Pädagogische Handlungsansätze
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Pädagogische Handlungsansätze
Cornelius Bortmann Pädagogische Handlungsmöglichkeiten in der Arbeit mit Korsakowkranken Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung..........................................................................................5 1.1 Das Krankheitsbild: Wernicke-Korsakow-Syndrom .................6 1.1.1 Verbreitung des WKS..........................................................7 1.1.2 Ursachen für die Entstehung des WKS...............................7 1.1.3 Symptome der Augen beim WKS.......................................8 1.1.4 Amnesie als Symptom des WKS........................................9 1.1.5 Konfabulation als Symptom des WKS..............................10 1.1.6 Implizites und explizites Gedächtnis.................................12 1.1.7 Bewusstseinsveränderung als Symptom des WKS..........13 1.1.8 Medizinische Behandlung des WKS.................................13 1.1.9 Typischer Verlauf des WKS während und nach dem Klinkaufenthalt............................................................................14 1.2 Begleitende Erkrankungen.......................................................15 1.2.1 Alkohol Polyneuropathie....................................................15 1.2.2 Leberschäden (Alkoholhepatitis/Fettleber / Leberzirrose) 17 1.2.3 Ösophagusvarizen ...........................................................18 1.3 Welche Auswirkung hat die Erkrankung auf das Leben?........18 1.4 Einordnung des WKS nach dem ICF.......................................21 1.4.1 Aufzählung der nach der ICF codierten Bereichen in denen Probleme aufgrund vom WKS und Polyneuropathien auftreten können........................................................................................24 2 Pädagogische Handlungsansätze..................................................30 2.1 Gesetzliche Zielsetzung / Leistungsübernahme......................30 2.2 Grundsätzliche pädagogische Theorien..................................31 2.2.1 Ansatz der Subjektorientierung.........................................31 2.2.1.1 Subjektwerdung und Subjektbildung.......................32 2.2.1.2 Selbstbewusstsein...................................................33 2.2.1.3 Selbstachtung..........................................................33 2.2.1.4 Selbstbestimmung...................................................34 2.2.2 Der systemische Ansatz....................................................35 2.2.3 Klientenzentrierte Gesprächsführung................................37 2.2.4 Abstinenz beim WKS.........................................................38 3 Praktische pädagogische Handlungsmöglichkeiten.......................40 3.1 Realitätsorientierungstraining..................................................41 3.1.1 Der strukturierte Alltag.......................................................44 3.1.1.1 Aufstehen / Nachtruhe.............................................45 3.1.1.2 Hygienetraining........................................................46 3.1.1.3 Essenszeiten...........................................................47 3.1.1.4 Aufgaben..................................................................48 3.1.1.5 Einkäufe & Termine.................................................48 3.1.1.6 Diabetes...................................................................49 3.1.2 Selbständigkeit..................................................................50 3.1.2.1 Schrittweise Verselbständigung..............................50 3.1.2.2 Problematiken während des Prozesses der Selbständigkeitsentwicklung.................................................54 3.2 Soziales Training......................................................................56 3.2.1 Gruppengespräche............................................................57 3.2.2 Gespräche in kleinen Gruppen.........................................58 3.2.3 Einzelgespräche................................................................59 3.2.4 Gruppen Spaziergänge.....................................................60 3.2.5 Gruppentagesreisen..........................................................60 3.2.6 Gruppenurlaub..................................................................61 3.3 Auseinandersetzung mit der Suchterkrankung........................61 3.3.1 Biografiearbeit...................................................................62 3.3.2 Selbsthilfegruppen.............................................................63 3.4 Gedächtnistraining...................................................................64 3.4.1 Selbständige Gedächtnisaufgaben...................................65 3.4.2 Gruppengedächtnistraining...............................................66 3.4.3 Gedächtnistraining mit Einzelbetreuung...........................67 3.4.4 Gedächtnisstrategien........................................................67 3.4.4.1 Internale Strategien.................................................68 3.4.4.2 Errorless Learning ..................................................68 3.4.4.3 Spaced Retrival.......................................................70 3.4.4.4 Backward Changing.................................................71 3.4.4.5 Vanishing cues........................................................71 3.4.5 Kompensationsstrategien..................................................72 3.4.5.1 Modifikation der Lebenswelt....................................73 3.4.5.2 Hilfsmittel ................................................................74 3.5 Beschäftigung/Arbeit ...............................................................76 3.5.1 Ergotherapie......................................................................78 3.5.2 Vermittlung in eine Beschäftigung.....................................79 3.6 Mobilität....................................................................................80 3.6.1 Mobilität und Gedächtnis...................................................80 3.6.2 Mobilität und Polyneuropathien.........................................81 3.6.2.1 Mobilitätstraining......................................................81 3.6.2.2 Mobilitätshilfsmittel...................................................82 3.7 Tests.........................................................................................83 3.7.1 Intelligenztests ..................................................................83 3.7.1.1 Wechsler-Intelligenztests (Beispiel HamburgerWechsler Intelligenztest für Erwachsene / HAWIE-R)..........84 3.7.1.2 Mehrfach-Wortschatz-Test (MWT)..........................85 3.7.1.3 Zahlenverbindungstest (ZVT)..................................85 3.7.2 Demenz & Amnesietests...................................................86 3.7.2.1 Syndrom-Kurztest (SKT)..........................................87 3.7.2.2 Berliner Amnesietest (BAT).....................................88 3.7.2.3 Demenz-Test (DT)...................................................88 3.7.3 Weitere Tests....................................................................88 3.7.4 Fazit zu den Tests.............................................................90 4 Prävention.......................................................................................91 4.1 Risikominderung .....................................................................91 4.1.1 Alkoholpolitische Maßnahmen zur Risikominderung........91 4.1.2 Essensausgaben...............................................................92 4.1.3 Nachgehende Sozialarbeit................................................92 4.1.4 Thiaminzugabe zu Nahrungsmitteln .................................93 4.2 Individuelle Maßnahmen zur Risikominderung........................95 4.2.1 Aufklärung von Alkoholikern und Ärzten...........................95 4.2.2 Kontrolliertes Trinken .......................................................96 5 Fazit................................................................................................98 6 Verwendete Literatur....................................................................100 6.1 Internetquelle:........................................................................105 6.2 Film:........................................................................................105 6.3 Weiterführende Literatur:.......................................................105 Bemerkung zur Schreibweise: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde in der Regel die männliche Schreibweise verwendet. Damit sind jedoch immer auch die weiblichen Personen mit einbezogen. 1 Einleitung Alkohol ist in Deutschland ein Genussmittel, ein großer Wirtschaftsbereich und ein Kulturgut. Alkohol ist allerdings auch das in Deutschland am weitesten verbreitete Rauschmittel. Alkoholische Getränke sind fest in unserer Kultur eingebettet. Sie sind Bestandteil gesellschaftlicher und sozialer Riten, wie das Anstoßen unter Freunden oder der Sektempfang zu Feierlichkeiten. Auch in der Religion spielen sie eine Rolle, beispielsweise beim Abendmahl in Gottesdiensten. Vielen Menschen dient Alkohol auch in seiner die Psyche beeinflussenden Funktion zum „Auflockern“ oder als Selbstmedikation bei Ängsten, Schmerzen oder Depressionen. In einer seiner Arbeiten zum kontrollierten Alkoholkonsum betont Körkel, dass Alkohol ein Stoffwechselgift ist. Deswegen ist jeder Konsum mit einem Risiko verbunden. Einen risikolosen Alkoholkonsum gibt es nicht (Körkel 2005 S.168). Das Risiko beim Konsum von kleineren Mengen Alkohol ist allerdings überschaubar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlug für einen risikoarmen Konsum die maximale Obergrenze von 20g Reinalkohol für Frauen und 30g Reinalkohol für Männer pro Tag vor. In der folgenden Abbildung sind Standarteinheiten von Getränken abgebildet die jeweils 20g Reinalkohol entsprechen. Abbildung 1: Standarteinheiten Alkohol in alkoholischen Getränken die jeweils 20 Gramm Reinalkohol entsprechen. Viele Autoren gehen von einer geringeren Menge als Grenze für risikoarmen Alkoholkonsum aus. Als Höchstmenge gibt beispielsweise Singer 10g Reinalkohol für Frauen und 20g Reinalkohol für Männer pro Tag an (Singer 2002). Im Gegensatz zum risikoarmen Alkoholkonsum kann bereits der einmalige übermäßigen Konsum von Alkohol zu Problemen führen. Die häufigsten Probleme bei einmaligem übermäßigem Alkoholkonsum sind Alkoholvergiftungen, Unfälle, soziale Probleme wie Partnerschaftskonflikte und erhöhte Gewaltbereitschaft. Wenn der Alkoholkonsum dauerhaft in Seite 5 übermäßigen Mengen erfolgt, können zu diesen Problemen noch verstärkte soziale Probleme und somatische Folgeerscheinungen für den Konsumenten hinzukommen. Somatische Folgeerscheinungen sind Leberund andere Organerkrankungen. Folgeerkrankungen von dauerhaftem und übermäßigem Alkoholkonsum sind vielfältig und häufig auch vom Konsummuster abhängig. Verstärkte soziale Probleme aufgrund von dauerhaft übermäßigem Alkoholkonsum können beispielsweise in der Familie oder auf dem Arbeitsplatz auftreten. Ein solcher Alkoholkonsum kann als Folge auch Alkoholabhängigkeit mit psychischer und physischer Abhängigkeit bewirken. Eine der schwerwiegenden Folgeerkrankungen von starker Alkoholabhängigkeit ist das Wernicke-Korsakow-Syndrom (WKS). Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit den pädagogischen Handlungsmöglichkeiten nach einer Erkrankung um Betroffene zu begleiten und auf ein Leben mit der irreparablen Erkrankung in größtmöglicher Selbständigkeit vorzubereiten. Das Kapitel Prävention behandelt auch die Frage nach möglichen Präventionsmaßnahmen, um eine Erkrankung im Vorfeld zu verhindern oder in ihrer Schwere abzumildern. 1.1 Das Krankheitsbild: Syndrom Wernicke-Korsakow- Benannt wurde das Wernicke-Korsakow-Syndrom nach C.Wernicke (1881) und S.S. Korsakow (1887). C. Wernicke beschrieb eine akute Enzephalophatie, während S.S. Korsakow von einem amnestischen Syndrom berichtete. Heute geht man davon aus, dass beide Ärzte unterschiedliche Stadien derselben Krankheit beschrieben (Masuhr 2005 S.259). Eine Enzephalopathie ist eine krankhafte Veränderung des Gehirns. Es sind nachweisbar bräunliche Verfärbungen des Gewebes und Gewebeschrumpfungen der betroffenen Gehirnregionen (Pfeiffer 1989). Die Wernicke-Enzephalophatie tritt akut oder subakut ein, d.h. die typischen Symptome entwickeln sich sofort oder innerhalb weniger Tage. Typische Symptome in diesem Stadium des Krankheitsverlaufs sind Augenmuskellähmungen, Gangstörungen, Merkfähigkeitsstörungen, Antriebsminderung Desorientierung. Die Aufmerksamkeits- und (Schläfrigkeit) und geht der Wernicke-Enzephalopathie bei 84% Betroffenen in eine Korsakowpsychose über (Masuhr 2005 S.259). Das amnestische Syndrom, welches von Korsakow beschrieben wurde, hat als typische Symptome Gedächtnisstörungen, Konfabulation und zeitliche Seite 6 Desorientierung (Bergmann 2005 S.1244). Die akute Phase des WKS wird zumeist Wernicke Encepalopahtie genannt, während der chronische Verlauf mit Korsakowsyndrom und Korsakowpsychose bezeichnet wird. Aber auch die Bezeichnung Wernicke-Korsakow-Syndrom ist geläufig. Begleitet wird das WKS häufig von Polyneuropahtien, die in einem folgenden Abschnitt näher beschrieben werden. Das WKS wird in der Klassifizierung der WHO im ICD 10 als „F10.6 amnestisches Syndrom“ benannt (WHO ICD10). 1.1.1 Verbreitung des WKS Eine genaue Verbreitungsrate des WKS ist schwer zu ermitteln. Die Zahlen zur Verbreitung sind in der Literatur unterschiedlich. Bei 1,76% unausgelesener, phatologischer Stichproben wurde von Pfeiffer das WKS festgestellt (Pfeiffer 1985). Dieser Prozentsatz stellt keinen repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung dar, ist aber trotzdem ein Hinweis auf die Verbreitung des WKS. Bei gleicher Verfahrensweise stellte Harper in Australien mit 1,7% bis 2,8% positiver WKS Befunde ähnliche Werte fest (Harper 1983). Harper bemerkte außerdem, dass nur 20% dieser WKSFälle zur Lebenszeit diagnostiziert wurden. Es herrscht Übereinstimmung in der Annahme, dass besonders häufig die chronische Verlaufsform der Korsakowpsychose übersehen und nicht diagnostiziert wird (Bergmann 2005 S.1243, Feuerlein 1989 S.129). Zu der Verbreitung des WKS unter chronischen Alkoholikern berichtet Torvik, dass 12,5% von ihnen vom WKS betroffen sind (Torvik 1982). Feuerlein gibt die Verbreitung des WKS unter Alkoholikern mit 3-5% an (Feuerlein 1989 S.129). Er gibt aber zu bedenken, dass man bei ca. 22% der Autopsien von Alkoholikern das WKS feststellen konnte, während nur bei 14% dieser Fälle klinische Manifestationen festgestellt wurden. Hingsammer untersuchte das MännerFrauen-Verhältnis für das WKS im ZKH Bremen-Ost und gibt es mit 5:2 an (Hingsammer 2002). 1.1.2 Ursachen für die Entstehung des WKS Das WKS entwickelt sich aus einem Vitaminmangel (Hypovitaminose) des Vitamin B Komplexes. Ausschlaggebend ist der Mangel von Vitamin B1 (Thiamin) (Masuhr 2005 S.258). Neben Thiamin können aber auch Vitamin B12 und B6 das WKS und auch häufige Begleiterkrankungen, wie die Polyneuropahtie, begünstigen. Der Thiaminmangel entwickelt sich zumeist Seite 7 aus mehreren vernachlässigte Gründen. Der schwerwiegendste Nahrungsaufnahme bei starken Grund ist die Alkoholikern. Die Vernachlässigung der Nahrungsaufnahme hat unterschiedliche Gründe. Chronische Alkoholiker lebenspraktische leben Handlungen, oft wie verwahrlost und vernachlässigen beispielsweise die Einnahme regelmäßiger Mahlzeiten. Viele starke Alkoholiker leben in Armut und müssen den größten Teil ihres Geldes für ihre Sucht aufbringen. Somit fehlt das Geld für qualitativ hochwertiges Essen. Ebenso fehlt vielen obdachlosen Alkoholikern der Ort, an dem sie eine solche Mahlzeit zubereiten könnten. Die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme wird auch dadurch nicht wahrgenommen, weil der tägliche Energiebedarf des Körpers bereits durch den getrunkenen Alkohol abgedeckt wird. Gleichzeitig müssen starke Alkoholiker die eingenommene Nahrung oft erbrechen und können so die benötigten Vitamine nicht aufnehmen. Das häufige Erbrechen führt zu einer noch geringeren Bereitschaft regelmäßig Nahrung zu sich zu nehmen. Neben der verminderten Nahrungsaufnahme erhöht Alkohol über Stoffwechselprozesse den Thiaminbedarf im Körper. Alkohol vermindert die Aufnahme von Vitamin B1 im Dünndarm und stört auch die Aktivierung des Vitamins B1 zur weiteren Nutzung im Stoffwechsel. Das durch vernachlässigte Nahrungsaufnahme mangelhaft vorhandene Thiamin wird durch die Aufnahme von Alkohol somit weiter reduziert. Von einigen Medizinern wird vermutet, dass bei manchen Personen erschwerend eine genetische Disposition für eine gehemmte Thiaminaufnahme verantwortlich sein könnte. Der wissenschaftliche Beweis dieser Theorie steht allerdings noch aus (Kuhn 2004 S.799). Der Körper benötigt Thiamin für die Nervenbahnen im gesamten Körper. Zusätzlich zum fehlenden Aufbaustoff Thiamin greift der Alkohol in seiner Form als Stoffwechselgift die Nerven an. Der Thiaminmangel und die Schädigung durch den Alkohol können ein irreparables Absterben der Nervenbahnen verursachen (Bergmann 2005 S.1243). Dies geschieht zuerst in den am weitesten entfernten Extremitäten und im Gehirn. Es betrifft damit die Orte des Körpers, die aufgrund ihrer Lage als letztes mit Nährstoffen versorgt werden. 1.1.3 Symptome der Augen beim WKS Markantes und subjektiv auffälligstes Symptom der akuten WernickeEncephalopathie sind Augenmuskellähmungen, Blicklähmungen und Seite 8 Pupillenstörungen (Bergmann 2005 S.1244). Dies äußert sich für den Betroffenen im Doppelsehen, im verschwommenem Sehen und im unkontrolliertem Augenzittern. Offensichtlich leiden die Sehnerven unter dem Thiaminmangel. Es ist auch zu beobachten, dass sich bei Thiamingabe die Augensymptome sich als erstes verbessern und meist vollständig zurückbilden (Bergmann 2005 S.1244). Restsymptome sind allerdings möglich. 1.1.4 Amnesie als Symptom des WKS Der Thiaminmangel im Gehirn trifft vor allem die Mammilarkörper (Bergmann 2005 S.1243). Mammilarkörper sind Teil des Papezkreises im Limbischen System. Dem Papezkreis wird eine wichtige Funktion bei der Übertragung von Erinnerungen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis des Großhirns zugeschrieben. Der Kreislauf des Papezkreises ist somit an einer Stelle unterbrochen und überträgt Erinnerungen an das Langzeitgedächtnis nur noch teilweise oder gar nicht mehr. Dies führt zu dem Symptom der anterograden Amnesie. Abbildung 2: Papezkreislauf im Limbischen System. Der blaue Kreislauf symbolisiert den Papezkreislauf mit seinen unterschiedlichen Stationen. Die abgehenden Pfeile zeigen die Übertragung in das Großhirn und damit in das Langzeitgedächtnis an. Die beschädigten Mammilarkörper sind Teil des Papezkreislaufs und in der Zeichnung grün makiert. Bei einer anterograden Amnesie ist die Merkfähigkeit für neue Bewusstseinsinhalte je nach Schädigungsgrad reduziert. So bleiben neue Informationen nur noch für ein bis zwei Minuten im Gedächtnis erhalten, Seite 9 ehe sie wieder vergessen werden. Das bedeutet für die Betroffenen je nach Schweregrad der Erkrankung, dass aktuelle Ereignisse nicht lange erinnert werden können (Deutschle 1998 S.93). Häufige Begleiterscheinung ist eine retrograde Amnesie, das Vergessen ganzer Lebensjahre, vorwiegend die Zeit, in der getrunken wurde. Für die betroffene Person ist dies nicht erklärbar und so knüpft sie häufig an der letzten greifbaren Erinnerung an und bewegt sich somit in ihrem Zeitgefühl in der Vergangenheit. Konfrontationen mit der aktuellen Jahreszahl können dann für Verwirrung sorgen. Entstandene Erinnerungslücken werden häufig durch Konfabulationen gefüllt. Abbildung 3:Zeitstrahl für Amnesie ausgehend vom Zeitpunkt der akuten Wernicke-Encephalopatie (Grafikkonzept von Deutschle 1998 S.93) 1.1.5 Konfabulation als Symptom des WKS Aufgrund der retrograden und anterograden Amnesie sind für das WKS Konfabulationen typisch. Konfabulationen sind fiktive Erinnerungen. Man unterscheidet zwischen spontanen und provozierten Konfabulationen (Kopelmann 2009). Spontane Konfabulationen beruhen auf der Unfähigkeit fragmentarische Erinnerungen und gedankliche Assoziationen auseinander zu halten (Schnider 2006). Sie werden besonders bei Personen mit einer Schädigung im Limbischen System, wie dem WKS, beobachtet. Es ist das Versagen eines vorbewussten Filters, der einen aufkommenden Gedanken je nach seinem Bezug zur aktuellen Gegenwart anpasst. Ein Versagen dieses Mechanismus führt dazu, dass ein aufkommender Gedanke nicht auf seine Richtigkeit überprüft wird, sondern ohne Prüfung als wahr angenommen wird. Dies führt zu einer spontanen Konfabulation und Desorientiertheit mit dem Verkennen der aktuellen Gegenwart. So erfundene Erinnerungen können für Außenstehende stimmig, teilweise aber auch absurd erscheinen. Seite 10 Provozierte Konfabulationen sind dagegen der Versuch des Gehirns ungenaue Erinnerungen zu präzisieren. Sie schaffen eine Brücke für die Lücken im Kurz- und Langzeitgedächtnis. Provoziert werden diese Konfabulationen deshalb genannt, weil versucht wird eine nicht gespeicherte Erinnerung abzurufen und für diese Lücke im Gedächtnis vom Gehirn ein möglicher Ersatz geschaffen wird. Beide Formen der Konfabulation sind fiktive Erinnerungen, die nicht oder nur zufällig mit der passierten Realität übereinstimmen. Sie sind nicht bewusst vom Vortragenden erfunden, sondern stellen für ihn zur Zeit der Erzählung eine tatsächliche Erinnerung dar. Man kann davon ausgehen, dass auch gesunde Menschen Erinnerungen provoziert konfabulieren. Konfabulationen gesunder Menschen fallen allerdings erheblich geringer aus als Konfabulationen, die durch eine erworbene Hirnschädigung hervorgerufen werden. Diese Konfabulationen helfen den Betroffenen den Alltag emotional zu bewältigen, weil sie sich so nicht ständig mit der Tatsache auseinandersetzten müssen, stetig zu vergessen. Typisch für Korsakowkranke sind deshalb Konfabulationen zu Situationen, die gerade aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis übergehen müssten. Kopelman verglich in einer Studie die Konfabulationen von Alzheimerpatienten, Korsakowpatienten und gesunden Personen (Kopelman 1987). Die Probanden mussten einen Zeitungsartikel lesen und sollten seinen Inhalt sofort, nach 45 Minuten und nach einer Woche wiedergeben. Dabei stellte Kopelman fest, dass die ausgeprägtesten Konfabulationen bei Korsakowpatienten nach 45 Minuten vorgetragen wurden. Korsakowpatienten konfabulierten allerdings auch nach dem direkten Lesen der Zeitungsmeldung. Alzheimerpatienten neigten dagegen stärker zur sofortigen Konfabulationen, wohingegen gesunde Menschen nach einer Woche am stärksten konfabulierten. Dies zeigte unter anderem, dass Korsakowkranke zu einer Mischung aus spontanen und provozierten Konfabulationen neigten. Die Alzheimerpatienten konfabulierten spontan, während gesunde Menschen nur zu provozierten Konfabulationen neigten. Für Korsakowkranke können Konfabulationen hinderlich in der Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit und der Realität sein. Der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses wird von den Betroffenen oft nicht ohne äußere Reflektion realisiert, da sie selber durch die Konfabulationen Erinnerungen haben. Durch eine vergessene Trinkvergangenheit kann die Seite 11 Überzeugung wachsen, im Leben keine Probleme mit dem eigenen Alkoholkonsum gehabt zu haben (Hingsammer 2002). 1.1.6 Implizites und explizites Gedächtnis Das Gedächtnis beziehungsweise unser Wissen kann in zwei Bereiche unterteilt werden, das implizite und das explizite Gedächtnis (Hackl 2004 S.63, Romero 2002 S.247). Das implizite Gedächtnis ist das Handlungsgedächtnis. Informationen werden in Form von Bewegungen und Handlungen gespeichert. Es sind Handlungen über die ein Mensch nicht nachdenken muss. Nach dem Erlernen gelingen sie, ohne dass man sich darauf konzentriert, wie beispielsweise das Gehen. Implizit gespeicherte Informationen sind sehr speziell und lassen sich nur schwer oder gar nicht von einer Aufgabenstellung in eine andere übertragen. Diese Handlungsfunktionen werden auch prozedurale Gedächtnisfunktionen genannt. Das explizite Gedächtnis speichert Informationen, die codiert wurden. Zumeist wird Information durch Sprache codiert, sie kann aber auch durch Bilder verschlüsselt abgespeichert werden. Durch die Abstraktion der Codierung einer Information in Sprache ist das Wissen daraus aus einem Zusammenhang in einen anderen übertragbar. Beispiel: Unterschied von impliziter und expliziter Information Das Spielen einer Gitarre kann aufgeteilt werden in implizites und explizites Wissen. Schlagen und Halten der Saiten ist implizites Wissen. Notenlehre ist explizites Wissen. Das explizite Wissen der Notenlehre lässt sich auch auf Instrumente anderer Instrumentengattungen übertragen. Das implizite Wissen des Haltens und Schlagens der Saiten ist spezielles Wissen, welches im besten Fall Vorteile beim Erlernen anderer Saiteninstrumenten bietet, aber nicht auf Tasteninstrumente übertragbar ist. Die Schädigung im Limbischen System beim WKS ist fast ausschließlich eine Schädigung des expliziten Gedächtnisses (Hingsammer 2002). Das bedeutet, dass neue Handlungsabläufe abgespeichert werden können, das Speichern von sprachlich codierter Information allerdings problematisch ist. Das Wissen über diese Unterscheidung lässt sich nutzten, um die Schwäche in der Merkfähigkeit teilweise zu kompensieren und neue Formen des Lernens zu entwickeln. Diese Unterscheidung ist auch wichtig, Seite 12 weil für Betroffene das kognitive Lernen erschwert oder unmöglich ist. Im Gegensatz dazu ist das Lernen auf der Ebene der Handlungsebene aber nicht betroffen. Dies gilt auch für das räumliche Gedächtnis. WSK Patienten können örtliche Zusammenhänge zwar in ihrem Handlungsgedächtnis speichern, haben aber Schwierigkeiten, Orte oder Wege sprachlich zu beschreiben, bzw. können sich keine sprachlich codierten Informationen zu Orten merken. Ausführlicher wird dieses Thema im Kapitel Gedächtnistraining und im Kapitel Mobilität und Gedächtnis behandelt. 1.1.7 Bewusstseinsveränderung als Symptom des WKS Das im Gehirn betroffene Limbische System, in dem sich der Papezkreislauf und damit auch die besonders betroffenen Mammilarkörper befinden, wird neben den erwähnten Gedächtnisleistungen auch als Zentrum des Bewusstseins gesehen. Neben psychischen Erkrankungen, die Folge oder Grund der Alkoholsucht gewesen sein können, wird häufig eine heitere Gemütshaltung (Euphorie) bei gleichzeitiger Antriebs- und Teilnahmslosigkeit (Apathie) bei Korsakowkranken beobachtet. Poeck schreibt auch fehlende Krankheitseinsicht und Konfabulationen der Schädigung im Limbischen System zu (Poeck 2001 S.176). Zu beachten ist, dass trotz der Einschränkung der Merkfähigkeit, die intellektuellen Fähigkeiten der betroffenen Personen kaum eingeschränkt sind oder vollständig erhalten bleiben (Hingsammer 2002). Kognitive Fähigkeiten, die vor dem WKS erlernt wurden, bleiben in den meisten Fällen erhalten. Nur das Erlernen von neuen kognitiven Fähigkeiten fällt den Betroffenen schwer, bzw. ist ihnen unmöglich (Poeck 2001 S.176). 1.1.8 Medizinische Behandlung des WKS Die Phasen der akuten Wernicke-Encephalopathie und der Übergang in das chronische Korsakowsyndrom werden während eines stationären Klinikaufenthaltes behandelt. Die Behandlung findet häufig gleichzeitig mit einem Alkoholentzug statt. Behandelnde Ärzte sind dazu angehalten, bei einer akuten Wernicke-Enzephalophatie sofort eine Therapie mit hochdosiertem Thiamin zu beginnen. Die Behandlung der akuten Wernicke Enzephalophatie mit Thiamin ist allgemein anerkannt und alternativlos (Bergmann 2005 S.1244). Zu Anfang wird es intravenös verabreicht, da die Seite 13 Tablettenform Glucose enthält, welches den Thiaminbedraf erhöht und den Mangel an Thiamin kurzfristig steigern kann. Später kann die Therapie mit dem Vitamin-B-Komplex auch in Tablettenform fortgeführt werden (Bergmann 2005 S.1244). Da sich das Wernicke-Korsakow-Syndrom gelegentlich aus einem Delir entwickelt, empfiehlt Hingsammer Patienten mit schweren Alkoholentzügen und Deliren prophylaktisch Thiamin zu geben (Hingsammer 2002). Medikamente, Methoden und die Verlaufsform der akuten Wernicke-Encephalopathie sind durch eine Fülle von Publikationen und Studien recht genau erforscht. Detailfragen werden zwar weiter erforscht und diskutiert, sie werden aber aller Wahrscheinlichkeit nach keine größeren Veränderungen in der medizinischen Therapie bewirken. Nach dem Übergang der Wernicke-Encepahlopathie in die chronische Form des Korsakowsnydroms, bestehen derzeit keine wirksamen medikamentösen Behandlungen mehr. 1.1.9 Typischer Verlauf des WKS während und nach dem Klinkaufenthalt An WKS erkrankte Personen kommen häufig aufgrund des akuten Auftretens der bereits beschriebenen Symptome in ein Krankenhaus. Die Symptome, wie Schläfrigkeit und die Störung der Konzentration, legen sich bei Thiamingabe schnell nach 2-24 Stunden (Thier 2007 S.798, Bergmann 2005 S.1244). Auch die Augenstörungen bilden sich meist schnell und vollständig zurück. Restsymptome können laut Masuhr Bewegungsstörungen (Ataxie) und rhythmische Bewegungen (Nystagmus) der Augen sein (Masuhr 2005 S.262). Die Gedächtnisstörungen verbessern sich nach der akuten Phase der Wernicke-Encephalopathie bei ca. je einem Viertel der Betroffenen nicht, ein wenig, deutlich oder vollständig (Hingsammer 2002). Die verbleibenden Gedächtnisleistungsdefizite stellen den Übergang zum Korsakow-Syndrom dar. Die danach noch bestehenden Schädigungen im Gehirn und auch im peripheren Nervensystem galten bis vor wenigen Jahren als vollkommen irreversibel. Aufgrund dieser verbreiteten Annahme wurden betroffene Personen im Anschluss häufig in Pflegeheimen oder Gerontopsychiatrien untergebracht und nicht weiter individuell und gezielt gefördert (McIntosh 2004). Erst in den letzten 15 Jahren wuchs die Überzeugung, dass durch individuelle und angepasste Förderung auch nach dem Seite 14 Krankenhausaufenthalt noch Fortschritte in allen Bereichen erzielt werden können (Hingsammer 2002) Diese Fortschritte finden zwar erheblich langsamer statt, stellen aber doch häufig endgültige ärztliche Diagnosen in Frage und erweitern Möglichkeiten eines selbstbestimmten und unabhängigen Lebens. Trotz Therapie liegt die Sterblichkeit der Erkrankten während der akuten Wernicke-Enzephalophatie in den ersten drei Wochen bei 15% (Masuhr 2005 S.259, Thier 2007 S.798). Hingsammer spricht von einer Sterblichkeit von 17% der behandelten Betroffenen und von 23% Sterblichkeit für das akute unbehandelte WKS (Hingsammer 2002). 1.2 Begleitende Erkrankungen 1.2.1 Alkohol Polyneuropathie Alkohol Polyneuropathien werden von der WHO im ICD 10 als G62.1 klassifiziert (WHO ICD10). 20-40% aller Alkoholiker leiden nach Feuerlein unter Polyneuropathien (Feuerlein 1989, S.131). Nach Bergmann sind das 15-40% aller Alkoholiker (Bergmann 2005 S.1244). Poeck und Hacke ordnen die Polyneuropathie dem WKS als Symptom zu. Bei der AlkoholPolyneuropathie werden die peripheren Nerven geschädigt. Dies geschieht einerseits durch fehlendes Thiamin, welches von den Nerven im Gehirn wie auch im peripheren Nervensystem benötigt wird (Poeck 2001 S.589), andererseits wirkt der Alkohol selbst als Nervengift und greift die Nervenbahnen an (Bergmann 2005 S.1246). Erste Symptome sind Taubheit, Kribbeln und Schmerzen in den Füßen, Beinen und/oder Händen. Die Alkohol-Polyneuropathie tritt überwiegend distal auf, d.h. in den unteren Extremitäten (Thier 2007 S.803) und ist überwiegend symmetrisch angeordnet. In Abbildung 4 sind verschiedene Formen der Polyneuropathie aufgeführt. Die Alkohol-Polyneuropathie fällt in den meisten Fällen wie der distal symmetrische Typ aus (Bergmann 2005 S.1247). Hände und Beine müssen nicht immer gleichzeitig betroffen sein. Nach Poeck können Alkohol-Polyneuropathien auch asymmetrisch (In der Abbildung 4: A multiplex-Typ) auftreten (Poeck 2001 S.641). Seite 15 Abbildung 4: Typen der Polyneuropathie. Schädigungen des peripheren Nervensystems sind rot markiert (Grafikkonzept aus Das häufigste Symptom der Alkohol-Polyneuropathie ist die Störung der Tiefensensibilität (Mumenthaler 2002 S. 557). Das bedeutet für den Betroffenen, dass er nicht spüren kann, wann er seinen Fuß auf den Boden setzt. Da die Polyneuropathie sehr unterschiedlich auftritt, sind auch die Einschränkungen, die sie mit sich bringt, unterschiedlich. Betroffene Personen, die ihre Tiefensensibilität in der Fußsohle verloren haben, zeigen häufig ein verändertes Gangbild und setzen den Fuß sehr abrupt ab. Schmerzen in den Beinen können durch exponierte Nerven hervorgerufen werden und werden laut Bergmann auch „burning Feet“ genannt (Bergmann 2005 S.1247). Bei Schmerzen unter den Füßen verlagern einige Betroffene ihr Gewicht auf die Fußseiten. Daraus resultiert ein ohbeiniges Gehen. Eine Alkohol-Polyneuropathie kann sich auch durch Schmerzen und Schwäche in der Beinmuskulatur, insbesondere in den Waden zeigen (Mumenthaler 2002 S.557). In jedem Fall schränkt eine Polyneuropathie in den Füssen und Beinen die Mobilität stark ein. Fußwege dauern erheblich länger, teilweise werden Hilfsmittel wie Rollatoren oder Gehilfen benötigt, um das Gleichgewicht zu halten und die Beine zu entlasten. Weitere mögliche Symptome sind Störungen der Lage-, Oberflächen- und Temperaturempfindung (Feuerlein 1989 S.131). Störungen der Lageempfindung sind dabei am häufigsten zu beobachten und schränken das Gehen stark ein. Betroffene benötigen immer Seite 16 Gegenstände und Hilfsmittel wie Handläufe in ihrer direkten Umgebung, an denen sie sich festhalten können, um ihr Gleichgewicht zu bewahren. Aber auch ein gestörtes Temperaturempfinden kann im Alltag gefährlich für die Gesundheit werden, da eine betroffene Person nicht einschätzen kann, ob Badewasser zu heiß zum Baden ist, oder die Außentemperatur zu niedrig für einen Spaziergang in leichter Bekleidung. Die Prognose für eine Alkohol-Polyneuropathie wird grundsätzlich positiv bewertet. Feuerlein als auch Poeck schätzten die möglichen Entwicklungen über mehrere Monate bei einer behandelten Polyneuropathie eher günstig ein (Feuerlein 1989 S.132). Die Behandlung einer Polyneuropathie besteht aus ausgewogener Ernährung, zusätzlicher Vitamin-B-Komplexgabe und Physikalischer Behandlung. Poeck weist allerdings darauf hin, dass die sehr individuelle Erscheinungsform der Polyneuropathie und damit die individuelle Regeneration sich schlecht definieren lassen (Poeck 2001 S.589). Zu erwähnen bleibt, dass eine Polyneuropathie einen chronischen Verlaufe nehmen kann und dies insbesondere dann, wenn die Polyneuropathie nicht rechtzeitig, abstinent und über Monate dauerhaft und konsequent behandelt wird. Aufgrund von versäumter Therapie sind chronisch verlaufende Polyneuropathien häufige Begleiterscheinungen des WKS. Wenn im weiteren Verlauf dieser Arbeit von Polyneuropathien gesprochen wird, sind damit eben diese chronischen Verlaufsformen gemeint, die zum Großteil schon länger bestehen und irreversibel sind. 1.2.2 Leberschäden (Alkoholhepatitis/Fettleber / Leberzirrose) Die häufigsten Begleiterscheinungen des WKS und Folgeschäden chronischen Alkoholismus sind Leberschäden. Dabei ist die Alkoholfettleber die häufigste Lebererkrankung bei Alkoholikern. 47,7% aller männlichen und 27,4% der weiblichen Alkoholiker/innen haben eine Fettleber (Feuerlein 1989 S.107). Betroffene haben subjektiv geringe Beschwerden, obwohl die Leber teilweise erheblich vergrößert ist. Die Prognose bei einer Alkoholfettleber ist bei Abstinenz günstig. Es kann aber auch ein Übergang zur Leberhepatitis stattfinden. Bei der Leberhepatitis unterscheidet man zwischen zwei Verlaufsformen. Der chronisch- persistierenden Hepatitis und einer chronisch-aggressiven Hepatitis. Die Prognose ist bei der chronisch-persistierenden Hepatitis gut, bei der chronisch-aggressiven Hepatitis laut Feuerlein zweifelhaft (Feuerlein 1989 Seite 17 S.112). Es ist ein Übergang zur Leberzirrhose möglich. 30 – 50% aller Leberzirrhosen sind auf Alkoholmissbrauch zurückzuführen. Eine Leberzirrhose ist das Endstadium einer chronischen Lebererkrankung. Sie kann eine Reihe von weiteren Folgeerkrankungen, wie Ösophagusvarizen, bewirken. Der Verlauf kann je nach Schweregrad günstig bis tödlich sein. Eine Lebertransplantation ist bei schlechtem Verlauf der Erkrankung möglich, eine Alkoholabstinenz ist dafür Vorraussetzung (Arnold 2002). 1.2.3 Ösophagusvarizen Ösophagusvarizen sind Krampfadern der Speiseröhre. Sie sind häufige Folgen einer Leberzirrhose. Ösophagusvarizen entstehen, wenn sich durch eine Leberzirrhose der Blutfluss durch die Leber aufgestaut hat und dadurch der Blutdruck in den Venen erhöht wird. Ösophagusvarizen können zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Die dünne Haut der Varizen kann reißen und Blut kann auf diesem Weg in die Speiseröhre und daraufhin in den Magen gelangen. Der Magen füllt sich so mit Blut. Das Blut verfärbt sich dunkel und wird meist nachdem sich der Magen gefüllt hat erbrochen. Der Betroffene kann ohnmächtig werden und auch verbluten (Caselitz 1998). Auftretende Blutungen können nur von einem Notarzt bzw. auf der Intensivstation behandelt werden. Bei Bewusstlosigkeit der betroffenen Person ist die stabile Seitenlage wichtig. Ein schnell abgesetzter Notruf ist die einzig wirksame Maßnahme in einem Notfall. Deshalb ist es für Betreuer wichtig zu wissen, welche betreuten Personen von Ösophagusvarizen betroffen sind, um in einem Notfall schnell reagieren zu können. 1.3 Welche Auswirkung hat die Erkrankung auf das Leben? Das Wernicke-Korsakow-Syndrom wird auch als ein Symptom- sammelbecken für Folgeerkrankungen des chronischen Alkoholismus bezeichnet. Die tatsächliche Zusammensetzung der Symptome ist immer sehr individuell, genauso wie die einzelnen Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die stärksten Einschränkungen für das alltägliche Leben sind die Gedächtnisschwäche und die Mobilitätseinschränkung durch Polyneuropathien. Zu der Bedeutung von Amnesie für das eigene Leben schreibt Luis Bunuel in seinem Buch „Mein letzter Seufzer „: Seite 18 Man muss erst beginnen, sein Gedächtnis zu verlieren, und sei´s nur stückweise, um sich darüber klar zu werden, dass das Gedächtnis unser ganzes Leben ist. Ein Leben ohne Gedächtnis wäre kein Leben . . . Unser Gedächtnis ist unser Zusammenhalt, unser Grund, unser Handeln, unser Gefühl. Ohne Gedächtnis sind wir nichts . . . (Ich kann nur auf die retrograde Amnesie warten, die ein ganzes Leben auslöschen kann, wie bei meiner Mutter...) – Luis BUNUEL – Mein letzter Seufzer Oliver Sacks stellt dieses Zitat von Luis Bunuel an den Anfang seines bekannten Berichtes „Der verlorene Seemann“ (Sacks 1987). Er beschreibt in diesem Bericht den Fall eines Korsakowpatienten in einer Pflegeeinrichtung für alte Menschen. Er stellt im Zusammenhang mit dieser Textpassage die Frage, wie viel unserer Identität in unserem Gedächtnis liegt. Erfahrungen prägen uns und formen unseren Charakter. Wir greifen immer wieder auf unsere Erfahrungen zurück. Aufgrund unserer Erfahrungen begründen wir unser Handeln. All unser Wissen speichern wir in unserem Gedächtnis. Was würde es für uns bedeuten, wenn wir keine neuen Erfahrungen abspeichern können oder, wenn wir uns an Teile unseres eigenen Lebens nicht mehr erinnern könnten? Bunuel drückt seine persönliche Ansicht sehr drastisch aus: „Ohne Gedächtnis sind wir nichts“. Ein Leben ohne Gedächtnis ist natürlich noch immer ein Leben. Aber es fehlt ein großer Teil von dem, was uns ausmacht. Auch in der Informatik hat man in diesem Zusammenhang bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz wichtige Erfahrungen gesammelt. In den Anfängen der Forschung zu künstlicher Intelligenz in den 50er Jahren ging man davon aus, dass Intelligenz nur durch Funktionen und nicht durch Wissen gestaltet werden kann. Nachdem man mit diesen Ansatz scheiterte, ist man in der Erforschung der künstlichen Intelligenz dazu übergegangen, künstliche Intelligenz dadurch zu generieren, dass man auf bereits bestehende Informationen in Datenbanken zurückgreift und von Funktionen verarbeiten lässt. In der Informatik wird Bewusstsein also nicht mehr nur in Form von Denkvorgängen verstanden, sondern man muss immer auf bereits generiertes Wissen zurückgreifen (Karagiannis 2001 S.28). In diesem Zusammenhang kann auch die Frage gestellt werden, ob die Seite 19 Einschränkung des Gedächtnisses auch eine Einschränkung oder Behinderung des Bewussteins bedeutet. Bei Korsakowkranken fehlt je nach Schweregrad der Schädigung ein Teil ihrer Erinnerung. Ebenso können sie kaum neue Erfahrungen abspeichern, auf die sie dann wieder zugreifen könnten. Sich nicht erinnern zu können, hinterlässt eine Verunsicherung, die bei Korsakowkranken allgegenwärtig ist. Für manche Betroffene mit starken Schädigungen bedeutet dies, täglich in einem fremden Zimmer aufzuwachen und auf einem Zettel nachlesen zu müssen, wo sie sich befinden (Fallbeispiel Sacks 1987). Es bedeutet von Menschen mit einem funktionierenden Gedächtnis abhängig zu sein und auf deren Aufrichtigkeit vertrauen zu müssen. Konfabulationen helfen den Betroffenen sich nicht ständig mit dem Vergessen auseinander setzen zu müssen. Andererseits schaffen sie in Situationen, in denen sie mit der Realität konfrontiert wird, aber auch immer wieder unangenehme und peinliche Momente. Für einen Betroffenen kann dieser Zustand bedeuten, dass er sich selber nicht mehr trauen kann. Manchmal kann er sich nicht erinnern, manchmal stimmen seine Erinnerungen einfach nicht. Für manche Betroffene führt dies dazu, dass sie sich selber als unfähig degradieren oder beständig den Schein einer gesunden Person aufrechterhalten müssen. Zu erkennen, wie stark das eigene Gedächtnis geschädigt wurde und die Konsequenzen und Einschränkungen für das eigene Leben zu entdecken, kann sehr schmerzlich und irritierend sein, denn intellektuell sind Korsakowpatienten gar nicht oder kaum beeinträchtigt (Hingsammer 2002). Das alltägliche Leben kann durch die Erkrankung nicht mehr selbständig bewältigt werden. Dies ist vielen Korsakowpatienten, insbesondere zu Anfang der Erkrankung, selbst noch nicht bewusst. Die Orientierung ist eingeschränkt, neue Wege und Orte werden nur langsam erschlossen und müssen zusammen mit anderen Personen erlernt werden. Veränderungen in der Umgebung können zu Verwirrung und Stress führen (Fallbeispiele: Sacks 1987, Deutschle 1998 S.99). Einkäufe in Geschäften oder auch werden zur Herausforderung, da auch hier das eigene Geld, die benötigten Waren und auch das Wechselgeld bedacht und erinnert werden müssen. Haushaltstätigkeiten bergen Gefahren vergessene Herdplatten, Bügeleisen, durch eingeschaltete und laufende Wasserhähne oder brennende Zigaretten. Seite 20 Aber auch der wiederkehrende Tagesablauf kann Schwierigkeiten bereiten. Krankheitsbedingt fehlt Betroffenen häufig die nötige Motivation, um am Morgen aufzustehen. Die Gewohnheit eines geregelten Tagesablaufs ist in der Zeit des intensiven Trinkens verloren gegangen. Termine und Tagespläne müssen erinnert werden. Dies gelingt selbst mit einem Kalender häufig nur schwer oder muss erlernt werden, denn nach dem Eintragen der Termine muss im Kalender auch regelmäßig nach Terminen geschaut werden. Die Antriebslosigkeit gepaart mit der Schwierigkeit sich neue Namen zu merken, kann auch leicht zum Rückzug in den eigenen Wohnbereich und damit schnell zur Vereinsamung führen. Eine Diabetes ist in Verbindung mit dem Korsakowsyndrom gefährlich, weil das regelmäßig Essen und den Blutzucker bestimmen, insbesondere beim Typ II der Diabetes, überlebenswichtig sein kann. Gleiches gilt für die Einnahme von anderen wichtigen oder sogar lebensnotwendigen Medikamenten. Korsakowkranke verlieren häufig den Überblick über ihre Medikationen, vergessen das regelmäßige Einnehmen oder auch, wofür sie ein bestimmtes Präparat eigentlich nehmen müssen. Die häufige Begleiterkrankung Polyneuropathie kann die Mobilität des Betroffenen erheblich einschränken und aufgrund der verminderten Temperatur- und Schmerzempfindlichkeit Probleme im Alltag bereiten. Zum Teil sind für Betroffene Hilfsmittel wie Rollatoren, Gehhilfen oder Rollstühle unerlässlich. Die Nutzung dieser Hilfsmittel stellt aber gleichzeitig eine emotionale Belastung dar, weil sie für viele Personen gleichbedeutend mit einer Behinderung sind und dies so für die Außenwelt sichtbar gemacht wird. Die Einschränkungen und Behinderungen durch das WKS und seine Begleiterkrankungen sind vielschichtig und dem Betroffenen nicht immer bewusst. Die Behinderungen, die bewusst sind, können eine Belastung für das Selbstwertgefühl sein. 1.4 Einordnung des WKS nach dem ICF Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) ist eine Klassifikation in der systematisch der funktionale Gesundheitszustandes, die Behinderung, die soziale Beeinträchtigung und die relevanten Umweltfaktoren eines Menschen beschrieben werden. Die ICF bietet einen Katalog zur einheitlichen Einordnung von Problemen die Seite 21 aufgrund von Erkrankungen entstehen können. Außerdem beschränkt sich die ICF nicht wie die ICD 10 auf eine Erkrankung bzw. ein Gesundheitsproblem sondern bezieht in die Bewertung die bereits genannten Bereiche ein, um ein ganzheitliches Bild der Gesundheitsprobleme und ihrer Bedeutung für das Leben zu liefern. In der folgenden Abbildung werden die verschiedenen Bereiche der Funktionsfähigkeit und Behinderung auch in Wechselwirkungen zueinander dargestellt. So ergibt sich ein Bild in dem sich die komplexen Beziehungen zwischen Gesundheitsproblemen und Kontextfaktoren vereinfacht darstellen lassen. Abbildung 5: Darstellung der Wechselwirkungen nach dem ICF (Grafik aus Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, 2005) Seite 22 Die ICF benutzt ein System aus Buchstaben und Ziffern um einzelne Definitionen der Körperfunktion, Körperstruktur, Aktivität, Teilhabe und Umweltfaktoren zu codieren. Der immer am Anfang stehende Buchstabe beschreibt eine der Grundkomponenten in die die ICF unterteilt ist (b = Körperfunktionen, d= Teilhabe, s= Körperstrukturen usw.). Die darauf folgende Ziffer bezieht sich auf das Kapitel innerhalb der Komponente. Die nächste Ziffer unterteilt das Kapitel in eine zweite Gliederungsebene. Die letzten beiden Ziffern vor dem trennenden Punkt beschreiben die dritte Gliederungsebene. Nach dieser Einordnung kann jedes Problem, getrennt durch einen Punkt von der vorherigen Codierung, in seinem Ausmaß beschrieben werden. Die Ausprägung des Problems wird nach der folgenden Tabelle beschrieben: xxx.0 Problem nicht vorhanden (ohne, kein, unerheblich ...) 0-4% xxx.1 Problem leicht ausgeprägt (schwach, gering ...) 5-24% xxx.2 Problem mäßig ausgeprägt (mittel, ziemlich ...) 25-49% xxx.3 Problem erheblich ausgeprägt (hoch, äußerst ...) 50-95% xxx.4 Problem voll ausgeprägt 96-100% (komplett, total ...) xxx.8 nicht spezifiziert xxx.9 nicht anwendbar Die Codierung der ICF soll hier anhand eines Beispiels erklärt werden: Abbildung 6: ICF Codierung Das b ordnet dieses Beispiel der Komponente „Körperfunktionen“ zu. Die erste Ziffer ordnet es innerhalb der Komponente „Körperfunktionen“ dem Kapitel „mentalen Funktionen“ zu. Die nächste Ziffer zeigt die zweite Gliederungsebene „Funktionen der Orientierung“. Die folgenden beiden Ziffern unterteilen diese Ebene noch weiter in die „Orientierung zur Zeit“. Danach wird die Codierung durch einen Punkt unterbrochen. Nach diesem Punkt wird die Ausprägung des Problems mit 2 beschrieben. Das Bedeutet die Orientierung zur Zeit dieser Person ist „mäßig ausgeprägt“. Seite 23 Der ICF dient vornehmlich dazu die Funktionsfähigkeit und Behinderung von Individuen darzustellen. Im Gegensatz dazu ist die Einschätzung eines Krankheitsbildes durch die ICF nur bedingt möglich da sich beispielsweise der Bereich Umweltfaktoren vollständig auf die Lebenssituationen eines Individuums bezieht. Auch die Ausprägung der Funktionsfähigkeit und Behinderung beziehen sich immer auf die Situation eines Menschen. Trotzdem soll an dieser Stelle versuchen werden die auf Individuen ausgerichtete Klassifikation auf das Krankheitsbild WKS und die AlkoholPolyneuropathie anzuwenden. Dazu werden die Komponenten Körperfunktionen, Körperstrukturen und der Aktivitäten und Partizipation genutzt um aufzuzeigen in welchen Bereichen die Funktionsfähigkeit des Betroffenen eingeschränkt sein kann und Behinderungen auftreten können. Ausgelassen werden die Umweltfaktoren, die personenbezogenen Faktoren sowie die Bewertung der Schwere des Problems, da diese Bereiche die Lebenssituation eines Betroffenen darstellen und somit nicht auf ein Krankheitsbild anwendbar sind. Diese Einschätzung beschränkt sich auf die Auswirkung und Symptome des chronischen Verlaufs des WKS und vernachlässigt die nur temporär auftretenden Symptome in der akuten Entzündungsphase der Wernicke-Encephalopathie. 1.4.1 Aufzählung der nach der ICF codierten Bereichen in denen Probleme aufgrund vom WKS und Polyneuropathien auftreten können b Klassifikation der Körperfunktionen b114 Funktionen der Orientierung b1140 Orientierung zur Zeit b1141 Orientierung zum Ort b1142 Orientierung zur Person b11420 Orientierung zum eigenen Selbst b11421 Orientierung zu anderen Personen b126 Funktionen von Temperament und Persönlichkeit b1264 Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen b1265 Optimismus b130 Funktionen der psychischen Energie und des Antriebs b1301 Motivation b1303 Drang nach Suchtmitteln b144 Funktionen des Gedächtnisses b1440 Kurzzeitgedächtnis Seite 24 b1441 Langzeitgedächtnis b1442 Abrufen von Gedächtnisinhalten b152 Emotionale Funktionen b1520 (Situations)Angemessenheit der Emotion b156 Funktionen der Wahrnehmung b1564 Taktile Wahrnehmung b160 Funktionen des Denkens b1602 Inhalt des Denkens b1603 Kontrolle des Denkens b164 Höhere kognitive Funktionen b1641 Das Organisieren und Planen betreffende Funktionen b1642 Das Zeitmanagement betreffende Funktionen b1643 Kognitive Flexibilität b1644 Das Einsichtsvermögen betreffende Funktionen b1645 Das Urteilsvermögen betreffende Funktionen b180 Die Selbstwahrnehmung und die Zeitwahrnehmung betreffende Funktionen b1802 Zeitwahrnehmung b265 Funktionen des Tastens (Tastsinn) b270 Sinnesfunktionen bezüglich Temperatur und anderer Reize b2700 Temperaturempfinden b2702 Druck- und Berührungsempfinden b730 Funktionen der Muskelkraft b7300 Kraft isolierter Muskeln oder von Muskelgruppen b740 Funktionen der Muskelausdauer b7401 Ausdauer von Muskelgruppen b770 Funktionen der Bewegungsmuster beim Gehen s Klassifikation der Körperstrukturen s11008 Struktur des Großhirns, anders bezeichnet s75012 Muskeln des Unterschenkels s7508 Struktur der unteren Extremitäten, anders bezeichnet d Aktivitäten und Partizipation [Teilhabe] Elementares Lernen d135 Üben d155 Sich Fertigkeiten aneignen d1550 Sich elementare Fertigkeiten aneignen d1551 Sich komplexe Fertigkeiten aneignen d175 Probleme lösen d1750 Einfache Probleme lösen d1751 Komplexe Probleme lösen Seite 25 d210 Eine Einzelaufgabe übernehmen d2100 Eine einfache Aufgabe übernehmen d2101 Eine komplexe Aufgabe übernehmen d2102 Eine Einzelaufgabe unabhängig übernehmen d2103 Eine Einzelaufgabe in einer Gruppe bewältigen d220 Mehrfachaufgaben übernehmen d2200 Mehrfachaufgaben bearbeiten d2201 Mehrfachaufgaben abschließen d2202 Mehrfachaufgaben unabhängig übernehmen d2203 Mehrfachaufgaben in einer Gruppe übernehmen d230 Die tägliche Routine durchführen d2301 Die tägliche Routine planen Einfache und komplexe, koordinierte Handlungen auszuführen, um die Anforderungen der alltäglichen Prozeduren oder Pflichten zu planen und zu handhaben d2302 Die tägliche Routine abschließen d2303 Das eigene Aktivitätsniveau handhaben d410 Eine elementare Körperposition wechseln d4104 Stehen d4105 Sich beugen d4106 Seinen Körperschwerpunkt verlagern d415 In einer Körperposition verbleiben d4154 In stehender Position verbleiben d430 Gegenstände anheben und tragen d4300 Anheben d4301 Mit den Händen tragen d4302 Mit den Armen tragen d4303 Auf den Schultern, der Hüfte oder dem Rücken tragen d4304 Auf dem Kopf tragen d4305 Gegenstände absetzen d450 Gehen d4500 Kurze Entfernungen gehen d4501 Lange Entfernungen gehen d4502 Auf unterschiedlichen Oberflächen gehen d455 Sich auf andere Weise fortbewegen d4551 Klettern/steigen d4552 Rennen d4553 Springen d510 Sich waschen d5101 Den ganzen Körper waschen d520 Seine Körperteile pflegen d5200 Die Haut pflegen d5201 Die Zähne pflegen d5202 Das Haar pflegen d5203 Die Fingernägel pflegen Seite 26 d5204 Die Fußnägel pflegen Seite 27 d570 Auf seine Gesundheit achten d5700 Für seinen physischen Komfort sorgen d5701 Ernährung und Fitness handhaben d5702 Seine Gesundheit erhalten d610 Wohnraum beschaffen d6100 Wohnraum kaufen d6101 Wohnraum mieten d6102 Wohnraum möblieren d620 Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs beschaffen d6200 Einkaufen d6201 Die täglichen Notwendigkeiten unentgeltlich besorgen d630 Mahlzeiten vorbereiten d6300 Einfache Mahlzeiten vorbereiten d6301 Komplexe Mahlzeiten vorbereiten d640 Hausarbeiten erledigen d6401 Küchenbereich und –utensilien reinigen d6402 Den Wohnbereich reinigen d6405 Müll entsorgen d650 Haushaltsgegenstände pflegen d6500 Kleidung herstellen und reparieren d6501 Wohnung und Möbel instand halten d6502 Häusliche Geräte instand halten d6503 Fahrzeuge instand halten d6504 Hilfsmittel instand halten d6505 Innen- und Außenpflanzen pflegen d6506 Sich um Tiere kümmern d660 Anderen helfen d6600 Anderen bei der Selbstversorgung helfen d6601 Anderen bei der (Fort)Bewegung helfen d6603 Anderen bei interpersonellen Beziehungen helfen d6604 Anderen bei der Ernährung helfen d6605 Anderen bei der Erhaltung ihrer Gesundheit helfen d820 Schulbildung d825 Theoretische Berufsausbildung d830 Höhere Bildung und Ausbildung d840 Vorbereitung auf Erwerbstätigkeit d845 Eine Arbeit erhalten, behalten und beenden d8450 Arbeit suchen d8451 Ein Arbeitsverhältnis behalten d850 Bezahlte Tätigkeit d8500 Selbständige Tätigkeit d8501 Teilzeitbeschäftigung d8502 Vollzeitbeschäftigung Seite 28 d855 Unbezahlte Tätigkeit d860 Elementare wirtschaftliche Transaktionen d865 Komplexe wirtschaftliche Transaktionen d870 Wirtschaftliche Eigenständigkeit d8700 Persönliche wirtschaftliche Ressourcen d8701 Öffentliche wirtschaftliche Ansprüche d920 Erholung und Freizeit d9200 Spiel d9201 Sport Die vielen und vielschichtigen Bereiche in denen Probleme aufgrund des WKS und Polyneuropathien auftreten können, machen deutlich wie einschneidend und behindernd eine Erkrankung an einem oder beiden Krankheitsbildern sein kann. Die ausgewählten Bereiche können bei der Anwendung auf einen konkreten Fall helfen die individuelle Bedeutung der Erkrankung für das Leben einzuschätzen. Sie bieten auch die Möglichkeit die Schwere der Erkrankung und die notwendige Hilfe anhand eines international anerkannten Standards zu bewerten und nachvollziehbar aufzuschlüsseln. Seite 29 2 Pädagogische Handlungsansätze 2.1 Gesetzliche Zielsetzung / Leistungsübernahme In Deutschland wird die Förderarbeit für Korsakowkranke durch das SGB 12 als Eingliederungshilfe für behinderte Menschen geregelt. Die Erkrankung am WKS wird als Behinderung angesehen, da die betroffene Person nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des SGB 9 „ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“. In diesem Fall sind diese Personen berechtigt, die Förderung in einer Einrichtung auf Grundlage der „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“ (§ 53 SGB 12) in Anspruch zu nehmen. Auf diese Förderung haben sie ein Recht, solange sie diese Behinderung haben oder „von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind“ (§ 53 Abs. 1 Satz 1 SGB 12) oder solange Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Diese Aufgabe besteht darin, „eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern“ (§ 53 Abs. 3 Satz 1 SGB 12). Die zu beseitigenden Behinderungen bzw. die Kompensation ihrer Folgen sind beim WKS insbesondere die beeinträchtigte Gedächtnisleistung und die Einschränkungen der Mobilität. Eine beim WKS besonders zutreffende Aufgabe ist es, betroffene Personen „so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen“ (§ 53 Abs. 3 Satz 2 SGB 12). Diese Aufgabe ist besonders unter Berücksichtigung der neueren Entwicklung wichtig, da Personen mit dem WKS noch vor wenigen Jahren nur in Pflegeeinrichtungen „verwahrt“ und nicht individuell gefördert wurden (McIntosh 2004). Um frühzeitige Unterbringung in einer reinen Pflegeeinrichtung vorzubeugen, ist es nach § 55 Satz 1 SGB 12 möglich, in einer vollstationären Einrichtung auch Pflegeleistungen zu erbringen, bis der Grad der Pflege die Möglichkeit der Einrichtung übersteigt. Zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt oder zur Aufnahme einer angemessenen Tätigkeit sieht § 55 des SGB 12 die Hilfe zur Ausbildung für angemessene Tätigkeit oder die Hilfe durch eine, dem zweiten Arbeitsmarkt Seite 30 entsprechende, Beschäftigungsstätte vor. Gesetzliche Aufgaben durch die Eingliederungshilfe sind also zusammenfassend: • Eingliederung in die Gesellschaft • Eingliederung in den Arbeitsmarkt oder Aufnahme eine angemessenen Tätigkeit • Behinderung und ihre Folgen mildern oder beseitigen • Pflegeaufgaben, soweit machbar, wahrnehmen und dadurch • die Unabhängigkeit von Pflege wahren oder soweit möglich herstellen 2.2 Grundsätzliche pädagogische Theorien Als Grundlage für das pädagogische Handeln mit Korsakowkranken habe ich für diese Arbeit drei bekannte Ansätze aus der Pädagogik ausgewählt. Ich habe mich für den subjektorientierte Ansatz entschieden, um das Spannungsfeld zwischen Bevormundung und Unabhängigkeit von Betreuern und Betreuten zu thematisieren. Der subjektorientierte Ansatz kann als ein Gegenstück zum Realitätsorientierungstraining gesehen werden, welches im Kapitel der praktischen pädagogischen Handlungsmöglichkeiten genauer beschrieben wird. Weiterer beschreibe ich den systemischen Ansatz als eine Möglichkeit der pädagogischen Handlung, der Alkoholabhängigkeit nicht nur als ein persönliches Problem sieht, sondern als ein Problem des gesamten sozialen Umfelds. Als dritte grundlegende pädagogische Theorie habe ich die klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers gewählt. Sie ist laut Feuerlein die häufigste Form der Psychotherapie in Therapieeinrichtungen für Alkoholkranke (Feuerlein 1989 S.189). Am Ende dieses Kapitels gehe ich auf die Grundsatzfrage ein, ob in der pädagogischen Arbeit mit Korsakowkranken, Abstinenz eins der Ziele sein sollte. Im Kapitel 2.3 gehe ich darauf ein, wie die pädagogische Arbeit praktisch aussehen kann. 2.2.1 Ansatz der Subjektorientierung Ziel der pädagogischen Handlungen und Interventionen, im Sinne des emanzipatorischen Gedankens, ist die schrittweise Überwindung von Abhängigkeiten und die schrittweise Erweiterung eigenverantwortlicher Handlungsfähigkeit. Da das Korsakowsyndrom eine chronische Seite 31 Schädigung des Gehirns ist, sind Heilungsmöglichkeiten und die pädagogischen Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Trotzdem ist davon auszugehen, dass Fortschritte erzielt werden können und so die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Betroffenen erweitert werden kann. Nicht die Utopie der vollständigen Autonomie ist Ziel der pädagogischen Handlung, sondern die Erweiterung selbstbewussten und selbstbestimmten Handelns in sozialen Beziehungen. Der Ansatz der Subjektorientierung stellt das Subjekt in den Mittelpunkt. „Subjektorientiert“ heißt, dass im Mittelpunkt der Pädagogik das Individuum und die Entfaltung seiner individuellen und einzigartigen Persönlichkeit stehen. Die subjektorientierte Pädagogik orientiert sich nicht an den gesellschaftlich und politisch zugewiesenen Entwicklungserwartungen, sondern will individuelle Entwicklungen und Entfaltungsräume ermöglichen. Sie ist nach Scherr (Scherr 1997 S.) insbesondere geprägt durch fünf Merkmale in der Entwicklung des Individuums: die Subjektwerdung, das Selbstbewusstsein, die Selbstachtung, die Selbstbestimmung und die Subjektbildung. 2.2.1.1 Subjektwerdung und Subjektbildung Jeder Mensch beginnt sein Leben in totaler Abhängigkeit von anderen Menschen. Diese Abhängigkeiten bestehen sowohl materiell (Wohnort, Nahrung etc.) als auch geistig (Kultur, Wissen etc.) und emotional (Aufmerksamkeit, Liebe etc.). Im Prozess der Sozialisation lernt der Mensch schrittweise aus dieser totalen Abhängigkeit in allen Bereichen unabhängiger zu werden, wenngleich er niemals vollständig unabhängig wird. Dieser Prozess kann auch Subjektwerdung genannt werden und er ist nicht nur auf die Zeit der Kindheit und Jugend beschränkt. Das Ziel bei der Subjektwerdung ist die schrittweise Überwindung von Abhängigkeiten und die schrittweise Erweiterung eigenverantwortlicher Handlungsfähigkeit. Soziale Abhängigkeiten von Alkoholikern können vielfältig sein und sich über die Familie, das soziale Umfeld und den Arbeitsplatz erstrecken, aber auch zuständige Behörden und Hilfseinrichtungen einbeziehen. Neben den sozialen Abhängigkeiten bestehen Alkohol- und andere stoffliche Abhängigkeiten, welche entscheidend die eigene Freiheit einschränken können. Die Korsakowerkrankung kommt hierbei mit ihren einschränkenden Symptomen erschwerend hinzu. Subjektwerdung kann Seite 32 bei Korsakowkranken also bedeuten, in den Gebieten der sozialen, stofflichen und der neuen Abhängigkeit aufgrund der Krankheitssymptome, die eigenverantwortliche Handlungsfähigkeit zu erweitern. Durch die Subjektbildung sollen verinnerlichte Zwänge zurückgedrängt werden, um sich selber bewusste Freiräume zum selbstbestimmten Leben zu schaffen. Man geht davon aus, dass Zwänge, die als Zwänge bewusst werden, ihren unhinterfragbaren Charakter der Selbstverständlichkeit verlieren und so leichter zu ändern sind. verinnerlichten Zwänge, Speziell für Alkoholiker können solche beispielsweise aus Trinkgewohnheiten, bei Problem- oder Stresssituationen bestehen. Die Bewusstwerdung dieser Zwänge kann dabei helfen, diese Situationen anders zu gestalten. 2.2.1.2 bewusstsein Selbst- Das Wort Selbstbewusstsein steht in diesem Zusammenhang nicht für Selbstachtung, sondern für das Wissen über sich selbst. Selbstbewusstsein ist die Fähigkeit des Menschen sich selbst distanziert zu betrachten. Es geht darum, der eigenen Person bewusst zu werden und dieses Bewusstsein in ein sprachlich fassbares Wissen zu überführen. Indem wir über uns selbst nachdenken, werden eigene Bedürfnisse, Motive, Gründe, Absichten und Interessen zum Gegenstand der Reflexion. Für Alkoholiker kann dies im besonderen Maße die Beschäftigung mit der Abhängigkeit bedeuten. In diesem Zusammenhang können beispielsweise unbefriedigte Bedürfnisse erkannt oder auch die eigenen Motive für das Trinken entdeckt werden. Auf diese Weise kann unbewusstes Handeln bewusst gemacht und verändert werden. Selbstbewusstsein bedeutet allerdings auch, die eigene Suchterkrankung zu erkennen und anzunehmen. Für Korsakowkranke hat das Wissen über sich selbst eine weitere wichtige Komponente. Sie müssen sich mit ihrer Gedächtnisschwäche und den Konfabulationen auseinandersetzen. Die Krankheitseinsicht fällt vielen Betroffenen in den Bereichen Sucht- und Korsakowerkrankung schwer. 2.2.1.3 achtung Selbst- Fehlende Selbstachtung wird häufig als Begründung für Suchtkrankheiten genannt. Fehlende Selbstachtung kann viele Gründe haben. Bei der Entwicklung von Selbstwert kann man allerdings davon ausgehen, dass er Seite 33 niemals autonom entwickelt wird, sondern durch Wertschätzung von „außen“ an eine Person herangetragen wird und sich durch die Erfahrungen, die ein Mensch macht, entwickelt. Eine Person, die anerkannt und respektiert wird, kann sich auch selber anerkennen und respektieren. Dabei ist es offensichtlich wichtig, welcher Wert der aussagenden Person zugemessen wird. Korsakowkranke kommen aus einer langjährigen Alkoholabhängigkeit, in der sie oft nur als Süchtige wahrgenommen werden. Für viele wird dies die einzige Identifikation und sozialer Bezugspunkt zu anderen Menschen, die ebenfalls süchtig sind. Für die pädagogische Arbeit mit Korsakowkranken kann dies den Spagat zwischen der notwendigen Thematisierung der Suchterkrankung und der Wertschätzung der Person, ohne den Bezug zum Alkohol, bedeuten. Außerdem stellt es den Pädagogen vor die Aufgabe, für den Betreuten relevant zu sein, um mit der vermittelten Wertschätzung auch ernst genommen zu werden. 2.2.1.4 bestimmung Selbst- Selbstbestimmung ist die Fähigkeit und das Recht, das eigene Leben bewusst zu gestalten. Sie setzt Selbstachtung, Selbstbewusstsein, aber auch Ressourcen im materiellen Bereich voraus. Die Selbstbestimmung des eigenen Lebens wird begünstigt oder behindert von Gesetzten, gesellschaftlichen Normen und Erwartungen oder dem direkten sozialen Umfeld. Sie wird aber auch bestimmt von der Einstellung zu sich selbst und der Fähigkeit zu wissen was man selber eigentlich will. Bei der Förderung von Selbstbestimmung müssen sich Pädagogen mit der Lebenswirklichkeit der Korsakowkranken und den Möglichkeiten und Beschränkungen der Selbstbestimmung auseinandersetzten und entdecken, welchen pädagogischen Beitrag sie zur Erweiterung der Selbstbestimmung beitragen können. Hierbei bewegen sich Pädagogen in den festen Regeln der gerichtlich festgelegten Betreuung, als auch in den Regeln der zuständigen Einrichtungen, sowie in den eigenen Ermessensspielräumen der pädagogischen Arbeit. Innerhalb dieser Grenzen gilt es Selbstbestimmung zu trainieren, zu fördern, zu fordern und entsprechende Handlungsräume zu gestalten. Seite 34 2.2.2 Der systemische Ansatz Systemische Beratung/Therapie ist kein einheitliches therapeutisches Modell, sondern eher eine Sammlung unterschiedlicher Modelle, die teilweise sehr verschieden aussehen, aber gemeinsame Wurzeln in der Systemischen Theorie und im Systemischen Denken haben. Systematische Beratung hat wesentlich dazu beigetragen, dass Störungen und Konflikte in der Beratung nicht einfach individualisiert und pathologisiert, sondern mit dem sozialen Umfeld vernetzt werden (Radice von Wogau 2004 S.45). Das bedeutet, dass Störungen, Krankheiten oder Probleme in der Systemischen Beratung nicht als Ding gesehen werden, sondern als Prozesse sozialer Beziehungen in Handlungen und Kommunikation (von Schlippe 1996 S.102). Systemische Beratung fragt nach dem sozialen Umfeld, in dem eine Person lebt. Klassisches Beispiel eines solchen Systems ist die Familie. Jedes Familienmitglied hat eine Beziehung zu den anderen Familienmitgliedern. Spannungen und Probleme in der Familie können sich in den Problemen einzelner Familienmitglieder niederschlagen oder auch weitergegeben werden. Soziale Systeme befinden sich natürlich auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise dem beruflichen Umfeld, Klassenverbänden, Freundeskreisen, Glaubensgemeinschaften etc.. Die Systemische Theorie vermutet, dass der Grund für Probleme in gestörten Beziehungen und Kommunikationsformen liegt. Dafür wird das System untersucht und die Beziehungen offen gelegt. Man geht davon aus, dass ein System Störungen beinhaltet, wenn es nicht im Gleichgewicht ist. Gleichzeitig hat jedes System selbstheilende Kräfte, um sich selber wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Sinn der Systemischen Beratung ist es, einen Anstoß zu geben, um aus einem gestörten System wieder auszubrechen und die selbstheilenden Kräfte des Systems zu aktivieren. Wie der Anstoß aussieht, der die Selbstheilung des Systems aktiviert, ist von Modell zu Modell in der Systemischen Beratung unterschiedlich. Der Systemische Ansatz sieht die Ursache von Problemen nicht nur bei dem Betroffenen, sondern in dessen sozialen System. Ursache eines Problems kann ein Systemfehler sein, der sich negativ auf das ganze System auswirkt. Der Systemische Gedanke sieht in einem problematischen Verhalten nicht nur das Problem und Fehlverhalten eines Individuums, sondern das Problem einer Gruppe von Individuen die sich in einem sozialen System bewegen Seite 35 und sich gegenseitig beeinflussen. Auch Alkoholismus kann seinen Ursprung in einem sozialen System haben. Feuerlein gibt beispielsweise den Prozentsatz der Alkoholiker, deren Eltern bereits Alkoholiker waren, mit 31% an (Feuerlein 1989, S.47). Aus systemischer Sicht kann der Alkoholismus der Elterngeneration die Störung eines familiären Systems sein. Aus dieser Störung des Systems können sich weitere Probleme ergeben, bzw. die Systemstörung kann von der Elterngeneration in die Kindergeneration weitergegeben werden. Ein explizit zu nennendes Phänomen in der Systemischen Betrachtung von Alkoholikern ist die CoAbhängigkeit. Co-Abhängige sind Personen, die in einer familiären oder partnerschaftlichen Beziehung zu einem Alkoholabhängigen leben und somit von der Sucht ebenfalls betroffenen sind. Ihre Reaktion auf die Abhängigkeit kann unterschiedlich sein, wird aber von der Sucht beeinflusst. Co-Abhängigkeit beschreibt eine Rolle in einem System. Die Systemische Theorie sucht in Systemen nach Rollen und versucht zu klären, wie deren Einfluss auf das System und auf den Rollenträger selbst ist. In der Arbeit mit Korsakowkranken ist das Bewusstwerden der eigenen Rolle in den unterschiedlichen Systemen wichtig. Dazu kommt auch die Frage, ob die Rollen den Alkoholismus gefördert haben, die eigene Rolle durch die Korsakowerkrankung in Frage gestellt oder sogar zerstört wurde und welche Rolle ein Betroffener übernehmen wird, wenn er in ein altes soziales System zurückkehrt. Der Systemische Gedanke ist für die Arbeit mit Korsakowkranken auch wichtig, weil bei der Rückkehr eines Erkrankten in die Familie oder Partnerschaft, die Auswirkungen des Erkrankten auf das soziale System und umgekehrt beachtet werden müssen. Ein soziales System muss insbesondere die körperlichen Defizite, als auch die Gedächtnisdefizite aushalten und kompensieren können und aufgeschlossen für die Abstinenz sein. Gedächtnisdefizite können sich besonders belastend auf Partnerschaften auswirken und werden oft unterschätzt. Der gesunde Partner muss sich dann für zwei Personen erinnern und kann auf Dauer mit der Situation überfordert sein. Für einen Betroffenen kann die Rückkehr in ein soziales System bedrohlich sein, in dem nicht alle Alkoholiker abstinent leben. Die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls ist hierbei erhöht. Nicht alle Grundsätze und Annahmen der Systematischen Beratung sind für die Arbeit mit Korsakowkranken anwendbar. Allerdings hilft das Denken in Systemen den Pädagogen, die Seite 36 Probleme neu zu durchdenken und weitere Lösungsansätze zu finden. Eine zentrale Forderung der Systemischen Theorie kann sehr passend in die Arbeit mit Korsakowkranken integriert werden: Handle stets so, dass du die Anzahl der Entwicklungsmöglichkeiten vergrößerst (Von Foerster 1993 S.233). 2.2.3 Klientenzentrierte Gesprächsführung Die Klientenzentrierte Gesprächsführung wird auch Gesprächspsychotherapie oder non-direktive Psychotherapie genannt. Sie ist eng verknüpft mit ihrem Erfinder Carl Rogers. Die Klientenzentrierte Gesprächsführung bemüht sich um die Selbstexploration des Betreuten und versucht ihn, mit der Darstellung von bedingungsloser positiver Wertschätzung, Empathie und Kongruenz darin zu unterstützen (Rogers 1942 S.38ff). Roger nennt die grundlegende Hypothese: „Wirksame Beratung besteht aus einer eindeutig strukturierten, gewährenden Beziehung, die es dem Klienten ermöglicht, zu einem Verständnis seiner selbst in einem Ausmaß zu gelangen, das ihn befähigt, aufgrund dieser neuen Orientierung positive Schritte zu unternehmen“ (Rogers 1942 S.28). In Einzel- oder Gruppengesprächen versucht der Gesprächsführer durch Spiegeln die geäußerten Emotionen in anderen Worten wiederzugeben und so das Gespräch immer wieder auf die emotionale Ebene zu führen. Teil der Klientenzentrierten Gesprächsführung ist auch der Verzicht auf analysiertes Deuten der Aussagen des Gesprächspartners und insbesondere Verzicht auf direkte Ratschläge und Handlungsanweisungen (Rogers 1942 S.108). In der pädagogischen Arbeit mit Alkoholkranken und auch in der Arbeit mit Korsakowkranken wird das Ziel der Selbstexploration ebenfalls verfolgt und auch die Grundeinstellung des Betreuers sollte den vier Grundprinzipien der Gesprächsführung entsprechen. Allerdings empfiehlt Feuerlein (Feuerlein S. 1989 S.189), mit Bezug auf andere Autoren wie Zimberg (Zimberg 1982), ein direktiveres Vorgehen mit Unterstützung der Abwehrmechanismen des Betreuten. Eine weitere Einschränkung ist die Reflexionsfähigkeit und Selbstexplorationsfähigkeit einer Person. Gentlin, ein Schüler Rogers, schränkt den Nutzen der Klientenzentrierten Gesprächsführung für Personen, die noch keinen ausreichenden Bezug zu ihren eigenen Gefühlen gefunden haben, ein. In der klassischen Klientenzentrierten Gesprächsführung hat sich deshalb das Seite 37 Focusing als eine Vorstufe der eigentlichen Sitzungen etabliert. Focusing soll als Vorarbeit dem Klienten, wie Roger seinen Gesprächspartner nennt, helfen, einen Bezug zu seinen eigenen Gefühlen herzustellen, Gefühle wahrzunehmen und zu erkennen, was er eigentlich fühlt. Der Betreute muss lernen, die eigenen inneren Vorgänge und Gefühle benennen zu können und einen Bezug zu seiner eigenen Gefühlswelt herzustellen. Die Fähigkeit eigene Gefühle bewusst wahrzunehmen und beschreiben zu können, gibt die Grundlage, die eigenen Gefühle wiederzugeben und diese differenzierter und auch distanzierter zu besprechen und zu bedenken. 2.2.4 Abstinenz beim WKS Als eine Grundlage in der Arbeit mit Korsakowkranken ist die Frage zu beantworten, ob grundsätzlich abstinent orientiert gearbeitet werden muss oder, ob es auch Alternativen zur Abstinenz gibt. Das Modell der Abstinenz ist in der Drogenberatung nicht mehr das einzig denkbare Modell. Für Personen die durch Alkoholkonsum am WKS und anderen Alkoholfolgeerkrankungen wie Leberzirrhosen, Varizen oder Diabets Mellitus erkrankt sind, stellt sich allerdings erneut die Frage, ob Abstinenz in dieser Situation vielleicht doch die einzig sinnvolle Möglichkeit ist. Körkel ist der Meinung, dass Vorschädigungen des Körpers relative Kontraindikationen für kontrolliertes Trinken seien (Körkel 2005 S.184). Absolute Kontraindikationen sind für ihn eine bereits erreichte Abstinenz oder der feste Entschluss zur Abstinenz. Der Frage, ob eine am WKS erkrankte Person durch kontrolliertes Trinken und bei ausreichender Thiaminaufnahme ihre Hirnschädigung weiter verschlimmern kann, ist in der Literatur niemand nachgegangen. Die Erkrankung am WKS setzt in der Regel einen exzessiven Alkoholkonsum über einen längeren Zeitraum voraus. Es ist fraglich ob Personen, deren Alkoholkonsum so stark außer Kontrolle geraten eingeschränktem ist, wieder Trinken dauerhaft finden zu können. einem regelmäßigen Zusätzlich ist das selbstkontrollierte Trinken, wie es Körkel beschreibt, ein aufwendiges Programm, welches Disziplin, Entschlossenheit und auch ein gewisses Maß an Merkfähigkeit für das Trinktagebuch erfordert (Körkel 2005 S.164). Als Alternative zum selbstkontrollierten Trinken besteht noch die Möglichkeit des fremdkontrollierten Trinkens, welches aber die Aufgabe eines Teils der Unabhängigkeit bzw. Selbständigkeit erfordert. Seite 38 Vor diesen Zusammenhängen und der ungeklärten Frage, ob sich das WKS allein durch regelmäßigen aber kontrollierten Alkoholkonsum verschlimmert, scheint mir für Personen, die an dem WKS erkrankt sind, eine abstinentes Leben alternativlos. Sollte sich trotzdem eine betroffene Person bewusst für ein Leben mit Alkohol entscheiden, sollte dies zur weiteren Risikominderung fremdkontrolliert geführt werden. Seite 39 3 Praktische pädagogische Handlungsmöglichkeiten Oliver Sacks schreibt in seinem bereits erwähnten Bericht über den verlorenen Seemann Jimmy G. einen Brief an den russischen Neurologen Lurjia und bekommt folgende Antwort: Was konnten wir tun? Was sollten wir tun? Für einen Fall wie diesen gibt es kein Rezept, schrieb Lurija. Lassen Sie sich von Ihrem Verstand und von Ihrem Herzen leiten. Es gibt keine, oder nur wenig Hoffnung auf eine Wiederherstellung seines Gedächtnisses. Aber ein Mensch besteht nicht nur aus dem Gedächtnis. Er verfügt auch über Gefühle und Empfindungen, über einen Willen, über moralische Grundsätze - Dinge, über die die Neuropsychologie kein Urteil fällen kann. Und in diesem Bereich, jenseits der unpersönlichen Psychologie, finden Sie vielleicht eine Möglichkeit, ihn zu erreichen und eine Veränderung herbeizuführen. In Ihrem Fall lassen die äußeren Umstände dies ja zu, denn Sie sind in einem Heim tätig, das wie eine kleine Welt aufgebaut ist und sich sehr von den Kliniken und Anstalten, in denen ich arbeite, unterscheidet. In neuropsychologischer Hinsicht können Sie wenig oder nichts tun, aber in der Sphäre des Individuellen können Sie viel erreichen. Am 6.September 2008 wird Dr. Armand Hingsammer im Weser Kurier anlässlich der Jubiläumsfeier einer Einrichtung für „chronische Alkoholiker mit Hirnorganischem Abbau“ zitiert (Weber 2008): „Die gestörte Merkfähigkeit [von Korsakowkranken] lässt sich nicht durch sprachliche Einwirkung und Förderung mildern, sondern durch alltagspraktische Handlungen und Übungen wie Bettenmachen und Körperpflege.“ Deutsche schreibt: “Zum therapeutischen Vorgehen findet sich in der Literatur kein allgemein akzeptiertes therapeutisches Rahmenkonzept. […] Wir haben unser Programm immer wieder modifiziert und dabei versucht, die Alltagsrelevanz nicht aus den Augen zu verlieren. „ (Deutschle 1998 S.94). Seite 40 Diesen drei Zitaten lassen sich drei Punkte entnehmen. Erstens sind die Hilfskonzepte und damit auch die Erfahrung im Umgang mit Korsakowkranken noch sehr gering. Zweitens muss ein Hilfskonzept immer individuell auf die Person angepasst werden. Drittens sollte das Wiedererlernen des alltäglichen Lebens eine zentrale Rolle in den heutigen Hilfskonzepten einnehmen. Die Hilfe, die Betroffene im Fall eines WKS bekommen können, lässt sich ähnlich einteilen wie die Krankheit selber. Die akute Wernicke- Encephalopahtie wird, wie bereits geschildert, in einer Klinik behandelt. Die benötigte Hilfe ist in Form von Thiamingaben und gesundem Essen ist eindeutig und allgemein anerkannt. Nach dem Übergang in die chronische Verlaufsform, dem Korsakowsyndrom, stehen die bereits beschriebenen Ursachen für das Korsakowsyndrom zwar fest, aber hier endet der Weg der detailliert dokumentierten Hilfskonzepte. Da das Korsakow-Syndrom chronisch und die Schädigung im Gehirn pathologisch irreversibel ist, war noch bis vor einem Jahrzehnt die Annahme weit verbreitet, dass der allgemeine Zustand betroffener Personen nicht mehr weiter zu verbessern wäre. Als Folge wurden die meisten Betroffenen in Pflegeheimen und Gerontopsychiatrien untergebracht, wenn es nicht möglich war, sie wieder in die eigene Familie zu integrieren. Für Personen, die nur leicht vom Korsakow-Syndrom betroffen waren, bestand noch die Möglichkeit einer normalen Alkoholtherapie. In den letzten Jahren änderten sich die Ansichten und Möglichkeiten in diesem Bereich teils drastisch. Es entstanden vielerorts speziell auf Personen mit dem Korsakow-Syndrom zugeschnittene Fördereinrichtungen oder Abteilungen von Pflegeheimen. Auch die Erwartungen an die persönliche Entwicklung der Betroffenen hat sich verändert (Hingsammer 2002). Der Umstand, dass diese Form der Fördereinrichtungen noch relativ jung ist und die Erkenntnisse über die möglichen Entwicklungen noch wenig dokumentiert sind, ist es wohl zuzuschreiben, dass es bisher nur wenig Literatur zu diesem Thema gibt. 3.1 Realitätsorientierungstraining Das Realitätsorientierungstraining (ROT) ist ein Programm, das in den 60er Jahren von Lucille R. Taulbee und James C. Folsom entwickelt und beschrieben wurde, um dementiell erkrankte Menschen nicht Seite 41 medikamentös zu behandeln (Taulbee 1966). Es ist ein sehr weit verbreitetes Training, welches in vielen unterschiedlichen Formen angewandt wird. Ziel des ROT ist es, das Erinnerungsvermögen zu erhalten, die Kommunikation zwischen Betreutem und Betreuer zu verbessern, die Ressourcen des Betreuten zu erhalten und zu fördern und ihm die Orientierung und den Bezug zur Realität zu jedem Zeitpunkt zu ermöglichen. Das ROT arbeitet dabei mit Umweltmodifikationen wie Hinweisschildern, Tagesablaufstrukturierung und Orientierungspunkten. Die gesamte Einrichtung wird auf die zeitliche und örtliche Orientierung der Korsakowkranken abgestimmt. Besonders bekannt sind dabei die „Realitäts-Orientierungs-Tafeln“ (Englisch: RO Boards). Diese Tafel können Informationen wie Datum, Jahreszeit, Wetter, Mahlzeiten, den Aufenthaltsort etc. enthalten und sollen den Betreuten Orientierungspunkte und Informationen bieten. Neben der örtlichen Anpassung an die Betroffenen soll auch die Kommunikation angepasst werden. Die Betreuer sollen einfache und verständliche Unterstützung und Informationen nutzen. Die Betreuer verzichten auf Ironie und Zweideutigkeiten, suchen dafür den Blickkontakt, sprechen die Personen mit ihrem Namen an und tragen selber Namensschilder. Diese Form des Realitätsorientierungstrainings wird auch „24 Stunden ROT“ oder „Informelles ROT“ genannt, da es dauerhaft und 24 Stunden am Tag eingesetzt wird (Spector 2000, Taulbee 1966). Eine andere Form des Realitätsorientierungstrainings ist das „Formale ROT“ oder auch „Klassenraum ROT“ (Englisch: Classroom RO). Diese Form des ROT kann als ambulante Betreuung von Betroffenen oder auch als Zusatz zum informellen ROT in einer stationären Einrichtung angeboten werden (Spector 2000). Das formale ROT findet in betreuten Gruppen statt, die sich regelmäßig treffen und durch verschiedene Aktivitäten die Orientierung und den Realitätsbezug trainieren. Darin können beispielsweise Gedächtnisübungen, Orientierungsveranstaltungen zur Jahreszeit oder Aufgaben zum Erhalt der kognitiven Fähigkeiten enthalten sein. Einzelne Bestandteile des ROT sind in der Behandlung von dementiell erkrankten Personen weit verbreitet, allerdings wird von Folsom beklagt, dass häufig nur einzelne, markante Aspekte des ROT, wie die Tafel, verwandt werden und nicht die Theorie in ihrer ganzen Breite angewendet wird (Folsom 1985). Auch die Effektivität des ROT wird allgemein kontrovers disku- Seite 42 tiert und mit unterschiedlichsten Ergebnissen seit 1966 immer wieder neu erforscht (Spector 2000). Kritisiert wird insbesondere der Umstand, dass das ROT teilweise mechanisch und unsensitiv von Betreuern angewandt wird und durch die vorgegebene Tagesstruktur die individuelle Betreuung eingeschränkt und der Betreute dadurch entmündigt wird (Powell-Proctor & Miller, 1982). Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das ROT durch seinen Realitätsbezug den an Amnesie leidenden Menschen regelmäßig damit konfrontiert, dass seine subjektive Realität nur Fiktion ist (Woods 2002). Deshalb hat sich in der Demenzforschung und Pflege seit den 90er Jahren der Personenzentrierte Ansatz etabliert, welcher die subjektive Realität der dementen Person anerkennt und nicht negiert (Kitwood 1997). Seit dem Millennium erleben die Forschung und das Interesse um das ROT allerdings eine neue Blütezeit (Zanetti 2002), die eine leidenschaftliche Diskussion um Moral und Respekt gegenüber den erkrankten Personen ausgelöst hat (Woods 2002). Dabei gehen die Autoren fast ausschließlich auf die Alzheimer-Demenz als häufigste Amnesieform ein. Eine Erforschung der Wirkung des ROT auf Personen, die am WKS erkrankt sind, gibt es bisher nicht. Dennoch lassen die Schilderungen von Deutschle und Hingsammer darauf schließen, dass in der Praxis große Teile des ROT mit Erfolg in der Förderung von Korsakowkranken angewendet werden (Deutschle 1998 S.98, Hingsammer 2002). Die grundsätzliche Frage nach der Wahl der Therapieform bei Demenzkranken lässt sich auch bei der Betreuung von Korsakowkranken stellen:„Rechtfertigen die erzielten Erfolge durch die Realitätsorientierung die teilweise schmerzhafte Konfrontation und Herausforderung durch Korrektur und ständiger Neuorientierung?“ Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu beachten, dass derselben Diskussion, im Fall von Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen, ein anderes Krankheitsbild zugrunde liegt als beim WKS. Die meisten Demenzerkrankungen sind fortschreitende Erkrankungen, die beim jetzigen Stand der Forschung unheilbar sind und deren Fortschritt nur verlangsamt werden kann. Zwar ist auch das WKS nach dem heutigen Stand der Wissenschaft unheilbar, es ist aber nach der akuten Phase der Wernicke-Enzephalopathie nicht mehr fortschreitend. Eine Verbesserung in der Orientierung und Selbständigkeit ist damit nicht zeitlich begrenzt, bis der Abbau weiter fortschreitet, sondern eine dauerhafte Errungenschaft. Die kritisierte feste Tagesstruktur kann dabei bei Korsakowkranken als Vorteil gesehen werden. Das nächste Kapitel Seite 43 setzt sich genauer mit der Adaption und praktischen Umsetzung des Realitätsorientierungstrainings bei Korsakowkranken auseinander. 3.1.1 Der strukturierte Alltag Wie es schon im Zitat von Dr. Armand Hingsammer aus dem Weser Kurier angeklungen, ist das Erlernen des Alltags ein zentraler Punkt und wichtige Ansatzmöglichkeit in der Arbeit mit Korsakowkranken. Dabei ist zu beachten, dass der Ausgangspunkt bei jeder Person individuell unterschiedlich ist. Für einige Personen ist ein strukturierter Alltag mit dem Eintreten des Korsakow-Syndroms nicht mehr möglich gewesen. Für andere gab es diesen Alltag seit dem Beginn der Alkoholsucht nicht mehr und für etliche fehlte dieser Alltag schon vom Elternhaus aus. An das ROT angelehnt, sollte also eine Tagesstruktur entwickelt werden, an der sich der Betreute orientieren kann. Auf diese Weise kann ein regelmäßiger Tagesablauf eingeübt werden, bei dem immer weniger Betreuung notwenig ist, je mehr die Betroffenen ihren Rhythmus gefunden haben. Bei der Betreuung ist wichtig, dem Betroffenen nach Möglichkeit keine Entscheidungen abzunehmen, sondern sie bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Da das Ziel die Förderung der Selbständigkeit ist, befindet sich die Förderung immer im Rückzug und fordert die Betroffenen zur eigenen Entscheidung, Handlung und Selbständigkeit auf. Betreuer sollten zur Selbständigkeit auffordern und greifen nur bei Überforderung ein. Ebenso gestaltet sich das Erlernen der Alltagsfähigkeiten bei Korsakowkranken. Es wird angeleitet und angelernt. Das Gelernte wird daraufhin von der betroffenen Person gefordert. Gleichzeitig wird unterstützt und kontrolliert. Die Unterstützung und auch Kontrolle wird immer weiter zurückgezogen. Nur bei Überforderung oder beim Erlernen neuer Fähigkeiten greift der Betreuer ein. Dabei ist zu beachten, dass sich die Lernprozesse selbst für einfache Alltagsfähigkeiten über Jahre hinziehen können und sich sehr individuell gestalten. Die Tagesstruktur sollte nach dem Vorbild des ROT in den Wohnräumen des Betreuten und gegebenenfalls in Gemeinschafträumen ausgehängt sein, um jederzeit die Orientierung innerhalb dieser Struktur zu ermöglichen. Eine gut sichtbare Uhr und ein Kalender in unmittelbarer Nähe zur ausgehängten Tagesstruktur ermöglicht gleichzeitig die Orientierung an der Realität der Zeit. Seite 44 Eine Tagesstruktur bzw. Wochenstruktur kann beispielsweise folgende Punkte beinhalten: • Aufstehen • Essenszeiten • Hygienetraining • Therapiezeiten • Aufgaben im Wohnbereich oder Termine außerhalb • Pausen • Arbeitszeiten • Nachtruhe Neben dem Erwähnten sind natürliche alle anderen alltäglichen Tätigkeiten wie Wäsche waschen, bügeln, zusammenlegen, putzen etc., zu üben und bieten Möglichkeiten, die eigene Selbständigkeit auszuweiten. Dabei sollten die Aufgabenfelder schrittweise ausgeweitet werden, um nicht zu überfordern. 3.1.1.1 Aufstehen / Nachtr uhe Die erste Herausforderung des Tages besteht darin, das Bett zu verlassen. Aufgrund der bereits beschriebenen Apathie fehlt häufig die Motivation, zu einer bestimmten Uhrzeit oder auch überhaupt aufzustehen. Diese Antriebslosigkeit kann in selteneren Fällen dazu führen, dass selbst Harndrang keine ausreichende Motivation bietet, um das Bett zu verlassen. Für die Betreuenden bietet es sich an, eine feste Zeit für das Aufstehen mit der betroffenen Person auszumachen oder auch vorzugeben. Betreuende können bei besonders starken Fällen von Korsakow eine örtliche Orientierung geben oder an Termine des Vormittags erinnern. Ansonsten können Betreuer beim Aufstehen und eventuell beim Einkleiden helfen. Zusätzlich können Personen mit Betreuern gemeinsam besprechen, welche Form der Bekleidung für die Termine des bevorstehenden Tages angebracht sind. Hierbei kann auch der Aspekt der Temperatur berücksichtigt werden, da durch eine Polyneuropahtie das Temperaturempfinden gestört sein kann. Der Betreute muss in dem Fall Seite 45 lernen, das Wetter und die Temperatur durch Wetterberichte oder die eigene Beobachtung wahrzunehmen und sich entsprechend zu kleiden, ohne sich von der wahrgenommenen Temperatur leiten zu lassen. Dabei kann auch die Orientierung an der Kleidung anderer Personen helfen. Die beschriebene Betreuung beim Aufstehen und Ankleiden stellt eine sehr intensive Betreuung dar, wie sie vielleicht zu Beginn der Betreuung oder bei starkem Korsakow nötig sein kann. Auch feste Nachtruhezeiten können helfen, den Tag zu strukturieren und helfen einen übermäßigen Medienkonsum entgegenzuwirken. 3.1.1.2 netraining Hygie- Grund für eine vernachlässigte Hygiene kann Verwahrlosung in der aktiven Trinkerzeit sein, der verminderte Antrieb durch das Korsakow-Syndrom oder auch die Gewohnheit aus einem von Obdachlosigkeit geprägten Leben. Betreuer sollten vorsichtig an das Thema der persönlichen Hygiene herangehen, da es ein mit Scham besetztes Thema für viele Mensche darstellt. Zwischen Betreuer und Betreutem können beispielsweise Vereinbarungen getroffen werden, welche Formen der Hygienepflege wann durchgeführt werden sollen. Der Betreuer kann hier bei der persönlichen Pflege behilflich sein, beraten, als Kontrolle für den Betreuten dienen oder Erinnerungshilfen anbieten. Hilfe, bzw. Anleitung beim Duschen und Baden ist, besonders bei einer Temperaturunempfindlichkeit aufgrund einer Polyneuropathie wichtig, um Verbrennungen oder Kreislaufproblemen vorzubeugen. Um den Betreuten hier mehr Eigenständigkeit zu ermöglichen, eignen sich für Duschen Mischbatterien mit einstellbarer Wassertemperatur und fest installierte Thermometer in Badewannen. Ein gemeinsam vereinbarter Waschtag kann den Betreuten helfen, sich an einem Tag in der Woche besonders um seine Hygiene zu kümmern und an diesem Tag ein Bad zu nehmen oder sich die Nägel zu schneiden. Auch in der Hygiene ist es wichtig, eine Regelmäßigkeit zu entwickeln, die dem betroffenen Korsakowkranken hilft, sie in sein Leben zu integrieren (Thöne 2002 S. 299). Zusätzlich müssen natürlich Termine mit Friseuren etc. gemacht werden. Da das Korsakow-Syndrom in der Regel bei älteren Menschen vorkommt, sind häufig weitergehende Körperpflege, wie intensive Fußpflege, notwendig. Zur täglichen Hygiene gehört auch das regelmäßige Wechseln der Wäsche, insbesondere der Unterwäsche. Seite 46 Gemeinsam kann ein System entwickelt und eingeübt werden, wie bereits getragene Wäsche am Vortag abgelegt wird, damit am nächsten Tag erkenntlich ist, dass diese bereits getragen wurde. Das Waschen der Wäsche ist, wie das Zubereiten des Essens, eine Aufgabe, die zu Anfang von den Betreuern organisiert wird und nur punktuell an die Betreuten weitergegeben werden sollte. In der weiteren persönlichen Entwicklung kann auch eigenverantwortlich Wäsche gewaschen werden. 3.1.1.3 senszeiten Es- Feste Essenzeiten und andere feste Tagespunkte bieten Betroffenen Sicherheit für den Tag. Regelmäßiges Essen und eine gesunde Nahrung helfen einer möglichen Suchtverlagerung entgegenzuwirken. Zu den regelmäßigen Essenzeiten kann auch eingeübt werden, selbständig Essen zuzubereiten. In einer stationären Unterbringung oder einer therapeutischen Gemeinschaft kann dies die Vorbereitung des Essens für eine Abteilung oder die gesamte Bewohnerschaft sein. Dabei sollte man mit einfachen Aufgaben wie dem Eindecken oder Abwaschen beginnen und die Aufgaben dann je nach Entwicklung ausweiten. In initiierte Kochgruppen können Korsakowkranke den gesamten Ablauf der Essenzubereitung gemeinsam lernen und anwenden. Dabei sollten auch die Planung und der Einkauf der Lebensmittel in den Prozess eingebunden werden und von den Korsakowkranken ausgeführt werden. Insbesondere muss der Umgang mit Geräten, die aufgrund der Vergesslichkeit ein höheres Gefahrenpotential bergen, geübt werden. Eine entsprechende Beschilderung, die auf das Ausschalten von Geräten hinweist, kann hilfreich sein. Ebenso kann der Fokus auf der Planung und Zubereitung von gesunden Mahlzeiten liegen. Die Kenntnis über Vitamine und andere Bestandteile von Lebensmitteln kann über das Thema Korsakow und den verursachenden Vitaminmangel auch zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Erkrankung und den Folgen der Suchterkrankung führen. Das Arbeiten in der Gruppe übt das Gruppenverhalten, soziales Miteinander und Umgangsformen. Personen, die bereits selbständiger sind, können sich stufenweise selbst versorgen. Der gesamte Ablauf von der Planung, über den Einkauf, die Zubereitung als auch der Abwasch sollte von dieser Person erledigt werden. Um einen Selbstversorger nicht zu überfordern, kann diese Seite 47 Selbstversorgung auch gut mit einer Mahlzeit wie dem Abendbrot begonnen und dann Schritt für Schritt auf den gesamten Tag ausgeweitet werden. 3.1.1.4 ben Aufga- Vor dem Schritt des Selbstversorgens ist es notwendig, einzelne Bereiche wie das Einkaufen oder Erledigen von kleinen Aufgaben zu trainieren. Dabei bietet es sich in einer stationären Einrichtung an, erfahrene Personen Aufgaben gemeinsam mit noch unerfahrenen erledigen zu lassen, um das Lernen voneinander zu ermöglichen. Einzelne Aufgaben der Haushaltsführung können erlernt und bei erfolgreicher Ausführung erweitert werden. Diese Aufgaben sind wichtig, um Schritt für Schritt jeden Bereich einer Haushaltsführung zu erlernen und in den individuellen Tagesablauf einzubinden. In einer therapeutischen Gemeinschaft oder einer vollstationären Einrichtung sind solche Aufgaben auch ein Weg in Gemeinschaft und das Training von Verlässlichkeit in einem sozialen Umfeld. 3.1.1.5 käufe & Termine Ein- Einkäufe und andere Termine außerhalb des Wohnraums können besondere Herausforderungen für Korsakowkranke sein, da sie nicht in ihrer gewohnten Umgebung und der gewohnten Struktur liegen. Sie können dabei helfen, die Umgebung kennen zu lernen, insbesondere wenn die Einrichtung in einem anderen Ort oder Ortsteil liegt. Einkäufe stellen eine zusätzliche Herausforderung dar, weil sie immer auch spontane Lösungsansätze vom Einkäufer verlangen. Unser gesellschaftlicher Alltag erwartet spontane Problemlösungen, denen sich Korsakowkranke in einem selbständigen Leben nicht entziehen können. Einkäufe sind eine einfache Möglichkeit, diese spontanen Problemlösungen zu üben. Aufgaben beim Einkaufen, die für einen Korsakowkranken problematisch sein könnten, sind die Erstellung eines aussagekräftigen Einkaufzettels, das Berechnen des nötigten Geldes, die Überprüfung des Wechselgeldes oder das Entscheiden für alternative Einkäufe, wenn das gewünschte Produkt nicht verfügbar ist. Die pädagogische Hilfe kann hier in der Begleitung der einzelnen Arbeitsschritte für einen Einkauf bestehen. Je nach Schweregrad Seite 48 kann der Betreuer die ersten Einkäufe gemeinsam mit dem Betreuten machen oder eine geeignete Begleitung auswählen. Die Wahl des Einkaufortes und der Verkehrmittel können gemeinsam getroffen werden. Der Einkauf kann mit der oder den Personen im Nachhinein besprochen werden. Ebenfalls kann gemeinsam nach dem Einkauf der Einkaufsbetrag vom zur Verfügung stehenden Haushaltsgeld abgezogen werden. Auf das Führen eines Haushaltsbuches wird in einem späteren Kapitel noch eingegangen. 3.1.1.6 tes Diabe- Diabetes ist keine direkte Folge des Alkoholmissbrauches. Allerdings tritt Diabetes bei 10% der Bevölkerung in Deutschland auf (Gesundheitsbericht DDU 2008). Mit der Diagnose können Menschen heute dank der medizinischen Entwicklung ein relativ normales Leben führen. Wichtig ist jedoch, den eigenen Blutzuckerwert regelmäßig zu messen, auf eine entsprechende Nahrungsaufnahme zu achten und die körperlichen Anzeichen für eine drohende Unterzuckerung wahrnehmen und deuten zu können. Diabetes stellt im Fall des Korsakow-Syndroms eine besondere Herausforderung für Korsakowkranken Nahrungsaufnahme, den mit Betroffenen dar. Schwierigkeiten Diabetes die auch regelmäßige als die regelmäßig kann einzuhaltende Überprüfung ihres Blutzuckerspiegels machen. Aber auch die Wahrnehmung der körperlichen Anzeichen einer drohenden Unterzuckerung müssen wahr und ernst genommen werden. Gefährlich ist eine Unterzuckerung, welche ohne sofortige Gegenmaßnahme zu einem lebensgefährlichem Diabeteskoma führen kann. Die Reaktion auf Unterzuckerungsanzeichen könnten unter Umständen aufgrund der Antriebsminderung, die ein Symptom des Korsakow-Syndroms ist, unterdrückt werden. Trainiert werden sollte die eigene Körperwahrnehmung Unterzuckerungsanzeichen. In und die sofortige den Tagesplan des Reaktion ROT auf können Blutzuckerspiegelmessungen und Mahlzeiten, sowie Zwischenmahlzeiten eingeplant werden und bis zu einem entsprechenden Grad der Selbständigkeit von den Betreuern kontrolliert und dokumentiert werden. Als Hilfsmittel ist das Führen eines Diabetesheftes empfehlenswert, in dem der regelmäßig gemessene Blutzuckerspiegel und die gespritzten Insulineinheiten von den Betreuten selbständig eingetragen werden. Seite 49 Notwendiges Wissen über die Interpretation von Blutzuckerwerten, schnell und langsam wirkendes Insulin, den Zuckergehalt von Nahrungsmitteln und die Geschwindigkeit der Zuckeraufnahme sollten gemeinsam gelernt werden. Das Wissen über den Umgang mit Diabete ist täglich notwendig und im Notfall kann es lebensrettend sein. Der aufwendigere Lernprozess mit Korsakowkranken ist deshalb trotz erhörtem Aufwand, in Kauf zu nehmen. Diabetes, insbesondere der Typ II, ist eine besondere Herausforderung für Betreuer und Betreute. Eine gute Vorbereitung für ein Leben in größerer Selbständigkeit ist, trotz langen Aufenthalten in den entsprechenden Fördereinrichtungen, von Anfang an anzustreben. 3.1.2 Selbständigkeit Erklärtes Ziel der Förderung von Korsakowkranker ist aufgrund von §53 Abs. 3 des SGB 12 „eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern […] sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.“ Selbständigkeit und Unabhängigkeit scheinen für viele Korsakowkranke das genaue Gegenteil dessen zu sein, was sie in Fördereinrichtungen vorfinden. Die Tage bestehen aus einer festen Tagesstruktur, Haushaltsarbeiten, Therapiezeiten und vielem mehr. Zusätzlich kommt für viele noch ein gesetzlicher Betreuer hinzu, der für Bereiche wie Gesundheit, Finanzen oder Unterkunft zuständig ist und dem sich einige ausgeliefert fühlen. Vielen Korsakowkranken ist auch nicht bewusst, wie unselbständig sie durch ihre Korsakowerkrankung geworden sind. Das Prinzip, dass für eine gewisse Zeit die empfundene Selbständigkeit abgegeben wird, um diese dann schrittweise neu wiederzuerlangen, ist für manchen herausfordernd und nicht immer verständlich. Viele Lebensbereiche werden von Betreuern der Fördereinrichtung festgelegt und verwaltet. Um dem zitierten §53 des SGB 12 gerecht zu werden, ist es die Aufgabe der Fördereinrichtung, die Unabhängigkeit der Betroffenen soweit wie möglich wiederherzustellen. 3.1.2.1 weise Verselbständigung Schritt Sinnvoll scheint eine schrittweise Rückgabe und Wiederherstellung der Selbständigkeit, um den Betreuten nicht zu überfordern. Unabhängigkeit bedeutet aber auch, alleine das eigene alltägliche Leben gestalten zu können und die dafür notwendige Alltagsarbeit unabhängig erledigen zu Seite 50 können. Die Reihenfolge in der Eigenverantwortung und Unabhängigkeit zurückgegeben werden, ist individuell anzupassen. Mögliche Bereiche sind: Rückgabe der Verantwortung für den eigenen Wohnraum Dies kann schrittweise die Gestaltung, Reinigung und Instandhaltung des eigenen Wohnraumes und des eigenen Mobiliars beinhalten. Die individuelle Gestaltung des Wohnraumes ist auch ein Recht von Bewohnern stationärer Einrichtungen. Trotzdem kann es notwendig sein, die Eigenverantwortung der Gestaltung dem Betreuten bewusst zu übertragen und dies als Ziel zu formulieren. Die Instandhaltung des eigenen Wohnraum und des Mobiliars ist abhängig von den Fähigkeiten der Betreuten und kann beispielsweise bei dem Wechsel defekter Glühbirnen beginnen. Rückgabe der Verantwortung für die eigenen Finanzen / das eigene Taschengeld Schrittweise können die Planungen der Einkäufe, das Verfügen über einen wöchentlichen Betrag, einen monatlichen Betrag und das Vermögen an den Betreuten abgegeben werden. Gemeinsam sollte die Führung eines Haushaltsbuches trainiert werden, welches im Fall von vergessenen Ausgaben, dem Betreuten Aufschluss über sein ausgegebenes Geld gibt und helfen kann, das zur Verfügung stehende Geld sinnvoll einzuteilen. Bei einer stationären Einrichtung ist der Übergang von der Vollverpflegung durch den Träger zu einer eigenverantwortlichen Verpflegung eine wichtige Phase in der Entwicklung. Die Übung selbständig und unabhängig einzukaufen und das Geld so einzusetzen, dass es für einen bestimmten Zeitraum reicht, ist ein großer Schritt zu eigener Unabhängigkeit. Grundsätzlich müssen Betreuer bei der Überlassung von Geld die mögliche Rückfallgefährdung berücksichtigen. Rückgabe der Verantwortung für die eigene Bekleidung Dies beinhaltet die eigenverantwortliche Beschaffung, Wäsche und Pflege der eigenen Bekleidung. Ein guter Einstieg ist der eigene Einkauf der Bekleidung. Mit den Betreuern können Waschtage vereinbart werden, um die Tätigkeit des Waschens in den Wochenrhythmus zu integrieren. Rückgabe der Verantwortung für die eigene Verpflegung Da die Mangelernährung als Folge von intensivem Alkoholismus Grund für das Korsakow-Syndrom ist, ist das Erlernen einer gesunden Ernährung Seite 51 wichtig. Helfen können dabei in erster Linie Kochgruppen und Arbeitsdienste, die sich mit der Zubereitung von Speisen beschäftigen. Später können einzelne Mahlzeiten wie Frühstück, Abendessen oder Mittag nacheinander in die eigene Verantwortung des Betreuten übergeben werden. Rückgabe der Verantwortung für den eigenen Arbeitsplatz Berufstätigkeit ist ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens und beeinflusst das Selbstbewusstsein stark. Die Verantwortung für die Suche oder die Pflege eines Arbeitsplatzes im ersten oder zweiten Arbeitsmarkt kann dem Betreuten übertragen werden. Auf dem Weg zur vollen Eigenverantwortung sind Teilschritte wie die Suche nach einem gewünschten Betätigungsfeld, die Kommunikation mit dem Arbeitgeber oder das Schreiben von Bewerbungen empfehlenswert. Rückgabe der Verantwortung für die eigene gesellschaftliche Integration §53 Abs. 3 des SGB 12 besagt auch, dass es eine besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist, behinderte Menschen in die Gesellschaft einzugliedern und ihnen die Teilnahme an der Gemeinschaft zu ermöglichen. Diese Teilnahme schließt neben dem beruflichen Teilbereich auch das kulturelle und politische Leben ein. Die Rückgabe der Verantwortung in diesen Bereich kann sehr unterschiedlich aussehen. Beispielsweise kann dies die eigene Auswahl einer Selbsthilfegruppe, die Entwicklung und Ausübung eigener Freizeitinteressen, Engagement in einem Verein, einer Partei, einer Kirche oder einer anderen religiösen Organisation bedeuten. Auch der Aufbau und die Pflege eines Freundeskreises, die Gestaltung der eigenen Freizeit und die Entdeckung von kostengünstigen Kultur- oder Musikveranstaltungen fördern die Integration. Es ist sinnvoll, dass ein Betreuter, vor Beendigung einer stationären oder ambulanten Behandlung, nicht mehr von den Freizeitangeboten dieser Einrichtung abhängig ist, sondern sich außerhalb der Einrichtung in gesellschaftliche Kreise integriert hat. Die häufig anzutreffende Tendenz, sich von der behandelnden Einrichtung zu distanzieren, kann in diesem Fall eine vorteilhafte Motivation sein, um neue Kontakte außerhalb der Einrichtung zu knüpfen. Rückgabe der Verantwortung für den eigenen Wohnort Seite 52 Die Rückgabe der Verantwortung für den eigenen Wohnort kann bedeuten, dass der Betreute sich nach dem Aufenthalt in einer Fördereinrichtung eigenständig um eine neue Wohnform bemüht. Da das Korsakow-Syndrom, die Begleiterkrankungen, die Verwahrlosung und die verbliebene Eigenständigkeit bei jeder Person variiert, sind die Ausgangspositionen natürlich extrem unterschiedlich und auch der erreichbare Grad der Selbständigkeit unterscheidet sich von Person zu Person. Die zuvor benannten Punkte ergeben natürlich keine vollständige Liste, sondern sollen einen Eindruck geben, welche Entwicklungen möglich sind. Eigenverantwortung kann auch überfordern. Für einzelne Betroffene können bereits einfachste Tätigkeiten, wie die tägliche Zahnhygiene, eine Überforderung sein. Andere Betroffene beginnen ihre Zeit in der Förderung auf einem ganz anderen Niveau der Selbständigkeit. Fallbeispiele aus der Praxis (Deutschle 1998 S.99) zeigen, dass selbst Korsakowkranke mit großer Unselbständigkeit Lebensabschnitt, bedeutend teilweise höheren nach ohne individuellen einem längeren besondere Grad an Förderung, abstinenten zu Selbständigkeit einem und Unabhängigkeit zurückfinden können. Seite 53 Vorbereitung für die Zeit nach der Betreuung Fördereinrichtungen bereiten den Übergang in die vollständige Selbständigkeit oder den Übergang in eine andere Betreuungsform für gewöhnlich früh vor. Die Namen für diese Vorbereitung sind unterschiedlich: Auszugsprogramm, Umzugsphase etc.. Betreute üben in dieser Phase ihrer Betreuung die notwendigen Fertigkeiten, die individuell notwendig sind, um sich in der neuen Lebensphase zurechtzufinden. Eine Ausnahme können dabei die Umzüge in eine Pflegeeinrichtung sein, weil zu hohe Pflegeanteilen in der Betreuung notwendig sind. Diese Beendigung der Förderung kann aufgrund eines verschlechterten Gesundheitszustandes auch relativ plötzlich und unvorbereitet passieren. 3.1.2.2 Problematiken während des Prozesses der Selbständigkeitsentwicklung Die Situation, dass der Betreute sich versorgt und umsorgt fühlt und der Betreuer dafür als Helfender ein positives Gefühl des Gebrauchtwerdens zurückbekommt, kann zu einem Teufelkreis werden, der professionell durchbrochen werden muss. Die Rückgabe der Verantwortung und Selbständigkeit wäre dieser notwendige professionelle Durchbruch. Beide Seiten können ein Interesse daran haben, die bestehende Situation aufrechtzuerhalten. Zusätzlich spielen auch wirtschaftliche Aspekte der Fördereinrichtung in der Entwicklung der Selbständigkeit eine Rolle. Betreute Die Sicherheit der umgebenden Einrichtung und das positive Gefühl umsorgt zu werden, kann Betreute dazu veranlassen, die eigene Entwicklung zu mehr Unabhängigkeit und Selbständigkeit nicht weiter oder nur eingeschränkt zu verfolgen. Mehr Selbständigkeit könnte weitere Eigenverantwortung mit sich bringen, die von den Betreuern gefordert wird. Dies bringt Veränderungen mit sich, die für Korsakowkranke schwerer zu bewältigen sind als für andere Menschen. Um diese Veränderung zu vermeiden, kann der Betreute Fortschritte in der Selbständigkeit verweigern. Träger Die wirtschaftliche Komponente der Betreuerseite übernimmt in der Regel der Träger der Fördereinrichtung. Für den ist ausschlaggebend ob die Seite 54 Einrichtung ausgelastet ist, eine Warteliste führt oder dringend freie Plätze besetzen muss. Bei geringer Auslastung wird der Träger dazu tendieren, Betreute länger in Betreuung zu halten und die Kostenübernahme für die Betreuten regelmäßig neu zu beantragen. In diesem Fall könnte es sein, dass die Vorbereitungsphase für die Entlassung oder den Auszug aus der Betreuung hinausgezögert wird. Die Folge wäre eine nicht optimale Förderung des Betreuten durch eine Verzögerung seiner Entwicklung der eigenen Selbständigkeit. Im Falle einer voll ausgelasteten Einrichtung mit eventueller Warteliste könnte der Druck, neue Personen aufzunehmen, die Behandlungsdauer der Betreuten senken. Die Folge wäre verfrühte Entlassung in eine andere Betreuungsform. Wahrscheinlich ist, dass in einem solchen Fall Betreute früher in eine Pflegeeinrichtung abgegeben werden als dies nötig wäre. Aus der Verkürzung resultiert, dass die Betreuten nicht die ihnen zustehende Förderung bekommen. Betreuer Im Gegensatz zum Träger der Fördereinrichtung ist der Betreuer tendenziell mehr gefährdet, dem positiven Gefühl der Machtposition und des Gebrauchtwerdens nachzugeben. Wenn für Betreuer das positive Gefühl des Helfens die ausschlaggebende Motivation der eigenen Arbeit ist, dann kann dies dazu führen, dass die Selbständigkeit und insbesondere die aufkeimende Unabhängigkeit der Betreuten, bewusst oder auch unbewusst als Verminderung der eigenen positiven Empfindungen wahrgenommen Empfindungen wird. wäre, Eine die unprofessionelle Behinderung der Reaktion Entwicklung auf diese zu mehr Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Hierbei kann auch der Zwang zu helfen, auch bekannt als Helfersyndrom, dazu führen, dass Tätigkeiten und Aufgaben, die den Betreuten positiv herausfordern würden, grundsätzlich als Überforderung vom Betreuer angesehen und verhindert werden (Schmidtbauer 1992). Auch sind einfache Aufgaben des Alltags für Betreuer häufig aufwendiger in der Betreuung, als wenn sie vom Betreuer selbst ausgeführt würden. Zeitmangel, Stress oder Ungeduld können Betreuer dazu bringen, Tätigkeiten für den Betreuten auszuführen, die auch vom Betreuten selber hätten ausgeführt werden können. Das Wissen über diese möglichen Seite 55 Behinderungen in der Entwicklung hilft Betreuern bereits Tendenzen in ihrer eigenen Arbeitsweise zu erkennen und diese zu vermeiden. 3.2 Soziales Training Neben dem Training des Alltags, ist auch das Training sozialer Umgangsformen ein wichtiger Bestandteil in der Betreuung von Korsakowkranken. Da die Förderung von Korsakowkranken häufig in stationären Einrichtungen stattfindet, befinden sie sich in einer Wohnform, die der therapeutischen Gemeinschaft ähnlich ist (Yablonsky 1990 S.43). Im Gegensatz zum klassischen Ansatz der „Therapeutischen Gemeinschaft“, in der es keine Unterteilung zwischen Betreuenden und Betreuten geben soll (Yablonsky 1990 S.47), sind Betreuer im Falle des Krankheitsbildes Korsakow notwendig. Das Leben in der Gemeinschaft ist trotzdem eine Form des sozialen Trainings. Das soziale Training hat zum Ziel, dass Personen den positiven und selbstbewussten Umgang mit anderen Menschen lernen. Es soll ihnen ermöglichen Zugang zu anderen Menschen zu bekommen, um Vereinsamung zu vermeiden und für die Zukunft in einem eigenständigeren Leben vorbereitet zu sein. Therapeutische Gemeinschaften wirken sich prägend auf Personen aus. Sie stellen ein eigenes soziales System dar, in dem jedes Mitglied einen eigenen Status entwickelt und in dem unter Umständen auch Hierarchien entstehen. Es entwickelt sich eine soziale Struktur innerhalb der Bewohnerschaft. Mobilität innerhalb dieser sozialen Struktur ist, wenn auch nicht völlig frei, möglich. Dies bedeutet für die Bewohner, dass sie durch ihre Beteiligung an den täglichen Aufgaben und ihrer Interaktion in der Gemeinschaft, ihren eigenen Status innerhalb der Gemeinschaft finden und verändern können. Beispielhaft für relevante Handlungen, die den eigenen Status positiv verändern, sind die Dauer der Abstinenz, die gewissenhafte Erledingung der eigenen Aufgaben, ein unterstützendes Verhalten in der Gemeinschaft oder die regelmäßige Arbeitsaufnahme außerhalb der Einrichtung. Eine solche soziale Mobilität wird von Lewis Yablonsky (Yablonsky 1990, S.48) eine Ermutigung zur Suche nach dem eigenen Status genannt. Diese soziale Mobilität belohnt positive Entwicklungen eines Individuums durch soziale Anerkennung und Integration in die Gemeinschaft. Diese Belohnung ist in einer kleinen Gemeinschaft grundsätzlich stärker und auch schneller bemerkbar als in der Gesellschaft Seite 56 und kann deshalb dabei helfen, das Selbstbewusstsein aufzubauen, indem Personen „ihren“ Platz im sozialen System finden ohne in der Masse unterzugehen. Das Modell der therapeutischen Gemeinschaft wird von Feuerlein als eine sich immer mehr durchsetzende Methode in stationären Behandlungseinrichtungen für alkoholkranke Menschen bezeichnet (Feuerlein 1989 S.84). Die Integration in das gesellschaftliche Leben ist für viele Betreute ein wichtiger Punkt auf dem Weg zu einem selbständigen Leben. Dies kann bedeuten, ein eigenes Hobby zu entwickeln oder ein altes wiederzuentdecken, Vorlieben für Musik auszuleben, selber zu musizieren oder Konzerte zu gesellschaftliches besuchen. Leben Es bedeutet herauszufinden, stattfindet, Angebote zu entdecken wo und wahrzunehmen. Einen eigenen Bekanntenkreis aufzubauen, Menschen kennen zu lernen, Kontakte zu pflegen, ein Mitglied von Vereinen, Selbsthilfegruppen oder anderen Gruppierungen zu werden. Um diese oder ähnliche Integrationsschritte wahrzunehmen, brauchen Korsakowkranke Hilfe und Anleitung. Betreuer sind in diesem Fall das Trittbrett, um Kontakt nach „außen“ zu bekommen. Es ist eine wichtige Vorsorge, um nicht nach einer gelungenen Förderung und Entwicklung in ein einsames und tristes Leben zu wechseln. Probleme in der Kommunikation, wie beispielsweise ein sehr rauer Umgangston, einzugehen, fehlende geringe Motivation Übung in um der auf den Gesprächspartner Gesprächsführung, fehlendes Selbstvertrauen, ein kleiner Wortschatz oder das bei Korsakowkranken häufig vorkommende Wiederholen von einfachen Sätzen und Inhalten, schränken die Kommunikation ein. Kommunikation muss daher geübt werden. Geübt wird Kommunikation bereits in einer intuitiven Form im normalen Alltag in Gemeinschaftswohnformen. Trotzdem sollten Kommunikationsübungen auch von den Betreuern angeleitet und geplant werden. Beispielhaft werden an dieser Stelle Formen von pädagogischen Handlungsmöglichkeiten gezeigt, die zur Übung von Kommunikation und sozialem Leben genutzt werden können. 3.2.1 Gruppengespräche In einem Setting, das dem „Klassenraum ROT“ ähnelt, können Gruppengespräche abgehalten werden. In Gemeinschaftswohnformen sind Seite 57 regelmäßige Treffen aller Bewohner üblich, in denen über die Soziale Gruppe, besondere Veranstaltungen und Ereignisse gesprochen wird. Betreuer können das Gespräch gestalten, Teilnehmer in Gespräche einbinden, nach Meinungen fragen oder auch Konflikte innerhalb der Bewohnerschaft diskutieren. Diese Gruppengespräche bieten eine gute Möglichkeit, um demokratische Strukturen in der Gemeinschaft zu entwickeln und zu fördern. Das Heimgesetz (§10 Heimg) schreibt für Heime einen Heimbeirat vor, der von der Bewohnerschaft gewählt werden muss und die Bewohner gegenüber dem Träger vertritt. Denkbar sind auch Vertrauenspersonen, die als Ansprechpartner und Vermittler für Bewohner dienen. Es können auch basisdemokratische Elemente wie die gemeinsame Diskussion und Entscheidungsfindung geübt und umgesetzt werden. Grundsätzlich sollten Gesprächsrunden offen gestaltet werden, so dass Teilnehmer eigene Gedanken und Themen einbringen können. Außerdem fordert eine Gesprächsgruppe innerhalb einer Gemeinschaft besondere Moderation. Dies nicht nur, um die grundlegenden Werte einer Diskussion, wie das Ausreden lassen oder Toleranz sicherzustellen, sondern auch um Teilnehmer mit geringerem Selbstbewusstsein oder der Tendenz zum Schweigen, durch Fragen und Aufmerksamkeit in das Gespräch aktiv mit einzubeziehen. 3.2.2 Gespräche in kleinen Gruppen Neben den Gruppengesprächen in einer Gemeinschaftswohnform können auch Gruppengespräche in kleineren Gruppen (bis 8 Personen) abgehalten werden. Nach Feuerlein sind Gruppengespräche Bestandteil fast jeder Alkoholtherapie (Feuerlein 2005 S.97). Diese Gruppengespräche können zum Thema Sucht gestaltet werden oder auch die Möglichkeit geben, über die eigene Situation und Befindlichkeit mit anderen in einer moderierten Runde zu sprechen. Es können aber auch wechselnde Themen von Betreuern vorbereitet werden. Wechselnde Themen haben den Vorteil, Gespräche abwechslungsreich zu gestalten, auf individuelle Interessen einzugehen und mit aktuellen Themen aus Politik und Gesellschaft, auch die gesellschaftliche Integration der Gesprächsteilnehmer zu unterstützen. Gesprächsthemen sollten so offen sein, dass jeder etwas zur Diskussion beitragen kann. Um eine Diskussion lebendig und nicht oberflächlich zu Seite 58 halten, empfiehlt es sich, auch emotional besetzte Themen auszuwählen. Solche Themen könnten beispielsweise Vertrauen, Kindheit, Gruppenverhalten, Toleranz, Angst und Verlust sein. Die Themen sollten von den Gesprächsleitern anmoderiert und vorgestellt werden. Im weiteren Verlauf steht allerdings die Diskussion unter den Gruppenteilnehmern im Vordergrund. Der Gesprächsleiter sollte im optimalen Fall nicht weiter beteiligt sein oder nur moderierend eingreifen und Fragen stellen. Eine sich für diese Diskussionsart anbietende Technik ist die bereits beschriebene Klientenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers (Rogers 1951). Da die Sucht und der Alkohol im Leben aller Teilnehmer eine große Rolle spielt, ist es wahrscheinlich, dass tiefgründigere Themen häufig auch mit der Alkoholsucht in Verbindung gebracht werden. Eine solche Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben und eine entsprechende Entwicklung des Gesprächsverlaufs sind zu begrüßen und zu fördern. Insgesamt sollen solche Gesprächsgruppen die Fähigkeit üben, sich auszudrücken und bei der Reflexion des eigenen Lebens zu helfen. Ebenso kann sie helfen, die eigene Meinung zu formulieren und in eine Diskussion einzubringen. Kontroverse Themen können dabei helfen, eine eigene Streitkultur zu entwickeln und zu üben, mit unterschiedlichen Meinungen tolerant umzugehen. 3.2.3 Einzelgespräche Einzelgespräche zwischen einem Betreuer und dem Betreuten können unterschiedliche Gründe haben. Sie können unabhängig vom Thema eine Übung für intensive und konzentrierte Gespräche sein. Insbesondere können in solchen Einzelgesprächen die persönliche Befindlichkeit und Entwicklung des Betreuten besprochen werden. Einzelgespräche bieten aber auch Zeit, um Biografiearbeit zu betreiben und auf die Lebensgeschichte des Betreuten zurückzublicken. Diese Gespräche können auch helfen, die Gründe für die eigene Alkoholabhängigkeit in der Biografie zu finden. Es können auch Pläne für die Zukunft entworfen und die nächsten Schritte in der eigenen Entwicklung mit dem Betreuer besprochen und festgelegt werden. In akuten Krisen bietet das Einzelgespräch die Möglichkeit für den Betreuten, sich zu entlasten und Krisen durch das Gespräch zu verarbeiten. Auch diese Situation bietet für den Betreuer die Möglichkeit mit Gesprächstechniken wie der Seite 59 Klientenzentrierten Gesprächsführung, Hilfe bei der Ausformulierung der eigene Gefühle und Empfindungen zu bieten. Einzelgespräche und Gruppengespräche stellen in fast allen Alkoholikertherapien ein wichtiges Therapiewerkzeug dar (Feuerlein 2005 S.97). 3.2.4 Gruppen Spaziergänge Spaziergänge in Gruppen bieten den Teilnehmern die Möglichkeit einer lockeren Form der Kommunikation. Gleichzeitig helfen Spaziergänge bei der örtlichen Orientierung in der näheren Umgebung und bieten die Möglichkeit, sich zu bewegen. Regelmäßige Bewegung ist gerade für Personen mit Polyneuropathien für den Muskelaufbau und -erhalt wichtig. Durch das regelmäßige Gehen kann außerdem das Gangbild verbessert werden. Spaziergänge bieten auch die Möglichkeit, sich bewusst mit der Natur auseinanderzusetzen und beispielsweise den Rhythmus der Jahreszeiten wahrzunehmen. Diese einfache Art der Beschäftigung ist auch eine Form der Integration in die Gesellschaft bzw. den Ort/Stadtteil, wenn ein Spaziergang nicht gerade auf dem Gelände der Einrichtung stattfindet. Der Betreuer kann zu Beginn mit den Teilnehmern die Route des Spaziergangs, je nach Mobilität, festlegen und bei Schwierigkeiten in der Wahl der Bekleidung behilflich sein. Der Spaziergang bietet Möglichkeiten für lockere Gespräche zwischen den Teilnehmern und dem Betreuer. 3.2.5 Gruppentagesreisen Gruppentagesreisen können als besonderes Ereignis angeboten werden. Tagesreisen können in Museen, Konzerte, auf Volksfeste oder zu sonstigen Ausflugszielen führen. Sie stellen eine besondere Form des sozialen Trainings dar, weil sie für viele Betreute eine besondere Belastung sind. Diese Belastung ergibt sich aus dem Umgebungswechsel, vermehrter Bewegung, neuen Eindrücken und eventuell dadurch entstehenden Stress. Gleichzeitig bietet sie aber auch die Möglichkeit der Integration in die Gesellschaft und der Teilhabe am kulturellen Leben. Durch Gruppentagesreisen kann das Verhalten in größeren Menschenmengen und auch die Nutzung von Nahverkehrsmitteln geübt werden. Sie fordern Betreute in ihrer Beweglichkeit heraus und müssen, aufgrund von eingeschränkter Mobilität, besonders geplant werden. Für Personen mit Seite 60 Polyneuropathien können sie ein Übungsort für den Umgang mit Hilfsmitteln wie Rollatoren oder Rollstühlen in der Öffentlichkeit sein. 3.2.6 Gruppenurlaub Der Gruppenurlaub ist eine mehrtägige Reise. Auch diese Art der Gruppenbeschäftigung ist eine besondere Belastung für die Betreuten. Ähnlich wie bei Tagesreisen, nur ausgedehnt auf mehrere Tage, besteht die Herausforderung hier in der Auseinandersetzung mit ungewohnten Situationen, unbekannten Orten und vermehrter Bewegung. Auch die Gruppenreise ist eine Form der Integration in die Gesellschaft und eine Teilhabe am kulturellen Leben. Sie ist herausfordernd und die Betreuer müssen, wie bei der Tagesreise, genau planen, für welche Betreuten die Anforderungen zu hoch sind und für wen sie einen Anreiz bieten, sich weiterzuentwickeln. Eine solche Reise ist für viele der erste Urlaub seit Jahren oder überhaupt in ihrem Leben und stellt deshalb ein besonderes Ereignis da. 3.3 Auseinandersetzung mit der Suchterkrankung Die Arbeit an der eigenen Sucht beginnt bei vielen Korsakowkranken mit der Krankheitseinsicht. Dabei spielt die Amnesie eine große Rolle, da sie vielen Korsakowkranken die Erinnerung an ihre intensive Trinkzeit nimmt und so die Überzeugung bleibt: „So viel habe ich doch gar nicht getrunken“ (Hingsammer 2002). Die Einsicht suchtkrank zu sein, ist für viele Korsakowkranke der erste Schritt in der Auseinandersetzung mit ihrer Suchterkrankung. Diese Einsicht ist eng verknüpft mit einer Biografiearbeit, in der alle Lebensabschnitte, auch die des Trinkens, verarbeitet werden können. Erleichternd wirkt das gemeinsame Besprechen und Verstehen von Betroffenen in einer Gruppe. Insbesondere Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker helfen, die eigene Suchterkrankung anzunehmen und zu lernen, mit dieser Krankheit zu leben. Da in den vorigen Kapiteln bereits über die Klientenzentrierte Gesprächsführung geschrieben wurde, geht dieses Kapitel nicht weiter auf diese Psychotherapie in Einzel- und Gruppengesprächen ein. Seite 61 3.3.1 Biografiearbeit Biografiearbeit bedeutet für den Betreuten, den eigenen Lebensweg zu rekonstruieren. Dies beinhaltet den gesamten Lebensweg, Lebensbedingungen, zwischenmenschliche Beziehungen, Kontakte, den beruflichen Werdegang, Schicksalsschläge, Ehen oder partnerschaftliche Beziehungen, die Krankheitsgeschichte, bereits erfolgte medizinische Behandlungen und insbesondere die Entwicklung der Suchtkrankheit. In der Biografiearbeit können Gründe oder Begünstigungen der Suchterkrankung entdeckt und besprochen werden. Biografiearbeit hilft dem Betreuer, die Lebensgeschichte und auch die Lebensumstände des Betreuten zu verstehen. Erkenntnisse aus dieser Arbeit können in den weiteren therapeutischen Arbeiten hilfreich sein und bieten auch wichtige Informationen für das systemische Denken. Bei einer retrograden Amnesie bietet die Biografiearbeit dem Betreuten und dem Betreuer zusätzlich die Möglichkeit, die vergessenen Jahre oder Monate wieder aufzuarbeiten und Erinnerungslücken, mithilfe von Nachforschungen, zu schließen. Für diese Arbeitet bietet sich in den ersten Schritten das gemeinsame Rekonstruieren der Biografie in Einzelgesprächen an. Informationen sammeln Weitere Informationen können von gesetzlichen Betreuern, dem Personal der Entzugsklinik oder der zuvor behandelnden Einrichtung eingeholt werden. Ein weiterer Schritt kann das Gespräch mit Verwandten oder nahen Bekannten sein. Diese Gespräche sollten teilweise gemeinsam mit den Betreuten durchgeführt werden. Es sollte allerdings auch die Möglichkeit genutzt werden, ein Gespräch nur zwischen Verwandten und den Betreuern durchzuführen, da in diesen Gesprächen teilweise auch Details der Biografie oder auch der zwischenmenschlichen Beziehungen benannt werden, welche aus Scharm oder Respekt nicht offen im Beisein des Betreuten genannt werden. Kollektive Erinnerungen Durch die Bezugnahme auf besondere geschichtliche Zeitpunkte, die von vielen Menschen wahrgenommen werden, können Erinnerungen über die Lebensumstände und Lebenssituationen lebendig werden. Helfen können dabei Zeitdokumente wie Zeitungsartikeln oder alten Fernsehsendungen (Ruhe 2007 S.28). Seite 62 Fotografien Fotografien können durch die visuelle Kraft der Erinnerungen besonders emotional wirken und Anknüpfpunkte für Erinnerungen bieten. Fotografien können im Prozess der Biografiearbeit in Bilderbüchern festgehalten und nach Themen oder chronologisch geordnet werden (Ruhe 2007 S.52) Dokumentationsorientiertes Arbeiten Es bietet sich an, die aufgedeckte Biografie schriftlich festzuhalten. Dies erweist sich auch als dauerhafte Hilfe, da Biografiearbeit häufig über einen längeren Zeitraum betrieben wird und neue Informationen entsprechend eingeordnet werden können. Als Methoden können dafür beispielsweise Zeitstrahlen genutzt werden, auf denen die einzelnen Stationen des Lebens eingezeichnet werden (Ruhe 2007 S.26). Biografiearbeit zeigt auch die persönlichen und sozialen Ressourcen des Betreuten auf, die nicht offenkundig ersichtlich oder dem Betreuten nicht präsent sind. Durch die Biografiearbeit werden häufig die existierenden Familienverhältnisse Kontaktaufnahme geklärt innerhalb und sie gibt einer Familie den Anstoß nachdem, zu aufgrund einer der Alkoholabhängigkeit, längere Zeit kein Kontakt bestand. Biografiearbeit bietet auch die nötige Grundlage für den Betreuer, um informiert mit Konfabulationen umgehen zu können, Realität von Fiktion zu unterscheiden und dies gegebenenfalls mit dem Betreuten zu besprechen. 3.3.2 Selbsthilfegruppen Selbsthilfegruppen sind insbesondere für stationäre Einrichtungen die Möglichkeit, den Betreuten zusätzlich in Gesprächskreise außerhalb der Einrichtung zu vermitteln. Sie bieten den Betreuten so die Chance, auch Menschen außerhalb der therapeutischen Gemeinschaft kennen zu lernen. Damit sind sie ein Bestandteil der Integration in die Gesellschaft. Viele Selbsthilfegruppen bieten neben der regelmäßigen Gesprächsrunde auch gemeinsame Freizeitaktivitäten wie Sport oder Ausflüge an. Dadurch, dass Selbsthilfegruppen sich zumeist als lebensbegleitend verstehen und die Teilnahme nicht nach einer Behandlungszeit beendet wird, sind sie eine Übung und Vorbereitung für ein selbständigeres Leben. Selbständigkeit bedeutet in diesem Fall, eigenständig Hilfsangebote nachzufragen und zu nutzen. Selbsthilfegruppen sind zumeist autonom organisiert und wirken Seite 63 auf viele Teilnehmer authentischer als professionelle Hilfsangebote, da alle teilnehmenden Erfahrungen mit Sucht gemacht haben. Zusätzlich verbinden viele Teilnehmer mit ihnen die Möglichkeit, Menschen zu treffen, die es „geschafft“ haben, längere Zeit ein Leben ohne Alkohol zu gestalten. Sie finden auf diese Weise positive Vorbilder. Betreuer können dem Betreuten helfen, sich einen Überblick über das Selbsthilfeangebot zu verschaffen und bei der Auswahl einer geeigneten Gruppe helfen. Die einzelnen Selbsthilfegruppen haben unterschiedliche Konzepte und ihnen liegen unterschiedliche Weltanschauungen zugrunde. Deshalb ist das Auswählen einer zum Betreuten passenden Gruppe wichtig (Feuerlein 2005 S.101). Die Konzepte der einzelnen Selbsthilfegruppen unterscheiden sich im Aufbau der Gruppentreffen, der Moderation der Gespräche und der Zielsetzung. 3.4 Gedächtnistraining Neben der Alkoholerkrankung ist die Gedächtnisschwäche das überwiegende Problem Korsakowkranker. Die Heilungsmöglichkeiten sind aufgrund des irreparablen organischen Schadens an den Mammilarkörpern im Limbischen System begrenzt. Begrenzte Heilungsmöglichkeit der Gedächtnisleistung bedeutet in diesem Fall, dass es für jeden Betroffenen eine endliche Entwicklungsmöglichkeit gibt. Nach einem individuellen Fortschritt erschöpft sich die positive Entwicklung und der Fortschritt erfolgt nur noch minimal und kaum messbar. Die Entwicklung der Gedächtnisleistung stagniert dann oder kann sich auch negativ entwickeln. Die negative Gedächtnisentwicklung kann aufgrund von geringer Förderung, von Demenz oder als normale Alterserscheinung eintreten. Wie bereits erwähnt wurde, betrifft diese Merkfähigkeitsstörung meist ausschließlich sprachlich Handlungsgedächtnis für codierte unbewusste Informationen. Alltagshandlungen, Das die nicht sprachlich codiert gespeichert werden, ist weiter lernfähig. Es umfasst alle routinemäßigen motorischen Fertigkeiten wie beispielsweise Gehen, Fahren und Musikinstrumente spielen. Diese Fertigkeiten gelingen uns überwiegend unbewusst, ohne dass wir darüber nachdenken. Der Unterschied zwischen diesen Gedächtnisleistungen erklärt auch die Erfolge einer Betreuung, die Wert auf alltägliche Handlungen legt. Die Erfahrungen der Praxis, wie sie von Deutschle geschildert werden Seite 64 (Deutschle 1998 S.94), dass alltagsbezogenes Training mehr Lernerfolge und gewonnene Selbständigkeit bringt als sprachlich basierte Gedächtnisund Gesprächstherapien können mit der Unterscheidung zwischen den beiden Gedächtnistypen erklärt werden. Trotzdem sollte die Förderung und Entwicklung der sprachlich codierten Merkfähigkeit nicht vernachlässigt werden, wenn sie auch nicht so große Erfolge verspricht wie die Förderung der prozeduralen Gedächtnisfunktionen. Schließlich ist die hochgradige sprachliche Merkfähigkeitsstörung die eigentliche Behinderung. Der Versuch die angestrebte Selbständigkeit im Alltag überwiegend über die prozeduralen Gedächtnisfunktionen herzustellen, ist nur als Ersatz für die unwiederbringlich verloren gegangene Merkfähigkeit zu sehen. Erfolge im Bereich der sprachlich codierten Merkfähigkeit sind für das Individuum wertvoller, da sie durch ihre Übertragbarkeit in andere Lebensbereiche einen Fortschritt in der gesamten Entwicklung darstellen. Prozedurale Merkfähigkeit hingegen ist nicht übertragbar und damit speziell an einen Lebensbereich oder eine Situation gebundenes Wissen (Romero 2002 S.251). Dies unterstreicht noch einmal die notwendige Individualisierung der Betreuung Korsakowkranker je nach Entwicklungsmöglichkeiten und Schweregrad der Schädigung. Ein auf den Betreuten angepasstes Gedächtnistraining beider Gedächtnisformen ist anzustreben. Das Training der sprachlich codierten Merkfähigkeit bedeutet, die Merkfähigkeit betroffener Personen zu erhöhen. Für manche Personen ist es aber auch ein Training, um die bereits vorhandene Merkfähigkeit zu erhalten und Rückschritte zu vermeiden. Dies bedeutet auch, dass Personen für den Zeitraum ihrer Förderung in einer Fördereinrichtung nicht nach einer längeren Stagnation ihrer Gedächtnisleistung das Training abbrechen. Das Training kann mit selbständigen Gedächtnisaufgaben, in der Gruppe oder im Einzeltraining mit einem Betreuer stattfinden. 3.4.1 Selbständige Gedächtnisaufgaben Selbständige Gedächtnisaufgaben finden zumeist mit geringem Betreuungsaufwand statt. Sie können auf dem Papier oder am Computer erledigt werden und sollten selbsterklärend sein. Komplexe Regeln können das gesamte Training gefährden, da sie auch vergessen werden und die Motivation mindern können. Die Aufgaben können auf Texten, Zahlen oder Bildern basieren. So können unterschiedliche Arten der Wahrnehmung Seite 65 angesprochen werden. Der Vorteil der selbständigen Gedächtnisaufgaben mit dem Computer oder mit Stift und Papier besteht in der einfachen und objektiven Auswertung. Während der Aufgaben gibt es weniger Ablenkung durch Interaktion als in einer Gruppe oder auch im Einzeltraining. Die erreichten Werte sind vergleichbar und erleichtern die objektive Evaluation der Entwicklung. Einige Computerprogramme haben eigene und detaillierte Evaluationsfunktionen, die selbst die Reaktionszeiten auswerten. So stellen die selbständigen Gedächtnisaufgaben die reproduzierbarsten und überprüfbarsten Übungen dar. Ihr Nachteil besteht allerdings darin, dass sie alltagsunrelevante Situationen darstellen (Thöne 2002 S. 296). Entsprechend reizarme Situationen ohne Zeitdruck und Interaktionszwang sind im normalen Leben eher selten. Zusätzlich müssen viele Betreute den Umgang mit dem Computer und den Eingabegeräten erst erlernen. Auch im Umgang mit Papier und Stift sind die Ausgangssituationen unterschiedlich. Lese- und Schreibgeschwindigkeit sowie Textverständnis beeinflussen auch die Ergebnisse, wenn man davon ausgeht, dass das Kurzzeitgedächtnis die aufgenommene Information nur für sehr kurze Zeit speichern kann. Alle diese Umstände beeinflussen natürlich die Ergebnisse und bewirken, dass die Ergebnisse nur bedingt zwischen den einzelnen Betreuten verglichen werden können. Trotzdem gibt es standardisierte Tests, um die Leistungsfähigkeit und vor allem auch die Leistungssteigerung im Bereich des Gedächtnistrainings zu messen. 3.4.2 Gruppengedächtnistraining In der Gruppe haben Gedächtnistrainings mehr Ähnlichkeit zu Alltagssituationen als in selbständigen Gedächtnisübungen. Aufgrund von mehr Umwelteinflüssen und Reizen ist mehr Konzentration gefordert, um Informationen abzuspeichern. Möglich sind in der Gruppe gemeinsame Merkspiele. Seite 66 Beispiel „Ich packe meinen Koffer…“: Bei diesem Merkspiel muss jeder Teilnehmer einen Gegenstand nennen, den er in einen Koffer packen würde, um ihn mit in den Urlaub zu nehmen. Zusätzlich zu seinem eigenen Gegenstand muss der Teilnehmer noch die eingepackten Gegenstände der anderen Teilnehmer nennen. Dieses Merkspiel fordert eigene Kreativität und Konzentration. Durch häufige Wiederholungen ist es den Teilnehmern möglich, sich eine Reihe von Gegenständen zu merken. Ein Gruppengedächtnistraining lässt sich auch in Verbindung mit Bewegungen durchführen. In unserem Beispiel könnte sich jeder Teilnehmer eine Gymnastikbewegung ausdenken und muss zusätzlich zu seiner eigenen Bewegung auch die Gymnastikbewegung der anderen Teilnehmer erinnern und wiederholen. 3.4.3 Gedächtnistraining mit Einzelbetreuung Gedächtnistrainings mit Einzelbetreuung bieten die Möglichkeit, intensive Gedächtnisübungen durchzuführen, die im Anschluss gemeinsam ausgewertet werden können. Bei diesen Einzeltrainings kann individueller auf Schwächen und Ressourcen des Betreuten eingegangen werden und sie bieten die Möglichkeit, die Merkfähigkeit in Interaktionssituationen zu trainieren. Auf diese Weise ist ein detailliertes Feedback durch den Betreuer möglich. Neue Gedächtnisstrategien und Hilfsmittel können ausprobiert, angewendet und erlernt werden. 3.4.4 Gedächtnisstrategien Gedächtnisstrategien sind Wege über die versucht wird, Informationen merkfähiger zu machen. Sie basieren auf unterschiedlichen Annahmen über die Funktion des Speicherns im Langzeitgedächtnis und versuchen diesen Prozess zu optimieren und zu unterstützen. Gedächtnisstrategien können von Betreuten angewendet werden, um neue Informationen besser zu behalten. Es gibt aber auch Gedächtnisstrategien, die von Betreuern angewendet werden können, um es den Betreuten zu erleichtern, Informationen abzuspeichern. Seite 67 3.4.4.1 nale Strategien Inter- So genannte internale Strategien versuchen eine größere Merkfähigkeit für Informationen herzustellen, indem die Informationen visuell oder verbal verknüpft werden. Visuell kann eine Information mit einer bestimmen Vorstellung oder einem Gegenstand verknüpft werden. Eine verbale Strategie ist die laute Wiederholung einer Information oder auch der Versuch, Informationen zu rhythmisieren. Beispiele: Visuelle Verknüpfung Die Verknüpfung des Stadtnamens Köln mit dem Bild eines Doms. Verbale Verknüpfung Die mehrfache Wiederholung eines Namens Klaus - Klaus – Klaus Das Sprechen einer Vokabel in Silben Con-cen-tra-tion Die bekannteste internale Strategie ist, das intensive und systematische Beschäftigen mit einer Information wie einem Text und wird häufig pauschal als „Lernen“ bezeichnet. Internale Strategien versuchen eine Information durch eine Verknüpfung, umgangssprachlich auch „Eselsbrücke“ genannt, nachdrücklicher abzuspeichern. Verbessert wird die Merkfähigkeit dadurch, dass eine Information mehrfach codiert abgespeichert wird. Das bedeutet, dass die Information unter mehreren Schlüsselwörtern oder Bildern abgespeichert wird. Die Wirksamkeit solcher Strategien ist wissenschaftlich für Menschen mit und ohne Gehirnschädigung bewiesen (Thöne 2002 S.296). Eine Untersuchung speziell mit Korsakowkranken existiert jedoch nicht. Außerdem steht auch bei internalen Strategien die Praktikabilität für den Alltag in Frage. Internale Strategien erfordern zusätzliche kognitive Ressourcen und verlangen mehr Aufwand und Zeit, die in Alltagssituationen häufig nicht vorhanden ist. 3.4.4.2 less Learning Error- Das Errorless Learning ist eine Gedächtnisstrategie, die von Betreuern angewandt wird, um das Abspeichern von falschen Informationen zu Seite 68 umgehen. Errorless Learning geht davon aus, dass Personen mit Gedächtnisschwäche auch falsche Informationen als richtig abspeichern, weil sie die richtige Information vergessen haben. Je mehr falsche Informationen im Verhältnis zu richtigen Informationen zur Verfügung stehen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine falsche Information, anstelle der richtigen Information, abgespeichert wird. Außerdem wird vermutet, dass an Amnesie leidende Personen Probleme haben, falsche Informationen im Gedächtnis als „falsch“ abzuspeichern (Thöne 2002 S.297). Die praktische Bedeutung ergibt sich aus einem Beispiel. Beispiel ohne Errorless Learning: Der Betreuer will von dem Betreuten wissen, ob er sich seit dem letzten Kontakt seinen Namen (des Betreuers) merken konnte. Er fragt ihn: „Wie heiße ich?“ Der Betreute nennt drei Namen, von denen keiner richtig ist. Der Betreuer nennt daraufhin seinen Namen. Im Raum stehen nun vier Namen, von denen nur einer richtig ist. Der Betreute kann sich aufgrund seiner Gedächtnisschwäche nach 10 Minuten nur noch in Fragmenten an das Gespräch erinnern. Auf Nachfrage fallen ihm zu der vergangenen Situation noch zwei der genannten Namen ein. Der richtige Name des Betreuers ist nicht dabei. Errorless Learning ist eine Strategie zur Vermeidung von falschen Antworten, um dem Speichern von falschen Informationen vorzubeugen. Insbesondere Korsakowkranke, die konfabulieren, können Erinnerungsfragmente in falsche Zusammenhänge setzen. Auch für Betreute mit Wahnvorstellungen können falsch abgespeicherte Informationen Grundlage für neue Wahnvorstellungen geben. Falsch abgespeicherte Informationen können Grund für innere und zwischenmenschliche Konflikte sein. Angewendet wird dieses Wissen im alltäglichen Umgang mit relevanter oder wichtiger Information. Betreuer können, zur Vermeidung von falschen Antworten, beispielsweise fragen, ob der Betreute sicher die richtige Antwort auf seine Fragen kennt, um ihn vom Raten abzuhalten. Die zuvor geschilderte Situation könnte dann wie folgt, gestaltet werden. Seite 69 Beispiel mit Errorless Learning: Der Betreuer will von dem Betreuten wissen, ob er sich seit dem letzten Kontakt seinen Namen (des Betreuers) merken konnte. Er fragt ihn: „Kennen sie meinen Namen?“ Der Betreute verneint dies. Daraufhin nennt der Betreuer seinen Namen. Auf diese Weise werden weitere falsche Informationen umgangen. Im Gedächtnistraining sollte das Errorless Leraning nur dann angewandt bzw. vermittelt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Betreute die Theorie verstehen und für sich nutzen kann. Umsetzen könnte der Anwender die Theorie dadurch, dass er größere Aufmerksamkeit auf richtige Informationen lenkt. Errorless Learning ist eine Vorraussetzung für die drei folgenden Gedächtnisstrategien. 3.4.4.3 d Retrival Space Die Gedächtnisstrategie Spaced Retrival ist abgeleitet von der internalen Strategie des Wiederholens. Bei dieser Methode soll die zu lernende Information (z.B. ein Name) in immer größer werdenden Abständen wiederholt werden. Die Zeitabstände werden von einem äußeren Reiz, beispielsweise einer blinkenden Lampe, angezeigt. Die äußere Aufforderung zur Wiederholung der Information entlastet den Betreuten. Die größer werdenden Wiederholungsintervalle führen zu einer besseren Merkfähigkeit der Information als gleich- bleibende Wiederholungsintervalle (Fridriksson 2005). Alltagsfähig ist diese Gedächtnisstrategie, aufgrund ihres Aufwands, nur sehr eingeschränkt. Allerdings ist es möglich, einzelne wichtige Handlungen, wie beispielsweise die Nutzung eines Anrufbeantworters, durch Spaced Retrival zu erlernen (Thivierge 2008). Einschränkend ist, dass bereits die Änderung in der Menüführung bei einem Anrufbeantworter die erlernten Fähigkeiten unbrauchbar macht. Deshalb gilt auch hier, dass die gelernten Informationen, wie bei den folgenden beiden Gedächtnisstrategien, unflexibel und nicht in andere Situationen übertragbar sind (Bishara & Jacoby 2008). Seite 70 3.4.4.4 ward Changing Back- Backward Changing ist eine von Betreuern anzuwendende Strategie für Lernprozesse des impliziten Gedächtnisses (Thöne 2002 S. 295). Dabei wird eine zu erlernende Aufgabe in kleine Teilschritte unterteilt. Bei der ersten Ausführung werden alle Teilschritte bis auf den letzten vom Betreuer übernommen. Der letzte Teilschritt muss vom Betreuten ausgeführt werden. Bei der nächsten Durchführung muss der Betreute die letzten beiden Teilschritte durchführen. Bei jeder weiteren Durchführung wird ein weiterer Teilschritt hinzugefügt. Backward Changing Beispiel: Decken des Frühstückstisches Im ersten Durchgang werden alle notwendigen Teile zum Decken des Tisches vom Betreuer auf den Tisch gestellt. Der Betreute muss diese nun lediglich auf dem Tisch verteilen. Beim zweiten Durchgang werden die notwendigen Teile vom Betreuer nur noch auf den Schrank gestellt. Der Betreute muss sie selber zum Tisch tragen und verteilen. Im nächsten Durchgang öffnet der Betreuer nur noch die richtigen Schranktüren. Diese Kette wird fortgesetzt bis der Betreute den Frühstückstisch ohne weitere Hilfe decken kann. Backward Changing ist eine nützliche Methode, um Haushaltsabläufe zu erlernen. Erlernte Abläufe sind allerdings nicht als Fähigkeiten anzusehen, sondern als das Beherrschen eines Arbeitsablaufes. Im Bezug auf das Beispiel „Decken des Frühstückstisches“ bedeutet dies, dass der Betreute exakt diesen Frühstückstisch decken kann. In einer anderen Küche mit anderem Geschirr und anderen Lebensmitteln könnte der Betreute überfordert sein und müsste den Ablauf neu erlernen. Eventuell wird das neue Erlernen schneller und einfacher sein. Unter Umständen bedeutet es aber auch, dass der gesamte Prozess erneut erlernt werden muss. 3.4.4.5 hing cues Vanis- Vanishing cues ist eine Lernstrategie, die vom Backward Changing abgeleitet ist. Sie stellt den Versuch dar, explizites Wissen, welches normalerweise sprachlich codiert abgespeichert wird, im impliziten Gedächtnis, also dem Handlungsgedächtnis, abzuspeichern. Durch Seite 71 Vanishing cues vermitteltes Wissen ist hochgradig speziell und lässt sich nicht in andere Lebensbereiche transferieren. Es ist damit nicht alltagstauglich und wenn überhaupt, dann nur für sehr spezielle Aufgaben, meist im EDV-Bereich geeignet. Gelernt wird eine bestimmte Abfolge von Handlungen, die in Teilschritten durch Anweisungen begleitet wird. Jeder Schritt hat seine eigene Arbeitsanweisung. Diese Anweisungen werden Schritt für Schritt entfernt, bis die Abfolge der Handlungen ohne Anweisungen durchgeführt werden kann. Jede Änderung im Ablauf würde den gesamten Handlungsablauf stören. Viele Seniorencomputerkurse werden nach diesem Prinzip durchgeführt. Nach einem solchen Computerkurs brauchen Senioren zur Reproduktion ihres Wissens am Computer im eigenen Haushalt häufig eine exakte Kopie der Softwareumgebung der Bildungseinrichtung. Eine Änderung in der Menüführung oder eine andere Version des Betriebssystems können dazu führen, dass der Computer nicht mehr bedient werden kann. Vanishing cues ist nur für sich exakt wiederholende Handlungsabläufe geeignet wie sie teilweise in der EDV bei Dateneingaben oder auf Formularen vorkommen (Jerome 2007, Hunkin & Parkin 1995). Eine Abwandlung der dieser Methode kann von Betreuern zum Erlernen von Wegen angewendet werden. Weiter ausgeführt wird dies im Kapitel Mobilität. 3.4.5 Kompensationsstrategien Die Einsatzmöglichkeiten und auch die Ergebnisse der genannten Gedächtnisstrategien sind begrenzt. Merkfähigkeitsverbesserungen durch angewendete Strategien sind auch schwer überprüfbar. Auch die Alltagsfähigkeit ist bei vielen Gedächtnisstrategien sehr begrenzt. Gedächtnisstrategien für Betreute stellen zumeist erhöhte kognitive Anforderungen an den Nutzer. Die Einsatzmöglichkeiten beschränken sich deshalb oft auf Gedächtnistrainingseinheiten und werden im Alltag eher ungern genutzt (Thöne 2002 S.297). Neben den Gedächtnisstrategien, die die Merkfähigkeit trainieren und verbessern sollen, gibt es auch noch die Möglichkeit der Kompensationsstrategien. Kompensationsstrategien haben nicht als Ziel die Merkfähigkeit zu verbessern, sondern die fehlende Gedächtnisleistung zu kompensieren. Seite 72 3.4.5.1 kation der Lebenswelt Modifi- Um die Gedächtnisschwäche zu kompensieren, sollte die Lebenswelt der Betroffenen angepasst werden. Die Lebenswelt sollte so gestaltet werden, dass weniger Gedächtnisleistung erforderlich ist. Die Notwendigkeit fester Tages- und Wochenstrukturen wurde bereits ausführlich dargelegt. Eingeübte Strukturen ersetzen die mentale Aufgabenliste, die gesunde Menschen nebenher in ihrem Gedächtnis führen und die sie nach und nach abarbeiten. Die Frage danach, ob man heute schon geduscht hat, erledigt sich dadurch, dass das Duschen fest in den Tagesrhythmus eingearbeitet wurde. Durch feste Wochenpläne entfällt die notwendige Gedächtnisleistung für seltenere Arbeiten. Ein Wochenplan kann einen Tag zum Baden reservieren. Die feste Einhaltung eines Wochenplans erspart den Betroffenen die Frage, ob sie diese Woche bereits gebadet haben. Ebenso können Mahlzeit und Medikamenteneinnahme verbunden werden. Geöffnete oder verglaste Türen in Fluren und Treppenhäusern helfen bei der Orientierung, ebenso wie gut sichtbare Stockwerkbeschriftungen oder die Beschriftung der eigenen Wohnungstür mit dem Namen und eventuell den Namen der Mitbewohner. Plätze an der Eingangstür für Schlüssel, Jacke, Brillen, Portemonnaie und Ähnlichem können für mehr Sicherheit beim Eintritt in die nicht so überschaubare Außenwelt sorgen. In der Wohnung eines Betreuten helfen Beschriftungen an Schränken und Regalen, die Ordnung zu behalten. Hinweisschilder an Türen oder im Spiegel können weitere Hilfen für wiederkehrende Aufgaben und Abläufe sein. Bei schweren Fällen von Korsakow oder in der Eingewöhnungsphase in eine Einrichtung kann es helfen, Hinweise über den Aufenthaltsort, die Adresse und den Grund des Aufenthalts nahe am Bett anzubringen. In Doppelapartments oder Wohngemeinschaften können sich Bewohner gegenseitig unterstützen und gegebenenfalls Fragen stellen. Die Modifikationen der Lebenswelt müssen individuell eingerichtet werden. Es empfiehlt sich, die Übernahme der bestehenden Lebensweltmodifikationen bei einem Umzug. Sollte ein Korsakowkranker zurück in sein soziales Umfeld ziehen, so sollten die Angehörigen mit den bereits eingeführten Lebensweltmodifikationen vertraut gemacht werden. Seite 73 3.4.5.2 mittel Hilfs- Externe Hilfsmittel können, richtig eingesetzt, helfen die verlorene Merkfähigkeit zu ersetzen. In dem populären Film „Memento“ wird versucht, dem Zuschauer nahe zu bringen, wie sich ein Leben ohne Kurzzeitgedächtnis anfühlen könnte (Der Film „Memento“ von Christopher Nolan basiert auf der Kurzgeschichte „Memento mori“ von Jonathan Nolan aus dem Jahr 2000). Der Protagonist verlor durch eine erworbene Hirnschädigung die Fähigkeit, den Inhalt seines Kurzzeitgedächtnisses in das Langzeitgedächtnis zu übertragen. Um mit seiner Gedächtnisschwäche zu leben, hat der Protagonist ein System entwickelt, um Informationen nach Relevanz geordnet zu speichern. Die wichtigsten Informationen über seine Person und seine Vorhaben lässt er sich, teilweise spiegelverkehrt, auf seinen Körper tätowieren. Weniger wichtige Informationen schreibt er sich auf Merkzettel. Namen, Einschätzungen und Anmerkungen zu Personen oder wichtigen Gegenständen notiert er sich auf der Rückseite von Polaroidfotos. Die Szenen des Filmes werden in retrograder Reihenfolge gezeigt, so dass der Film an seinem Ende beginnt und der Zuschauer genauso wenig wie der Protagonist weiß, welche Vorgeschichte eine Szene hat. Der Zuschauer ist, wie der Protagonist, auf die vorhandenen Notizen angewiesen, um die Situation zu deuten. Der Film zeigt, wenn auch aus dramaturgischen Gründen überzogen, eine Person, die sich in allen ihren Entscheidungen und Handlungen auf externe Gedächtnishilfen stützen muss. Dabei wird auch angedeutet, dass diese externen Hilfsmittel zwar hilfreich sind, aber auch Nachteile besitzen. Sie sind manipulierbar, ungenau, können unrelevante oder zu viele Informationen transportieren und helfen nicht, wenn man sie vergessen hat. Nutzer von externen Hilfsmitteln müssen den Nutzen dieser Hilfsmittel erkennen und ihnen Vertrauen entgegen bringen. Tagesplan, Wochenplan und Hinweisschilder Bereits erwähnt wurden die Tages- und Wochenpläne, die dem Leben einen Rhythmus geben sollen. Sie sollten im Alltag offen sichtbar in der eigenen Wohnung und in der Fördereinrichtung aushängen. Genauso verhält es sich mit Hinweisschildern. Merkheft Seite 74 Menschen mit einem gesunden Gedächtnis schreiben sich häufig Informationen auf. Papier ist ein idealer Informationsträger. Problematisch werden Merkzettel allerdings, wenn man viele von ihnen schreibt und verwalten muss. Dabei können Informationen untergehen. Abhilfe kann da ein Merkheft schaffen. Der erfolgreiche Einsatz eines Merkheftes hängt von mehreren Faktoren ab. Die Informationen in einem Merkheft sollten sortiert werden. Rubriken in einem Merkheft könnten sein: Tagesplan, Terminkalender, Absprachen, Notizen und Kontakte. Merkhefte mit Kalendern können ähnlich einem Tagebuch geführt werden, um nicht nur die zukünftigen Aktivitäten zu planen, sondern um auch die Aktivitäten der Vergangenheit überblicken zu können. Bei reger Nutzung des Merkheftes sollte darauf geachtet werden, dass das Heft nicht zu viele veraltete Informationen enthält. Zu viele Informationen verlangsamen die Suche nach relevanter Information und verwirren den Nutzer. Abhilfe könnte ein Organizer schaffen, dem Blätter entnommen und hinzugefügt werden können. Das würde auch das Problem der aufwendigen Übertragung von Informationen in ein neues Heft lösen. Merkhefte haben eine hohe Akzeptanz, weil sie leicht zu benutzen sind und kein technisches Wissen benötigen. Außerdem sind Merkhefte vertrauenswürdig, weil sie durch die eigene Handschrift eine Manipulation sehr schwer machen. Der Nachteil von Merkheften ist, dass sie oft in der Wohnung gelagert und nicht mitgenommen werden. Ein fester Platz an der Kleidung des Nutzers hilft dabei, das Heft wieder zu finden. Ein weiteres Problem ist, dass Nutzer vergessen, regelmäßig in das Merkheft hineinzuschauen und so ihre Notizen nicht wahrnehmen. In der Praxis wurden in diesen Fällen Armbanduhren getestet, die regelmäßig (z.B. stündlich) zur Erinnerung einen Piepston ausgeben und so an das Merkheft erinnern (Thöne 2002 S. 300). Neuropager / Smartphones / SMS Die neuere technische Entwicklung bietet unterschiedliche Möglichkeiten, Personen mit Gedächtnisschwächen zu unterstützen. Als nützlich erweisen sich diese Hilfsmittel Gedächtnisschwächen insbesondere bei ihren dann, wenn Angehörigen Personen wohnen. mit Häufige Erinnerungen und Zusammenstöße aufgrund von Erinnerungslücken können das Miteinander nachhaltig belasten. Diese Gefahr wird von vielen Angehörigen oft unterschätzt. In diesem Zusammenhang wurden bereits so Seite 75 genannte „Neuropager“ entwickelt (Thöne 2002 S. 301). Angehörige können über einen Computer Nachrichten an den Neuropager schicken, der immer getragen werden sollte. Über einen Signalton wird der Träger über eine neue Nachricht benachrichtigt, die dann auf einem Display angezeigt wird. Gedächtnisforscher setzen Hoffnung in die Entwicklung von elektronischen Hilfsmitteln für Menschen mit Gedächtnisschwächen. Das häufigste Problem liegt allerdings in der Akzeptanz und der Bedienung der Geräte. Technische Hilfsmittel werden eher von jungen Menschen genutzt. Da das Korsakowsyndrom fast ausschließlich über 50-jährige Personen betrifft, ist die Akzeptanz zurzeit eher gering. Für viele Personen wäre die selbständige Nutzung eines kleinen Computers oder eines Smartphones im Alltag eine Überforderung. Dies könnte sich allerdings im nächsten Jahrzehnt ändern, da die Verbreitung und der Umgang mit Mobiltelefonen in der Gesellschaft stark zunimmt und bereits 86% der Haushalte in Deutschland über ein oder mehrere Mobiltelefone verfügen (Destatis 2009). Das SMS-Protokoll (Short Message Service) ist mit seinen 160 Zeichen ein passendes Protokoll für kurze Erinnerungen und Benachrichtigungen, die auch über den Computer versendet werden können. Einen Interessanten Entwicklungsspielraum versprechen Smartphones (wie das iPhone von Apple oder Smartphones mit dem Android Betriebssystem von Google), die Programmierschnittstellen bieten, über die ein erweiterter Funktionsumfang zum bestehenden Betriebssystem des Mobiltelefons hinzugefügt werden kann. Auf diese Weise könnte der Alltagsgegenstand Mobiltelefon zu einem Gedächtnishilfsmittel werden. 3.5 Beschäftigung/Arbeit Neben der Angst vor einem Rückfall, ist für alkoholkranke Personen in einer Rehabilitationsklinik die drohende Arbeitslosigkeit der größte Angstfaktor, noch vor der Angst, einen nahen Angehörigen zu verlieren (Tielking 1999 S.71). Für alkoholkranke Personen mit dem KorsakowSyndrom ist die Ausgangsposition in der Fördereinrichtung eine etwas andere, da viele Korsakowkranken aufgrund ihres Alters oder ihrer Erkrankung bereits verrentet oder frühverrentet sind. Trotzdem oder gerade deswegen ist die Frage nach einer Beschäftigung im weiteren Leben sehr wichtig. Die Rente kann nicht nur als Zielgerade für das berufliche Leben, Seite 76 sondern auch als eine verordnete und allgemeine Arbeitslosigkeit mit der Bedeutung keine Beschäftigung zu haben verstanden werden. Zwar wird der Status „Rentner“ gesellschaftlich höher bewertet als der Status „arbeitslos“, dem Bedürfnis einer erfüllenden und/oder relevanten Beschäftigung nachzugehen, wird dieser Statuswechsel allerdings nicht gerecht. Arbeit, Beschäftigung, Fähigkeiten und Kompetenzen bestimmen in einem hohen Grad das Selbstwertgefühl des Menschen. Vergangene Arbeitsverhältnisse, die eigene Berufsgruppe, Fähigkeiten und auch Beziehungen zu ehemaligen Arbeitskollegen, die als besonders kameradschaftlich empfunden wurden, sind häufige Gesprächsthemen und zeichnen sich durch eine hohe Identifikation aus. Die Ermöglichung einer angemessenen Beschäftigung ist auch Bestandteil der Eingliederungshilfe nach dem §54 Abs. 1 Punkt 3 & 4 des SGB 12. Darin heißt es, dass die Eingliederungshilfe angemessene eine Hilfe zur Tätigkeit oder Hilfe Ausbildung in für eine vergleichbaren sonstige sonstigen Beschäftigungsstätten ermöglicht. Die Form und die Leistungen der sonstigen Beschäftigungsstätten werden im §41 des SGB 9 geregelt. Dort heißt es in Absatz 2: Die Leistungen sind gerichtet auf 1. Aufnahme, Ausübung und Sicherung einer der Eignung und Neigung des behinderten Menschen entsprechenden Beschäftigung, 2. Teilnahme an arbeitsbegleitenden Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der im Berufsbildungsbereich erworbenen Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit sowie 3. Förderung des Übergangs geeigneter behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen. Dies bedeutet, dass zur Eingliederung eine Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt, genauso wie eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt, angestrebt und aufgenommen werden kann. Sollte es möglich sein, ist das Ziel der Übergang in den ersten Arbeitsmarkt. Für den Übergang aus einer intensiven Betreuung, wie einer vollstationären Einrichtung, in eine Wohnform mit geringerer Betreuung und größerer Selbständigkeit, ist Beschäftigung oder Alkoholabhängige die mit geglückte einen einem Vermittlung Arbeitsplatz in eine wichtig. Beschäftigungsverhältnis passende Abstinente setzten sich gedanklich mehr mit ihrer Gesundheit auseinander als arbeitslose Alkoholiker. Arbeitslose Suchtkranke setzten sich gedanklich vorrangig mit Seite 77 ihrer Arbeitslosigkeit auseinander (Ziegler 1999 S.19). Bereits die Hoffnung auf eine Arbeitsstelle wirkt sich bei Alkoholikern abstinenzfördernd aus. Eine regelmäßige Beschäftigung schafft, wie die Tages- und Wochenstruktur, einen Rhythmus im Leben. Sie kann das Gefühl vermitteln, gebraucht zu werden, etwas zu leisten und ermöglicht es, die Freizeit als Erholung von der Arbeit wahrzunehmen und nicht nur als die Zeit, die sinnvoll gefüllt werden muss. Arbeitslosigkeit hingegen weist nach Ziegler eine ähnliche Dynamik auf wie Alkoholismus: „Sie bedeutet den Verlust der Handlungskontrolle und damit auch der Selbständigkeit. Sie führt zu sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung. Sie verfestigt negative Gefühle wie Nutzlosigkeit, Depression, Angst und Wertlosigkeit und sie fördert gesundheitsriskantes Verhalten in Konsum- und Schlafgewohnheiten“ (Ziegler 1999 S.21). Deshalb ist die Frage nach Beschäftigung und Arbeit ein wichtiger Teil in der Förderarbeit mit Korsakowkranken. Ziegler rät dazu, Resignation bei arbeitslosen Alkoholabhängigen zu überwinden, indem der Weg zu einer Beschäftigung in einfache Teilschritte unterteilt wird, die für den Betroffenen überschaubar sind. Diese Teilschritte sollten sich nach jedem Schritt auswerten lassen können, um den Weg zu einer Beschäftigung zu beschreiben und positive Entwicklungen zu erkennen. Als Vorbereitung muss ein Arbeitsverhalten aufgebaut werden, dass dem der angestrebten Beschäftigungsstelle entspricht. Die folgenden beiden Kapitel zeigen Möglichkeiten der Entdeckung und Wahrnehmung einer Tätigkeit auf. 3.5.1 Ergotherapie Ergotherapie bezeichnet Beschäftigungs- und Arbeitstherapie. Sie findet Anwendung in der Behandlung von Störungen der Motorik, der Sinnesorgane und der geistigen und psychischen Fähigkeiten. In der Ergotherapie wird Arbeit selbst als ein therapeutisches Verfahren angesehen und es werden Einzelleistungen trainiert, die zur Arbeitsfähigkeit führen können. Dabei sollen soweit wie möglich die geistigen, psychischen und körperlichen Fähigkeiten wiederhergestellt, erhalten oder kompensiert werden, um auf ein selbständiges Leben und Arbeiten vorzubereiten. Dabei wird ein Schwerpunkt auf die Verbesserung bzw. Wiedergewinnung gestörter oder verloren gegangener Fähigkeiten, Seite 78 wie Ausdauer, Selbsteinschätzung, (Pschyrembel Konzentration, Zeiteinteilung, 258.Auflage Ergotherapie, neben S.457). den Kommunikation, GrobFür und Kooperation, Feinmotorik Korsakowkranke genannten gelegt bietet Trainingsfeldern, die ein Hirnleistungstraining, mit welchem die Konzentration und auch die Gedächtnisfunktion trainiert werden können. Die Ergotherapie wird von Ergotherapeuten angeleitet und ist als ein medizinisches Heilmittel anerkannt. Sie kann damit von Ärzten verschrieben werden. Ergotherapie kann beim Wiedereinstieg in ein geregeltes Arbeitsleben helfen. Sie kann aber auch zur dauerhaften Beschäftigung in einem geschützten Arbeitsbereich (Behindertenwerkstätten) genutzt werden. 3.5.2 Vermittlung in eine Beschäftigung Neben dem Erlangen persönlicher Fähigkeiten zur Aufnahme einer Beschäftigung, ist die Vermittlung in eine passende Beschäftigung eine zentrale Aufgabe durch den Betreuer. Sie fordert von den Betreuern einen hohen Grad an Kreativität, um individuelle Lösungen mit den Betreuten zu finden. Neben der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt oder der Möglichkeit einen geschützten und subventionierten Arbeitsplatz in einer Fördereinrichtung des zweiten Arbeitsmarktes zu bekommen, können auch ehrenamtliche Tätigkeiten oder ein intensives Hobby Möglichkeiten für eine erfüllende Beschäftigung geben. Insbesondere für Rentner können ehrenamtliche Tätigkeiten eine gute Alternative sein. Hilfreich für eine passende Vermittlung kann ein aufgebautes Netzwerk sein, durch welches die verschiedene Einrichtungen, Beratungsstellen und Betriebe zusammenarbeiten können. Teile eines solchen Netzwerks könnten beispielsweise sein: 1.Arbeitsmarkt • Arbeitsagenturen • 2. Arbeitsmarkt • Werkstatt Ehrenamt/Hobby für • Ehrenamts- Arbeits- behinderte Menschen vermittlungen (WfbM) • Bagis • ehemalige • vermittlungen • Vereine Wiedereingliederungs- • Kirchen projekte Soziale Träger • Arbeitgeber • Berufsberatung Seite 79 Durch eine schrittweise und andauernde Förderung über einen längeren Zeitraum haben manche Betroffenen die Möglichkeit, einen Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt zu finden (siehe Fallbeispiel Deutschle 1998 S.99). Der Übergang Beschäftigungsverhältnissen aus im den zweiten subventionierten Arbeitsmarkt in den subventionsfreien ersten Arbeitsmarkt ist allerdings nicht immer möglich. 3.6 Mobilität Die Mobilität von Korsakowkranken wird durch zwei Beeinträchtigungen beeinflusst. Die verminderte Gedächtnisleistung und die daraus resultierenden Orientierungsschwierigkeiten wurden bereits besprochen. Erwähnt wurde ebenfalls die Beeinträchtigung durch Polyneuropathien. 3.6.1 Mobilität und Gedächtnis Die Beeinträchtigung im expliziten Gedächtnis schränkt die Mobilität dadurch ein, dass Betroffene Orientierungsschwierigkeiten bekommen können. Aber auch in diesem Bereich kann zwischen impliziten und expliziten Gedächtnis Orientierungshilfen, unterschieden wie werden. Wegbeschreibungen Sprachlich oder codierte Angaben zur Standortbestimmung, können vergessen werden. Dies kann besonders dann zu Schwierigkeiten führen, wenn eine betroffene Person die Orientierung verloren hat und nicht anhand der Erinnerung den Rückweg rekonstruieren kann. Ebenso ist es den Betroffenen häufig nicht möglich, einen bereits gegangenen Weg zu beschreiben. Trotzdem können im impliziten Gedächtnis Wege abgespeichert und auch abgerufen werden, wenn diese bereits begangen wurden. Diese Wege können aber nicht sprachlich ausgedrückt werden und die Erinnerung an den Weg kommt während des Gehens. Für Betreuer kann der Umstand, dass Wege und Orte nicht sprachlich wiedergegeben werden können, zu der Annahme führen, dass der Betreute sich Wege nicht merken kann und unorientiert ist. Dies ist aufgrund der Speicherung im impliziten Gedächtnis nicht zwingend der Fall. Es bietet sich an, wichtige Wege mehrmals mit dem Betreuten gemeinsam zu gehen und dabei ähnlich wie bei der Gedächtnisstrategiemethode „Vanishing cues“, immer weniger Vorgaben zum Weg zu geben, bis der Betreute den Weg eigenständig gehen kann. Seite 80 Möglich ist auch, erfahrener Korsakowkranke mit Wegkenntnis als Anleiter für unerfahrene Korsakowkranke solange mitgehen zu lassen, bis sich der Weg eingeprägt hat. Die im impiziten Gedächtnis gespeicherten Informationen sind unfexibel und können nicht oder nur schwer abstrahiert werden. Für Verwirrung kann eine Umleitung aufgrund einer Baustelle, der fehlende Orientierungspunkt durch den Abriss eines Hauses oder die Veränderung der Umgebung durch den Jahreszeitenwechsel sorgen. 3.6.2 Mobilität und Polyneuropathien Grund für Polyneuropathien sind abgestorbene oder beschädigte Nervenenden. In Bezug zur Mobilitätseinschränkung sind dies die Nervenenden in Füßen und Beinen. Daraus resultieren häufig ein verändertes Gangbild und die Schwierigkeit, das Gleichgewicht zu halten. Polyneuropathien können sich allerdings auch durch Muskelschwäche in den Beinen äußern. Besonders häufig treten diese Muskelschwächen in den Waden auf. Dies hat die verminderte Dauer- und Gesamtbelastbarkeit der Beine zur Folge. Das veränderte Gangbild, wie auch die Muskelschwäche, führen zu einer Einschränkung in der Mobilität. Ein hoher Schweregrad der Schädigung macht die Fortbewegung grundsätzlich nur mit Hilfsmitteln möglich. Für manche Betroffene ist die Bewegung im Freien, ohne die ständige Möglichkeit sich an etwas festzuhalten, nicht ohne Hilfsmittel zu bewältigen. Wieder andere benötigen nur auf längeren Strecken Hilfsmittel oder längere Pausen. Jede Einschränkung der Mobilität stellt auch eine Einschränkung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit dar. Diese Einschränkung lässt sich durch Training und Hilfsmittel kompensieren oder vermindern. 3.6.2.1 tätstraining Im Training für mehr Mobilität wird Mobiliinsbesondere an Gangbild, Muskelaufbau und Gleichgewicht gearbeitet. Das Gangbild wird mit bewusstem Gehen verbessert. Dabei achtet der Betreute genau auf seinen Gang und kann diesen selber beurteilen und Feedback vom Betreuer bekommen. Bei Gleichgewichtsschwierigkeiten sollte diese Übung an Handläufen durchgeführt werden. Zum Muskelaufbau bietet sich, neben dem normalen Laufen und Gymnastik, auch ein Fahrradtrainer an. Ein Seite 81 Fahrradtrainer kann intensives Training der unteren Muskulatur bei schwereren Gleichgewichtsproblemen ermöglichen. Experimentell wurden auch Gehtrainings auf einem AirTram durchgeführt. Ein AirTram ist ein großes Luftkissen, ähnlich einer Hüpfburg, auf welchem Gehübungen gemacht werden können. Das AirTram hat insbesondere den Effekt, dass durch das Luftkissen die Angst vor einem Sturz stark gemindert wird. Dadurch werden die Betreuten mutiger, auch ohne Hilfsmittel Gehversuche zu unternehmen. Diese Form des Gehtrainings bietet sich als spielerischer Einstieg insbesondere bei ängstlicheren Personen an (Reymann 2000). Weitere experimentelle Erfahrungen wurden mit der Spielekonsole WiiNintendo gemacht. Als Eingabegerät dient ein Controller, (Joystick) der über Bewegungssensoren die Bewegung der Hand bzw. des Armes wahrnimmt und in ein Spiel integriert. Zusätzlich kann an die Spielekonsole ein Trittbrett angeschlossen werden, welches einem Skateboard ähnelt und die Bewegungen der Füße bzw. der Beine an die Spielekonsole weitergibt. Diese Art der Steuerung von Spielen fordert in besonderer Weise die Koordination zwischen Körper und der Wahrnehmung durch die Augen heraus. In den Vereinigten Staaten wird diese Form des Bewegungs- und Koordinationstrainings teilweise in Rehabilitationseinrichtungen für Personen mit erworbenen Hirnschädigungen eingesetzt (Deutsch 2008). In Deutschland wurde der Einsatz dieser Technik im Rahmen einer größeren Projektarbeit in Senioreneinrichtungen getestet (www.wii-senioren.de) und für die Rehabilitation in einem häuslichen Umfeld erforscht (John 2009). 3.6.2.2 tätshilfsmittel Mobili- Hilfsmittel dienen zur Kompensation der Mobilitätseinschränkung durch Polyneuropathien. Einschränkungen Sie können unabhängig helfen und trotz der selbständig zu erworbenen leben. Das Kompensationsmittel im häuslichen Bereich sind barrierefreie Wohnräume. Ausgestattet werden sollten Wohnräume oder Fördereinrichtungen, je nach individueller Beeinträchtigung, mit Haltepunkten im Badezimmer, Handläufen in Flurbereichen und an anderen kritischen Stellen. Im Innenund Außenbereich sind die geläufigsten Hilfsmittel Gehilfen, Unterarmstützen, Rollatoren und Rollstühle. Bei der Wahl eines Hilfsmittels ist nach Möglichkeit die Festlegung auf eine bestimmte Form zu vermeiden. Seite 82 Hilfsmittel, die die Unabhängigkeit in der Mobilität erweitern sollen, können bei Polyneuropathien häufig nach Situation und Bedürfnis ausgewählt werden. Für längere Wege und Ausflüge oder bei schwierigen Wettergegebenheiten können Rollstühle und Rollatoren nützlich sein. Bei guten Wetterbedingungen oder Aktivitäten im Haus kann eventuell auf Hilfsmittel verzichtet werden oder Unterarmstützen sind ausreichend. Insbesondere mit Blick auf eine mögliche Entwicklung sollte die zu frühe Festlegung auf ein Hilfsmittel vermieden werden. Gerade zu Beginn sind Betroffene häufig auf Hilfsmittel angewiesen, können aber bei einer günstigen Entwicklung später auf das Hilfsmittel verzichten. Eine zu starke Festlegung auf ein Hilfsmittel könnte der Entwicklung im Wege stehen. 3.7 Tests Zur Evaluation von Fortschritten, in der Zeit der Förderung im Bereich der Gedächtnisleistung, lassen sich neben der persönlichen Beobachtung auch empirisch auswertbare Test durchführen. Diese Tests können Betreuern zu Beginn einer Förderung Aufschluss darüber geben wie schwer die Schädigung des Gedächtnisses ist und auf welchem Intelligenzniveau Fortschritte erreicht werden können. Außerdem können standardisierte Tests Leistungsveränderungen bei Gedächtnisleistungen aufzeigen. Allerdings machen diese Tests keine Aussage darüber wie gut sich eine betroffene Person in ihrem Alltag eingerichtet hat und wie weit sie in den Bestrebungen nach Selbständigkeit fortgeschritten ist. 3.7.1 Intelligenztests Intelligenztests versuchen das Intelligenzniveau von Menschen zu messen und empirisch verwertbare Aussagen darüber zu machen. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen, die sich in der Definition von Intelligenz und auch in ihrer Form voneinander unterscheiden. Zu den Bekanntesten gehören die Gruppe der Wechsler-Intelligenztests, die Gruppe der Mehrfach-Wortschatz-Tests (MWT) und der Zahlenverbindungstest (ZVT). Bei der Auswahl eines Intelligenztests ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht oder nur unerheblich durch die Erkrankungen der Testperson beeinflusst werden. Bei Korsakowkranken betrifft dies insbesondere die Beeinflussung durch psychische Erkrankungen und die Gedächtnisschwäche. Praktisch bedeutet dies, die gestellten Aufgaben dürfen nicht zu lang und die Fragen nicht ineinander verschachtelt sein. Die Seite 83 drei hier vorgestellten Intelligenztests haben jeweils bestimmte Merkmale, die sie für unterschiedliche Personengruppen geeignet machen. 3.7.1.1 Wechs ler-Intelligenztests (Beispiel Hamburger-Wechsler Intelligenztest für Erwachsene / HAWIE-R) Die Wechsler-Intelligenztests sind sehr weit verbreitete und traditionsreiche Formen der Intelligenztests in Deutschland. Die Wechsler-Intelligenztests gehen von der Definition aus: „Intelligenz ist die allgemeine Fähigkeit des Individuums, die Welt, in der es lebt, zu verstehen und sich in ihr zurechtzufinden“. In der Gruppe der Wechsler-Intelligenztests befinden sich unterschiedliche Testformen für unterschiedliche Personengruppen. Beispielhaft ist der für Korsakowkranke in Frage kommende HamburgerWechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE-R). Alle Wechsler-Tests bestehen aus Untertests in den Kategorien Handlungs- und Verbalteil. Der HAWIE-R besteht aus insgesamt 11 Untertests. Verbalteil Allgemeines Wissen Handlungsteil Wortschatztest Bilderergänzung Zahlennachsprechen Bilderordnen Allgemeines Verständnis Mosaik-Test Rechnerisches Denken Figurenlegen Gemeinsamkeiten finden Zahlen-Symbol-Test Aufgrund der vielen unterschiedlichen Untertests deckt der HAWIE-R ein breites Spektrum an Wissensgebieten ab. Die Durchführung ist aufgrund des Umfangs und des Verbalteils aufwendig. Der Test beansprucht zwischen 60 bis 90 Minuten. Es sind nur Einzeltests möglich. Es existiert allerdings auch eine Kurzform des Wechsler-Tests, der ReduzierteWechsler-Intelligenztest (WIP). Dieser WIP verzichtet auf einen Großteil der Untertests und ist in einer kürzeren Zeitspanne durchzuführen. Aufgrund von Copyright-Streitigkeiten mit dem amerikanischen Rechteinhaber kann der WIP allerdings nicht weiter vertrieben werden. Der HAWIE-R hat eine sehr eingegrenzte Zielgruppe und kommt nur für Seite 84 Menschen aus dem deutschen Kulturkreis und für deutsche Muttersprachler in Frage. An Korsakowkranke könnte der Verbalteil unter Umständen zu hohe Gedächtnisanforderungen stellen (Steingass 2004). 3.7.1.2 Mehrfach-Wortschatz-Test (MWT) Der Mehrfach-Wortschatz-Test ist ein sehr kurzer Test, der in Einzel- und in Gruppentests durchgeführt werden kann. Er dauert ca. 5 Minuten und misst insbesondere die kristallisierte Intelligenz einer Person. Die kristallisierte Intelligenz ist die Intelligenz, die explizit wie auch implizit im Laufe des Lebens erlernt wird. Sie steht damit im Gegensatz zur so genannten fluiden Intelligenz, die als angeborene Intelligenz angesehen wird. Der MWT ist in unterschiedlichen Versionen entwickelt worden. Die Formen MWT-A und MWT-B werden beide in der Auswertungsnorm IQ (Intelligenz-Quotient) ausgewertet. Der Test für das prämorbide Leistungsniveau (TPL) ist ein Test, der das geistige Leistungsniveau vor Eintritt der Krankheit rekonstruiert, er gibt die Kapazität des Arbeitsspeichers in der Maßeinheit Bit wieder. Der Aufbau der verschiedenen Unterformen des MW-Tests ist ähnlich. Nach dem Mehrfachwahlsystem stehen pro Zeile fünf verschiedene Wörter zur Auswahl, von denen ein Wort real existent ist. Die anderen vier Wörter sind fiktiv und können dem realen Wort ähneln. Der Proband muss nun in jeder Zeile das reale Wort erkennen und einkreisen. Der MWT hat eine geringe Anforderung an die Merkfähigkeit des Probenden und kann sich deswegen für den Einsatz mit Korsakowkranken besser eignen als der HAWIE-R (Steingass 2004). Beispiele: Oher – Ohr – Ehr – Ereh - Hor Sukiff - Fasek – Siuke - Fiskus - Fuske Nadir – Ridan – Nailer – Radin – Nidar 3.7.1.3 lenverbindungstest (ZVT) Zah- Ein weiterer Intelligenztest ist der Zahlenverbindungstest (ZVT). Im Gegensatz zu den MVT und WIP Intelligenztests ist der ZVT ein vollständig auf Seite 85 Zahlen basierender Intelligenztest. Der Vorteil eines zahlenbasierten Tests ist eine stärkere Kulturunabhängigkeit und kann bei milieubedingten sprachlichen Minderleistungen ein differenzierteres Ergebnis liefern, als auf Sprache basierende Tests. Für Korsakowkranke kann der ZVT deshalb vorteilhafter sein, weil weniger Sprache erinnert werden muss. Außerdem wäre eine milieubedingte sprachliche Minderleistung unter Alkoholikern nicht ungewöhnlich. Der ZVT besteht aus einem Testbogen als Übungsmatrix und vier Testmatrizen. Die vier Zahlen-Matrizen beinhalten je 90 unterschiedlich angeordnete Ziffern, die durch Striche der Reihenfolge nach zu verbinden sind. Die Zahlen sind immer benachbart, aber in unterschiedlichen Richtungen angeordnet. Die benötigte Zeit für die vier Testmatritzen wird gemessen und fließt mit in die Auswertung ein. Gemessen wird vor allem die Verarbeitungsgeschwindigkeit. Über Normtabellen können die gewonnenen Werte mit IQ-Werten anderer Tests verglichen werden. Die Testdurchführung beansprucht zwischen 5 und 10 Minuten. Der Test ist als Einzel- oder Gruppentest durchführbar. In Gruppentests werden die Resultate anschließend miteinander verglichen und bewertet. Für Einzeltests existieren Normtabellen, mit denen die ermittelten Werte dann wie in Gruppentests verglichen werden können. Abbildung 7: Verkürztes Beispiel eines Zahlenverbindungstests 3.7.2 Demenz & Amnesietests Demenz- und Amnesietests werden eingesetzt, um hirnorganischen Abbau, Demenz und amnesische Syndrome festzustellen und den Verlauf entsprechender Erkrankungen zu dokumentieren. Für die Arbeit mit Korsakowkranken können sie den Betreuern empirische Informationen über Seite 86 die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses und der kognitiven Funktionen liefern und dabei helfen, Fortschritte, Rückschritte oder Stagnation bei Gedächtnistrainings festzustellen. 3.7.2.1 drom-Kurztest (SKT) Syn- Der Syndrom-Kurztest (SKT) ist ein Test zum Demenz-Screening, der auch für die Arbeit mit Korsakowkranken genutzt werden kann. Der SKT arbeitet mit Spielsteinen und bunten Bildern und wird wegen der spielerischen Art gut angenommen. Für den Test werden ca. 15 Minuten benötigt, in denen die Probanden einzeln betreut werden müssen. Die einzelnen Bereiche, in die der SKT unterteilt ist, haben jeweils eine Zeitbegrenzung. In diesen Bereichen müssen unter anderem Gegenstände benannt und wieder erkannt oder Zahlen gelesen und sortiert werden. Um bei Verlaufskontrollen Lerneffekte auszuschließen, gibt es den SKT in neun verschiedenen Parallelformen. Bei der Auswertung werden Alter und Intelligenzniveau (vorheriger Intelligenztest notwendig) berücksichtigt. Seite 87 Die Ergebniskategorien sind: • Keine kognitive Störung • Leichte kognitive Störung • Leichtes dementielles Syndrom • Mittleres dementielles Syndrom • Schweres dementielles Syndrom • Sehr schweres dementielles Syndrom 3.7.2.2 ner Amnesietest (BAT) Berli- Der Berliner Amnesietest (BAT) dient der Erfassung von anterograder Amnesie. Er ist ein Leistungstest zur quantitativen Erfassung von leichten bis schweren amnesischen Defiziten. Der Test besteht aus acht Untertests, welche verbale und figural-räumliche Gedächtnisstörungen erfassen können. Eine Kurzform des BAT ermöglicht, ein amnesisches Syndrom festzustellen. Mit dem gesamten BAT können auch die amnesischen Syndrome, wie auch das WKS, unterschieden und in ihrer Schwere erfasst werden. Ein besonderer Vorteil des BAT ist die Verfügbarkeit in Türkisch, Polnisch und Russisch. 3.7.2.3 menz-Test (DT) De- Der Demenztest (DT) ist ein Demenzscreening, bestehend aus 5 Untertests. Zu diesen Untertests gehören der Mini-Mental-Status-Test, der Gedächtnistest mit freiem Abruf und Wieder erkennen, der Test zur flüssigen verbalen Wiedergabe, der Apraxietest und Fragen zur Orientierung. Der DT macht es möglich, das Korsakowsyndrom von anderen Demenzerkrankungen zu differenzieren. Außerdem eignet sich der DT als Verlaufskontrolle bei dem Verdacht, dass neben dem Korsakowsyndrom eine weitere dementielle Erkrankung eingesetzt hat. 3.7.3 Weitere Tests Neben den Intelligenz- und den Amnesietests können zur weiteren Informationsgewinnung auch Persönlichkeitstests durchgeführt werden. Beispielhaft können hier genannt werden: Beurteilungsbogen für geriatrische Patienten (BGP) Seite 88 Der BGP ist ein Test zur Beurteilung von psychoorganischen Syndromen, körperbezogener Pflegebedürftigkeit, Mangel an sozialer Kompetenz, Aggressivität und Depressivität. Seite 89 Mini-Mental-Status-Test (MMSE, auch Folstein-Test genannt) Der MMSE ist ein eigenständiger Test zur Erstbeurteilung von Demenzerkrankungen. Er wird auch als Teil des DT eingesetzt. Clinical Assessment Geriatric Scale (SCAG) Die SCAG ist ein Test Rückbildungssymptomen bei zur Beurteilung älteren von Menschen. Er psychischen untersucht Verhaltensaspekte, wie beispielsweise Verwirrtheit, Orientierungsstörungen und Gleichgültigkeit. Neuropsychological Assessment Battery (NAB) Die NAB ist eine Sammlung von Tests für neuropsychologische Funktionen, um kognitive Funktionen bei Personen mit Schädigungen im zentralen Nervensystem zu testen. 3.7.4 Fazit zu den Tests Tests zum Einschätzen des Intelligenzniveaus, zur Stärke und Art von Gedächtnisdefiziten können nützliche Informationen zur Beurteilung eines Betreuten bieten und bei der Planung von pädagogischen Maßnahmen helfen. Als Verlaufskontrolle bieten sie die Möglichkeit, empirisch „objektive“ Daten zu den subjektiven Beobachtungen der Betreuer hinzuzufügen. Durch bekannte Normwerte lassen sich Gedächtnisdefizite besser mit nicht beeinträchtigten Gedächtnisleistungen vergleichen. Dies kann besonders dann ein Vorteil sein, wenn durch selektive Wahrnehmung der Betreuer die Gedächtnisdefizite stärker wahrgenommen werden und eine unrealistisch hohe Norm als Grundlage der Bewertung herangezogen wird. Deutschle gibt als Erfahrungswerte aus ihrer Tätigkeit den WIP, den SKT, den ZVT, den BAT und Persönlichkeitstests als nützlich an (Deutschle 1998 S.96). Testresultate sollten aber nicht als Diagnose oder eine Art Festlegung verstanden werden, sondern nur als zusätzliche Information und als weitere Betrachtungsweise. Tests sind nützlich für einen weiteren und objektiv vergleichbaren Blickwinkel, in Hinblick auf die Krankheit und die Rehabilitationsentwicklung. Sie dürfen aber nicht als einzige Bewertung von Fähigkeiten und Fortschritten gesehen werden. Insbesondere über die Fähigkeiten, die im alltäglichen Leben gebraucht werden, können diese Tests geringe Aussagen machen. Seite 90 4 Prävention Die Diagnose WKS ist für alle betroffenen Personen, wie auch deren Angehörige und Bekannte, eine schwere Belastung. Präventionsmaßnahmen könnten die Schwere einer Erkrankung mildern oder auch gänzlich verhindern. Neben dem persönlichen Aspekt sind, wie bei allen Krankheiten, auch die volkswirtschaftlichen Bedeutungen zu beachten. Der Tagessatz für eine vollstationäre Unterbringung wird beispielsweise in Bremen mit ca. 95 Euro vergütet (Stand 2010). Eine Unterbringung pro Jahr kostet also ca. 34 675 Euro, zuzüglich weiterer Kosten wie Taschengeld und Urlaubsfahrten. Zusätzlich werden die meisten Personen mit einem Korsakowsyndrom für den ersten Arbeitsmarkt als erwerbsunfähig eingestuft. Die persönlichen und die volkswirtschaftlichen Aspekte machen deutlich, dass eine grundsätzliche Präventionsarbeit zum Thema Sucht und Alkoholismus, ebenso wie eine spezielle Prävention zum WKS und ähnlichen Folgeerkrankungen, notwendig ist. Primäre Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von Suchtkrankheit, insbesondere Prävention von Alkoholabhängigkeit, sind natürlich immer auch Präventionsmaßnahmen für das WKS. Präventionsmaßnahmen, die speziell für das Korsakowsyndrom angesetzt werden, können deshalb bei den Personen ansetzen, die bereits eine Alkoholabhängigkeit entwickelt haben. Prävention kann deshalb im Bezug auf das Korsakowsyndrom als Risikominderung bei bereits alkoholabhängigen Personen angesehen werden. Risikominderung bei Alkoholabhängigkeit wird notwendig, wenn Personen trotz ihrer Alkoholabhängigkeit nicht auf den Genuss oder die Rauschwirkung von Alkohol in ihrem Leben verzichten möchten oder können. 4.1 Risikominderung 4.1.1 Alkoholpolitische Maßnahmen zur Risikominderung Neben individuellen gibt es auch alkoholpolitische Maßnahmen zur Förderung eines risikoarmen Alkoholkonsums. Die folgenden Maßnahmen gelten als nachweislich wirksam, um negative Auswirkungen des Alkoholkonsums vom Einzelnen, als auch von der Gesellschaft gering zu halten (Bühringer 1996, Edwards 1997, Körkel 2005). Seite 91 • Höhere Besteuerung auf alkoholische Getränke, zusätzliche Besteuerung auf besonders gefährdenden Getränken (Beispiel: Alkopops) • Zugangsbeschränkung zu Alkohol durch das Jugendschutzgesetz und dessen strikte Einhaltung, sowie das Anbringen von Warnhinweise an Getränken und Verkaufsstellen. • Senkung der Promillegrenze im Straßenverkehr und deren Überwachung durch Verkehrskontrollen. • Ausbau der Primärprävention in Bildungseinrichtungen, in Freizeitbereichen, in Familien und am Arbeitsplatz. • Etablierung der Punktnüchternheit: Orte und Zeiten schaffen, an denen gesellschaftlich anerkannt kein Alkohol konsumiert wird. Beispiel: Straßenverkehr, Arbeitsplatz, Schule, Schwangerschaft und Leistungssport. 4.1.2 Essensausgaben Zur Versorgung von sozial schlecht gestellten und insbesondere obdachlosen Menschen, die nur schwer die Möglichkeit haben, sich warme Mahlzeiten zuzubereiten, gibt es in den meisten Städten in Deutschland Essensausgaben, die kostenloses oder kostengünstiges Essen anbieten. Diese Angebote bieten vielen Alkoholikern die Möglichkeit, fertig zubereitetes Essen zu bekommen, bei dem in den meisten Fällen auch darauf geachtet wird, dass es gesundes und ausgeglichenes Essen ist. Kostenloses und gesundes Essen ist eine wichtige Präventionsmaßnahme gegen Mangelernährung und damit auch gegen das WKS. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht nur, dass Menschen, die sich keine Mahlzeiten leisten können, Essen bekommen können, sondern auch, dass für Personen die Schwierigkeiten damit haben sich selber Essen zuzubereiten oder über wenig Wissen in Bezug auf gesunde Ernährung verfügen, Möglichkeiten bestehen solches zu bekommen. 4.1.3 Nachgehende Sozialarbeit Nach Wienberg (Wienberg 2001) werden in Deutschland nur 5% aller Alkoholabhängigen durch die gegenwärtige Suchthilfe erreicht. Viele beratende soziale Einrichtungen arbeiten nur mit Menschen, die selber die Einrichtung aufsuchen oder auf anderem Wege nach Hilfe verlangen. Häufig steht hinter dieser Annahme, dass ein Betroffener selber den Seite 92 Entschluss fassen muss, sich helfen zu lassen, bevor Hilfe effektiv eingesetzt werden kann. Der Leidensdruck muss in diesen Fällen so hoch sein, damit sie Hilfe suchen oder überhaupt annehmen. Allerdings verhalten sich Menschen unter steigendem Leidensdruck nicht gleich und nicht jeder Mensch empfindet den Leidensdruck auch gleichzeitig als Aufforderung, sich Hilfe zu suchen. Für viele Menschen, insbesondere aus Kulturen, in denen Scharm und Schuld anders verstanden wird als in den westlichen Kulturen, Alkoholabhängigkeit, die bewirken in großen wachsende Teilen der Probleme wie Gesellschaft als selbstverschuldet empfunden werden, eher einen Rückzug aus dem öffentlichen Leben als ein Zuwenden zu Hilfseinrichtungen. Erschwerend kommt für manche Personen mit Migrationshintergrund ein großes Misstrauen gegenüber öffentlichen Einrichtungen hinzu, da ihre Erfahrungen mit öffentlichen Einrichtungen im Herkunftsland von Kontrolle und Restriktion geprägt sein können oder sie nicht zwischen helfenden Einrichtungen und als strafend empfundenen Einrichtungen, wie den Gerichten, der Polizei, den Ausländerbehörden oder der Arbeitsagentur, differenzieren können. Offensichtlich hat der Leidensdruck bei Korsakowkranken nicht rechtzeitig dazu geführt, sich effektiv helfen zu lassen, bevor die irreversiblen Schädigungen aufgetreten sind. Eine Antwort auf diese Rückzugstendenzen kann die aufsuchende Sozialarbeit sein, die ohne Anfrage Hilfe und Beratung im Lebensumfeld von abhängigen Menschen anbietet. Häufig praktiziert wird diese aufsuchende Sozialarbeit durch Hilfsangebote für die offene Alkoholikerszene an bekannten Treffpunkten. Schwieriger und auch seltener ist die Arbeit mit Einzelpersonen oder kleinen Gruppen von Alkoholikern, die in den eigenen Haushalten konsumieren. 4.1.4 Thiaminzugabe zu Nahrungsmitteln In Australien tritt aus bisher ungeklärten Gründen eine hohe Anzahl von WKS-Fällen auf. Unter diesen Fällen sind häufiger stark ausgeprägte Korsakowfälle zu verzeichnen. Als Reaktion auf diese hohen Fallzahlen wurde das Problem des WKS seit den 70er Jahren in den australischen Gesundheitsbehörden diskutiert. Daraus resultierte 1987 die Empfehlung des National Health and Medical Research Council (NHMRC) Bier und Wein zusätzlich Thiamin zuzusetzen. Dieser Vorstoß stieß seitens der Seite 93 Alkoholindustrie und der Antialkoholgruppen auf Widerstand. Nach weiterer Diskussion wurde die Empfehlung des NHMRC in die Empfehlung umgewandelt, Brot mit Thiamin anzureichern. Am 1.Januar 1991 trat dann ein Gesetz in Kraft, welches die Anreicherung von Thiamin in Brot auf 6.4 mg pro kg festlegte, die allerdings nicht überwacht wird (Drew 1998). In den beiden folgenden Jahren 1992 und 1993 wurde von Truswel (Truswel 1998) ein Rückgang der WKS-Fälle festgestellt. Ab 1994 wurde kein weiterer fortschreitender Rückgang festgestellt. Die Sterblichkeit aufgrund einer akuten Wernicke-Enzephalopathie oder aufgrund von Thiaminmangel ging in den Vergleichszeiträumen von 1984-1989 und 1993-1996 von 329 auf 255 zurück. Gleichzeitig stieg die Todesrate aufgrund von anderen alkoholischen Demenzen, Alkoholabhängigkeitssyndromen und Alkoholgebrauch ohne Abhängigkeit von 452 auf 493 (Drew 1998). Der Vergleich zeigt, dass, obwohl es einen Anstieg der alkoholbedingten Todesfälle gab, die Sterblichkeit aufgrund vom WKS deutlich sank. Harper, Truswel und Drew kommen in ihren Einschätzungen überein, dass eine höhere Effektivität der Thiaminzugabe möglich ist, wenn sie anstelle von Brot in Bier gegeben wird (Truswel 1998, Harper 1998, Drew 1998). Man vermutet auch Kostenersparnisse, da Thiamin in Brot durch die Hitze des Backens teilweise zerstört wird und deshalb größere Mengen zugesetzt werden müssen (Maleki 1966). Die Zugabe von Thiamin wird aufgrund von Geschmacksveränderungen des Bieres bei hohen Thiaminzugaben kontrovers diskutiert, obwohl dies nur für sehr empfindsame Biertrinker wahrnehmbar ist (Drew 1998). Insgesamt wird aber davon ausgegangen, dass Thiamin und zusammenpassen. Bier, im Gegensatz zu Wein, Da das zugeführte Thiamin geschmacklich nach der Gärung dazugegeben wird, würde es das eigentliche, natürlich vorhandene Thiamin der Bierhefe ersetzen, welches durch den Gärungsprozess zerstört wurde. Ironischerweise ist Bierhefe eines der Nahrungsmittel mit dem höchsten Vitamin-B1 Gehalt. Da die Thiaminzerstörung durch die Gärung nicht so bekannt ist, wird Bier manchmal fälschlicherweise als Vitamin-B1 Lieferant empfohlen. Da die Anreicherung von Thiamin in Lebensmitteln in Australien nachweislich Erfolge erzielt hat und die Ausweitung auf Bier nach der einheitlichen Meinung der untersuchenden australischen Wissenschaftler wünschenswert wäre, könnte auch in Deutschland über eine Anreicherung Seite 94 von Thiamin in Lebensmitteln nachgedacht werden. Dabei sollten nicht nur die Möglichkeiten von landesweiten Verordnungen und Gesetzen für Bier, Brot oder andere Lebensmittel berücksichtigt werden, sondern auch die Zugabe von Thiamin bei öffentlichen Essensausgaben, in der Verpflegung von Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen, die häufig Kontakt mit Risikopersonen haben. 4.2 Individuelle Maßnahmen zur Risikominderung 4.2.1 Aufklärung von Alkoholikern und Ärzten Die Verhinderung eines WKS trotz starker Alkoholabhängigkeit ist theoretisch sehr einfach und kostengünstig. Entsprechend gefährdete Personen müssten lediglich dafür Sorge tragen, ihre Thiaminaufnahme nicht zu vernachlässigen. Thiamin ist in Tabletten mit dem Vitamin BKomplex oder in Multivitamin-Brausetabletten enthalten. MultivitaminBrausetabletten, die pro Tablette 1-2mg Vitamin B1 enthalten, sind in den meisten Supermärkten kostengünstig (<1EUR) erhältlich. Sie decken zwischen 70% und 140% des empfohlenen Tagesbedarfs ab. Selbst wenn feste Nahrung vom Körper nicht mehr aufgenommen oder bei sich behalten werden kann, sind in Wasser gelöste Brausetabletten eine Möglichkeit, den Vitaminmangel etwas einzuschränken. Das Wissen um diese Präventionsform ist nicht weit verbreitet und auch die Umsetzung ist für starke Alkoholiker aufgrund ihrer Lebensführung schwierig. Trotzdem versetzt das Wissen um diese Form der Prävention Menschen in die Lage, selber etwas zur Vermeidung des WKS zu tun. Ärzte, die starke Alkoholiker betreuen, können Thiaminpräparate als Prävention empfehlen, wenn sie Mangelernährung versuchen, den Betroffenen die Gefahr von feststellen und Vitaminmangel und Fehlernährung nahe zu bringen (Kopelmann 2009). Die Einnahme von Vitaminpräparaten darf allerdings nicht als Lösung oder Ersatz für ausgewogene Mahlzeiten dargestellt werden. Dies würde eventuell zu der Überzeugung führen, dass eine ausgeglichene Ernährung, durch künstliche Produkte zu ersetzen wäre, was natürlich nicht der Fall ist. Vitaminpräparate sind also nur eine Maßnahme zur Risikominderung und schließen keine Erkrankung aus. Kontrovers wird auch noch immer die Aufnahmefähigkeit von oral eingenommenen Thiamin bei Alkoholikern Seite 95 diskutiert. McIntosh empfiehlt als sicherere Alternative die intravenöse Verabreichung (McIntosh 2004). 4.2.2 Kontrolliertes Trinken Bei bereits eingetretenen Alkoholproblemen und dem Ausschluss einer abstinenten Lebensführung kann das Risiko von Folgeerkrankungen und Schädigungen durch kontrolliertes Trinken reduziert werden. Kontrolliertes Trinken bedeutet eine überwachte Konsumbegrenzung für den Konsumenten. Die Überwachung der konsumierten Alkoholmengen kann selbständig oder durch eine äußere Kontrollinstanz durchgeführt werden. Sollte ein selbstkontrolliertes Trinken nicht mehr möglich sein, empfiehlt sich eine äußere Kontrollinstanz, die die festgelegte Alkoholmenge ausgibt. Erfahrungen mit dem fremdkontrollierten Trinken wurden besonders in Altenheimen und Hospizen gesammelt (Krökel 2005 S.167). Von selbstkontrolliertem Trinken spricht man, wenn eine Person ihren Alkoholkonsum an einem Trinkplan oder an Trinkregeln ausrichtet. Dabei sollen neben der Kontrolle auch die eigenen Konsummuster entdeckt werden, d.h. wo, mit wem, wie viel und zu welcher Tageszeit wird getrunken. Ein Trinkplan kann eine tägliche Menge Alkohol festlegen, die nicht überschritten werden sollte. Er kann eine Uhrzeit festlegen, ab der getrunken werden darf oder Orte an denen das Trinken erlaubt ist oder vermieden werden sollte. Empfehlenswert ist hierbei das Führen eines Trinktagebuches, in dem die einzelnen Getränke und Situationen des Trinkens vermerkt werden. Dieses Trinktagebuch hilft dabei, getroffene Zielfestlegungen zu überprüfen und Erfolge oder Misserfolge festzustellen. Erfolge sollten durch Selbstbelohnung honoriert werden. Misserfolge sollten analysiert und akzeptiert werden. Erkenntnisse bieten die Möglichkeit, Probleme und Risiken zu erkennen und zu definieren. Als Reaktion auf gemachte Ergebnisse können Zielfestlegungen Woche für Woche neu gefasst und so Fortschritte erzielt werden. Wenn möglich, kann zu Beginn der Selbstkontrolle eine Abstinenzphase von mehreren Tagen oder Wochen eingelegt werden, um die Toleranz gegenüber Alkohol abzubauen und das Verlangen nach Alkohol intensiv zu empfinden und Trinkmuster erkennen zu können. Für viele Alkoholiker sind solche Abstinenzphasen allerdings schwierig und könnten die Absicht, kontrolliert zu trinken, blockieren. Eine Abstinenzphase ist deshalb keine zu erzwingende Seite 96 Vorleistung, um das kontrollierte Trinken zu beginnen. Weitere Vorraussetzungen für das kontrollierte Trinken ist, die Kenntnis über Alkoholmengen in Getränken und deren Bedeutung für den eigenen Körper. Informationen und Anleitung zum kontrollierten Trinken sind, über Informationsbroschüren und -bücher (Körkel 2005) oder auch in einzelnen therapeutischen Beratungen oder Gruppenprogrammen zu erhalten. Diese sind teilweise von Betriebskrankenkassen als Präventionsmaßnahmen anerkannt und werden bezuschusst. Die Ergebnisse des kontrollierten Trinkens sind vergleichbar mit denen der Abstinenzprogramme. Ca. 65% der Teilnehmer kontrollieren ihren Konsum nach einem Jahr noch immer. 50% haben ihren Konsum weiter reduziert oder sind abstinent geworden. Allerdings sinkt die Erfolgsquote in schweren Fällen von Alkoholabhängigkeit. Zur Vermeidung vom WKS ist das selbstkontrollierte Trinken in einem frühen Stadium der Alkoholabhängigkeit sinnvoll. Das fremdkontrollierte Trinken in Pflegeeinrichtungen kann als Risikominderung in Fällen mit bereits aufgetretenem WKS angesehen werden, welche eine Alkoholabstinenz dauerhaft ablehnen. Seite 97 5 Fazit Ziel der pädagogischen Arbeit mit Personen, die am WKS erkrankt sind, ist ein selbstbestimmtes Leben mit größtmöglicher Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Der Weg zu diesem Ziel ist individuell, da auch die Personen Individuen sind und die Schädigungen durch das WKS sich von Person zu Person unterscheiden. Die praktische Erfahrung zeigt, dass die verlorene Merkfähigkeit und die dadurch entstandene Unsicherheit im Alltag durch wiederkehrende und alltagspraktische Abläufe teilweise kompensiert werden kann. In dieser Routine ist das Leben wieder besser und mit weniger Hilfe möglich. Obwohl ein routiniertes Leben mit wiederkehrendem Alltag langweilig und eintönig erscheinen kann, bietet es den Betroffenen die Sicherheit und die Rückgewinnung der Kontrolle und damit auch der Selbstbestimmung und Selbstachtung. Bei der Konzentration auf den Alltag und dem Training wiederkehrender Aufgaben, kann den pädagogischen Betreuern allerdings der Blick für die individuellen Maßnahmen verloren gehen. Außerdem sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass die Form des impliziten Lernens nur eine Umgehung der geschädigten Funktionen ist. Explizites Lernen sollte trotz der geringen zu erwartenden Erfolge trainiert werden. Das Training des expliziten Lernens ist Ressourcenerhalt und Erweiterung der eigentlichen Fähigkeiten und damit wertvoller für den betroffenen Menschen, da es übertragbar und damit mehrfach verwendbar ist. Implizites Wissen kann durch seine sehr spezielle Form nur als Ersatz für nicht erlernbare explizite Fähigkeiten gesehen werden. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Gedächtnistrainings zu sehen. Betreuer müssen immer zwischen den Möglichkeiten abwägen, durch Strukturierung und Kompensation, das Leben zu erleichtern oder durch Förderung, Umstellung und Herausforderungen, Fähigkeiten zu entwickeln oder zu reaktivieren. Für beide Formen des Lernens gibt es eine Vielzahl von Methoden, die je nach Person mehr oder weniger hilfreich sein können. Überwiegend sind es Methoden, die für andere Krankheitsbilder entwickelt wurden, aber bei dem WKS genauso oder abgewandelt verwendet werden können. Insbesondere das Realitätsorientierungstraining (ROT) kann hier als eine Sammlung von Methoden genannt werden, die sich besonders für die Arbeit mit WKSErkrankten eignen können. Für einen erfolgreichen Übergang von einer Seite 98 intensiven Betreuung in eine selbständigere Form des Lebens, sind die Fähigkeit den Alltag bewältigen zu können und eine angemessene Beschäftigung von großer Bedeutung. Aber auch die Möglichkeit sich frei bewegen zu können und Zugang zum öffentlichen Leben zu haben ist eine wichtige Grundlage für eine gelungene Bewältigung der Krankheitsfolgen. Zur Prävention des WKS sind verschiedene risikomindernde Maßnahmen bekannt. Hierzu zählen unter anderem alkoholpolitische Maßnahmen und die nachgehende Sozialarbeit. In einigen Ländern wird bereits die Thiaminzugabe zu Nahrungsmitteln angewendet. Der umsetzbarste und realistischste Ansatz ist aber, Ärzte und Alkoholiker auf die Gefahren des WKS hinzuweisen und Vorbeugemöglichkeiten, wie die rechtzeitige Gabe von Thiamin, aufzuzeigen. Seite 99 6 Verwendete Literatur Arnold, W.: Alkoholinduzierte Lebererkrankungen therapieren. In: Bremer Ärzte, 3/02, 10-12. 2002 Bergmann, F.: Alkoholfolgeerkrankungen. In: Berlit, Peter: Klinische Neurologie Berlin: Springer Verlag, 2005, S.1239-1248 Bishara, A. J. & Jacoby, L.L.: Aging, spaced retrieval, and inflexible memory performance . 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In: Suchtgefahren Vol.3/77, 1977, S.113-119 Seite 106 >>> Über den Autor Cornelius Bortmann studierte Pädagogik an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg und arbeitet seit 2007 in einer vollstationären Einrichtung für chronische Alkoholiker mit hirnorganischem Abbau. In diesem Zusammenhang stehen auch seine Schwerpunktthemen Sucht, Neuropädagogik & Sonderpädagogik. Daneben beschäftigt er sich mit den Möglichkeit von Elearning, Blended Learning und dem Internet als Lernmedium in der Erwachsenenbildung. >>> Unterstützung Dieses Ebook und die Veröffentlichungsplattform www.korsakow-syndrom.de wurden mit freundliche Unterstützung des Kaleo Instituts erstellt. www.kaleo-institut.de >>> Copyright Diese Arbeit von Cornelius Bortmann steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported Lizenz. Seite 107