TAXI 38 Gut zum Druck.p65
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Celtic Frost:Monotheist Media/MV ds. In aller Munde ist die Wiedervereinigung der Schweizer Mitbegründer des Deathund Blackmetal. Weltweit berufen sich noch heute unzählige Metal-musiker auf den grossen Einfluss, den die drei ersten C.F.-Alben auf ihre musikalische Entwicklung hatten. Deren drittes, „Into The Pandemonium“ war ja schon eine reichlich düstere Angelegenheit. Mit „Monotheist“ nun wurde diese Düsternis noch übertroffen. Aber auf eine sehr wohltuende, irgendwie beruhigende Art. Tiefste Harmonien, langsame, doch stets treibende Rhythmik, Tom G. Warriors sorgfältig differenzierte Vocals, dies alles ergibt ein passendes, faszinierendes Ganzes. Die Produktion unter Mithilfe von Peter Tätgren ist äusserst gelungen. Der für die Reunion neu hinzugezogene Drummer Franco Sesa ergänzt das UrfrostDuo Ain/Warrior perfekt. Ab sofort wird das Trio zu einer ausgedehnten Tour starten, mit Auftritten bei allen grossen Metal-Festivals dieses Sommers. Amsterdam Klezmer Band: Remixed Easy Recordings mn. Mir kommts vor wie wenn die ganze Gilde der Russendisko hier rumgemischt hätte. An und für sich sind die Amsterdam Klezmer Band für wilde und moderne Rhythmen im Bereich Gypsy, Balkan und Klezmer bekannt. DJ Shantel, DJ Yuriy Gurzhy und andere haben kräftig an den Schälterchen geschräubelt, Punk, Dub und Dancefloor untergemischt und zielen direkt auf die Tanzbeine ab. Wer auf unkonventionelle und feurige Sounds mit osteuropäischen Rhythmen steht, muss diese Band unbedingt kennenlernen. Vanilla Ninja: Love Is War Capitol/EMI ds. Seit Ende letzten Jahres sind die Estninnen nur noch zu dritt. Nach Ausblenden von sexy Image und dem ganzen Gehype können beim Anhören der CD durchaus musikalische und songwriterische Qualitäten ausgemacht werden. Wieviel davon wirklich von den Girls selber stammt bleibt unklar. Gesungen haben sie jedenfalls selber und dies sehr überzeugend. Wer auf geschliffene, rockige Popsounds steht, sollte da mal reinhören. 22 TAXI Nr. 38 Lordi: The Arockalypse Drakkar/SonyBMG ds. Die frischgebackenen Eurovisionssieger legen ihr bereits drittes Studioalbum vor. Nur halb so wild wie ihre Maskerade ist die Musik der fünf Finnen. Hardrock Typ 80er Jahre, handwerklich solide, mit witzigen Lyrics und hohem Mitsingfaktor. Kiss und Alice Cooper klingen an, hier und da Metaleinflüsse, alles was diesen Musikern Spass macht eben. Darum scheint es hier in erster Linie zu gehen - und wenn das dann noch Erfolg bringt, umso besser! Bligg: Mit Liib & Seel muve/MV ds. Züri-Rapper goes international Pop? Gemischte Gefühle beschert die neue musikalische (und weltanschauliche?) Ausrichtung des Herrn Bliggensdorfer schon... Hippieske Freiheitsträume im astreinen Popsong, zentnerschwere Monumentaldramen über Familienzerrüttung mit orchstralem Bombast, Outing als bekennender Christ (ou nai du!). Am besten gefallen mir die ironischen Songs, die augenzwinkernden Lyrics von „Dokter, Dokter“ oder „Money“ etwa. Gut auch „Dani’s Story“ über einen koksdealenden Familienvater. Nichts zu bemängeln gibts an der professionellen Produktion, auch soll es keinem Künstler verwehrt sein, sich weiter zu entwickeln und Neues zu versuchen. Aber das „wie“ ist halt Geschmackssache. Charlie Musselwhite: Delta Hardware Real World/EMI ds. 1944 in Mississippi geboren, hat er in seiner Jugend in Chicago mit allen Grössen des „Electric Blues“ gespielt und ihre Einflüsse aufgenommen. Diese sind auch noch nach weit über 20 eigenen Alben auf seinem neusten Werk klar herauszuhören. Unprätentiös aber sehr authentisch und gefühlvoll klingen diese Aufnahmen. Die Band spielt eine straighte, rockende Variante des Blues, sehr erdig, ohne Firlefanz und immer sehr emotional. Gut! Dr. John: Mercenary Parlophone/EMI ds. Wir bleiben im Delta. Wie kein anderer verkörpert Malcolm John Rebennack aka Dr. John den eigenständigen Sound des modernen New Orleans. Der Sänger und Pianist verwebt Blues, Funk, Rock’n’Roll, R’n’B, Soul, Jazz und Swing zu einer relaxten, südlich anmutenden Klangwelt. Dabei kommt ihm seine jahrelange Erfahrung als Studiomusiker, unter anderem in den Sixties für Phil Spector, zugute. Mit seinen drei Mitmusikern und etlichen Gästen hat er auch auf diesem neuen Album ein hörenswertes musikalisches Statement aufs silberne Polycarbonat gebannt. Etta James: All The Way RCAVictor/SonyBMG mn. Schön. Schmeichelnd. Jazzig und soulig. Genial für den romantischen Abend zu zweit, für Sonnenuntergänge auf Balkonien und einfach um sich wohl zu fühlen. Die meisten Songs sind Covers, aber wenn Ettas samtig dunkle Stimme sich ihrer annimmt, sind es Schätze die entdeckt werden können. Wunderbar liebkosend. Diese CD könnte sich ewig drehen. Adam: Contact Membran/K-tel ds. Rockiges Debut einer interessanten neuen Band aus der Innerschweiz. Funky Gesangslinien über erdigen Rockgrooves, professionelle Produktion (Deezl), stilsicheres, abwechslungsreiches Songwriting: Von dieser Band wird noch zu hören sein. Wir sind gespannt! Fredrika Stahl: A Fraction Of You 3Cinks/SonyBMG mn. Die schwedische Komponistin und Sängerin Fredrika Stahl hat gemeinsam mit dem Jazz-Pianisten Tom Mc Lung (Archie Shepp) ihre erste CD veröffentlicht. Darauf finden sich poppig angehauchte Lieder die immer wieder ins Jazzige hinübergleiten. Starke und groovige Melodien, intensives Saxophon, geniale Band und ein wunderschön illustriertes Booklet. Hot Chip: The Warning Capitol/EMI ds. Von der Fachpresse mit Lob überschüttet wird der Zweitling dieser fünfköpfigen Londoner Band, deren Musik so recht in keine Stilschublade passen will. Elektropop im weitesten Sinne, aber mit komplexen Songstrukturen und sehr kreativ instrumentiert. Dennoch haben die meisten Tracks durchaus Ohrwurmcharakter und sind sehr tanzbar. Ignite: Our Darkest Days Century Media/MV ds. Die Californier zelebrieren ihren Punkrock mit supereingängigen Melodien und heftigen Grooves. Das tönt mal nach Dead Kennedys, mal nach Bad Religion, aber trotzdem sehr heutig. Die Texte sind sehr konkret und politisch. Als gebürtiger Ungar liefert Sänger Teglas zum Beispiel eine Abrechnung mit 50 Jahren kommunistischem Regime, fragt aber auch nach dem Preis der errungenen Freiheit. Alles in allem eine mitreissende CD, die auch ihre ruhigen, besinnlicheren Momente aufweist. Forza! Forza! Hopp Schwiiz! Allez! Allez! Ariola/SonyBMG mn. Schöne Seich, ausgerechnet Baschis WM-Song fehlt auf dieser Fussballliederzusammenstellung - einem witzigen Beitrag zur Fussballhysterie. Mit Black’n’Blond, Gimma, Polo Hofer (wänn-scho-dänn-scho!) und anderen einheimischen Gesangshelden. Um eine ganze CD zu füllen hat es wohl nicht gereicht, darum als Bonus: Ricky Martin, Anastacia, New Order und andere. Bei Bier, Chips und TV-Plausch sicher ein Stimmungsmacher nach dem anderen. Frank Reyes: Dosis De Amor J&N/SonyBMG mn. Salsa, Bacchata, Merengue und die Sommerstimmung ist perfekt. Sülziger Gesang, lüpfige Instrumentierung. Braucht es noch mehr? Latin Aventura Blue Martin/K-tel mn. Trallala, der Sommer ist bald da, so scheint der erste Song zu vermitteln. Auf zwei CDs warten eine Überdosis Bacchata, Reggaeton und Salsa bis zum Abwinken. Art Brut: Bang, Bang, Rock & Roll EMI ds. Die Londoner Indie-Band wurde von einem Major übernommen, der jetzt ihr letztjähriges Debut-Album als Doppel-CD wiederveröffentlicht. Notabene mit 10(!) Bonustracks. Musikalisch naiver Schrammelrock, der hauptsächlich als Soundvehikel für die meist echt witzigen Texte zu dienen scheint. Very british, aber mit der Zeit etwas boring. Onejiru: Prophets Of Profit GoldenDeli/RecRec ds. Die in Kenia geborene und in Deutschland lebende Sängerin tourte schon mit Helge Schneider und tat bei Alben von Jan Delay oder Patrice mit. Ihre Musik ist zugleich elektronisch und organisch. Mit ihrer souligen Stimme verleiht sie jedem Song, ob Dubreggae, Elektrofunk oder R’n’B, einen besonderen Glanz. Mit wenigen Worten schafft sie in ihren Texten Bilder, die Gefühle und Situationen vermitteln. Da gehts um Kulturklau, Entschuldung, Live Aid - aber auch um ganz persönliche Problembewältigung. Eine grossartige, engagierte Künstlerin mit einem überraschend reifen Debut! Silbermond: Laut gedacht SonyBMG mn. Ratttatatabum und es rockt deutsch ab. Welche Wohltat innerhalb dem alles erstickenden Pseudopüppchenpop. Silbermond geht ab, macht Spass und ist inhaltlich trotzdem tiefgründig. Mia Aegerter: Vo Mänsche und Monschter SonyBMG mn. Und wieso hat Mia Ägerter keine Fussballhymne geschrieben? Weil sie sich wie eine rockige Britney Spears anhört? Nett, ohne die Künstlerin beleidigen zu wollen. Aeywaeg: Mi Wäg RoAn/K-tel mn. Ja, ja die alten Männer haben den Bluesrock intuitiv drauf. Textlich fadegrad, animierend poppige Refrains. Findi guet. Mit emene breite Grinse im Gsicht. Red Hot Chili Peppers: Stadium Arcadium Warner Bros ds. Kaum erschienen, schoss dieses Doppelalbum wie eine Rakete die Charts rauf. Es ist denn auch ein starkes Werk. Sicher stehen einige Songs unter dem Motto „Never change a winning tune (just rewrite the lyrics...)“, aber solang sie bei sich selber klauen... Was beeindruckend ist: Gitarrist Frusciante entführt uns auf einen Trip durch die Klangmöglichkeiten der Gitarre. Mal ertönt ein gefühlvoll claptoneskes Solo, Page und Beck klingen an, Hendrix, Gilmour, sogar Neil Young, oder aber die Gitarre wird elektronisch zur Mandoline, Flöte oder zum Synti verfremdet - und all dies immer sehr songdienlich. Flea und Chad Smith spielen gewohnt souverän, Kiedis ist gut bei Stimme und Rick Rubin hat hervorragend produziert. The Shapeshifters: Sound Advice EMI ds. Vor einem Jahr stürmten The Shapeshifters (Simon Marlin und Max Reich) mit ihrer Househymne Lola’s Theme die Dancefloors auf der ganzen Welt. Auf dem nun veröffentlichten Debutalbum, wo natürlich auch Lola’s Theme figuriert, legen sie nach. Niemand will ja als Eintagsfliege gelten. Das professionell produzierte Album bietet groovigen Disco House und poppige TripHop Rhythmen mit wechselnden LeadsängerInnen. Den herausragenden Nachfolgehit sucht man/frau aber vergeblich. Arabia Blues Virgin/EMI ds. Nicht primär Trauer sondern vielmehr Sehnsucht ist das dominierende Grundgefühl des Blues, ob am Mississippi, in Afrika oder im arabischen Raum - wo er mit Tarab übersetzt wird. "Arabia Blues" enthält 15 aktuelle Hits von hierzulande wenig bekannten Stars, die diesen Musikstil perfekt beherrschen. Paul Simon: Surprise Warner Bros ds. Brian Eno, Steve Gadd, Pino Palladino, Herbie Hancock, Bill Frisell, lang ist die Gästeliste für dieses elektronische, rhythmische Ambient-Folk-Album. Simon hat seine feinfühligen Songs in Enos Sonic Landscapes gestellt, was ihnen gut bekommt. Die vorherrschende Stimmung ist zwar ziemlich melancholisch, verströmt aber dennoch so etwas wie abgeklärten Optimismus. Simons bestes Werk seit Graceland! P.M.T: Topping From Below muve/MV ds. Psychocore nennen die sechs Lausanner ihren Musikstil. Als Vorguppe von Clawfinger, Soulfly und Korn gereift, setzen sie mit ihrem dritten Album neue Massstäbe, was die Bandbreite von zart bis hart, von Hardcore und Metal bis Electro anbelangt. Energiegeladen, mal straight, mal verspielt, mit ungehört abgedrehten Sounds experimentierend, präsentiert sich hier eine Band in Höchstform. Etwas vom Besten, was mir in letzter Zeit aus der Schweiz zu Ohren gekommen ist. Live zu hören am 24. Juni beim Bex Rock Festival im Rhonetal. The Rolling Stones: The Stones In The Park - Live DVD Polyband/Granada ds. Historisches Filmmaterial, digital aufgepeppt. Eine Dokumentation des legendären Hydepark-Auftritts am 5. Juli 1969, zwei Tage nach Brian Jones’ Tod im Swimming Pool. Jagger verliest zu Beginn ein Gedicht von Shelley, danach legen die Stones los. Acht mehr oder weniger komplette Songs sind im Film verewigt, wobei die Kamera mehrheitlich auf Jagger verweilt, auch während der Instrumentalparts. Gerne sähe man etwas häufiger das Nachwuchstalent Mick Taylor seine Akkorde und Soli vortragen, ebenso Herrn Richards, der mit einer zeitweise arg verstimmten Flying V zu kämpfen hat. Das Ganze hat, wie so mancher Stonesgig, eher Sessioncharakter, spätestens als bei „Sympathy For The Devil“ eine Gruppe Sambatrommler die Bühne entert. 55 Minuten Spielzeit, kein Bonusmaterial. TAXI Nr. 38 23