Titel :Die Jüdische Gemeinde in Ettelbrück Immigration – Integration

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Titel :Die Jüdische Gemeinde in Ettelbrück Immigration – Integration
Titel :Die Jüdische Gemeinde in Ettelbrück
Immigration – Integration – Deportation
Die Ausstellung soll an die jüdischen Mitbürger
erinnern, welche sich ab dem 19. Jahrhundert
in Ettelbrück niedergelassen hatten, einen
weitreichenden Beitrag zum Alltagsleben
leisteten und plötzlich abrupt während der
Deutschen Besatzung von den Nazis
aufgegriffen und zu Opfern der Shoah wurden.
Ettelbrück
1. Ursprünge der jüdischen Gemeinde in
Vereinzelte jüdische Einwohner hat es wahrscheinlich seit jeher in Ettelbrück gegeben. Zeugen
dieser zeitweiligen Präsenz bleiben heute Ortsbezeichnungen wie „Juddegaas“ oder „Juddeneck“,
sowie die in den Quellen erwähnten Verordnungen und Verfolgungen. Von einer dauerhaften
Ansiedlung und einer zahlenmäßig relevanten Gemeinschaft kann man aber erst ab dem Anfang
des 19. Jahrhunderts ausgehen.
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Erste offizielle Eintragung einer jüdischen Familie in das Gemeinderegister Ettelbrücks. Der
Kleinverkäufer Joseph Levy, seine Frau Sibel Posevalt und ihre 5 Kinder, ließen sich in
Ettelbrück nieder und erwarben das Bürgerrecht.
Einwanderung jüdischer Familien nach Luxemburg
Nachdem das Herzogtum Luxemburg 1795 dem französischen « Département des Forêts »
angegliedert wurde, galt die republikanische Gesetzgebung auch auf luxemburger Territorium.
Die Bevölkerung Luxemburgs kam in den Genuss der Freiheiten, die während der Französischen
Revolution erkämpft wurden. Die Kultusfreiheit, die Zweisprachigkeit, ebenso wie die Toleranz
gegenüber den „Israeliten“ lockten erste jüdische Familien aus Deutschland und Frankreich nach
Luxemburg. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelten sich neben der Stadt Luxemburg
kleinere jüdische Gemeinden in den Städten Ettelbrück, Esch-Alzette, Mondorf, Medernach und
Grevenmacher. Die Anzahl der jüdischen Einwohner überschritt im Jahr 1895 die 1000 und
pendelte sich 1935 auf 3144 Personen ein. Neben der großen christlichen Glaubensgemeinschaft
bildeten die Juden jedoch nur eine Minorität.
Neben der Einwanderung stieg die Anzahl der jüdischen Mitbewohner stetig durch die
zahlreichen Nachkommen der ansässigen Juden. Keine Besonderheit war es um diese Zeit, dass
eine Familie, wie das Ehepaar Salomon Israel, 7 Kinder zeugte. Um 1880 zählte die jüdische
Gemeinde aus Ettelbrück 19 Familien. Zehn Jahre später waren es bereits 30 Haushalte. Mitte
der 1930er Jahre erreichte die jüdische Gemeinde, welche nun aus 45 Familien bestand, mit
insgesamt 124 Personen, ihren demographischen Höhepunkt.
2. Der Alltag in Ettelbrück
Da den Juden seit dem Mittelalter verweigert wurde in der Landwirtschaft zu arbeiten oder
Handwerke auszuüben, waren sie vorwiegend im Handel tätig. Viele Einwanderer, wie Max und
Isaac Cahen, versuchten sich anfänglich als Hausierer durchzuschlagen, ehe sie sich auf einen
Geschäftszweig spezialisierten. Die beiden Brüder handelten erst mit verschiedenen Textilwaren
bis sie sich dem Viehhandel zuwandten. Die zahlreichen Monatsmärkte lockten weitere jüdische
Viehhändler nach Ettelbrück, welche die Bauern aus dem Ösling belieferten. Die zeitweise 7
Pferde- und Viehhändler aus Ettelbrück waren angesehene und unabkömmliche Handelspartner.
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Der Einfluss der jüdischen Viehhändler war so groß, dass vermieden wurde, die Märkte an
jüdischen Feiertagen abzuhalten, an welchen die Juden nicht arbeiten durften.
Weitere Juden, wie Salomon Israel oder Marx Levy, eröffneten Metzgereien, um ihre
Glaubensgenossen mit koscherem (den jüdischen Speisegesetzen gemäß) Fleisch beliefern zu
können. Anfang des 20. Jahrhunderts spezialisierten sich die in Ettelbrück ansässigen Juden in
verschiedenen Handwerken (z.B. Sattler, Schneider, Schuster, Lieferant von Öl und
Schmierfetten, ...) und gaben dem Geschäftsleben der Stadt einen zusätzlichen Auftrieb.
Besonders bewandert waren die jüdischen Geschäftsleute in der Textilbranche. Die Warenhäuser
Arthur Wolff und Kann-Mayer, mit ihren Manufakturen für Damen-, Herren- und
Kinderkonfektion, sowie das Schuhwarengeschäft Joseph Cahen und die Lederhandlung
Manfred Gorge versorgten die Stadt mit Qualitätsprodukten und waren bei der Landbevölkerung
der Umgegend geschätzt. Die um 1930 bereits mit großen Schaufenster versehenen Lokale
waren die modernsten Geschäfte der Stadt und zählten zur treibenden Kraft Ettelbrücks. Nicht
überraschend war die Teilnahme der 13 jüdischen Geschäfte an der ersten „Braderie“ von 1930.
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Die Tuch- und Trikot-Fabrik der Gebrüder Godchaux wurde in den Jahren 1864-66 gegründet.
Jules und Louis Godchaux verwalteten die Gesellschaft, welche zu einem der führenden Betriebe
in der Textilverarbeitung in Europa zählte und bis zu 300 Arbeitern beschäftigte.
Die stetige Zuwanderung und der rege Besuch der jüdischen Geschäfte durch die ansässige
Bevölkerung gaben bereits zu erkennen, dass die Juden mehr als nur geduldet waren in
Ettelbrück. Viele der zugewanderten Juden wurden hoch geschätzt. So waren der Tuchfabrikant
Jules Godchaux, von 1873 bis 1878, und der Viehhändler Emile Hertz von 1920 bis 1934,
Mitglied des Gemeinderates.
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Arthur Wolff, Inhaber eines Konfektions- und Pelzwarengeschäftes, führte von 1919 bis 1938 als
Präsident den Turnverein „La Patrie“.
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Etliche Juden waren Mitglied der Musikgesellschaft, dem Männerchor „Lyra“ oder dem
Fußballklub „Etzella“.
Aus Glaubensgründen war es den Ettelbrücker Juden nicht möglich im Kinderchor, den
Pfadfindern oder sonstigen katholischen Jugendorganisationen teil zu nehmen. Um den jüdischen
Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, sich sportlich, kulturell oder gesellschaftlich zu
betätigen, wurde der „Cercle Israélite d’Ettelbrück“ gegründet. Interessantes Detail ist die
Tatsache, dass mehrere jüdische Mädchen in dem katholischen „Pensionnat SainteAnne“ eingeschrieben waren.
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Im „Cercle Israélite d’Ettelbrück“ wurden unter anderem Theaterveranstaltungen oder Tanz- und
Karnevalsbälle veranstaltet.
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Zwischen Nachbarn unterschiedlicher Konfessionen herrschte ein gutes Klima.
3. Der Sabbat in Ettelbrück
Unterschiede zwischen der katholischen und der jüdischen Glaubensgemeinschaft wurden
eigentlich nur während religiösen Anlässen sichtbar. Galt bei den Christen der Sonntag als
Feiertag, so wurde der Sabbat, der jüdische Ruhetag, Samstags gefeiert.
Anfangs nahmen die Juden aus Ettelbrück an den hohen Feiertagen ihrer Glaubensgemeinschaft
am Gottesdienst in der Stadt Luxemburg teil. Um einen eigenen Gottesdienst führen zu können,
waren mindestens 10 männliche Teilnehmer erforderlich. Ab 1845 wurde diese Zahl an
Teilnehmern, dank den Juden aus Medernach und Waldbillig, erreicht. Die kleine Gemeinde lieh
sich für die Anfänge eine Thora aus Luxemburg aus und feierte ihre Gottesdienste im Hause
Salomon Israel und später im Hause Joseph Cahen. Am Sabbat und sonstigen Feiertagen kam ein
Lehrer aus Luxemburg und unterrichtete die Kinder im jüdischen Glauben.
Die Synagoge
Mit der Zunahme der jüdischen Bevölkerung in Ettelbrück erwies sich das Zimmer im Hause
Joseph Cahen, welches als Gebetsstätte diente, als zu klein. Die jüdische Gemeinschaft beschloss
eine eigene Synagoge zu bauen. 1870 konnte das jüdische Gotteshaus, das mittels Spenden und
Subsidien finanziert wurde, feierlich eingeweiht werden. Die Stadt Ettelbrück wurde somit zum
Zentrum der jüdischen Familien aus Ettelbrück, Medernach, Diekirch, Consdorf, Everlingen,
Grosbous und Waldbillig.
Der Friedhof
Zwischen 1832 und 1881 wurden die verstorbenen Juden der Ettelbrücker Gemeinde in
Luxemburg-Stadt beerdigt. Beschwerlich und kostspielig erwies sich der Transport zum
jüdischen Friedhof in Clausen. Erst 1880 genehmigte der Gemeinderat den Bau eines jüdischen
Friedhofs in der „Ditgesbach“. Am 11. Juni 1882 wurde Auguste Levy, der achtjährige Sohn des
Ehepaares Feis Levy und Rosine Kahn, als erster auf dem neuen Friedhof beigesetzt. Der
Friedhof wird bis heute benutzt, die letzte Bestattung fand 2007 statt.
Die jüdische Religionsschule
Um 1889 wurde ein Religionslehrer von der jüdischen Gemeinde eingestellt. Die Kosten für die
Einstellung des Religionslehrers Besslinger teilten sich die Mitglieder. Als letzterer verstarb,
vermachte er sein gesamtes Vermögen der jüdischen Gemeinde. Diese war nun imstande eine
Schule mit Lehrerwohnung zu finanzieren. Die Schule befand sich in direkter Nähe zur
Synagoge.
4. Die Kriegsjahre in Ettelbrück
Juden in Luxemburg (Grau)
Nach der Machtübernahme Hitlers (1933) und dem Anschluss Österreichs (1938) kamen Juden
aus Deutschland und Österreich als Flüchtlinge nach Luxemburg, da sie in ihrer Heimat
diskriminiert und verfolgt wurden. Die Anzahl der jüdischen Einwanderer in Luxemburg stieg
zwischen 1930 und 1935 von 1526 auf 2274, was einer Zunahme von 48% entsprach. 1935
bildeten die 3144 Juden in Luxemburg 1% der Gesamtbevölkerung. Zwischen der
Reichskristallnacht (1938) und dem Kriegsbeginn kamen nochmals 1135 Juden hinzu. Am 10.
Mai 1940 befanden sich um die 4000 Juden in Luxemburg.
Von der Demokratie zur Diktatur (Giel)
Gleich nach seiner Machtübernahme (1933) begann Hitler mit der
„Gleichschaltung“ Deutschlands. Politische Ideen, welche er in seinem Buch „Mein
Kampf“ angekündigt hatte, wurden in die Tat umgesetzt. Die Grundfreiheiten wurden außer
Kraft gesetzt und die verschiedenen Parteien und Gewerkschaften wurden verboten. Jegliche
Opposition wurde unterdrückt und politische Feinde wurden in Arbeits- und
Konzentrationslagern zum Schweigen gebracht.
Antijüdische Maßnahmen (giel)
A. Der Geschäftsboykott
Gleich nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler (1933) begann die Verfolgung der Juden.
Am 1. April 1933 wurde zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen. Mit Parolen wie
„Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden! » wurden die Deutschen aufgefordert jüdische
Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte zu meiden. Diese antisemitische Hetze erzielte aber nicht
die von den Nationalsozialisten erwünschte Wirkung.
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Angehörige der Sturmabteilung (SA) hinderten Passanten am Betreten jüdischer Geschäfte.
B. Die Rassengesetze
1935, während des Reichsparteitages in Nürnberg, wurde die Rassengesetze verabschiedet.
Ziel dieser rassistischen NS-Gesetze war es, das Verhältnis zwischen so genannten „Ariern“ und
„Nichtariern“ zu regeln. Die Juden waren fortan nur noch „Staatsangehörige“ ohne politische
Rechte. Diskriminiert und benachteiligt wurden auch so genannte „Mischlinge“ (z.B. Menschen
mit einem jüdischen Großelternteil, oder Kinder, die einen jüdischen Elternteil hatten).
Verboten wurden Eheschließungen zwischen Nichtjuden und Juden. Geschlechtsverkehr wurde
unter Strafe gestellt. Das „Blutschutzgesetz“ verbot Eheschließungen zwischen Nichtjuden und
Juden.
Nach und nach wurden die Juden aus vielen Berufen ausgeschlossen, z.B. durften Ärzte keine
Nichtjuden mehr behandeln. Später wurden ihre Geschäfte und Unternehmen geschlossen und
enteignet.
Durch diese antisemitischen Maßnahmen sollten die Juden aus der Gesellschaft ausgegrenzt und
ihre Lebensbasis genommen werden. Die Juden sollten zur Auswanderung aus dem 3. Reich
gezwungen werden.
C. Die Reichspogromnacht
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 kam es zu brutalen Übergriffen auf die jüdischen
Gemeinden in Deutschland und Österreich. Organisierte Schlägertrupps zerstörten jüdische
Geschäfte, brannten Synagogen nieder und töteten weit mehr als 400 Juden.
Als Vorwand diente dem Propagandaminister das Attentat des Juden Herschel Grynspan auf
einen deutschen Diplomaten in Paris. Alle Juden im 3. Reich, so die Absicht der
Nationalsozialisten, sollten für diese Tat bestraft werden.
Am 10. November wurden 30 000 männliche Juden in Konzentrationslager verschleppt. Vielen
Juden verließen nach diesen Ausschreitungen ihre Heimat und wanderten in sichere Länder aus,
z.B. nach Luxemburg, Belgien, Holland oder Frankreich, ...
Einige Familien suchen Zuflucht in Ettelbrück, wo sie sich eine neue Existenz aufzubauen
versuchten, wie die Familie Hirsch. Für andere war Luxemburg aber nur eine Zwischenetappe
auf dem Weg nach Übersee, da sie sich in den USA oder Südamerika sicherer fühlten, als in
Europa, wo ein neuer Krieg drohte. Viele ansässigen Juden glaubten sich jedoch in Sicherheit in
Ettelbrück. Sie wollten ihre Heimat nicht aufgeben und hofften, dass Luxemburg nicht in einen
neuen Krieg hinein gezogen würde.
Der Deutsche Überfall
Am 10. Mai 1940 wurde das neutrale Großherzogtum von den Deutschen Truppen überfallen.
Der Großherzogin Charlotte und dem Großteil der Regierung gelang es, sich nach Frankreich
abzusetzen. Der Süden des Landes wurde evakuiert. Von den 1500 Juden, die hinter der
Maginotlinie in Sicherheit gebracht wurden, kehrten nur wenige ins besetzte Luxemburg zurück.
Die Germanisierungspolitik
Ende Juli 1940 wurde die deutsche Militärverwaltung durch eine Zivilverwaltung ersetzt. Gustav
Simon, welcher dem Führer unmittelbar unterstand, verwaltete das Luxemburger Territorium,
das dem Gau Moselland zugefügt wurde. Der Chef der Zivilverwaltung (CdZ) begann alsbald
eine rigorose Germanisierungspolitik. Luxemburg sollte „Heim ins Reich“. Die staatlichen
Institutionen wurden zerschlagen, die Parteien und Gewerkschaften verboten. Mittels der
Gestapo und einem Netz von Kollaborateuren wurde die Bevölkerung überwacht und terrorisiert.
Nationalsozialistische Organisationen, wie die Volksdeutsche Bewegung (VdB) oder die
Hitlerjugend (HJ), sowie die gleichgeschaltete Presse, sollten die Luxemburger von der NSIdeologie überzeugen.
Antisemitische Maßnahmen in Luxemburg
Bereits vor der deutschen Besetzung hatte es in Luxemburg antisemitische Stimmen
(judenfeindliche Äußerungen) gegeben ...
Ab August-September 1940 verschlechterte sich die Lage der noch in Luxemburg verbleibenden
Juden. Die bereits im 3. Reich geltende antisemitische Gesetzgebung wurde in Luxemburg
eingeführt. So wurde ein Handelsverbot und die Auflösung der jüdischen Geschäfte beschlossen.
Die Bankkonten der Juden wurden blockiert und ihr Vermögen und ihre Wertgegenstände
beschlagnahmt. Etliche Juden wurden auch zur Zwangsarbeit, wie zum Beispiel beim
Reichsautobahnbau bei Wittlich oder im Steinbruch in Nennig, verpflichtet.
Am 12. September 1940 verordnete der CdZ, dass alle in Luxemburg ansässigen Juden innerhalb
von 14 Tagen das Land zu verlassen hätten. Diese Aufforderung des Gauleiters, welche eine
2000 Juden betraf, wurde jedoch nicht umgesetzt.
Ab dem 14. Oktober mussten die Juden zur Erkennung einen gelben Stern mit der Aufschrift
„Jude“ auf der linken Brustseite tragen. Mit dem Ziel Luxemburg so schnell wie möglich als
„judenrein“ erklären zu können, wurde diese systematische Ausgrenzung und Ausbeutung
radikal vom CdZ weitergetrieben. Um die Verfolgten zu unterstützen halfen viele Nachbarn, vor
allem mit Nahrungsmitteln, als keine Lebensmittelkarten mehr für die Juden ausgegeben wurden.
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Jüdische Häuser und Geschäfte wurden beschmiert oder gekennzeichnet.
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Zahlreiche Verbote wurden den Juden aufgezwungen.
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Ab Oktober 1941 erhielten alle Juden einen zusätzlichen Vornamen. „Israel“ für Männer und
„Sara“ für Frauen.
Im Dezember 1940 wurden die Wohnungen und Geschäfte der Ettelbrücker Juden mit Farbe
beschmiert und mit der Aufschrift „Jude“ beklebt. Luxemburger Kollaborateure brachen die
Synagoge gewaltsam auf und entweihten die Gebetsstätte.
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Die Fensterscheiben der Synagoge und Teile der Innenausstattung, wie die siebenarmigen
Leuchter oder die wertvollen Vorhänge, wurden zerstört.
Die Schändung jüdischer Kultstätten
Die Synagogen wurden geschlossen, die Besitztümer der jüdischen Gemeinden kamen fort oder
mussten vor den Nazis versteckt werden. Die Synagogen von Luxemburg und Esch-Alzette
wurden dem Boden gleich gemacht.
YadVashem
Da sich die Lebensbedingungen dramatisch verschlechterten [siehe oben] versuchten die meisten
Juden, nach Frankreich oder nach Amerika zu fliehen. Auch mehrere Ettelbrücker Juden konnten
sich über Frankreich nach Amerika durchschlagen. Unter ihnen die Familie Jacques Kahn,
welche mit dem Transport vom 7. November 1940 über Marseille, Casablanca und Kuba nach
New York gelangte und somit dem Naziterror entkam.
Die Häuser und Geschäfte der geflohenen Juden wurden enteignet („arisiert“). Häufig wurden
die Gebäude von NS-Organisationen benutzt, z.B. von der Hitlerjugend. Als die Wohnungen der
Juden 1942 verkauft wurden, waren nur wenige Luxemburger interessiert. Viele
Wertgegenstände der Ettelbrücker Juden wurden im Nebengebäude der Metzgerei und
Gastwirtschaft Joseph Hertz gelagert, wo sie der Zerstörung durch Feuchtigkeit und Ungeziefer
preisgegeben waren.
Das Jüdische Altersheim in Fünfbrunnen
Zwischen Juli 1941 und April 1943 dienten ein leerstehendes Klostergemäuer in Fünfbrunnen bei
Ulflingen (Troisvierges) als Sammel- und Internierungslager für Juden aus ganz Luxemburg.
„Jüdisches Altersheim“ war die offizielle Bezeichnung. Insgesamt 300 Juden, im Alter zwischen
1 und 88 Jahren lebten auf engstem Raum in menschenunwürdigen Bedingungen. Mehr als 20
Häftlinge überlebten die Internierung nicht.
Die Familie Wolff-Friedmann war, wie viele andere jüdische Mitbürger, ab dem 11. August 1941
nach Fünfbrunnen ins Internierungslager abgezogen worden. Dank Jacques Thill, einem Mitglied
der Resistenzorganisation LPL (Lëtzeburger Patriote Liga), gelang ihnen die Flucht. Die Familie
Wolff wurde über die Grenze nach Belgien geschleust und konnte sich während der Kriegsjahre
in Brüssel verstecken.
Deportationen aus Luxemburg
Ab Oktober 1941 stoppte die Gestapo die zwangsweisen „Auswanderungen“ der Juden aus
Luxemburg. Die Deportationen nach Osteuropa begannen ab dem 16. Oktober 1941. Die
jüdischen Familien erhielten eine sogenannte „Staatspolizeiliche Verfügung“ welche sie zur
„Aussiedlung“ aufforderte. Die Familien mussten sich ordnungsgemäß abmelden und ihre
Wohnung „in Ordnung und Sauberkeit“ bringen. Der erste Transport nach Litzmannstadt (Lodz)
umfasste 334 Menschen, Frauen und Kinder, alte und junge Menschen. Im Ghetto Litzmannstadt
wurden über 200 000 Juden aus ganz Europa zusammengetrieben. In diesem eingezäunten und
überwachten Stadtteil, lebten die Juden isoliert von der Außenwelt. Die Lebensbedingungen
waren unmenschlich und die Sterblichkeitsrate wegen des Hungers, den Krankheiten, der Kälte
und der unmenschlichen Behandlung sehr hoch. Als das Ghetto 1944 aufgelöst wurde, kamen die
meisten der Überlebenden nach Auschwitz-Birkenau. Weitere 6 Deportationszüge brachten
jüdische Menschen aus Luxemburg in deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager:
Theresienstadt (im heutigen Tschechien) und Auschwitz (im heutigen Polen). Weitere
Luxemburger Juden, die ins „Freie Frankreich“ geflüchtet waren, wurden dort gefasst und nach
Polen deportiert.
Von den insgesamt 1242 Deportierten überlebten nur 78 die NS-Vernichtungslager. Der
systematische Völkermord an den Juden in der Zeit des Nationalsozialismus hatte ganze
Familien aus Luxemburg ausgelöscht. Die Shoah hat ihre Spuren bis in kleine Luxemburger
Dörfer hinterlassen.
1947 lebten nur noch 870 Juden in Luxemburg von welchen 487 die Luxemburger
Staatsangehörigkeit besaßen.
Datum
Ziel
Deportierte
16.10.1941
Litzmannstadt
334
23.04.1942
Izbica
27
12.07.1942
Auschwitz
24
26.07.1942
Theresienstadt
27
28.07.1942
Theresienstadt
159
06.04.1943
Theresienstadt
97
17.06.1943
Theresienstadt / Auschwitz
11
Das Schicksal einer jüdischen Familie aus Ettelbrück
Die Familie Kann hatte sich vor 1881 in Ettelbrück niedergelassen. Bernard Kann war ein
eingesessener Geschäftsmann und Pferdehändler. Mit der aus Wawern (neben Konz bei Trier)
stammenden Marianne Mayer gründete er eine Familie, welche 6 Kinder zählte. Sie lebten in der
Warkerstraße und später in der Gaspeschgasse.
Während des Krieges wurden Adolphe und seine Schwester Sophie, von den Deutschen gefasst
und mit dem Transport vom 23. April 1942 nach Izbica verschleppt. Seither gelten sie als
verschollen. Benjamin Kann, welcher nach Frankreich geflüchtet war, wurde dort verhaftet und
kam ins Lager von Drancy (bei Paris). Von dort aus wurde er mit seiner Tochter am 11.
November 1942 nach Auschwitz deportiert. Alleine Jacques und Félix Kann überlebten den
Krieg, da sie rechtzeitig in die USA auswandern konnten. 3 der 6 Geschwister wurden Opfer des
Nazi-Terrors. Alleine Jacques Kann kam nach dem Krieg in seine Heimatstadt Ettelbrück zurück,
wo er sein Geschäftshaus völlig zerstört wiederfand. Er übernahm das Amt des Vorstehers der
jüdischen Nachkriegsgemeinde, welche aus nur noch 9 Familien bestand.
Auch etwa 11 jüdische Patienten der Ettelbrücker Nervenheilanstalt wurden deportiert. Sie
wurden in deutschen Konzentrationslagern ermordet.
Ortsansässige, die während der Shoah umgekommen sind: 105
Insassen aus der Heilanstalt: 11
Überlebende der Deportation: 11
Gesamtzahl der Deportierten aus Ettelbrück: 127
Am 14. Mai 1999 verstarb Philippe Levy, ein jüdscher Geschäftsmann, der den
Geschäftsverband aus Ettelbrück über 10 Jahre geleitet hatte. Er war das letzte Mitglied einer
einst blühenden jüdischen Gemeinde, die während des 2. Weltkrieges abrupt in die Flucht
geschlagen oder in den Konzentrationslagern vernichtet worden war.
Die Ausstellung wurde von der 10PS1 unter der Leitung von André Ney erstellt (Januar 2013).
Die Bilder stammen aus der Sammlung von Arthur Muller.
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