oberflächlich - Saint
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oberflächlich - Saint
3.21 04.11 das magazin OBERFLÄCHLICH EINHEIZEN 01_Oberflächlich SCHMELZPROZESS 02_Gläserne Hüllen 03_Heisse Teile 04_Schönlinge mit Struktur 05_Das Innere nach Aussen gekehrt 06_Wie es leuchtet 07_Baumschön 08_Rückzugsraum in Schwarz ABKÜHLEN 09_Aussicht N ur wenn der Geist das Oberflächliche und das Verborgene versteht, kann er über seine eigene Begrenztheit hinausgelangen und jene Glückseligkeit entdecken, die nicht an die Zeit gebunden ist.“ Krishnamurti, Vollkommene Freiheit Eine leichte Berührung nur und doch schwingt etwas nach. Ein kurzer Blick, aber er reicht, um in Staunen zu versetzen, zu überraschen. Eine Begegnung, eine Erfahrung kann oberflächlich sein und doch nachwirken. Oft eröffnen sich bei oberflächlicher Betrachtung nicht alle wesentlichen Aspekte eines Themas, einer Sache. Sich nicht intensiv oder gründlich genug mit etwas zu beschäftigen, ist dann auch meistens ein Vorwurf. Andererseits sind schöne Oberflächen eine Qualität für sich. Sie sprechen eine universelle Sprache, sie berühren uns im Inneren. Natürlich gibt es eine Oberflächlichkeit, die nichts verbirgt, die für sich betrachtet nackt, hässlich oder peinlich sein kann. Die sich vulgär aufdrängt und sich demonstrativ zur Schau stellt. Aber diese ist, so schnell wie sie wahrgenommen wird, auch wieder vergessen, ist durch uns hindurchgeströmt, ohne Nachwirkungen zu hinterlassen. Eine Oberfläche definiert sich über das darunter Befindliche. Eine Oberfläche steht immer im Bezug, ist immer die Oberfläche von etwas. Und muss doch immer eine eigene Qualität besitzen, denn sonst ist das Ganze, das Drunter und Drüber, das Vorne und Hinten nichts Wert. Wir zeigen Ihnen Oberflächen, die Lust machen, tiefer einzutauchen, genauer hinzusehen. Manche Oberflächen erscheinen fragil und sind doch erstaunlich tragfähig, wenn nicht sogar wandlungsfähig. Manche tragen ihre Haut zu Markte und zeigen lustvoll, was sich hinter ihnen abspielt. Und manche sehen einfach nur gut aus, nicht nur oberflächlich betrachtet. Schauen Sie also ruhig genauer hin, es lohnt sich. 1 OBERFLÄCHLICH 1 Einheizen 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen 2 Gläserne Hüllen G las hat eine glorreiche Zukunft, sagt Architekt Remigiusz Otrzonsek von HPP. Es wird künftig noch mehr Funktionen für die Fassade übernehmen – aber es kann und soll nicht alle übernehmen, so Elmar Jochheim, Fachingenieur für Fassadentechnik von AMP. Was Glas schon heute alles kann, darüber wäre Generalunternehmer Anton Bausinger gerne umfassend informiert. Es wird zu wenig interdisziplinär diskutiert während des Planungsprozesses, meint Bauklimatiker Alexander Schröter, so entstehen vermeidbare Fehler beim Bauen. Wir 1 Einheizen Architekten brauchen extreme Projekte, um uns weiterzuentwickeln, und dabei die Unterstützung der Glasindustrie, fordert Architekt Peter Berner. Diese und eine Fülle weiterer Aspekte rund um das Thema Glas in der zeitgenössischen Architektur diskutierten Bauherren, Architekten, Fassadeningenieure und Experten des Flachglasherstellers Saint-Gobain Glass Deutschland auf dessen Einlandung in einem Hintergrundgespräch. Einen ausführlichen Bericht über das Hintergrundgespräch lesen Sie hier [Link] 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen Anton Bausinger, Bauunternehmung Friedrich Wassermann Peter Berner, ASTOC & Partners Peter Fromhold, Saint-Gobain Glass Deutschland Elmar Jochheim, Ingenieurbüro AMP Remigiusz Otrzonsek, Hentrich Petschnigg & Partner Alexander Schröter, Ingenieurbüro MüllerBBM Moderation: Bodo Vodnik, Saint-Gobain Glass Deutschland Evamaria Nickel, Saint-Gobain Glass Deutschland 3 Heisse Teile S cherben bringen Glück“ lautet ein Sprichwort. Was für kleine Unvorsichtigkeiten in der Küche gilt, nehmen die Mitarbeiter der KINON Porz GmbH in Köln „sprichwörtlich“: Sie stehen entspannt auf einem zerstörten Exemplar einer Scheibe aus Verbund-Sicherheitsglas, die – im unzerstörten Zustand – für den Skywalk, der bekannten Aussichtsplattform über den Grand Canyon, verwendet wurde. Die Gelassenheit ist berechtigt: Die Scheibe hält eine Belastung von fast 750 k g/m2 aus. Möglich macht dies die Kombination aus fünf EinscheibenSicherheitsgläsern SGG SECURIT, die mit einer Spezialfolie, den sogenannten Zwischenlayern „Sentry Glass Plus“ von DuPont, verklebt sind und höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen. Im Bruchfalle entstehen feine Krümel, die – wie auf dem Bild zu sehen – an der Folie haften bleiben. Einscheiben-Sicherheitsglas sieht aus wie normales Glas, ist aber wesentlich „biegebruchfester.“ Durch die spezielle Herstellung erhält es seine ca. vierfach höhere mechanische Widerstandsfähigkeit als Einfachglas. Das Glas wird in einem „Vorspannofen“ auf ca. 620° C erhitzt und dann schockgekühlt. So entstehen wahrlich „heiße Teile“, innerhalb derer eine Zug- und Druckspannung besteht, die die hohe Widerstandskraft der Scheibe bewirkt. 1 Einheizen 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen 4 Schönlinge mit Struktur W ohn- und Arbeitsstätte eines Menschen bilden zu großen Teilen seinen primären Lebensraum. Mehr noch: Im Schnitt hält sich ein Mensch im nordeuropäischen Raum zu 90 % seiner Zeit in Innenräumen auf. Räume werden daher entsprechend individuell gestaltet, um sich bestmöglich entfalten zu können. Glas ist dabei in zahlreichen Anwendungen denk- und einsetzbar. Wie kein anderes Material leitet es natürliches Licht weiter und strukturiert Räume, ohne sie zu trennen. Ornamentgläser aus der SGG MASTERGLASS-Reihe zeichnen sich durch strukturierte Oberflächen aus. Je nach Strukturanordnung kann Licht gezielt in den Raum gelenkt werden. Ornamentgläser werden im Walzverfahren hergestellt, wobei die Glasschmelze durch ein oder mehrere hintereinanderliegende Walzenpaare geformt wird. Das Muster wird in die noch heiße Glasmasse geprägt. So entsteht die für jeden Glastyp charakteristische Oberflächenstruktur. Je nach Walzenform können eine glatte und eine strukturierte, zwei glatte oder zwei strukturierte Oberflächen erzeugt werden. Ergebnis sind wahre Schönlinge mit Struktur, die in jedem Wohn- und Arbeitsbereich elegante Akzente setzen. 1 Einheizen 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen 5 Das Innere nach Aussen gekehrt Niederländisches Institut für audiovisuelle Medien, Hilversum Filmspecial Schon von Weitem springen einen die Farben geradezu an: Rot, Blau, Gelb, grundfarbig, verwischt, aber prägnant in der Wirkung. Die gläserne Oberfläche des niederländischen Instituts für audiovisuelle Medien in Hilversum ist ein Statement. Selbstbewusst spiegelt das Gebäude sein Innenleben auf der Fassade wider. Eine besondere Technik sorgt für die dramatische Wirkung. 2.244 farbige Glasreliefs, die in einem Arbeitsschritt mit CNCEmaillierung bedruckt und dann bei hoher Temperatur thermisch verformt und verschmolzen wurden, erzeugen einen spektakulären dreidimensionalen Effekt. Die mit einer neu entwickelten Technik hergestellten SGG CREA-LITE-Glasscheiben stellen 374 unterschiedliche Filmszenen dar und visualisieren damit die Aufgaben des Instituts. Die Entstehung des Gebäudes im Zeitraffer kann man sich hier ansehen. 1 Einheizen Weststadthallen 5 – 7 Lentos Kunstmuseum Le Monde Verlagsgebäude Klangmalerei Kunstdruck Schriftsetzerei Die gläserne Außenhaut der Weststadthallen in Essen ist mit dem Auszug einer Partitur von Beethoven künstlerisch gestaltet. Die Motive wurden durch ein spezielles Siebdruckverfahren auf die Fassade aus extraweißem Glas aufgebracht, das die dahinter liegende Fassade sichtbar lässt. Von Weitem sind nur spiegelnde Einzelflächen erkennbar – die sich erst beim Näherkommen in einzelne Schriftzüge auflösen: 10 cm große Buchstaben bilden unzählige Male immer wieder die Worte „Kunstmuseum Lentos“. Die aus 1.200 Einzelscheiben bestehende vorgehängte Glasfassade ist mit einer witterungsbeständigen, nur partiell aufgebrachten Chromspiegelbeschichtung versehen. Sprache als Dekor, ist das bestimmende Gestaltungselement des Verlagsgebäudes der französischen Zeitung „Le Monde“ in Paris. Die vollflächig mit Textfragmenten und einer Landkarte bedruckte Fassade ist im Siebdruckverfahren als SGG SERALIT ausgeführt. 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen 6 Wie es leuchtet S portler kennen das: Vor lauter Liniengewirr auf dem Sporthallenboden landet ein Ball schon mal aus Versehen außerhalb des Feldes. Dank LUCIO, dem neu entwickelten gläsernen Sporthallenboden mit von unten beleuchteten Spielfeldlinien, ist nun Schluss mit der oberflächlichen Verwirrung: Per Knopfdruck werden die entsprechenden Markierungen nur für das gewünschte Spiel, z. B. für Basketball, von unten illuminiert. Der Sporthallenboden besteht aus zwei Teilen, die als Einheit LUCIO bilden: zum einen aus einer tragenden, schwingenden, ca. 20 cm hohen Unterkonstruktion, entwickelt von ASB Squash Courts. Die Unterkonstruktion übernimmt die Funktion eines „Stoßdämpfers“. Integriert sind Kanäle für weiße und farbige LEDLeuchten, die die unterschiedlichen Linien für die jeweiligen Spiele enthalten und nach Bedarf an einem Touchscreen ein- und ausgeschaltet 1 Einheizen 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen werden können. Zum anderen besteht der Boden aus rund 165 Einzelscheiben verschiedener Formate, die auf den Aluminium-Unterbaurahmen verlegt wurden. Die Bodenplatten sind Verbundsicherheits-Glasscheiben SGG STADIP aus zwei Einscheiben-Sicherheitsgläsern SGG SECURIT mit einer 1,52 mm PVB-Folie. Die Deckscheibe ist mit einer Spezialätzung gegen Spiegelung und einem rutschhemmenden Siebdruck versehen – entwickelt vom CLIMAplusSECURIT-Partner KINON Porz. Eine Besonderheit weist die Art der Verlegung der Glasplatten auf: Diese sind über alle vier Seiten an den vier Ecken mit jeweils 5 × 5 cm langen Klettverschlüssen auf der Unterkonstruktion befestigt und können so einfach mit einem Vakuumsauger herausgenommen werden. Arbeiten unter der Oberfläche sind also problemlos möglich. Lucio im Einsatz finden Sie hier [Link] 7 Baumschön 1 Einheizen 2 Schmelzprozess E in Baum ist ein Baum – und doch viel mehr. Im bergischen Velbert hat die Künstlerin Ute Lennartz-Lembeck aus einem Baum ein Kunstwerk gemacht. Sie hat ihn umhäkelt, hat seine Oberfläche verfremdet und lässt ihn so in einem ganz neuen Licht erscheinen. Was zunächst sehr plakativ erscheint, bewirkt doch das Gegenteil. Der fantasievoll gestaltete Baum, dessen bunte Äste in den blauen Himmel ragen, erregt Aufmerksamkeit und motiviert so, sich intensiver mit dem Gesamtkunstwerk zu befassen. Und dann zu spüren, was man oberflächlich nicht sieht. Denn ein Baum ist, so die Künstlerin, ein Symbol des Lebens, und wenn man vor oder unter ihm steht, die Äste betrachtet, die – verpackte – Rinde befühlt, nimmt man den Baum als Ganzes wahr. Ein Baum hat nicht nur sichtbare Teile: Die Wurzeln verankern ihn, ihre Gesundheit ist Voraussetzung für Wachstum und Leben. Eigentlich ganz einfach, nur manchmal braucht es eine besondere Art, darauf aufmerksam zu machen, damit man sich auf die wesentlichen, grundlegenden Dinge ‚besinnt‘, sich selbst erlebt. „Ich bin Künstlerin, ich kann keine exakte Abbildung liefern, aber ich kann versuchen, dass das Wachstum durch meine Arbeit hindurchfließt und sichtbar wird, unter der Oberfläche.“ 3 Abkühlen 8 Rückzugsraum in Schwarz K raftvoll, majestätisch und unverrückbar erscheint dem Betrachter die Arbeit von Mikka Wellner, Studierender an der Hochschule für bildende Künste in Dresden, auf den ersten Blick. Doch was von außen wie ein monumentalmassiver schwarzer Block wirkt, entpuppt sich im Inneren als begehbare Rauminstallation. Dort öffnet sich ein auf Affichenpapier gedruckter Horizont über einem sanft schwingenden blauen Meer. Auf halber Höhe horizontal umlaufend und außen beginnend thematisiert ein Schriftband die Kontaktaufnahme zweier Menschen. Das von Mikka Wellner „Ping“ getaufte Projekt entstand im Rahmen der Diplom-Prüfung an der Dresdner Hochschule. Für seinen schwarzen Kubus verwendete Wellner 54 Scheiben schwarzes SGG PLANILAQUE evolution, ein Designglas, das sonst in Wohnräumen verwendet wird. Für das Schriftband wurde eine spezielle Laser-Technik verwendet, die, so der Künstler, auch für Glasverarbeiter interessant sein könnte. Die gesamte Konstruktion ist rahmenlos und wird von starken Magneten in der Unterkonstruktion gehalten. Um sich die Magnetwirkung zu Nutze zu machen, klebte Wellner die 1 x 1 Meter großen Scheiben auf spezielle Bleche. Der Titel „Ping“ erinnert einerseits an die letzte Silbe des äußeren Schriftbandes im Wort „stopping“ und verweist andererseits auf die digitale Kontaktaufnahme zweier Rechner innerhalb eines Netzwerkes. Dialog als Thema der Arbeit erscheint so nicht nur im Namen, sondern wird darüber hinaus auch innerhalb des Rückzugsraums, des Raumes im Raum, offenbar. Die Ausstellung der Hochschule für bildende Künste in Dresden läuft noch bis zum 04. September 2011. 1 Einheizen 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen 9 Aussicht Impressum Eine starke Partnerschaft mit Saint-Gobain GLASS Deutschland GmbH Evamaria Nickel Viktoriaallee 3–5 52066 Aachen E-Mail: [email protected] Redaktion und Gestaltung Themen 3.21 05.11 LAUTMALEREIEN Schallschlucker | Ohgottohgott | Earobic Bildnachweise S. 1: Maarit & Toomas Hinnosaar/Flickr-cc-by S. 2: Justin D. Miller/Flickr-cc-by S. 3: Fotos: Christoph Seelbach S. 4: Foto groß: Christoph Seelbach; klein: grand canyon west S. 5: Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH S. 6: Hintergrund: Niederländisches Institut für Sound and Vision, Hilversum (NL), Architekt: Neutelings Riedijk Architects, Foto: Marc Detiffe; Lentos: 1 Einheizen 2 Schmelzprozess 3 Abkühlen barke + partner büro für kommunikation Rufus Barke, Petra Janßen, Marcel Pannes, Karsten Geisler Maria-Hilf-Straße 17 50677 Köln Fon: 0221/932 00 31 E-Mail: [email protected] Kunstmuseum Lentos, Linz (A) Architekt: Weber + Hofer AG, Foto: Engelhardt Sellin, München, Le Monde: Le Monde, Paris (F), Architekt: Christian de Portzamparc, Foto: Khalfi; Weststadthallen Essen: Architekt: Christian Kohl, Foto: Jens Willebrand S. 7: Schloss Stein a. d. Traun S. 8: Ute Lennartz-Lembeck S. 9: Mikka Wellner S. 10: wwarby/flickr-cc-by