Predigt zum 5. Gebot - Evangelische Kirchengemeinde Riedenberg

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Predigt zum 5. Gebot - Evangelische Kirchengemeinde Riedenberg
Predigt zum 5. Gebot: Du sollst nicht töten! Im Rahmen einer Predigtreihe zu den 10 Geboten.
Pfr. Dr. Koch
Eine Spur zieht sich von der Ermordung Abels bis zu den jüngsten aufrüttelnden Mordtaten, eine
erschütternde Spur der Gewalt und des Blutes. Abels Blut schreit zum Himmel bis heute. Sein
stummer Ruf verklagt Kain. Doch Kain wohnt in jedem.
Ein Spannungsbogen umgreift die urgeschichtliche Erzählung vom Brudermord (1.Mose 4,1-10)mit
Jesu harter Konfrontation mit unserer inneren Aggressivität (Matthäus 5,21-24). Lange bevor es zur
Bluttat kommt, werden Menschen aneinander zum Mörder. All die Demütigungen, die
Verleumdungen, die Zorneswut, all die kleinen, aber dann plötzlich explosionsartig aufflammenden
Verwünschungen, auch sie berauben den Mitmenschen um sein Daseinsrecht, um seinen Platz an der
Sonne. Mord beginnt im Kopf. In die Gedankenwelten jedes Einzelnen fällt das eindeutige Verbot: Du
sollst nicht töten. Du darfst nicht morden (2.Mose 20,13).
Das 5.Gebot, im Wortlaut wohlvertraut, eröffnet die zweite Tafel des mosaischen Gesetzes. Die
knapp, klar, absolut und ausweglos formulierten Gebote sind entscheidende Wegmarken einer jeden
zivilisierten Gesellschaft. Ohne das Tötungsverbot wären wir einander ausgeliefert, herrschte allein
das Recht des Stärkeren. Angst dominierte unseren Alltag. Das Tötungsverbot schafft einen
Schutzraum für jeden. Das Verbot ist ohne die Bereitschaft zur Sanktion, ohne eine Ordnung der
Bestrafung nicht zu haben.
Das Verbot ist ohne Erschrecken und Erzittern nicht zu haben. Es legt sich als eindeutige Forderung
auf das Trachten und Sinnen eines jeden. Es verlangt Gehorsam. Wer tötet, ist des Gerichts schuldig.
Wer nicht tötet, derbleibt vom Zorn Gottes verschont. Das Tötungsverbot ist der Weckruf Gottes an
das Gewissen eines jeden. Die Stunde der Gesetzesgabe, da nach der biblischen Erzählung, Mose auf
den Berg Sinai stieg, um die Weisung zu empfangen, ist eine Stunde des Tobens der Elemente. Ein
Erzittern liegt über dem Ereignis (s. 2.Mose 19,17ff). Die Gegenwart des Allmächtigen zwingt auf die
Knie. Ein Erschrecken, ein Erschaudern, in das hinein das Wort fällt: Ich bin der Herr, dein Gott. Du
darfst nicht morden. Das äußere Wort wird zum inneren Wort, zur Richtschnur des Handelns. Die
Unschuld ist verloren. Das erwachte Gewissen wird zum inneren Gerichtshof. Was tue ich, was tue
ich dem Andern an, was tue ich mir an, wenn ich meine, ich könnte alles haben können, mein Glück
sei mein Recht, Verantwortung nur ein leeres Wort. Du bist verantwortlich für das Leben, für den
Schutz des Lebens. Du darfst nicht zum Mörder werden, an niemandem.
Das 5.Gebot: Du sollst nicht töten ist in seinem biblischen Ursinn die strikte Untersagung des Mordes.
Getötet wurde in den Zeiten des Alten Testamentes gleichwohl, auch im Namen Gottes, im Krieg, im
Bann. Unausweichlich ist es, im Namen der gesellschaftlichen Wohlordnung, immer neu Grade und
Zuordnungen dessen durchzubuchstabieren, was Tötung, was unterlassene Hilfeleistung, was Mord
bedeuten, und wie Täter, die an ihrem Mitmenschen schuldig geworden sind, zu belangen sind. Das
ist im Fluss und bedarf immer neuer Anpassungen. Das Alte Testament ist voll von einer Fülle von
Anpassungsregelungen, die kulturell gebunden sind und für das christliche Bewusstsein mit dem
Kommen Jesu aufgehoben sind.
Auch das 5.Gebot muss, auch und gerade in seinem absoluten, in seinem unhinterfragbaren
Anspruch, immer neu im Lichte des Doppelgebotes der Liebe ausgelegt (s. Markus 12,28-31) werden.
Der Geist der Liebe fordert, das Tötungsverbot im Lichte solidarischer Gemeinschaften, auszudeuten.
Der Schutz des Lebens fordert mehr als den blanken Schutz des nackten Daseins. Es ist eine
Denkschule und eine Gewissensübung, sich darüber bewusst zu werden, was wir einander zu geben
haben, was wir einander schuldig sind, um unser aller Leben willen. Wir treten füreinander ein, um
miteinander an jenem Schutzraum stetig mit zu bauen, der es einem jeden ermöglicht, sich frei
entfalten und zugleich frei verschenken zu können. Wie Jesu Wort folgend, das Töten schon in den
inneren Zornesregungen beginnt, so beginnt auch der Schutz des Lebens, im Mitsinnen und
Mitdenken, was der Mitmensch, mein Bruder, meine Schwester vor Gott, braucht, was wir einander
zu gewähren gerufen sind. Es bedarf nicht nur des tatkräftigen Widerstandes gegen alles Böse (und
damit auch der Polizei und Militärmacht gegen Gewalt und Terror), es bedarf auch und zuvor eines
positiven Mitdenkens um des Gelingens eines friedlichen Miteinanders.
Böse ist Leben vernichten, Leben schädigen, entwickeltes Leben niederhalten. Als sittlich gut gilt:
Leben erhalten, Leben fördern, Leben auf seinen höchsten Wert bringen. In diesen einfachen
Worten formulierte Albert Schweitzer die sittliche Grundforderung. Das mosaische Verbot: Du sollst
nicht töten! Du darfst nicht töten, stellt sich dem Lehrer der Ehrfurcht vor dem Bösen dar als die
moralische Regel aus Ehrfurcht vor dem Leben, aus Ehrfurcht vor jedem Leben Leben zu erhalten,
Leben zu fördern, Leben auf seinen höchsten Wert zu bringen.
Diese tief aus dem christlichen Liebesbewusstsein geborene Intention zeigt sich im Schutz des
werdenden Lebens. Das Heranwachsen eines Kindes ist jeder Unterstützung wert. Das ungeborene
und das geborene Leben verlangt nach Beistand. Es hat ein Daseinsrecht und es bittet um
Unterstützung. Eine schwangere Frau, die raucht und trinkt, versündigt sich an ihrem Kind. Die tief
aus dem christlichen Liebesbewusstsein geborene Intention zeigt sich im Schutz des sterbenden
Lebens. Am Ende des Lebens, im Verlust der körperlichen und geistigen Kraft, in der seelischen
Einkehr des Abschieds, hat der Mensch noch immer ein eigenes Daseinsrecht, ein Recht auf
wohltuende Begleitung und ein Recht auf ein würdiges Sterben. Die Hospizbewegung ist dafür ein
wegweisendes Zeichen und aller Unterstützung wert.
Leben zu fördern, Leben auf seinen höchsten Wert zu bringen, ist aber auch ein Plädoyer für Bildung,
dem neuzeitlichen Menschenrecht, Bildung, an der jeder Anteil haben können soll. Bildung darf nicht
an den Geldbeutel gekoppelt sein. Wir haben es gelernt, den Schutz des Lebens positiv umzusetzen
in einer Kultur der Barmherzigkeit. Wir dürfen stolz sein auf viele Werke der Behindertenhilfe, der
Armenhilfe, der Obdachlosenhilfe. Die vielfältigen Angebote der Evangelischen Gesellschaft und die
verschiedenen Dienste der Diakonie geben dem 5.Gebot im Sinne des christlichen
Liebesbewusstseins Form und Gestalt.
Aus Liebe zu Gott und den Menschen, aus Ehrfurcht vor jedem Leben , ist uns aufgetragen immer
neu kreativ und phantasievoll nach Wegen zu suchen, wie wir einander das Leben erleichtern
können, wie wir uns einander die Lebensangst nehmen, wie wir einlösen, was Martin Luther
wegweisend zum 5.Gebot lehrte: Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unserm Nächsten an
Leib und Leben keinen Schaden noch Leid tun, sondern ihm helfen und beistehen in allen Nöten und
Gefahren.
Predigt zum 5.Gebot: Du sollst nicht töten! Im Rahmen einer Predigtreihe zu den 10 Geboten