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Nr.12 – Dezember 2014 – 180. Jahrgang
Herausgeber: Schweizerische Offiziersgesellschaft
Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift
Sicherheit Schweiz
Türkei und Europa
25 Jahre PSO
NATO Cyber Defence
MP Bat 2 an der AIR14
BODLUV 2020
NASAMS Fliegerabwehrsystem
Die Lösung für die Schweiz
Erprobt und eingeführt in 7 Armeen
Das Flabsystem für die Zukunft
www.kongsberg.com
Editorial
3
SOG Vorstand
Denis Froidevaux
Peter Schneider
33
2014 mit fahlem Beigeschmack
Aktuelles
Walter Schilling
4
8 Der IS verfügt über
schwere Waffen
Türkei und Europa:
Wachsende Gegnerschaft
Einsatz und Ausbildung
Stefan Bühler
34
M. M. Ould Mohamedou
8
Islamischer Staat (IS)
im Schatten der Al-Qaida
Arthur Alexejew
37
Sicherheitspolitik
Hans Peter Gubler
10
Einblick in die Friedensförderung der Schweizer Armee
Willy P. Stelzer
11
Nein zur «WEA-Armee» –
ohne Wenn und Aber
Roger Harr
12
Über die Pflicht,
sich aufzulehnen
Frode Vincent Faeravaag
14 Wehrpflicht in Norwegen –
in Zukunft auch für Frauen
14
Wehrpflicht in Norwegen –
in Zukunft auch für Frauen
Eugen Thomann
16
Balkan – ewiger Unruheherd?
Hans Peter Gubler
18
Europa unter Spannung
Bruno Lezzi
20
NATO übt die Bündnisverteidigung
Daniel Fuhrer
22
Stossrichtungen europäischer
Streitkräftereformen
André Blattmann
52 General Henri Guisan
nach der Vereidigung
25
Das Wort des CdA
Marcel Serr
26
Operation Protective Edge
Heinrich L. Wirz
27
Aus dem Bundeshaus
Intelligence
Member of the European
Military Press Association
(EMPA) – ISSN 0002-5925
Gedanken zum Kampf
in der urbanen Schweiz
Sensorwirkungsverbund
im Geb Inf Bat 77
Mario Fässler
38
MP Bat 2 im Einsatz an der AIR14
Daniel Marbot, Gian Bortolin
40
Stabsübung «POLLUX»
Wirtschaft
Balz Villiger
42
RUAG am Impulstag
Luftwaffe
Eugen Thomann
45
Die Luftwaffe trotz Turbulenzen
im Steigflug
Jürg Studer
46
100 Jahre Luftwaffe
Internationale Nachrichten
48
Hans Peter Gubler
Geschichte
Hans Rudolf Fuhrer
52
Zwei Generäle mit ungleichem
Image in der Nachwelt
Kaj-Gunnar Sievert
54
Paukenschlag in Scapa Flow
Vermischtes
58
Dieter Kläy
Bücher
63
Andrea Grichting-Zelenka
Titelbild
Friedrich-Wilhelm Schlomann
28
Schicksalsjahr 1989 für
den Bundesnachrichtendienst
Hans Wegmüller
30
PSO: Im Einsatz
für den Frieden
Foto: SWISSINT
NATO Cyber Defence Centre
of Excellence
ASMZ 12/2014
1
Ihre Karriere bei uns
www.armee.ch/berufe
Vielfalt, Dynamik, Perspektiven –
Berufe der Schweizer Armee
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Die Menschen – und die Staaten – hoffen immer
wieder auf Stabilität und Frieden. Mit dem Fall der
Mauer in Berlin am 9. November 1989 und der Auflösung der UdSSR, des Warschauer Paktes und des
COMECON 1991 brach für viele der «ewige Friede»
aus. Skeptiker wurden als ewiggestrige kalte Krieger
verschrien. In zahlreichen europäischen Verteidigungsministerien, auch bei uns, musste die klassische und
immer wieder bestätigte Denkweise der gefährlichsten
Bedrohung den einfacheren und populäreren «wahrscheinlichen» Gefahren und Risiken weichen; die Bedrohungen waren verschwunden. Dies führte zu einer
unglaublichen geistigen und materiellen Demontage
der Armee.
Frau Ingrid Meissl Årebo, Stockholm, in der NZZ
am 23.10. 2014: «… Ende August hat Schweden ein
Gastlandabkommen unterzeichnet, dank dem NATO
Rapid Reaction Forces in Schweden Übungen und
Einsätze tätigen können. Es ist kein Geheimnis, dass
Russland die Nähe des allianzfreien Schweden zur
NATO nicht goutiert. Die immer dreisteren Provokationen und Verletzungen schwedischen Hoheitsgebiets sind Zeichen dafür …». Unabhängig von einer
russischen Einmischung belegt die Operation in den
Schären einmal mehr die Ressourcenschwäche der
schwedischen Armee, die seit der Jahrtausendwende
massiv verkleinert wurde. Ein Beispiel dafür sind die
vor sechs Jahren ausgemusterten Helikopter für die
U-Boot-Suche. Obwohl vor über einem Jahrzehnt Ersatz bestellt wurde, dürften diese nicht vor 2018 geliefert werden. Im Haushaltvorschlag, den die Regierung am Donnerstag vorlegt, ist zwar eine kräftige
Aufstockung des Militärbudgets vorgesehen, mit dem
sich die vorhandenen Löcher aber nicht stopfen las-
sen. Folgen der fatalen Verwechslung von gefährlich
und wahrscheinlich?
Moderne Kriegführung wird uns in der Ukraine
vorgeführt: Unsichtbarer und dadurch bei uns nicht
empfundener massiver Einsatz von Cyberwar, gefolgt
von einem äusserst intensiven Propagandakrieg und
lähmendem Einsatz von Special Forces. Danach, wenn
überhaupt noch nötig, klassischer Land-/Luft-/Seekrieg.
Ein ähnliches Muster gilt für den «Islamischen Staat»,
man ersetze Special Forces durch Selbstmordattentäter. Gemeinsam ist der sehr schnelle Ablauf – etwas
pointiert: Krieg aus dem Stand! Ich habe zu denjenigen gehört, die glaubten, dass bei Anzeichen von
Krieg noch ein Aufwuchs möglich und der Erhalt von
Fähigkeiten entscheidend ist. Ich habe mich getäuscht.
Schwere Bedrohungen, Krise und Krieg werden uns
überraschen, nur das Vorhandene zählt.
Der brillante Propagandakrieg in der Ukraine hat
dazu geführt, dass wir die Krim längst vergessen haben, obschon völkerrechtswidrig ein Teil eines souveränen Staates von einer fremden Macht besetzt wurde
und dies erst vor ein paar Monaten. Für wen war diese
Aktion wahrscheinlich? Gefährlich ist sie allemal, ein
Bild von Macht wird aufgebaut, das fait accompli wird
nicht in Frage gestellt.
Für mich wäre eine Konsequenz davon, dass der
Staat in ausserordentlichen Lagen fähig sein muss, dem
Propagandakrieg zu begegnen, indem er die zivilen
Informationsmittel unterstützt. Wenn nur was bereit
ist, wirken kann: müsste man nicht in einer geeigneten Form das den vielen Reformen geopferte Info
Rgt 1 wieder aufbauen? In der gleichen Konsequenz
muss die «WEA-Armee» auf die gefährlichste Bedrohung, nicht auf bequeme und letztlich auf Stufe
Bund wenig relevante «wahrscheinliche» Ereignisse
ausgelegt und Schritt um Schritt wieder vergrössert
und aufgerüstet werden.
Am 25. Oktober feierte die Armee in Stans 25 Jahre
Peace Support Operations. In diesem Bereich leistet
die Armee hervorragende Arbeit. Ausrüstung und Ausbildung stimmen, das Milizsystem stellt auch hier seine Überlegenheit dank Polyvalenz, kombinierter zivilmilitärischer Ausbildung und Verankerung im sozialen Umfeld deutlich unter Beweis.
Liebe Leserin, lieber Leser, ich wünsche Ihnen und
Ihren Angehörigen und Freunden ein schönes und
geruhsames Weihnachtsfest sowie ein erfolgreiches und
glückliches neues Jahr, das uns den Frieden erhalten
möge. Ich danke allen für die vielen Leserzuschriften,
Artikel und Beiträge aller Art und freue mich auf eine
weiterhin gute Zusammenarbeit.
Peter Schneider, Chefredaktor
[email protected]
ASMZ 12/2014
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Aktuelles
Die Türkei und Europa:
Wachsende Gegnerschaft
Nach der Wahl des früheren Regierungschefs Recep Tayyip
Erdogan zum Staatspräsidenten am 10. August 2014 müssen in
der Debatte über die Aufnahme der Türkei in die EU neben den
gesellschaftspolitischen auch die sicherheitspolitischen Aspekte
neu erörtert werden. Die Türkei hat während der vergangenen
zwölf Jahre einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht;
die politische Führung ist entschlossen, in diesem Prozess
die nächsten Schritte zu gehen.
Walter Schilling
Bestimmten bis zum Beginn des 21.
Jahrhunderts der vom Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk erzwungene Säkularismus und das vom Militär gestützte kemalistische Establishment den Charakter des türkischen Staates, so gewann das
streng islamisch geprägte und wirtschaftlich erfolgreiche anatolische Bürgertum
in den vergangenen zwölf Jahren immer
grösseren Einfluss. Seine Denkweisen und
Interessen werden in bemerkenswerter
Konsequenz von der «Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung» (AKP = Adalet
ve Kalkinma Partisi) repräsentiert, die seit
2003 die türkische Regierung trägt.
Re-Islamisierung der Türkei
Ihren Führungskräften ist es nicht nur
gelungen, Staat und Gesellschaft der Türkei auf der Grundlage des Islam weit-
4
ASMZ 12/2014
gehend umzugestalten. Sie kämpfen auch
mit allen Mitteln und oft in rigoroser
Weise darum, die in der türkischen Gesellschaft immer noch vorhandenen säkularen Kräfte weiter zurückzudrängen.
Vor allem nach den Parlamentswahlen
in der Türkei vom 12. Juni 2011, die der
AKP mit 49,8 % einen hohen Zuspruch
gegeben und damit 326 der 550 Mandate verschafft haben, suchen Erdogan und
seine Mitstreiter die Handlungsmöglichkeiten der säkularen Kräfte im Lande weiter einzuschränken und den islamischen
Charakter der Türkei zu verstärken. Verwaltung, Polizei, Justiz, das Bildungssystem und der grösste Teil der Medien befinden sich längst unter der Kontrolle jener von Erdogan geführten Kräfte, die davon überzeugt sind, dass «der Islam ohne
Fehler» ist und die politische Praxis beDie Türkei und Ihre Nachbarn.
Bild: Karte CSS-ETHZ
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.
Bild: egedebugun-gazetesi.com
stimmen soll. Und seit dem unerwarteten geschlossenen Rücktritt der säkular
eingestellten türkischen Militärführung
am 29. Juli 2011 fällt es Erdogan umso
leichter, mit Hilfe der Personalpolitik die
Streitkräfte zu einer AKP-Armee umzuformen, die sich gehorsam in den Prozess
der Islamisierung des Landes einordnet.
In der Tat erscheint es bereits nach den
zurückliegenden zwölf Regierungsjahren
und den jüngsten Wahlergebnissen für die
AKP gerechtfertigt, von einer Ära zu sprechen, die ein politisch markantes Regime,
das «System Erdogan», hervorgebracht
und ziemlich fest verankert hat. Der unbedingte Wille zur weiteren Islamisierung
der türkischen Gesellschaft durchzog auch
die Grundsatzrede Erdogans anlässlich seiner Wahl zum Vorsitzenden der AKP am
30. September 2012. Dabei legte der damalige türkische Regierungschef seine Zukunftsvision für das Land und die ganze
Region in den kommenden 60 Jahren (!)
dar. In der Gemeinschaft der islamischen
Länder sieht Erdogan die Türkei keineswegs in einer «Brückenfunktion zwischen
Ost und West», sondern als Machtzen-
Aktuelles
trum, das die Entwicklung der islamischen Welt inspiriert und vorantreibt.
Entdemokratisierung
Wie wir an der charakteristischen Hinwendung der Türkei zum strengen Islam,
der brutalen Niederschlagung der Demonstrationen säkularer Kräfte, der unerbittlichen Verfolgung kritischer Journalisten
und Schriftsteller sowie der Verhaftung
und Verurteilung unbotmässiger Justizund Polizeibeamter ablesen können, ist
die Politik Erdogans mit einer zügigen
Entdemokratisierung des Landes verbunden. Dieser Trend wird sich mit der beabsichtigten Entwicklung eines auf Recep
Tayyip Erdogan zugeschnittenen autoritären Präsidialsystems noch verstärken und
eine neue Phase in der Politik der Türkei
einleiten. In welchem Geist sich der Prozess der Islamisierung der Türkei bisher
vollzogen hat und künftig weiter vollziehen wird, demonstriert nicht nur der neue
Staatspräsident Erdogan mit seinen Reden und politischen Entscheidungen. Die
streng islamischen Vorzeichen der türkischen Politik sind auch an den Schriften
und Handlungsweisen anderer hochrangiger türkischer Politiker, z.B. dem bisherigen Aussenminister und am 27. August
2014 zum Nachfolger Erdogans im Amt
des Regierungschefs und AKP-Vorsitzenden bestimmten Ahmet Davutoglu abzulesen. Dabei betont man die Überlegenheit
der islamischen Zivilisation im Vergleich
zur westlichen Zivilisation, die sich nach
Auffassung Erdogans und seiner Mitstreiter im Niedergang befindet. Vor diesem
Hintergrund erscheint es nur folgerichtig,
dass die politische Führungselite der Türkei einem streng islamisch geprägten Nationalismus das Wort redet, der schon seit
einigen Jahren immer stärker die Aussenund Sicherheitspolitik bestimmt.
des damaligen türkischen Regierungschefs
Erdogan im September
2011, eine erneute Aktion dieser Art durch
den Einsatz der eigenen Kriegsmarine zu
decken und die unmissverständliche Drohung
gegenüber dem EUMitgliedsstaat Zypern,
militärisch gegen dieses
Land vorzugehen, wenn
es im östlichen Mittel- Die Polizei räumt am 12. Juni 2013
Bild: Kurier.at
meer Erdgasbohrungen den Taksim-Platz in Istanbul.
vornehmen sollte, demonstrieren klar, wie sehr sich die Türkei allem mit der Unterstützung des despotieiner aggressiven Politik gegenüber Israel schen Mullah-Regimes im Iran und der
und dessen Verbündete verschrieben hat. bewussten Eskalation des Konflikts mit
Mit diesem Verhalten setzt sich das NATO- Israel offenbart sich das NATO-Mitglied
Land Türkei nicht nur über das gelten- Türkei regelmässig als ein Staat, der auf
de Völkerrecht hinweg. Es gibt zudem der Grundlage einer nationalen, dem
seit Mitte des Jahres 2010 klare Hinweise westlichen Bündnis und der Europäischen
darauf, dass die türkische Regierung dem Union widersprechenden sicherheitspoIran bei der Umgehung der von den west- litischen und strategischen Doktrin für
lichen Ländern verhängten Finanzsank- islamistische Regime und Terrorgruppen
tionen zur Seite steht.
Partei ergreift und sich gegen die freiheitDie wiederholte öffentliche Bezichti- lichen Demokratien des Westens stellt.
gung Israels durch Erdogan, es betrei- Mit diesen prekären Vorgehensweisen
be «einen Genozid an den Palästinensern ist die sicherheitspolitische Problematik
im Gaza» und die derzeitige Vorbereitung des islamisch geprägten Nationalismus
eines weiteren Versuchs, mit einem Schiffs- der Türkei jedoch nicht hinreichend bekonvoi die Seeblockade Gazas zu durch- schrieben. Mit Blick auf die am 3. Oktobrechen, belegen einmal mehr, welche ber 2005 – unter völlig anderen Vorauskrassen sicherheitspolitischen Gegensät- setzungen – begonnenen Verhandlungen
ze zur Haltung der übrigen NATO-Staa- über eine Aufnahme der Türkei in die Europäische Union rücken nunmehr noch
gravierendere sicherheitspolitische Probleme in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Gefährdet: Identität und
Handlungsfähigkeit Europas
Sicherheitspolitische Problematik
Die tiefe Verankerung der sicherheitspolitischen und strategischen Neuorientierung der Türkei ist seit Anfang 2010
immer wieder deutlich geworden. Der demonstrative Schulterschluss der Türkei
mit dem despotischen Mullah-Regime im
Iran und der islamistischen Terrororganisation Hamas im Gazastreifen hatte
sich schon 2009 angebahnt. Die amtliche
Unterstützung des Versuchs islamistischer
Kräfte Ende Mai 2010, die israelische Seeblockade Gazas mit Hilfe eines Schiffskonvois zu durchbrechen, die Drohung
Der neue Ministerpräsident und frühere
Aussenminister Ahmed Davutoglu.
Bild: todayonline
ten, aber auch gegenüber der Europäischen Union bestehen. Dabei ist bemerkenswert, dass Erdogan den Völkermord
der Türkei an den Armeniern im Jahre
1915 strikt leugnet und alle Landsleute
verfolgen lässt, die für eine Anerkennung
dieser historischen Tatsache plädieren. Vor
Angesichts der fortschreitenden Islamisierung, der damit in der Regel verbundenen Entdemokratisierung und der aus
dem Nationalismus entwickelten Ansprüche der Führungselite der Türkei kann
eine Aufnahme dieses zu 97% ausserhalb
Europas liegenden Landes in die EU nicht
in Frage kommen. Die machtbewusste politische Führung der Türkei hat nicht nur
ein völlig anderes Verständnis von Demokratie. Sie vertritt auch grundsätzlich andere Werte, Denkmuster, Traditionen
und Lebensformen, die tiefgreifende
Auswirkungen für das Zusammenleben
der Menschen mit sich bringen. Während in Europa im Rahmen einer Jahrhunderte dauernden Auseinandersetzung
weitgehend säkularisierte Gesellschaften
ASMZ 12/2014
5
Aktuelles
entstehen konnten, sind die derzeit in der 28 Mitgliedsstaaten umfassende EU für
Türkei Regierenden davon überzeugt, ihren Zusammenhalt – ungeachtet natiodass «der Islam die Einheit von Staat und naler Besonderheiten und kulturellen VielReligion gebietet». Schon die daraus sich falt – nicht nur eine grundlegende Überergebenden und von der politischen Füh- einstimmung in Werten, Rechten, Pflichrung offensiv vertretenen
ten und politischem BeAnsprüche hätten in einer
wusstsein für die Ziele der
um die Türkei erweiterGemeinschaft braucht.
ten EU zweifellos systemDiese gemeinsamen Werte
sprengende Kraft. Sie sind
müssen auch gelebt und
mit den Grundsätzen der
von den Menschen mitVerfassungen und den vigetragen werden.
talen Interessen der bisherigen EU-Länder nicht
Fazit
in Einklang zu bringen.
Mit einer VollmitgliedHier geht es um mehr als
schaft der Türkei in der
die Beachtung der MenEU würden nicht nur der
schenrechte, der Meiinnere Frieden und die so
nungs- und Pressefreiheit
oder die Rolle des Miliwichtige Identität Europas
tärs. Hier stehen vielmehr Mustafa Kemal Atatürk (1881– zerbrechen. Die EU verdas im Laufe von 60 Jah- 1938), Vater der säkularisierten löre auch ihre – ohnehin
Bild: Archiv
schon schwer herzustellenren in Europa Erreichte Türkei.
und die historisch gewachde – sicherheitspolitische
senen identitätsbildenden Fundamente Handlungsfähigkeit. Die Mitgliedschaft
auf dem Spiel, die den spezifischen Cha- der Türkei würde die Gewichte innerhalb
rakter und den inneren Zusammenhalt Europas entscheidend verschieben, die Under EU verbürgen. So bleibt es von ent- terstützung Israels im Ringen um seine
scheidender Bedeutung, dass die derzeit blosse Existenz als jüdischer Staat kaum
Ŷ
Ŷ
Ŷ
noch erlauben und die nur unter grossen
Mühen erreichbare Gemeinsamkeit in der
Aussen- und Sicherheitspolitik dieses «Staatenverbundes sui generis» zu einer Utopie
werden lassen. Erdogans sichtbares Einvernehmen mit dem nach Nuklearwaffen strebenden und die Existenz Israels in Frage
stellenden despotischen Mullah-Regime
im Iran, seine offene Unterstützung der
islamistischen Terrororganisation Hamas
sowie seine enge Zusammenarbeit mit den
islamistischen Regimen in Katar und im
Sudan weisen längst auf diese Gefahren
hin. Angesichts der fortschreitenden Islamisierung der Türkei und der damit verbundenen Folgen für die innere Kohärenz
und die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit des europäischen Staatenverbundes ist ein Abbruch der Verhandlungen
über die Aufnahme dieses Landes in die
Europäische Union überfällig.
■
Oberst i Gst a D
Walter Schilling
Dr. phil.
Freier Publizist
E-29679 Benahavis
Einmaliges Netzwerk
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ASMZ 12/2014
7
Aktuelles
Der Islamische Staat (IS)
im Schatten der Al Qaida
Im Gegensatz zu Al Qaida ist der Islamische Staat (IS) regional
im Irak und in Syrien verankert. Seinen aussergewöhnlichen
Aufstieg verdankt er dem uferlosen Einsatz von extremer Brutalität,
aber auch dem Zerfall Syriens, dessen Regime von zahlreichen
islamistischen und anderen Gruppierungen bekämpft wird.
Mohammad-Mahmoud Ould Mohamedou*
Nach etwas mehr als einem Jahr nach
seiner Entstehung im April 2013 ist der
Islamische Staat im Irak und in Syrien
(ISIS) – umbenannt im Juni 2014 zu Islamischer Staat (IS) – zur wichtigsten radikalen islamistischen Gruppierung geworden.
Die Führer des IS haben sich zum Ziel
gesetzt, die transnationale Gruppierung
Al Qaida, welcher der IS früher angehörte, zu überflügeln. Falls das «Ende» der Al
Qaida naht, wäre es demzufolge nicht
dem Krieg gegen den Terrorismus, nicht
den amerikanischen Anti-Terror-Operationen in Afghanistan und im Irak oder
dem ideologischen Einfluss der Demokraten des Arabischen Frühlings zu verdanken, sondern auf einen internen Generationenwechsel und ein kompliziertes
Führungsgerangel zurückzuführen.
Die Gruppierung, die heute als Islamischer Staat auftritt, erscheint 1999 unter
der Führung des militanten jordanischen
Islamisten Abu Mussab al-Zarqawi, der
Vom Islamischen Staat (IS) besetztes Gebiet,
Stand Juni 2014 (CIA).
nach seiner Rückkehr aus Afghanistan die
Gruppe für «Einheit und Dschihad» ins
Leben ruft. Nach den Anschlägen vom
11. September 2001 und der amerikanischen Invasion des Iraks im März 2003
8
ASMZ 12/2014
stösst al-Zarqawis Grupzung, die transnationape im Oktober 2004, unle militante Bewegung
ter der Bezeichnung Al
mit einer schnellen ExQaida im Irak (AQI),
pansion, der gnadenzur Organisation von
lose Konkurrenzkampf
Osama Bin Laden; sie
unter den regionalen
behält aber eine bedeuMächten, die gewalttätende operationelle Autigen lokalen Aufstände
tonomie.
und die taktischen SieNach dem Tod von
ge einer ehrgeizigen isal-Zarqawi im Juni
lamistischen Gruppierung, die zunehmend zu
2006 erfolgt der nahteiner strategischen Helose Übergang an Abu
rausforderung wird.
Omar al Bagdadi; dieTrotzdem können in
ser fokussiert die AQI
mindestens drei verschieganz auf den Irak und Abu Bakr al-Baghdadi alias
denen Bereichen wesentschafft einen ersten Is- «Kalif Ibrahim».
Bild: Screenshot, Wikipedia
liche Unterschiede zwilamischen Staat im Irak
schen dem IS und der
(ISI). Nachdem Abu
Omar al-Baghdadi im Mai 2010 getötet Al Qaida festgestellt werden:
wird, übernimmt Abu Bakr al-Baghdadi • Der IS führt einen primär auf Landgewinn im vorderen Orient ausgerichtedie Führung. Er setzt zwar die «Irakisieten Kampf, dies im Gegensatz zur Al
rung» des ISI fort, dehnt sie aber, im Sog
Qaida, die globale Ziele verfolgte; das
des degenerierenden syrischen Konflikts,
post-sowjetische Afghanistan stellte die
Anfang 2012 auf den Norden und Osten
Ausgangslage ihres anti-amerikanischen
von Syrien aus. Er verkündet am 9. April
Projektes dar;
2013 die Geburt des «Islamischen Staates im Irak • Hinter der Rhetorik des Kalifats vermag
und in Syrien», der bei den
man kaum eine ausgebildete Ideologie
Führern der Al Qaida soerkennen, die über die levantinische
fort auf Ablehnung stösst.
und konfessionelle Identität (Sunna)
Schlussendlich folgt am
hinausgehen würde. Das Ziel von Bin
29. Juni 2014 die UmbeLaden hingegen war die Schaffung einer
nennung in «Islamischer
Basis (al qaida) für ein Heer von IslamisStaat (IS)»; Abu Bakr alten, einschliesslich nicht-Arabern und
nicht-Sunniten;
Baghdadi mutiert dabei
• Der Islamische Staat vereinigt bunt gezum «Kalifen Ibrahim».
mischte, gewaltbereite Individuen aus
Das Projekt des islaaller Welt, die durch den syrischen Konmischen Staates kann als
flikt angezogen werden. Al Qaida hateine «Neuerfindung» der
te die Absicht, eine homogene Gruppe
Al Qaida gewertet wervon Operateuren für Einsätze, wie etwa
den, der IS ahmt in vielen Teilen die von
die Hamburger Zelle von Mohammed
Osama Bin Laden und Ayman al-ZawaAtta, welche für 9/11 verantwortlich
hiri in Afghanistan entwickelten Aktiozeichnete, oder für den Kern von neuen
nen nach. Kennzeichen dafür sind ein
Gruppierungen in anderen Regionen
langer Konflikt im Rahmen einer Beset-
Aktuelles
(Ostafrika, Westeuropa, USA, Sahel)
zu bilden.
Syrien. Seinen aussergewöhnlichen Aufwuchs verdankt er zuerst Abu Bakr
Anders formuliert: Der IS konzentriert al-Baghdadi, einem ursich auf die Schaffung eines regionalen sprünglich sehr eigenstänSchwergewichtes (etwa zwischen Fallud- digen Leutnant von Bin
scha im Irak und ar-Raqqa in Syrien), Al Laden, sowie militanten
Qaida hingegen mobilisierte transnatio- und kampferprobten iranale Kräfte, um den Kampf zum «fernen kischen Islamisten. Diese
Gegner» zu tragen, an Stelle des «nahen haben die Gruppierung
Gegners». Bagdad oder Damaskus sind zuerst auf die Region fo- Weit mehr als Einzeltäter: Ein Konvoi von organisierten
Bild: AP
klar die Ziele des IS, Al Qaida ging es um kussiert und sich danach IS-Kämpfern.
von der Bevormundung
New York und Washington.
Der Islamische Staat gebietet nun über durch die Al Qaida gelöst. Die Loslösung Armee) Gruppierungen geleistet, die alle30 000 Mann und ein ausgedehntes Ter- von der Al Qaida geprägten hybriden Or- samt das Regime von Baschar al Assad beritorium in den beiden Staaten Irak und ganisation mit globalen Ansprüchen und kämpfen.
historisch grossem islamisIm Endeffekt ist die Episode IS zweiti
schen
Rahmen,
hat
den
fellos
ein Indiz einer neuen Evolution
Der IS verfügt über schwere Waffen. Bild: lowerclassmag.co
IS zu einer irakisch-syri- des radikalen Islamismus, weit über eine
schen Gruppierung ge- «Franchising» von Al Qaida hinaus. Sie
macht.
zeigt deutlich auf, dass die internationaDamit stellt der Islami- le Unsicherheit im zweiten Jahrzehnt des
sche Staat eine eigenstän- 21.Jahrhunderts gegensätzliche Verhalten
dige Form dar. Äusserste hervorbringt: Versuchte Staatsbildungen
Brutalität, wirksamer Ein- durch bewaffnete Gruppierungen auf der
satz der Verbindungsmit- einen Seite und milizartiges Verhalten der
tel und junge Soldaten – gescheiterten Staaten auf der anderen. ■
wie eine zweite Generation der Al Qaida – sind die Aus dem Französischen übersetzt: Sch
Zutaten für seine Vorstösse in den letzten Mona- * Dr. Mohammad-Mahmoud Ould Mohamedou
ist stellvertretender Direktor und Dekan des Genten. Allerdings wäre der
fer Zentrums für Sicherheitspolitik (GCSP) und
Aufstieg des IS ohne die
Professor am «Institut de Hautes Études InternaAllianz mit den sunnititionales et du Développement (IHEID)», beide
in Genf. Der Artikel ist eine Synthese der Studie
schen Stämmen im Irak,
des Autors «ISIS and the Deceptive Rebooting of
die durch den früheren
Al Qaeda», die im September 2014 im GCSP erRegierungschef Nouri al
schienen ist.
Maliki angespornt wurden, ungleich schwieriger
Mohammad-Mahmoud
gewesen. Schützenhilfe haOuld Mohamedou
ben auch mehrere andere
Professeur associé, IHEID
konkurrierende islamistiDirecteur-adjoint et doyen
sche (Jabhat al Nosra, AhSex-Dschihad: Der IS zeichnet sich durch rücksichtslose
académique, GCSP
rar al Chaam) und nicht isGewalt aus.
Bild: emma.de
1211 Genf
lamistische (Freie Syrische
Eidgenössisches Departement
für Verteidigung, Bevölkerungsschutz
und Sport VBS
Die Zeitmilitärs werden durch die Armee angestellt und übernehmen Verantwortung in
Ausbildungskursen, Schulen oder im Einsatz. Sie unterstützen die Berufsmilitärs in den
Bereichen Ausbildung, Führung und Administration. Für unsere Schulen und Kommandos
suchen wir
Zeitmilitär Einheitskommandant
Sie übernehmen Aufgaben in der Führung der Einheit, der Ausbildung von Truppe und Kader
und helfen mit, angehende Kader in ihrem Praktikum zu betreuen.
Die offenen Stellen und das
Bewerbungsformular finden Sie unter
dem Link: www.armee.ch/berufe
Sie sind eine teamfähige, selbständige, zuverlässige und belastbare Persönlichkeit und verfügen
über eine abgeschlossene dreijährige anerkannte Berufslehre oder über einen gleichwertigen
Schulabschluss. Idealerweise haben Sie die Ausbildung zum Einheitskommandanten bereits
absolviert oder angefangen.
Für weiter Auskünfte: [email protected]
Arbeitsort: Gemäss den aktuellen offenen Stellen / Beschäftigungsgrad: 100%
ASMZ 12/2014
9
Sicherheitspolitik
Einblick in die Friedensförderung
der Schweizer Armee
Die Einsätze der Armee im Rahmen der Friedensförderung sind
auch Gelegenheiten zum Erfahrungsaustausch mit Angehörigen
anderer Armeen, zum Vergleich und zur sichtbaren Präsenz.
Unser politisches System und die Neutralität prädestinieren uns
für gewisse Einsätze, wie z.B. die Liaison and Monitoring Teams
im Kosovo. Die Jubiläumsveranstaltung bot über 4500 Besuchern
einen perfekten Einblick.
Hans Peter Gubler, Redaktor ASMZ
Mit einer grossen Jubiläumsveranstaltung auf dem Waffenplatz Stans blickte
die Schweizer Armee Ende Oktober 2014
auf 25 Jahre UNO-Einsätze zurück. Mit
einer interessanten Fachausstellung, der
Demonstration von Einsatzbeispielen und
Direktschaltungen zu Schweizer Armeeangehörigen in Auslandeinsätzen wurde
den Besuchern in Stans ein umfassender
Einblick in die aktuellen Aktivitäten der
Schweizer Armee im Rahmen von UNOEinsätzen vermittelt. Friedensförderung
im internationalen Rahmen ist einer der
drei Aufträge der Schweizer Armee und
ist als solcher im Militärgesetz verankert.
Ausgeführt wird dieser Auftrag durch das
Kompetenzzentrum SWISSINT (Swiss
Armed Forces International Command)
in Stans. Die Umsetzung des Armeeauftrags «Friedensförderung» umfasst die Rekrutierung und Ausrüstung, die einsatzbezogene Ausbildung, die anschliessende
nationale Führung während des Einsatzes sowie deren Auswertung. Dies gilt für
alle schweizerischen militärischen Kontingente und Personen, welche einen Auslandeinsatz im Rahmen der Friedensförderung leisten. Weltweit befinden sich
derzeit rund 280 Schweizer Soldaten und
Soldatinnen in verschiedenen Funktionen
im Einsatz. Die Geburtsstunde der militärischen Friedensförderung liegt im Jahr
1953. Damals entsandte der Bundesrat
146 bewaffnete Armeeangehörige nach
Korea. Bis heute haben gesamthaft gegen 10000 Militärangehörige, davon 560
Frauen, Friedenseinsätze geleistet. Im Rahmen der UNO-Missionen waren medizinische Einheiten in Namibia und in der
West-Sahara stationiert sowie unbewaffnete Militärbeobachter in Kroatien, Tadschikistan, Äthiopien, Eritrea, Georgien
10
ASMZ 12/2014
und Nepal. Aktuell stehen Militärbeobachter im Nahen Osten, im Südsudan, in
Burundi und in der Demokratischen Republik Kongo im Einsatz.
Kosovo und Bosnien-Herzegowina
versen UNO-Missionen. Diese bilden beispielsweise Offiziere im Kriegsvölkerrecht
aus oder stehen in Trainingszentren für
Peacekeeping im Einsatz. Damit diese notwendigen Aktivitäten weitergeführt werden können, müssen laufend Soldaten und
Soldatinnen sowie entsprechende Fachspezialisten rekrutiert werden. Interessierte Frauen und Männer können sich beim
Für die OSZE leisteten in Bosnien-Herzegowina von 1996 bis 2000 bis zu 55
Schweizer vor allem logistische
Unterstützung. Die SWISSCOY
im Kosovo ist das bislang grösste
Engagement der Schweizer Armee im Rahmen der Friedensförderung. Seit 1999 sind pro
Kontingent heute bis zu 235 Soldatinnen und Soldaten zugunsten der KFOR im Dienst. Zentrale Aufgaben sind logistische
Dienstleistungen und Transporte sowie Supportarbeiten. Zudem ist in Zusammenarbeit mit
Truppenkontingenten anderer
Nationen die Verfolgung der
Sicherheitslage ein zentrales
Thema; dazu sind Kontakte zur
Bevölkerung sowie die Beziehungen zu den Behörden und
Regierungsstellen notwendig.
In Bosnien-Herzegowina stehen seit 2004 bis zu 20 Schweizer zugunsten der EU-Mission
ALTHEA im Einsatz. Sie sind
an bekannten und potentiellen
Konfliktgebieten stationiert und
arbeiten eng mit der lokalen Bevölkerung sowie den internatio- 4500 interessierte Zuschauer in Stans. Bilder: SWISSINT
nalen Organisationen zusammen. Die regelmässige Berichterstattung Kompetenzzentrum SWISSINT in Stans
und Informationen erfolgen an das HQ für einen Auslandeinsatz im Rahmen der
der EUFOR zugunsten deren Frühwarn- Schweizer Armee bewerben. Informatiosystem. Die Schweizer Armee engagiert nen über die zu besetzenden Funktionen
sich im Weiteren in der humanitären Mi- sowie Unterlagen befinden sich auf der
nenräumung sowie mit Spezialisten in di- Website www.armee.ch/peace-support. ■
Sicherheitspolitik
Nein zur «WEA-Armee» –
ohne Wenn und Aber
Bundesrat Rudolf Minger sagte in ernster Zeit, vor Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges und als die Schweizer Armee wie heute
ebenfalls nicht einsatzfähig war: «Ein Volk, das den Willen zu
seinem Schutz nicht mehr aufbringt, verdient, dass es untergeht».
Gleich bekannt ist die Ansicht von Botschafter Anton Thalmann:
«Die schweizerische Neutralität muss man sanft einschlafen
lassen».
Willy P. Stelzer
Bundesrat und Parlament scheinen bezüglich der Sicherheit des Staates Schweiz
und die Einhaltung von Verträgen sowie
der Bundesverfassung, Artikel 58, ihr Gedächtnis an den abgelegten Eid verloren zu haben. Die schweizerische Neutralität hat einen völkerrechtlichen, in Politik und Volk verankerten Status, was landesweit nicht mehr präsent ist. Durch Artikel 435 des Friedensvertrages von Versailles vom 28. Juni 1919 ist dieser Zustand der Neutralität von den Signatarstaaten anerkannt worden. Gemäss Bundesrat Maurer kann das Land nicht mehr
verteidigt werden, also kann auch die völkerrechtliche Verpflichtung nicht wahrgenommen werden.
Gescheiterte Reformen
Dass die Mängel der Armee 95 von
Bundesrat Adolf Ogi nicht behoben wurden und dass seine Armee XXI und der
Entwicklungsschritt 08/11 gescheitert
sind, wurde vielfach dokumentiert. Die
«Die Planung WEA
ist eine
‹Weitgehende Eliminierung
der Armee›.»
ungenehmigte Planung WEA ist keine
«Weiterentwicklung der Armee», sondern
eine «Weitgehende Eliminierung der Armee». Dies beinhaltet den weiteren Abbau der Armee, vom CdA André Blatt-
mann unter anderem in der Fachzeitschrift
INTRA, Ausgabe 02/14, bestätigt. Hand
in Hand geht die seit zehn Jahren anhaltende Armeematerial-Vernichtung. Und
künftigen Armee feststehen? Wie lange
noch lassen sich die bürgerlichen Mitglieder des Parlamentes an der Nase herum
führen?
Schlussfolgerungen
«Das Armeebudget muss
auf 1,2% des BIP
angehoben werden.»
der CdA macht trotzdem die erstaunliche
Aussage, als er im Interview mit der Weltwoche Nr. 19/2014 aussagt: «Ja, aber wir
dürfen nicht weiter schrumpfen. Wer alles
kahlschlägt, kann nachher nicht mehr einfach aufforsten. Was weg ist, ist weg». Die
Frage sei erlaubt: Wer ist für den Kahlschlag verantwortlich?
Die Glaubwürdigkeit
ist weg
Im Interview mit der ASMZ, Ausgabe 07/2013, Seite 6, bestätigt Bundesrat
Ueli Maurer, dass die WEA-Armee ihren
Auftrag gemäss Bundesverfassung grundsätzlich nicht erfüllen kann. Warum aber
beantragt Bundesrat Maurer im Namen
des Bundesrates dem Parlament die Annahme dieser wiederum zum Scheitern
verurteilten «Armee Reform», genannt
WEA? Geht es allein um die Erhaltung
des SVP-Bundesratssitzes oder des Kollegialprinzips? Warum lassen Bundesrat
Maurer und der CdA seit vier Jahren Kredite in dreistelliger Millionen-Höhe verfallen? Warum wird ein Stationierungskonzept ausgearbeitet (welches teilweise
bereits umgesetzt worden ist), bevor die
neue Organisation und Struktur der zu-
Zurück zum Bewährten! Die Miliz-Armee ist, wie in der Bundesverfassung stipuliert, wieder im Volk zu verankern. Ich
teile die Ansicht von Oberst i Gst Karl
Schmid, alt-Professor und ETH-Rektor:
«Die Armee ist die Schule der Nation».
Deshalb ist die Durchdiener-Truppe abzuschaffen, denn im wahren Sinne des
Wortes sind sie Söldner und nach Absolvierung ihrer Dienstzeit für die MilizArmee verloren. Jedoch sind wieder zwei
Heeresklassen notwendig: Mindestens
120 000 Mann Kampftruppen (mit mindestens drei Pz Br als Rückgrat der Armee) und mindestens 180000 Mann für
subsidiäre Hilfseinsätze, Katastrophenhilfe und Reserve, alle voll ausgerüstet
sowie eine Luftwaffe, welchen ihren Namen verdient. Bundesrat und Armeespitze ist die weitere Eliminierung von Armeematerial durch das Parlament zu verbieten. Das Armee-Budget muss auf 1,2 %
des BIP angesetzt werden, verbunden mit
der Sicherheit einer Fünfjahres-Planung.
Nur so erreichen wir wieder die Verteidigungs-Fähigkeit, den Respekt und die
notwendige Dissuasionswirkung wie vor
dem Mauerfall 1989.
■
Major a D
Willy P. Stelzer
Unternehmer (pensioniert)
8604 Volketswil
ASMZ 12/2014
11
Über die Pflicht, sich
aufzulehnen
Am 23. September flatterte
die Oktober-Ausgabe der SKYNEWS
ins Haus. Als einer, der mit dem
«Virus aviaticus» infiziert ist, blätterte
ich interessiert durch die Seiten.
Der Artikel mit dem Titel «Zukunft
nach dem Gripen-Nein» hat mich
interessiert, ich las ihn von Anfang
bis Ende.
Roger Harr
Interessiert las ich die – Zitat SKYNEWS – «klaren Worte» des Kdt LW bezüglich Ausserdienststellung der F-5 Tiger.
Er sei «rigoros gegen eine Aufrüstung, und
auch ein Weiterbetrieb ohne Modernisierung mache weder operationell noch betriebswirtschaftlich Sinn». «Anstatt wertvolle Steuerfranken einem veralteten System hinterherzuwerfen, investieren wir
diese Mittel besser in eine moderate Lebenswegverlängerung der F/A-18», hat der
Kdt LW eindringlich gemahnt und auch
die Erwartung ausgesprochen, dass «die
Reihen hinter diesem Entscheid geschlossen würden». Tatsächlich, klare Worte!
Interessiert las ich auch die Aussagen
von Bundesrat Maurer. Seine Aussage «wir
müssen in Zukunft geschlossener auftreten», stimmte mich nachdenklich. Ja
schon …: doch meinte er die Offiziere,
die vor der Gripen-Abstimmung für einen
anderen Flugzeugtyp plädierten? Oder
meinte er seinen eigenen Führungsapparat mit all den peinlichen Kommunikationspannen? War da vielleicht sogar etwas Selbstkritik in seinen Worten? Unterschreiben kann man sicher die Aussage
des Departementchefs, dass es kaum mehr
eine Umkehr zum Trend der stetig abnehmenden Anzahl Kampfflugzeuge ge-
12
ASMZ 12/2014
ben wird. Dieser Trend ist eine weltweit
gültige Tatsache.
Fliegt der Tiger doch länger?
So weit so gut! Doch dann – kaum eine
Stunde nachdem ich den Beitrag in SKYNEWS gelesen hatte – wurde um 1134
Uhr in der NZZ-Online die Schlagzeile
aufgeschaltet «Der Tiger fliegt vielleicht
doch länger», mit dem Untertitel: «Ueli
Maurer beugt sich der Tiger-Lobby». Neuerdings schliesst er eine Verlängerung der
Einsatzdauer des alten Kampfjets nicht
mehr aus. Eine Nachrüstung wäre aber
Geldverschwendung, sagt Maurer. Die
Tagesschau des Deutschschweizer Fernsehens setzte um 1930 noch einen drauf.
Was denn jetzt? Wo ist jetzt das vom
Kdt LW beschworene «professionellere
Projektmanagement»? Wieso diese Kehrtwendung, wenn es doch «betriebswirtschaftlich keinen Sinn macht»? Wo ist das
«geschlossene Auftreten», welches Bundesrat Maurer verlangt hat?
Die Gripen-Abstimmung ist unter anderem deswegen bachab gegangen, weil
chaotisch kommuniziert wurde und so in
breiten Bevölkerungskreisen der Eindruck
entstand, dass «die da oben» nicht wissen,
was sie wollen. Als armeefreundlicher Bürger und Steuerzahler, als Generalstabsof-
Etwa 30 Flugzeuge sind genug?
F/A-18, Bilder: VBS
fizier aD, als ehemaliger Zentralpräsident
der AVIA-Flieger und als ehemaliges Mitglied der Luftwaffenkommission musste
ich mich fragen, ob man aus dem Debakel
denn wirklich nichts gelernt hat?
Ich gehöre soziologisch zu den BabyBoomern. Das ist der Teil der Bevölkerung, der zwischen 1955 und 1965 auf
die Welt gekommen ist. Militärisch bin
ich im Kalten Krieg «gross» geworden. In
allen militärischen Schulen hat man mir
– oft zwischen Mitternacht und dem Morgengrauen – eingepeitscht, dass man in
Varianten denkt und immer vorbehaltene Entschlüsse da sein müssen. Wer aus
meiner Generation mag sich nicht an das
Zitat «Gouverner c’est prévoir» von Emile de Girardin erinnern! Ist unsere militärische Spitze in einer anderen Zeit als
ich militärisch gross geworden? Wo ist der
Plan B nach der Gripen-Abstimmung? Jeder, der nicht ganz auf den Kopf gefallen
ist, weiss doch was zu tun wäre.
Varianten und Plan B
Wo sind die Varianten bezüglich weiterer Verwendung der Tiger? Hat man wirklich eine ehrliche Beurteilung gemacht
Sicherheitspolitik
und sich die Vor- und Nachteile überlegt?
Weiss man wirklich, wie lange unsere Luftwaffe mit 32 Kampfflugzeugen im 24 hBetrieb durchhalten kann? Ich bin verwirrt
über die verschiedenen Angaben von 10
Tagen, 2 Wochen oder 3 Wochen! Was
ist, wenn es länger dauert?
Ist kein Tiger wirklich die beste Lösung? Wenn es dann nur noch um Luftpolizeieinsätze und den Schutz des WEF
oder der nächsten Fussball-EM geht, kann
der Tiger den F/A-18 in den meisten Szenarien sinnvoll ergänzen, wenn er wie ein
ziviles Flugzeug bei jedem Wetter autonom starten und landen kann. Es geht
nicht um Allwetterkampffähigkeit. Hat
man sich überlegt, ob eine Ausrüstung der
Tiger mit ILS-Instrumentenlandesystemen und/oder GPS für Präzisionslandeanflüge mit minimalen Investitionen Sinn
machen würde? Die ILS-Ausrüstungen
hat man ja «sinnvollerweise» aus den an
Österreich ausgeliehenen Tigern bei der
Rücknahme wieder ausgebaut.
Hat man eine saubere Gesamtkostenrechnung gemacht? Hat man sachlich
nüchtern überlegt oder wurstelt man jetzt
einfach plan- und konzeptlos, aber gefangen in politischen Scharmützeln weiter?
Ist man sich bewusst, dass der Verzicht auf
die Tiger Entlassungen an der logistischen und industriellen Basis zur Folge
hat? Dass wir auf Flugplatzinfrastruktur
verzichten? Hat man sich überlegt, dass
damit das Präjudiz geschaffen wird, dass
wir nie mehr 50 Kampfflugzeuge haben
werden? Wenn wir das Glück haben, in
den nächsten zehn Jahren in keinen militärischen Konflikt gezogen zu werden,
wird die Linke bei einer nächsten Beschaffung sagen, dass es mit 30 Kampfflugzeugen «ja geht». Oder hat man Angst
vor einem «Gesichtsverlust» und nimmt
dafür egoistisch in Kauf, dass die nächste
Generation sicherheitspolitisch kein Dach
mehr über dem Kopf hat?
Ich habe realisiert, dass ich selber kein
Vertrauen mehr in unsere politische und
militärische Spitze habe, weil sich diese
bei mir je länger desto mehr unglaubwürdig macht. Ich traue den Aussagen nicht,
dass eine weitere Verwendung der Tiger
betriebswirtschaftlich keinen Sinn macht.
Ich will selber die Zahlen sehen. Erst dann
kann entschieden werden!
Grenzen der Loyalität
Auslöser für diese Zeilen war jedoch,
dass ich plötzlich über meine eigenen
Gedanken erschrocken bin. Ich war ja auf
dem gleichen Weg wie die vielen Bürgerlichen, die den Gripen an der Urne bachab geschickt haben! Offizier zu sein, ist
doch eine Lebenseinstellung und von dem
her ist man doch auch sein Leben lang Offizier. Werde ich illoyal? Wie lange darf
ich als Offizier zusehen, wenn ich das Gefühl habe, es werde «da oben» gewurstelt?
Ich habe preussische Wurzeln, weil meine
Vorfahren aus Königsberg in Ostpreussen stammen und bin mit einem preussischen Loyalitätsverständnis gross gewor-
«Zankapfel» Tiger F-5.
den. Verbieten es mir die Grundwerte soldatischer Ethik, kritisch zu denken? Muss
der Soldat kritiklos loyal sein oder darf er
auch kritisch loyal sein? Ab wann wird es
polemisch?
Als Unternehmer habe ich vor noch
nicht allzu langer Zeit meine ganze Führungsetage umgestaltet, habe Gummihälse, Nicker und Jasager entfernt und mich
vermehrt mit kritischen Geistern umgeben. Als Unternehmer verachte ich Unternehmenskulturen, in welchen kritisches
Denken keinen Platz hat. Solche Unternehmen haben auch keine Perspektive.
Welche Kommunikationskultur herrscht
heute in unserer Armee? Traut man unseren HSO so wenig zu, dass man ein
Papier mit «Frequently Asked Questions»
abgeben muss, in welchem den HSO –
wie früher in der DDR – vorgekaut wird,
was sie auf welche Frage antworten müssen? Unsere HSO sind doch die Cracks
der Cracks, in jahrzehntelangen Selektionsverfahren ausgesiebt. Es sind die Loyalsten der Loyalen und die Klügsten der
Klugen! Was läuft hier falsch?
Auf dem Grabstein des Generalmajors
Johann Friedrich von der Marwitz steht:
«Er wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht
Ehre brachte.» Eine der vornehmsten Aufgaben der Miliz ist es, unabhängig zu denken. Querdenkenden Milizoffizieren hatte die Schweiz im letzten Weltkrieg unendlich viel zu verdanken. Wo sind die
kritischen Geister heute? Wo
ist die junge Generation Ypsilon in der Armee, die Fragen
stellt und Sinn in ihrer Aufgabe sucht? Schauen wir alle
zu wie die Schafe, wie bereits
heute schlechte Rahmenbedingungen für die nächste Evaluation geschaffen werden?
Mir geht es nicht darum, die
Berufsoffiziere gegen die Miliz auszuspielen. Ich habe in
meiner Militärdienstzeit viele tolle, hochintelligente Berufsoffiziere mit Ecken und
Kanten erlebt, aber auch viele, die wegen ihrer Karriere
so stromlinienförmig wie eine
nasse Seife geworden sind
und auch als Korpskommandanten nur noch an ihre zukünftigen Verwaltungsratsmandate gedacht haben. Die
Politik muss Klarheit und
Transparenz ihres politischen
Auftrages an die Armee schaffen, damit das breite Volk
sie verstehen kann. Und Politik und Soldaten müssen unter den neuen globalen Voraussetzungen und Kriegsszenarien
enger zusammen arbeiten, um historisch
bedingtes, gegenseitiges latentes Misstrauen, auch gegenüber militärischem Führungsdenken, weiter abzubauen. Wenn
die Politik dies nicht kann oder will,
dann ist es für einen Offizier unehrenhaft
zu schweigen und weiter zuzusehen, wie
sich unsere Armee von innen selbst abschafft. Es ist sogar die Pflicht jedes Offiziers, sich gegen ein solches System aufzulehnen.
■
Oberstlt i Gst a D
Roger Harr
Dr. med. dent.
Inhaber und Präsident
Frenkenklinik AG
4435 Niederdorf
ASMZ 12/2014
13
Sicherheitspolitik
Wehrpflicht in Norwegen –
in Zukunft auch für Frauen
Norwegen ist ein Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung.
Aus diesem Grund sollen ab 2015 auch beide Geschlechter
einen einjährigen Militärdienst leisten. Die entsprechende
Gesetzesänderung soll ab 1. Januar 2015 in Kraft treten.
Die wirkliche allgemeine Wehrpflicht soll am 1. Januar 2017
einsetzen.
Frode Vincent Faeravaag*
Die Wehrpflicht hat eine lange Tradition in Norwegen. Schon in den Wikingerzeiten gab es Wehrpflicht. Damals mussten die Bauern Soldaten und Wikingerschiffe für die Verteidigung stellen. Am
Ende der napoleonischen Kriege wurde die Wehrpflicht im Jahr 1814 in das
Grundgesetz eingetragen; Artikel 109 hält
fest: «Jeder Bürger des Staates ist im allgemeinen in gleichem Masse verpflichtet,
während eines gewissen Zeitraums der
Verteidigung seines Vaterlandes zu dienen,
ohne Rücksicht auf Herkunft oder Vermögen. Die Anwendung dieses Grundsatzes und die notwendigen Einschränkungen werden durch Gesetz bestimmt».
Das norwegische Grundgesetz aus dem
Jahre 1814 ist eines der ältesten Grundgesetze auf der Welt. Die Regelung für die
Wehrpflicht gilt bis heute.
Norwegen (und die nordischen Länder
allgemein) gelten manchmal als Vorreiter
in Sachen Gleichberechtigung. Ab dem
kommenden Jahr soll daher auch ein einjähriger Militärdienst für beide Geschlechter gelten. Die entsprechende Gesetzänderung hat das Storting (das norwegische
Parlament) am 14. Juni 2013 auf Antrag
der damaligen Rot-Grünen Regierung in
Gang gesetzt. Jetzt steht sie kurz vor der
Finalisierung. Es ist geplant, dass die Gesetzänderung zum 1. Januar 2015 in Kraft
treten soll. Die Wehrpflicht soll dann für
Mit dem zukünftigen geschlechtsneutralen Wehrdienst werden die Streitkräfte über eine breitere Personalbasis für
ihren Nachwuchs verfügen können. Man
darf deshalb zukünftig einen günstigeren Mix aus Frauen und Männern bei den
Truppen und in den Stäben erwarten.
14
ASMZ 12/2014
Frauen, die am 1. Januar 1997 und später geboren sind, gelten; die Einberufung
soll ab dem 18. Lebensjahr vorgenommen
werden. Es wird erwartet, dass die ersten
Frauen unter dem neuen System ab August 2016 ihren Militärdienst beginnen.
Es geht dabei um die politische Forderung, dass beide Geschlechter auch in
Soll dank allgemeiner Wehrpflicht gelebte
Gleichberechtigung werden.
dieser Beziehung die gleichen Rechte und
Pflichte haben sollen.
Bis dahin müssen einige Kasernen für
Frauen baulich angepasst werden, unter
anderem mit separaten Duschanlagen,
etc. Heute leisten jedes Jahr ungefähr 750
Frauen Grundwehrdienst – dies aber als
freiwillig Dienstleistende. Deshalb sind
schon heute zahlreiche Garnisonen vorhanden, mit Soldatenkasernen, die für
Frauen geeignet sind.
Sicherheitspolitik
Heute noch freiwillige, selbstverständliche
Zusammenarbeit.
Bilder: Norwegische Streitkräfte
Allerdings werden nicht alle Frauen
Wehrdienst leisten müssen. Von insgesamt etwa 60 000 jungen Frauen und
Männern im Alter von 18 Jahren benötigen die norwegischen Streitkräfte jährlich lediglich etwa 10 000 Grundwehrdienstleistende.
Dies bedeutet, dass vieles von der Motivation und Bereitschaft der einzelnen
Personen abhängen wird. Es bedeutet aber
auch, dass die Streitkräfte die besten Kandidaten auswählen können. Die Personen,
die körperlich oder psychisch ungeeignet
für den Militärdienst sind werden schon
in der ersten Phase der Musterung abgewiesen. Die Phase zwei der Musterung
besteht zuerst aus einem Gespräch. Wer
nicht motiviert ist, kommt nicht weiter
in den Auswahlprozess. Am Ende werden nur die ausgehobenen Frauen und
Männer, die fit und motiviert sind, für
die zweimonatige Rekrutenschule aus-
gewählt. Nach der Rekrutenschule leisten die Mannschaften weitere 10 Monate Dienst. Der gesamte Grundwehrdienst
beträgt somit 12 Monate.
Warum 12 Monate? Norwegen weist
vier sehr unterschiedliche Jahreszeiten
und ein herausforderndes Klima und Topografie aus. Diese müssen die Soldaten
in allen geografischen Teilen Norwegens
meistern können.
Bei den Teilstreitkräften Heer und Marine laufen Pilotprojekte mit 18 Monaten
Wehrdienst. Es geht hier um Mannschaften, die in der Lage sein sollen, besonders
anspruchsvolle Geräte bedienen zu können.
Wehrpflichtige werden nicht ausserhalb
von Norwegen dienen. Um zum Beispiel
im norwegischen Kontingent bei der ISAF
in Afghanistan dienen zu können, müssen die Soldaten nach dem zwölfmonatigen Grundwehrdienst zusätzlich eine
sechsmonatige missionsspezifische Ausbildung durchlaufen.
Norwegen wird mit dieser Neuregelung
der Wehrpflicht das erste europäische
Land und das erste NATO-Mitgliedland
werden, dass in Friedenszeiten Frauen
zur Armee einzieht. Bisher dienten sie auf
freiwilliger Basis. Das Ziel ist, dass schon
im Jahr 2020 etwa 20 Prozent der Armeeangehörigen Frauen sein sollen.
Der gesamte Wehrdienst beträgt in Norwegen laut Gesetz bis zu 19 Monate. Nach
dem Grundwehrdienst (12 Monate) werden die Soldaten der «Hjemmevernet»
(«Landesverteidigung / National Guard»)
zugeteilt. Dies weist bei einer Mobilma-
chung einen Personalbestand von 45000
Wehrpflichtigen auf. Jedes Jahr trainieren
diese Soldaten an bis zu 9 Übungstagen,
bis sie das Alter von 44 Jahren erreichen
(Offiziere bis 54 Jahre).
Die 10 000 Mannschaften im Grundwehrdienst stellen somit eine sehr wichtige Quelle für den Nachwuchs der norwegischen Streitkräfte dar. Nach dem zwölfmonatigen Grundwehrdienst entscheiden
sich viele für eine Karriere als Offizier oder
Spezialoffizier (Unteroffizier oder Soldat
auf Zeit). Für jede Stelle bewerben sich in
der Regel 5 bis 8 Mannschaften. Damit
können auch hier die Besten ausgewählt
werden.
In den letzten Jahren haben die norwegischen Streitkräfte ihren Ruf verbessert.
Dies gilt auch für den Wehrdienst. Es ist
auch deshalb wieder populär geworden,
den Grundwehrdienst zu leisten. Der Zivildienst als Alternative für den Militärdienst mit der Waffe wurde in Norwegen
im Jahr 2010 abgeschafft – fast niemand
wollte diesen Dienst.
■
* Frode Vincent Faeravaag ist Kapitän zur See in
der Königlich Norwegischen Marine. Er ist Verteidigungsattaché für Deutschland, Österreich
und die Schweiz, mit Sitz in Berlin.
Kapitän Zur See
Frode Vincent Faeravaag
Verteidigungsattaché
Königlich Norwegische
Botschaft Berlin
D-10777 Berlin
ASMZ 12/2014
15
Sicherheitspolitik
Balkan – ewiger Unruheherd?
Gerade zwei Flugstunden trennen uns vom ehemaligen
Jugoslawien. Seine sechs Nachfolgestaaten – schon das Nennen
der Zahl bedeutet Parteinahme in einem bitteren Konflikt –
wandten sich nach den Balkankriegen (1991–1995) Europa zu,
erzielten dabei ganz unterschiedliche Fortschritte.
Eugen Thomann, Redaktor ASMZ
Slowenien und Kroatien schafften bereits den Beitritt zur Europäischen Union.
Montenegro verhandelt darüber mit der
EU seit 2012. Mazedonien sieht sich von
Griechenland durch einen schwer verständlichen Namensstreit blockiert, weil
es seinen Namen mit einer griechischen
Region teilt. – Das Serbien, das von Serbien immer noch beanspruchte Kosovo
und Bosnien-Herzegowina sind nach wie
vor tief in innere wie äussere Konflikte
verstrickt. Diesen drei Staaten galt die
Aufmerksamkeit, als kürzlich das seit 20
Jahren von verschiedenen sicherheitspolitischen Organisationen und vom VBS getragene «Colloquium Sicherheitspolitik»
in Zürich der Frage nachging «Kommt der
Balkan je zur Ruhe?».
Im einleitenden Grusswort empfand
Botschafter Christian Catrina, Chef Sicherheitspolitik im Generalsekretariat des
VBS, den Westbalkan mit seinen Krisen
als einen alten Bekannten, nach dessen
Befinden man sich heute wieder einmal erkundige. Anschliessend referierte
Minister Raphael Nägeli, im EDA Mitglied der «Task Force OSZE-Vorsitz»,
über die «OSZE-Baustellen im Westbalkan» und beleuchtete der als Redaktor
für den Zürcher «Tages-Anzeiger» tätige Journalist Enver Robelli «Die Rolle
der Zivilgesellschaft bei der Vergangenheitsbewältigung». Für das danach von
Irène Thomann-Baur geleitete Podiumsgespräch gesellte sich der Kommandant
von SWISSINT (Kompetenzzentrum für
Auslandeinsätze der Schweizer Armee),
Oberst i Gst Fredy Keller, zu den drei Referenten.
Langsam und geduldig
erzielte Fortschritte
Im Kosovo wirken nebeneinander die
internationale Schutztruppe KFOR, dank
der ruhiger gewordenen Lage von 50 000
auf 5500 Soldatinnen und Soldaten 30 ver-
16
ASMZ 12/2014
schiedener Staaten geschrumpft, Missionen der EU und die grösste Feldmission
der OSZE. Wie das nahezu zahlungsunfähige Serbien kämpft Kosovo mit riesigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten; die
rund 800 000 Emigranten (davon lebt ein
bedeutender Anteil in der Schweiz) unterstützen ihre Angehörigen mit namhaften
Unterstützungszahlungen und bilden so
den entscheidenden Wirtschaftsfaktor.
Bosnien-Herzegowina steckt in einer
besonderen Blockade. Kraft des Vertragswerks von Dayton, welches 1995 segensreich einen Krieg beendete, waltet in diesem Land eine eigene Vollzugsorganisation mit einem von der EU gestellten
«Hohen Repräsentanten» an der Spitze.
Blick auf den Balkan mit seinen
Unruheherden.
Bild: wikimedia
Sie schränkt die Souveränität der landeseigenen Strukturen ein; die gliedern sich
in die drei «Ethnien» der Serben, Kroaten
und muslimischen Bosniaken bis hin zu
einem dreiköpfigen Staatspräsidium. Diese Organisation erweist sich heute auch
in den Augen der internationalen Gemeinschaft als revisionsbedürftig. Indes
blockiert die politische Elite, die sich mit
diesem Zustand eingerichtet hat, vorderhand jede Reform von «Dayton». Während das Land aus den internationalen
Medien verschwunden ist, regt sich Widerstand der Bürger gegen als abgehoben
empfundene Politiker. Das offenbarten
die jüngsten Wahlen mit erheblichen Verschiebungen. Am Ende einer Reihe von
1992 angehobenen internationalen Friedensoperationen steht heute eine kleine von der EU geleitete Schutztruppe
im Land (Operation ALTHEA).
Die Schweiz beteiligte sich früh mit
Freiwilligen an internationalen Friedensoperationen im ehemaligen Jugoslawien.
Wie ihre Geschichte zeigt, mag man sie
zu Recht als langwierig empfinden, zeugt
ihr Wandel indes von wichtigen Teilerfolgen: Den Anfang bildete 1996 die
zunächst unbewaffnete SWISSCOY zum
logistischen Unterstützen des physischen
Wiederaufbaues im Kosovo. Zeitweise trat
sie als Infanteriekompanie mit Radpanzern
auf, hauptsächlich eingesetzt zum Schutz
der serbischen Klöster im Kosovo. Die
Aufgabe erübrigt sich inzwischen dank
dem Aufwuchs der aus den verschiedenen
Bevölkerungsteilen gemischten einheimischen Polizei. Immerhin stehen derzeit
noch 235 freiwillige Angehörige der Armee bei SWISSCOY; in den Vordergrund
rückten jedoch weniger martialische Tätigkeiten wie Einsätze der Militärpolizei,
Lufttransporte, und die vier dezentralisiert in der Bevölkerung lebenden Verbindungs- und Beobachtungsteams. Ein
weiterer Schritt führt zum Rückzug der
Helfer auf Ausbildung und Coaching,
namentlich für das Beseitigen der grossen
Menge aus dem Krieg zurückgebliebener
Minen, die immer wieder viele Opfer kosten. – Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich in Bosnien-Herzegowina ab, wo
SWISSINT für die Operation ALTHEA
einige Stabsoffiziere, zwei achtköpfige
Verbindungs- und Beobachtungsteams
sowie Spezialisten stellt, die einheimische
Kräfte im Vernichten oder Bewirtschaften
von Munitionsbeständen ausbilden, zusammen mit Schweden und Österreich.
Übereinstimmende Diagnosen
Der Diplomat Nägeli, der ursprünglich aus dem Kosovo stammende Journalist Robelli und der militärische Experte trugen ein weitestgehend übereinstim-
Sicherheitspolitik
mendes Bild zusammen, mochte auch der ternationale Präsenz erreichte wenigstens
eine das sprichwörtliche Glas eher halb- das Abklingen physischer Gewalt. Als
leer und der andere es halbvoll schildern. Gradmesser und Beispiel dienten die VorRobelli kritisierte die Doppelzüngig- gänge, die am 14. Oktober in der serbikeit der reich gewordenen politischen schen Hauptstadt Belgrad um ein FussEliten, die zuhause mit scharfen natio- ballspiel entbrannten, wozu eine albanalistischen Reden ihre Anhänger bei nische Mannschaft gegen die einheimiLaune halten und anfeuern, in Brüssel schen Serben angetreten war. Erst erklanjedoch respektvoll und zukunftsbezo- gen wüste nationalistische Hassgesänge
gen auftreten. Kein Wunder, arbeiten der serbischen Zuschauer. Dann provointernationale Organisationen gerne mit zierte das sprichwörtliche rote Tuch, die
ihnen.
von einer Kleindrohne über das Stadion
Unterdessen steht eine erst schwach geschleppte rote Fahne mit dem albaentwickelte Zivilgesellschaft den autoritär nischen Doppeladler und den Umrissen
machtbezogenen Strukturen gegenüber, eines sich über mehrere jugoslawische
funktioniert namentlich
die Justiz nicht richtig.
Das gilt in gewissem Sinne sogar für das «Haager
Tribunal», den Internationalen Strafgerichtshof
für das ehemalige Jugoslawien; er kann nur einen
Anfang bilden, die übelsten seit 1991 im Krieg begangenen Verbrechen zu
ahnden versuchen, kommt Die Expertenrunde verströmt gedämpften Optimismus.
infolge grosser praktischer
Schwierigkeiten bloss schleppend voran Nachfolgestaaten erstreckenden «Grossund hat seine Aufgabe noch nicht erfüllt, albaniens». Um dieses Textil rauften die
obwohl sich das Auslaufen seines Manda- beiden Mannschaften. Nach Schlägerei
tes abzeichnet.
und Spielabbruch ergingen sich Medien
Korruptionsvorwürfe zielen mittlerwei- und Politiker in nationalistischen Vorle selbst auf Mitarbeiter internationaler würfen und Sprüchen. Aber manche der
Organisationen wie der EULEX, der im beidseits beteiligten Sportler reisten umKosovo wirkenden Rechtsstaatlichkeits- gehend in die Schweiz zurück, um einanmission der EU. Das rief bisher kaum Re- der dort in ein und demselben Fussballaktionen hervor. So droht die Gefahr der club bald wieder zu begegnen. Die WafResignation. Kritiker der Zustände gera- fen jedenfalls schwiegen!
ten zwischen die Fronten, fühlen sich von
Die Fortschritte herrschen also vor, so
der Welt im Stich gelassen und sehen sich lange diese zähen Prozesse auch währen
von den eigenen Landsleuten des Verrats mögen, derweil neben Hoffnung immer
beschuldigt.
wieder Rückfallgefahr aufkommt. ZuIn dieser Lage kommt viel auf die Me- versicht schöpfte Robelli aus dem Druck
dien an, wäre gelebte Medienfreiheit sehr der Bevölkerung und Nichtregierungsorwichtig. Ihr Zustand rechtfertigt der- ganisationen wie jener, die mit der Unterzeit wenig Optimismus: Im Kosovo schuf suchung beiderseitiger Kriegsverbrechen
man 1999 nach Schweizer Muster gegen einen Beitrag zu Trauerarbeit und Versöhamerikanischen Widerstand ein öffent- nung leisten will. – Die Schweiz rief er auf,
lich-rechtliches Fernsehen. Inzwischen mehr zu tun, zumal sie dank ihrer Kenntsind die internationalen Helfer abgezo- nisse und der bisherigen Verdienste dazu
gen und das Programm mutet sozusa- am ehesten infrage komme.
gen «nordkoreanisch» staatstreu an. – In
einen ähnlichen Sog der Verhältnisse ge- Was richten die «Internationalen»
riet die weitgehend von westlichen Konaus – oder an?
zernen aufgekaufte kroatische Presse;
Schon 2003 hiess es auf einem GipfelRobelli klagte über ihren Qualitätsvertreffen der EU mit den westbalkanischen
lust.
Dennoch unterstreichen selbst die Staaten in Thessaloniki: «Die Zukunft
schlimmsten aktuellen Schlagzeilen: Der des Balkans liegt in der EU». – TatsächKrieg ist vorbei. Die fortdauernde in- lich erweist sich die Beitrittsaussicht al-
lenthalben als entscheidend. Die von der
EU als Bedingung geforderten Standards
wirken als die grossen Treiber, im Verein
mit als «Vorbeitrittshilfen» winkenden
Subsidien. Serbien drohen nach vier verlorenen Kriegen «griechische Zustände» mit Rentenkürzungen und massivem Staatsstellenabbau, ja letztlich der
Bankrott. Kosovo leidet fünf Monate
nach den Wahlen immer noch unter
einer politischer Handlungsunfähigkeit,
weil die grösste Partei wegen Korruptionsverdachtes von allen anderen als
Koalitionspartner gemieden, vom Verfassungsgericht aber gestützt wird. Derweil gälte es dringend,
mittels Vereinbarungen
über Visafreiheit die Isolation zu durchbrechen.
Da wirkt längerfristig
die Integration zwingend
als Ausweg. So strebt Serbien Beitrittsverhandlungen an und hofft Kosovo
auf einen Assoziierungsvertrag.
Bild: ASMZ
Unterdessen mischen
andere sich ein. Mit innigen Küssen empfing das offizielle Belgrad kürzlich den russischen Präsidenten Wladimir Putin, dessen scheinbar offene Hand und Geldbörse sich wohltuend abheben von den teils harten Bedingungen der EU. Neben Krediten winkte
vor Eintritt des Winters ein tieferer Gaspreis. Indessen beschränken sich russische Investitionen auf den Anteil von
fünf Prozent und öffnen sich Exportnischen einzig, weil Russland während der
Ukrainekrise im Zug von Gegensanktionen den Import westlicher Produkte einschränkt.
Die OSZE wirkt als «Nischenplayer».
Sie unterhält Missionen in allen Ländern
des Westbalkans, mit Ausnahme von Slowenien und Kroatien. Im Kosovo ermöglichte ihre Arbeit das Durchführen von
Gemeindewahlen, das Kommunalisieren
der Verwaltung, Gesprächsrunden in jeder
Gemeinde. Dabei geht es um die Eingliederung serbischer Gebiete in den kosovarischen Staat mit der Autonomie, wie
sie das unter europäischem Druck zustande gekommene Normalisierungsabkommen vom April 2013 vorzeichnet.
Dazu ist die Polizei unter Einbezug der
Serben und der Roma zu reorganisieren,
die mittlerweile Stellvertreterfunktionen
bis in die höchsten Führungsstufen bekleiden. Dieser Vollzug geschieht nur harzig, immerhin möglichst lautlos.
■
ASMZ 12/2014
17
Sicherheitspolitik
Europa unter Spannung
Die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten (Terror durch IS)
stellen Europa und die NATO vor enorme Herausforderungen.
Erstmals seit Jahrzehnten wird die territoriale Ordnung auf dem
Kontinent infrage gestellt; zugleich droht in der europäischen
Nachbarschaft ein Flächenbrand der Gewalt.
rungsdrohnen über der Ostukraine vorgelegt. Gemäss Planungen der BundesUnter dem Motto «Europa unter Spanwehr sollen nebst 200 Soldaten für Benung» wurde an der diesjährigen Handelsdienung, Logistik und Schutz auch minblatt-Konferenz «Sicherheitpodestens zwei Drohnensysteme
litik und Verteidigungsindus«Luna» für diese Mission vortrie» in Berlin Mitte Oktober
gesehen sein. Wie weit die Mei2014 über die aktuellen sichernungen über die Wirkung, resheitspolitischen Themen orienpektive Aufhebung der gegentiert. Wichtige Fragen wurden
über Russland ausgesprochenen
mit den Hauptakteuren der euSanktionen auseinander gehen,
ropäischen Aussen- und Sicherzeigte sich bei den anschliessenheitspolitik sowie mit Vertretern
den Diskussionen. Auf der einen
aus der Rüstungsindustrie disSeite die Vertreter der deutschen
kutiert. Hauptthemen waren:
Wirtschaft, die auf eine rasche
• Die Krisen in der Ukraine und
Aufhebung der Sanktionen hofim Nahen Osten;
fen und auf den bereits feststell• Auswirkungen der laufenden
baren, markanten Rückgang der
Krisen auf VerteidigungshausExporte im Maschinenbau und
halte und Streitkräftereformen;
bei den Autos hingewiesen ha• Aktuelle Herausforderungen Die Bundeswehr plant den Einsatz von Aufklärungsdrohnen zur
ben, und auf der anderen Seite
Unterstützung der OSZE bei der Überwachung der Krisenregion
und Risiken für die NATO;
der Aussenminister Litauens,
Bilder: Autor
• Zukunftsperspektiven der eu- Ostukraine; im Bild die Drohne «Luna».
der die russischen Aggressionsropäischen Rüstungsindustrie;
absichten in den Vordergrund
• Diskussion über künftige Bedeutung wurde mehrmals auf die allgemein gute stellte und noch weitergehende SanktioUnbemannter Luftfahrzeuge;
Arbeit der Schweiz beim aktuellen Kri- nen verlangte.
• Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz.
senmanagement in der Ukraine hingewiesen. Die Bedeutung der OSZE wird
Krisenregionen
auch durch die deutsche Absicht bekräfZur Krise in der Ukraine
in Nahost und Nordafrika
tig, ab 2016 selber die Präsidentschaft
Drei Jahre nach dem Beginn des AraDie Annexion der Krim und die mit rus- dieser Organisation zu übernehmen. Als
sischer Unterstützung geführten Kämpfe Hauptaufgaben im Hinblick auf eine bischen Frühlings versinken verschiedein der Ostukraine haben überwunden ge- schrittweise Lösung der Ukrainekrise sind ne Regionen in blutigen Konflikten. In
Syrien, Libyen und dem Irak bedrohen
glaubte Spannungen zwischen Russland vorgesehen:
auf der einen Seite und der EU sowie den • Ein umfassendes Monitoring durch die laufenden Auseinandersetzungen und
Aufstockung des Personalbestandes Kampfhandlungen den Fortbestand ganUSA auf der andern Seite neu ausgelöst.
der OSZE und eine umfassende lü- zer Staaten. Trotz Bekämpfung mit LuftTrotz intensiven diplomatischen Bemückenlose Überwachung der Krisen- kriegsmitteln rätselt der Westen weiterhungen belastet der Konflikt die politiregion, unter anderem auch mit dem hin, mit welcher Allianz und mit welchen
schen und wirtschaftlichen Beziehungen,
geplanten Einsatz von Aufklärungs- Mitteln er auf die enormen Herausfordedie zunehmend auch unter den verhängrungen in Europas unmittelbarer Nachten Sanktionen leiden. Bisher zeichnet
drohnen;
sich kein Ausweg aus der verfahrenden • Kontrolle und Überwachung der Men- barschaft reagieren soll. Niemand glaubt
aber heute daran, dass der Vormarsch der
schenrechte;
Lage ab. In der Diskussionsrunde wird
mehrfach auf die aktuelle Bedeutung der • Verstärkter politischer Druck auf die IS-Kämpfer mit Luftkriegsmitteln alleine
erfolgreich bekämpft werden kann. Unter
Konfliktparteien.
OSZE hingewiesen, der im Moment am
anderem wird darauf hingewiesen, dass
ehesten eine Rolle zur Lösung dieses KonUnterdessen haben Deutschland und der seinerzeit hochgelobte Luftkrieg geflikts zugemutet wird. Ausgeschlossen werden eine direkte Intervention der NATO Frankreich der OSZE ein Einsatzkon- gen Libyen, der ohne Mitteleinsatz am
sowie Waffenlieferungen an die ukraini- zept für eine Überwachung mit Aufklä- Boden stattgefunden hatte, unterdessen
Hans Peter Gubler, Redaktor ASMZ
18
ASMZ 12/2014
schen Streitkräfte. Zudem wird klar festgehalten, dass dieser Konflikt mit militärischen Mitteln nicht gelöst werden kann.
Von deutscher und europäischer Seite
Sicherheitspolitik
zu einer äusserst prekären Sicherheitslage auf dem ganzen Staatsgebiet geführt
hat. Dies hat heute schwerwiegende Auswirkungen auf die Sicherheitslage in den
Nachbarstaaten sowie einen unkontrollierbaren Waffentransfer nach Schwarzafrika.
Zur Erhöhung
der Verteidigungsbudgets
Anlässlich ihres Gipfeltreffens in Wales
vom vergangenen September hatte die
NATO nebst einer Verstärkung und Flexibilisierung der Einsatzkräfte auch intensiv über eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben der Bündnisstaaten debattiert. Gegenwärtig tragen die USA mit
einem Anteil von 3,8 % des BIP rund
75 % der NATO-Militärausgaben. Einmal mehr wurde die Forderung laut, die
Militärausgaben auch in den europäischen Partnerarmeen auf rund 2 % der
Wirtschaftsleistung anzuheben. Dieses
Ziel steht allerdings noch in weiter Ferne; immerhin wollen elf NATO-Staaten
(ohne Deutschland) einen verbindlichen
Zeithorizont zur Aufstockung der Militärausgaben setzen. In Deutschland sind
beispielsweise die Verteidigungsausgaben
zwischen 1990 und 2010 von 2,8% auf
nur noch 1,4 % des BIP geschrumpft.
Trotzdem wird vorerst auf eine Erhöhung
verzichtet; die deutsche Politik will sich
aber für eine beschleunigte Modernisierung (Erhöhung der Investitionen) sowie
auf eine verstärkte Kooperation im europäischen Rahmen (Pooling und Sharing)
einsetzen.
Nachdenken über Neuausrichtung
der Bundeswehr
Eine Korrektur der ab 2010 eingeleiteten Neuausrichtung, respektive Reform
der Bundeswehr (siehe ASMZ 12/2010)
ist gemäss Vertretern aus dem deutschen
Verteidigungsministerium unabdingbar.
Denn die Streitkräfte seien in den letzten Jahren allgemein zu stark auf die Stabilisierung von Konfliktregionen (beispielsweise auf dem Balkan und in Afghanistan) ausgerichtet worden. Mit dem
Grundsatz der Neustrukturierung «Breite vor Tiefe» sei zudem ein falsches Bild
suggeriert worden. Gemäss heutiger Definition sollte die Bundeswehr eine Armee für alle möglichen Szenarien sein; sie
habe heute von allem etwas, aber könne
nichts richtig machen. Ergo sei die Bundeswehr nicht mehr durchhaltefähig. Dies
Ende November 2014 ist das erste
Transportflugzeuge A400M «Atlas» an
die Bundeswehr ausgeliefert worden;
geplant war eine Einführung ab 2010.
sei neben der mangelnden Finanzausstattung einer der Hauptgründe für die aktuellen Probleme bei den Rüstungsprojekten. Was soll geändert werden: Die Bundeswehr soll künftig nicht mehr sämtliche der heute definierten militärischen
Fähigkeiten beherrschen können. Sie soll
sich auf spezielle Qualifikationen konzentrieren, die sie dann im Verbund mit
Partnernationen (EU oder NATO) in
eine Mission einbringen kann. Bezüglich
Streitkräfteplanung heisst dies so viel wie
Schwerpunkte setzen, sei dies bei den Fähigkeiten, aber auch bei der Bewaffnung
und Ausrüstung. Gleichzeitig wird sowohl
von politischer als auch militärischer Seite auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen leistungsfähigen europäischen Armee hingewiesen.
Die aktuellen Probleme
bei den Bundeswehrprojekten
Von den über 1200 Rüstungsprojekten
der Bundeswehr gibt es einige mit zum
Teil erheblichen Abweichungen vom geplanten Zeit-, Leistungs- und Kostenrahmen. Auf die zunehmende Kritik hin,
hat die deutsche Verteidigungsministerin
eine umfassende Überprüfung der Projekte durch externe Beratungsfirmen angeordnet. Untersucht werden im Wesentlichen die folgenden Rüstungsprojekte:
• Schützenpanzer «Puma» von PSM;
• Transportflugzeug Airbus A400M;
• Waffensystem «Eurofighter»;
• Unterstützungshubschrauber «Tiger»;
• NATO-Transporthelikopter NH-90;
• Funkgerät SVFuA (verbundfähige Funkgeräteausstattung);
• Nachfolge UAV «Euro Hawk»;
• Fregatte F15;
• Luftverteidigungssystem MEADS.
Ziel ist es, eine umfassende Bestandesaufnahme und Risikoanalyse dieser zentralen Rüstungsprojekte durchzuführen
und die Strukturen und Prozesse im Management auf den Prüfstand zu stellen,
vollständige Transparenz für Politik und
Öffentlichkeit herzustellen und notwendige Verbesserungen aufzuzeigen.
Wie der Vorstandsvorsitzende der Airbus Gruppe, Dr. Enders, am Beispiel des
neuen europäischen Transportflugzeuges
A400M «Atlas» aufzeigte, haben die gegenwärtigen Probleme bei den laufenden
Rüstungsprojekten, die übrigens nicht nur
Deutschland betreffen, verschiedene Ursachen, wie beispielsweise:
• Fehler beim Rüstungsmanagement mit
meist gravierenden Auswirkungen auf
den Zeitplan (z.B. beim Transportflugzeug A400M);
• Ständige Anpassungen verbunden mit
zum Teil zu hohen technischen Anforderungen;
• Zu viele Einzelinteressen durch Einzelstaaten bei multinationalen Projekten
(europäische Lösungen brauchen künftig klare Lead-Nationen);
• Einschränkungen beim Export: ohne
Exportmöglichkeiten können sich die
Rüstungsindustrien nicht weiter entwickeln, mit negativen Auswirkungen
auch auf europäische Projekte (z.B. bei
UAV-Programmen).
■
ASMZ 12/2014
19
Sicherheitspolitik
Die NATO übt die Bündnisverteidigung
Angesichts der veränderten Sicherheitslage geniesst die
Verteidigung des Bündnisraumes wieder Priorität, wie eine
Übung der Allianz in Polen gezeigt hat. Gleichzeitig wird
die Reaktionsfähigkeit der NATO Response Force erhöht.
Bruno Lezzi
Gegen Ende Oktober ist die zehntägige
Stabsrahmenübung «Trident Joust 2014»
der NATO beendet worden, die unter Leitung des Befehlshabers des Allied Joint
Force Command Brunssum, des deutschen
Viersternegenerals Hans-Lothar Domröse, im polnischen Bydgoszcz stattgefunden hatte. In dieser Stadt befindet sich das
Joint Force Training Center, dessen bauliche und technische Infrastruktur gute
Möglichkeiten für die Ausbildung militärischer Stäbe bietet. Wie das Joint Warfare Center in Stavanger gehört auch das
polnische Schulungszentrum zum Allied
Command Transformation in Norfolk
(Virginia).
Politische Botschaft
Für die rund 400 Stabsangehörigen
aus 23 Staaten, die auf dem Luftweg nach
Polen verschoben worden waren, ging es
hauptsächlich darum, sich mit den Arbeitsprozessen wieder vertraut zu machen
und sich auf die Truppenübung «Trident
Juncture 2015» in Italien, Spanien und
Portugal vorzubereiten. Auf Grund der
in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts von den amerikanischen Streitkräften entwickelten Konzepte zur Führung von multinationalen, aus den Teilstreitkräften Heer, Luftwaffe und Marine
zusammengesetzten Einsatzverbänden
(Combined Joint Task Forces) hat auch
die NATO dem Aufbau rasch verlegungsfähiger Hauptquartiere ein spezielles Augenmerk geschenkt, deren Strukturen periodisch verfeinert und in verschiedenen
Übungen erprobt wurden.
Mit ihrer Präsenz in Polen wollte die
Allianz nicht zuletzt auch ihr ungebrochenes Sicherheitsengagement in Europa
demonstrieren. Dieser Absicht hätte das
Übungsszenario nicht besser entsprechen
können. So ging es gemäss Artikel 5 des
Nordatlantikvertrages um Bündnisverteidigung auf dem Territorium eines Mitgliedlandes und nicht um eine Operation
20
ASMZ 12/2014
zur Stabilisierung eines Krisenherdes, wie
dies in den letzten Jahren oft der Fall gewesen war. Damit erhielt das Unternehmen einen starken politischen Akzent.
Kampf im zivilen Umfeld
Nach einem Angriff des Landes Bothnien auf die zu Estland gehörende Insel
Hiiumaa ging es darum, die feindlichen
Kräfte zurückzuwerfen, die Lage in Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden
zu bereinigen und mit militärischer Präsenz den Gegner vor weiteren AbenteuStabübung beginnt!
Bilder: AJFC Brunssum
ern abzuschrecken, was – nicht überraschend – bei Übungsabbruch auch gelang. Die Bewaffnung des Angreifers mit
ballistischen Boden-Boden-Raketen vom
Typ Scud-D liess keine Zweifel darüber
aufkommen, dass mit Bothnien Russland
gemeint war. Eine französische und eine
amerikanische Brigade führten Offensivaktionen gegen die zurückweichenden und
nur noch hinhaltend kämpfenden gegnerischen Truppen durch, wobei die NATO
über die Luft- und die Seeherrschaft im
Einsatzraum verfügte. Für die gesamte
Operation stand – selbstverständlich auf
dem Papier – ein rund 40 000 Soldaten
starker Verband, die «Baltic Force», unter
Sicherheitspolitik
Beteiligung des auch für rasche NATOEinsätze vorgesehenen französischen Korps
in Lille zur Verfügung. Die Allianz kann
insgesamt auf neun solcher Korps-Hauptquartiere greifen, beispielsweise auf das
Allied Rapid Reaction Corps in Grossbritannien. Kern der zugunsten Estlands eingesetzten Task Force bildete die NATO
Response Force (NRF).
Die frühmorgendliche Orientierung
Hans-Lothar Domröses durch Stabsoffiziere im Lageraum, der gleichzeitig auch
als Operationszentrum diente, zeigte, in
welch fein synchronisiertem Zusammenspiel militärische Einsätze geplant und
geführt werden müssen. Die laufende
Kampfführung koordinierte der im Irak
und in Afghanistan kriegserprobte amerikanischer Heeresoberst Donovan Philipps im sogenannten Joint Operational
Center im üblichen Rhythmus militärischer Entschlussfassung. Anspruchsvoll
war die Übung auch insofern, als militärische Einsätze in einem zivilen Umfeld
und in einem Kommunikationsumfeld
stattfanden, das weitgehend durch soziale Netzwerke bestimmt war, deren dreh-
Während der Stabsrahmenübung «Trident
Joust 2014» im polnischen Bydgoszcz.
buchartig vorbereitete Aktivitäten laufend
überwacht wurden. Überdies legte eine
Cyberattacke die Energieversorgung lahm.
Mit dem Ziel, den Chefs der jeweiligen
Stabsbereiche für die Beurteilung schwieriger Probleme als Gesprächspartner zur
Seite zu stehen, wirkten zwei pensionierte niederländische Generäle, die auf langjährige Erfahrungen aus Einsätzen auf
dem Balkan und in Afghanistan zurückblicken können. Der ehemalige Generalleutnant Ton van Loon, der unter anderem die Südregion der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan und das 1. Deutsch-Niederländische Korps befehligt hatte, meinte, dass
im Gegensatz zu Stabilisierungsoperationen bei der Bündnisverteidigung Souveränität und Kompetenzen des unterstützten Mitgliedlandes strikt zu befolgen seien.
Koordination
der Übungstätigkeit
«Trident Joust 2014» stützte sich auf das
Konzept der «Connected Forces Initiative» ab, die 2012 auf dem NATO-Gipfel
in Chicago beschlossen worden war und
dazu beitragen soll, die
unter der Bezeichnung
«NATO Forces 2020» gesteckten materiellen und
operationellen Ziele zu
erreichen. Dabei geht es
– grob gesprochen – unter anderem darum, mit
intensiven, fein aufeinander abgestimmten Übungen die Interoperabilität
der Streitkräfte der Mitgliedländer so zu verbessern, dass ein möglichst
friktionsloses Zusammenwirken im Einsatzfall möglich wird. Wie
General Domröse erklärte, ist dabei der
Führung von Brigaden ein besonderes Augenmerk zu schenken.
Mit dem Ziel, Synergien zu gewinnen, sind bereits Erkenntnisse aus der
kurz zuvor durchgeführten multinationalen Übung «Anakonda» unter polnischer Leitung und aus dem letztjährigen
NRF-Manöver «Steadfast Jazz 2013» in
die Stabsrahmenübung des Joint Force
Command Brunssum eingeflossen. Verbindungen bestanden aber auch zum nicht
simulierten Bataillon eines schwer gepanzerten Brigade Combat Teams der 1. Kavalleriedivision der US Army. Im Rahmen
der «Operation Atlantic Resolve» im Bal-
tikum und Polen hat diese Truppe kürzlich Soldaten der 173. Luftlandebrigade
abgelöst.
Baldige Entscheide zur NRF
Die spätere Auswertung der Übung soll
vor allem auch Aufschluss über die Zukunft der NRF geben, deren Führung
dieses Jahr Domröse innehat. Im jährlichen Turnus wird 2015 der Befehlshaber
des Joint Force Command Naples, der
amerikanische Admiral Mark Ferguson,
die Verantwortung für diesen Einsatzverband übernehmen.
NATO-Kommandobereiche sind zurzeit daran, die NRF gemäss dem auf dem
Gipfel in Newport gefassten Beschluss,
eine sehr rasch einsatzbereite Formation
(Very High Readiness Joint Task Force,
VJTF) zu bilden, weiterzuentwickeln. Dabei wird die NRF ihre gegenwärtige Stärke von über 20 000 Soldaten wohl behalten. Nur die jetzige Immediate Reaction
Force (13 000 Soldaten), sollen zu einer
sehr rasch verfügbaren Brigade unter Einbezug von Luft- und Seestreitkräften umgegliedert werden. Ende Jahr werden die
entsprechenden Planungen abgeschlossen
sein; und Anfang Februar 2015 soll darüber beim Treffen der Verteidigungsminister entschieden werden.
Da die VJTF stets auf hohem Trainingsstand gehalten werden muss, sind
für die Bodentruppen Standorte in der
Nähe von geeigneten Übungsplätzen abzuklären. Dabei fällt, wie Domröse bemerkte, der US Army Europe mit der ihr
zur Verfügung stehenden Ausbildungsinfrastruktur eine Schlüsselrolle zu.
Auch wenn zurzeit militärische Aspekte Priorität geniessen, ist sich Domröse
bewusst, dass Streitkräfte immer nur im
Verbund mit politischen, diplomatischen
und wirtschaftlichen Massnahmen eine
langfristig positive Wirkung entfalten
können. Und in ähnlichem Sinn ist auch
seine Beurteilung zu verstehen, wonach
das gegenwärtige Engagement der NATO
in Osteuropa einem Balanceakt gleichkomme. Es gelte nämlich, die dort ansässigen
Bevölkerungen zu schützen und gleichzeitig Russland nicht zu provozieren. ■
Oberst i Gst
Bruno Lezzi
Dr. phil.
Lehrbeauftragter
Uni Zürich
8802 Kilchberg ZH
ASMZ 12/2014
21
Sicherheitspolitik
Stossrichtungen europäischer
Streitkräftereformen im Überblick
In den ASMZ-Ausgaben 06 und 07/2013 wurden Elemente
der Transformation westlicher Streitkräfte vorgestellt.
Anknüpfend daran sollen im Folgenden Stossrichtungen in
einigen ausgewählten Reformprojekten näher betrachtet
werden. Insbesondere werden die an die Streitkräfte gestellten
Ansprüche («Leistungsprofil») und die ihnen zur Verfügung
stehenden schweren Mittel in den Teilstreitkräften Heer
und Luftwaffe betrachtet.
Finnland auf der anderen Seite geht
weiterhin davon aus, dass seine StreitkräfIn den letzten Jahren wurden vor allem
te dazu fähig sein müssen, die Unabhändie europäischen Streitkräfte sehr stark
gigkeit des Landes autonom zu verteiauf die laufenden Stabilisierungseinsätdigen, was durch die geostrategische Laze ausgerichtet. Dementsprechend wurge, die politischen Voraussetzungen und
de vielerorts die Wehrpflicht aufgehoben
historischen Begebenheiten mitbestimmt
oder zumindest ausgesetzt (z.B. in Schwewird. Die primäre Aufgabe der finnischen
den und Deutschland) und zugleich wurStreitkräfte besteht denn auch darin, einen
militärischen Angriff von aussen abzuden die Streitkräfte auch materiell für solhalten. Im Vergleich zum Nachbarland
che Einsätze in Übersee umgebaut. Dies
Norwegen sollen die am schnellsten verging meist einher mit massiven Redukfügbaren Kräfte daher auch zur
tionen der Verteidigungsbudgets,
Abwehr bewaffneter Aggressioweshalb vielerorts die noch aus
nen dienen und nicht unbedingt
der Zeit des Kalten Krieges stammenden schweren Mittel und grosfür internationale Einsätze bereitsen Verbände stark schrumpften.
stehen.2
Auch wenn momentan wohl
Nachdem nun das Ende des Eineine gewisse Ratlosigkeit bezügsatzes grösserer Truppenverbände
lich der einzuschlagenden Richin Afghanistan näher rückt, stellt
tung besteht, lässt sich aus den
sich indessen die Frage, wie die
Streitkräftetransformation weiter *Mechanisiert und Kaliber > 20mm **nicht mechanisiert
Reformprojekten dennoch herauslesen, dass auch in Zukunft nicht
voranschreiten wird. Wird nach
endgültig auf schwere Systeme
wie vor grundsätzlich mit Stabili- Vergleich der aktuellen/geplanten Bestände an schweren
verzichtet wird. Militärische Mitsierungseinsätzen gerechnet? Oder Mitteln der verschiedenen Streitkräfte, eigene Zusammenbesinnen sich Politiker und Mi- stellung basierend auf offiziellen Dokumenten und Hinweisen tel mögen im Rahmen der Krimlitärs (auch angesichts der Vorgän- der VA, Stand Mai 2014. Rot = tiefster Bestand im Vergleich, Krise nicht alleine zur Annexion
ge auf der Krim und in der Ost- grün = grösster.
durch Russland geführt haben,
doch sie waren das Element, welukraine) auf andere Aufgaben der
Norwegen beispielsweise unterteilt die ches schliesslich im Rahmen dieses inStreitkräfte zurück? Zur Beantwortung
dieser Fragen werden nachfolgend Re- analysierten Bedrohungen und dement- nerhalb der NATO als ambiguous attack
formabsichten in Deutschland, Frank- sprechend die Aufgaben seiner Streitkräf- bezeichneten Übergriffes die Entscheireich, Grossbritannien, Norwegen und te in solche, die mit eigenen Mitteln na- dung und Landnahme herbeigeführt haFinnland betrachtet.
tional, solche, die im Rahmen einer Al- ben. Für viele europäische Politiker mag
lianz und solche, die nur in einer unter- es überraschend gewesen sein, wie unstützenden Rolle national bewältigt wer- verfroren offensichtlich nicht gekennEin breites Spektrum
den, also subsidiär. So ist zwar die Auf- zeichnete Eliteeinheiten und schwere
von Bedrohungen
rechterhaltung der Souveränität des Lan- Mittel 3 eingesetzt wurden, um ein fait
Im Rahmen eines kürzlich an der des auf nationaler Ebene sichergestellt, accompli zu schaffen. Doch wenn KämpETHZ durchgeführten Workshops des hingegen ist die Verteidigung Norwegens fe um Ressourcen und Einfluss wieder
Center for Security Studies zu den Entwick- gegen einen Angriff von aussen grund- zunehmen, werden voraussichtlich künflungstendenzen im Bereich der Militär- sätzlich im Verbund mit anderen NATO- tig auch militärische Mittel im Zusammenspiel mit andersartigen Druckdoktrin liessen sich die Referenten aus Staaten vorgesehen.1
Daniel Fuhrer
22
ASMZ 12/2014
dem Ausland nicht in die Karten blicken,
wie genau sie sich den Krieg der Zukunft
vorstellen. Klar ist aber, dass die Tendenz
hin zu eher kleineren Streitkräften ungebrochen ist, die einem immer weiter gespannten und verwobenen Spektrum an
möglichen Bedrohungen gegenüberstehen. Je nach geostrategischer und politischer Lage unterscheiden sich dennoch
die Schwergewichte, die die einzelnen
Länder in ihrer Perzeption der Bedrohungen festlegen.
Sicherheitspolitik
mitteln zum Einsatz gelangen. Das britische Verteidigungsministerium geht
beispielsweise davon aus, dass der Wettstreit um Ressourcen intensiver wird und
zen 2000 und 38 Mehrfachraketenwerfer
MLRS verfügen. Dazu kommt eine Flotte
von 80 Mehrzweckhubschraubern NH90 und 40 Kampfhubschraubern Tiger.9
Die Luftwaffe soll künftig fähig sein, bis zu zwei
fliegende Einsatzverbände
für Luftangriff, Luftnahunterstützung, Luftverteidigung, Aufklärung und
Unterdrückung der gegnerischen Luftabwehr in
zwei Einsatzgebieten zu
stellen. Dazu kommen bis
zu zwei Flugabwehrraketenverbände. Die LuftWährend einer Lehrvorführung des Deutschen Heeres verladen
waffe soll insgesamt noch
Sanitäter unter der Sicherung des Waffenträgers Wiesel einen
über 140 KampfflugzeuVerwundeten in den GTK Boxer.
Bild: Bundeswehr/Böhmer
ge Eurofighter, 85 Tornado und 14 Flugabwehrsich politische Spannungen verschärfen lenkwaffensysteme Patriot verfügen, 60
werden, wodurch auch das Risiko in- Transportflugzeuge Transall, die aber nach
ner- und zwischenstaatlicher Konflikte und nach 40 A400M Platz machen werden. In Planung ist zudem die Beschafansteigt.4
fung von fünf Drohnen Eurohawk, vier
Global Hawk und eines neuen taktischDie Neuausrichtung
operativen Drohnensystems.10
der Bundeswehr
Bei den meisten NATO- oder EU-Staaten stehen Einsätze in internationalem
Rahmen weiterhin im Vordergrund. So
soll die Bundeswehr fähig sein, gleichzeitig etwa 10 000 (von über 180 000) Soldaten in unterschiedlichen Einsatzgebieten zu stationieren.5 Das Heer muss für
die Landesverteidigung im Rahmen der
Bündnisverteidigung, nach Vorbereitung,
einen Grossverband in der Grössenordnung einer Division mit zwei kampfkräftigen mechanisierten Brigaden und Divisionstruppen bereitstellen können, die zusätzliche «multinationale Brigaden und
Stabsteile integrieren kann».6 Insgesamt
verfügt das deutsche Heer noch über zwei
mechanisierte Divisionen mit jeweils drei
Brigaden, die alle grundsätzlich gleich aufgebaut sind. Je zwei Jäger- oder Panzergrenadierbataillone unterstehen einer der
sechs Brigaden. Einer weiteren Division
Schnelle Kräfte unterstehen das Kommando Spezialkräfte, die Hubschrauberverbände sowie die Luftlandebrigade.7 Zum Vergleich: In der Endphase des Kalten Krieges
verfügte die Bundeswehr unter der Heeresstruktur IV noch über 36 Brigaden in
12 Divisionen.8
In den grossen Verbänden wird das
deutsche Heer noch über 225 Kampfpanzer Leopard 2, 342 Schützenpanzer
Puma, 190 Radschützenpanzer Boxer, 728
Transportpanzer Fuchs, 89 Panzerhaubit-
Die Entwicklung in Frankreich:
aus dem Livre Blanc 2013
Im Rahmen einer autonomen Krisenreaktionsfähigkeit will Frankreich jederzeit etwa 2300 Soldaten aus einem Pool
von 5000 bereithalten, die schon nach
einer Woche in 3000 Kilometer Entfernung zum Einsatz gelangen sollen. Dazu
gehören 1500 Angehörige des Heeres und
10 Kampfflugzeuge. Für das Krisenmanagement in Zusammenarbeit mit anderen Nationen will Frankreich jeweils eine
Brigade von 6000 bis 7000 Soldaten stellen können, primär ausgerüstet mit Radfahrzeugen. Für grössere, robuste Kampfeinsätze (coercition) stehen bis zu zwei Brigaden mit bis zu 15 000 Soldaten und 45
Kampfflugzeugen nach einer Vorwarnzeit
von 6 Monaten für eine limitierte Zeitspanne zur Verfügung.13
Für die Operation Serval in Mali mobilisierte Frankreich im Frühling 2013 gut
4600 Soldaten, wobei Teile dreier mechanisierter oder leichter Brigaden und einer
Fallschirmjägerbrigade zum Einsatz kamen.14 Für die Verschiebung der Verbände nach Afrika und die Luftbetankung
musste Frankreich aber auf Mittel der
Alliierten, vor allem der USA, zurückgreifen.15
Grossbritannien
und die Force 2020
Das aktuelle französische Livre Blanc
Die britische Regierung legte schon in
sieht vor, dass das französische Heer 2025
noch über 66 000 Soldaten verfügt, die der Strategic Defence and Security Review
hauptsächlich in sieben gemischten Bri- 2010 fest, dass die Streitkräfte in Zugaden eingeteilt sind. Zwei der Brigaden kunft über die Fähigkeit verfügen müsswerden mit schweren Mitteln ausgestattet, ten, über längere Zeit eine Brigade von
drei für die Bewältigung von Krisen ausge- ungefähr 6500 Soldaten in Übersee einrüstet und weitere zwei mit leichten Mit- zusetzen. Dazu kämen gleichzeitig eine
teln für schwieriges Terrain ausgestattet.11 komplexere Intervention andernorts mit
Das französische Heer wird noch über etwa 2000 und ein weiterer kleinerer Einungefähr 200 Kampfpanzer, 250 mitt- satz mit 1000 Soldaten. Alternativ sollten
lere oder Radpanzer, 2700 Schützen- die Streitkräfte über die nötigen Kapaund Kampfschützenpanzer, 140 Kampf- zitäten verfügen, um mit einer einzelnen,
hubschrauber, 115 Transporthubschrau- drei Kampfbrigaden umfassenden, 30000
ber und etwa 30 Drohnen verfügen. Die Soldaten starken Streitmacht sowie Unfranzösische Luftwaffe
soll die nötigen Fähig- Ein Apache Longbow Helikopter des Army Air Corps landet im
keiten zur Luftnahun- Camp Bastion in Afghanistan.
Bild: POA (Phot) Mez Merrill
terstützung im Gefecht,
zum Lufttransport, zur
Gefechtsfeldabriegelung
und der nuklearen Abschreckung besitzen. Dafür soll sie eine Flotte von
225 Kampfflugzeugen,
50 Transportflugzeugen,
7 fliegenden Radarstationen, 12 Tankflugzeugen und 112 Drohnen
unterhalten.12
ASMZ 12/2014
23
Sicherheitspolitik
terstützung aus der Luft und zu See über
eine beschränkte Zeitspanne hinweg intervenieren zu können.16 Dies entspricht
in der Grössenordnung etwa der im Rahmen der Operation Telic (Iraqi Freedom)
ab 2003 im Irak eingesetzten Streitmacht,
der 1st Armoured Division.17
Das britische Heer soll im Rahmen der
Army 2020 in verschiedene Kräftekategorien aufgeteilt werden. Die Krisenre-
Je eine F-16 Fighting Falcon und eine F-35A
Lightning II der US Air Force.
Bild: SSgt Joel Santiago
aktionskräfte umfassen eine Division mit
drei mechanisierten, einer Logistik- und
einer Luftlandebrigade, wobei letztere
von einem streitkräftegemeinsamen Hubschrauberverband befehligt wird.18 Sieben
Infanteriebrigaden und eine weitere Logistikbrigade stellen den «Rest» der einsetzbaren Kräfte. Diese sogenannten Adaptable Forces werden sowohl aus regulären
als auch aus Reservetruppen bestehen und
rotations- bzw. modulweise für Einsätze
bereitgestellt.19
In Grossbritannien werden die Reaktionskräfte über einen Mix aus mehr als
200 Kampfpanzern Challenger 2 und 600
modernisierten Kampfschützenpanzern
FV510 verfügen, die weiteren Infanterieverbände über geschützte Fahrzeuge. Nach
dem Strategic Defence and Security Review
2010 verbleiben zudem noch etwas mehr
als 80 Panzerhaubitzen AS-90.20 Für die
Royal Air Force werden zudem noch 160
von ursprünglich 232 geplanten Eurofighter Typhoon beschafft; als Ersatz für
140 Tornado wurden vorerst 48 F-35B
Joint Strike Fighter bestellt, um die beiden neuen Flugzeugträger der Queen Elizabeth-Klasse auszurüsten. Möglicherweise folgen später weitere Tranchen, allenfalls der konventionellen Version F-35A.21
Norwegen: die Brigade Nord
Die norwegischen Streitkräfte sind als
Reaktionskräfte ausgelegt; das heisst, dass
die Verbände rasch verfügbar, gut ausge-
24
ASMZ 12/2014
rüstet und entsprechend fähig sein müssen, um rasch und flexibel reagieren zu
können. Der Fokus liegt klar auf den Einsätzen im internationalen Rahmen, wobei die NATO-Mitgliedschaft als Eckpfeiler der nationalen Sicherheit betrachtet wird. Daher müssen sowohl Ausrüstung als auch Ausbildung NATO-Standards entsprechen. Zugleich hat die Wehrpflicht nach wie vor eine hohe Bedeutung, sie wird auf den 1. Januar 2015 auf
die Frauen ausgedehnt.22 In der Praxis
aber wird nur ein kleiner Teil der Stellungspflichtigen eingezogen. Seit Beginn
der Operationen in Afghanistan war Norwegen sowohl mit Spezialkräften im Rahmen von Enduring Freedom als auch mit
bis zu 500 Soldaten als Teil der ISAF vor
Ort im Einsatz.
Die einzige norwegische Heeresbrigade (Brigade Nord) verfügt über ein Panzerbataillon, zwei mechanisierte Bataillone und eine Artillerieabteilung. Inskünftig sollen zwei mehr oder weniger
gleich ausgerüstete mechanisierte Bataillone und ein leichtes Infanteriebataillon
bestehen.23
Norwegen übernahm ursprünglich 52
Leopard 2A4 von den Niederlanden; 46
sollen nun auf den Stand 2A5 hochgerüstet werden. Weiter sind derzeit über 100
Kampfschützenpanzer CV9030N vorhanden, welche ab 2012 modernisiert
wurden. Der Bestand von ursprünglich
Norwegen setzt neben einer mit modernen Mitteln ausgestatteten Marine auf eine
starke Luftwaffe. Der derzeitige Bestand
von etwas mehr als 50 noch einsatzbereiten F-16 soll durch eine Flotte von 52 F35A Joint Strike Fighter ersetzt werden.24
Territoriale Verteidigung
in Finnland
Das finnische Heer basiert derzeit hauptsächlich auf Kampfgruppen (Infanterie
oder mechanisiert) und Feldartillerieabteilungen, welche zu den ungefähr 60 000
Soldaten umfassenden operationellen
(mobilen) Truppen gehören. Im Gegensatz dazu werden die territorialen Kräfte (225 000 Soldaten), welche über keine
schweren Waffen verfügen (höchstens Panzerabwehrwaffen oder schwere Maschinengewehre), nur ortsfest eingesetzt. Wie
eingangs erwähnt, steht die Abwehr eines
militärischen Angriffes im Zentrum. Das
heisst konkret Schwergewichtsbildung
mit robusten Kräften, Gegner abnützen, Schlüsselgebiete behaupten, Angriffe zurückschlagen, vitale Funktionen der
Gesellschaft schützen und den Gegner
schliesslich besiegen.25
Trotz dieser ambitionierten Zielvorgaben wurde den finnischen Streitkräften
ein rigider Sparkurs auferlegt. Sie schliessen per Ende 2014 / Anfang 2015 ihre
Reform mit Reduktionen und Umstrukturierungen ab. In diesem Rahmen wird der
Bestand von ca. 350 000
auf ca. 230 000 Soldaten
reduziert.26 Finnland verfügt derzeit über 100
Kampfpanzer Leopard
2A4 und hat eben 100
gebrauchte Leopard 2A6
in den Niederlanden gekauft, um die langsam
an ihr Lebensende kommenden Leopard 2A4
zwischen 2015 und 2019
zu ersetzen. Neben über
Norwegischer Kampfschützenpanzer CV9030N in der afghani100 zu modernisierenschen Provinz Faryab.
Bild: ISAF Public Affairs
den Schützenpanzern
BMP-2 verfügt das fin126 in Deutschland beschafften Panzer- nische Heer ebenfalls über 100 Kampfhaubitzen M109 wurde nach dem Kalten schützenpanzer CV-90, die in den Jahren
Krieg auf 56 reduziert; etwas mehr als ein 2006/2007 beschafft wurden. An weitDutzend wurden modernisiert, der Rest reichenden Feuermitteln sind Panzereingelagert. Als modernen Ersatz bestell- haubitzen PSH 74 aus sowjetischer Prote Norwegen 2008 24 Haubitzen Archer duktion (2S1) vorhanden, die einer Moin Schweden; nach Verspätungen in der dernisierung unterzogen oder durch ein
Ablieferung/Einführung wurde der Ver- neues System ersetzt werden sollen. Getrag 2013 aufgelöst.
nerell ist eine Vereinheitlichung des Kali-
Sicherheitspolitik
bers auf 155 mm geplant, da Finnland
noch über 300 Haubitzen und Kanonen
in den Kalibern 122, 130 und 155mm
besitzt. Zudem wurden in den Niederlanden (2006) und Dänemark (2013)
Raketenwerfer 298 RsRakH (MLRS) beschafft.
Die finnische Luftwaffe verfügt derzeit
über etwa 60 Kampfflugzeuge F/A-18
C/D. Wie die Schweiz beschaffte auch
Finnland diese Flugzeuge primär für die
Luftverteidigung, ohne die Möglichkeit,
Bodenziele zu bekämpfen. Seit nunmehr
zehn Jahren hat Finnland aber diese LuftBoden-Fähigkeiten kontinuierlich reaktiviert und inzwischen gar Abstandslenkwaffen des Typs AGM-158 JASSM (Joint
Air-to-Surface Standoff Missile) beschafft,
die je nach Version über eine Reichweite
von bis zu 1000 Kilometern verfügen.27
Unterschiedliche Schwergewichte
Wie sich aus den vorhergehenden Beschreibungen herauslesen lässt, verlassen
sich die europäischen Regionalmächte weiterhin auf robuste Kräfte, um ihre Aufgaben im Bündnisrahmen auch aussereuropäisch wahrzunehmen. Zwar wurden die
Bestände aus dem Kalten Krieg sowohl
personell als auch materiell kontinuierlich
abgebaut, dennoch steht die Fähigkeit
zum Kampf der verbundenen Waffen mit
schweren Mitteln weiterhin im Zentrum
der Aufgaben moderner westlicher Streitkräfte. Die Strukturen werden einfacher,
wobei die Brigade mittlerweile in den grösseren Nationen Dreh- und Angelpunkt
für alle Operationstypen ist. Damit soll
auch sichergestellt werden, dass Kräfte für
verschiedene Einsatztypen auf den gleichen Strukturen basierend geführt werden können. Generell scheint es derzeit
so, als würden sich die drei betrachteten
Regionalmächte auf einen «Strauss» möglicher Szenarien für den Einsatz ihrer
Streitkräfte vorbereiten.
Die kleineren Mächte tun das ihre, um
entweder wie Norwegen im Bündnisrahmen Beiträge zu leisten, oder wie Finnland
selber für die Sicherheit des eigenen Staatsgebietes zu sorgen. Hierbei ist hervorzuheben, dass Norwegen eher in Luftwaffe
(F-35A) und Marine investiert, Finnland
in den letzten Jahren vermehrt in schwere
Mittel für den Kampf auf dem Boden und
gegen Bodenziele. Einerseits reflektiert dies
die politische und geostrategische Lage der
beiden Länder, andererseits natürlich auch
länderspezifische Schwergewichte in der
Weiterentwicklung der Streitkräfte.
■
1 Norwegian Ministry of Defence: Capable Force – Strategic Concept for the Norwegian Armed Forces, 2009. S. 10f.
2 Prime Minister’s Office: Finnish Security and
Defence Policy 2012 – Government Report,
Prime Minister’s Office Publications 01/2013,
15. März 2013, S. 99.
3 U.a. Schützenpanzer wie BTR-80, vgl. Ripley,
Tim und Bruce Jones: UPDATE: Analysis:
Crimea intervention – The increasing sophistication of Russia’s military resurgence, IHS
Jane’s Defence Weekly, 31. März 2014, auf:
janes.com, abgerufen 06.08.2014, 14:30.
4 Ministry of Defence: Strategic Trends Programme – Global Strategic Trends – out to
2045, fifth edition, 2014, S. 29.
5 Bundesministerium der Verteidigung (BMVg):
Die Neuausrichtung der Bundeswehr, zweite,
vollständig aktualisierte Auflage, März 2013,
S. 13.
6 BMVg, Neuausrichtung, S. 39.
7 BMVg, Neuausrichtung, S. 43.
8 Vgl. Strukturen des Heeres in der Bundeswehr,
Heeresstruktur 4 (1980 –1992), Gliederung
des Feldheeres, auf: deutschesheer.de, abgerufen 30.07. 2014, 08:30.
9 BMVg, Neuausrichtung, S. 44.
10 BMVg, Neuausrichtung, S. 51 –54.
11 Ministère de la Défense: Livre Blanc – Défense
et Sécurité National 2013, 29. April 2013, S. 94.
12 Ministère de la Défense, Livre Blanc 2013, S. 95f.
13 Ministère de la Défense, Livre Blanc 2013, S. 91f.
14 Vgl. 4600 soldats français mobilisés, ledauphine.com, abgerufen 30. 07. 2014, 08:35.
15 Delaporte, Murielle: French Lessons from Mali:
Fight Alone, Supply Together, auf breakingdefense.com, abgerufen 30. 07. 2014, 08:40.
16 Ministry of Defence: Securing Britain in an Age
of Uncertainty: The Strategic Defence and Security Review, Oktober 2010, S. 19.
17 Vgl. Rinaldi, Richard A.: British Forces, Operation Telic, Iraq 2003 –2004, orbat.com, abgerufen 30. 07. 2014, 08:55.
18 Army Headquarters: Transforming the British
Army – An Update, Juli 2013, S. 6.
19 Transforming the British Army – An Update, S. 8.
20 Transforming the British Army – An Update,
S. 25.
21 Hewson, Robert: UK slashes F-35B numbers but
might look to split buy with F-35As, janes.com,
27. 07. 2012.
22 Strategic Concept for the Norwegian Armed
Forces, S. 55ff.
23 Vgl. Forsvarsdepartementet: Et Forsvar for vår
tid, Weisspapier 2012, regjeringen.no, abgerufen 30. 07. 2014, 10:20.
24 Vgl. Norway F-35 Deliveries To Begin in 2017,
defensenews.com, abgerufen 30.07.2014, 10:15.
25 Finnish Security and Defence Policy 2012, S.
98 –105.
26 Finnish Security and Defence Policy 2012, S.
106 –108.
27 Vgl. Defence Command, Public Information
Division: Annual Report 2013, S. 20.
Major
Daniel Fuhrer
MA UZH
Armeestab
3003 Bern
Das Wort des CdA
Advent?!
Geschätzte Leserinnen
und Leser der ASMZ
In unserer abendländischen Kultur beginnt
die Vorweihnachtszeit.
Im Zentrum stehen oft Feiern und festliche Dekorationen. Wir können feiern.
In Ruhe und in Sicherheit. Dies verleitet
stark dazu, dass wir unseren Wohlstand
als einzige Realität betrachten. Anderen
Menschen auf dieser Welt ist dies leider
nicht vergönnt. Und Jahr für Jahr kommen weitere Regionen dazu, in welchen
Sicherheit nicht mehr selbstverständlich ist. Vielleicht ist es Ihnen ja unangenehm, wenn ich mit solchen Gedanken die Zufriedenheit des Advents störe,
aber ich entschuldige mich nicht dafür.
Es ist die Verantwortung derer, welche
für die Sicherheit zuständig sind, dass
sie darauf aufmerksam machen, dass wir
alle einen Beitrag zu unserer Sicherheit
zu leisten haben.
Sie – geschätzte Leserinnen und Leser –
leisten einen solchen Beitrag. Dafür gebührt Ihnen mein aufrichtiger Dank.
Diese Botschaften müssen aber auch
weitergetragen werden. Wir müssen hinstehen und den Unternehmen aufzeigen, weshalb es sich lohnt, Mitarbeiter
in den Dienst zu schicken und diese sogar Weitermachen zu lassen! Wir müssen den Bildungsverantwortlichen sagen, wenn es uns stört, dass die Sicherheit unseres Landes kein Thema im Unterricht ist! Und wir müssen ebenso klar
sagen, dass Sicherheit die Grundlage für
sämtliche Bereiche unseres täglichen Lebens ist. Wirtschaft, Bildung, Forschung,
aber auch Kultur. Oder haben Sie den
Eindruck, dass in Gegenden, in welchen
Konflikte und Kriege herrschen, Kultur
und Toleranz noch genügend Platz finden? Gerade bei uns – wo die Armee
dank Wehrpflicht und Miliz demokratisch
untrennbar mit der Zivilgesellschaft verbunden ist – sind unsere Soldaten Sicherheitsgarant für alle Gesellschaftsbereiche.
Ich danke allen, welche dazu Sorge tragen und im In- und Ausland einen Beitrag zum Frieden leisten herzlich und
wünsche Ihnen allen eine friedliche und
besinnliche Weihnachtszeit.
Korpskommandant André Blattmann
Chef der Armee
ASMZ 12/2014
25
Sicherheitspolitik
Operation Protective Edge
Israels Militäroperation gegen die Hamas im Gazastreifen
(Juli/August 2014) fand vor dem Hintergrund bedeutender politischer Umwälzungen innerhalb des palästinensischen Lagers
statt. Ausserdem hat der jüngste Waffengang eine schwer
vorhersehbare Dynamik in den israelisch-palästinensischen
Konflikt gebracht.
Marcel Serr
Auslöser der jüngsten militärischen Eskalation im israelisch-palästinensischen
Konflikt war die Entführung und Ermordung von drei israelischen Jugendlichen durch zwei Araber am 12. Juni 2014
und ein Rachemord an einem 16-jährigen Araber durch israelische Extremisten.
In der Folge wurden das Westjordanland
und Ost-Jerusalem durch eine Welle gewaltsamer Demonstrationen erschüttert.
Schliesslich schwappte die Aggression auf
den Gazastreifen über. Die Hamas und
weitere islamistische Terrorgruppen intensivierten den Raketenbeschuss auf Israel. Daraufhin entschloss sich Jerusalem
zur Durchführung einer Militäroperation im Gazastreifen. Die Operation «Protective Edge» begann am 8. Juli 2014 mit
einer Luftschlag-Kampagne der Israeli
Air Force (IAF). Nach gescheiterten Waffenstillstandsverhandlungen und der Infiltration Israels durch Hamas-Terroristen in einem Tunnel am 16. Juli starteten
die Israel Defense Forces (IDF) eine begrenzte Bodenoffensive im Gazastreifen
mit den primären Zielen, die Infiltrationstunnel zu zerstören und den Raketenbeschuss zu beenden. Am 5. August zog
Jerusalem seine Truppen zurück. Unterbrochen durch mehrere unstete Feuerpausen setzte die Hamas jedoch ihre Raketenangriffe fort, worauf die IAF mit
Luftangriffen reagierte. Dabei wurden
auch ranghohe Hamas-Terroristen eliminiert, was die Hamas letztlich aus dem
Gleichgewicht brachte. Die hochrangigen
Verluste haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Hamas am 26. August
einen Waffenstillstand von unbegrenzter
Länge akzeptierte.
Die Bilanz
Zweifellos konnte Israel der Hamas
schwere Verluste beibringen. Im Rahmen
der Operation griffen die IDF 5263 Ziele
26
ASMZ 12/2014
Chaled Meshal, politischer Führer
der Hamas.
Bild: Reuters
im Gazastreifen an und neutralisierten
nicht nur hochrangige Hamas-Kämpfer,
sondern auch die primären strategischen
Waffen der Terrororganisation – «Langstreckenraketen» und Infiltrationstunnel.
Von den 4564 Raketen und Mörsergranaten, die die Hamas auf Israel abschossen, schlugen dank des israelischen Raketenabfangsystem Iron-Dome «nur» 224
Projektile in bewohntes Gebiet ein. Die
Anzahl der israelischen Opfer durch Raketen und Mörsergranaten konnte mit
zehn Soldaten und sechs Zivilisten relativ
gering gehalten werden. Ausserdem zerstörten die IDF 34 Tunnel, die auf israelisches Territorium führten.
Dennoch konnte die Hamas eine Reihe von Teilerfolgen erzielen: Obgleich
der Erfolg des Raketenabfangsystems Iron
Dome unbestreitbar ist, gelang es der Hamas, durch den häufigeren Einsatz von
Raketen mit einer Reichweite von mehr
als 70 km einen Grossteil der israelischen
Zivilbevölkerung in der Metropolregion
um Tel Aviv unter Beschuss zu nehmen.
Ausserdem geriet Israels internationaler
Flughafen ins Visier. Zwar kam es zu keinem Treffer im Flughafengelände, doch
der Flugverkehr wurde an einigen Tagen
stark eingeschränkt. Für Israels Wirtschaft
und den Tourismussektor waren dies äus-
serst problematische Entwicklungen. Die
Infiltrationstunnel der Hamas hatten
eine erhebliche psychologische Wirkung.
Zum ersten Mal verliessen die Anwohner
der Kibbuzim um den Gazastreifen mehrheitlich ihr Zuhause. Das Ausmass der
Tunnel und die Reaktion der Bevölkerung stellen eine neue ernstzunehmende
Sicherheitsbedrohung für Israel dar. Ferner haben sich die Mörsergranaten als
effektives Mittel erwiesen, Israels Iron
Dome-System zu umgehen, das Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Projektilen mit einer Reichweite unter 2 km
hat. Die Taktik der Hamas, Zivilsten als
Schutzschilder zu missbrauchen, dadurch
zivile Verluste zu provozieren und Israel
damit als Aggressor darzustellen, ist angesichts zahlreicher internationaler Verurteilungen von Israels Verhalten weitgehend
aufgegangen.
Entwicklungen
im innerpalästinensischen Konflikt
Die Beziehungen der Hamas zu anderen regionalen Akteuren haben sich seit
der letzten militärischen Konfrontation
mit Israel im November 2012 (Operation Pillar of Defense) radikal verändert. In
Ägypten griff die neue Regierung unter
Abd al-Fattah al-Sisi unnachgiebig gegen die Muslimbruderschaft und die Hamas durch. Kairos Vorgehen gegen die
Schmuggeltunnel in den Gazastreifen erschütterte die finanzielle Grundlage der
Hamas. Seit Oktober 2013 war die Organisation nicht mehr in der Lage, die Gehälter der über 40 000 öffentlichen Angestellten im Gazastreifen auszahlen. Die
Hamas musste befürchten, die Kontrolle
über den Gazastreifen an konkurrierende
Terrororganisationen zu verlieren.
Diese Position der Schwäche bewog die
Hamas am 23. April 2014 zur Unterzeichnung eines Versöhnungspaktes mit der
Fatah zur Beendung des seit 2006 herrschenden Konflikts zwischen den bei-
Sicherheitspolitik
den grössten palästinensischen Fraktionen. Dies mündete am 2. Juni in die Vereidigung einer Einheitsregierung aus parteiunabhängigen Experten, die sowohl
über den von der Hamas beherrschten Gazastreifen als auch über die von der Fatah
kontrollierte West Bank regieren sollte.
Neue Zuständigkeiten
Bislang kann von einer einheitlichen Regierung beider palästinensischen Gebiete
jedoch keine Rede sein, da die Hamas
nicht bereit ist, die Kontrolle über den Gazastreifen aufzugeben. Dennoch hat sich
deren Ausrichtung verschoben: Formell
übertrug die Hamas die Verwaltung und
Regierung des Gazastreifens an die neue
Regierung in Ramallah. Damit befreite sie
sich von der Verantwortung gegenüber
der Bevölkerung Gazas und konnte sich
fortan wieder verstärkt auf ihr militantes
anti-israelisches «Kerngeschäft» konzentrieren. Insofern hat die Bildung der Einheitsregierung wesentlich zur jüngsten militärischen Eskalation beigetragen.
miebehörde (PA) als die eigentlichen Gewinner auf palästinensischer Seite hervor.
Israel und Ägypten betrachten die Autonomiebehörde als die verantwortliche
Institution im Gazastreifen. Daher wurde im Waffenstillstandsabkommen festgeschrieben, dass die PA in alle wesentlichen
Belange im Gazastreifen involviert wird
(Wareneinfuhr, Wiederaufbau, Hilfsgüter,
Sicherheit). Fraglich ist allerdings, ob sich
dies auch in der Realität umsetzen lässt.
Gleichzeitig versucht Abbas, die Friedensverhandlungen mit Israel wieder anzustossen, die Premierminister Benjamin
Netanyahu als Reaktion auf die Einbeziehung der Hamas in die Einheitsregierung
ausgesetzt hatte. Abbas forderte Israel auf,
einen Vorschlag für die Grenzen eines palästinensischen Staates als Verhandlungsgrundlage vorzulegen. Sollte Israel dem
nicht nachkommen, drohte er, sich an
den UN-Sicherheitstrat (SR) zu wenden
und dort ein Ultimatum für einen israelischen Abzug aus den im Sechstagekrieg
(1967) besetzten Gebieten zu erwirken.
Sollte der SR dem nicht nachkommen,
werde sich Abbas an die Generalversammlung wenden und Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagen. Des
Weiteren drohte Abbas an, dass die PA
die Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen beenden und die gesamte Verantwortung über die West Bank an Israel
abgeben werde.
Fazit
Israel verfügt mittlerweile über 9 Iron Dome
Batterien. Das Raketenabwehrsystem fängt
Projektile ab, die in bewohntes Gebiet einschlagen würden. Bild: Israel Defense Forces
Darüber hinaus ist die Lebensdauer
des Versöhnungsversuches ohnehin zweifelhaft. Abbas drohte bereits damit, die
Einheitsregierung aufzulösen, sollte sich
die Hamas mit Blick auf die Kontrolle
des Gazastreifens nicht kompromissbereit
zeigen. Mitte August wurde zudem bekannt, dass sich die Hamas aktiv darauf
vorbereitete, Abbas zu stürzen und in der
West Bank die Macht zu übernehmen.
Während die Hamas nach dem militärischen Konflikt im Gazastreifen in erster
Linie mit sich selbst beschäftigt ist, gehen
Abbas und die Palästinensische Autono-
Damit hat Operation Protective Edge
die festgefahrene Situation im israelischpalästinensischen Konflikt wieder aufgebrochen und eine schwer kalkulierbare
Dynamik ausgelöst – sowohl im Hinblick
auf die israelisch-palästinensische Dimension als auch im inner-palästinensischen
Bereich. Ende September treffen sich Israel und die Palästinenser zu weiteren Verhandlungen der Waffenstillstandsbedingungen in Kairo. Die Hamas hat schon
angekündigt, bei der Nichterfüllung ihrer
Forderungen den Kampf wieder aufzunehmen. Es bleibt also vorerst noch abzuwarten, ob die gegenwärtige Ruhe an der
Gaza-Front anhält.
■
Marcel Serr
Magister Artium
IL-Jerusalem/Israel
Aus dem Bundeshaus
Das Thema Änderung der Rechtsgrundlagen für die
Weiterentwicklung
der Armee (WEA)
wird auch 2015 im
parlamentarischen
Brennpunkt stehen.
Die Sicherheitspolitische Kommission
des Ständerates (SiK-SR) hatte sich am
1. Oktober 2014 mittels Anhörungen
auf die Behandlung der Botschaft des
Bundesrates zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Weiterentwicklung
der Armee vom 3. September 2014 vorbereitet und trat auf diese am 10. Oktober ein (14.069). Die SiK-SR erörterte gemäss ihrer Medienmitteilung namentlich die Verfassungsmässigkeit der
Vorlage, das Leistungsprofil der Armee,
die Erhöhung der Bereitschaft mittels
Mobilmachungssystem, die Neugliederung der Führungsorganisation, die Ausbildung einschliesslich Dauer der Rekrutenschule und der Wiederholungskurse, die Gesamtdauer der Diensttage, das Stationierungskonzept, die Rüstungslücken, den künftigen Investitionsbedarf und die Finanzierung der Armee.
Im Hinblick auf die Detailberatung am
19./20. Januar 2015 beauftragte die SiKSR das VBS, ihr vertiefte Informationen
vorzulegen. Es geht vor allem um Verfassungsmässigkeit, Aufheben oder Behalten der Verordnung Armeeorganisation (AO), Leistungsprofil der Armee im
Zusammenhang mit Finanzbedarf, Beschaffungsplanung, Immobilien, Einsatzdoktrin, Sollbestand und Effektivbestand (mit Durchdienern?) sowie um Varianten zur Führungs- und Truppenorganisation (Anzahl Brigaden?), zur Dauer
der Wiederholungskurse und zur Gesamtzahl der Diensttage.
Die SiK-SR beantragte am 4. November,
die Motion des Nationalrates für ein
«Rüstungsprogramm 2015 plus» abzulehnen (14.3660). Sie zieht den vorgesehenen vierjährigen Zahlungsrahmen
und die Erneuerung des Armeematerials mittels der jährlichen Rüstungsprogramme vor und überlässt eine allfällige Zusatzbotschaft dem Bundesrat.
Oberst Heinrich L.Wirz
Militärpublizist/Bundeshaus-Journalist
3047 Bremgarten BE
ASMZ 12/2014
27
Intelligence
Schicksalsjahr 1989
für den Bundesnachrichtendienst
Das Verhältnis zwischen den regierenden Politikern und den
Bediensteten der Nachrichtendienste ist oft von Spannungen und
Misstrauen geprägt, berühmte Beispiele aus der Geschichte
belegen dies. Das Verhältnis Bundeskanzler – Präsident BND vor
dem Fall der Mauer war besonders spannungsgeladen.
Friedrich-Wilhelm Schlomann
Nachrichtendienste (ND) erfüllen für
ihren Staat eine sehr wichtige Funktion,
indem sie Entwicklungen und potentielle
Gefahren möglichst früh erkennen und
es der politischen und militärischen Führung ihres Landes ermöglichen, auf Gefahrenpotentiale angemessen zu reagieren. In einen solchen Dienst gehören keine Interessenvertreter, sondern realistisch
denkende Experten, die unabhängig von
der jeweiligen Regierungspartei ihrem
Vaterland dienen. Ein Dienst kann mit
eigenen Erfolgen kaum öffentlich auftreten, Pannen hingegen werden schnell
bekannt. Die Gefahr, dass die politische Öffentlichkeit ein falsches Bild von
ihrem eigenen Dienst bekommt, ist vorhanden.
Ein schwieriges Problem ist das Verhältnis zwischen einem Regierungschef
Der Autor arbeitete ab 1949 auf der Universität Leipzig in einer Widerstandsgruppe gegen das DDR-Regime. Seine
Freunde wurden zu je 2 × 25 Jahren verurteilt und überlebten Bautzen nicht. Er
selber entkam in den Westen. Sein vor
1989 veröffentlichtes Buch über die
östliche Spionage erregte Aufsehen bis
in die USA. Er wurde von General Gehlen
und von Dr. Wieck zu mehrstündigen Gesprächen eingeladen.
und Gewissen erlangten Erkenntnisse)
mitzuteilen, gleichgültig ob dieser sie gerne hört oder nicht, stellen doch diese Informationen vielleicht sein eigenes Weltbild in Frage. Zudem kann er das Vorgetragene nicht überprüfen. Vielleicht befürchtet er, durch bestimmte Nachrichten manipuliert zu werden. Natürlich
ist es ein unangenehmes Gefühl, dass
ein anderer Mensch mehr
wichtige Kenntnisse –
wenn auch nur in Teilbereichen – besitzt, als man
selber hat.
Die Entscheidung, ob
überhaupt und wie die
Analysen des ND zu werten sind, liegt allein beim
Staatsoberhaupt; er bestimmt die Politik, trägt
aber auch die Verantwortung. Mehrfach wäre es in
der jüngeren Geschichte
klüger gewesen auf seinen
Dienst zu hören: Trotz
Dr. Hans-Georg Wieck,
wiederholter Hinweise seiPräsident des BND 1985–90.
Bilder: Archiv Autor
nes Agenten Richard Sorge glaubte Stalin bis zuund dem Chef seines ND; ideal wäre ein letzt nicht an den deutschen Einmarsch
vollkommenes Vertrauensverhältnis zwi- in die Sowjetunion. Hitler entliess Geschen beiden. Der Chef ND hat die neral Gehlen, als dieser bereits im JanuPflicht, dem Regierungschef die Wahr- ar 1945 den sowjetischen Vorstoss auf
heit (im Sinne der nach bestem Wissen Berlin prognostizierte. 1990 musste Lon-
28
ASMZ 12/2014
don eingestehen, vom Zusammenbruch
der DDR überrascht worden zu sein,
obwohl seine Aufklärungseinheiten seit
Herbst 1988 die dortige Stimmung als
«voller Hass auf das Regime» kennzeichneten.
Die Bundesrepublik
Deutschland
Ein Beispiel ist das damalige Westdeutschland mit dem Verhältnis von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl mit dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes
Dr. Hans-Georg Wieck, der 1985 aus einer
Notlage auf diesen Posten berufen wurde.
Wieck war kein eigentlicher Nachrichtenmann, kannte aber als Botschafter der
Bundesrepublik in der UdSSR die dortigen Verhältnisse und hatte als Leiter der
westdeutschen Vertretung bei der NATO
Ansehen und Vertrauen erworben. Beide
waren dynamische, sehr energiegeladene
Persönlichkeiten. Der Chef des BND gehörte nicht zu den Ja-Sagern, sondern vertrat seine Ansichten stets überaus deutlich; er sah die Wiedervereinigung kommen. Er hatte sehr schnell die Wirtschaft
als die grosse Schwachstelle Sowjetrusslands erkannt. Bei einem Besuch Andropows in Westdeutschland hatte dieser ihm
eingeräumt, die kommunistische These
vom Zusammenbruch des Kapitalismus
sei falsch; Moskau müsse daher mit dem
Westen kooperieren. Die BND-Zentrale
hatte keineswegs vergessen, dass nach Stalins Tod Beria 1953 gegen Wirtschaftshilfe die Einheit eines neutralen Deutschlands anbot, was indes die Westmächte
verhinderten. Bereits 1986 meldete der
Dienst, der Kreml suche eine strategische
Neuorientierung; angestrebt werde eine
Wirtschaftsreform, um das Land konkurrenzfähig zu machen. Angesichts der sowjetischen Situation sei Gorbatschow ernst
zu nehmen.
Intelligence
Nach der Hitlerzeit und nach frühen
Niederlagen des BND haben es geheime
Institutionen in Deutschland nicht leicht.
Von Pullach aus konnten zudem dienstliche und persönliche Vertrauensverhältnisse zu leitenden Persönlichkeiten in
Bonn kaum entstehen. Kanzler Kohl
machte aus seiner Geringschätzung des
BND keinen Hehl, selbst nach 1989.
Pullach warnte dringend, aber erfolglos
vor der Einstellung Günter Guillaumes;
Jahre später musste wegen dieses DDRSpions Bundeskanzler Brandt zurücktreten. Kohl vertraute mehr der «ständigen
Vertretung» der Bundesrepublik in Ostberlin. Für die dortigen Juristen war die
DDR eine fremde Welt; sie sahen die aufkommenden Stürme nicht und gingen
von einer Teilung Deutschlands auf lange
Sicht aus.
Angesichts der ständigen Kriegsgefahr
lag das Schwergewicht auf der Ausspähung der sowjetischen Besatzungstruppen in der DDR. Die wirklich erstklassigen Erkenntnisse des BND wurden im
NATO-Hauptquartier, im Gegensatz zu
Bonn, äusserst geschätzt. In ihrem jährlichen Bericht zur Lage der Nation ging
die westdeutsche Regierung früher von
den Erkenntnissen des BND aus; mit Be-
«Die Desintegration
der UdSSR
begann Ende 1990,
knapp drei Monate
nach der Wiedervereinigung
Deutschlands.»
ginn der sozial-liberalen Regierung 1969
hingegen wurden die offiziellen Wirtschaftszahlen der DDR verwendet, nach
denen diese die «zwölftstärkste Industrienation der Welt» war. Gewiss ist das Zitieren offizieller Statistiken anderer Länder
üblich, schlimm war, dass man am Rhein
jene Propagandazahlen tatsächlich glaubte; dabei war das Bundeskanzleramt aufgrund der BND-Berichterstattung stets in
vollem Umfang informiert.
Bundeskanzler Kohl reagierte in sehr
starkem Masse auf Meinungsumfragen,
er lief dem völlig falschen Zeitgeist in Sachen Wiedervereinigung hinterher. Entgegen einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, aus der Präambel der Verfassung
sei die «Rechtspflicht abzuleiten, die Einheit Deutschlands mit allen Kräften anzustreben», erachteten Anfang 1989 nur
noch etwa 1 % der Bundesbürger dies als
«wichtigstes politisches Problem». Es ist
kein Ruhmesblatt, wenn im freien Teil
Deutschlands wachsendes Desinteresse
und Gleichgültigkeit gegenüber den Mitmenschen im Osten festzustellen war,
wenn die Berliner Mauer mit ihren Toten
und die zweite deutsche Diktatur eine
Selbstverständlichkeit wurden. Die Aufforderung des US-Präsidenten Reagan an
Gorbatschow 1987 in Berlin wurde vielerorts als Provokation der DDR gegenüber
gewertet. Das «Gemeinsame Papier» von
1987 zwischen der bundesdeutschen SPD
und der SED der DDR bedeutete letztlich nichts anderes als der Verzicht auf
Wiedervereinigung. Führende CDU-Kreise wollten im Parteiprogramm diese Frage
abwerten. Die Einladung Kohls an SEDChef Honecker nach Bonn (September
1987) basierte auf seinem Weltbild der
langandauernden Teilung, die in Wahrheit
vor ihrem Ende stand.
Ballast geworden; schon sieben Monate
zuvor war in Bonn ein BND-Bericht eingegangen, Sowjetrussland sei angesichts
seiner eigenen Situation nicht mehr in
der Lage, Ostberlin zu unterstützen. Die
BND-Analyse, für Moskau gebe es nur
noch die Alternative, Kompromisse mit
Schicksalsjahr 1989
Bereits im Sommer 1988 hatte Pullach
für 1989 «gravierende Veränderungen in
der DDR» angekündigt, während Bundeskanzleramtsminister Schäuble noch im
Februar 1989 eine Lösung der deutschen
Frage «auf absehbare Zeit» nicht erkennen konnte. Ohnehin zeigte das Kanzleramt kaum Interesse an BND-Nachrichten, dessen Erkenntnisse «fielen der Verachtung anheim», stellte damals die Neue
Zürcher Zeitung fest. Es herrschte gegenseitiges Misstrauen, wie Wieck einmal verbittert erklärte. Bonn setzte Entspannung mit echtem Frieden gleich; tatsächlich stieg die östliche Spionage weiter an, während das Sicherheitsbewusstsein selbst bei hohen Bundeswehroffizieren nachliess. Dass die Bevölkerung
der DDR die Wiedervereinigung mehr
denn je herbeisehnte, hatte der Spionagedienst ermittelt; seine entsprechende
Analyse wurde indes weder in Bonn noch
in Washington, weder in London noch
in Paris geglaubt. Im Herbst 1988 war es
dem westdeutschen Dienst gelungen, ein
Mitglied des Zentralkomitees der SED
mit guten Verbindungen zu Honecker
und dem Stasi-Chef Mielke auf seine Seite zu ziehen. Er berichtete bis zuletzt in
kurzen Abständen über das Denken und
die Pläne der DDR-Führungsspitze. Die
DDR war für die Sowjetunion zu einem
Generalmajor Reinhard Gehlen (1902–1979),
erster Präsident des BND.
dem Westen zu suchen, fand beim westdeutschen Kanzler noch im Oktober keinen Glauben.
Bundeskanzler Kohl sah wenige Stunden vor dem Fall der Mauer die Wiedervereinigung «erst in Jahren». Erst später
kam er zur Einsicht, dass deren Chance
wahrscheinlich lediglich während eines
begrenzten Zeitraums bestünde, während
dem die Kreml-Führung dem Druck der
regionalen Machtzentren des Riesenreiches noch widerstehen konnte. Tatsächlich begann die Desintegration der UdSSR
bereits Ende 1990, nur knapp drei Monate nach der Wiedervereinigung Deutschlands!
■
Friedrich-Wilhelm
Schlomann
Dr. iur utriusque
D-53639 Königswinter
ASMZ 12/2014
29
Intelligence
NATO Cyber Defence Centre of Excellence
Wie in der herkömmlichen Verteidigung kann der «Eintrittspreis»
auch im Bereich der «Cyber Defence» mehr oder weniger hoch
gehalten werden. Das NATO Cooperative Cyber Defence Centre
of Excellence (CCDCOE) in Estland leistet einen gewichtigen
Beitrag zum Bestreben der NATO-Länder, ihre Systeme besser
zu schützen und damit den Ressourcen-Aufwand für potentielle
«Cyber»-Attacken massiv zu erhöhen.
Hans Wegmüller, Redaktor ASMZ
Die Baltischen Staaten, allen voran Estland, scheinen seit jeher einen Hang zur
Nische der Spitzentechnologie im IT-Bereich gehabt zu haben. So stammt zum
Beispiel die Software zu «Skype» ursprünglich aus Estland, und man trug sich dort
bereits im Jahre 2003 mit dem Gedanken, ein Kompetenzzentrum für «Cyber
Defence» zu schaffen. Als Estland im Jahre 2007 Opfer einer der bisher massivsten
«Cyber»-Attacken wurde, wirkte dies im
ganzen Baltischen Raum wie ein Fanal
und führte zu einer erhöhten Sensibilisierung von Politik und Öffentlichkeit.
So wurde der bereits seit Jahren vorliegende Plan zur Gründung eines Kompetenzzentrums für «Cyber Defence» in Estland
im Mai 2008 umgesetzt.
Türkei und Griechenland an Übungen
des CCDCOE teil.
Die internationale Trägerschaft des Instituts beteiligt sich mit Personal und Finanzen; jede Nation entsendet mindestens einen Vertreter, ungefähr zu gleichen
Teilen militärische und zivile Repräsentanten, je nach Arbeitsbereich (Recht, Strategie, Technologie oder Ausbildung und
Position in der NATO
Die etwas schwerfällige Bezeichnung,
NATO Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCDCOE) widerspiegelt die Komplexität seiner Stellung innerhalb der NATO-Gemeinschaft. Als eines
der bereits 19 «Centres of Excellence» der
NATO steht es ausserhalb der NATOKommandostruktur, hat aber am völkerrechtlichen Status der NATO teil. Wie alle
andern «Centres of Excellence» wurde es
vom «Allied Command Transformation»
in Norfolk (Virginia) geprüft und vom
NATO-Militärausschuss akkreditiert. Das
Zentrum mit Sitz in Tallinn wird aber nicht
von der NATO, sondern ausschliesslich
von den 14 «sponsoring nations» finanziert. Dazu kommen drei Nicht-NATOLänder: Österreich als erste «contributing nation» mit Beobachterstatus im
Aufsichtsgremium sowie Schweden und
Finnland, die als zurzeit «participing nations» denselben Status wie Österreich
anstreben. Periodisch nehmen auch die
30
ASMZ 12/2014
Der Direktor des CCDCOE, Oberst Artur Suzik.
Übungen), in dem die entsprechende Nation eine Mitarbeit wünscht. Einige Posten sind mehr für Militärs, andere mehr
für zivile Wissenschaftler geeignet. Die
Position des Direktors und des Chefs des
Stabes sind militärische Positionen, wobei die Funktion des Direktors stets von
einem estnischen Offizier wahrgenommen
wird. Auch in der Abteilung Ausbildung
und Übungen, die nicht nur für die eigens
am Zentrum durchgeführten Übungen,
sondern auch für alle Beiträge zu Übungen der NATO und der «sponsoring nations» verantwortlich zeichnet, sind Militärs gefragt.
In der NATO gibt es mehrere Stellen,
die sich mit dem Thema «Cyber Defence»
befassen, allen voran das «Communication and Information Command», die
«Emerging Security Challenges Division» sowie die «NATO Cyber Reaction
Force», die aber alle der NATO-Kommando-Struktur angehören. Nach Aussage des aktuellen Direktors des CCDCOE,
Oberst Artur Suzik, verleiht der Status als
nicht von der NATO finanzierte und
nicht in die NATO
Kommando-Strukturen eingebettete Institution dem Zentrum einen grossen
akademischen Freiraum und prädestiniert es als Think Tank
in seinem Kompetenzbereich. Bedacht darauf, nicht das Gleiche zu tun wie andere
NATO-Institutionen,
wird versucht, einen
Mehrwert für die Weiterentwicklung der
NATO im Bereich
«Cyber Defence» zu
Bild: Autor
erbringen. Somit würden auch Themen in
das Forschungsprogramm aufgenommen,
die andere NATO-Institutionen nicht bearbeiten wollten oder könnten. Dennoch
erhält das Zentrum seine Aufträge – neben den Wünschen der «sponsoring nations» – zu einem schönen Teil vom
«Transformation Command» in Norfolk,
das die Anträge und Anfragen aller interessierten NATO-Stellen entgegennimmt,
sie auf ihre Relevanz für die NATO überprüft und priorisiert, um sie dann an die
«Centres of Excellence» weiterzuleiten.
Entscheidend für den Geschäftsgang des
Zentrums ist aber das Aufsichtsgremium
(«steering committee»), das aus je einem
Vertreter der «sponsoring nations» besteht
und mit Einstimmigkeit entscheidet.
Intelligence
Flaggen der «sponsoring nations».
Kooperation
Das Tallinner Zentrum pflegt mannigfaltige Zusammenarbeit mit nationalen
Einrichtungen und Instituten der «sponsoring nations». Mit der Bundeswehr-Universität in München besteht zum Beispiel
eine Vereinbarung, die es dem Zentrum
ermöglicht, Themata für Master-Arbeiten
vorzugeben, die dann von Münchner Studenten aufgenommen und zum Teil am
Zentrum in Tallinn bearbeitet werden
können. Ein anderes Beispiel ist die Zusammenarbeit mit der estnischen «Defence League», einer Art freiwilligen Nationalgarde, die auch über eine «Cyber Defence Unit» verfügt. Diese rekrutiert sich
aus Cyber-Spezialisten aus allen Bereichen
des gesellschaftlichen Lebens in Estland,
die einen Beitrag zur Landesverteidigung
leisten möchten und ihr ziviles Know-how
der Armee zur Verfügung stellen. Während
Ausbildung am CCDCOE.
das CCDCOE der «Cyber Defence Unit»
die nötige technisch-elektronische Infrastruktur für Übungen zur Verfügung stellt,
leistet diese einen bemerkenswerten Beitrag zu den vom Zentrum durchgeführten Übungen. Neben militärischen wird
auch mit zivilen Institutionen zusammengearbeitet, so wurde das «Tallinn Manual»
(Originaltitel: «Tallinn Manual on the International Law Applicable to Cyber Warfare») auf Einladung des CCDCOE von
ungefähr zwanzig, meist zivilen Experten
bearbeitet, die an verschiedensten Instituten und Universitäten tätig sind, darunter
am Genfer Institut für Sicherheitspolitik.
Das «Manual» war das erste Handbuch,
das die Problematik der völkerrechtlichen
Grundlagen im Bereich «Cyber Defence»
und «Cyber Warfare» zum Thema hatte.
Nationale Verantwortung
Die Standards im Bereich «Cyber Defence», die im CCDCOE erarbeitet, überprüft und weiterentwickelt werden, entbinden die beteiligten und interessierten
Nationen nicht, auf Grund ihrer spezifischen Gegebenheiten, ihren nationalen
Ansprüchen, Kapazitäten und Traditionen das eigene Anspruchsniveau in einer
nationalen «Cyber Defence»-Strategie zu
definieren und die nationalen Eckwerte
abzuleiten. Eine der Aufgaben, mit der
sich das Zentrum zu beschäftigen hat, besteht gerade darin, die «sponsoring nations» bei der Erarbeitung und – aktuell –
Weiterentwicklung und Verbesserung ihrer
nationalen Strategien zu unterstützen. Dabei werden laufend neue Erkenntnisse und
Erfahrungen («lessons learned»), die in
den zahlreichen Übungen gesammelt und
ausgewertet wurden, mit einbezogen und
den NATO und «sponsoring nations» zum
Beispiel in Form von «after action reports»
und «manuals» zur Verfügung gestellt.
«Cyber»-Strategie
Ein Vergleich vorhandener nationaler
Strategien zeigt, dass insbesondere folgende Elemente unverzichtbar sind: Die Definition der zu schützenden kritischen Infrastrukturen (Bank- und Gesundheitswesen, Wasser- und Energieversorgung,
öffentlicher Verkehr, Verwaltung etc.),
die Bekämpfung von «Cyber»-Kriminalität und Massnahmen zur Erhöhung des
allgemeinen Bedrohungsbewusstseins im
«Cyber»-Bereich. Drei Erfolgsfaktoren sind
nach Aussage von Oberst Suzik bei deren
praktischer Umsetzung zu beachten: Erstens, die Unverzichtbarkeit eines verbindlichen Umsetzungsplanes, zweitens, die
Schaffung einer soliden Vertrauensbasis
zwischen den agierenden Institutionen
und Dienststellen und drittens, die Festlegung klarer Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten, denn im Ernstfall und unter Zeitdruck sei entscheidend, dass jede
Dienststelle ihre Obliegenheiten genau
kenne. Dabei werde man um die Schaffung eines obersten zentralen Leitungsorgans kaum herumkommen, und es müsse
auch die Schaffung eines «computer emergency response team» ins Auge gefasst werden. Anleitung dazu kann das vom Zentrum herausgegebene «National Cyber Security Framework Manual» geben.
Die entscheidende Frage, wie aktiv und
offensiv eine «Cyber Defence»-Stratgie
gestaltet werden soll, hat jede Nation auf
Grund ihres Rechtsverständnisses selber zu
entscheiden. Nach Oberst Suzik schlössen einige nationale Strategien offiziell den
Aufbau von offensiven Kapazitäten und
die Vorbereitung entsprechender Massnahmen ein und auch in den konzeptioASMZ 12/2014
31
Intelligence
nellen Vorgaben der NATO sei ein gewisser Trend zu mehr Kühnheit festzustellen.
Eine dieses Jahr vom CCDCOE durchgeführte internationale Konferenz mit etwa
500 Teilnehmern war denn auch dem Thema «active cyber defence» gewidmet, wobei bereits der Palette der Begriffe «offensive, active, reactive defence» zu entnehmen war, wie undeutlich und fliessend
die Grenzen zwischen offensiven und defensiven Massnahmen im «cyberspace»
sind. Die verwendete Technologie schliesst
ohnehin beide Möglichkeiten ein («dualuse»), so dass eine klare Trennung nicht
nur konzeptionell und definitorisch, sondern auch technisch praktisch unmöglich
ist. Wichtig ist daher, dass die nationale
Strategie diesbezüglich klare Leitlinien vorgibt, damit im Ernstfall situativ entschieden werden kann, wie weit zu gehen ist. Im
NATO-Verbund sind gegenseitige Hilfestellungen im Fall eines Angriffs auf einen
der NATO-Staaten durchaus denkbar, indem die offensive Komponente der Abwehr
von einem andern NATO-Staat oder von
der NATO selbst erbracht werden könnte.
Sowenig wie in andern Lebensbereichen
wird auch im «cyberspace» nie vollständige Sicherheit zu erreichen sein, aber die
CCDCOE in Tallin.
Bilder: CCDCOE
Abwehr kann mit gezielten, koordinierten
und energischen Massnahmen auf ein
hohes Niveau gebracht werden, das eine
inhärente dissuasive Wirkung zu erzielen
vermag. Je besser es gelingt, Systeme zu
schützen, desto grösser ist der Ressourcen-Aufwand für einen potentiellen Gegner, diese zu attackieren. Dabei ist nach
Aussage der Vertreter des CCDCOE zu
bedenken, dass das Prinzip «one shot –
one hit» dazu führt, dass alles auf eine
Karte gesetzt werden muss und die materiellen Verluste im Falle eines Misserfolgs
ausserordentlich hoch sein können, zumal
wenn es sich – wie in letzter Zeit immer
häufiger – um Schadprogramme («malware») mit nachrichtendienstlicher Zweckbestimmung handelt.
■
SOG Vorstand
2014, ein Jahr mit fahlem Beigeschmack –
und 2015?
Br Denis Froidevaux, Präsident SOG
Nach dem Jahr
2013 mit einer einmaligen Intensität
für die SOG und
ihre Sektionen, mit
einem historischen
Erfolg gegen die
Unsicherheitsinitiative zur Abschaffung
der Wehrpflicht, bleibt im Rückblick auf
das Jahr 2014 ein eher bitterer Beigeschmack.
Zuerst steht da die folgenschwere Niederlage beim Referendum zur Finanzierung eines neuen Kampfflugzeuges. Eine
Niederlage in erster Linie für die Politik,
die politischen Parteien und das politische System als Solches. Das Engagement
der SOG in diesem Abstimmungskampf
war wie schon im Vorjahr vorbildlich. Sei
es auf der Ebene der Mittelbeschaffung,
der Kampagnenorganisation, auf der Ebene der medialen Präsenz, in den öffentlichen Debatten etc. Mein grosser Respekt
für alle, die sich – leider erfolglos – dafür
engagiert haben, das Volk von der Notwendigkeit der Stärke unserer Armee als
Gesamtsystem zu überzeugen. Mein grosser Respekt auch der SOG-Sektion AVIA
und deren Präsident für den ausserordentlichen Einsatz im Abstimmungskampf.
Wir – die SOG – haben unsere Arbeit getan. Andere Organisationen müssen sich
im Hinblick auf kommende politische
Ausmarchungen hier die Frage gefallen
lassen, was sie beigetragen haben – oder
eben nicht.
WEA auf Kurs
Bleibt im Rückblick auf 2014 noch das
Thema rund um die Weiterentwicklung
der Armee WEA zu erwähnen. Auch hier
hat sich die SOG stark engagiert, zum
einen im Beirat, in den Think Tanks und
den Spezialistengruppen. Auf der ande-
«Die Sparpolitik
auf dem Buckel
der Verteidigung
muss endlich
gestoppt werden.»
ren Seite hat das Ressort Sicherheitspolitik der SOG eine exzellente Arbeit gemacht und diverse Stellungnahmen, Positionspapiere, Botschaften und Medienmitteilungen verfasst. Es braucht bei der
WEA noch wichtige Anpassungen. Die
Anhörung durch die Sicherheitspolitische
Kommission des Ständerates lässt jedoch
hoffen, dass die Richtung der WEA korrigiert wird – in die Richtung der Posi-
tion der SOG. Es gilt nun genau hinzuschauen, dass die Verteidigungsfähigkeit
im modernen und vernünftigen Sinne erhalten bleibt und dass unsere Armee auf
einer soliden finanziellen Grundlage zu
stehen kommt. Die Sparpolitik auf dem
Buckel der Verteidigung muss endlich gestoppt werden. Die Armee braucht die
Mittel, damit ihre Soldaten die verfassungsmässigen Aufträge erfüllen können
und dabei deren Sicherheit maximal gewährleistet ist. Darum sind die fünf Milliarden Armeebudget jährlich das unterste Minimum.
Struktur gefestigt
SOG-intern konnten die neuen Strukturen gefestigt werden. Das Generalsekretariat hat die Feuertaufe bestanden und
der fixe Führungsrhythmus trägt Früchte. Als Aufgabe bleibt aber, die langfristige Finanzierung der SOG sicherzustellen. Dazu braucht es in den nächsten
zwei bis drei Jahren weitere, frische finanzielle Mittel.
Ich möchte an dieser Stelle meinen Vizepräsidenten, den SOG-Vorstandsmitglieder sowie den Präsidenten der SOGSektionen für ihren unablässigen Einsatz
danken. Ohne ihre unermüdlichen Kräfte wäre nichts von all dem möglich gewesen. Ich wünsche uns allen frohe Festtage,
einen guten Rutsch und ein gutes Neues
Jahr. Bis 2015.
■
Stiftung der Offiziere der Schweizer Armee
Mit Ihrer Unterstützung stärken Sie das Milizsystem, die
Milizarmee und eine glaubwürdige Sicherheitspolitik der
Schweiz. Die Stiftung ist steuerbefreit. Jeder Beitrag zählt!
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117-119 avenue Général Guisan, Case postale 212, CH-1009 Pully
[email protected], www.offiziersstiftung.ch
ASMZ 12/2014
33
Einsatz und Ausbildung
Gedanken zum Kampf
in der urbanen Schweiz
Durch die zunehmende Urbanisierung der Schweiz gewinnt der
Kampf in überbautem Gebiet in Verteidigungsoperationen immer
mehr an Bedeutung. Obwohl die Problematik grundsätzlich
erkannt wurde, existiert nach wie vor kein verbindliches Rahmenkonzept zum Kampf der verbundenen Waffen im urbanen Umfeld.
Stefan Bühler
Als Beispiel für den modernen Häuserkampf und allenfalls Vorlage für die eigene
«Kampf im überbauten Gebiet (KIUG)»Doktrin wird auch hierzulande zuweilen
die Operation «PHANTOM FURY» und
der damit verbundene Einbruch der USStreitkräfte in die Stadt Falludscha im November 2004 herangezogen. Obwohl es
sich dabei zweifellos um eine erfolgreiche
militärische Operation im überbauten Gebiet handelt, stechen doch drei Punkte heraus, welche sich grundlegend von den
Voraussetzungen in der Schweiz unterscheiden: die Zivilbevölkerung, die Infrastruktur und die eingesetzte Technologie.
Zivilbevölkerung
Während die Zivilbevölkerung von
Falludscha den amerikanischen Einheiten bestenfalls neutral, zu einem grossen
Teil wahrscheinlich feindlich gesinnt war,
darf wohl angenommen werden, dass
in der Schweiz die Mehrheit der Zivilbevölkerung die Landesverteidigung direkt
oder indirekt unterstützt; sollte die Zivilbevölkerung nämlich nicht hinter einem
entsprechenden Einsatz der Armee stehen, wäre bis zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich grundlegend etwas schiefgelaufen. Insofern müssen die Unterstützung,
aber auch die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung, gerade in urbanen Gebieten, zwingend in die Betrachtungen mit einbezogen
werden.
Infrastruktur
Weiterhin ist zu beachten, dass eine
Verteidigungsoperation in der Schweiz
zwangsläufig in Mitten der eigenen Infrastruktur stattfinden wird. Obwohl Kollateralschäden an ziviler Infrastruktur gemäss Kriegsvölkerrecht grundsätzlich zu
34
ASMZ 12/2014
vermeiden sind, muss davon ausgegangen davon ausgegangen werden, dass ein powerden, dass die US-Streitkräfte beim An- tentieller Gegner der Schweizer Armee
griff auf die irakische Stadt wahrschein- technologisch mindestens ebenbürtig,
lich grössere Kollateralschäden in Kauf ge- wahrscheinlich jedoch überlegen sein wird,
nommen haben, als dies bei einem Ein- was ihn wiederum in die Lage versetzt,
bruch unserer Kampfverbände in ein ur- auch moderne Kommunikations- und Sabanes Gebiets im Rahmen einer Verteidi- tellitentechnologie, wie sie aktuell von viegungsoperation in
der Schweiz der Fall
wäre. Während der
notwendige Schutz
der Infrastruktur die
Kampfführung somit mehr oder weniger einschränkt,
kann sich der Verteidiger trotzdem
durch die bessere
Elevationen Pz 87 Leo WE und SPz 2000.
Kenntnis des EinGrafik: Regl. 54.033d, Der Panzerzug
satzraumes (Grundrisse von Gebäuden
und Kanalisationssystemen, Energiever- len Systemen in der Schweizer Armee versorgung, etc.) einen erheblichen Vorteil wendet wird, zu stören oder sogar zu maverschaffen. Daher ist der Einbezug der nipulieren. Die Technologieabhängigkeit
entsprechenden lokalen zivilen Behörden ist daher gerade bei der Beschaffung von
und wichtigen Industriezweigen (Tiefbau- neuem Material auf ein Minimum zu
ämter, Kraftwerkgesellschaften, etc.) in ein beschränken, Schlüsseltechnologien sind
zukünftiges Verteidigungskonzept anzu- zwingend durch redundante Systeme zu
streben, was demzufolge eher wieder für ergänzen.
eine Regionalisierung der Verbände spreIm Folgenden sollen aus diesen Grundchen würde.
satzüberlegungen nun ein paar mögliche
Konsequenzen für die zukünftige Konzeption
einzelner Komponenten im Kampf
Technologie
der verbundenen Waffen herausgeschält
Schlussendlich darf nicht vergessen wer- werden, ohne dabei Anspruch auf Vollden, dass bei «PHANTOM FURY» und ständigkeit zu erheben.
ähnlichen, zum Vergleich herangezogenen Einbruchsoperationen der Angreifer
Aufklärung
jeweils technologisch deutlich überlegen
Mit der zunehmenden Urbanisierung
war. Neben der Luftherrschaft, welche die
Beweglichkeit des Verteidigers merkbar läuft die Zeit der gepanzerten Aufkläeinschränkte, hatten die US-Streitkräfte rungsfahrzeuge, welche sich den Walddurch den Einsatz von Netzwerk- und Sa- rändern entlang Richtung Gegner vortellitentechnologie sowie Drohnen und antasten, allmählich aus. Gefragt werden
weiteren Sensoren auch die Informations- zunehmend leichte und hochmobile Aufüberlegenheit. Im Gegensatz dazu muss klärungseinheiten, welche sich an den
Einsatz und Ausbildung
Einsatzgrundsätzen von Spezialkräften
orientieren und innerhalb von überbautem Gebiet ungesehen operieren können.
Die Beobachtungsmittel sind nicht mehr
fest auf einem Fahrzeug montiert, sondern werden in der persönlichen Ausrüstung mitgetragen. Unbewaffnete Aufklärer sind insbesondere im KIUG nutzlos;
eine entsprechende Bewaffnung der Fahrzeuge sowie der Einsatzkräfte – auch mit
leichten Panzerabwehrlenkwaffen – ist
vorzusehen. Die Fähigkeiten zur Kampfmittelerkundung auf der einen Seite und
zur Zielbeleuchtung und -beobachtung
für die Feuerunterstützung (Artillerie,
Minenwerfer, Kampfflugzeuge) auf der
anderen Seite müssen zusätzlich zum bestehenden Leistungsprofil neu aufgebaut
werden.
Einsatz
«Panzergelände ist da, wo der Panzer
ist». Obwohl der Kampfpanzer einige seiner Stärken, allen voran die grossen Schussdistanzen sowie die ausgezeichnete Mobilität, im überbauten Gebiet nicht vollständig ausnutzen kann, ist er aufgrund
der enormen Feuerkraft und der starken
Panzerung trotzdem ein unverzichtbares
Mittel. Allerdings sind technische Anpassungen am Waffensystem notwendig, um
den Panzer auf die neuen Einsatzverhältnisse vorzubereiten. Ein autarkes Waffensystem, welches unter Panzerschutz bedient werden kann, ermöglicht zum Beispiel durch den grossen Elevationswinkel
auch im Nahbereich das Wirken in die
oberen Stockwerke von Gebäuden. Die
Einführung von neuer Munition (programmierbare Sprenggeschosse; Wiedereinführung der preisgünstigen und gegen
ungepanzerte Strukturen hocheffektiven
HESH-Munition) muss angedacht werden; es stellt sich insbesondere auch die
Frage, ob im Häuserkampf mit den beschränkten Schussdistanzen tatsächlich
Mündungsgeschwindigkeiten von mehr
Typische Flugbahnen
Pz Hb und Mw.
als 1100 m/s – und die damit einhergehende zerstörerische und tödliche Druckwirkung im Mündungsbereich beim Abschuss – notwendig sind oder ob nicht
gegebenenfalls Munition mit reduzierten
Treibladungen eingesetzt werden müsste?
Das direkte Feuer ist im überbauten
Gebiet aufgrund der Präzision dem indirekten Feuer überlegen; stark gepanzerte
Fahrzeuge sind die Grundvoraussetzung,
das Feuer an den Gegner zu bringen. Pz
87 WE und SPz 2000 – gegebenenfalls
mit weiteren punktuellen Upgrades – bieten eine ideale Kombination aus Schutz,
Feuerkraft und Absitzstärke und bleiben
damit auch mittelfristig die bevorzugten
Mittel der mechanisierten Truppen.
Die Panzergrenadiere und die Infanterie tragen die Hauptlast im Häuserkampf.
Sie sind deshalb besonders gut auszurüsten. Daher stellt sich die Frage, ob unsere
Infanteriewaffen für den KIUG geeignet
sind oder ob gegebenenfalls die Ausrüstung für Verteidigungsoperationen noch
weiter verstärkt werden muss? Neben Panzerabwehrlenkwaffen sollte auch die Beschaffung von strukturbrechender Munition («Bunkerfaust») in Betracht gezogen
werden. Die Einsatzkompanien müssen
für die taktische Aufklärung über eigene
Mittel wie Minidrohnen, Endoskope, etc.,
verfügen. Beide Truppengattungen sind
wieder in der Sprengtechnik auszubilden,
insbesondere das sprengtechnische Öffnen von Türen, aber auch die Schaffung
von alternativen Zugängen mit Hilfe von
Spreng- und Schneidladungen sollten ein
integraler Bestandteil der zukünftigen Ausbildung sein, welche es überdies zwischen
den Panzergrenadieren und der Infanterie
zu harmonisieren gilt.
Einsatzunterstützung
Neben der vielfach geforderten Präzision, welche unsere Artillerie zumindest aktuell nicht erreicht, ist gerade beim Einsatz im urbanen Umfeld ein Faktor besonders wichtig: ein steiler Auftreffwinkel! Ansonsten besteht nämlich die Ge-
THINK TANK
Die OG Panzer stellt mit dem THINK TANK
eine Plattform zur Verfügung, um die Entwicklung ausländischer Doktrinen, Fakten und Erfahrungen rund um das Thema
Kampf der verbundenen Waffen zu diskutieren und gemeinsam Lösungsvorschläge als Beitrag an eine zukünftige Doktrin, Ausbildung und Weiterentwicklung
der Kampftruppen in der Schweiz auszuarbeiten. Interessenten – auch von ausserhalb der Panzertruppen – melden
sich per E-Mail an [email protected].
fahr, dass die Granaten an Häusern «hängen bleiben», unnötige Kollateralschäden
verursachen und damit nur unzureichend
in die Strassenzüge gewirkt werden kann.
Dieses Kriterium wird naturgemäss von
den Minenwerfern besser erfüllt, da diese
in der oberen Winkelgruppe schiessen;
bei den Haubitzen, welche in der Regel
die untere Winkelgruppe abdecken, muss
der steile Auftreffwinkel durch technische
Massnahmen wie Bremsvorrichtungen erreicht werden, was aber wiederum die Einsatzreichweite verringert. Die Präzision
sollte indes in Zukunft nicht durch Systeme, welche unter ausländischer Kontrolle stehen (z. B. GPS), erreicht werden. Neben der bekannten Zielbeleuchtung wäre auch die Endanfluglenkung
mittels Triangulation über feste Referenzpunkte am Boden denkbar, da die Artillerie im Verteidigungsfall im Inland oder
gegebenenfalls im grenznahen Ausland
eingesetzt werden soll. Der zukünftige Einsatz von Halbbatterien oder sogar Einzelgeschützen, wie dies in aktuellen Diskussionen vermehrt gefordert wird, ist noch
einmal zu überdenken. Was in Masar-e
Scharif gegen eine Gruppe von Taliban
vielleicht funktioniert hat, wird gegen einen modernen, mechanisierten Gegner
schnell an seine Grenzen stossen. Schlussendlich gilt es in naher Zukunft eine Fähigkeitslücke, nämlich die Flugbahnverfolgung von Geschossen zur Ortung der
Grafik: Autor
ASMZ 12/2014
35
Einsatz und Ausbildung
(WLAN-Netzwerke, Mobilfunkantennen)
eine Überlegung wert.
Ein weiterer Punkt ist die immer stärkere Vernetzung von Führungssystemen,
welche zweifellos grosse Vorteile bietet,
aber die Führung auch anfällig macht gegenüber Störungen und Manipulation.
Es sollte bei der zukünftigen Gestaltung
der Führungsinfrastruktur – ähnlich wie
bei den Waffensystemen – auf einen sinnvollen Mix zwischen Technologienutzen
und Technologieabhängigkeit geachtet
werden.
Schliesslich gilt es zu beachten, dass
sich neben vielen Medienvertretern auch
Hilfsorganisationen im Einsatzraum bewegen werden, welche es zu schützen
und mit Informationen zu versorgen gilt
(Stichwort Zivil-Militärische Zusammenarbeit, CIMIC).
Leichte Aufklärungsfahrzeuge.
Bild: Homepage KSK/Fotos AAD 10
gegnerischen Feuerstellungen, zu schliessen.
Da das Ausheben von Panzergräben,
das Verlegen von Minen und das Anlegen
von Baumverhauen im überbauten Gebiet an Grenzen stösst, müssen die Panzersappeure zwingend neue Verfahren für
die Bewegungs- und Hindernisführung
im überbauten Gebiet erarbeiten. In jedem Fall ist die taktische Kampfmittelbeseitigung als zusätzliche neue Fähigkeit
vorzusehen. Jede Panzerbrigade muss zudem wieder über ein eigenes Panzersappeurbataillon verfügen.
Schliesslich darf auch die Flugabwehr
in der ganzen Konzeption nicht vergessen
werden. Sind die mit der BODLUV 2020
geplanten Mittel, welche primär für die
operative Stufe gedacht sind, wirklich ausreichend oder müssen nicht doch für die
taktische Stufe noch leichte und mobile «Fliegerfäuste», insbesondere zur Bekämpfung von Hubschraubern, beschafft
werden?
Einsatzlogistik
Obwohl die Auslagerung von Reparatur- und Wartungsarbeiten an die Industrie aus ökonomischer Sicht durchaus Sinn
machen kann, werden durch diese Massnahme zwangsläufig Fähigkeiten in der
Truppe abgebaut, was dazu führt, dass
insbesondere bei den Logistikkompanien
der Panzertruppe die Truppenmechani-
36
ASMZ 12/2014
Fazit
ker nicht mehr oder höchstens bedingt in
der Lage sind, die Fahrzeuge ohne Unterstützung der Industrie instand zu halten.
Diesen Umstand gilt es zu korrigieren,
ohne dadurch die Industrie unnötig zu
schwächen.
Ein Punkt, welcher in der Vergangenheit mehrheitlich vernachlässigt wurde,
ist der Abtransport und die Betreuung
von Verwundeten an der Front. Während
die Besatzung eines penetrierten Kampfoder Schützenpanzers meistens getötet
wird, muss gerade beim Häuserkampf mit
einer grossen Anzahl von Verletzten gerechnet werden. Ein reibungslos funktionierender Sanitätsdienst ist in diesem Fall
das A und O, um das Binden von Einsatzmitteln zu vermeiden, welche zwingend an einer anderen Stelle gebraucht
würden.
Führungsunterstützung
Vor einer grossen Herausforderung
dürfte indes auch die Führungsunterstützung stehen. Der Einsatz von Funksystemen gerade innerhalb der Häuserschluchten von Städten wird durch die Abschattung (Funklöcher) stark erschwert, der
Aufbau von Relais hilft dabei nur bedingt. Stärkere Sendeleistungen erleichtern dem Gegner wiederum die elektromagnetische Ortung der Sender und
sind daher auch nicht der Weisheit letzter
Schluss. Zumindest auf der taktischen
Stufe wäre die redundante Nutzung der
in den urbanen Gebieten oft hervorragend ausgebauten zivilen Infrastruktur
Die Operation «PHANTOM FURY»,
als Beispiel für den modernen Häuserkampf herangezogen, war ein Kampf gegen einen technologisch unterlegenen
Gegner auf seinem eigenen Territorium
und in Mitten seiner eigenen Zivilbevölkerung. Die Konsequenzen, welche daraus gezogen werden können, lassen sich
nur bedingt auf die Verhältnisse in der
Schweiz anwenden – und wenn, dann
eher aus Sicht der irakischen Aufständischen. Derweil sind andere NATOMitgliedstaaten wie Frankreich, Grossbritannien und Deutschland daran, eigene
KIUG-Doktrinen aufzustellen; Grobkonzepte existieren zum Teil für Städte bis ungefähr 100000 Einwohner, sind aber ebenfalls nur bedingt übertragbar.
Obwohl ein Blick über den Tellerrand
nie verkehrt ist, lassen sich die aktuellen
US- oder NATO-Doktrinen nicht 1 :1
übernehmen; Selbstvertrauen und eigene
Lösungen sind gefragt! Diese gilt es in
unmittelbarer Zukunft in einem gesamtheitlichen Ansatz zu skizzieren und zeitnah auszuarbeiten, damit die mittelfristig
anstehenden Ausbildungs- und Beschaffungsvorhaben auf einem soliden Einsatzkonzept aufbauen können.
■
Oberleutnant
Stefan Bühler
Dipl. Ing. FH
Mitglied OG Panzer
Komp Zen ABC-KAMIR
3657 Schwanden
Einsatz und Ausbildung
Sensorwirkungsverbund
im Geb Inf Bat 77
In einer ganztägigen Übung trainierte die Geb Inf Kp 77/3
(Hptm Patrick Noger) auf dem Waffenplatz Bure den Sensorwirkungsverbund (SWV), also die Zusammenarbeit mit den
Sensoren der Geb Inf Ustü Kp 77/4 (Hptm Michael Hollenstein).
Dieser stellt neben dem Führungsunterstützungs-/Logistikverbund und der Manöververbände eine der Grundfertigkeiten
eines Inf Bat dar.
sere AdA sicher und gewährleisten deren
solide Ausbildung im WK. Darum könMorgens gleich nach dem Antrittsver- nen sich auf Stufe Bataillon der S2
lesen machten sich die AdA der Kompa- (Dienstchef nachrichtendienstliche Leisnien 3 und 4 an die Einsatzvorbereitun- tungen) und die Kommandanten auf ungen. Sie fassten Material, kontrollierten sere Augen und Ohren im Feld verlassen,
dieses und verluden es in ihre Fahrzeuge, wenn nötig auch auf das Feuer der Scharfwährend die Gruppenführer und Zug- schützen und Minenwerfer.»
führer gemeinsam die TrainingsschwerDie Scharfschützen bilden zusammen
punkte nochmals miteinander bespra- mit den Minenwerferbeobachtern und
chen. Die Unterstützungskompanie er- dem Aufklärungszug den SWV. Wenn ein
bringt in diesem WK mit einem kleinen, Kompaniekommandant wissen muss, was
aber feinen Kernbestand ihre Leistungen in seinem Einsatzraum vor sich geht, so
im Geb Inf Bat 77, weil sie mit zwei De- kann er die Sensoren ins Feld entsenden.
tachementen Einsätze zu Gunsten des Auf der Grundlage dieses Auftrags fasKompetenzzentrums Gebirgsdienste der sen die Scharfschützen einen KartenentArmee in Andermatt und des Kompe- schluss und infiltrieren in die geplante
Stellung. Grundsätzlich überwachen und
schützen sie den äusseren Ring um den
Einsatzraum, während
die Infanteriezüge im
inneren Ring agieren.
Im Stellungsraum angelangt, errichten die
Scharfschützen ein
getarntes Basislager,
denn in die Beobachter- bzw. Schiessstellung wird nur die
wichtigste Ausrüstung
mitgenommen. Die
beiden Scharfschützen, Sdt Cédric von
Scharfschützen: Teil des SWV. Bilder: Sdt M. Kohli, Geb Inf Bat 77
Dach und Sdt Pius
Wicki, betonen die
tenzzentrums für Auslandeinsätze SWISS- Wichtigkeit der materiellen und mentalen
INT in Stans durchführt. Hptm Hollen- Vorbereitung einer Mission: Ausrüstung
stein umschreibt die Aufgabe der Ustü Kp und Tarnung werden massgeblich durch
des Bataillons wie folgt: «Im Unterschied den Auftrag und die Jahreszeit bestimmt.
zu den Inf Kp sind wir kein ManöverAm Nachmittag wurde der SWV durch
verband. Wir stellen Leistungen zur Ver- Bat Kdt Oberstlt i Gst Damian Casanova
fügung. Wir stellen die Logistik für un- beübt. Im Übungsdorf Nalé haben sich
Arthur Alexejew
paramilitärische Kräfte der «Trivianier»
unter die Zivilbevölkerung gemischt. Dies
verlangte einerseits situationsgerechtes
Vorgehen der Infanteristen der Kp 3, andererseits präzise Beobachtung und Identifikation durch die Sensoren der Ustü
Kp 4. Wie herausfordernd der Einsatz im
Der SWV in Aktion: Beobachterstellung.
überbauten Gelände ist, zeigte sich an
diesem Nachmittag: Die Unterscheidung
von Kombattanten und Unbeteiligten,
der Umgang mit Verwundeten, die Kommunikation zwischen den Gruppen und
Zügen – den Überblick behalten oder der
Vorstoss kommt ins Stocken. Die modernen Trainingsanlagen mit Video-, GPSund Funkgesprächaufzeichnungen ermöglichen heute einen umfassenden After
Action Review. In einer offenen und konstruktiven Atmosphäre wurden die aufgedeckten Defizite besprochen und Lehren für die Zukunft gezogen. So sieht
ehrliches und lernzielorientiertes Training aus!
■
Oberleutnant
Arthur Alexejew
M.A. HSG
PIO i V, Geb Inf Bat 77
8123 Ebmatingen
ASMZ 12/2014
37
Einsatz und Ausbildung
Das MP Bat 2 im Einsatz an der AIR14
Das Militärpolizeibataillon 2 hat, in enger Zusammenarbeit
mit den anderen Sicherheitspartnern, insbesondere mit den
Polizeikorps der Kantone Waadt und Freiburg, die Sicherheit
des einmaligen Volksfestes AIR14 in und um Payerne untadelig
sichergestellt; es waren keine Zwischenfälle zu beklagen.
Mario Fässler
Am ersten Wochenende der AIR14 applaudierten die Zuschauer spontan dem
synchronen Radballett des Ei Z 9 des
MP Bat 2 unter der Leitung von Oblt Lars
von Ow, Polizeiangehöriger der Kapo GR,
anlässlich des Schichtwechsels auf dem
TARMAC. Damit hatte niemand gerechnet – weder mit dem kreativen Symbol
von Disziplin, noch mit dem spontanen
Applaus. Ganz im Stil der Piloten im Himmel grüssten die abgelösten MP Gren die
Zuschauer am Boden.
Wie kam es dazu?
Dieses Jahr wurde das MP Bat 2 für die
Dauer der Air Show vom Führungsstab
der Armee (FST A) dem Organisationskomitee AIR14 der LW zugewiesen (um
Legalität und Legitimität zu wahren, wird
eine Polizeieinheit grundsätzlich nicht unterstellt, sondern in der Regel zugewiesen).
Die AIR14 wurde hinsichtlich Sicherheit als Volksfest eingeschätzt und dauerte für die Sicherheitskräfte vom Dispositivbezug am Mittwoch, 27. August 2014,
1300 Uhr, bis zur Rückübergabe der Sicherheit an die «Garde civile» am Montag, 8. September 2014, 1705 Uhr insgesamt über 12 Tage bzw. total 292 Stunden.
An den Wochenenden wurden pro Tag
bis zu 110 000 Besucher gezählt. Insgesamt besuchten weit über 400000 Personen diesen Armeeanlass. Als Volksfest stellte die AIR14 die gleichen polizeilichen
Problemstellungen wie jede grössere Massenveranstaltung (Verkehrsüberlastung,
Kumulation hoher Geldbeträge und Sachwerte, viele Sanitätsfälle, fehlbare Besucher, Anziehungspunkt für Taschendiebe
und andere Straftäter).
Der Auftrag des MP Bat 2
lautete wie folgt:
• Bewachung der Kernzone mit Tower,
Flugpiste und Flugzeugen;
• Bewachung der Bank und anderer sen-
38
ASMZ 12/2014
•
•
•
•
sitiver Einrichtungen (innerer und äusserer Sicherungsring);
Gewährleisten der sicheren Geldtransporte zwischen Bank und Verkaufsständen;
Sicherung des VIP-Bereiches;
Überwachung des inneren Sicherungsrings (intervenieren; kontrolliertes Öffnen bei Flugzeugverschiebungen und
bei gravierenden Ereignissen);
Bereithalten einer polizeilichen Reserve
für Ereignisse, welche polizeiliche erste
Massnahmen auf dem Veranstaltungsgelände erfordern bzw. zur Unterstützung von Sicherheitspartnern im Einsatzraum.
Als Resultat einer intensiven Stabsarbeitswoche erfolgte der Grundentschluss:
• Mit 11 Einsatzzügen (Ei Z) (8 MP
Gren Z, 3 MP Schutz Z) in einer fixen
Dienstfolge alle Einsatzformen beherrschen und die zugewiesenen Aufträge
alternierend erfüllen;
Aufmarsch des MP Bat 2 in Payerne.
• Mit namentlichen Einsatzlisten in einem
vorgegebenen Führungsrhythmus Planungs- und Auftragssicherheit erreichen
und den Kp den Rahmen für ihre Leistungen vorgeben;
• Mit einem rückwärtigen Kommandoposten (KP Rück, Pikett Of Bat) mit integrierter Verkehrs- und Transportzentrale (VT Z) sowie Nachrichtenzentrale
Der Einsatz zu Gunsten der AIR14 hat
jeden Einzelnen gefordert. Die Angehörigen des MP Bat 2 haben getan, was sie
mussten; und dies haben sie GUT getan!
Besten Dank allen Beteiligten des MP
Bat 2, den Kollegen der Sicherheitspartner und den Auftraggebern!
(Na Z) die Bereitstellung und Verschiebung der Einsatzzüge führen;
• Mit einem vorgeschobenen Kommandoposten (KP Front, Einsatzleitung Front
des Bat) – integriert in den KP «Sécurité
intérieure et extérieure AIR14» – inklusive integrierter Einsatzstelle Telematik,
die Einsatzführung vor Ort sicherstellen;
• Einen 1 Ei Z (Si Z) und ein ad-hoc-Kaderdetachement bereithalten, um einerseits die KP Rück und KP Front sowie
das «Maison de conduite» personell zu
unterstützen, als auch Stab und Stabskompanie zu sichern und Auftragsspitzen abzufedern.
Die durchhaltefähige Gewährleistung der
Sicherheit erforderte
eine enge Koordination
zwischen den verschiedenen Sicherheitspartnern, bestehend aus
Teilen der Kantonspolizeikorps Waadt und
Freiburg, insgesamt 3
LW Si Kp (äusserer Sicherungsring), 1 Trsp
Kp, 2 San Kp, Teilen
Bilder: Autor
der Profi Mil Sich (Unterstützung und polizeiliche Grundversorgung der eingesetzten Truppen) und dem MP Bat 2.
Zur Führungsunterstützung des gesamten Anlasses wurde das FU Bat 21 eingesetzt.
Dem MP Bat 2 war von Anfang an bewusst, dass ohne eine gewissenhafte Erfüllung dieser Aufgaben weder die Besucher die Air-Show geniessen noch die Pi-
Einsatz und Ausbildung
loten und Veranstalter ihre Kreativität und
ihr Handwerk entfalten und zur Geltung
bringen können.
In fünf Tagen Einsatzbezogener Ausbildung (EBA) haben sich die AdA des
MP Bat 2 spezifisch vorbereitet. Um die
«Unité de doctrine» sicherzustellen, erfolgte die Ausbildung mittels Batallionsarbeitsplatz.
Ziel- und Auftragserfüllung
Einige Beispiele – symbolisch für viele
Situationen:
Erhaltung oder Wiederherstellung
von Ordnung
Folgende Tatsachen unterstreichen die
erfolgreiche Anwendung von Polizei-Taktik und -Ethik:
• Es wurde keine Ausfälligkeit von Besuchern gegenüber der MP bekannt;
• Es fand kein Übergriff auf einen Geldtransport statt.
rund 50-jähriger Mann
vor dem VIP-Bereich
zusammen und hustete Blut. Dank dem sofortigen Eingreifen des
Ad MP Bat2 konnte der
Mann stabilisiert, seine
Angehörigen beruhigt
und die Person mit der
Ambulanz evakuiert werden; die gezeigte Dankbarkeit der Betroffenen
spricht Bände.
Zutrittskontrolle VIP-Bereich.
Rechtmässigkeit und Verhältnismässigkeit
Polizeilich misst man Verhältnismässigkeit ganz pragmatisch: die moderne, kritische und obrigkeitssensible Bevölkerung
beschwert sich, sobald sich Kontrollierte
unrecht behandelt fühlen – ob objektiv gerechtfertigt oder nur subjektiv so empfunden. Anlässlich des Einsatzes an der AIR14
sind von Besuchern, das heisst den Kontrollierten, keine einzige Beschwerde beim
MP Bat 2 eingetroffen.
Ist nicht dies ein Zeugnis für Verhältnismässigkeit? Offensichtlich ist
den AdA des MP Bat 2
die Anwendung der 3D-Strategie gelungen.
Vorbild und kreatives
Engagement
Auch das erwähnte
Fahrradballet zeigt auf,
dass auch ein an sich unDer Einsatzleiter Front orientiert zwei Einsatzzüge.
angenehmer, langweiliger, wenig fordernder
Im Gegenteil: symbolisch für beherzte Auftrag durch Kreativität von MilizsolHelfer und polizeiliche Priorisierung daten zu einem publikumswirksamen
kann folgender Einzelfall der insgesamt Beispiel für Disziplin werden kann.
rund 1000 Sanitätsfälle und gegen 200
Anlässlich der Fahnenabgabe, nur zwei
polizeilichen Ereignisse erzählt werden: Stunden nach Abbruch des Einsatzes, nahm
Am Samstag, 30. August 2014, brach ein denn auch sowohl der Kdt des MP Bat 2,
Maj i Gst Mario Fässler, als auch der Kdt
der Air Base Payerne, Oberst i Gst Benoît
Studemann, eine differenzierte Bewertung vor. Natürlich mussten auch im MP
Bat 2 Fehler in der Führung und im Verhalten der AdA festgestellt und korrigiert
werden; natürlich musste das MP Bat 2
auch mit angeblich unveränderbaren Unzulänglichkeiten umgehen; natürlich war
die vermittelte Erwartung einiger militärischer und polizeilicher Berufskollegen, dass
ein Miliz MP Gren sich nicht situationsgerecht verhalten könne und deshalb nicht
volles Vertrauen verdiene (unterschiedliche Rules of Engagement [ROE] für Profi
und Miliz in demselben Auftrag) störend.
Zurück bleibt aber, dass das MP Bat 2
diese Fehler nicht nur erkannt, sondern
Korrekturen und Lehren laufend, sachlich und einsatzorientiert umgesetzt hat.
Zurück bleibt ebenfalls das allseitige Lob
für den vorbildlichen und beispielhaften
Einsatz.
■
Major i Gst
Mario Fässler
Eidg. dipl. Berufsoffizier
Stv Kdt
Grenzwachtkorps GWK
7208 Malans
Vortragsreihe 2015: Start 21. Januar
www.armeemuseum.ch – Mail: [email protected][email protected]
Postadresse: VSAM - Postfach 2634 – CH 3601 Thun
21.01.2015 Artillerie am rechten Thunersee-Ufer – Planung und Bau der
Werke Waldbrand, Legi und Schmockenfluh. Referent: HansRudolf Schoch, Buchautor, Grosshöchstetten
25.03.2015 200 Jahre Grenzbesetzung 1815 – Rückkehr Napoleons und
Herrschaft der hundert Tage, Feldzug der eidgenössischen
Truppen ins Franche-Comté unter dem Kommando von
General F. Bachmann. Referent: Div aD Fred Heer, Steffisburg
27.05.2015 Die Schweizer Armee im 19. Jahrhundert aus der Sicht der
süddeutschen Staaten – Referent: Dr. Josef Inauen, Steffisburg
08.07.2015 Der Unimog-S in der Schweizer Armee – Beschaffung/Einsatz.
Referent: Dr. Claudio Lazzarini, Spezialist für Unimog-Fahrzeuge.
AMP Burgdorf, Treffpunkt 18.50 Uhr vor Eingangstor (Militärstrasse)
16.09.2015 Napoleons Karten der Schweiz – Kartografie in der Zeit vor
Dufour. Referent: Dr. Martin Rickenbacher, Leiter Arbeitsgruppe
für Kartengeschichte der Schweizerischen Gesellschaft für
Kartografie
25.11.2015 200 Jahre Schweizerfahne – und ihre Weiterentwicklung.
Referent: Br aD Jürg Keller, Sugiez
Treffpunkt (ausser 08.07.2015): jeweils 18.50 Uhr auf dem Bundesparkplatz hinter dem Restaurant Bellevue (Rossgagelpintli), Schwäbisstrasse 56, 3613 Steffisburg /
Anreise vom Bahnhof Thun mit Buslinie 4 bis Station Hauptkaserne oder Dufourkaserne (ca. 10 Minuten Fussweg über Regiebrücke) oder 5 Minuten ab Bahnhof
Schwäbis / Dauer jeweils ca.1,5 Stunden, nach Möglichkeit mit Materialbesichtigung
ASMZ 12/2014
39
Einsatz und Ausbildung
Stabsübung «POLLUX» –
Herausforderung für den Stab Log Br 1
Schwere Erdbeben können in der Schweiz jederzeit und ohne
Voranmeldung vorkommen. Angesichts des enormen Schadenpotentials stellen derart schwere Katastrophen für die Schweiz und
die Gesellschaft ein grosses Risiko dar. Vor diesem Hintergrund
und dem Wissen, dass der Stab der Log Br 1 seit längerem keine
Stabsübung mehr absolviert hatte, wurde der Milizstab LBA
beauftragt, diese Ausbildungslücke zu schliessen.
Daniel Marbot, Gian Bortolin
Unter der Leitung des Chefs der Logistikbasis der Armee (LBA), Divisionär
Daniel Baumgartner, wurde vom 14. bis
16. Oktober 2014 die Stabsübung «POLLUX» durchgeführt. Dabei ist der Stab
der Logistikbrigade 1 (Log Br 1) unter Leitung des Kommandanten, Brigadier Thomas Kaiser, einer grossen Herausforderung
und harten Belastungsprobe unterzogen
worden.
Teile des Milizstabes LBA erarbeiteten
die Übung während mehreren StabsStab Log Br 1: Problemerfassung.
40
ASMZ 12/2014
kursen nach dem Motto: «Von der Miliz
für die Miliz». Auf der Seite der Übungsleitung waren insbesondere auch externe
Fachpersonen der Nationalen Alarmzentrale, des Führungsstabes der Armee, der
Territorialregion 2 sowie Medienvertreter
aus Wirtschaft und Bund beteiligt.
Während der 48 Stunden dauernden
Übung ging es darum, ein Stabstraining
mit der Log Br 1 durchzuführen und dabei den Anpassungsbedarf der Reglemente Logistik und Sanität für die Weiterentwicklung der Armee (WEA) zu erheben
und gleichzeitig, im Hinblick auf den
Umsetzungsbeginn WEA, Verbesserungspotentiale zu erkennen. Daraus könnten
allenfalls notwendige Anpassungen bereits
vor 2017 eingeleitet werden. Damit standen für die Übungsleitung aus dem Milizstab die folgenden logistischen Themata im Vordergrund: «Erstellen der Einsatzbereitschaft», «Unterstützung der Armeelogistikcenter bei den Fassungen der Truppenkörper», die «Unterstützung von zivilen Behörden» und die «Beurteilung der
Inhalte der neuen Reglemente».
Als Turngerät wurden folgende Annahmen getroffen, welche zugleich als Ausgangslage für die Übung dienten:
• Wir befinden uns im Jahr 2022. Die Armee ist seit dem 01. 01. 2017 in der neuen Kopfstruktur aufgestellt. Die WEA
Einsatz und Ausbildung
Arbeit in Teilstäben.
mit sämtlichen Grundlagen und Reglementen ist in Kraft. Die neuformierten Organisationseinheiten und Truppenkörper sind aufgestellt und entsprechend der OB WEA alimentiert;
• Der Stab Log Br 1 befindet sich seit dem
13.10. 2022 im Stabskurs III auf dem
Waffenplatz Thun; er ist als einziger
Stab eines grossen Verbandes im Dienst;
• Die materielle und personelle Kapazität der LBA entspricht dem heutigen
Planungsstand WEA und der ordentliche Betrieb verläuft ohne nennenswerte Schwierigkeiten.
Mit einer eingespielten Videosequenz
unter dem Titel «Sondersendung Erdbeben in der Schweiz» als Live-Ticker, startete die Übung in den Morgenstunden
vor versammeltem Stab Log Br 1. Unmittelbar im Anschluss an die Sondersendung
wurde die Stabsarbeit innerhalb des Stabes ruhig und konzentriert aufgenommen.
Bereits nach einer Stunde wurde mittels
einem Orientierungsrapport der Stab situiert und auf die anstehende Stabsarbeit
ausgerichtet. Unter der Leitung und auf
Einladung der Log Br 1 konnte in den
frühen Abendstunden ein erster Koordinationsrapport mit den zivilen Behörden
durchgeführt werden, welche dem Stab
erstmals den Umfang der zivilen Bedürfnisse darlegten. Gleichzeitig konnte der
Stab bildlich darstellen, wie er seine verfügbaren Mittel zugunsten der zivilen Behörden einsetzen könnte und welche logistischen Hilfeleistungen innert weniger
Stunden in welchen Räumen erbracht werden können.
mus über. Weitere Aufgaben
wurden im Rahmen von Folgeplanungen mit Teilstäben
bewerkstelligt. Gegen Ende
der Übung stellte die Übungsleitung dem Stab die Aufgabe, eine grosse Medienkonferenz durchzuführen. Auf
verschiedene Elemente wie
Störfragen, Interviews und
weitere Herausforderungen
reagierten die Stabsoffiziere
der Log Br 1 erfolgreich und
professionell.
Zusammengefasst konnte
der Übungsleiter erfreut zur
Kenntnis nehmen, dass der
Stab der Log Br 1 die Aufgaben grossmehrheitlich auf
Anhieb erfolgreich umgesetzt
Der Stab Log Br 1 wurde durch die und erfüllt hat und dass er für PlanunÜbungsleitung regelmässig mit neuen und gen aus dem Stand eingesetzt werden
zusätzlichen Informationen (Radiomel- kann. Weiter kann festgehalten werden,
dungen, Lageberichte sowie Lagebilder der dass die Übung vom Milizstab LBA
kantonalen Führungsorganisation des Be- realistisch, gründlich und sorgfältig gevölkerungsschutzes) bedient. Unter Ein- plant wurde. Bereits wird an einer Stabsrahmenübung für das Jahr
2016 gearbeitet und erste
Schritte für eine Volltruppenübung, voraussichtlich im
Jahre 2018, sind eingeleitet. Stabsübungen vom Typ
«von der Miliz für die Miliz»
mit Szenarien wie Erdbeben,
Terror und Blackout tragen
viel zur Steigerung der Glaubwürdigkeit unserer Armee
bei und zeigen auf, dass die
Milizformationen mit hoher
Bereitschaft die Lücken in
Medienkonferenz; v. l. n. r.: Oberstlt i Gst Gregor Stutz, G3,
der Bereitschaft zwischen
Br Thomas Kaiser, Kdt Log Br 1, Patrick Smit, NAZ,
den aus dem Stand verfügOberstlt Philippe Matter, C Komm.
Bilder: LBA
baren Berufs- und Bereitschaftsformationen und den
satz all seiner Mittel konnte der Stab bei Bedarf zusätzlich aufgebotenen MiLog Br 1 sämtliche Aufgaben, welche die lizformationen erfolgreich schliessen könÜbungsleitung einforderte, ruhig und nen.
■
bestimmt lösen. Alle Rapporte konnten
zeit- und lagegerecht durchgeführt werOberst i Gst
den und nach 21 Stunden stand das BeDaniel Marbot
fehlspaket für die direktunterstellten TrupG6 Mil Stab LBA
penkommandanten bereit. Der Befehls8304 Wallisellen
gebungsrapport (mit den anwesenden Bat
Kdt, dargestellt durch Mitarbeiter der
Armeelogistikcenter) konnte erfolgreich
Oberstleutnant
durchgeführt werden. Selbst ein von der
Gian Bortolin
Übungsleitung inszenierter totaler StromNs Of Mil Stab LBA
ausfall konnte die Ruhe und Ordnung im
4800 Zofingen
Arbeitsablauf nicht wirklich stören. Nach
erfolgter Befehlsgebung ging der Stabsbetrieb in einen ordentlichen BetriebsrhythASMZ 12/2014
41
Wirtschaft
RUAG am Impulstag
Jedes Jahr organisiert RUAG Defence eine Veranstaltung für ihre
Schweizer Kunden – den sogenannten «Impulstag». Der Charakter dieser Veranstaltung hat sich über die Jahre verändert, wie
auch RUAG Defence sich zu einem internationalen Technologieunternehmen weiterentwickelt hat.
kann jedes Fahrzeug mit kontrollierter
Autonomie einen Zielort erreichen. Das
RUAG Defence stellt immer wieder
System konnte auch integriert in einem
ihre neuesten Produkte und Lösungen
EAGLE IV besichtigt werden. Robustheit
vor und gibt einen Vorgeschmack auf die
und Einsatztauglichkeit sind die Grundnächste Generation. Das war in diesem
pfeiler der Robotik von RUAG. Die RoJahr nicht anders: Am 12.September 2014
bustheit hängt von der Sicherheit und
besuchten mehr als 80 Gäste den RUAGFunktionsfähigkeit der KommunikationsStandort in Thun, um sich an einem Tag,
verbindungen sowie der Einsatztauglichder wie im Flug vorüberkeit der zusätzlichen Techging, zu informieren und
nologie ab, die das SysErkenntnisse zu gewinnen.
tem unterstützt. Dank ihrer
«Während des Einsatzes ein Maximum
Der «Impulstag 2014»
Erfahrung in der Kommuan Flexibilität gewährleisten.»
war in verschiedene Posten
nikationssicherheit und als
unterteilt, die jeweils ein
Integratorin kann RUAG
eine herausragende Technospezifisches Thema innerhalb der Fachkompetenz von RUAG De- immer er sich im Netz auch aufhält. Die logie im Bereich der Robotik anbieten.
Das VERO-System setzt Kameras und
fence präsentierten. Neu war, dass ein Videoübertragung ist wichtig für die Aufbesonderer Fokus auf die Verbindungen klärung und unterstützt die Befehlshaber Sensoren in Verbindung mit RUAG-Softzwischen jedem vorgestellten Bereich ge- dabei, fundierte Entscheidungen treffen ware ein. Damit kann ein Fahrzeug lerlegt wurde. Dies, um auf den unaus- zu können. Am Impulstag wurden die Vi- nen, eine vorher einprogrammierte Streweichlichen Trend der globalen Vernet- deos von einem unbemannten Bodenfahr- cke zu fahren oder es kann per Fernsteuezung hinzuweisen und hervorzuheben, zeug der RUAG aufgenommen und gleich- rung aus einer Entfernung von bis einem
wie dieser Trend das Denken durchdringt, zeitig übertragen. Die leistungsstarken Sen- Kilometer bewegt werden. Diese verschiewelche Anforderungen sich für das Mili- soren und Kameras waren mit dem siche- denen Betriebsarten wurden entwickelt,
tär ergeben und welche Lösungen RUAG ren TAN-Netz verbunden und übertrugen um während des Einsatzes ein Maximum
genau dafür entwickelt hat.
die Bilder drahtlos an mehrere Standorte. an Flexibilität zu gewährleisten.
RUAG ist führend bei der Entwicklung
Dank der Instrumentierung und Techvon
Visualisierungstechnik
für
die
Cyber
nologie
des VERO-System können VEROEin einziger
Security.
Die
Cyber-Produkte
von
RUAG
Fahrzeuge
dazu eingesetzt werden, VideoKommunikationsring
machen Netzwerke sicher, indem der Da- informationen an einen KommandoposAm ersten Posten konnten die Gäste tenverkehr in Echtzeit analysiert wird, ten zu übertragen. Und in Verbindung
miterleben, wie RUAG Sprach-, Daten-, ohne die Informationen der Benutzer zu mit unbemannten Luftfahrzeugen (UAVs)
Video- und virtuelle Systeme in einem ein- lesen. Die Analysen werden den Entschei- können sie sogar einen bisher unerreichzigen sicheren Kommunikationsring zu- dungsträgern in leicht verständlicher Form ten Überblick über die Lage liefern. Mit
sammenführt. RUAG demonstrierte ihre vorgelegt. Das verbessert die Fähigkeit, einer zusätzlichen WegmarkierungstechTechnologie im Bereich der Kommunika- Attacken zu identifizieren, und verkürzt nik können VERO-Fahrzeuge auf feindtionssicherheit mit mehreren Feldübun- die Reaktionszeiten. Während der Vor- lichem Terrain navigieren und sowohl den
gen. Im Zentrum der Lösung für sichere führung wurden die Analysen von einem Anwender als auch die nachrückenden
Kommunikation stehen die firmeneige- Standort zum anderen übertragen – in Truppen absichern.
nen Tactical open Access Nodes (TANs). einem sicheren Netzwerk der TANs in
Die TANs konstruieren ein sicheres IP- der vierten Dimension.
Robuste und moderne
Kommunikationsnetz, das den Transfer von
Umweltsimulation
Sprache, Daten und Video unterstützt.
Autonome Fahrzeuge
Dann erhielten die Gäste die GelegenTANs ermöglichen eine lückenlose
Am nächsten Stand konnten sich die heit, einen Blick hinter die Kulissen der
Sprachübertragung in Legacy-Systemen,
sowohl in militärischen Eurocom-Netz- Gäste davon überzeugen, dass RUAG Umweltsimulation (USIM) und der Testwerken, analogen Radio- und digitalen laufend in die Weiterentwicklung ihrer anlagen, zu denen eines der grössten TestTelefonnetzen als auch in modernen SIP- Robotiktechnologie investiert. Dank des labors der Schweiz gehört, zu werfen. Nur
basierten VoIP-Netzwerken. Wenn all die- nachrüstbaren VERO-Systems von RUAG mit robusten Tests und der modernsten
Balz Villiger
42
ASMZ 12/2014
se unterschiedlichen Systeme miteinander
verbunden sind, kann Tactical Telephony
Services (TTEL) installiert werden. TTEL
ist ein verteiltes Telefoniesystem, dessen
Verzeichnis dezentralisiert werden kann,
sodass volle Mobilität der Benutzer und
des Subnetzes gewährleistet ist. Einfach
gesagt heisst das: der Benutzer ist stets unter der gleichen Nummer erreichbar, wo
Wirtschaft
Bild: RUAG
Ausrüstung konnten die Vorführungen
am Impulstag und das RUAG-Konzept
der Interkonnektivität erfolgreich sein. Im
Labor verfügt RUAG über zahlreiche Maschinen und Prozesse, um die Leistungsfähigkeit von Materialien und Komponenten unter unterschiedlichen thermischen,
klimatischen und physischen Bedingungen zu testen. Eingehende Prüfungen bedeuten längere Lebensdauer, bessere Leistungsfähigkeit, weniger Reparaturen und
niedrigere Kosten. Die Labors in Thun
überprüfen die Qualität von Komponenten seit mehr als 30 Jahren. Die Aufgabe des Labors besteht darin, unabhängige
Analysen darüber zu erstellen, ob die Komponenten extremsten Bedingungen standhalten können. Es ist ausgestattet mit modernsten Geräten und kann den Zustand
von Komponenten nach einem Fall aus
15 Metern Höhe, Temperaturveränderungen von –75 °C bis +180 °C und sogar
nach brutalen Erschütterungen von bis zu
89 Kilonewton überprüfen. Das Labor arbeitet sowohl für zivile als auch militärische Kunden und führt Tests für interna-
tionale Organisationen in so unterschiedlichen Sektoren wie Raum- und Luftfahrt,
Transport, Telekommunikation und Medizin durch. Das Labor ist so ausgerüstet,
dass es die Kunden während des gesamten Lebenszyklus ihrer Komponenten unterstützen kann – vom Design bis zur Stilllegung und Beseitigung. Dank der von
RUAG angebotenen Tests sind die empfindlichen und immer komplexer werdenden Komponenten und Subsysteme, die
von den Streitkräften benötigt werden,
einsatzbereit und betriebssicher.
Kampfsimulation
Zum Abschluss konnten die Gäste in
einer Live-Simulation den Test von Geräten miterleben, die zurzeit von der Schweizer Armee eingesetzt werden. RUAG Defence präsentierte Fahrzeuge mit neuer Instrumentierung für die Kampfsimulation,
die ebenfalls an die Schweizer Armee geliefert werden. Das Geschützte Mannschafts-Transportfahrzeug (GMTF) und
der Kommandopanzer 6 × 6 stehen nun-
mehr für umfassende Live-Trainings zusammen mit dem gesamten Lösungsspektrum für Soldaten, Waffensysteme
und Häuserkampf, das RUAG ebenfalls
anbietet, zur Verfügung. Mit der Ausrüstung und Technologie von RUAG lernen
die Fahrer, die modernsten Fahrzeuge der
Schweizer Flotte in einer Umgebung zu
beherrschen, die so realistisch wie möglich nachgebildet ist.
Auch das Gladiator-System für das
Training von Soldaten wurde vorgestellt.
Dieses System, das sich bereits in der elften Generation befindet, ist das Nonplusultra der Trainingstechnologie unter Feuerund Bewegungsbedingungen. Vom einfachen Mann-zu-Mann-Training bis komplexen Trainingssituationen auf Bataillonsebene mit Verwundungsmodellen und
vollständigem GPS-Tracking jedes Teilnehmers bietet das Gladiator-System von
RUAG ein bewährtes authentisches Training für den Missionserfolg. Da das Training immer internationaler ausgerichtet
wird, werden gemeinsame Ausbildungsmassnahmen für die Streitkräfte immer
wichtiger. RUAGs jüngstes Gladiator-System wurde so konzipiert, dass es kompatibel mit den Systemen anderer Anwender
ist – Stichwort Interoperabilität – und der
Kunde das System so flexibel wie möglich
einsetzen kann. Als offizieller Lieferant
von Simulations- und Trainingslösungen
für die Schweizer Armee kann RUAG auf
eine lange Tradition der Entwicklung innovativer, sicherer, kosteneffizienter und
vor allem realistischer Trainingssysteme
für Soldaten zurückblicken.
Der Impulstag bot für die Gäste eine
grossartige Gelegenheit, sich aus erster
Hand zu überzeugen, dass die Technologie des Schweizer Unternehmens für Sicherheits- und Wehrtechnik keinen Vergleich in der Branche scheuen muss. Die
umfassende Fachkompetenz war wie gewohnt überwältigend, und es zeigte sich,
dass die Ingenieure hinter den Produkten die sich wandelnden Bedürfnisse der
Schweizer Armee wirklich verstehen. Die
Gäste erhielten einen Eindruck eines anderen Ansatzes der vernetzten Kriegsführung und möglicherweise auch einer neuen Ära von RUAG Defence.
■
Major
Balz M. Villiger
C Tm Geb Inf Br 9
RUAG Defence
5643 Sins
ASMZ 12/2014
43
Das Internationale Peace Support Training Centre (IPSTC) in Kenia ist das führende regionale Ausbildungszentrum für Friedensförderung in Ostafrika. Es bildet Militär-, Polizei- und Zivilpersonen aus. Die Schweizer
Armee unterstützt das IPSTC gemäss dem Auftrag der militärischen Friedensförderung mit gegenwärtig
einem Angehörigen der Armee. Für die kommende Ablösung (Jahreseinsatz ab August 2015) suchen wir einen
Eidgenössisches Departement
für Verteidigung, Bevölkerungsschutz
und Sport VBS
Schweizer Armee
Führungsstab der Armee FST A
Kompetenzzentrum SWISSINT
Schriftliche Bewerbungen an:
Führungsstab der Armee
Kompetenzzentrum SWISSINT
I1 Personelles
Kaserne Wil
6370 Stans-Oberdorf
[email protected]
(Betreff: IPSTC)
www.armee.ch/peace-support
Weitere interessante Stellenangebote
der Bundesverwaltung finden Sie unter
www.stelle.admin.ch
Schweizer Offizier (m/w) im Bereich Ausbildung in Afrika
der bereit ist, seine zivilen und militärischen Fähigkeiten der internationalen Gemeinschaft zur Verfügung
zu stellen.
Aufgabenbereich:
• Planung/Koordination von Trainingsprogrammen
• Unterstützung in der Konzeptualisierung, Entwicklung und Durchführung von Trainingsprogrammen
• Beratung des Kommandanten im Bereich Trainingsmöglichkeiten, Entwicklungen und Herausforderungen
• Netzwerkaufbau mit Experten von Forschungsbereichen, internationalen Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen
• Erarbeiten von Ausbildungsstandards und Konzepten betreffend Weiterentwicklung der Ausbildungsaktivitäten
• Führen der internen Evaluation der Ausbildung und Durchführen der externen Validierung der Ausbildung
• Etablierung eines lessons learned-Prozesses
Ihr Profil:
• Alter: zwischen 30 – 60 Jahre
• Abgeschlossenes Hochschulstudium in Politik-, Geschichts-, Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften oder
vergleichbare Ausbildung (z. B. im Lehramt, Erwachsenenbildung oder Berufsoffizier)
• Erfahrung in der Erwachsenenbildung
• Zusatzausbildung in Sicherheitspolitik oder internationalen Beziehungen erwünscht
• Militärische Ausbildung: mindestens Hauptmann mit sechsmonatiger Einsatzerfahrung im Ausland
(UNO, OSZE, NATO oder vergleichbare Einsätze)
• Deutsch, Französisch sowie sehr gute Englischkenntnisse (mündlich und schriftlich)
• einwandfreier Leumund, psychisch und physisch belastbar
• Gute kommunikative und organisatorische Fähigkeiten, politisches Sensorium und diplomatisches Geschick
mit hoher Sozialkompetenz und Teamfähigkeit
Wir bieten:
• Fortschrittliche Anstellungsbedingungen
• zivil und militärisch anerkannte Ausbildungen im jeweiligen Aufgabenbereich
• spannende und anspruchsvolle Arbeit zugunsten der Friedensförderung
• vielfältiges und multikulturelles Arbeitsumfeld
• Einsatz für ein Jahr mit der Möglichkeit zur Verlängerung
Ihre Zukunt ist unser Programm
Stufe für Stufe betreuen wir Sie bei berufsbegleitender Weiterbildung.
Start: Frühjahr und Herbst. Monatliche Informationsanlässe mit
anschliessendem Apéro.
Wankdorfeldstrasse 102, 3014 Bern
Ihr Abschluss:
Unser Angebot:
– Führung und Management
Karriere
sprung
– EMBA (Executive Master of Business
Administration)
– Information Technology
– MAS (Master of Advanced Studies)
– Medizininformatik
– DAS (Diploma of Advanced Studies)
– Medizintechnik
– CAS (Certiicate of Advanced Studies)
Tel. +41 31 84 83 111
ti.bh.ch / weiterbildung
‣ Weiterbildung
44
ASMZ 12/2014
Luftwaffe
Die Luftwaffe trotz Turbulenzen
im Steigflug
Rückenlage und doch Steigflug – dieses Bild taucht auf, wenn
die Verantwortlichen der Luftwaffe die Lage und die Zukunft
ihrer Teilstreitkraft beschreiben. Bis jetzt erfüllte die Luftwaffe
die ihr erteilten Aufträge, mitunter allerdings unter Aufbieten
restlos aller verfügbaren Mittel.
Eugen Thomann, Redaktor ASMZ
Wie KKdt Aldo C. Schellenberg vor der
Offiziersgesellschaft des Kantons Thurgau ausführte, bescherte das Jahr 2014
besondere Herausforderungen: Als es im
Januar galt, gleichzeitig die Syrienkonferenz von Montreux und das Weltwirtschaftsforum von Davos zu schützen, also
mit je zwei Kampfflugzeugen in zwei
Räumen als Luftpolizei zu patrouillieren,
sah sich die Luftwaffe mit ihrer kleinen
Kampfflugzeugflotte «am Anschlag». –
Gegen Ende des Jahres tritt in Basel die
Ministerkonferenz der OSZE zusammen.
Da sie des besonderen Schutzes auch
vor kleinen, langsam fliegenden Objekten bedarf, sollen nach französischem Vorbild erstmals «Super Puma»-Helikopter
die Luftpolizei ergänzen. Im Parallelflug
würden sie verdächtige Objekte begleiten, auf alle möglichen Arten anzusprechen versuchen; im äussersten Notfall
kämen mitgeführte Scharfschützen zum
Einsatz.
Bis 2020 wird selbst in normaler Lage
für Luftpolizeieinsätze eine Patrouille
rund um die Uhr binnen 15 Minuten abheben können. Diese bisher nicht geforderte Bereitschaft, als Projekt ILANA
bekannt, bedarf zusätzlich acht neuer
Berufspiloten und erheblichen Bodenpersonals der Luftwaffe, der Logistikbasis, der Führungsunterstützung und von
Skyguide.
Nächstes Beschaffungsvorhaben:
Aufklärungsdrohne ADS 15
Nachdem das Kunststück gelungen ist,
die Drohne «Hermes 900 HFE» der israelischen Firma Elbit Systems mit Sensoren auszurüsten, die automatisch Kollisionen vorbeugen, wird der unbegleiteten Integration in den gesamten Luftraum nichts mehr im Wege stehen. Dank
der längeren Verweildauer von bis zu 24
Stunden und der viel grösseren Reichweite wird die Luftwaffe die seit 2001
verwendeten Vorgängersysteme mit einer
deutlich kleineren Anzahl ersetzen und
trotzdem an Leistungsfähigkeit gewinnen.
Dem geräumigen, in seinen Ausmassen
tern und die Fähigkeit, auf der «letzten
Meile» Raketen, Artilleriegranaten und
selbst Minenwerfergeschosse abzuwehren. Die dazu fähigen, komplexen Systeme gilt es ausserdem so zu integrieren,
dass die bodengestützten und die fliegenden Mittel der Luftwaffe einander
nicht stören, nichts und niemand in der
Luft oder am Boden ungewollt Schaden
nimmt. Das Projekt BODLUV 2020 soll
zunächst aufzeigen, in welchen Schritten
die integrierte Luftverteidigung Gestalt
annehmen kann.
Neue Kampfflugzeuge nach 2025
am Schweizer Himmel
FA-18: Rückenlage, aber Steigflug. Bild: VBS
einem bemannten Flugzeug ähnlichen
System wohnt viel Potenzial inne, auch
zum Austausch der Sensoren, je nach dem
Stand der Technik. Um Missverständnissen vorzubeugen: An eine Bewaffnung der
Aufklärungsdrohnen wird nicht gedacht.
Sie bilden Teil des Rüstungsprogramms
2015.
Bodengestützte Luftverteidigung
(BODLUV)
Die drei Fliegerabwehrsysteme, die
Mittlere Kanonenflab (35 mm), die Raketensysteme «Rapier» und «Stinger», wirken heute gegen Flugzeuge bis in eine
Höhe von drei Kilometern, was nur wenig Koordination mit eigenen fliegenden
Systemen erfordert.
Schon weil moderne Kampfflugzeuge
auf grosse Distanzen Lenkbomben oder
Raketen einsetzen, genügt die ohnehin in
die Jahre gekommene Fliegerabwehr nicht
mehr für alle Szenarien. Nötig sind künftig Reichweiten von mehr als 30 Kilome-
Bis dahin müssen die 32 FA-18 genügen. Ohne die abgelehnten «Gripen» und
infolge der permanenten Interventionsbereitschaft werden sie allerdings nur
dank einer erst in Umrissen abschätzbaren
technischen «Lebenswegverlängerung» bis
2030 ihren Dienst versehen. Sonst bliebe
unsere geschrumpfte Kampfflugzeugflotte schon ungefähr ab 2025 ganz am Boden. Zwischen 2025 und 2030 muss ein
neues Kampfflugzeug die FA-18 ersetzen.
Von den gut 50 F-5 «Tigern» erwartet
der Kommandant der Luftwaffe keinen
operationellen Beitrag an den Schutz des
Luftraums mehr. Gegen jede technische
Modernisierung spricht vieles; so bietet
die elegant schlanke Rumpfspitze nicht
genügend Platz für ein modernes Radarsystem. Ausserdem würden selbst einem
«à la brasilienne» aufgerüsteten Tiger eine
genügende Verweildauer sowie Aufklärungs- oder Erdkampffähigkeit fehlen.
Mit dem Ausmustern der «Tiger» hat es
freilich keine Eile, weil die derzeit dem
Ständerat vorliegende Militärgesetzrevision den Entscheid dem Parlament vorbehalten soll. Bis dahin dienen sie weiter
der Zieldarstellung für Übungen sowie in
der Patrouille Suisse.
■
ASMZ 12/2014
45
100 Jahre Luftwaffe –
die nächsten 25 Jahre?
Das Jubiläumsjahr hat der Schweizer Militärfliegerei viel Positives, aber leider auch viel Negatives
gebracht. Dieser Artikel ist der Versuch, eine mögliche Entwicklung der Luftwaffe unter den
gegenwärtigen Voraussetzungen und Vorzeichen zu skizzieren und zur Diskussion anzuregen.
Dabei geht es nicht darum, Schuldzuweisungen vorzunehmen, sondern mögliche Stolperfallen
der Zukunft aufzuzeigen.
Jürg Studer, Redaktor ASMZ
Die Zukunft der 100-jährigen Luftwaffe ist ungewiss, sie ist aber geprägt durch
einige Eckwerte, welche teilweise in der
Vergangenheit und teilweise in der Zukunft liegen. Nebst anderen Einflussfaktoren sind es vor allem die sicherheitspolitische Entwicklung, politische Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit und
eine ins Haus stehende Armeereform, welche dabei eine massgebliche Rolle spielen.
Diese Faktoren werden einen Einfluss auf
die Aufgaben, die Mittel und die Organisation der Luftwaffe haben.
Mögliche Aufgaben
der nächsten 25 Jahre
Das 21. Jahrhundert hat sich als bedeutend weniger ruhig und sicher erwiesen,
als dies der Mauerfall und der Zerfall der
Sowjetunion Ende des letzten Jahrhunderts suggerierte. Vor allem die Ereignisse
in Nord- und Westafrika, der Krim sowie
im Nahen Osten haben gezeigt, dass es
auch in Zukunft genügend Aufgaben für
eine glaubwürdige Luftwaffe gibt. Auf den
ersten Blick war die Schweiz von diesen
Ereignissen nicht direkt betroffen und es
46
ASMZ 12/2014
mag scheinen, als sei das auch in naher
Zukunft so. Wer so denkt, vergisst, dass
2014 die Schweizer Botschaft in Tripolis
überraschend evakuiert werden musste
und dabei, wie bereits 2006 im Libanon, wieder einmal klar wurde, dass die
Schweiz nicht über ein geeignetes Transportflugzeug verfügt. Wie die Medien berichteten, konnte das Schweizer Personal,
inklusive der Angehörigen des Botschaftsschutzes, mit viel Glück mit einer tschechischen Militärmaschine «mitreiten».
Eine Evakuation von nicht-kombattanten Personen aus einem Krisengebiet ist
oftmals nur mit militärischen Mitteln
möglich, weil die Linien- oder Charterflugzeuge ihren Dienst bereits eingestellt
haben. Die Schweiz täte gut daran, rasch
möglichst eine eigene Fähigkeit dazu aufzubauen.
Das überraschende und brutale Auftreten der Kämpfer des Islamischen Staates (IS) erwischte manchen Nachrichtendienst auf dem falschen Fuss. Zwar ist der
IS vorderhand einige Flugstunden von der
Schweiz entfernt aktiv, doch gibt es bereits erste beunruhigende Anzeichen in
Europa und sogar in der Schweiz, wie die
Verhaftung von drei IS-Anhängern Anfang Jahr gezeigt hat. Sollten IS-Akteure
Vier F-35 Joint Strike Fighter der Low Rate
Initial Production.
Bild: US DoD
oder -Heimkehrer vermehrt bei uns aktiv
werden, wird der Bedarf an Transport- und
Luftüberwachungskapazität zu Gunsten
der Polizei stark zunehmen. Zudem muss
auch mit unkonventionellen Bedrohungen gerechnet werden. In Frankreich treiben unbekannte Drohnen ihr Unwesen
über Kernkraftwerken und militärischen
Einrichtungen. Die für die Sperrzonen
über den Nukleareinrichtungen verantwortliche Luftwaffe steht nun vor der Herausforderung, dieser Bedrohung zu begegnen. Sie beabsichtigt, dies zusammen
mit dem militärischen Arm der Polizei,
der Gendarmerie zu tun. Einer solchen
Bedrohung könnte in der Schweiz nur
über eine noch engere Zusammenarbeit
zwischen Polizei und Luftwaffe begegnet werden. Man darf annehmen, dass in
den nächsten Jahren die Bedrohung von
Konferenzen, Grossveranstaltungen oder
Schlüsselobjekten nicht kleiner wird und
dass für die entsprechenden Schutzmassnahmen das ganze Spektrum von bewaffneten Helikoptern und Kampfflugzeugen
bis hin zur Fliegerabwehr notwendig sein
wird.
Luftwaffe
Mögliche Mittel
der nächsten 25 Jahre
bis etwa 2017 produziert, die Produktion
des F-15 läuft 2019 aus. Der F-22 wird
wohl kaum in die Schweiz exportiert werden und 30 F-35 würden 2022 auf etwa
5 bis 7 Mia. CHF zu stehen kommen. Zudem würde man nur eine «Export-Version» erhalten und trotzdem wegen seiner Stealth-Eigenschaften eine eigentliche «Black-Box» kaufen, in welche man
nicht gross hineinschauen dürfte. Wollte man sich für die günstigere russische
oder chinesische Konkurrenz entscheiden,
würde man wohl sofort von der westlichen
Unterstützung in Bezug auf GPS-Präzisionscode, Data-Link und Software-Upgrades abgekoppelt.
Beispiele, beispielsweise Führungsradars
wegen geplanter Revisionsarbeiten ohne
Rücksicht auf die Operationen der Luftwaffe ausser Betrieb genommen werden
oder die Pikettstellung der Schneeräumung während eines Einsatzes nicht erfolgt sein, könnte die Luftwaffe nicht mehr
direkt bei der FUB beziehungsweise bei
der LBA intervenieren, um ihre Einsätze
zu gewährleisten. Dies wird in Zukunft
über das Operationskommando zu erfolgen haben, was zusätzliche Schnittstellen erfordert, die Verbindungswege verlängert und voraussetzt, dass im Operationskommando das entsprechende Luftwaffen-Know-how vorhanden sein wird.
Andernfalls wird die zeitgerechte Leistung der Luftwaffe massiv erschwert oder
gar verunmöglicht. Müsste dadurch ein
Passagier etwas länger auf seinen Transport warten, wäre dies vielleicht noch zu
verschmerzen, wenn es aber um den sofortigen Einsatz einer Alarmpatrouille geht,
würde unter Umständen zu viel Zeit verloren gehen.
Der Schock nach der Abstimmung vom
18. Mai sitzt noch tief und die Konsequenzen daraus sind wohl noch nicht jedermann klar. Mit einem Schlag wurde
die Kampfflugzeugflotte buchstäblich auf
einen Drittel des Bestandes reduziert. Ein
Ersatz der in zwei Jahren zur Ausmusterung vorgesehenen F-5 Tiger kommt
nicht mehr in Frage, die Kampfflugzeugdiskussion wird sich fortan um den Ersatz der F/A-18 Hornet drehen; ein Ersatz, welcher die Schweiz in jedem Fall
teuer zu stehen kommt. Da Ende 2015
die Parlamentswahlen anstehen, will sich
vor 2016 sicher niemand die Finger an
Mögliche Organisation
einer Kampfflugzeugbeschaffung verbrender Luftwaffe
nen. Somit könnte frühestens 2018 eine
Die WEA sollte sich eigentlich in der
Evaluation stattfinden und eine solche
wird es brauchen, da bereits zehn Jahre Endphase der politischen Diskussion beseit der letzten Evaluation vergangen sein wegen – auf Grund der Tatsache, dass bewerden. Es ist zu erwarten, dass der Ty- reits die Sicherheitspolitische Kommispenentscheid nicht leichter fallen wird sion des Ständerates (SiK-S) die Detailals letztes Mal und die Initiative, um den beratung auf 2015 verschoben hat, ist jeKauf zu verhindern, bereits in der Schub- doch ihre Umsetzung auf Anfang 2017
Quo Vadis Luftwaffe?
lade bereit sein wird. Somit dürfte ein gefährdet. Sollte sie wie vorliegend umWohin es mit der Luftwaffe in ZuKauf frühestens 2022 oder sogar noch gesetzt werden, hätte die aktuelle Kopfstruktur einen gravierenden Einfluss auf kunft geht, liegt nicht mehr in ihrem Einspäter stattfinden, wenn überhaupt.
Welche Flugzeuge kämen wohl in Fra- die Luftwaffe. Dabei geht es nicht da- flussbereich. Gefordert sind Armee und
ge? Der Eurofighter wohl kaum, die Be- rum, wer in Zukunft wie viele Sterne hat, Politik, aber letztendlich auch der Bürger.
stellungen reichen nur bis 2017 und da- sondern wer mit wem direkt diskutieren Ohne oder mit zu wenig Mitteln oder
Personal ausgestattet, kann die
nach sieht es düster aus, denn
Luftwaffe ihre Aufträge nicht
der Eurofighter ist bereits heuerfüllen. Zusätzliche Schnittte ein Ladenhüter. Nur ein Jahr
stellen erschweren oder gefährspäter, 2018, wird der letzte Raden ebenfalls den Erfolg. Befale für die französische Luftreits gibt es einige Piloten, die
waffe ausgeliefert und eine Weiterführung der Produktionslider Luftwaffe den Rücken kehnie ist abhängig von einer Beren, andere warten gespannt
stellung eines Exportkunden
auf das Ende des Streits um
oder einer zusätzlichen Beden Gesamtarbeitsvertrag bei
stellung des französischen Verder Swiss.
teidigungsministeriums. Beides
Man kann es drehen und
ist momentan nicht sehr wahrwenden wie man will, man
scheinlich. Der Gripen wird,
kann die Flieger lieben oder
nach der Unterzeichnung des Transportflugzeug A-400 Atlas
hassen, Tatsache ist, dass in
Bild: Deutsche Luftwaffe
Vertrages durch Brasilien, min- im Landeanflug.
den 100 Jahren der Existenz
destens bis 2024 produziert
der Luftwaffe die überwiewerden. Ob er noch einmal eine Chance kann. Die Luftwaffe ist in der Erfüllung gende Mehrheit der Konflikte nur mit
hat in der Schweiz, wird sich zeigen. Auf ihrer geforderten Leistung nach Inkraft- Hilfe einer glaubwürdigen Luftmacht
jeden Fall werden Saab und die Schwedi- treten der letzten Armeereform extrem gewonnen wurden. Als Paradebeispiel
sche Luftwaffe nach ihren gemachten Er- abhängig geworden von der Leistung der der jüngsten Geschichte soll der Fall Lifahrungen mit einem Engagement in der Führungsunterstützungsbasis (FUB) und byen dienen, wo ein schlecht organisierSchweiz zurückhaltender sein.
der Logistikbasis der Armee (LBA). Bis- ter und ausgerüsteter Haufen Rebellen
Was bleibt, sind US-Flugzeuge wie der lang konnte die Luftwaffe bei auftreten- eine durchschnittlich ausgerüstete und
F-35, der F/A-18 E/F Super Hornet, der den Problemen auf Augenhöhe mit die- ausgebildete Armee mit der UnterstütF-15 und F-22 oder aber Kampfflugzeuge sen Dienstleistern diskutieren. Das wird zung moderner Luftmachtmitteln in reaus russischer oder chinesischer Produk- mit der Umsetzung der WEA nicht mehr lativ kurzer Zeit vernichtend geschlagen
tion. Der Super Hornet wird nur noch möglich sein. Sollten, als hypothetische hat.
■
ASMZ 12/2014
47
Internationale Nachrichten
Deutschland
Waffenlieferungen
an Kurden im Nordirak
Die deutsche Bundesregierung hatte anfangs September
beschlossen, die Kurden im
Nordirak bei deren Kampf
gegen die Truppen des IS mit
Waffen zu unterstützen. Gemäss Aussagen der deutschen
Bundeskanzlerin geht es bei
diesen Lieferungen, die bereits
Ende September begonnen haben, um sicherheitspolitische
Interessen Deutschlands. Im
Detail werden von Deutschland bis Ende 2014 folgende Waffen im Gesamtwert von
etwa 70 Mio. Euro abgegeben:
• 30 PAL-Systeme «Milan», aus
Beständen der Bundeswehr;
• 500 Lenkflugkörper für
«Milan»-Abschussvorrichtungen;
• 200 Panzerfäuste des Typs 3
mit 2500 Raketen;
• 40 schwere Panzerfäuste «Carl
Gustav»;
• 10 000 Handgranaten;
• 40 Maschinengewehre des
Typs MG 3;
• 8000 moderne Sturmgewehre G36;
• 8000 ältere Sturmgewehre
G3;
• 8000 Pistolen des Typs P1;
• total 7 Millionen Schuss Munition;
• 60 Geländefahrzeuge Unimog;
• 5 ältere gepanzerte Patrouillenfahrzeuge «Dingo 1».
Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer im Bundeswehr-Ausbildungszentrum in Hammelberg.
Bild: Bundeswehr
Neben Deutschland hatten
sich im Sommer/Herbst auch
die USA, Frankreich, Grossbritannien, Italien sowie wei-
tere Staaten zu Waffen- und
Ausrüstungslieferungen an die
Kurden im Nordirak bereit
erklärt.
Deutschland
Präzisionsmunition
für das
deutsche Heer
Im Heeresamt des deutschen Verteidigungsministeriums werden gegenwärtig die
technischen Abklärungen im
Hinblick auf die Beschaffung
von Präzisionsmunition für
die Panzerhaubitze 2000 (PzH
2000) vorgenommen. Im Rennen sind weiterhin die beiden
155 mm Geschosse, die LaserGPS-gelenkte «Vulcano» und
die GPS-gelenkte «Excalibur».
Beschaffung von Präzisionsmunition für die PzH2000 hat hohe Priorität.
48
ASMZ 12/2014
Beide Geschosse sind bereits
erfolgreich von einer deutschen PzH 2000 verschossen
worden. Beide Typen zeigten
dabei Vor- und Nachteile. Die
«Vulcano» (siehe auch ASMZ
Nr. 09/2013, Seite 48) besitzt eine höhere Reichweite
Bild: Bundesheer
und Präzision, benötigt aber
als Unterkalibergeschoss wegen der abfallenden Treibspiegel einen Sicherheitsbereich
von wenigen hundert Metern
vom Geschütz. Die «Excalibur» braucht als Vollkalibergeschoss zwar keinen Sicherheitsbereich, soll aber gewisse
Probleme mit der automatischen Geschosszuführung haben. Unterdessen steht auch
eine modifizierte «Excalibur S»
mit Laserlenkung in Entwicklung. Damit soll auch für diesen Geschosstyp eine weitere Erhöhung der Präzision erreicht werden. Ebenso wie bei
der «Vulcano» übernimmt dabei das GPS in der Anfangsphase die Steuerung des Geschosses und erst in der Endphase schaltet sich der Laser
auf. Die Laserlenkung bietet
eine weitaus höhere Präzision. So erreicht die «Vulcano» mit Laser eine Genauigkeit von unter einem Meter.
Dank der Beleuchtung durch
das «Joint Fire Support Team»
soll Laser-gelenkte Munition
sogar eine wirksame Bekämpfung von fahrenden Zielen ermöglichen.
Internationale Nachrichten
Polen
Kauf neuer
Kampfhelikopter
Die polnische Armee plant
im Rahmen des laufenden
«Technical Modernisation
Program» für die Jahre 2013
bis 2022 unter anderem auch
eine Beschaffung von bis zu
32 neuen Kampfhelikoptern.
Bei den Budgetplanungen sind
dazu rund 3,8 Mrd. USD vorgesehen. Gegenwärtig stehen
bei den polnischen Streitkräften noch 29 Kampfhelikopter
vom Typ Mi-24D, respektive
Mi-24W «Hind» im Einsatz,
wurden bereits 1985
von der damaligen
Sowjetunion geliefert, weitere 18 Mi24W kamen nach der
Wende aus Deutschland (Bestände der
früheren NVA) dazu.
Aus einer bereits
abgeschlossenen VorKampfhelikopter Mi-24D stehen seit
evaluation stehen unBeginn der 80er-Jahre bei der polnischen
terdessen die Typen
Luftwaffe im Einsatz.
Bild: Autor
AH-64E «Apache», die
T129 von Agusta/
die aber alle die Nutzungsdau- Westland sowie der Kampfhelier überschritten haben. Die kopter «Tiger» von Eurocopter
ersten 16 Maschinen Mi-24D in der engeren Auswahl. Der
USA
Kosovo
Pläne zum Aufbau
einer eigenen Armee
Nach dem parlamentarischen Beschluss über die staatliche Unabhängigkeit wurde
im Jahre 2009 auch eine «Kosovo Security Force» (KSF) gegründet. Gemäss Plänen der
kosovarischen Regierung soll
die KSF nun offiziell zu einer
Armee transformiert werden.
Schon jetzt verfügt die KSF, die
unter der Kontrolle der NATOFriedenstruppen KFOR steht,
über 2500 Soldaten und etwa
800 Reservisten. Die Hauptaufgabe der leicht bewaffneten Truppe sind die Unterstützung und der Schutz der Zivilbevölkerung bei Naturkatastrophen und bei Sicherheits-
problemen. Gemäss Planung
soll die zukünftige Armee ab
etwa 2019 über eine Stärke
von 5000 Militärpersonen und
3000 Reservisten sowie über
ein Jahresbudget von 65 Mio.
Euro verfügen. Für die Transformation der KSF in eine Armee ist aber eine Verfassungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit im kosovarischen
Parlament notwendig. Während für die Mehrheitsbevölkerung der Albaner im Kosovo die geplante Transformation der KSF in eine Armee ein
notwendiger Prozess der kosovarischen Staatlichkeit darstellt, stehen die Kosovo-Serben und das offizielle Belgrad
diesen Bestrebungen ablehnend gegenüber.
Ausbildung der KSF wird von Truppen der KFOR unterstützt. Bild: KSF
definitive Typenentscheid soll
im Jahre 2015 gefällt werden.
Zusätzlich sollen angesichts
der sich verschärfenden Sicherheitslage in Europa auch neue
Mehrzweckhelikopter beschafft
werden. Auch in diesem Bereich verfügen die polnischen
Streitkräfte heute über veraltete Mi-8 und W-3 «Sokol».
Von den neu beschafften
Helikoptern sollen in erster
Priorität die neu aufgestellte
1. Luftbewegliche Brigade und
die 7. «Special Operation Squadron» der polnischen Luftwaffe profitieren können.
Kampfflugzeuge F-16C der polnischen Luftwaffe.
Lieferung
von Marschflugkörpern
an Polen
Die US-Behörden haben
im Herbst 2014 dem Verkauf
von 40 luftgestützten Lenkwaffen vom Typ AGM-158 JASSM
an die polnischen Luftstreitkräfte zugestimmt. Der Gesamtumfang dieses Kaufvertrages soll etwa 500 Mio. US
Dollar betragen. Im Preis inbegriffen sind auch die Kosten für die benötigte Software
in den Einsatzflugzeugen sowie für Ausbildung und logistische Komponenten. Bei
der AGM-158 JASSM (Joint
Air-to-Surface Standoff Missile) handelt es sich um einen
Luft-Boden-Marschflugkörper
mittlerer bis hoher Reichwei-
Bild: Autor
te. Die Lenkwaffe wird vom
amerikanischen Rüstungskonzern Lockheed Martin produziert und hat in der Grundversion eine maximale Reichweite von 380 km. Die weiter verbesserte Version, die
bis heute nur von den USA
genutzte AGM-158B, verfügt
über eine Einsatzdistanz von
bis zu 960 km. Der Flugkörper
ist rund 4,3 m lang und hat ein
Gefechtsgewicht von 1020 kg.
Die AGM-158 JASSM sollen mit den polnischen Kampfflugzeugen F-16 «Fighting
Falcon» eingesetzt werden.
Die polnische Luftwaffe verfügt heute nebst veralteten
MiG-29 und Su-22 aus ehemaliger sowjetischer Produktion
auch über 48 Kampfflugzeuge
F-16C/D.
ASMZ 12/2014
49
Internationale Nachrichten
Ukraine
Gefechtskopf mit Sub-Munition. Im Oktober 2014 sind in
der Ostukraine diverse HinWie Pressemeldungen und weise über den Einsatz von RaAufnahmen von Munitions- keten dieses Typs eingegangen,
rückständen zeigen, ist es Mit- die vermutlich durch die ukte Oktober in der Region von rainische Armee abgeschossen
Donezk zu einem Einsatz von wurden.
Streubomben, respektive von
Die taktische ballistische BoStreumunition gekommen. den-Boden-Lenkwaffe «TochDas ukrainische Verteidigungs- ka-U» basiert auf einem Radministerium hat in diesem Zu- fahrgestell 6 × 6 und hat eine
maximale Reichweite von 80 bis 120 km.
Das Waffensystem
wurde ab Ende der
70er-Jahre und vor
allem in den 80erJahren bei den damaligen sowjetischen
Truppen eingeführt.
Die ukrainische Armee verfügt heute
noch über rund 50
dieser Abschussfahrzeuge, von denen angeblich ein Teil vor
Jahren aus Spargründen eingelagert wurde. Für das mit einer Trägheitsnavigationslenkung ausgestattete Raketensystem können diverse
Typen von konventionellen Gefechtsköpfen eingesetzt
werden, darunter befinden sich SplitterIn der Ostukraine sollen taktische
gefechtsköpfe, aber
Raketensysteme «Tochka-U» mit Bombletauch ein rund 480
Gefechtsköpfen zum Einsatz gekommen
kg schwerer Bomblet-Gefechtskopf, der
sein.
Bild: Autor
über 50 Splittersammenhang einen Einsatz bomblets verfügen soll. Nach
von Streubomben durch uk- Abschuss der Rakete öffnet
rainische Kampfflugzeuge ve- sich der Gefechtskopf in einer
hement zurückgewiesen. Auf Höhe von rund 2000 m über
Grund von Fotoauswertungen dem Zielgelände und verteilt
und der Analyse von gefun- die Bomblets in einem kreisdenen Munitionsrückständen förmigen Gebiet von 20 000
dürfte es sich um einen Ein- bis 30 000 m2. Wie frühere
satz von Streumunition mit- Einsatzerfahrungen mit soltels Gefechtsfeldraketen des chen veralteten Waffen zeiTyps «Tochka-U» (NATO-Be- gen, bleibt rund ein Drittel
zeichnung SS-21 «Scarab») ge- dieser Bomblets als Blindgänhandelt haben. Dieses mobi- ger liegen, da sie beim Aufle Raketensystem verfügt un- prall am Boden nicht exploter anderem auch über einen dieren.
Zum Einsatz
von Streumunition
50
ASMZ 12/2014
Russland
UGV zum Schutz
von Raketenbasen
Im Frühjahr 2014 hatte die
russische Rüstungsindustrie
erstmals das bewaffnete UGV
(Unmanned Ground Vehicle)
«Taifun-M» der Öffentlichkeit
vorgestellt. Das auf einem Ket-
Bewaffnetes Roboterfahrzeug
«Taifun-M» zur Bewachung nuklearer Raketenstellungen.
Bild: Ria Novosti
tenfahrgestell gestützte Fahrzeug ist mit einer fernbedienbaren Maschinenkanone sowie mit diversen Aufklärungssensoren ausgerüstet.
Gemäss Informationen des
russischen Verteidigungsminis-
teriums sollen diese bewaffneten Anti-Sabotage-Fahrzeuge
zum Schutz der russischen Raketenbasen und nuklearen Abschussvorrichtungen eingesetzt
werden. Die ersten Kampfroboter wurden gemäss russischen Berichten bereits an die
neu aufgestellten mobilen Raketeneinheiten abgegeben, die
mit der neuen ICBM RS-24
«Yars» ausgerüstet sind. Die
mobilen Plattformen können
sowohl Aufklärungs- als auch
Patrouillenmissionen durchführen sowie bei Bedarf mittels Fernbedienung auch bewegliche Ziele bekämpfen. In
den russischen Überlegungen
spielen bewaffnete UGV’s eine
zunehmend wichtige Rolle
bei der Bewachung und dem
Schutz wichtiger militärischer
Einrichtungen. Mit ihrer Dauerpräsenz soll den wachsenden
Bedrohungen durch Terroranschläge oder bewaffnete Kämpfer begegnet werden können.
Russland
Weitere Waffenlieferungen an die irakischen
Streitkräfte
Gemäss Berichten des Verteidigungsministeriums in Bagdad ist gegenwärtig Russland
einer der wichtigsten Rüstungslieferanten für die im Aufbau
befindlichen irakischen Streit-
und Sicherheitskräfte. In den
nächsten Monaten soll demnach ein Grossteil der im Jahre 2010 bei der russischen
Rüstungsexportagentur bestellten Waffensysteme in den
Irak überführt und bei den
Streit- und Sicherheitskräften
eingeführt werden (siehe dazu auch ASMZ Nr. 11/2014).
Flab-System «Pantsyr-S1, bewaffnet mit zwei Kanonen 30 mm
sowie 12 abschussbereiten Boden-Luft-Lenkwaffen.
Internationale Nachrichten
Mobile Raketenwerfer 122 mm TOS-1
«Buratino».
Bilder: IRQ Min of Defence)
Wie neuste Bilder von Waffenausstellungen und
Truppenpräsentationen im Iraq
zeigen, sind in
den letzten Monaten nebst den
ersten Kampfhelikoptern Mi-28N
auch mobile FlabSysteme «Pantsyr-
S1 sowie Einmann-Flablenkwaffen der Typen «Igla-1»
(SA-16) sowie «Igla-S» (SA24), die auch für den Zwillingswerfer «Dzhigit» vorgesehen sind, ausgeliefert worden. In Truppeneinführung
befinden sich im Weiteren
tragbare PAL-Systeme «Kornet» (AT-14), die aber möglicherweise aus der Ukraine
stammen. Zudem wurden an
einer Parade erstmals neue
Raketenwerfer TOS-1 «Buratino» auf Fahrgestell des
Kampfpanzers T-72 präsentiert. Die seit Monaten feststellbaren, verstärkten russischen Rüstungslieferungen
an den Irak werden dazu
führen, dass Russland die
USA als bisher wichtigsten
Waffenlieferanten ablösen
wird.
Syrien/Irak
Das militärische
Potential des IS
Die IS-Milizen bestehen
heute aus Dschihadisten aus
aller Welt. Über die genaue
Zahl der IS-Kämpfer herrscht
weiterhin Unklarheit und man
ist auf Schätzungen angewiesen. Gemäss Angaben des amerikanischen Nachrichtendienstes CIA sollen es in Syrien rund
25000 und im Irak etwa 35000
Kämpfer sein. Mehr als 20000
Milizionäre sind aus dem Ausland dazu gekommen (Tendenz steigend), darunter Migranten und Konvertiten aus
aller Welt. Beteiligt sind auch
kampferfahrene islamistische
Söldner aus Tschetschenien,
Afghanistan und Pakistan.
Hauptkampfmittel waren
vor allem in der Anfangsphase
die in grosser Zahl eingesetzten Pickup-Fahrzeuge, auf denen Maschinenkanonen, FlabGeschütze oder auch Granat-
Kanone 130 mm M-46 aus ehemaliger sowjetischer Produktion.
werfer montiert sind. Solche
Pickup-Verbände führen ihre
asymmetrischen Angriffe mit
hoher Geschwindigkeit und
unter Umgehung gegnerischer
Verteidigungsstellungen vor.
Die angewandte Kombination
aus Guerilla-Taktik und klassischer Kriegführung dürfte
denn auch alleine mit Luftkampfmitteln nur schwer zu
bekämpfen sein. Im Verlaufe
ihres Vormarsches haben die
IS-Extremisten in den vergan-
Hauptkampfmittel sind Pick-up Fahrzeuge, die mit Kanonen
oder Granatwerfern bewaffnet sind.
den sind. Allerdings stammt
der weitaus grösste Teil der
Waffen des IS aus russischer,
respektive ehemaliger sowjetischer Produktion. Russland
war der wichtigste Waffenlieferant für den syrischen Diktator Assad sowie auch für die
frühere irakische Armee unter
Saddam Hussein. Gemäss Medienberichten wurden bei der
Eroberung des syrischen Militärstützpunktes Tabka im
August/September 2014 auch
Kampfflugzeuge MiG-21 und
Mehrzweckhelikopter Mi-8 erbeutet. Bereits früher sind sie
genen Monaten eine beachtliche Menge von schweren Waffen und militärischer Ausrüstung aus irakischen und syrischen Militäreinrichtungen
und Waffendepots erbeutet.
Gemäss irakischen Berichten und nach
der Auswertung
von Propagandafotos des IS
befinden sich Kampf- und Schützenpanzer, die von der irakidarunter tausen- schen Armee erbeutet wurden (im Vordergrund
de von Sturm- ein T-72M).
Bilder: IS Videos
und Maschinengewehre, diverse Typen von in den Besitz von veralteten
Panzerabwehrwaffen, Flieger- ballistischen Raketensystemen
abwehr- und Artilleriegeschüt- «SCUD-B» gelangt, die an
ze diverser Kaliber, Mehrfach- einer Parade vorgeführt wurraketenwerfer 122 mm, Pan- den. Nach Ansicht von Fachzer- und Schützenpanzer so- leuten sind die Extremisten
wie eine grosse Zahl von Mi- aber bis heute nicht in der Lalitärfahrzeugen. Beispielswei- ge, diese Mittel zum Einsatz
se auch von amerikanischen zu bringen.
Schützenpanzern und «Humvees», die seinerzeit den irakiHans Peter Gubler,
schen Truppen übergeben worRedaktor ASMZ
ASMZ 12/2014
51
Geschichte
Zwei Generäle mit ungleichem Image
in der Nachwelt
Ulrich Wille und Henri Guisan hielten die Schweiz aus zwei
Weltkriegen heraus. Im Gedächtnis der Nation bleibt aber nur
einer als Strahlemann in Erinnerung.
Hans Rudolf Fuhrer
Bloss ein Vierteljahrhundert trennt
die zwei Schweizer Generäle der beiden
Weltkriege. Aber diese kurze Zeit reichte,
um die Wahrnehmung um die Führungsfiguren in der Landesverteidigung komplett zu verändern. Das zeigen die «Überbleibsel» des Wirkens in der Öffentlichkeit von Ulrich Wille im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) und Henri Guisan
im Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945).
Heute gibt es in der Schweiz Dutzende
Städte und Gemeinden mit einer General-Guisan-Strasse. Ulrich Wille ist ausser
in Meilen nur noch in Zürich präsent.
Bezeichnenderweise führt die kurze General-Wille-Strasse direkt zum GeneralGuisan-Quai. Den Namen Guisan trägt
eine Kaserne in Bern. Wille muss sich eine
Kaserne auf dem Waffenplatz Bure (JU)
mit den drei anderen Schweizer Generälen Herzog, Dufour und Guisan teilen.
Die KKdt Wille und Sprecher von Bernegg
mit Kaiser Wilhelm II («Kaisermanöver
September 1912»).
Bild: Keystone
Der Meilemer Ortshistoriker Peter
Kummer kennt noch einen Unterschied:
Während das Bild von Henri Guisan seit
1945 in hunderten Gemeindehäusern
hängt, ist Ulrich Wille nur in einem zu
sehen: Im Sitzungszimmer des Gemeinderats Meilen.
Militarist kontra Volksvater
Dabei haben sich beide Generäle gleichermassen um Land und die Milizarmee
verdient gemacht. Die Milizarmee strahlte Glaubwürdigkeit bei den kriegführenden Nationen aus. Das hat dazu beigetragen, die Schweiz vom Krieg zu verschonen. Aber Wille und Guisan waren ganz
verschiedene Persönlichkeiten. Vor allem
boten sie unterschiedliche Projektionsflächen.
General Wille wurde zur Zielscheibe
für Antimilitaristen, Dienstverdrossene
und für jene, die unter sozialen Missständen litten. Dazu kommt auch ein eidgenössischer Charakterzug, der gegen eine
Popularität von Wille sprach: Grundsätzlich ist der Schweizer nicht gerne gehor-
General Ulrich Wille. Porträt: Ferdinand Hodler
sam, deshalb war Wille als überzeugter
Militarist im Volk unbeliebter als Guisan,
der grand seigneur.
Der Waadtländer verstand es, zur fürsorglichen Projektionsfläche der Verunsicherten und Defätisten («es hat ja doch
keinen Sinn») zu werden; man hat aus
dem Ersten Weltkrieg gelernt. Die damalige soziale Not wurde erkannt und mit
rechtzeitigen politischen und sozialwirtschaftlichen Massnahmen korrigiert, das
ist Guisan zu Gute gekommen. «Der
sorgt für uns wie ein Familienvater», so
die Botschaft als psychologische Dimension der geistigen Landesverteidigung.
Neue Medien genutzt
Henri Guisan wurde zum Symbol des
Widerstandes und des Mutes. Ulrich
Wille hingegen blieb für die meisten
Schweizerinnen und Schweizer nur «der
General». Das geflügelte Wort «Was Wille will und Sprecher spricht – das tue gern
und murre nicht» spiegelt die Volksstimmung am besten. Wille war der unbequeme Mahner, der Sein und nicht nur
Schein forderte und sein Generalstabschef der Umsetzer.
52
ASMZ 12/2014
Geschichte
Wille konnte noch nicht von einer inszenierten Popularisierung zwecks Stärkung der nationalen Identität profitieren.
Guisan hingegen genoss propagandistische Unterstützung. Wochenschau, Bildreportagen in Tageszeitungen und Illustrierten sowie das Radio trugen ihn in
alle Wohnstuben. Zu Willes Zeiten gab
es nur bilderlose Zeitungen. Guisan verstand es hervorragend, die neuen Medien
für sich zu nutzen, er besass einen wirksamen Darstellungstrieb; er liebte es, sympathisch zu erscheinen und war es auch.
Er hatte eine charismatische Aura. Wille
war sein Image in der Öffentlichkeit gegen aussen weitgehend gleichgültig; ihm
ging es nur um die Sache. Dabei hatte der
Meilemer durchaus seine liebesbedürftige und weiche Seite. Die lebte er jedoch
abseits der Öffentlichkeit in der Familie
und unter Freunden aus.
Klareres Feindbild
General Guisan besass gegenüber seinem Vorgänger weitere Vorteile: Das
Feindbild im Zweiten Weltkrieg mit Hitler war eindeutig, im Ersten Weltkrieg
waren die Sympathien noch verteilt. Das
erzeugte Spannungen in der Bevölkerung, denn die Romands hielten zu den
Franzosen, die Deutschschweizer eher zu
den Deutschen.
In beiden Landesteilen gab es aber
auch Vorbehalte zum jeweils «grossen
Nachbarn», eine Überfremdungsangst,
was Brücken über den Röschtigraben ermöglichte. Die Gräben verliefen jedoch
nicht nur zwischen den Sprachgebieten,
sondern gingen auch quer durch die soGeneral Henri Guisan.
Porträt: Friedrich Traffelet
General Henri Guisan nach der Vereidigung
am 30. August 1939.
Bild: Tagblatt.ch
zialen Schichten der Romandie und der
Deutschschweiz. Im Zweiten Weltkrieg
fanden die roten, braunen und schwarzen Totalitarismen nur wenige Sympathisanten.
Bedrohung dramatischer
Im Ersten Weltkrieg genügte es der
Schweiz noch, die Grenzen zu besetzen.
Im Zweiten zog sie ab dem Sommer 1940
mit dem Reduit einen inneren Verteidigungsring. Das signalisierte den Willen,
bis zum letzten Mann kämpfen und die
strategischen Güter (unter anderem Alpenpässe) verteidigen zu wollen. Schliesslich war das Bedrohungsszenario im Zweiten Weltkrieg dramatischer: Zuvor brachen Kriege wegen Macht, Besitz und
Ehre aus. Jetzt ging es zusätzlich um verbrecherische Dimensionen, beispielsweise die Vernichtung von Religionen, Rassen und Völkern. Diese Verschärfung des
Kriegsmotivs machte es General Guisan
ebenfalls leichter, sich als Figur des fürsorglichen Bewahrers der Schweizer Unabhängigkeit in den Geschichtsbüchern
zu verewigen.
Deutschfreundlichkeit
Ulrich Wille wurde seine Sympathie
zu Deutschland zur historischen Hypothek, er wird als deutschfreundlich bezeichnet. Dabei hatte dieses Wort vor
1933 eine andere und unverfänglichere
Bedeutung als danach, mit der Erfahrung der furchtbaren Nazi-Zeit. Das aber
vergessen heute viele Menschen und können nicht vor 1933 zurückdenken. Das
trägt zum oft negativen Geschichtsbild
von General Wille bei.
Noch etwas gereichte Henri Guisan
zum Vorteil: Er musste sich nicht um die
militärische Erziehung kümmern. Diese
übernahmen die Truppenkommandanten,
und diese waren in der grossen Mehrheit
Schüler von Ulrich Wille.
■
Gedanken als Folge eines Gesprächs mit
Christian Dietz-Saluz, Zürichsee Zeitung.
Oberst
Hans Rudolf Fuhrer
PD Dr. phil.
ehem. Dozent MILAK ETHZ
Privatdozent Uni Zürich
8706 Meilen
ASMZ 12/2014
53
Geschichte
Paukenschlag in Scapa Flow
Sechs Wochen nach Ausbruch des 2. Weltkriegs – in der Nacht
vom 13. auf den 14. Oktober 1939 – schleicht sich ein U-Boot der
deutschen Kriegsmarine in einen der Hauptliegeplätze der britischen Royal Navy. Der wagemutige Angriff bei Scapa Flow macht
U-Boot-Kapitän Günter Prien zu einem der ersten Kriegshelden.
Kaj-Gunnar Sievert
Die deutsche Kriegsmarine ist im
Herbst 1939 für die kommenden Aufgaben nicht gewappnet. Dies obwohl seit
1932 mit einem Flottenaufbauplan erste
Anstrengungen unternommen wurden,
die aufgrund des Versailler Vertrages auf
eine kleine Flotte reduzierte Marine auszubauen und zu modernisieren. Weiter ist
die Führung uneins und Hitler der Marine gegenüber skeptisch eingestellt. Während die Marineführung von der Sicherung der Ostsee und einem Seekrieg gegen Frankreich ausgeht, fordert Hitler,
dass die Marine den Krieg gegen das Vereinigte Königsreich bestehen und gewinnen muss. Vor diesem Hintergrund entstehen die Pläne X, Y und Z. Hitler genehmigt 1939 den Plan Z, der bis 1947
den massiven Ausbau mit Schlachtschiffen, Flugzeugträgern, Schweren Kreuzern
usw. vorsieht. Angegangen und realisiert
wird schliesslich wenig, auch weil die
Werftkapazitäten dafür nicht ausreichen.
Die Kriegsmarine
zu Beginn des Krieges
Dieser Beitrag ist der Auftakt zu einer ASMZSerie über aussergewöhnliche Einsätze und
Sonderoperationen während des Zweiten Weltkriegs. Die geplanten Artikel behandeln Einsätze der Alliierten und der Achsenmächte. Es
ist vorgesehen, die Artikel jeweils 75 Jahre nach
der Durchführung der Einsätze/Missionen zu
publizieren.
Sch
zu Beginn die Hauptlast. Um die Royal
Navy (RN) empfindlich zu treffen, wird
ein alter Plan «ausgegraben»: Der Angriff
auf das Herzstück der britischen Kriegsflotte, den Ankerplatz bei Scapa Flow.
Scapa Flow – Stützpunkt
der Royal Navy
Orkney ist eine aus etwa 70 kleineren
und einer Hauptinsel bestehenden Inselgruppe an der schottischen Nordküste.
Im südlichen Teil der Inselgruppe bilden
fünf Inseln ein zirka 150 km2 grosses natürliches Hafenbecken mit verschiedenen Zu- und Abgängen zur Nordsee,
dem Nordmeer und zum Nordatlantik.
Bereits die Wikinger nutzten die wettergeschützte Bucht und so überrascht es
nicht, dass auch die RN ab dem Ersten
Weltkrieg Scapa Flow zu einem Hauptstützpunkt ihrer Flotte ausbaute. Die an
einem Ort versammelten Kriegsschiffe
Als am 1. September 1939 Deutschland den Krieg gegen Polen lostritt, eröffnet das im Hafenkanal in Danzig liegende Schulschiff SchleswigHolstein, ein Linienschiff Der Kurs von U-47 in Scapa Flow. BillC Wikimedia Commons
der Deutschland-Klasse, um
04:45 Uhr das Feuer auf ein
Munitionsdepot der polnischen Armee auf die Halbinsel Westerplatte bei Danzig. Bereits vor dem Angriffstermin sind weitere
Kriegsschiffe und U-Boote
ausgelaufen und nehmen
nach dem Kriegseintritt von
Frankreich und Grossbritannien sofort den Handelskrieg
im Atlantik auf.
Die Überwasserschiffe der
Kriegsmarine sind jedoch zu
schwach, die U-Boote tragen
54
ASMZ 12/2014
beflügelten natürlich die Fantasie der Planer der kaiserlichen Marine. Die Versuchung, die vor Anker liegenden RNKriegsschiffe anzugreifen und zu versenken, war gross.
Erste Versuche
im Ersten Weltkrieg
Bereits am 23. November 1914 kann
das deutsche U-Boot SM U 18 in die
Bucht eindringen, indem es einem einlaufenden Frachter im Kielwasser folgt
und so die Sperren überwindet. Zum
Glück für die Briten findet Kapitänleutnant Heinz von Hennig keine Ziele, da
die Bucht zu dieser Zeit geräumt ist. Bei
der Ausfahrt wird jedoch U 18 von einem
bewaffneten Trawler entdeckt und später durch einen Minensucher sowie einen
Zerstörer gerammt. Von Hennig muss daraufhin das beschädigte U-Boot aufgeben
und gerät mit seiner Crew in Gefangenschaft.
Der zweite Angriff folgt knapp vier Jahre später. Am 18. Oktober 1918 scheitert
Oberleutnant zur See Hans-Joachim Emsmann mit UB 116 beim Versuch, einzudringen. Sein Weg ist nicht – wie erwartet – frei von Netzen und Minen. Zudem
erfassen Unterwasserhochgeräte das UBoot und kurz vor Mitternacht wird auch
sein Sehrohr durch einen Suchscheinwerfer entdeckt. Die Verteidiger zünden daraufhin eine Minensperre und versenken
UB 116.
Überlegungen
zu neuerlichen Versuchen
Die Idee, den Hauptankerplatz der
RN anzugreifen, bekommt nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges neuen
Schwung. Konteradmiral Karl Dönitz,
der Befehlshaber der U-Boote, schickt
Fernaufklärer der Luftwaffe los, um Scapa Flow zu fotografieren. Zwischen dem
13. und dem 29. September 1939 kreuzt
zudem Kapitänleutnant Wellner mit U-14
im Seegebiet. Er kommt zur Auffassung,
Geschichte
dass eine Einfahrt in die Bucht von Scapa
Flow durch den Hoxa Sund möglich ist.
Weitere Luftbilder relativieren diese Beurteilung und die Einfahrt durch den
Holm Sund scheint geeigneter. Zwar ist
die Fahrrinne durch zwei versenkte Sperrschiffe blockiert, doch eine rund 170 Meter breite und etwa sieben Meter tiefe Lücke könnte die Einfahrt eines aufgetauchten U-Bootes in der Nacht und bei Stillwasser (Phase zwischen Flut und Ebbe)
zulassen. Erleichtert wird das Eindringen an dieser Stelle auch durch das unbewohnte Ufer. Die grösste Herausforderung bleibt jedoch die Navigation.
Nach verschiedenen Abklärungen und Überlegungen hält Dönitz einen Angriff auf Scapa Flow zwar für
sehr risikoreich, aber möglich. Auf der Suche nach
dem richtigen U-Bootfahrer
kommt er auf Kapitänleutnant Günther Prien. Der
31-jährige Marineoffizier,
ein überzeugter Nationalsozialist, hat bereits auf seiner ersten
Feindfahrt vom 19. August bis 15. September 1939 drei britische Frachtschiffe
versenkt. Für diesen erfolgreichen Einsatz erhält er als einer der ersten U-BootFahrer am 25. September 1939 das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Dönitz übergibt Prien
am 1. Oktober 1939 die Unterlagen sowie 48 Stunden Bedenkzeit für seine Entscheidung. Bereits ein Tag später ist für
Prien der Entschluss klar: Es ist machbar.
Ablauf und Ausgang
Die Planung für den Angriff auf Scapa
Flow baut auf verschiedenen Rahmenbedingungen auf:
• Die Einfahrt erfolgt durch den Kirk
Sund und nicht wie bei den anderen
Versuchen oder wie die Aufklärungsergebnisse von U 18 ergeben haben,
durch den Hoxa Sund;
• Die Ein- und Ausfahrt erfolgt während
der Nacht;
• Die Annährung geschieht über Wasser, weil die Geschwindigkeit eines getauchten U-Boots zu gering ist, um
die erwartete starke Gegenströmung
zügig überwinden zu können, die Tiefe im Sund für einen Tauchgang zu gering ist und die Navigation viel einfacher ist;
• Der Angriff erfolgt bei Neumond in der
Nacht vom 13. auf den 14. Oktober.
8. Oktober 1939, Kiel
Am Morgen des zweiten Oktobersonntags verlässt Kapitänleutnant Prien mit seiner 39-köpfigen Besatzung den U-BootStützpunkt in Kiel und läuft durch den
Nord-Ostsee-Kanal in die Nordsee ein.
Oben: U-47 war ein U-Boot der
VIIB-Klasse.
Bild: revell.de
Links: Kapitänleutnant
Günther Prien, Kdt U-47.
Bild: peoplecheck.de
Es ist seine zweite Feindfahrt; sie erfolgt
unter grösster Geheimhaltung:
• Seine Männer kennen den Auftrag nicht
und auch Grossadmiral Raeder, der Vorgesetzte von Dönitz, wird nur mündlich
informiert;
• Die Überfahrt ins Zielgebiet findet während den folgenden Tagen nur nachts
über Wasser statt. Untertags wird abgetaucht.
Als Vorbereitung für den kommenden
Einsatz stellt die Besatzung ihren Tagesablauf um und schläft während des Tages,
um nachts zu arbeiten.
12. Oktober 1939, Orkney Inseln
Nach vier Tagen Fahrt liegt U-47 in der
Nacht auf den 12. Oktober vor Orkney.
Um die genaue Position zu bestimmen,
taucht Prien am Abend auf. Der Angriff
wird auf die folgende Nacht angesetzt. Anschliessend taucht das U-Boot wieder ab.
13. Oktober 1939, Scapa Flow
Wie in den Tagen zuvor ruht die Besatzung und Prien befiehlt erst gegen 16:00
Uhr U-47 auf Gefechtsstation. Die Männer bereiten alles für den Einsatz vor. So
wird das Boot für eine Selbstzerstörung
im Fall eines feindlichen Angriffs vorbereitet, die Torpedos scharf gemacht und
Reservetorpedos in Ladeposition gebracht.
Um Geräusche zu vermeiden, wird wenig
gesprochen, der Navigator überprüft zum
letzten Mal die Karten und die Besatzung
zieht ihre Schwimmwesten an.
Um 19:15 Uhr taucht U-47 auf. Zu
seiner Überraschung stellt Prien fest, dass
die Einfahrt durch das Nordlicht hell beleuchtet wird. Zudem strahlt der
nördliche Leuchtturm, der Prien
auch beim Umfahren der Sperrschiffe hilft.
Um 23:31 Uhr
steuert Prien die
Bucht an. Auf
dem Kommandoturm von U-47
stehend, erteilt er
seine Befehle an
den Steuermann.
Beim Ausweichen einer Kette, die ein im
Sund liegendes Schiff verankert, schrammt
U-47 einen Felsen. Weder der Lärm noch
das sofortige Öffnen der Luftdruckventile,
um das U-Boot anzuheben, werden bemerkt. Auch die Scheinwerferkegel eines
auf einer kurvigen Küstenstrasse fahrenden Autos, die den Kommandoturm des
deutschen U-Bootes kurz erfassen, führen
nicht zu einer Alarmierung. U-47 kann
seine Fahrt unentdeckt fortsetzen.
14. Oktober 1939, Scapa Flow
Kurz vor halb eins schreibt Prien in das
Logbuch: «Wir sind in Scapa Flow». In
westlicher Richtung fährt er in die grosse
Bucht ein. Da er kein Ziel entdeckt, wendet er und fährt einen östlicheren Kurs.
Kurz vor 01.00 Uhr werden backbord
zwei dunkle Schatten sichtbar. Das erste
Schiff ist die HMS Royal Oak – auch
«The Mighty Oak» genannt. Das mit acht
38-cm-Kanonen ausgerüstete Schlachtschiff stammt aus dem Ersten Weltkrieg.
Hinter der HMS Royal Oak glaubt Prien
das Schlachtschiff HMS Repulse zu erkennen. Effektiv ist es jedoch der Wasserflugzeug-Tender HMS Pegasus.
Prien bringt U-47 in Schussposition
und auf seinen Befehl werden um 00:58
Uhr zwei Torpedos abgefeuert. Sie laufen
auf HMS Royal Oak zu. Um das zweite Ziel mit weiteren «Aalen» ins Visier
zu nehmen, wird U-47 leicht abgedreht.
Doch nur einer der beiden Torpedos kann
abgefeuert werden, der andere versagt.
Prien dreht mit U-47 ab und fährt in
Richtung Ausfahrt. Noch immer ist das
U-Boot nicht entdeckt worden. Dann
eine Explosion, aber das Unfassbare geASMZ 12/2014
55
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56
ASMZ 12/2014
Geschichte
schieht: Es wird kein Alarm ausgelöst
und die Seeleute an Bord reagieren nicht
auf die Explosion.
Während des Ablaufens lässt Prien die
vorderen Torpedorohre nachladen und
schiesst zudem mit dem Heckrohr einen
weiteren Torpedo in Richtung RN-Kriegsschiffe ab. Doch auch dieser Torpedo verfehlt sein Ziel.
Da immer noch kein Alarm ausgelöst
wird, lässt Prien U-47 wieder in Richtung
Ziele eindrehen. Sobald die Rohre nachgeladen sind und das U-Boot in günstiger
Schussposition ist, feuert Prien um 01:22
Uhr eine zweite Salve mit drei Torpedos
ab. Alle treffen die «Mighty Oak» und heben sie förmlich aus dem Wasser. Als sich
das 32 000 Tonnen verdrängende Schiff
wieder absenkt, bekommt es Schlagseite
auf steuerbord. Bedingt durch die Treffer
fallen wichtige Systeme aus, die Mannschaft ist unter Deck eingeschlossen. Rund
MS Royal Oak.
Bild: freepages.family.rootsweb.ancestry.com
13 Minuten nach dem ersten Treffer der
zweiten Salve sinkt das RN-Flaggschiff
und reisst 833 Seeleute in den Tod, unter ihnen auch Konteradmiral Henry Blagrove, Admiral des 2. Schlachtschiff-Geschwaders.
Währenddessen setzt sich Prien aus der
Bucht ab. Er schlängelt sich durch die
enge Ausfahrt an den Blockadeschiffen
vorbei und kämpft dabei abermals mit
der Strömung. Etwa um 02:15 Uhr ist
Prien wieder im Tiefwasser der Nordsee
und nimmt Kurs auf die Heimat.
Bis zum Morgen glaubt die britische Admiralität, dass eine Explosion und nicht
ein feindliches U-Boot die HMS Royal
Oak versenkt hat. Erst als ein Taucher
Wrackreste eines elektrischen Torpedos
finden, wird deutlich, dass ein deutsches
U-Boot in Scapa Flow eingedrungen war.
15. Oktober 1939, Nordsee
Auf der Rückfahrt wird U-47 von einem britischen Minensuchboot entdeckt
und mit Wasserbomben angegriffen. Es
gelingt Prien, zu entkommen.
17. Oktober 1939, Wilhelmshaven
Um11:44 Uhr läuft U-47 in Wilhelmshaven ein. Da am Kommandoturm mit
weisser Farbe ein angreifender Stier aufgemalt ist, erhält Prien den Übernahmen
«Der Stier von Scapa Flow». Noch am
gleichen Tag fliegt seine gesamte Besatzung an Bord des Führer-Flugzeuges nach
Berlin und alle werden mit militärischen
Orden ausgezeichnet.
Analyse
Der Angriff zeigte folgendes auf:
Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der
U-Bootfahrer
Der Angriff verdeutlicht die sehr hohe
Kampfbereitschaft der U-Bootfahrer. Diese blieb selbst nach Ende der anfänglich
erfolgreichen Phase im Atlantikkrieg und
der später folgenden bitteren Niederlagen
gegen Ende des Krieges trotz ihres sehr
hohen Blutzolls konstant hoch. Prien, der
auf seiner zehnten Fahrt auf See blieb,
lehnte ein Angebot für eine sichere Funktion an Land ab. Er fuhr lieber zur See.
Vorbereitung
Richtigerweise überliess Dönitz dem
U-Bootfahrer Prien die Ausgestaltung des
Angriffs. Prien war somit in seinen Entscheidungen frei und wurde auch nicht
durch militärisches Mikromanagement
vorgesetzter Stelle eingeschränkt oder behindert. Prien dürfte bei seiner Ausfahrt
am 8. Oktober 1939 über die neusten
Aufklärungsbilder verfügt haben. Aufgrund der Funkstille und der Geheimhaltung sowie den technischen Möglichkeiten von damals war es nicht möglich, eine
Echtzeitlage zu übermitteln. Aus diesem
Grund erfuhr er nicht, dass mehrere RNKriegsschiffe zwischenzeitlich ausgelaufen
waren und er kannte die Position seiner
Ziele nicht.
Führung
Das Beispiel zeigt auf, zu was eine verschworene Gemeinschaft fähig ist. Zudem
nutzte Prien kaltblütig den Umstand aus,
dass nicht Alarm geschlagen wurde und
lancierte einen zweiten Angriff.
Ausrüstung
Nicht alle abgefeuerten Torpedos funktionierten. Die technischen Probleme mit
den Torpedos entwickelten sich später
zur «Torpedokrise» und stellten während
des Angriffs gegen Norwegen ein echtes Problem dar. Das Vertrauen in die
Bewaffnung war zeitweise ernsthaft erschüttert.
Propaganda
Der Angriff auf Scapa Flow erreichte
zwei Propagandaziele:
Nach innen
Günther Prien wurde zu einem der ersten Kriegshelden und die Propagandamaschine wusste dies zu nutzen:
• Die Männer von U-47 wurden in Berlin der in- und ausländischen Presse vorgeführt;
• Es wurde ein Buch über Prien geschrieben;
• Viele Strassen und Schulen nach ihm
benannt.
Nach aussen
Obwohl die «Mighty Oak» nicht das
modernste Schlachtschiff war, war das
Signal deutlich: Nichts ist vor deutschen
U-Booten sicher.
Nachwuchs
Mit der Person «Prien» und seinen Leistungen wurde Nachwuchs geworben und
die U-Boot-Waffe hatte während des Krieges nie Nachwuchsprobleme.
Konsequenzen
Der Angriff von 1939 war nicht der erste. Abwehrmassnahmen waren vorgesehen, kamen jedoch zu spät. Es schien, als
ob die Briten sechs Wochen nach Kriegsbeginn «mental» nicht auf solche Fälle vorbereitet waren. Der Angriff führte
ihnen ihre mangelnde Vorbereitung und
die Möglichkeiten der U-Boote-Waffe vor
Augen.
Selbst wenn U-47 weitere Kriegsschiffe
versenkte hätte, die Überlegenheit der
RN-Überwasserschiffe wäre – wenn überhaupt – nur kurzfristig gestört gewesen.
Die Briten zogen die richtigen Konsequenzen und unterschätzten die U-Boote
der Kriegsmarine nicht mehr. Den folgenden technischen Wettlauf konnten letztlich die Alliierten gewinnen.
■
Major
Kaj-Gunnar Sievert
lic. phil. I
MAS Project –
Management
3097 Liebefeld
ASMZ 12/2014
57
Vermischtes
Offiziersgesellschaft Burgdorf – Gelungene Jubiläumsreise nach Wien
Einer der Höhepunkte im
Jubiläumsjahr «125 Jahre Offiziersgesellschaft Burgdorf» war
die Ende September durchgeführte Reise nach Wien. Während fünf Tagen besuchte eine
17-köpfige Gruppe die Donaumetropole. Der ehemalige Präsident Sébastien Stampfli hatte als Organisator ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, das bei den
Teilnehmern grossen Anklang
fand. Zu den Schwerpunkten
gehörten eine Führung durch
die Ringstrasse am ersten Tag;
anderntags folgte eine ausgedehnte Besichtigung des
Schlosses Schönbrunn. Nach
der Rückkehr in die Innenstadt wartete ein besonderes
Erlebnis auf die Gruppe: Eine
Spezialistin mit dem schönen
Namen Frau Hasenhütl führte mit wienerischem Charme
und vielen Detailkenntnissen
in der Altstadt durch weitgehend unbekannte Höfe, Plätze
und Bauten. Am dritten Tag
war der Besuch des Heeresgeschichtlichen Museums angesagt. Ein Fachhistoriker mit
Magistertitel führte während
zwei Stunden durch die teils
neugestalteten Ausstellungsräume. Hier war auch das Fahrzeug zu sehen, in dem der habsburgische Thronfolger am 28.
Juni 1914 in Sarajewo erschossen worden war. Diese Schüsse
lösten den ErstenWeltkrieg aus.
Ein Ausflug in die Wachau
mit Bahn und Bus, dem Be-
such des berühmten Benediktinerstiftes Melk und eine anderthalbstündige Schifffahrt
auf der Donau bis Krems rundeten den letzten Tag ab. Für
das leibliche Wohl war ebenfalls gesorgt. Schon am ersten Tag machte man Halt in
einem typischen Kaffeehaus
und in Nussdorf wurde auch
dem «Heurigen» zugesprochen. Dieser Aufenthalt in
Wien und Umgebung wird
allen Mitreisenden in bester
Erinnerung bleiben und als
Meilenstein in die Geschichte
der Offiziersgesellschaft Burgdorf eingehen.
Heinz Schibler, Burgdorf
Hauptversammlung des Offiziersvereins der HSG
Die diesjährige Hauptversammlung von Of@unisg startete für die rund 50 teilnehmenden Mitglieder mit einer
Überraschung. Dank der Unterstützung der Schweizer Luftwaffe wurde der Abend zum
Highlight.
Div B. Müller, C Ei Luftwaffe, und Oblt S. Meier,
Präsident Of@unisg.
58
ASMZ 12/2014
Bild: Etienne Alder
Noch ahnungslos, versammelten sich die Mitglieder
am vorgegebenen Treffpunkt
in der Universität St. Gallen.
Dort angekommen, wurden sie
vom Vize-Präsident des Vereins, Oblt Sandro Travaglini,
in Empfang genommen. Noch
wurde das Programm des
Abends nicht enthüllt.
Eine unvergessliche
Verschiebung
Nach einer kurzen Verschiebung in Zweierkolonne wurde das Highlight des
Abends durch einen heranfliegenden Super Puma der
Schweizer Luftwaffe verraten.
Nun ging es schnell. Innert
Minuten wurden die Mitglie-
der in Gruppen aufgeteilt und
mit Gehörschutz ausgerüstet.
Zwei Helikopter transportierten die HSG-Offiziere innert
kürzester Zeit zum Waffenplatz Bernhardzell.
Mehr als nur Aktion
Auf dem Waffenplatz angekommen, durften die jungen
Offiziere ein spannendes Referat von Div Müller, Chef
Einsatz Luftwaffe, geniessen.
Dabei erinnerte sein Vortrag
keine Sekunde an eine trockene Theoriestunde. Während
Müller die Aufgaben und Einsatzfelder der Schweizer Luftwaffe erläuterte, verging die
Zeit wie im Flug. Kaum enden wollten die anschliessen-
Vermischtes
den Fragen des interessierten
Publikums.
Rituale verbinden
Anschliessend an ein reichhaltiges Abendessen vom Grill
wurden die Neumitglieder des
Vereins offiziell aufgenommen.
Jedoch erlangten diese ihre
Mitgliedschaft nicht einfach
so. Nach einem kurzen sportlichen Teil des Aufnahmerituals lag der Schwerpunkt für
die Neulinge aber in einem
Kurzreferat zu einem vorgegebenen Thema. Soweit so gut,
mussten sie nun nur noch die
Fragen ihrer Kameraden beantworten. Was sich einfach
anhört, entpuppt sich schnell
als eine schwierige Übung in
sicherem Auftreten. Waren
diese Hürden auch gemeistert, wurden die neuen HSGOffiziere durch Votum aufgenommen. Of@unisg
Aus dem 3D-Drucker in den Weltraum
Das Schweizer Raumfahrtunternehmen RUAG Space
will schon bald Satelliten mit
Bauteilen ausrüsten, die aus
einem 3D-Drucker kommen.
Das soll Gewichts- und Kostenvorteile bringen. In einem
Pilotprojekt haben die Spezialisten der RUAG Space eine
Halterung für die Antenne
eines Erdbeobachtungssatelliten gebaut. Eine vergleichbare,
Im 3D-Druck hergestellte
Antennenhalterung für einen
Sentinel-1-Satelliten. Foto: RUAG
jedoch mit einem herkömmlichen Verfahren produzierte
Halterung hatte die RUAG für
Sentinel-1A, einen Radarsatelliten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA geliefert. Gemeinsam mit Spezialisten der
Firma Altair haben die Ingenieure der RUAG diese Halterung nun komplett neu entwickelt, um sie für die Herstel-
lung im 3D-Druck zu optimieren. Die Altair-Software machte es dabei möglich, die Gestaltungsfreiheit, welche die additive Fertigung bietet, auszunutzen. Die Formgebung (Topologie) des Bauteils wird dabei
so optimiert, dass nur noch genau so viel Material eingesetzt
wird, wie unbedingt nötig. Das
bei EOS, einem deutschen
Spezialisten für den industriellen 3D-Druck, gefertigte Bauteil wiegt im Vergleich
zum alten Modell nur noch
die Hälfte und ist dennoch
steifer. Mit rund 40 cm Länge ist die Antennenhalterung
eines der grössten jemals im
Pulverbett-Verfahren hergestellten Bauteile. Derzeit wird
die neue Halterung intensiven
Tests unterzogen, um sie für
den Einsatz im Weltall zu qualifizieren. Ende des Jahres sollen diese Qualifikationstests
abgeschlossen sein. Seit 2013
beschäftigt sich die RUAG
Space intensiv mit der Forschung & Entwicklung im
Bereich des «Additive Manufacturing», wie die Herstellung von dreidimensionalen
Objekten mithilfe von 3DDruckern in Expertenkreisen
auch genannt wird. Beim 3DDruck wird ein Pulver schichtweise aufgetragen und in der
gewünschten Form verbunden, etwa, indem es durch Laser automatisch an den entsprechenden Stellen geschmolzen
wird.
dk
Echo aus der Leserschaft
Armeeaufwuchs jetzt starten
Nach dem Mauerfall haben
sich Europa und die Schweiz
einmal mehr der Illusion vom
ewigen Frieden hingegeben.
Frieden, Freiheit und Sicherheit wurden zu gottgegebenen Selbstverständlichkeiten
degradiert. Dementsprechend
wurden die Bestände, Ausrüstungen und Budgets der europäischen Armeen weit über
die Schmerzgrenzen hinaus
abgebaut. Der schleichende
Aushungerungsprozess wurde mit einer hektischen und
kontraproduktiven «Reformitis» kaschiert. Die zunehmenden Alarmmeldungen über desaströse Zustände und Sicherheitslücken, z. B. beim österreichischen Bundesheer oder
der deutschen Bundeswehr
(NZZ: «Bundesheer nur beschränkt tauglich im Katastrophenfall» oder «Die Bundeswehr – ein Objekt der Satire»), sind die logischen Folgen. Leider sieht das Bild bei
der Schweizer Armee kaum
besser aus. Auch sie kann den
verfassungsmässigen Hauptauftrag «Landesverteidigung»
derzeit kaum mehr wirksam
erfüllen.
Angesichts des neoimperialistischen Machtgebarens von
Putin, der «den Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln» wieder skrupellos
praktiziert sowie der Häufung
gefährlichster Brandherde an
den Grenzen Europas, der anschwellenden Migrationsströme und des eskalierenden
Kampfes um Ressourcen, müssen verantwortungsbewusste
Politiker/innen den Armeeaufwuchs jetzt in die Wege leiten. Gleichzeitig ist die Politik
aufgerufen, zum Schutze von
Land und Leuten die Sicherheitsarchitektur unseres Landes (Nachrichtendienste, Armee, Polizei, Grenzorgane, Zivilschutz etc.) rasch zu stärken, um insbesondere mit der
anstehenden «Weiterentwicklung der Armee» (WEA) die
Vollausrüstung, Einsatzfähigkeit und Glaubwürdigkeit der
Armee wieder herzustellen.
Hptm Willy Gerber,
9436 Balgach
Trollen wir uns
Hans Bollmann kritisiert in seinem Beitrag den Artikel von
Oberstlt i Gst Markus Müller
zu den Reaktionen der westlichen Medien und ihrer Konsumenten im Falle Russland und
Ukraine.
Ich wäre Herrn Bollmann dankbar, wenn er mir den Unterschied zwischen der, mit Zustimmung der EU, unternommenen massiven amerikanischen Bombardierung Serbiens in die Unterwerfung,
der westlichen Unterstützung
der Unabhängigkeitsbewegung
mit anschliessender Volksabstimmung über die Abspaltung Kosovos von Serbien,
und der wahrscheinlichen Unterstützung der Abspaltungsbewegung auf der Krim durch
Russland und anschliessender Volksabstimmung und An-
schluss der Krim an Russland
erklären könnte. Die westlichen Medien waren im ersten Fall für den Hauptakteur
USA, im zweiten gegen den
Hauptakteur Russland. Wie
kann in einem so klaren Fall
den westlichen Medien «Propaganda» vorwerfen! Viel
schlimmer ist aber, dass nicht
nur ein Schweizer Oberst, sondern sogar die chinesischen
Medien Gut und Böse nicht unterscheiden können. Sie sprachen im Fall der Krim angesichts des Beispiels «Kosovo» von westlicher Heuchelei.
Noch ein Schlusswort: Die
nicht zum Westen gehörende
Welt ist nicht mehr bereit,
nach unserer Pfeife zu tanzen.
Maj Gotthard Frick,
4103 Bottmingen
ASMZ 12/2014
59
Vermischtes
Dritter Internationaler Militärischer Team-Wettkampf
Angespornt durch die Anlässe 2013 und 2014 haben
die Organisatoren für die drit-
te Auflage des Militärischen
Team-Wettkampfes am Samstag, 25. April 2015, auf dem
Waffenplatz Sand bei Bern
erneut einen anforderungsreichen Parcours zusammengestellt. Neu sind
maximal 36 Zweierpatrouillen zugelassen. Geschossen wird mit Pistole 75 und Sturmgewehr 90. Es werden sechs verschiedene Programme
absolviert. Eine
detaillierte Wett-
kampfbeschreibung sowie das
Anmeldeformular sind im Internet zu finden unter www.
armee.ch/mtw. Anmeldeschluss
ist der 26. Februar 2015.
An der Premiere des MTW
im April 2013 nahmen 18
Zweierpatrouillen aus Deutschland, USA und der Schweiz
teil. Ein Jahr später, im April
2014, waren es 23 Zweierpatrouillen aus Italien, USA und
der Schweiz.
Albert Brügger
Anpassung der Kriegsmaterialverordnung
Der Bundesrat hat eine Anpassung der Bewilligungskriterien für Kriegsmaterialausfuhren beschlossen. Ziel dieser Änderung ist es, die regulatorische Benachteiligung der
Schweizer Sicherheitsindustrie
im Vergleich mit dem europäischen Ausland zu reduzieren. Die Motion der Sicherheitspolitischen Kommission
des Ständerates vom 25. Juni
2013, «Benachteiligung der
Schweizer Sicherheitsindustrie
beseitigen», will dem Bundesrat einen grösseren Handlungsspielraum bei der Bewilligung von Ausfuhrgesuchen
für Kriegsmaterial einräumen.
Dieser soll damit im Rahmen einer gesamtheitlichen
Betrachtung neben den aussenpolitischen Grundsätzen
und den internationalen Verpflichtungen der Schweiz auch
wirtschaftliche und sicherheitspolitische Erwägungen in seine Beurteilung miteinfliessen
lassen können. Die Motion
enthält zu diesem Zweck einen
ausformulierten Entwurf, der
eine Anpassung von Artikel 5
Absatz 2 Buchstaben a bis
d Kriegsmaterialverordnung
(KMV) vorsieht. In seiner Stellungnahme zur Motion unterstützte der Bundesrat das Anliegen der Motionärin, vertrat
jedoch die Meinung, dass dieses mit einer weniger weitreichenden Anpassung am Verordnungstext umgesetzt werden könne. Ausserdem hielt
er fest, dass der Menschenrechtsschutz und die humanitäre Tradition der Schweiz
keinesfalls preisgegeben werden dürfen.
Die vom Bundesrat beschlossene Verordnungsanpassung betrifft einerseits Artikel
5 Absatz 2 Buchstabe b KMV,
welcher Ausfuhren nach Ländern untersagt, in denen die
Menschenrechte systematisch
und schwerwiegend verletzt
werden. Andererseits erfolgt
damit eine Änderung von Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c
KMV, der Kriegsmaterialexporte nach Länder verbietet,
die auf der OECD-Liste der
wirtschaftlich am wenigsten
entwickelten Empfängerstaaten öffentlicher Entwicklungshilfe aufgeführt sind. Aufgrund
dieser Verordnungsänderungen können Ausfuhrgesuche
gestützt auf eine Einzelfallprüfung genehmigt werden, sofern ein geringes Risiko besteht, dass das auszuführende
Kriegsmaterial für schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verwendet wird. Anders als bisher soll also die
Eignung des auszuführenden
Kriegsmaterials für die Begehung von Menschenrechtsverletzungen mitberücksichtigt
werden. Dies sieht beispielsweise auch der Gemeinsame
Standpunkt des Rates der EU
zur Ausfuhrkontrolle von Mi-
litärgütern vor. Bei Gesuchen
für die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Empfängerstaaten
öffentlicher Entwicklungshilfe ist insbesondere zu prüfen,
ob diese auf der OECD-Liste
der wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Staaten aufgeführt sind. Gegebenenfalls
können Sicherheitsbedürfnisse der Empfängerstaaten oder
andere wichtige Interessen eine
Ausfuhr legitimieren.
Die durch den Bundesrat
verabschiedete Anpassung der
Kriegsmaterialverordnung ermöglicht eine Umsetzung des
Kernanliegens der Motion, indem sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für die
Kriegsmaterialausfuhr verbessert. Gleichzeitig wird die
Kohärenz mit der schweizerischen Aussen- und Menschenrechtspolitik weiterhin sichergestellt. Die revidierte Verordnung tritt am 1. November
2014 in Kraft.
dk
Bundesrat verabschiedet Änderung der Verordnung
über die Militärdienstpflicht
Der Bundesrat hat eine Änderung der Verordnung über
die Militärdienstpflicht verabschiedet. Die Erfahrungen
aus der Praxis verlangte kleinere Anpassungen. Die Verordnung über die Militärdienst-
60
ASMZ 12/2014
pflicht (MDV) wird nur in
Details korrigiert, um den Bedürfnissen der Praxis gerecht
zu werden. Insbesondere sollen Stabsoffiziere, welche in
Stäben des Hauptquartiers eingeteilt sind, nicht mehr als Spe-
zialisten im Sinne der Verordnung gelten. Dies hat zur Folge, dass für die betroffenen
Offiziere die Diensttagelimite
von 300 Tagen in Fortbildungsdiensten der Truppe nicht zur
Anwendung gebracht wer-
den kann. Im Weiteren wurde
dem Antrag der Armeeseelsorge stattgegeben, wonach
die militärische Grundausbildung der Hauptmänner Armeeseelsorge nur noch 19 Tage
dauern soll.
dk
Vermischtes
Armeeangehörige
ans UNO-Hauptquartier in New York
Der Bundesrat hat das VBS
ermächtigt, bis zu fünf Offiziere der Armee an das Hauptquartier der UNO für Friedensförderungsmissionen in
New York zu entsenden. Ende
Juli 2014 wurde die Schweizer
Armee von der UNO um die
Entsendung von Offizieren ans
UNO-Hauptquartier in New
York ersucht. Die Offiziere
sollen die Einführung eines
Informationssystems in den
Friedensmissionen der UNO
unterstützen, das von Schweizer Militärbeobachtern in der
UNO-Mission im Kongo mitentwickelt wurde. Daneben hat
die UNO ein Interesse an der
Entsendung von Schweizer Armeeangehörigen für den Füh-
rungsstab der UNO-Friedensmissionen in New York und
die humanitäre Minenräumung geäussert. Die Schweizer Armee ist bereit, bis zu
fünf Armeeangehörige für derartige Aufgaben zur Verfügung
zu stellen.
Für die Schweizer Armee
sind solche Entsendungen äusserst wertvoll. Zum einen können sehr nützliche Erfahrungen
in der Stabsarbeit der UNOFriedensförderungsmissionen
erworben werden. Zum anderen sind derartige Positionen
gut geeignet, Entwicklungen
und Trends frühzeitig zu erkennen, so dass die Reaktionsfähigkeit in der Schweiz verbessert wird.
dk
Echo aus der Leserschaft
Qualität eines Leserbriefes –
ASMZ 11/2014
Ich habe in meinen jungen 24
Jahren noch kaum etwas so
Abstruses gelesen wie den
Leserbrief von Andreas Märki;
ein 9/11-Verschwörungstheoretiker, der mit fragwürdigen
Theorien den Artikel von Markus M. Müller zu verteidigen
versucht, ist einer Schweizer
Militärzeitschrift, die ernst
genommen werden will (und
auch soll!), unwürdig.
Obwohl Leserbriefe natürlich
nicht die Meinung der Redaktion einer Zeitschrift widerspiegeln, sind Sie als Redaktion der ASMZ dennoch für alles verantwortlich, was in der
ASMZ publiziert wird. Ich frage Sie also: Wieso publizieren Sie einen Leserbrief, der
in den 9/11-Flugzeugen nur
Computeranimationen sieht,
obwohl sie durch x Amateuraufnahmen belegt sind? Wieso verschwenden Sie wertvollen Platz in Ihrer Zeitschrift,
nur weil jemand nicht begreift, dass Leichtmetall in
Form eines Flugzeugs, zusammen mit Kerosin und einer
sehr hohen Geschwindigkeit,
halt doch stärker sein kann
als Stahl?
Es dauert mich, dass sich zur
Verteidigung von Müllers Artikel keine ernstzunehmenden Leserbriefe finden liessen. Auch ich fand den Artikel von Müller nicht gut, aber
einen solchen Leserbrief hat
er nicht verdient. Und auch
die ASMZ hat einen solchen
Leserbrief nicht verdient.
Ich gratuliere Ihnen aber bei
dieser Gelegenheit trotzdem
für Ihre wertvolle Arbeit und
die guten Artikel, und wünsche weiterhin viel Erfolg mit
der ASMZ!
Oblt Severin Zumbühl
6102 Malters
Echo aus der Leserschaft
Wie weiter nach dem Gripen-Nein
Vielen Dank, sehr geehrter
Herr Nationalrat Borer, für
Ihren Beitrag, mit dem ich
mich 100%ig identifiziere. Gestatten Sie mir trotzdem einen
Nachtrag: Wenn wir die 5FFlotte in zwei Jahren ausmustern, liefern wir unseren Gegnern das fast unwiderlegbare
Argument, dass der Luftverteidigungsauftrag mit 32 Flugzeugen inklusive Zieldarstellung, Patrouille Suisse, Sichtflug-Interzeptionen, Mehrfach-
aufträgen etc. zu lösen ist. Die
Luftwaffe wird nie mehr 30
Flugzeuge erhalten! Wir sind
auf die F5, am besten TeilKampfwertgesteigert (offenbar machbar!) angewiesen!
Wir dürfen es Wyss, Gross und
leider auch LW-internen «Experten» nicht zu einfach machen. Danke, dass Sie den politischen Kampf aufnehmen.
Maj Peter Naegeli
9032 Engelburg
Ein Leben für die Armee
Ende Jahr geht Oberst Ernesto Kägi, Dienstchef im Kommando Infanteriebrigade 7 in
Winterthur, infolge Erreichen
des Pensionierungsalters von
65 Jahren in den Ruhestand.
Der ehemalige Leitende
Nachrichtenoffizier des Feldarmeekorps 4 war seit 1998 als
Dienstchef FAK 4, als Stabschef der Nationalen Alarmzentrale (NAZ) sowie als Dienstchef der Panzerbrigade 11 und
der Infanteriebrigade 7 tätig.
Er hat in dieser Zeit insbesondere unzählige Dossiers von
Ostschweizer Offizieren bearbeitet.
Die Redaktion ASMZ dankt
Oberst Ernesto Kägi für die
Oberst Ernesto Kägi, scheidender
Dienstchef Pz Br 11 und Inf Br 7.
Bild: Autor
angenehme Zusammenarbeit
und wünscht ihm alles Gute
für seinen neuen Lebensabschnitt.
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Sicherheit Schweiz
ASMZ 12/2014
61
Verein für eine
sichere Schweiz
Israel Aerospace Industries
Vielen Dank
für die tolle
Zusammenarbeit.
Wir wünschen Ihnen
frohe Weihnachten
und ein
gutes neues Jahr.
Verlag Equi-Media AG
PASITO
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62
ASMZ 12/2014
Glaser
Handels AG
Bücher
Peter Joachim Lapp
Arnulf Krause
Grenzregime der DDR
Der Kampf um Freiheit
Aachen: Helios, 2013, ISBN 978-3-86933-087-7
Der Autor, anerkannter
Experte in Fragen der DDRGrenzen, hat sein Wissen über
die dortigen Grenztruppen
in einem wirklich allumfassenden Kompendium vorgelegt. Angesichts der starken
Fluchtbewegung von DDRBewohnern in den Westen
wurde bereits 1960 der Schiessbefehl eingeführt, der den
insgesamt 500 000 Grenzsoldaten das Schiessen auch auf
Frauen und Kinder befahl,
«wenn keine andere Möglichkeit zur Verhinderung der
Flucht bestand». Die grosse
Mehrheit indes fürchtete sich
vor solchen «Grenz-Zwischenfällen». Dabei konnte man
sich sehr wohl dem Dienst an
der «Friedensfront» entziehen –
bei wiederholten Äusserungen, nicht auf Mitmenschen
schiessen zu können; in all
den Jahren desertierten 2789
Grenzsoldaten in den Westen.
Andererseits wurden vom Bau
der Berliner Mauer (1961) bis
Herbst 1989 mindestens 1676
Menschen erschossen und weitere 84 249 Fliehende verhaftet; die Gesamtzahl der Fluchtversuche schätzt der Autor auf
Zehntausende. Nach dem Zusammenbruch der SED-Diktatur erhielten die Todesschützen an den DDR-Grenzen von
einer weltfremden Justiz blosse Bewährungsstrafen …
Friedrich-Wilhelm Schlomann
Adrienne Aebischer
Mais oui, souviens-toi du Hollandais
Neuchâtel: Alphil, 2013, ISBN 978-2-940489-45-9
Wehe dem, der einer Amtsstelle nicht mit genügend Unterwürfigkeit begegnet! Dergleichen vergibt die Bürokratie selten und wer sich keinen
Rechtsbeistand leistet, weil er
vielleicht arm ist, hat, eh er
sich’s versieht, ein grösseres
Problem. Das mag nicht allgemein gelten, aber es galt entschieden für den Holländer
Adrian van Schilt im Berner
Jura des Sommers 1942. Er
hatte eine Schweizerin, Maria
Bourcart, geheiratet und wohnte mit seiner immer grösser
werdenden Familie im Heimatort der Frau in Charmoille im Bezirk Porrentruy. Die
Frau hatte nach dem damaligen
Recht ihr Bürgerrecht verloren
und die Kinder waren ohnehin
niederländische Staatsangehörige. Bericht der Kinderhilfe
des Roten Kreuzes, 1945: «Die
Frau war im 7. Monat schwanger. Grund der Ausweisung:
der Mann hatte einen Wortwechsel mit den Behörden,
während welchem er sich ihnen gegenüber nicht ganz korrekt benahm. Nach übereinstimmender Auffassung der
Dorfbewohner war die Massnahme zu hart.» Das damals
neunjährige Mädchen Adrienne, heute eine Familienmutter
in La Neuveville, will mit ihrem eindrücklichen Buch über
eine ganz ausserordentliche
Flüchtlingsodyssee nicht anklagen, sie wünscht ihren Leserinnen und Lesern ausdrücklich Ruhe, Frieden und Freude und dazu, dass wir alle uns
jener komplizierten und harten Zeit 1939 –1945 jederzeit
mit einem Blick auf die Gesamtleistung der Schweiz, aber
auch auf einige fragwürdigere Seiten der Geschichte erinnern.
Jürg Stüssi-Lauterburg
Die Napoleonischen Befreiungskriege in Deutschland
Stuttgart: Konrad Theiss Verlag GmbH, 2013,
ISBN 978-3-8062-2498-6
«Deutschland» blieb im Gegensatz zum revolutionären
Frankreich politisch und gesellschaftlich auch zu Beginn
des 19. Jahrhunderts diffus.
Dichter und Denker versuchten anhand von Sprache, Kultur und speziellen Tugenden zu
ergründen, was das «Teutschland» denn sei. So Achim von
Arnim und Clemens von Brentano mit ihrer Sammlung «Des
Knaben Wunderhorn» und die
Gebrüder Grimm mit ihren
Volksmärchen. Von Hass getrieben, schrieben und agierten
Ernst Moritz Arndt, Friedrich
Ludwig Jahn und Theodor
Körner wider die Franzosen
und ihre Besatzung der deutschen Länder. Derart ideologisch vorbereitet, begann vor
allem in Preussen der Widerstand gegen Napoleon; am
Ende der Befreiungskriege
stand die Niederlage Napoleons. Den Kriegswirren folgte
eine Periode der innenpolitischen Ruhe, der Zensur und
der weitestgehenden Wiedereinsetzung der alten Ordnung.
Verlierer waren die Patrioten.
Die Herrscher mochten sich an
keine Verfassungsversprechen,
wie in Preussen, erinnern. Ein
geeintes Deutschland lag nach
wie vor in weiter Ferne.
Arnulf Krause legt eine Studie vor, die dank ihres Fokus
auf die für Deutschland spannende Zeit eine interessante
Perspektive abgibt. Der Autor
schlägt einen grossen Bogen
von der französischen Revolution, über Napoleons Eroberungskriege, der Völkerschlacht bei Leipzig, den Wiener Kongress bis zum Wartburgfest. Gut geschrieben und
kenntnisreich zusammengestellt, ist es ein lesenswertes
Werk über die an Mythen,
Verklärung bis zur Klitterung
reichen Zeit. Krause überzeugt
zudem durch seinen flüssigen
Schreibstil.
Philippe Müller
Albert Gasser
Europas Urkatastrophe von 1914
und ihre Folgen
Chur: Tardis Verlag, 2014, ISBN 978-3-954106-2-2
Aus Anlass der 100-jährigen
Wiederkehr der «Urkatastrophe von 1914» beschreibt der
ehemalige KirchengeschichteProfessor an der theologischen
Hochschule Chur Albert Gasser in achtzehn kurzen Essays
Hintergründe und Verzahnungen eines Geschehens, das weit
über die beiden Weltkriege hinaus reicht. Die drei grossen Revolutionen in Frankreich und
Russland und der Nationalsozialismus in Deutschland gehören dazu, der Zusammen-
bruch der Sowjetunion wie
«Überraschungen und Wunder» der europäischen Einigung
mit ihrer längsten Friedensperiode. Auch die eingekreiste Schweiz hat ihren Platz. Es
ist keine Kriegsgeschichte,
viel eher eine Kurzfassung aller Zusammenhänge und Abläufe, die durch den knappen,
bildhaften und immer wieder
wohltuenden ironisierenden
Stil beeindrucken.
Hans-Ulrich Ernst
ASMZ 12/2014
63
Bücher
Thomas Müller
Die Bayrische Sturm-Panzer-Kraftwagen-Abteilung 13
Bayreuth: Verlag Veit Scherzer, 2013, ISBN 978-3-938845-45-5
Als die britische Armee im
September 1916 erstmals 49
«Tanks» zum Einsatz brachte,
zeigte sich die deutsche Generalität nur wenig beeindruckt.
Viel zu spät erkannte die oberste Heeresleitung, welche Gefahren im neuen Kampfmittel
lagen und es dauerte noch bis
zum Frühjahr 1918, die britische Armee hatte bis zu diesem Zeitpunkt fast 500 «Tanks»
zum Einsatz gebracht, bis der
erste deutsche «Sturmpanzerwagen», der «A7V», eingesetzt
werden konnte. Weil zu die-
sem Zeitpunkt die deutsche
Industrie nicht mehr in der
Lage war, genügend Kampfwagen zu produzieren, wurden
erbeutete britische «Tanks» im
besetzten belgischen Charleroi
repariert, mit deutschem Hoheitsabzeichen versehen, von
deutschen Truppen übernommen und unter Verwendung
der britischen Einsatzgrundsätze wieder ins Gefecht gebracht. Der Autor erzählt die
Geschichte der Panzer-Männer der ersten Stunde, die sich
freiwillig in die heissen, lang-
Nr. 12 – Dezember 2014
samen und technisch unzuverlässigen Stahlkolosse zwängten. Er beschreibt Aufbau
und Gliederung der bayerischen Panzertruppe und schildert die Einsätze unter Verwendung von Erlebnisberichten. Zahlreiche Dokumente
und bisher meist unveröffentlichte Fotos vervollständigen dieses empfehlenswerte
Werk über ein kaum bekanntes Kapitel deutscher Militärgeschichte.
Fred Heer
Ulrich Fischer
Brennpunkt Kaiseraugst. Das verhinderte Kraftwerk.
Mit einem Vorwort von Christoph Blocher und einem Nachwort von Peter Scholer
64
ASMZ 12/2014
die Luft gesprengt. Auf Ersuchen der Aargauer Regierung
stellte die Felddivision 5 damals
einen Generalstabsoffizier ab,
welcher Massnahmen zur Räumung und zum Schutz des Geländes auszuarbeiten hatte. Die
Auseinandersetzung zog sich
Jahre dahin, insgesamt hatten zwischen 1969 und 1989
15 Bundesräte mit dem Werk
zu tun. Fischer, seit 1987 Mitglied des Nationalrates, wurde
wie viele andere am 2. März
1988 während der Session von
der «Verzichtsmotion» überrascht. Im Nachgang zu Tschernobyl hatten bürgerliche Politiker um Christoph Blocher,
Jakob Schönenberger und
Georg Stucky befunden, besser ein Ende mit Schrecken als
ein Schrecken ohne Ende.
Auf die Frage, ob es sich beim
Scheitern des Projektes eher um
eine Kapitulation des Rechtsstaates vor dem Druck der
Strasse oder um einen Sieg des
Volkswillens über starre Strukturen, die nicht mehr den politischen Realitäten entsprochen
Impressum
Präsident Kommission ASMZ
Oberst i Gst Christoph Grossmann,
Dr. oec. HSG
Chefredaktor
Oberst i Gst Peter Schneider (Sch)
Redaktionssekretariat
ASMZ c/o Verlag Equi-Media AG
Brunnenstrasse 7, CH-8604 Volketswil
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Stellvertreter des Chefredaktors
Oberst i Gst Michael Arnold,
lic.phil.II (AM)
Redaktion
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Oberstlt Hans Peter Gubler (hg)
Oberst i Gst Niklaus Jäger (nj)
Oberstlt Dieter Kläy, Dr.phil. (dk)
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Hptm Daniel Ritschard, lic.oec.HSG (DR)
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Oberstlt Jürg Studer (St)
Oberstlt Eugen Thomann, lic.iur. (ET)
Major Walter Troxler, Dr.phil. (Tr)
Oberst i Gst Hans Wegmüller,
Dr.phil. (We)
Herausgeber
Schweizerische Offiziersgesellschaft
Bern: Verlag interforum, 2013, ISBN 978-3-9524099-4-7
Deutschland und die Schweiz
versuchen nach dem Reaktorunglück in Fukushima unter
dem Titel «Energiewende» den
Ausstieg aus der Kernenergienutzung. Grund genug für Ulrich Fischer, 38 Jahre nach der
Besetzung und 25 Jahre nach
der Liquidation des Projektes
Kernkraftwerk Kaiseraugst seine persönlichen Erinnerungen
an die Auseinandersetzung um
das umstrittene Grossprojekt
zu publizieren. Ulrich Fischer,
Fürsprecher und ehemaliger
FDP-Nationalrat, war als Direktor der Kernkraftwerk Kaiseraugst AG jahrelang direkt
in das Projekt involviert und
kannte sämtliche Akteure seitens der Promotoren und Gegner persönlich. Entstanden ist
eine fakten- und episodenreiche persönlich gefärbte Darstellung der teilweise mit harten
Bandagen und illegalen Aktionen geführten Auseinandersetzung. 1975 kam es zur Besetzung des Areals, 1979 wurde
der Informationspavillon von
militanten KKW-Gegnern in
180. Jahrgang
haben, gehandelt habe, antwortet Fischer wie folgt: «Die Episode Kaiseraugst (muss) in unserer rechtsstaatlichen Demokratie ein Einzelfall bleiben…
Unsere Rechtsordnung hat für
alle Fälle vorgesorgt, auch für
jene, in denen sie den politischen Realitäten nicht mehr zu
genügen vermag. … Deshalb
bleibt für ein Handeln ausserhalb der Rechtsordnung in unserem Staate kein Raum.»
Ulrich Fischer hat den Mut,
mit Christoph Blocher und
dem AKW-Gegner Peter Scholer (Ehrenpräsident der «Gewaltfreien Aktion Kaiseraugst»)
zwei der Hauptakteure bei der
Beerdigung respektive Verhinderung seines Lebenswerkes
mit je einem Vor- respektive
Nachwort zu Worte kommen
zu lassen. Eine Chronologie
zum KKW Kaiseraugst und
ein Personenregister runden
den für zeitgeschichtlich Interessierte wertvolle und spannend zu lesende Band ab.
Daniel Heller
Verlag
Verlag Equi-Media AG
Brunnenstrasse 7, CH-8604 Volketswil
Verleger: Christian Jaques
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Nächste Ausgabe: 2. Februar 2015
Schwergewicht:
• Interview Bundespräsident
Burkhalter
• China und Japan
• Sicherheitsverbundsübung
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