Zulässige Fragen des Arbeitgebers bei Bewerbungsgesprächen
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Zulässige Fragen des Arbeitgebers bei Bewerbungsgesprächen
Zulässige und unzulässige Fragen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers in Bewerbungsgesprächen Düsseldorf, im Dezember 2012 herausgegeben vom Frauenreferat der Evangelischen Kirche im Rheinland Seite 2 Zulässige und unzulässige Fragen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers in Bewerbungsgesprächen Das Frauenreferat legt mit diesem Text eine Arbeitshilfe für die Gleichstellungsbeauftragten der Kirchenkreise und -gemeinden sowie der Ämter, Werke und Einrichtungen der Evangelischen Kirche im Rheinland vor, um diese darin zu unterstützen, bei Bewerbungsgesprächen zulässige und unzulässige Fragen zu unterscheiden. I. Die Frage nach der Zulässigkeit von Fragen der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers an die Bewerberin/den Bewerber in einem Vorstellungsgespräch ist gleich in doppelter Hinsicht relevant: • Zum einen kann die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber bei wahrheitswidriger Beantwortung von unzulässigen Fragen ein sich daran anschließendes Arbeitsverhältnis nicht mit der Begründung einer bewussten Lüge auflösen (bzw. anfechten). • Zum anderen setzt sich die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber im Falle gestellter unzulässiger Fragen dem Risiko von Schadensersatzforderungen durch abgewiesene Bewerberinnen und Bewerber nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG1) aus. Nach einschlägiger arbeitsrechtlicher Rechtsprechung braucht eine Bewerberin/ein Bewerber in einem Vorstellungsgespräch nur auf zulässige Fragen wahrheitsgemäß zu antworten. Beantwortet sie oder er unzulässige Fragen mit einer Lüge, so hat dies, entgegen der sonstigen Regel, keine Auswirkungen auf das sich u. U. anschließende Arbeitsverhältnis. Dieses kommt rechtmäßig zustande, obwohl es aufgrund falscher Tatsachenannahmen auf Arbeitgeberseite eingegangen worden ist. Sofern die Fragen eines der in § 1 AGG aufgezählten Diskriminierungsmerkmale zum Inhalt haben (z. B. Geschlecht, Homosexualität, Migrationshintergrund), liegt darüber hinaus eine direkte Diskriminierung der Bewerberin/des Bewerbers vor. Bei Ablehnung der Bewerberin/des Bewerbers kann dies zu einem Schadensersatzanspruch im Sinne des AGG (vgl. § 15 AGG) wegen Ablehnung aus diskriminierenden Gründen führen. II. Aufgrund dieser Schwierigkeiten, die sich für die Arbeitgeberin/den Arbeitgeber aus dem Stellen unzulässiger Fragen in einem Bewerbungsgespräch ergeben können, wird im Folgenden eine Kurzübersicht gegeben. Diese stellt die bisher durch Rechtsprechung und/oder in der Literatur nach Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit bewerteten Fragen gegenüber. In der letzten Rubrik werden noch einmal solche Fragen behandelt, die unter bestimmten Voraussetzungen – also „begrenzt“ – zulässig sind. Dabei erhebt die Übersicht nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, zumal sich diese arbeitsrechtliche Problematik in einem ständigen Wandel befindet. Zu Beginn der Einordnung nach Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit erfolgt immer die folgende Abwägung: Vor Abschluss des Arbeitsvertrages ist die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, Informationen über die maßgeblichen Umstände einzuholen. Das Informationsrecht der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers ist jedoch durch das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers begrenzt. Ein übergeordnetes Interesse der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers an Information ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn die Beantwortung der Frage für den angestrebten Arbeitsplatz und für die zu verrichtende Tätigkeit selbst von Bedeutung ist2. Als Regel gilt daher: Je stärker eine Frage Bezug zu der beruflichen Sphäre der Be- 1 2 http://www.gesetze-im-internet.de/agg/BJNR189710006.html BAG 5.12.1957 AP BGB § 123 Nr. 2). Seite 3 werberin/des Bewerbers hat, desto eher ist sie zulässig. Je stärker sie Bezug zu dem Privatbereich aufweist, desto eher kann sie als unzulässig qualifiziert werden. Bestimmte konkrete Fragen sind darüber hinaus auch im Gleichstellungsgesetz der Evangelischen Kirche im Rheinland (§7 GleiStG) als unzulässig qualifiziert. 1. Beispiele für zulässige Fragen: • Frage nach Ausbildung, Qualifikationen und beruflichem Werdegang einschließlich Ausbildungs- und Weiterbildungszeiten. Achtung: Dies umfasst auch die Frage der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers nach Eltern- bzw. Erziehungszeiten; • Frage nach zeitlicher Flexibilität, Versetzungsbereitschaft und Bereitschaft zum Schichtdienst; • Frage nach Fremdsprachenkenntnissen, soweit sie für die Tätigkeit der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers von Belang sind; • Frage nach dem Vorliegen einer Arbeitserlaubnis ist trotz der Nähe zu den Merkmalen „ethnische Herkunft“ und „Rasse“ (siehe § 1 AGG) zulässig, da sie eine Voraussetzung für die legale Beschäftigung der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers ist (vgl. § 3 AGG) und damit von einem legitimen Interesse der Arbeitgeberin/des Arbeitgebers getragen und gerechtfertigt wird; • Frage nach Vorbeschäftigungszeiten bei derselben Arbeitgeberin/demselben Arbeitgeber, wenn der Abschluss eines sachgrundlos3 befristeten Arbeitsverhältnisses geplant ist; • Für die Evangelische Kirche im Rheinland als Arbeitgeberin ist die Frage nach der Religions- und Konfessionszugehörigkeit zulässig. 2. Beispiele für unzulässige Fragen: • Frage nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft, vgl. § 7 III GleiStG;4 • Frage nach der Sicherstellung der Betreuung von Kindern, behinderten oder pflegebedürftigen Angehörigen neben der Berufstätigkeit, vgl. § 7 III GleiStG.5 (Achtung: Es gibt Stimmen in der Literatur, die die allgemein gehaltenere Frage nach der „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ für zulässig erachten. Da diese Frage inhaltlich jedoch der o. g. unzulässigen Frage nach der Sicherstellung der Betreuung sehr ähnelt, sollte auch diese Frage im Bewerbungsgespräch vermieden werden.); • Frage nach der sexuellen Identität; • Frage nach dem Lebensalter; • Frage nach Behinderung oder Schwerbehinderung. Achtung: Sie ist grundsätzlich unzulässig, kann aber gerechtfertigt sein, wenn die Behinderung die vertragsmäßige Arbeitsleis- 3 4 5 Sachgrund wäre z. B. Vertretung in Elternzeit. Dies selbst dann, wenn aufgrund der Tätigkeit von Anfang an ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot entgegensteht (Beispiel: Arbeit mit giftigen Dämpfen; schwere körperliche Arbeit, etc.) (vgl. BAG 26.2.2003 – 2 AZR 62/01). Siehe dazu Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB 230, § 611 BGB, Rn. 284. Seite 4 tung dauerhaft unmöglich macht und ihr Nichtvorliegen die wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt;6 • Die allgemeine Frage nach dem Gesundheitszustand. Achtung: Unter bestimmten und von der Rechtsprechung genau umrissenen Voraussetzungen ist die Frage zulässig (siehe dazu unten unter „begrenzt zulässige Fragen“); • Frage nach der genetischen Veranlagung wird grundsätzlich für unzulässig gehalten7; • Frage, ob die Bewerberin/der Bewerber raucht; • Frage nach dem Familienstand. Dies kann eine mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Identität darstellen und sollte daher vermieden werden; • Frage nach der Staatsangehörigkeit. Achtung: Da jedoch das Interesse an einer Arbeitsund Aufenthaltserlaubnis berechtigt ist, ist die Frage, ob die Bewerberin/der Bewerber einem EU-Mitgliedstaat angehört, zulässig; • Frage nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit ist wegen Art. 9 III GG unzulässig; • Frage nach der Zugehörigkeit zu einer politischen Partei. 3. Beispiele für begrenzt zulässige Fragen: • Frage nach dem bisherigen Gehalt ist begrenzt für die Konstellation zulässig, in der die Bewerberin/der Bewerber von sich aus das bisherige Gehalt zur Mindestgrenze für die Gehaltsverhandlungen erhebt. Daneben wird eine Zulässigkeit für den besonderen Fall anerkannt, dass das bisherige Gehalt Rückschlüsse auf die Eignung der Bewerberin/des Bewerbers ziehen lässt. Achtung: Da letzterer Fall jedoch nur schwer zu begründen ist, sollte hier zurückhaltend gefragt werden; • Frage nach Vorstrafen darf ausnahmsweise nur dann gestellt werden, wenn die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erforderlich macht (Bsp.: Vermögensdelikte bei der Buchhalterin/dem Buchhalter)8; • Frage nach Krankheit ist dann ausnahmsweise zulässig, wenn sie sich (a) lediglich auf die Geeignetheit der Bewerberin/des Bewerbers für die konkrete Stelle bezieht9 oder sie sich (b) auf eine schon zum Zeitpunkt des Gesprächs geplante Operation oder Kur bezieht10 und/oder (c) soweit sie sich auf ansteckende Krankheiten bezieht, die Kolleginnen oder Kollegen konkret gefährden könnten. Düsseldorf, im Dezember 2012 Dr. Gabriele Kirchhoff Frauenreferat der Evangelischen Kirche im Rheinland 6 In Abgrenzung zu einer „Krankheit“ ist eine Behinderung dann anzunehmen, wenn eine „dauerhafte, unheilbare Beeinträchtigung vorliegt“ (vgl. Müller Glöge, Preis, Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbietsrecht, 9. Auflage, 230. § 611, Rn. 274). Daher unterfällt die AIDS-Erkrankung der Behinderung, wohingegen die HIV-Infektion als Krank heit zu qualifizieren ist. 7 Vgl. Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, BGB 230, § 611 BGB, Rn. 282. 8 Vgl. BAG, MDR 1960, 353. 9 Vgl. BAG, NZA 1985, 57. 10 Vgl. Hunold, DB 2000, 573.