rhythm“ wurde von den Gersthofer Blasmusikern, die damit
noch einmal ihr großes Können
bewiesen, ganz nach Big-BandWeise präsentiert. Dirigent Fischer leitete das Ensemble auch
hier in tänzerisch-lockerer Weise, die durchaus an Bing Crosby
erinnerte, und gab auch dem Publikum den „Einsatz“ zum Klatschen.
Alle Musiker, die so glanzvoll
und mitreißend geblasen, geflötet, getrommelt und geschmettert
hatten, freuten sich über den begeisterten Applaus. Dafür dankte
ihr Erster Vorsitzender Andreas
Landau, der betonte, er selbst sei
seit über 30 Jahren eng mit der
Sudetendeutschen Jugend und
der DJO verknüpft, ferner seit 25
Jahren im DJO-Landesvorstand
tätig und seit über 15 Jahren deren Stellvertretender Landesvorsitzender. Daher freue er sich besonders über den großen Erfolg
seines Ensembles im Sudetendeutschen Haus.
Er kündigte auch noch die
stürmisch verlangten Zugaben
an: Die Konzertpolka „Prager
Gassen“, den „Radetzkymarsch“
als „klassischen Neujahrsgruß“,
wie Dirigent Ulrich Fischer sagte,
und zum Abschied die „Moonlight Serenade“ von Glenn Miller. Das Publikum hatte es längst
schon nicht mehr ruhig auf den
Sitzen ausgehalten: Vom Mitklatschen bei Polka und Marsch über
das Mitswingen bei der „Serenade“ stand es nahtlos auf zum heftigen Jubeln, Applaus und Dankesrufen: Standing Ovations im
Stifter-Saal!
So endete das großartige Neujahrskonzert des Münchener
Hauses des Deutschen Ostens,
das 2012 sein letztes Jahr unter
der Ägide von Direktor Ortfried
Kotzian erleben wird. Schöner
hätte das Jahr kaum beginnen
können, darüber waren sich die
glücklichen Gäste und die bejubelten Blasharmoniker einig.
Susanne Habel
Die Gersthofer Blasharmoniker
sind buchbar über Andreas Landau, Am Ziegelstadl 4, 86456 Gablingen, Telefon (0 82 30) 70 06 25,
eMail vorstand@blasharmoniker.
de. Konzerttermine, Kontaktmöglichkeit und weitere Informationen im Internet unter www.
blasharmoniker.de