Age Wohnmatrix für einen neuen begrifflichen Umgang mit
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Age Wohnmatrix für einen neuen begrifflichen Umgang mit
Age Wohnmatrix für einen neuen begrifflichen Umgang mit Wohnangeboten Bedürfnisse statt Begriffe ins Zentrum stellen Antonia Jann Zusammenfassung: Die Möglichkeiten zum unterschieden: Privates Wohnen; Wohnen im Alter haben sich in den letzten Organisiertes Wohnen und Institutionelles Jahren massiv vergrößert. Durch den Eintritt Wohnen. Auf der Sicherheitsachse werden vier von Marktkräften und durch die internationale Ausprägungen vorgenommen: Geringe Berichterstattung über das Wohnen sind die Sicherheit bieten Wohnformen, die nur auf die Modelle, an denen man sich Wissenschafter, Zurverfügungstellung von Wohnraum Journalisten, Fachleute und ältere Menschen ausgerichtet sind. Etwas mehr Sicherheit orientieren äußerst vielfältig geworden. Diese vermitteln Wohnsituationen, in denen ältere Vielfalt erschwert die Orientierung innerhalb Menschen partizipativ eingebunden sind. Eine der verschiedenen Modelle. Trotz der breiten weitere Stufe von Sicherheit erreichen Rezeption des Themas besteht nämlich keine Wohnangebote, die professionelle verbindliche Einheitlichkeit in der Verwendung Serviceleistungen im Angebot haben. Die von Begriffen und auch wenn die gleichen höchste Stufe der Sicherheit bieten schließlich Begriffe verwendet werden, sind damit nicht Wohnformen, die eine integrierte Pflege immer die gleichen Inhalte gemeint. beinhalten. Um eine neutrale Basis für die Positionierung Die Age-Wohn-Matrix soll dazu beitragen, das von Wohnformen zu erhalten, wurde aufgrund Wohnangebot analysieren und potentielle einer Literaturrecherche die „Age-Wohn- Lücken erkennen zu können. Matrix“ entwickelt. Sie orientiert sich an zwei zentralen Bedürfnissen älterer Menschen, nämlich am Bedürfnis nach Autonomie und am Schlüsselwörter: Definition, Wohnen, Bedürfnis nach Sicherheit. Auf der Sonderwohnformen, Stationäre Einrichtung, Autonomieachse werden drei Wohntypen Zuhause Lebender Einführung Die Wohnangebote haben sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert und enorm ausgeweitet. Sie bilden nicht nur den Rahmen für das individuelle Wohnhandeln von alten Menschen, sie bilden auch den „Wissensvorrat“ von Politikern, Planern und Gestaltern. Deshalb entfalten die vorhandenen Angebote neben ihrer lokalen Wirkung über die Verbreitung durch Literatur und Medien eine globale Wirkung und werden universal verstanden. Der Vergleich verschiedener Wohnformen und -modelle wird jedoch enorm erschwert durch fehlende begriffliche Standards. Trotz der breiten Rezeption des Themas besteht nämlich keine verbindliche Einheitlichkeit in der Verwendung von Begriffen, und auch wenn die gleichen Begriffe verwendet werden, sind damit nicht immer die gleichen Inhalte gemeint. Somit wird der Vergleich von Modellen erschwert und deren Übertragbarkeit beeinträchtigt. Begriffliche Systematisierungen sind teilweise auch innerhalb der einzelnen Länder unmöglich, da eine unmissverständliche Begrifflichkeit nur dort existiert, wo auch gesetzliche Regelungen eine Wohnform definieren. Alle Bereiche, die nicht gesetzlich geregelt sind, sind dem Markt und dem privaten beziehungsweise zivilgesellschaftlichen Engagement überlassen. Nicht zuletzt das Interesse, das der Markt am neuen Kundensegment entwickelt hat, führte dazu, dass das Alterswohnen seit den 70er Jahren deutlich „bunter“ geworden ist (Wahl & Oswald 2007 S. 66). Dem begrifflichen Notstand soll mit einem neuen Ansatz der Klassifizierung von Wohnangeboten abgeholfen werden. Grundlage für die Kategorisierung ist eine Literaturrecherche, die englisch- und deutschsprachige Literatur zu aktuellen Wohnformen für alte Menschen erfasst. Das Bezugssystem löst sich von der Bezeichnung einzelner Wohnformen und legt dem Begriffssystem zwei als zentral erkannte Bedürfnisse älterer Menschen zugrunde: erstens das Bedürfnis nach Sicherheit und zweitens das Bedürfnis nach Autonomie (vgl. auch Groger & Kinney 2006; Lawton 1989; Leeson 2006; Oswald 1996; Peace 2006; Saup & Reichert 1999; Wagnild 2001). Selbstbestimmung ist im Folgenden definiert durch das Vorhandensein von individuellem Wohnraum und der Freiheit, den Tagesablauf autonom zu gestalten. Sicherheit wird definiert als Möglichkeit, bei Bedarf Ansprechpartner zu haben und auf Unterstützung zugreifen zu können. 1, Mit den beiden Grundbedürfnissen wird eine Positionierungsmatrix entwickelt, die nachfolgend „Age2 Wohn-Matrix“ genannt wird. Darin können Gruppen von Wohnformen abgebildet werden, die auf eine ähnliche Weise die Bedürfnisse von alten Menschen abdecken. Aus Darstellungsgründen wird in der Age-Wohn-Matrix die Selbstbestimmung als Fremdbestimmung dargestellt, damit die Werte ebenfalls, wie bei der Y-Achse, vom Nullpunkt aus abgetragen werden können. 1 Diese Systematik der Positionierung von Angeboten stammt aus dem Marketing, wo mittels Positionierungsanalysen verschiedene Anbieter oder Produkte in einem Feld verortet werden. Die Kriterien, mit welchen dieser Markt abgesteckt wird, sind immer zentrale Kundenbedürfnisse, die mit dem jeweiligen Markt abgedeckt werden. Im Bereich des Wohnens im Alter sind Autonomie und Sicherheit zentrale Wohnbedürfnisse (vgl. auch Kapitel 6). 2 Der Begriff wird gewählt, weil er von der Age Stiftung entwickelt wurde zwecks einer präzisen Zuordnung von Wohnmodellen. Professionell mit Pflege SICHERHEIT Professionell mit Service Partizipativ nur Wohnung FREMDBESTIMMUNG Privat Organisiert Institutionell Abbildung 1: Die Darstellung zeigt die Age-Wohn-Matrix mit zwei zentralen (Wohn-) Bedürfnissen alter Menschen: Sicherheit und Selbstbestimmung (Darstellung AJ). Die Sicherheitsachse unterscheidet vier Stufen. Auf der ersten Stufe besteht gar keine organisierte Sicherheit, auf der zweiten Stufe wird Sicherheit durch partizipatives Mitwirken erreicht. Auf der dritten Stufe besteht ein professionelles und kontinuierliches Angebot an Unterstützungs- und Serviceleistungen und auf der vierten Stufe werden professionelle Pflegeleistungen angeboten. Ziel der Anwendung der Age-Wohn-Matrix ist es, über eine gemeinsame Begrifflichkeit zu verfügen, die plakativ aufzeigt, in welchem Feld oder in welchen Feldern ein Wohn- oder Dienstleistungsangebot zu verorten ist. Indem die Age-Wohn-Matrix deutlich macht, zu welchem Feld ein Wohnangebot gehört, entsteht mehr Klarheit für Kunden, Anbieter und Politiker, das Angebotsspektrum zu analysieren. Kunden erhalten Klarheit, indem sie sehen, was sie erwarten können, wenn sie ein Angebot wählen und was nicht dazu gehört. Anbieter können mit wenigen Begriffen ihre Wohnangebote beschreiben und positionieren, Politiker können mit einer systematischen Analyse der Angebote auf Überkapazitäten beziehungsweise blinde Flecken aufmerksam werden. „Ansatzpunkt für das Verstehen der zukünftigen Versorgungsstruktur kann (…) nicht (allein AJ) die „Pflegeeinrichtung“ sein, sondern das Wohnen in Verbindung mit der sozialen Einbindung älterer Menschen sowie die Verfügbarkeit eines hinreichenden Angebots an ambulanten Unterstützungs- und Pflegeleistungen“ (Becher & Hölscher 2012). Nachfolgend werden aus den drei Ausprägungen der x-Achse (Autonomie) drei Wohntypen gebildet, die sich deutlich voneinander unterscheiden. Typus 1: Das private Wohnen Was das private Wohnen von den anderen beiden Kategorien unterscheidet, ist die Tatsache, dass der Zielgruppe der älteren Menschen im privaten Wohnen nicht anders wahrgenommen und behandelt wird als andere Zielgruppen. Je mehr die Politik die ambulante Pflege vor die stationäre Betreuung setzt, umso mehr müssen jedoch die Bedingungen des privaten Wohnens ins Blickfeld der gerontologischen Fachleute rücken. Beschreibung: Mit den zunehmenden Bemühungen um ein Mainstreaming des Alterns (Martin et al. 2010) weitet sich auch der Betrachtungswinkel der Fachleute aus. Im Zentrum des Interesses steht nicht mehr ausschließlich die Beschäftigung mit organisieren- und institutionalisierten Wohnformen für älter werdende Menschen sondern zunehmend auch die Beschäftigung mit Systemen und deren Zusammenhänge, mit der Ausgestaltung von Lebensräumen zum Älterwerden. Bei der Betrachtung von Lebensräumen zum Älterwerden geht es nicht primär darum, neue Angebote zu entwickeln, sondern vielmehr darum, wie die vorhandenen Angebote zusammenwirken, wie einfach sie für das Individuum erreichbar sind und wie das professionelle System mit zivilgesellschaftlichen Kräften ergänzt werden kann. Begrifflichkeiten: Das private Wohnen kann sowohl mit einem individuellen, wie auch mit einem kollektiven Fokus betrachtet werden. Wenn es um das Wohnen als individuellen Wohnort geht, werden in der Regel folgende Begriffe verwendet: „Aging in Place“, Staying put“, „living in the community, „living in ordinary home“ „Independent Living“ , „Community Dwelling“, oder „Mainstream Housing“ (Faulkner 2007; Golant 2004; Greenfield 2011; Hallberg & Lagergren 2009). In der deutschsprachigen Gerontologie gibt es für die Diskussion des Bleibens, des Wohnens in den eigenen vier Wänden keine adäquate Übersetzung. Wahl und Oswald sprechen vom „traditionellen Wohnen im Privathaushalt“ (Wahl & Oswald 2007 S. 63). Wird auf das Wohnen im Privathaushalt Bezug genommen, stehen in der Regel bauliche Aspekte im Vordergrund. Wird das private Wohnen nicht nur als individuelles, sondern als kollektives Thema betrachtet, gelangt das ganze System in den Fokus der Betrachtung und es stellt sich die Frage, wie das Individuum in seinem Wohnumfeld älter werden kann. In Deutschland werden Initiativen welche sich auf die Optimierung des System beziehen, häufig als Quartiersprojekte bezeichnet (Bertelsmann Stiftung 2007). In der Schweiz gibt es keine etablierte Terminologie, was jedoch nicht heisst, dass der Lebensraumbezug fehlt. Vielmehr wird er in Alterskonzepten implizit beschrieben. Auch in den USA hat sich bislang keine einheitliche Begrifflichkeit etabliert. Man redet zum Beispiel von “Age Friendly 3 Communities”, “NORC-SSPS” oder “Programms of all inclusive Care”. Die verschiedenen Ansätze 4 und deren Funktionsweise sind theoretisch erst rudimentär hinterlegt. (Greenfield 2011) was deren Vergleichbarkeit erschwert. Verbreitung und Bedeutung: Das normale, private, unorganisierte Wohnen ist für die große Mehrheit der alten Menschen die bevorzugte Wohnform (empirica 2009, Heinze 1997, Höpflinger 2009). Das Wohnen zu Hause hat auch in der Politik vieler Länder in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Dafür sind demografische und finanzielle Gründe ausschlaggebend. Es werden politische Programme verabschiedet, die das Wohnen zu Hause möglichst lange stützen sollen (Bayer-Oglesby & Höpflinger 2010; Sixsmith & Sixsmith 2008). Diese Politik entspricht auch den Wünschen älterer 3 NORC-SSPs: Naturally Occurring Retirement Community-Supportive Services Programs. 4 Greenfield bedient sich eines ökologischen Ansatzes: Sie beschreibt den Typus der Verlinkung zwischen Individuum und Hilfssystem, die Ebene, wer die Verlinkung herstellt und wer sie im Alltag aufrecht erhält, inwiefern ältere Menschen in die Organisation eingebunden sind, an welche Zielgruppen sich ein Programm richtet und bei welchen Lebensereignissen ein Programm aktiviert wird. Menschen, die das autonome Wohnen im angestammten Umfeld als die bevorzugte Wohnform angeben (Gitlin 2003; Höpflinger 2009). Zahlen zum Wohnen zu Hause werden, zumindest in der Schweiz, nicht systematisch erhoben. Genaue Zahlen hat man leidlich über die Anzahl Personen, die in Institutionen leben. Zur Restgruppe der „Nicht-in-Institutionen-lebenden“ gehören Menschen in privaten, wie auch in organisierten Wohnformen. Im Folgenden wird auf die einzelnen Elemente eingegangen, die das System von Lebensräumen ausmachen. 1.1 Das private Wohnen ohne Partizipationsmöglichkeiten, Service und Pflege Das private Wohnen älterer Menschen unterscheidet sich grundsätzlich nicht vom privaten Wohnen in anderen Lebensphasen. Wenn Anbieter auf die Alterstauglichkeit von Wohnungen hinweisen wollen, beschränkt sich das in der Regel auf bauliche Komponenten. Die Wohnungen werden als hindernisfrei, barrierefrei oder im angelsächsischen Sprachraum als Lifecycle-Housing bezeichnet. Diesen baulichen Aspekten wird im Rahmen der Gesetzgebung Rechnung getragen. Im Zuge der Emanzipation der Behinderten sind in verschiedenen Ländern Gesetze und Normen eingeführt worden, welche die Zugänglichkeit zu öffentlichen Gebäuden, aber auch die barrierefreie Ausstattung von größeren Wohngebäuden regeln. Neben den strengen Auflagen für umfassende Barrierefreiheit sind Bestrebungen zu beobachten, barrierearmes Wohnen zu definieren (www.baunetzwissen.de -17. Juli 2011) um einer größeren Anzahl älterer Menschen ein Umfeld zu bieten, das keine großen Hürden aufweist. Zunehmend wird neben der baulichen Barrierefreiheit auch die mögliche technische Ausrüstung von Wohnungen mit Sicherheitstechnologien in Betracht gezogen. (vgl. Grauel & Spellerberg 2007; Monk et al. 2006), dafür hat sich jedoch noch keine eigene Begrifflichkeit etabliert. 1.2 Das private Wohnen mit Partizipationsmöglichkeiten Gemeinhin werden Partizipationsmöglichkeiten im Bereich des organisierten Wohnens als Hausgemeinschaften, Wohngemeinschaften oder andere Formen von gemeinschaftlichen Wohnprojekten angeboten (siehe Abschnitt 2.2). Das professionelle Interesse an Partizipationsmöglichkeiten im privaten Wohnkontext beschränkte sich langezeit auf informelle nachbarschaftliche Kontakte und Hilfeleistungen sowie auf die Angebote von Freizeitgestaltungen, welche von der Kirche, von Wohlfahrtsorganisationen oder von Erwachsenenbildungsorganisationen angeboten wurden. Seit das private Wohnen nicht mehr ausschließlich als individuelles Thema gesehen, sondern systemisch angegangen wird, erhält die Partizipation im Wohnkontext eine höhere Bedeutung. Sie wird mit Instrumenten der Gemeinwesenarbeit gefördert und ist ein Bestandteil von Quartiersprojekten (Bertelsmann Stiftung 2007) in denen ältere Menschen angeregt werden als Mitgestalter ihres Wohnumfeldes beziehungsweise ihrer Nachbarschaft aufzutreten und ihre Ressourcen einzubringen (Austin et al. 2009). In den USA wird dieser Ansatz insbesondere in den Quartieren beobachtet, in denen ein hoher Anteil an älteren Menschen leben (NORCS) (Klosek & Crilly 2010) oder in denen Akteure spezielle Programme für zu Hause lebende Senioren anbieten (Greenfield 2011). Aus der Forschung zu Programmen der Gemeinwesenarbeit, lässt sich eine positive Bilanz ziehen. Die Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten im Wohnumfeld wirkt sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beteiligten aus. (Austin et al. 2009; Bronstein et al. 2011; Klosek & Crilly 2010). Dabei wird klar, dass langfristiges partizipatives Engagement nicht ohne eine professionelle Begleitung auskommt. Auch die Untersuchung von Partizipation älterer Menschen im Bereich von Freizeitaktivitäten zeigen eine positive Auswirkung auf die Lebensqualität auf (z.B. Moody & Phinney 2012), wobei jedoch auch festzustellen ist, dass nicht alle älteren Menschen in gleichem Masse von Partizipation profitieren können. Insbesondere gesundheitlich und finanziell schwächere ältere Menschen haben oftmals einen schlechten Zugang zu Gruppen und Aktivitäten, an denen sie partizipieren können (Gray 2009). 1.3 Das private Wohnen mit Service Service- oder Betreuungsleistungen erleichtern älteren Menschen die Bewältigung des Alltags. Service- und Betreuungsleistungen grenzen sich, wenn auch nicht immer ganz klar, von pflegerischen Handlungen ab. Serviceleistungen werden in der Regel angeboten, um ältere Menschen bei der Bewältigung instrumenteller Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) wie Einkaufen, Kochen, Wäschewaschen, Benützung von öffentlichem Verkehr oder Bewältigung von Finanzangelegenheiten zu unterstützen. Diese Unterstützungsleistungen werden häufig aus dem familiären oder sozialen Netzwerk erbracht, es stehen jedoch zunehmend auch professionelle Dienstleister zur Verfügung. Unterschiedlich wird die Abrechnung von Betreuungsleistungen gehandhabt. Während in Deutschland Betreuungsleistungen in geringem Umfang von der Pflegeversicherung abgedeckt werden, leistet in der Schweiz die Krankenkasse keinen Beitrag zur Betreuung von älteren Menschen; abgerechnet werden. können lediglich pflegerische Leistungen. Somit sind in der Schweiz haushaltsergänzende Dienstleistungen für ältere Menschen mit geringem finanziellem Spielraum oft unerschwinglich, da sie weder über die Krankenkasse noch über die Ergänzungsleistungen abgerechnet werden können und nur teilweise durch die öffentliche Hand subventioniert werden. Die Entwicklung beziehungsweise die Markteinführung von technologischen Lösungen im individuellen Haushalt, steht bislang erst am Anfang. 1.4 Das private Wohnen mit Pflege Zur Erfassung der Pflegebedürftigkeit werden häufig die ADL-Kriterien (Activieies of daily living) herangezogen. Sie bezeichnen die Fähigkeit bzw. Unfähigkeit sich selbst an- oder auszukleiden, zu Bett zu gehen oder das Bett zu verlassen, die Körperpflege selber zu übernehmen oder sich innerhalb der Wohnung zu bewegen. Wer für diese Tätigkeiten auf Hilfe angewiesen ist, gilt in der Schweiz als Pflegebedürftig und hat Anspruch auf Hilflosenentschädigung – in der Schweiz waren das rund 9% der über 80-jährigen. (Höpflinger & Hugentobler 2004). Eine detaillierte Schätzung der Pflegequoten, welche primär auf Zahlenmaterial aus Deutschland basiert, weist folgende Verteilung auf: 65-69 jährigen rund 2.5%; 70-74 jährigen 5 - 6%; 75-79 jährigen 8 - 10%; 80 - 84 jährigen rund 18 - 20%. Am schwierigsten sind die Schätzungen für die über 85-jährigen wo sie zwischen 42.4% (deutsche Pflegeversicherung) und 25% (epidemiologische Studie in Genf und Zürich) schwankt. Höpflinger empfiehlt für diese Altersgruppe die Annahme einer Quote von 30 - 35%. Zusammengefasst ergibt das eine Pflegequote von 9.8 bis 11.4% aller 65 jährigen und älteren Menschen (Höpflinger & Hugentobler 2004S. 43) Im Angebot von Leistungen für pflegebedürftige Menschen unterscheiden sich nationale Systeme stark - einerseits werden der Zugang und die Finanzierung von Pflegeleistungen unterschiedlich gehandhabt, andererseits ist auch der Umfang, in dem ambulante Betreuung in Anspruch genommen werden kann, von Land zu Land unterschiedlich. Typus 2: Das organisierte Wohnen Was die Kategorie des organisierten Wohnens von der Kategorie des privaten Wohnens unterscheidet, ist die Tatsache, dass sich organisierte Wohnformen speziell an die Zielgruppe älterer Menschen richten. Was diese Kategorie mit der oben genannten verbindet, ist die Orientierung am privaten autonomen Wohnen. Auch in dieser Kategorie verfügen die Menschen über eine individuelle Wohnung und können den Alltag selbst bestimmt gestalten. 2.1 Organisiertes Wohnen in altersspezifischen Wohnungen Im Unterschied zu anderen Ausprägungen des organisierten Wohnens, werden hier nur Wohnungen für ältere Menschen angeboten, ohne dass ein Betriebsmodell mit Elementen von Partizipation oder Service dazugehört. Beschreibung: Wohnungen dieses Typus entstanden vor allem in der Nachkriegszeit, als aufgrund von Wohnungsknappheit mit Instrumenten der Wohnbauförderung oder mithilfe gemeinnütziger Organisationen Wohnungen gebaut wurden, die speziell für die Zielgruppe finanzschwacher älterer Menschen bestimmt waren (vgl. Narten 2005, S. 92ff.).Die Siedlungen gewährten altwerdenden Menschen einen ruhigen Ort, wo sie geschützt vom Treiben des Marktes in Ruhe alt werden konnten. (Krämer 2005 S. 35 ff). Es liegt in der Natur dieser Motivation, dass die Wohnungen bescheiden ausgestattet waren, wenig Platz und keine luxuriöse Ausstattung aufwiesen (Narten 1999 S. 83 f). In der Ausprägung, wie sie hier beschrieben ist, waren diese Alterswohnungen oder Alterssiedlungen auf die bauliche und finanzielle Komponente reduziert. Es gab allenfalls einen Hauswart, der als Ansprechperson zur Verfügung stand, Pflege- beziehungsweise Betreuungsleistungen waren häufig nicht vorgesehen. Da sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt je nach Standort nicht beruhigt hat, gibt es, insbesondere in der Schweiz, auch heute noch Alterswohnungen und Alterssiedlungen, die diesem Typus zugerechnet werden können. Die Wohnungen sind entsprechend den neuen Erkenntnissen aus der Gerontologie größer und attraktiver geworden. Nach wie vor sind Wohnungen, die zu diesem Typus gehören, besonders günstig oder subventioniert beziehungsweise gefördert. Geändert haben sich oftmals die Betriebsmodelle. Sie wurden angereichert mit partizipativen Elementen oder mit Elementen von Service und Betreuung. Begrifflichkeiten: Wohnformen und -modelle, die zu dieser Gruppe gehören, heißen im deutschsprachigen Raum Alterswohnungen und Alterssiedlungen. Im angelsächsischen Kontext spricht man von Senior Apartments, Senior Housing und Congregate Housing. Verbreitung und Bedeutung: Während diese Wohnform aufgrund ihrer dürftigen Betriebskonzepte in Deutschland als veraltet gelten und zunehmend von Formen des betreuten Wohnens abgelöst wurden (Narten 2005a), werden in der Schweiz auch heute noch Wohnungen erstellt, die ausschließlich älteren Menschen vorbehalten sind und die kostengünstig konzipiert werden. Oftmals sind sie jedoch heute mit einem erleichterten Zugangs zu Unterstützung- und Dienstleistungen ausgestattet, oder sie werden durch Methoden der Gemeinwesenarbeit zu aktiven Nachbarschaften. 2.2 Organisiertes Wohnen mit Ausrichtung auf Partizipation Die modernen Grundlagen des partizipativen Wohnens, des Cohousing, stammen aus Dänemark und wurden in den 1960er Jahren von Familiengruppen entwickelt. Mit dem Älterwerden der Protagonisten hat sich die Idee auch im Bereich des Alterswohnens etabliert (Bamford 2005; Jung 2004). Beschreibung: Eine klassische Cohousing-Siedlung ist Eigentum der Bewohner und wird gemeinschaftlich geplant und bewirtschaftet, mit dem gemeinsamen Ziel, die Interaktion mit Nachbarn zu fördern. Die Bewohner teilen neben privaten Wohnbereichen gewisse Innen- und Außenräume, nutzen gewisse Infrastruktur gemeinsam und planen auch gemeinsame Aktivitäten. Diese Wohnform verlangt insbesondere von den Gründern großes organisatorisches Geschick und umfassende psychologische Fähigkeiten (vgl. Bamford 2005; Narten 2005b). Die Größe der Cohousing-Projekte ist sehr unterschiedlich. Optimalerweise umfassen die Projekte rund 30 bis 40 Personen (Brenton 2001) oder ungefähr 20 Wohneinheiten (Narten & Tischer 2001). Gemeinschaftliche Wohnprojekte führen oftmals Menschen zusammen, die eine ähnliche Lebensanschauung haben und sich über bestimmte Themen finden, zum Beispiel eine spirituelle Orientierung (vgl. Glass 2009). Die Bewohner von Gemeinschaftsprojekten sind mehrheitlich weiblich und verfügen über eine überdurchschnittliche Ausbildung, jedoch nicht über überdurchschnittliche Finanzverhältnisse und weisen oftmals wenig enge Familienbande auf (ebd., S. 298ff.). Ist das klassische Cohousing konsequent selbstbestimmt, gibt es mittlerweile abgeschwächte Varianten von partizipativen Wohnprojekten. Indem Kommunen und Bauträger gemeinschaftliche Wohnprojekte oder Baugruppen unterstützen, vielleicht sogar als Träger auftreten, wird die Verantwortung der Bewohner auf die Organisation des Alltags reduziert. Damit liegt nicht die ganze Last des Unterhalts der Siedlungsstrukturen bei den Bewohnern (z.B. Allgemeine Baugenossenschaft Zürich, Ruggächeren, www.abz.ch; Genossenschaft für selbstverwaltetes Wohnen, Winterthur www.gesewo.ch). Obwohl sich gemeinschaftliches, partizipatives Wohnen oftmals in altershomogenen Kontexten ergibt (Familien, nachberufliche Phase), gibt es auch Projekte, in denen gezielt auf eine gute Generationendurchmischung geachtet wird(Stiftung Liebenau 2010). Begrifflichkeiten: Wohnformen, die zu dieser Gruppe gehören, werden im angelsächsischen Sprachraum als Cohousing oder als Elder Intentional Cohousing Communities, Housing Cooperations oder Co-Ops bezeichnet. Im deutschen Sprachraum werden die Begriffe „gemeinschaftliches 5 Wohnen“, aber auch Hausgemeinschaft und Wohngemeinschaft verwendet. Verbreitung und Bedeutung: Projekte von gemeinschaftlichem Wohnen haben in den nordeuropäischen Staaten mittlerweile einen etablierten Nischenplatz gefunden (Choi 2004). In Deutschland und in der Schweiz stößt das gemeinschaftliche Wohnen ebenfalls auf Interesse, in den USA und in Australien wird das Konzept zwar mit Interesse verfolgt, jedoch keineswegs flächendeckend umgesetzt (Bamford 2005; Glass 2009). Konkrete Zahlen über die Verbreitung von gemeinschaftlichen Wohnformen fehlen. Befragungen über Vorlieben zu Wohnformen lassen eine wissenschaftliche Validität vermissen, da in der Regel weder Modelle noch Rahmenbedingungen definiert werden. Die Vorstellungen, in einem gemeinschaftlichen Wohnmodell leben zu wollen liegen bei 5% bis 10% (empirica 2007; Höpflinger 2009). 2.3 Organisiertes Wohnen mit Ausrichtung auf Assistenz, Betreuung und Service Diese Gruppe von Wohnformen ist historisch gesehen nach den Alterswohnungen und Alterssiedlungen entstanden. Ihr Aufschwung verlief parallel mit dem Abbau von klassischen Altenheimplätzen. Beschreibung: Bei Anlagen des betreuten Wohnens handelt es sich um Wohnsiedlungen, die für die Zielgruppe älterer Menschen erstellt wurden. Anlagen des betreuten Wohnens umfassen neben individuellen Wohnungen auch gemeinschaftlich nutzbare Räume sowie einen Grundservice an Betreuung, der in der Regel in Form einer monatlichen Pauschale verrechnet wird. Der Grundservice vermittelt den Bewohnern das Gefühl von Sicherheit und Aufgehobensein. Neben dem Grundservice werden auch Wahlleistungen angeboten, die separat verrechnet werden (vgl. Narten 2005a). In der Schweiz ist das betreute Wohnen weniger reglementiert als in Deutschland. Es gibt deshalb ein breites Spektrum von Siedlungen mit unterschiedlichen Dienstleistungsangeboten. Dass das betreute Wohnen im Bedarfsfall oft keine umfassende Pflege bietet, ist vielen Bewohnern in der nötigen Deutlichkeit nicht bewusst (vgl. Saup 2001). Die Erwartungen an das betreute Wohnen orientieren sich demnach oftmals am Angebot vom Heim. Die Formen des betreuten Wohnens sind vergleichbar mit den Einrichtungen, die im amerikanischen Sprachraum unter dem Begriff der Assisted Living Facilities (ALF) zusammengefasst werden. Auch hier werden Betreuung und leichte Pflege angeboten und auch hier gibt es zwischen den einzelnen Einrichtungen in den verschiedenen Staaten große Unterschiede (vgl. Golant 2004). Ebenfalls in den 6 großen Bereich des betreuten Wohnens gehören die Formen des „Congregate Housing“ in den USA und in Kanada. Mit Congregate Housing wird ein Wohnkomplex bezeichnet, der Alterswohnungen enthält und in dem gemeinsame tägliche Mahlzeiten angeboten werden. Die Nachfrage nach dieser 5 Beide Begriffe sind nicht ganz unproblematisch, da sie nicht eindeutig verwendet werden. Hausgemeinschaft kann entweder eine Gemeinschaft von Individuen sein, die sich ein Haus teilen, es kann aber auch eine Organisationsform einer stationären Einrichtung sein, wo 8-10 Bewohner in Wohngruppen zusammenleben. Auch der Begriff Wohngemeinschaft ist nicht eindeutig. Er bezeichnet entweder eine Gruppe von Menschen, die sich ein Haus oder eine Wohnung teilen und neben einem kleinen Privatraum die öffentlichen Räume wie Küche, Bad und Wohnzimmer gemeinsam benutzen. Oder er bezeichnet, gleich wie der Begriff Hausgemeinschaft, eine Gruppe von Hausbewohnern mit individuellen Wohnungen. 6 Congregate Housing umfasst auch: Supported Housing, Life-care homes, Congregate Retirement Housing, Congregate Senior Communities, Residential Care, Sheltered housing, Enriched housing, Single room occupancy housing. Art von staatlich oder privat subventionierten Wohnungen ist sehr groß und kann nicht umfassend befriedigt werden, so dass heute unter dem Begriff Congregate Housing auch Wohnangebote verstanden werden, die nicht subventioniert sind. Dennoch richten sich Wohnformen, mit dem Begriff Congregate Housing eher an eine weniger zahlungskräftige Kundschaft richten (Seniorliving.com 2010). Die nordischen Staaten kennen das Prinzip des Sheltered Housing als Wohnform für Personen, die Unterstützung oder Pflege nötig haben. Dabei handelt es sich um individuelle Wohnungen, die in altershomogenen Umgebungen gebaut sind und einfache Möglichkeiten bieten, auf Dienstleistungen zuzugreifen. Durch den Ausbau von wohnnahen Hilfen zu Hause ist in Schweden der Anteil der Personen, die in einer geschützten Umgebung leben, in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Begrifflichkeiten: Als Bezeichnung für Wohnformen in dieser Gruppe finden im deutschsprachigen Raum folgende Begriffe Verwendung: betreutes Wohnen, begleitetes Wohnen, Altersresidenz, Wohnstift, Wohnen mit Service, Alten-Service-Häuser, Alterssiedlung oder Alterswohnung. Im 7 angelsächsischen Sprachraum redet man hauptsächlich von Assisted Living (ALF) von Congregate housing, von Sheltered housing, Residental Care oder Independent Living Units (ILU). Verbreitung und Bedeutung: Diese Kategorie ist in den letzten Jahren an stärksten gewachsen. Erstens wurden Alterswohnungen und Alterssiedlungen zunehmend mit Serviceleistungen angereichert, zweitens nahmen Altersheime das Bedürfnis nach mehr Autonomie und Privatsphäre auf und errichteten entsprechende Zusatzgebäude. Drittens rief die Möglichkeit, Immobilien mit mehr Wertschöpfung zu versehen, zahlreiche Investoren auf den Plan, was dazu führte, dass in Deutschland Ende der 90er Jahre eine Vielzahl neuer Wohnanlagen fertig gestellt wurde. Nach diesem Höhepunkt nahm die Ausbreitung solcher Wohnanlagen wieder etwas ab (Narten 2005a S. 95). Im höheren Preissegment werden betreute Wohnungen vor allem dann nachgefragt, wenn sie in guter Lage sind und eine hohe Wohnqualität versprechen. Statistisch mehr nachgefragt werden jedoch günstige Wohnungen in geförderten oder subventionierten Anlagen (Narten 2005a S. 95). In der Anfangsphase war dem betreuten Wohnen eine immense Nachfrage prognostiziert worden. Später zeigte sich jedoch, dass die effektive Nachfrage nach betreutem Wohnen diesen Erwartungen nicht nachkam. Die Annahme, dass 60- bis 65-jährige Personen vorsorglich in Anlagen des betreuten Wohnens einziehen würden, hat sich nicht bestätigt. In Deutschland leben schätzungsweise 1.5 % (Narten 2005a S. 95) bis 2.6 % (Oswald & Rowles 2006S. 133) in Anlagen des betreuten Wohnens. In 8 der Schweiz ist man auf Einschätzungen von Experten angewiesen , entsprechende Daten werden nicht erhoben. Exkurs: Organisiertes Wohnen mit Ausrichtung auf Freizeit und Lebensstil Communities, die sich an Freizeitangeboten orientieren, existieren vor allem in den USA. Sie ermöglichen das Altwerden unter Gleichgesinnten, nicht nur in Bezug auf die ähnliche Lebensphase, sondern auch in Bezug auf einen ähnlichen soziokulturellen Hintergrund – eine Ausdifferenzierung, Assisted Living umfasst auch Personal Care Homes, Domiciliary Care und Community Residences. Experten berichten aufgrund langjähriger Erfahrung auf Gemeindeebene davon, dass, gemessen an der Zahl der über 80Jährigen, rund 3-5 % in einer Gemeinde vorhanden sind. 7 8 die sich aufgrund der Kostenstruktur der Angebote ergibt. Die treibende Kraft für das Entstehen dieser Wohnform stellten Investoren dar, die erkannt hatten, dass sie mit diesem Angebot die Bedürfnisse einer finanzkräftigen Kundschaft abdecken können (Golant 2002). Beschreibung: Eine Form von Communities, die sich speziell an alte Menschen richtet und ein altersgerechtes Wohnumfeld anbietet, sind die Independent Living Communities. Wer in einer Independent-Living-Umgebung wohnt, hat weder Anspruch auf Versorgungs- und Pflegeleistungen noch ist er verpflichtet, mit bestimmten Anbietern zusammenzuarbeiten. Aufgrund der hohen Konzentration älterer Menschen stellen die Independent Living Communities aber ein gutes Betriebsumfeld für unabhängige Dienstleistungsanbieter dar. Wer hier wohnt, ist in der Regel gesund und in der Lage, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln. Eine bekannte Form des Independent Living stellen die Active Adult Retirement Communities (AARC) dar. Dabei handelt es sich um altershomogen geschaffene Lebensräume, die sich um ein Aktivitätszentrum, oftmals ist es ein Golfplatz, gruppieren. Sie wurden dort ursprünglich in klimatisch angenehmen Gegenden, hauptsächlich in Florida, errichtet. Heute entstehen viele Aktivitätszentren in der Nähe von bereits bestehenden Wohnumgebungen. Sie garantieren nicht nur hindernisfreie und altersgerechte Wohnungen, sondern auch die Sicherheit einer 24-Stunden-Versorgung und Annehmlichkeiten wie flache Wege, Golf Carts, Restaurants, etc. Viele Personen, die in den AARC leben, sind alleinstehend. Die Communities orientieren sich so gut es geht an den Kunden mit der größten Kaufkraft und die Häuser weisen einen hohen Standard auf (AARC 2010; Sun City Visitors Center 2010). Wenn die Bewohner der Communities älter werden, wird oftmals auf einem Gelände in der Nähe ein Pflegestützpunkt eingerichtet. So können die Pflegebedürftigen in der Nähe bleiben und sind dennoch nicht so sichtbar in der „aktiven" Umwelt. Begrifflichkeiten: Retirement Communities, Independent Living Communities, Active Adult Retirement Communities, Retirement Village. Im deutschen Sprachraum gibt es keine Übersetzung für diesen Begriff. Verbreitung und Bedeutung: Verbreitet ist diese Wohnform vor allem in den USA und in Australien, im deutschen Sprachraum ist diese Wohnform weitgehend unbekannt (Gardner et al. 2005; Golant 2002). Erwartet wird eine blühende Zukunft der Communities (Golant 2002) weil zukünftige Alte weniger unter dem Stigma des Alters leiden. Vielmehr wird erwartet, dass Baby-Boomers positiv konnotiert sind und keine Mühe haben, unter ihresgleichen zu sein. Ähnliches lässt sich auch in Australien beobachten. Rund 3 % der älteren Australier lebt in einem Retirement Village – Tendenz steigend (Gardner et al. 2005). 2.4 Das organisierte Wohnen mit Pflege Organisiertes Wohnen mit Pflege unterscheidet sich von der Kategorie des institutionellen Wohnens vor allem in rechtlicher Hinsicht. Wer in einer organisierten Wohnform lebt und Pflege bekommt, hat einen Mietvertrag und regelt mit einem separaten Abkommen die Pflege und Betreuung. Zentrale Zielsetzungen der Wohngemeinschaften sind die Schaffung von familienähnlichen Strukturen, der Einbezug von Angehörigen, der Bezug zum Quartier sowie die Versorgungssicherheit und der Erhalt von Selbstbestimmung. Beschreibungen zu dieser Wohnform kommen aus Deutschland, in der 9 Schweiz sind keine entsprechenden Angebote bekannt . Beschreibung: Es gibt zwei Entstehungsarten von ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Während ein erster Typus von pflegenden Angehörigen initiiert wird, sind es beim zweiten Typus Immobiliengesellschaften, die aus eigener Initiative oder auf die Initiative von Pflegediensten oder Angehörigen Plätze in ambulant betreuten Wohngemeinschaften vermieten (Schmidberger 2012). Dienst- und Pflegeleistungen werden von ambulanten Pflegediensten übernommen. Vermietet werden teilweise unabhängige Wohnungen, teilweise Plätze in Wohngemeinschaften von rund 12 Personen, die bei Bedarf rund um die Uhr betreut sind. Mit der Pflege werden ambulante Pflegedienste beauftragt. Die älteren Menschen, die in den Angeboten Mieter, bzw. Auftraggeber sind, sehen deutlich mehr Mitsprachemöglichkeiten als in klassischen stationären Angeboten. Die Reglementierung der ambulanten Wohngemeinschaften ist geringer als in stationären Angeboten und es kann schneller auf Veränderungen in der Nachfrage reagiert werden. Aufgrund ihrer kleinen Größe können sich ambulante betreute Wohngemeinschaften gut auf das Anbieten von spezifischen Pflegeleistungen für verschiedene Patientengruppen spezialisieren (Becher & Hölscher 2012). Begrifflichkeiten: Seniorenwohngemeinschaften, ambulant betreute Wohngemeinschaften, Ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz (oder anderen Krankheitsbildern). Verbreitung und Bedeutung: Die Verbreitung der ambulant betreuten Wohngemeinschaften folgte auf die Einführung der Pflegeversicherung in Deutschland 1995. Seither haben sie sich als festen Bestandteil der Pflegeversorgung in Deutschland etabliert, auch wenn deren rechtliche Einbindung noch nicht bis ins Detail geklärt ist. In Bayern waren 2008 rund 10% der Pflegeeinrichtungen ambulant betreute Wohngemeinschaften – sie deckten rund 4% der Pflegeplätze ab (Bayrisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung 2008). Typus 3 Das institutionelle Wohnen Entwickelten sich die im vorigen Abschnitt beschrieben Wohnformen erst seit den Nachkriegsjahren und werden deshalb auch als „neue Wohnformen“ (Wahl & Oswald 2007 S. 63) bezeichnet, haben die institutionellen Wohnformen eine deutlich längere Geschichte. Sie gehen zurück auf die Zeit, in der Anstalten dafür sorgten, dass arme, alte und behinderte Menschen, die nicht in der Familie versorgt werden konnten, ein Dach über dem Kopf hatten (Borscheid 1989). Auch wenn in den Heimen viele Entwicklungen stattgefunden haben, konnten sie sich doch nicht gänzlich von ihrer Vergangenheit befreien, noch heute werden in der Statistik der Schweiz „Anstalten“ ausgewiesen, wenn Formen von institutionellem Wohnen erfasst werden (Bundesamt für Statistik 2008). Was das Leben in institutionellen Wohnformen von den anderen Kategorien unterscheidet, ist zum einen eine deutliche Reduktion der Autonomie: Bewohner verfügen in der Regel nicht über eine individuelle Wohnung, sondern nur über ein individuelles Zimmer (wenn überhaupt) und müssen sich in der Alltagsgestaltung den Regeln der Institution anpassen. Zum anderen gelten (zumindest in der 9 Ähnliche Angebote unterliegen in der Schweiz der Heimgesetzgebung und werden deshalb im nächsten Kapitel beschrieben Schweiz und in Deutschland) andere Vertragsgrundlagen als im organisierten Wohnen. Während Personen in organisierten Wohnformen einen Mietvertrag haben, schließen sie im institutionellen Wohnen einen Pensionsvertrag oder Heimvertrag ab, mit dem die Eigenverantwortung weitgehend in den Verantwortungsbereich der Institution übergeben wird. 3.1 Das institutionelle Wohnen mit Service im Vordergrund Das institutionelle Wohnen im Altersheim unterscheidet sich zunehmend weniger vom Wohnen im Pflegeheim (vgl. Sixsmith & Sixsmith 2008). Auch die Abgrenzung vis à vis dem betreuten Wohnen ist schwierig, weil sich die Grenzen verwischen. Beschreibung: Die Wohnformen, die zu dieser Gruppe gehören, richten sich grundsätzlich an Personen, die lediglich einen leichten Hilfebedarf haben, die gemeinsame Mahlzeiten einnehmen möchten und die eine enge Gemeinschaft mit anderen älteren Menschen schätzen. Die Betreuung ist rund um die Uhr gewährleistet. Gemeinsamkeiten aller Heime und heimähnlichen Einrichtungen sind die gemeinsame tägliche Mahlzeit und der tägliche Kontakt mit den Angestellten. In den letzten Jahren standen die Alters- und Pflegeheime einem starken Strukturwandel gegenüber. Das Durchschnittsalter ist stetig angestiegen und auch die Pflegebedürftigkeit hat kontinuierlich zugenommen (Guilley 2005; Steverink 2001). Dafür hat die Verweildauer abgenommen. Nimmt man die Bewohnerschaft von institutionellen Haushalten dieser Ausprägung unter die Lupe, fällt auf, dass überdurchschnittlich viele alleinstehende Frauen mit geringem Einkommen in Altersheimen leben (Guilley 2005). Wurde das Altersheim zeitweise als mittlere Station eines Drei-Schritte-Modells gesehen (autonomes Wohnen in der Alterswohnung – Umsiedlung ins Altersheim – Umzug ins Pflegeheim), ist es heute in der Regel die letzte Station für die Bewohnenden. Die alten Menschen hielten nicht viel von der Idee des Dreischritts und dem durch Fachleute bestimmten Umzug in eine angepasstere Wohnform (vgl. Tews 2005 S. 35). Während diese Idee eines schrittweisen Umzugs in Deutschland und der Schweiz nicht recht Fuß fasste, erfreut sich ein ähnliches Modell in den USA unter dem Begriff der Continuing Care Retirement Communities (CCRC) großer Beliebtheit. CCRC sind Wohnkomplexe, in denen neben unabhängigem Wohnen auch betreutes Wohnen und Pflegeplätze angeboten werden. In den Continuing Care Retirement Communities hat jeder Bewohner die Gewähr, dass er bei zunehmender Pflegebedürftigkeit in der gleichen Anlage weiter betreut wird. Die Wohnform richtet sich an ältere, wohlhabende Menschen. Dadurch sind die Bewohner dieser Communities nicht nur in Bezug auf ihr Alter homogen, sondern auch in Bezug auf ihre soziale Schicht. Viele CCRCs werden von Stiftungen oder Interessengruppen unterstützt und sind auf bestimmte Lebensstilgruppen ausgerichtet (Seniorliving.com 2010). Begrifflichkeiten: Folgende Bezeichnungen von Wohnformen sind für diese Gruppe charakteristisch: Alters- oder Altenheim, Altenwohnheim, Alters- und Pflegeheime, Alterszentren, Altersresidenzen, 10 Seniorenresidenzen, Old Age Homes , Caring Home, Residential Cares Facilities, Board and Care 11 Homes sowie Continuing Care Retirement Communities (CCRC) , Residential Homes. Verbreitung und Bedeutung: In den letzten Jahren fand eine tiefgreifende Veränderung im Bereich des stationären Wohnens statt: Durch bessere ambulante Versorgung und durch das Entstehen von betreuten Wohnanlagen ging das Angebot an klassischen Altenheimen zurück und das stationäre Wohnen entwickelte sich immer mehr in die Richtung von Pflegeheimen (Leser 2007). Diese Bewegung lässt sich in allen europäischen Ländern beobachten und wird teilweise begleitet von gesetzlichen Regelungen, die in erster Priorität autonomere Formen des Wohnens mit Hilfe unterstützen (Leeson 2006). Da die Wohnform Altersheim schlecht von der Wohnform Pflegeheim abgegrenzt werden kann, existieren für Deutschland und die Schweiz keine entsprechenden Zahlen. 3.2 Das institutionelle Wohnen mit Pflege im Vordergrund Das Angebot der Pflegeheime und der Altersheime ist in den letzten Jahren sukzessive zusammengewachsen. In der Schweiz machen die Institutionen selbst häufig keine Unterscheidung und führen beide Begriffe, also Alters- und Pflegeheim, in ihrem Namen (Curaviva Schweiz 2010). Der hauptsächliche Unterschied zwischen den beiden Institutionsformen ist die Definition des Eintrittszeitpunktes. Der Eintritt in ein Pflegeheim ist meist mit einer medizinischen Indikation verbunden (Gesundheits- und Umweltdepartement der Stadt Zürich 2009). Beschreibung: Modelle, die in diese Kategorie gehören, bieten rund um die Uhr eine medizinische Betreuung an. Neben den stationären Langzeitpatienten versorgen sie auch Personen, die eine Rehabilitation nötig haben sowie Patienten, die ihre ambulanten Leistungen vor Ort beziehen. Neben der medizinischen Pflege wird den Pensionären auch Hilfe im Alltag angeboten. Pflegeheime können unabhängig sein oder Teil eines umfassenden Serviceangebotes, zum Beispiel eines Alterszentrums oder eines CCRC darstellen. Die Leistungen, die Pflegeheime anbieten, sind gesetzlich geregelt und werden je nach Land teilweise oder vollumfänglich von Pflegeversicherungen oder Krankenkassen übernommen. Neuerdings lässt sich eine Ausdifferenzierung im Bereich der Pflegeinstitutionen ausmachen: Neben den großen zentralen Einrichtungen gibt es zunehmend auch kleinere flexiblere Einheiten, die oft 12 quartiernah errichtet werden. Die kleinen Pflegeeinheiten unterstehen teilweise dem Heimgesetz , 13 teilweise nutzen sie Gesetzeslücken aus und schaffen so Modelle mit mehr Mitbestimmung . Einzelne Heime spezialisieren sich auf die Betreuung von spezifischen Behinderungen. So gibt es beispielsweise Institutionen für demenzkranke Personen, für blinde Menschen oder für Pflegesituationen am Ende des Lebens. 10 Die US-amerikanischen Begriffe für die institutionellen Wohnformen wurden von der Klassifizierung durch Nellson und Wallery übernommen. Nellson and Wallery LTD. 2010. "Nursing Home Info." vol. 2010. 11 In die Gruppe der Board and Care Homes gehören auch: Adult Foster Care Homes, Retirement Homes, Assisted Living Facilities, Adult Care Homes, Personal Care Operations, Sheltered Care Homes, Independent Living Facilities, Domiciliary Care, Continuing Care Retirement Facilities, Life-Care Facilities und Life-Care Communities. 12 13 Pflegewohngruppen in der Schweiz, Board and Care Homes in den USA, Hausgemeinschaften in Deutschland. Ambulant betreute Wohngruppen in Deutschland. Schliesslich führt auch die Orientierung an bestimmten Kulturgruppen dazu, dass sich die Heimlandschaft ausdifferenziert. Es werden spezifische Institutionen oder -Abteilungen für Personen mit einem Migrationshintergrund oder mit einer auffälligen Biografie eingerichtet. Teilweise werden in den Pflegeheimen auch Lebensstilgruppen gebildet, damit sich die Menschen in Settings bewegen können, die ihnen vertraut sind. Begrifflichkeiten: Pflegeheim, Pflegewohngruppe, Alters- und Pflegeheim, Hospiz, Seniorenresidenz, Krankenheim, ambulante Pflegewohngruppe, ambulante Wohngemeinschaften, Alterszentren, Hausgemeinschaft, Nursing Home, Board and Care Home, Adult Familiy Home, Boarding Home. Verbreitung und Bedeutung: Der Anteil der Älteren, der in Alters- und Pflegeheimen betreut wird, (nicht deren absolute Zahl) hat deutlich abgenommen, seit andere Wohn- und Betreuungsangebote auf dem Markt sind (Curaviva 2009). Die Pflegequote, das heisst der Anteil der Personen, die Pflege brauchen, wird statistisch erfasst; in Deutschland in der Auswertung der Pflegeversicherungsdaten, in der Schweiz im Rahmen Erhebungen über sozialmedizinische Institutionen. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Personen, die in stationären Einrichtungen betreut werden, in den kommenden drei Jahrzehnten aufgrund des Eintritts der geburtenstarken Jahrgänge ins hohe Alter ansteigen wird. Aufgrund veränderter Familienkonstellationen wird längerfristig auch mit einem Rückgang der privaten Pflegeleistungen gerechnet. (Bayer-Oglesby & Höpflinger 2010; Bundesministerium für Familie Senioren Frauen und Jugend 2002). Literatur AARC. 2010. in The American Association of Retirement Communitie, vol. 2010: The American Association of Retirement Communities. Austin, Carol, Robert McClelland, Ellen Perrault, & Jackie Sieppert. 2009. "The Elder-Friendly Communities Program." Generations 33:87-90. Bamford, Greg. 2005. "Cohousing for older people: housing innovation in the Netherlands and Denmark." Australasian Journal on Ageing 24:44-46. Bayer-Oglesby, Lucy & François Höpflinger. 2010. Statistische Grundlagen zur regionalen Pflegeheimplanung in der Schweiz, Edited by Obsan. Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. Bayrisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung. 2008. 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