gourmet/ hUhN

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gourmet/ hUhN
gourmet / h U H N
klassisch
und modern
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Rezepte mit Huhn sind oft gar nicht so einfach,
wie man denken mag – die drei Beispiele von Paul
­Bocuse, Juan Amador und Gerhard Fuchs zeigen
das. Selbst beim steirischen Backhuhn gibt es ein
paar Tricks. Und für ein perfektes Brathuhn verrät
Koch­ikone Ewald Plachutta seine Methode, wie das
Fleisch saftig bleibt.
Text Jan Brinkmann
FOTOS Michael Rathmayer Food-Styling Franz Karner
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Was soll man über Paul Bocuse noch sagen?
Seit 1965 wird sein Restaurant
»L’auberge du Pont de Collonges« mit
drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Eine
­Hommage an den Großmeister der N
­ ouvelle
Cuisine, der inzwischen sieben ­Restaurants
in Lyon und Umgebung betreibt, selbst aber
kaum noch am Herd steht
Coq au Vin à la Bocuse
Rezept von Paul Bocuse, Restaurant »L’auberge du Pont de Collonges«, Collonges-au-Mont-d’Or (für 6 Personen)
ZUTATEN
1 Hahn, aus der Bresse, ca. 3 kg
2 Karotten
1 Zwiebel
1 Thymianzweig
½ Lorbeerblatt
Pfefferkörner
2 Flaschen roter Burgunder
3 EL Erdnussöl
3 Knoblauchzehen
1 gehäufter TL Salz
FÜR DIE GARNITUR
100 g junge Zwiebeln
250 g Champignons
250 g durchwachsener Räucherspeck
30 g Butter
10 Petersilienstiele
Zubereitung
– Am Vorabend den kochfertigen Hahn in 10 große Stü-­
cke zerteilen, in
eine tiefe Schüssel legen. Karotten und Zwiebel schälen, in dünne Scheiben schneiden und über das Fleisch streuen. Thymian, Lorbeer und einige Pfefferkörner zufügen, den Wein angießen.
Über Nacht zugedeckt in den Kühlschrank stellen.
Ein Klassiker der
französischen Küche:
Coq au Vin à la Bocuse
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Fotos: Michael Rathmayer (2), Corbis
B
ei Hühnern gute Qualität zu
bekommen ist so einfach nicht.
Tiere aus konven­tioneller
Mast sind für Gourmets in­
diskutabel – aber es gibt Alter­
nativen. Biohühner haben
mehr Platz und Zeit bis zur Schlachtreife zur
Verfügung. Zudem führt streng biodyna­
misches Futter dazu, dass eine Kontami­­
nation durch Antibiotika – wie sie in der
­industriellen »Produktion« immer wieder
vorkommt – so gut wie nicht zu ­befürchten
ist. Biobauern greifen inzwischen immer häu­
figer auch auf alte Rassen zurück. Die Tiere
liefern dann als sogenanntes »Zweinutzen­
huhn« Fleisch und Eier.
Die Schweisfurth-Stiftung, 1985 vom ehe­
maligen Wurstfabrikanten Karl-Ludwig
Schweisfurth gegründet, der sich vom Inhaber
des größten Fleisch verarbeitenden Unterneh­
mens in Europa zum Pionier ökologischer
Landwirtschaft wandelte, stellte jüngst bei
den Hermannsdorfer Landwerkstätten in
Glonn bei München Varianten eines Zwei­
nutzenhuhns vor: ein österreichisches Land­
huhn, das französische »Les Bleus« und eine
Kreuzung aus beiden Rassen. Alle liefern Eier
hoher Qualität und gutes Fleisch aus bio­
dynamischer Aufzucht, allerdings sind sie mit
einem Kilopreis von rund 30 Euro schwierig
zu vermarkten. Immerhin aber gab es den
Förderpreis Ökologischer Landbau 2012.
– Am nächsten Tag die Fleischstücke und das Würz-
gemüse aus der
Marinade heben und trockentupfen. Die Marinade durch ein feines Sieb
seihen.
Die Fleischstücke in einer großen Pfanne partienweise in
heißem Öl anbraten. Anschließend in einen guss eisernen Schmortopf
legen.
– Das trockengetupfte Würzgemüse ebenfalls in
der Pfanne anbräunen,
danach zum Fleisch geben. Die zerdrückten Knoblauchzehen sowie etwas
Salz
zufügen, die Marinade angießen und alles gut
miteinander
vermischen. Zum Kochen bringen,
anschließend den Deckel auflegen und
auf ganz kleiner Flamme je nach Alter des Hahns 1 bis 2
Stunden schmoren
lassen.
– Unterdessen für die Garnitur die Zwiebeln schälen und die Champignons
putzen. Die Zwiebeln ganz
lassen, die Champignons vierteln. Den
Räucher-
speck von der Schwarte befreien und in kleine
Streifen
schneiden. Zusammen mit den Zwiebeln und den Champignons in der Butter
anbräunen und acht Minuten garen.
Erst kurz vor dem Servieren unter das Ragout heben.
Anrichten
Coq au Vin
abschmecken, mit fein geschnittener
Petersilie bestreuen und servieren.
Einfacher hat es der Feinschmecker mit
französischem Geflügel der Qualität »Label
Rouge«. Die Bedingungen für dieses staat­
liche Gütesiegel wurden 1965 definiert:
­mindestens 75 Prozent Getreidefutter, 81 bis
110 Tage Lebensdauer, kleine Betriebs­
größen, zwei Quadratmeter Auslauffläche
pro Tier, maximal elf Hühner pro Quadrat­
meter im Stall, der höchstens 400 Quadrat­
meter groß sein darf. Die Chefs der Sterne­
gastronomie favorisieren hier zumeist
Schwarz­federhühner – vor allem, wenn sie
von Jean-Claude Mieral stammen.
Der Name Mieral steht für ein Paradies,
eines für Hühner wie für Gourmets gleicher­
maßen. Der grauhaarige Mann mit dem
scharf g­ eschnittenen Gesicht gilt als unge­
krönter König der Bresse, auch wenn er
seinen ­Betrieb mittlerweile an seine beiden
Söhne weitergegeben hat. 1957 rang
Mierals Vater gemeinsam mit seinen Freu­
den Paul Bocuse und Alain Chapel dem
französischen Staat eine AOC (»Appellation
d’Origine Contrôlée«) für Bressehühner
ab – die erste überhaupt für eine Nutztierart
in Frankreich, das sonst vor allem seinen
Wein und seinen Käse mit einem höchst
strengen AOC-Regelwerk schützt.
»Nur knapp ein Zehntel der rund
400 Bressehuhn-Züchter erfüllte Mierals
­Anforderungen. Doch so einfach wird man
nicht einer von ›seinen Männern‹«, sagt
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Mieral-Huhn Purple Curry
Juan Amador ist einer der innovativsten
deutschen Spitzenköche. Seine m
­ oderne
Interpretation klassischer Gerichte
sorgt für Überraschungen am Gaumen.
Größten Wert legt er auf erstklassige
Produkte. Wer seine Rezepte nach­
kochen will, muss sich auf eine etwas
aufwendigere Zubereitung einstellen
Rezept von Juan Amador, Restaurant »Amador« in Mannheim (für 4 Personen)
4 Hühnerbrüste
Curryöl
Salz und Pfeffer
Butter
Maldon Sea Salt
FÜR DIE Curryschmelze
50 g Butter
50 g Nussbutter
20 g Purple Curry
Mie de Pain
20 g Rote-Bete-Granulat
80 g getrocknetes Honigbrot
Salz
FÜR DIE Currysauce
Je 1 EL geschnittene Schalotten und Knoblauch
Etwas Butter
1 TL Purple Curry
30 ml Rotweinessig
200 ml roter Banyuls
½ l Taubenjus
Pfeilwurzelstärke
Salz
FÜR DAS Kokosgelee
1 l Kokosmilch
1 Prise Salz
1 Prise Zucker
10 g Agar-Agar
4 Blatt Gelatine
Arganöl
FÜR DIE Mango-Mayonnaise
400 g Mangopüree
6 g Lota (Textura)
200 ml Olivenöl
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Wolfgang Otto vom Online-Fleisch­versand
Otto Gourmet. »Mit der gleichen Penibilität,
wie Mieral die besten Hühner bestimmt,
wählt er auch deren Züchter aus. Diese be­
stehen nur dann seine Feuertaufe, wenn sie
ruhige, gewissenhafte und ordentliche Men­
schen sind. Seiner Meinung nach färben sol­
che positiven Charaktereigenschaften der
Züchter auch auf die Tiere ab und lassen sie
entspannt in einer sauberen Umgebung auf­
wachsen.« Otto Gourmet hat die Tiere im
Sortiment. »Da Mierals Vor­stellungen von
traditioneller, artgerechter ­Haltung mit un­
serer Firmenpolitik der Nachhaltigkeit, Ver­
antwortung und Rückverfolgbarkeit kon­
form gehen, lag es auf der Hand, ihn ins
Boot zu holen«, so Wolfgang Otto, »denn
obwohl ihnen ein Ende im Kochtopf voraus­
bestimmt ist, können seine Hühner ihre an­
geborenen Bedürfnisse wie beispielsweise das
Baden im Sand oder die selbstständige Fut­
tersuche ohne Einschränkungen ausleben.«
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Garnitur
Mangowürfel
Shiso-Purple-Kresse
ZUBEREITUNG
– Die Hühnerbrüste einzeln mit etwas Curryöl
vakuumieren und im Wasserbad kontrolliert
bei 65 °C (Julabo-Einhängethermostat) 9 Minuten garen.
– Für die Curryschmelze Butter und Nussbutter in einem Topf schmelzen lassen. Purple Curry,
Mie de Pain, das zerbröselte Honigbrot und Rote-
Bete-Granulat dazugeben. Mit etwas Salz ab-
schmecken und warm stellen.
– Für die Currysauce Schalotten und Knoblauch in
etwas Butter anschwitzen, mit Purple Curry
bestäuben und mit Rotweinessig ablöschen.
Banyuls dazugeben und sirupartig einkochen
lassen. Anschließend mit Taubenjus auffüllen,
auf die Hälfte reduzieren und durch ein Sieb ­
passieren. Eventuell mit Salz abschmecken und mit etwas Pfeilwurzelstärke leicht
binden.
– Für das Kokosgelee Kokosmilch mit Salz und
Zucker zum Kochen bringen, Agar-Agar ein rühren, einmal aufkochen lassen, passieren und die eingeweichte Gelatine einrühren. In eine 2 cm hohe Form gießen und kalt stellen. Vor dem
Servieren das Gelee im Thermomixer mit etwas Arganöl zu einer geschmeidigen Creme mixen.
Anrichten
Die Hühnerbrüste aus dem Beutel nehmen, mit Salz
und Pfeffer würzen und in schäumender Butter auf
beiden Seiten kurz anbraten. Mit Curryschmelze
­bestreichen, etwas Maldon Sea Salt darüberstreuen und wie abgebildet anrichten.
Das Bressehuhn ist schlichtweg das beste.
Eine mindestens 500 Jahre alte Rasse in den
Farben der Grande Nation: blaue Stelzen,
weißes Gefieder, knallroter Schopf. Die
Tiere sind halbwilde Geschöpfe, hochbeinig,
mit langer Brust. Das Fleisch ist derart fein
strukturiert, dass es – wie beim Wild –
­reifen muss, bevor es sein Potenzial ent­
faltet. Die von e­ iner einzigen Zuchtanstalt,
dem »Centre de sélection de la volaille de
Bresse« in Bé­channe, ausgebrüteten Küken
werden zu einem Stückpreis von rund einem
Euro an die Züchter verkauft. Wenn das
­Federkleid ausgebildet ist, geht es frühmor­
gens nach einer kräftigen Milch-Mais-Mahl­
zeit (von eigenen Maisfeldern und eigenen
Kühen) auf die Wie­se. Pro Kopf garantiert
die AOC jedem Bressehuhn zehn Quadrat­
meter Platz. Der Auslauf ins Grüne mit Gras
und Kräutern, I­ nsekten und Würmern,
­Bäumen und schützenden Sträuchern sowie
Sandplätzen zum Scharren umfasst viele >
Fotos: Michael Rathmayer (2), beigestellt
ZUTATEN
Die Kombination aus Curry, Kokos und
Mango gibt dem Mieral-Huhn ein
asiatisch-exotisches Aroma. Und auch
optisch ist das Gericht ein Genuss
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Das typische steirische Backhuhn
wird vor der Zubereitung in ­kleinere
Stücke zerteilt und langsam in
Schmalz ausgebacken
Steirisches Backhuhn
Rezept von Gerhard Fuchs, Restaurant »Kreuzwirt am Pössnitzberg« in Leutschach (für 2 Personen)
Zutaten
1 Backhuhn (in gefällige Stücke zerteilt, jedoch nicht
vom Knochen gelöst – das Huhn bleibt auf diese Weise
­saftiger)
Meersalz und Pfeffer aus der Mühle
3 EL saure Sahne
1 TL Paprikapulver
Etwas frisch geschnittener Rosmarin
Mehl, Ei und Weißbrotbrösel für die Panade
Butter- oder Schweineschmalz zum Ausbacken
Frittierte Petersilie und Zitronenhälften zum Garnieren
Zubereitung
– Die Hühnerstücke mit Salz und Pfeffer würzen,
in saurer Sahne, Paprikapulver und Rosmarin
Mit Bravour verbindet Gerhard Fuchs
bodenständige steirische Küche mit
inter­nationalen Aromen. Der Produkt­
fanatiker sichert sich durch seine Lieferanten regionale Lebensmittel höchster
Qualität. Seit rund sechs Jahren kocht
Fuchs auf dem südsteirischen Pössnitzberg und hat nicht nur den »Kreuzwirt«
zur besten Gourmetadresse der Steiermark gemacht, seine Küche hat auch die
gesamte Region aufgewertet
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Fotos: Michael Rathmayer (2), BASSIGNAC GILLES / Eyedea / picturedesk.com, Pfeil, Fotolia
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Hundert Meter Abenteuerstrecke. Nach
vier bis fünf Monaten Mindestlebenszeit in
diesem Hühner-Dorado werden die Tiere
schonend geschlachtet.
Weil das Fleisch der halbwilden Vögel
­mindestens eineinhalb Wochen Reifezeit be­
nötigt, werden sie in Frankreich »étouffée«,
also nicht ausgenommen, sondern nur vom
Enddarm befreit und mit Kopf und Krallen
gehandelt. Ausgenommene Bressehühner
sollte man meiden, sie können nicht lange
­genug reifen. Der Kilopreis beträgt bei Spe­
zialversendern um die 25 Euro.
»Den Preis muss man dann eben auch
­zahlen«, sagt die Wiener Kochikone Ewald
Plachutta, »bei keinem anderen geschlachte­
ten Tier ist der Unterschied zwischen indus­
triell gezüchteter und Bio-Ware so groß wie
beim Huhn.« Um das gute Fleisch schätzen
zu können, muss sich beim Verbraucher
­seiner Meinung nach eine Änderung der Ess­
philosophie durchsetzen. »Über ein Bresse­
Das Bressehuhn:
blaue Stelzen,
weißes Gefieder,
roter Schopf
marinieren und ca. eine Stunde gekühlt ziehen
lassen.
– Die Hühnerstücke mit Mehl, Ei und Weißbrotbröseln panieren und langsam in Schmalz ausbacken. Das dauert ca. 30 Minuten.
– Die weit verbreitete Methode, die Backhühner zuerst im Fett nur Farbe nehmen zu lassen und dann im Backofen oder – schlimmer – in der Mikro-
welle fertig zu garen, sorgt nur für lasche Panade und zähes Fleisch.
Anrichten
Auf traditionelle Art wird das Huhn im Körbchen auf
einer Stoffserviette serviert und mit frittierter Petersilie und Zitronenhälften garniert.
huhn würde ein Österreicher wahrscheinlich
sagen, es sei zäh und schmecke nicht. Wir
haben 90 Prozent Schlucker und nur zehn
Prozent Beißer«, sagt Plachutta. »Die meis­
ten wollen eben, dass das Fleisch auf der
Zunge zergeht.« Zudem bedauert er, dass
oft auch in der Spitzenküche das Dressieren,
also das Binden und In-Form-Bringen, weit­
gehend abhanden gekommen ist. Seine Art,
ein Huhn zu braten, geht so: von allen Sei­
ten anbraten, am Anfang eher rasant, dann
im Backofen bei reduzierter Hitze garen,
dabei öfter übergießen und wenden. »Ich
brate nicht mit Umluft, sondern statisch,
dann trocknet es nicht aus.«
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Jean-Claude Mieral gilt als der König
der Bresse. Seine Hühner sind fast
schon Schmuckstücke, ihre Qualität
ist nach wie vor unerreicht
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