beverly hills job - PAGE Verlag GmbH

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25.12.2009
17:06 Uhr
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porträt elisabeth sereda
beverly
hills job
Immer nur George Clooney und Julia Roberts, das wird auch auf die Dauer öd:
Warum Elisabeth Sereda ihr Reporterleben unter den Filmdiven von Hollywood
an den Nagel hängen will, warum sie trotzdem an Los Angeles hängt – und was
sie über den Unterschied zwischen Stars und Promis gelernt hat.
Kochen ist Elisabeth Seredas
unverhohlene Leidenschaft:
„Ich liebe die Cajun-Küche aus
New Orleans mit ihren Gumbos
und Jambalayas.“ Ihr Lieblingslokal in L. A.: das „3 Square
Café“ in Venice Beach.
FOTO: ZAPPELLA
W
enn Elisabeth Sereda morgens vor ihren
hellblauen Bungalow in Venice Beach tritt,
kann sie die Palmen am Boardwalk sehen. Nur
ein paar Reihen niedriger Gebäude und staubbedeckter Hoteldächer trennen sie vom Pazifik, vom vier Kilometer langen Sandstrand und
der Promenade mit ihren Rollerskatern, flanierenden Muskelmännern und Bikinigirls, dem
Durcheinander von Streetballspielern, Straßensängern und Gauklern. Landeinwärts erstreckt
sich das Häusermeer von Los Angeles in seiner
auseinanderfließenden Gleichförmigkeit. Mit
dem Auto schafft es Elisabeth Sereda in knapp
20 Minuten nach Beverly Hills, zu den Villen
der Stars, deren jeweilige Adressen zwar offiziell
streng geheim sind, die aber jeder Taxifahrer
kennt. Noch zehn Minuten weiter entfernt liegt
Hollywood, der hügelige Stadtteil mit den großen Filmstudios und den Büros der Schauspieleragenten, den PR-Firmen, den Ateliers
der Grafiker und Set-Designer, den Kanzleien
der auf Filmverträge spezialisierten Anwälte.
Zwanzig Jahre lang war dieses Reservat der
Stars und Celebritys Seredas wichtigster Arbeitsplatz. Von hier berichtete sie über neue
Filme und alte Affären, holte blasierte Hauptdarsteller und piepsige Nachwuchshoffnungen
vors Ö3-Mikrofon. Sie interviewte bockige
Starregisseure für deutsche Illustrierte, fing die
aufgeregte Atmosphäre von Blockbuster-Pre-
mieren fürs Radio ein und durchschwitzte
die bedeutungsschwere Langeweile der OscarNacht ebenso wie das durchgeknallte Chaos der
Golden-Globe-Verleihung. Bei Letzteren darf
sie auch selbst mitbestimmen: Als einzige
Österreicherin ist sie Mitglied der Hollywood
Foreign Press Association, die diese zweitwichtigsten Kino- und Fernsehpreise der Welt jedes
Jahr im Jänner vergibt.
Inzwischen fällt Sereda kein Star mehr ein,
den sie nicht mindestens einmal interviewt hätte, keine Kinolegende, die sie nicht getroffen
hätte. Einige wenige sind so etwas wie Freunde
geworden – Hilary Swank zum Beispiel oder
George Clooney, mit dem die Journalistin auch
in Europa Kontakt hält und der das Vorwort zu
einem ihrer Bücher über die Glamourwelt des
Flimmer-Business geschrieben hat. Eine Welt,
von der sie längst selbst ein Teil geworden ist.
Und trotzdem: Elisabeth Sereda hat genug
von Hollywood, genug von ihrem BeverlyHills-Job. Genauer gesagt: Sie hat genug von
der Tratsch-und-Klatsch-Oberflächlichkeit, in
die das Geschäft mit Berühmtheiten abgeglitten ist. Die Arbeit für Ö3 hat sie schon vor
einiger Zeit beendet, ebenso die gelegentlichen
Auftritte im österreichischen Privatsender ATV;
lediglich „Live“, die Fernsehbeilage der „Kronen Zeitung“, kommt noch hin und wieder in
den Genuss einer Kolumne der österreichischen
Augenzeugin im Herzen der Traumfabrik.
Denn das Business, wie es heute läuft, macht
nur noch Ärger, findet Sereda: „Statt interessanter Geschichten über echte Stars gibt’s Paparazzibanalitäten. Da wird irgendein Starlet
aus einer TV-Serie beim Eisschlecken im Café
heimlich fotografiert – und das ist schon die
Story! Als ich mit 21 Jahren anfing, ging es noch
um Regisseure und Schauspieler und um deren
Leistungen.“ Empört fügt sie hinzu: „Promis
fand ich immer langweilig – ich bin in diese
Branche gekommen, weil mich Film als Kunstform fasziniert hat.“
Filmreif waren freilich auch die beruflichen
Anfänge der Elisabeth Sereda. Mit 21 packte die
gebürtige Wienerin einen Koffer und flog mit
ein paar Dollars nach Los Angeles, um dort den
amerikanischen Traum zu verwirklichen. Und
zwar so richtig: mit nichts beginnen, mit Gelegenheitsjobs die Miete und die Butter fürs Brot
verdienen, auf die große Chance warten. Sie
jobbte als Kellnerin, verkaufte Theater-Abos,
werkte mit einer Theatertruppe – und erinnerte sich schließlich daran, dass sie als Teenager in
Österreich schon fürs Radio gearbeitet hatte. So
begann sie, Stars zu interviewen.
Die große Chance wurde ihr schließlich
durch den gewandelten Zeitgeist geboten. Mitte der Achtzigerjahre begannen die großen Studios gerade, Europa und Asien als Märkte zu
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porträt elisabeth sereda
„Stars und Celebritys, das ist ein Unterschied wie zwischen Richard Gere
und Richard Lugner. Celebritys drängen in die Medien. Wirkliche Stars
kriegst du nur zum Interview, wenn sie dir vertrauen.“
entdecken. Plötzlich waren Interviews mit europäischen Medien gut fürs Geschäft; die quirlige junge Reporterin fand rasch Zugang zu den
Großen der Leinwand. „Damit war der erste
Schritt getan. Den zweiten Schritt musste ich
mir hart erarbeiten, nämlich das Vertrauen der
Stars und ihrer Agenten zu gewinnen.“ Im Glamourbusiness wird jeder Medienauftritt hart
kalkuliert. Journalisten, die sich ein einziges
Mal nicht an die Spielregeln halten oder die so
dumme Fragen stellen, dass sie den Filmhelden
albern aussehen lassen, kriegen keine zweite
Chance. „Das ist der große Unterschied zwischen Promis, die unbedingt in den Medien
vorkommen wollen, und echten Stars. Leute
bei Empfängen mit der Kamera zu verfolgen und
ihnen peinliche Sager in den Mund zu legen,
wie das bei uns manche Fernsehmagazine machen, lassen sich nur B-Promis gefallen.“
Der Erfolg als Reporterin in Hollywood
hatte einen paradoxen Nebeneffekt: Die Abnehmer ihrer Storys saßen in Europa, in Österreich und Deutschland – die Verbindung zur
zurückgelassenen Heimat wurde dadurch wieder gestärkt. Just als Elisabeth Sereda es in der
Neuen Welt geschafft hatte, war sie zur Hälfte
schon wieder Europäerin. Bis heute teilt sie ihre
Zeit zwischen Wien und der US-Westküste auf,
verbringt im Schnitt sieben Monate unter pazifischer Sonne und den Rest in ihrer Wiener
Wohnung. In Zukunft will sie öfter in Österreich sein – sich einem Filmprojekt widmen,
das sie selbst entwickelt hat. „Ich schreibe gerade an einem Drehbuch; wenn die Finanzierung
klappt, möchte ich auch selbst produzieren.“
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Trotz ihrer langen Abwesenheit hat Sereda
mehr Freunde in Wien als in den USA: „Ich habe mich selbst oft gefragt, warum. Es liegt wohl
an der kalifornischen Oberflächlichkeit. Man
kommt schnell ins Gespräch, lernt jeden Tag
jemanden kennen, der sich sofort ,Freund‘
nennt, aber es bleibt nicht haften.“
Was nicht heißt, dass man sich nicht auch
auf amerikanische Bekannte verlassen kann.
Hartnäckige Förderer im elitären Club der Hollywood Foreign Press – in den man nur durch
Empfehlungen gelangt – schafften es: die Aufnahme von Elisabeth Sereda. Als Journalistin
stieß sie damit zum innersten Kreis der Filmschreiber vor: „Ab diesem Zeitpunkt war ich
in den Augen der Schauspieler und Regisseure
jemand, der über die Golden Globes mitentscheidet. Entsprechend freundlich sind sie, vor
allem im Herbst.“
Die Freundlichkeit legt sich allerdings sehr
rasch, wenn die Stars gerade keinen Film im
Rennen haben, den sie promoten müssen, oder
wenn es einmal weniger gut läuft, weil sie vor
einer Scheidung stehen oder mit Alkohol am
Steuer erwischt wurden. Dann trennt sich sehr
schnell die Spreu vom Weizen. Sereda hat gelernt, zwischen jenen Schauspielern zu unterscheiden, die mit ihrem Ruhm umgehen können, und solchen, die zu egomanischen Monstern werden: „Das ist eine Frage des Charakters
und der Intelligenz. Manche verlieren jede Distanz zu sich selbst, nur weil ihr Name einmal
ganz groß in allen Zeitungen erscheint.“
George Clooney ist ein besonders angenehmes Beispiel der intelligenten Sorte, findet
Sereda. „Er musste sich lange genug durch
dumme Fernsehserien quälen, bis er den
Durchbruch schaffte. Jetzt genießt er den Starstatus, aber mit sympathischer Selbstironie.“
Eines Tages verriet ihr Clooney mit Augenzwinkern, warum er sich beim Autogrammgeben immer so nett nach dem Namen eines
Fans erkundigt und ihn sogar noch selbst dazuschreibt: „Wenn du nur deinen Namen hinsetzt, landet die Karte am nächsten Tag auf
eBay. Wenn aber z. B. dabei steht ,für Tatjana‘,
dann lässt sich das nicht so leicht verkaufen …“
Dem britischen Gentlemandarsteller Michael Caine verdankt Sereda eine saftige Anekdote. Caine ist dafür bekannt, bei seinen Rollen alles andere als wählerisch zu sein, weshalb
er nicht nur große Werke wie „Hannah und ihre Schwestern“ oder „Gottes Werk und Teufels
Beitrag“ veredelte, sondern auch Dutzende
Auftritte in mediokren Streifen lieferte. Sereda
wollte ihn bei einem Pressegespräch in Anwesenheit mehrerer TV-Teams fragen, warum er
derart viele Rollen annehme: „Brauchen Sie
das Geld, oder sind Sie ein Workaholic?“ In der
Hitze der Fragestellung wurde daraus aber ein
„Alcoholic“. Caines höchst elegante Replik:
„Beides, meine Liebe, beides. Ich war ein Alcoholic, deshalb musste ich zum Workaholic werden, um meine Drinks zu finanzieren.“
Aber solche Persönlichkeiten sind rar geworden. Heute läuft auch in Los Angeles immer öfter jene Sorte von Celebritys herum, die
ihren Ruhm nur dem Hunger der Medien nach
Trash verdanken – die amerikanischen Lugners
gewissermaßen, mögen sie nun Paris Hilton
heißen oder Lindsey Lohan oder sonst irgendeinen Namen tragen, der rasch wieder verschwindet, sobald das Interesse der Öffentlichkeit an den Ohne-Höschen-auf-der-PartyFotos und den Geschichten über Busenvergrößerungen abflaut.
Auch Venice Beach ist nicht mehr sicher vor
den Paparazzi, obwohl die Menschen mit den
berühmten Gesichtern hier immer noch auf
angenehme Weise zum Stadtbild gehören. Normalerweise dreht sich hier niemand um, wenn
zufällig Nicolas Cage den Boardwalk entlang
joggt. Reese Witherspoon kann völlig unbehelligt durch die Boutiquen am Abbot Kinney
Boulevard bummeln; Helen Hunt kann mit
ihrer Tochter ungestört am Strand spielen; und
wenn Janet Jackson zum Trainieren ins legendäre Gold’s-Gym-Fitnesscenter will, dann sorgt
lediglich die Wichtigtuerei der Bodyguards für
Aufsehen.
Hier draußen, gleich vor der Haustür, geht
auch Elisabeth Sereda am liebsten shoppen.
„Ich liebe den Abbot Kinney, weil er fast etwas
Europäisches hat, kleine Läden und Cafés …
man bummelt dort zu Fuß. Sonst ist ja in L. A.
alles aufs Auto ausgerichtet.“ Am Abbot Kinney
liegt auch eines ihrer Lieblingslokale, „3 Square
Café“, wo der gebürtige Steirer Wolfgang Gussmack in der Küche steht. „Kein vordergründig
österreichisches Lokal, nur an den Details verrät Wolfgang seine Herkunft: Zum Beispiel gibt
es zur Saison weißen Spargel, den in Kalifornien sonst niemand hat, man kennt hier nur
den grünen. Er führt steirische Weine. Und er
macht einen Kaiserschmarren, der selbst mir
als Wienerin großen Respekt einflößt.“
Wenn Sereda selbst für Gäste kocht, hat sie’s
freilich lieber kreolisch als alpenländisch. „Ich
liebe die heiße, würzige Cajun-Küche aus der
New-Orleans-Gegend.“ Auf einem der regelmäßigen Farmers’ Markets in Venice Beach
lassen sich selbst exotische Zutaten für Gumbo, Jambalaya, Crawfish Étouffée oder Banana
Bread Pudding mit Whiskeysauce leicht finden.
„Supermärkte sind eher ein Problem. Wenn
man dort wirklich frische Lebensmittel kriegt,
sind sie so teuer, dass es billiger kommt, ins
Restaurant zu gehen, als zu kochen.“ Kaiserschmarren kriegen ihre amerikanischen Gäste
nie – „den könnte ich zwar, aber ich verweigere die Erfüllung vordergründiger Klischees“.
Außerdem wird Kaiserschmarren in Los Angeles mit Seredas berühmtestem Landsmann
assoziiert, nämlich Governor Schwarzenegger –
aber gerade mit dem will sie nicht unnötig in
Verbindung gebracht werden. „Als Politiker
halte ich nichts von ihm; ich werde bei der
nächsten Wahl genau wie bei der letzten gegen ihn stimmen.“ Beim Gedanken an Arnie
huscht ein Lächeln über Elisabeth Seredas Gesicht. Ein Ausspruch von Silvester Stallone,
Schwarzeneggers einstigem Erzrivalen um den
Status als Nummer-eins-Muskelmann, fällt ihr
ein: „Sly hat mir gesagt: Ist dir klar, dass der
Governor von Kalifornien am Wochenende,
daheim in Beverly Hills, heimlich in die Gasse
hinter seinem Haus schleicht, um dort zu rauchen? Jetzt weißt du auch, was mit diesem Land
nicht stimmt.“
Das Gespräch führte Friedrich Walter.
Nach all den Jahren in Hollywood
blieben nur wenige echte Freunde.
Ihre Erlebnisse hinter den Kulissen
hat Sereda in Buchform aufgezeichnet. Vorwort: George Clooney.
Verlag: www.egoth.at
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