Über Susanne Fröhlich
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Über Susanne Fröhlich
SusanneFröhlich Aufgebügelt Roman Ihatewriting,Ilovehaving written. DorothyParker FürallmeineFreundinnen– IhrmachtmeinLeben richtigschön! 1 »Moin,Andrea!Hörma,des ismerjetztirschendwie peinlich,aberischmussdich emawasfrage«,begrüßt michRudiinmeinerKüche. SeitChristophausgezogen ist,gehörtdastägliche gemeinsameFrühstückzu unserenfestenRitualen. KaumsinddieKinderaus demHaus,setzenwiruns nochmalhinundversuchen, soeinigermaßenentspanntin denAlltagzustarten. »Duweißtdoch,dukannst michfragen,wasimmerdu willst!«,antworteichund schmieremireine hauchdünneSchichtNutella aufsBrot. IchliebeNutellaundvor allemNutellamitButter drunter.DasistderNachteil anunseremmorgendlichen Meeting.Früherhabeich ganzaufsFrühstück verzichtetundsowenigstens dieKalorienamMorgen eingespart. »Alsodesis,wieschon gesacht,alsoirschendwie unangenehm,aberischweiß net,wenischsonstfrache könnt!«,startetmein Schwiegervatereinen erneutenAnlauf.Dasist typischfürRudi,ermacht gerneeinriesigesBoheium jedesThema. »Fraghalt!«,sageichund schmieremirschondie nächsteScheibeToast. WerumallesinderWelt hatbloßdasToastbrot erfunden?Manisstundisst undisstundhattrotzdemdas Gefühl,garnichtsgegessen zuhaben. »Rudi,abmorgenessen wirVollkornbrotoderMüsli mitObst«,entscheideich, dennwenndassoweitergeht, hatmeinKörperbaldauch dieKonsistenzeines Toastbrots,weißund wabbelig,undsollteichihn tatsächlichdochnochmal zumEinsatzbringen–ein sehrheiklesThema,nebenbei bemerkt–,wäremirdas extremunangenehm. »EiermitSpeckwärnmir liebä,abervonmirausauch Müsli.Körnersollejagut sein.Ischmussmischjafit halte!Gradjetzt.Aber zurückzudemannern Thema.Also,Andrea,esgeht dadrum…Ach,ischsachs jetzteinfachemalgrad heraus:Hastduschonema wasmitHandschelle gemacht?« Habeichdasjetztrichtig verstanden?Handschellen? MeinSchwiegervater,der VatermeinesEx,fragtmich nachHandschellen? »Rudi,hastdugerade Handschellengesagt?«,frage ichzurSicherheitnochmal nachundhabesoaucheinen kleinenMoment,ummeine Fassungwiederzuerlangen. MeinSchwiegervaterhat einenknallrotenKopf,kann mirnichtindieAugen schauen,aberernickt eindeutig. »Jahabisch! Handschelle!«,platztesaus ihmheraus. Ichahne,wasermeint, willesaberdochnochmal genauwissen:»Dashataber jetztnichtsmitPolizei, VerhaftungoderÄhnlichem zutun,oder?«,stammleich, umeinwenigZeitzu gewinnen.Natürlichistmir völligklar,dassRudi keineswegsirgendwasin dieserRichtungmeint.Wir kennenunsjaschonein bisschenlänger,undwenn icheinekriminelleAder hätteundschonmalverhaftet wordenwäre,wüssteerdas längst. »Nee.Handschellenund… Naja,alsobeimSexhalt!«, erklärtermir. MittlerweileistRudis Kopfsoknallrot,dassich schonAngstumseinen Blutdruckbekomme.Nicht dassdermirhierbeim FrühstückeinenSchlaganfall kriegt!InmeinemKopf beginnensichunangenehme Bilderzutummeln:Mein Schwiegervaterandie Heizunggekettetundbisauf dieHandschellen splitterfasernackt.Oderan dieBettpfosten.Eventuell auchHändeaufdemRücken. Ichversuche,sofortdiese scheußlichenGedankenzu verdrängen. Rudiinterpretiertmein Schweigenanders:»Isch hab’sdirdochgesacht,esis peinlisch,aberwensollisch dannsonstfrage?« Ja,esistpeinlich,aberes istnochmehralsdas.Mein Schwiegervaterinden Siebzigernfragtmichnach Handschellen,undichim bestenEndvierziger-Alter habeseitJahrenwedermit nochohneHandschellen irgendwasgetrieben,wasim weitestenSinnemitSexzu tunhat.Umganzehrlichzu sein,indenletztenvier JahrenmeinerBeziehunglief auchnichtviel.Ichbinalso fastfünfJahrerausausdem aktivenGeschehen– jedenfallsindieserHinsicht. »Bistdujetztsauer, Andrea?«,unterbrichtRudi meineGedankenundmacht seinHau-mich-nicht-ichhabe-es-doch-nicht-sogemeint-Gesicht. Natürlichbinichnicht sauer.Wiesoauch?Eher maßloserstaunt.Wiekommt Rudibloßaufeinesolche Idee?Gehörtdasetwa mittlerweilezumSex- Basisprogramm?Kannsich ineinpaarJahrensoviel veränderthaben?Gab’sso wasfrühernichtdocheher nuringanzbestimmten Kreisen?Abteilung Sadomaso?FetischundCo? »Waswillstdudennmit Handschellen?Mankommt dochauchohneimBettganz gutzurecht!«,frageich vorsichtig. »Ach,ischbingarnetheiß aufHandschellenundso’nen Kram,aberdieIrenehatso wasangedeutet,diehatdaso einBuchgeleseunddeshalb willsedesachma ausprobiern!« Mirdämmertes.Waswird Irenewohlgelesenhaben? ShadesofGrey wahrscheinlich.DenMegaBestseller,denmirmeine NachbarinAnitazumletzten Geburtstaggeschenkthat. Undweilallewieverrückt geschwärmthaben,immer mitleichtentrücktem Gesichtundeinemfrivolen Grinsen,habeichdasBuch natürlichauchartiggelesen. Ichwar,ehrlichgesagt,ein bisschenenttäuscht.Braves, jungesDing,Studentin– klar!–abernatürlichauch bildschön,selbstverständlich nochohnejeglichesexuelle Erfahrung,ganzunberührt, lerntdurchZufall unglaublichreichen Milliardärkennen,der aufgrundseiner traumatischenVergangenheit nichtsmitBlümchensex(Das istdannwohldie Bezeichnungfürdas,was naiveMenschenwieichso treiben)anfangenkannund siealsdevoteGespielinwill –nachseinenRegeln… EsgibtordentlichSex,ab undanmalwasaufdenPo, dieeinoderandere Handschelle,Tücher, Reitgerten,Vibratorenund vielesmehr.Naja,aber umgeworfenhatesmich nicht.Undmitmeinen Phantasienhatesaucheher wenigzutun.DerGedanke, dassmirjemanddenHintern versohlt,sodassicham nächstenTagkaummehr sitzenkann,istmitmeiner IdeevonErotikirgendwie nichtkompatibel.Ichbinund bleibespießig,obwohlbei genauemHinsehenShadesof Greyselbstirrsinnigspießig ist.EigentlicheineArt Märchen,denndie Geschichtewäreweitaus wenigerspektakulär,wenn derMilliardäreinKlempner wäre,alsGeschenkkein schickesAuto,sonderneinen StraußBlumenvonder Tankemitbringenundin einerZweizimmerwohnung hausenwürde. »Dumeinstbestimmt diesesShadesofGrey«,sage ichzuRudi,undwiedernickt ernur. »Siehatesmirmitgegebe, damitischmichindie Materieeinarbeitekann,aber maehrlich,Andrea,sowas hatdieIngeniegewollt.Bei unswaralles,naja,halt mehrsonormal.Oft,aber normal.Wasmerhaltso macht,gell.Ischweißschon manet,womerüberhaupt Handschelleundsowas kaufekann.« Oh,bitte,jetztkeine DetailsausdemSexleben meinerverstorbenen SchwiegermutterundRudi. Dagehtesmirwiemeinen Kindern,manwillsichEltern einfachnichtbeim Kamasutravorstellen.Ich möchtewederüber Stellungennochüber Frequenzdiskutieren.Eltern sindirgendwie geschlechtslosundsollten dasbitteauchbleiben. »KeineDetails,Rudi!«, sageichdeshalbschnell,bin aberdocheinbisschen neugierigundfragegleich nach:»Wersolldenndie Handschellentragen,duoder deineIrene?« IreneistRudisneue Freundin.Hättemirjemand nochvoreinemJahrgesagt, dassRudimaleineFreundin habenwürde,hätteichnur gelacht.Rudihatso wahnsinnigumseineFrau getrauert,eineneueBindung schienvölligunvorstellbar. Aberdasiehtmanesmal wieder.Männersindnunmal nichtgernallein.Dochdass ausgerechnetRudisichso schnellwiederverlieben würde,hätteichniegedacht. Davonmalabgesehenist Rudiwirklichvieles,aber sicherlichnichtbesonders attraktiv.Undauchkeine irrsinniggutePartie.Erhat eineganzordentlicheRente, aberkeineswegsspektakulär, istnichtgeradegroßundhat kaummehrHaareaufdem Kopf.Eristdefinitivein liebenswürdigerund großherzigerMann,aber keiner,deraufdenersten Blickvielhermacht.Rudihat seineIreneimKochkurs kennengelerntundsichquasi schockverliebt.Auchsieist, wieRudi,verwitwet.Laut RudiistIrenefastwieseine Inge.Alsdiebeiden anbändelten,warich zugegebenermaßenziemlich skeptisch. AberRudihatmichmit seinerVerliebtheitüberzeugt. »IschhabdieIreneaanfach sehrlieb,dieisewunderbare Frauunhatenriesisches Herz!Unmaehrlisch,so großisdieAuswahlfürmich achnetmehr!« Daistnatürlich argumentativwasdran.Als ichdiebeidendasersteMal gemeinsamerlebthabe,war mirklar,wasRudisoan Irenegefällt.Sieähnelt seinerInge,istklein, rundlichundlieb.Ichgönne ihmseinneugewonnenes Liebeslebendurchaus,aber irgendwiehatmichseine Verliebtheitauchenttäuscht. Ichdachte,erseiderTypfür dieeine,wirklichgroße Liebe,dieauchdenTod überdauertundkeinenRaum füreineneuelässt.Ichweiß, dasklingteinwenig pathetisch,abereshättehalt etwasTröstlichesgehabt. Dassdajemandist,sogarein Mann,dersounbeschreiblich starkliebenkann–dashätte mirgefallen.Rudisiehtdas wesentlichpragmatischer. »MerkannjemandNeues lieben,ohnediealteLiebezu verraten.DieIreneisnetdie Inge,desweißisch,desseh isch,desspürisch,unesis trotzdemgut.Estutmergut. Ischverkümmersonst.« Ummirbesserunterdie Armegreifenzukönnen,hat RudikurzvorChristophs Auszugangefangen, regelmäßigeinenKochkurs derVolkshochschulezu besuchen.»Wenndenetda bist,Andrea,dakannisch denKinderndochebemal wasScheeneszuesse mache!« EineGeste,diemich damalsunglaublichangerührt hat.Rudiundichsindein ausgesprochengutesTeam. Wirhabenunseinfachgern. Trotzdemwarich verwundert,alserbeim AuszugseinesSohnesdarauf beharrthat,beimirzu bleiben.Christophauch.Er konnteeskaumfassen.Aber Rudiwarentschlossen:»Die Andreakannmichjetzt werklischbrauche,un wenischstensweißisch, wohinischgehör!«Daswar fürRudisVerhältnisseeine ziemlichdrastischeAussage. Christophhatsichgefügt. Wasbliebihmauchanderes übrig.Ichglaubeaberauch nicht,dasserernsthaftmit seinemVateralleinineiner Männer-WGwohnenwollte, trotzdemwarereinbisschen beleidigt. Seitziemlichgenaueinem JahrlebtChristophnuninder früherenWohnungvonRudi undInge.DieerstenWochen hatertatsächlichinseinem altenKinderzimmer verbracht.Mittlerweilehater sichaberneueingerichtet. Dasweißichallesnuraus zweiterHand,vonmeinen Kindern.Ichselbsthabe wenigLust,dieWohnungzu betreten.Warumauch? Schließlichbinichnicht mehrzuständig.Wederfürs PutzennochfürdieDeko. Fürgarnichtsmehr.Das allesgingsehrvielschneller, alsichmirhättevorstellen können.Ansichwarder Auszugauchnurals Überganggedacht,als Bedenkzeitsozusagen–wir wolltenmalsehen,wiees sichentwickelt.Trennungzur Klärung.Aberauchbefristet gedachteArrangements könnensichzeitlich verselbständigen.Christoph hatamAnfangnochabund andavongesprochen,was wirändernkönnten,wie unserLebenwiederindie Bahnkommenkönnte.Sein Ausdruck:»IndieBahn.« Warumgeradeindie Bahn,habeichnurgedacht, genaudiehatmichdoch immergestört:dieBahn! Bahnklingteingefahren,und genaudaswaresauch,was michverrücktgemachthat– dieseGleichförmigkeit, diesesBerechenbareund dadurchauchsounsagbar Langweilige.Nachgutdrei Monatenwarauchdas Zurück-in-die-Bahn-Thema erledigt.DieneueBahn,das Alleinlebenohnespürbare Verpflichtungenundvor allemauchohnemich, schienenChristophzu gefallen.»Lassuns abwarten!«,hater entschieden. Nurworaufwarten?Auf eineEingebung,einen plötzlichenHormoneinschuss oderaufdiegroße Rückbesinnung?Seitdemist meinHerzirgendwieleer. Nicht,wiemanimmersagt, schwer,aberleer.Dasfühlt sichfastschlimmeran.In mirrührtsichsogarnichts. DabeiwarichzuAnfang nochrechtoptimistisch. Sprüchewie:»Wennsich eineTürschließt,öffnetsich eineneue«,erschienenmir geradezuwegweisend.Vor allem,weilichkurzvor unsererTrennungHerrn Reimerkennengelernthabe. Bastian,denFußballtrainer meinesSohnes.Dengroßen, gutaussehendenBastian,der mirsotatkräftigzurSeite gestandenhat,alsesmeinem Sohnschlechtging.Dermir ziemlichunverhohlenseine Zuneigungzeigte.Deran meinerSeitewar,alses Christoph,meinMann,hätte seinmüssen.Bastian,mein Hoffnungsschimmeram Horizont. »Ja,Andrea,hat’sdirjetzt dieSpracheverschlache,soll ichmischanjemandanneren wende?Estutmerleid,wenn ischirschendwieindiskret war«,reißtRudimichaus meinenErinnerungen. »Nein,istschonokay, also,esmachtmirnichtsaus. Ichwarnurkurzganz woandersmitmeinen Gedanken,aberwasdas Themaangeht…Also,auf demGebiethabichleider keineAhnung,oderzum GlückkeineAhnung«, antworteich,währendich mirmechanischeinen weiterenToastmitNutella schmiere.Abmorgenwird diesesHauseine toastbrotfreieZonesein, heutekommtesdannauf eineScheibemehroder wenigerauchnichtmehran. Esistwirklicherstaunlich, mitwiewenigenBissenman soeineToastbrotscheibe verschlingenkann.Man könntesiesichauchdirekt mitderNutella-Butter-Seite aufdenBauchoder wahlweiseaufdieHüften drücken.BeiderKonsistenz würdesiewahrscheinlichmit demBauchspeck verschmelzenoder verwachsen.Dabeihatteich indenerstenvierMonaten nachChristophsAuszug herrlichabgenommen. Einfachso,ohneDiät.Als würdeicheineHülle abwerfen,Ballast.Aberder verdammteSpeckistsehr anhänglich.Woersichmal wohlgefühlthat,willer wiederhin–undbeimir scheintesbesondersschönzu sein.Momentanbinich wiederkräftigam Aufspecken. »Estutmirleid,Rudi,da kannichdirechtnicht helfen,mitdiesem Handschellenkram.Probier eseinfachaus,unddann, wenndumagst,erzählstdu mirdavon,damitichmalwas lerne!Undmalehrlich,du musstdochauchnichts machen,wasdunichtwillst«, gebeichmirMühe,meinen Schwiegervaterzuberuhigen. Ernickt,undnachundnach nimmtseinKopfwiedereine normaleFarbean. Ichhabeheutefrei–naja, soweitmaneinennormalen TagmitzweiKindernund einemHaushaltalsfrei bezeichnenkann. »Sollischheutfüruns kochen?«,fragtmichRudi. SeiterseinenKochkurs besuchthat,betätigtersich gerneinderKüche,undzu meinemErstaunenkannder Mann,derfrüherkaumein Frühstückseikochenkonnte, diedollstenGerichte zubereiten.Mansieht: LernfähigsindselbstMänner –unddassogarnochin hohemAlter. »Vielleischtkönntestde merimGeschezugmein gutesHemduffbüscheln,des issoangeknittert,abernoch zugutzumWasche!« Aufbügeln!Wasfürein antiquierterAusdruck.Ich gehöreauchmalaufgebügelt, schießtesmirdurchden Kopf,aberichverspreche Rudi,michumseinHemdzu kümmern. WirsindheuteNachmittag eingeladen.Dieganze Familie.Alsodas,wasan Kernfamiliedavonübrigist. DieKinderundich.Auch Rudidarfmit.VonBastian. Genauergesagt,vonBastians Eltern. Unddaskamso:Ichhabe Bastianabundangesehen. Ganzharmlos.Schonallein deshalb,weilmeinSohnbei ihminderMannschaftkickt. DaMarkallerdingsseit geraumerZeitnichtmehr ganzsoregelmäßigzum Traininggeht,sondernlieber ’neRundechillt,wasnichts anderesbedeutetals rumzuliegen,habenBastian undichunseherselten getroffenunddannauchnie mehralsnureinpaarnette Wortegewechselt.Aberer hatnichtlockergelassen,mir immermalwiedereineSMS geschicktundumeine Verabredunggebeten.Vor vierWochenhabeichihn dannschließlicherhört.Habe endlichaufseineDateanfrage geantwortetundzugesagt. MirhatseineBeharrlichkeit gefallen.Undseine verständnisvolleArt.Dashat mirgeschmeicheltund gutgetan. NachderTrennungwarich irgendwiesogarnichtinder Stimmung,direktwiederins Flirtgeschäfteinzusteigen, underkonntedasverstehen. Dumusstnichtsüberstürzen odererklären,ichbinein geduldigerMann!,wareine seinerSMS-Antworten. ImletztenJahristeinfachzu vielaufmicheingeprasselt. Zumeinendietäglichen AnrufemeinerMuttermit derimmergleichenLeier: »Andrea,dubistjakomplett verrücktgeworden.Man wirfteineEhenichteinfach soweg,daswirstdubitter bereuen!Dadraußenläuft vielElendrum,aberder Christophhateinen ordentlichenBeruf,der verdientgut,derkanneuch ernähren–undjetztmachst duauseinerLauneherausso einenQuatsch!Wastustdu denKindernan?Willstdu dichjetztetwa selbstverwirklichen?«Zum anderndiewohlgemeinten Ratschlägevonallmeinen Freundinnen,diezunächst ganzandersklangen,bei genauemHinhörenaber genaudasselbemeintenwie meineMutter:»Toll,dassdu somutigbist,aberichhätte michdasniegetraut!Aber manmussauchbedenken: LieberdenSpatzinderHand alsdieTaubeaufdemDach, dennesistwahrscheinlicher, voneinemTigergefressenzu werden,alswiedereinen Mannzufinden.Der Christophistdocheigentlich keinschlechterMann–erhat dichdochnichtgeschlagen! UndSexwirdüberbewertet. Naja,esgiltdochderalte Spruch:Ingutenwiein schlechtenTagen.Jedelange Beziehunghatmaleine Durststrecke.Inunserem Alteralleinsein…Wer weiß,obdajemalsnochwas kommt?DiegutenMänner sindjaalleweg.Ich bewunderedich,aberich kannnichtgutalleinsein. Früheroderspäterkommt mandochimmeranden Punkt…Diegroße Leidenschaftkannmanhalt nichtmehrerwarten.Mir würdedieseSicherheit fehlen…« Allesinallemwardas,was ichdazuhörenbekommen habe,nichtwirklich ermutigend.Aufeinen Nennergebracht,lautetedie Botschaft:Mandarfdie Truppenichtunerlaubt verlassen.Selbstschuld, wennmanesdochtut–dann mussmanhaltmitden unerfreulichenKonsequenzen leben.Dabeihätteichein wenigZuspruchgutbrauchen können.Esistjanichtso, dassichselbst hundertprozentigglücklich mitmeinerEntscheidungwar –oderbin.Ichbinzutiefst verunsichert,undesgibt Tage,andenenicham liebstensofortbeiChristoph anrufenundihnbitten möchte,zurückzukommen. Schondamitwiederalles seineOrdnunghatundich michnichtständigfragen muss,obmeineEntscheidung nichtdochvorschnell,naiv undunbedachtwar.Washabe ichschließlichauch erwartet?Wirwarennunmal keinfrischverliebtesPaar mehr.DieZeithinterlässt haltihreSpuren.Die Leidenschaftmachtdie Flatter,undanihreStelle rückenandereDinge.Aber Sicherheit?Wäredaein Bausparvertragnichtdie bessereLösung?Ichwill Liebe,keineSicherheit.Als Beigabegerne,aberdoch nichtalsHauptsache. Unddummerweiseweiß ichauchnicht,ober überhauptzurückkommen würde.Ichfrageihngarnicht erst,schließlichahneich insgeheimsogar,dasseres nichttunwürde.Warum auch?Fürihnscheintes primazulaufen.Dasmacht dieSachefürmichnicht besser,eherimGegenteil. Dasser,nachdemererstso entsetztschien,sichso schnellmitder»Situation« arrangierthat,ist frustrierend.Ichhättemir mehrKampfgeistgewünscht, überhauptdenWillen,mich zurückzuerobern–abernach nurknappeinemMonatwar Christophscheinbar zufriedeneralszuvor. Undjetztistdaauchnoch SarahMarie.SarahMarieist dieNeuemeinesMannes. Christophhatseitgut eineinhalbMonateneine Freundin.Ichhabesieselbst ersteinmalgesehen–von weitem–,aberdieKinder findensiehübsch.Sehr hübschsogar. »Dashatmitunsnichtszu tun!«,hatmirChristophnur knapperklärt,alsichihnauf SarahMarieangesprochen habe.Einewirklich ausgesprochensaublöde Behauptung.Mitwemdenn sonst?Haterkurzzeitig vergessen,dassermitmir verheiratetist?Alsichihn daranerinnerthabe,hater nurmitdenSchultern gezuckt.»Duwolltestdie Trennung,Andrea.Jetzt musstduauchmitden Konsequenzenleben!« Ichwarfassungslos, schließlichwollteichdie vorübergehendeTrennung nur,damitwirunsüber unsereSituationklarwerden. Unsneupositionieren, überlegen,waswirändern könntenodersollten. »Sowaskommtvonso was!«,hatmeineMutter meinenWutausbrucham Telefonkommentiert.»Das wardochklar,dasseinMann wieChristophganzschnell wasNeuesfindet.Soeinen Mannlassendiemeisten ebennichtlaufen.« »Danke,Mama!«,habeich gesagt,michvornoch größererWutgefragt,obman auchMütterzurAdoption freigebenkann,und aufgelegt.Mankönnte meinen,sieseiChristophs Mutter.MeinVaterhatsich zualldenEntwicklungen nochgarnichtgeäußert. Wahrscheinlichsiehteralles genausowiemeineMutter, abersollteertatsächlich andersdenken,würdeersich hüten,dasimBeiseinmeiner Mutterauszusprechen. Risikoabwägungistetwas, waserimLaufeseinerEhe gelernthat. SelbstmeineTochterhat eingewissesVerständnisfür ihrenVater:»Eristhaltein Mann,undduhastihnnicht mehrgewollt!«,hatsie lapidargesagtunddabeiwie eineabgeklärte Mittfünfzigeringeklungen. Sowiesohabeichden Eindruck,dassmeineTochter dasGanzenichtbesonders interessiert.Sieistsosehr mitihremeigenenLeben beschäftigt,dassfürallesum sieherumkaumnochZeit undAufmerksamkeitbleibt. Claudiaistseitgutneun Monatenineinerfesten Beziehungundstehtmeinem Eindrucknachkurzvorder Verlobung.Eigentlichsteht siekurzvordemAbitur,aber dasistfürsiemomentan ganzoffenbarkomplett unwichtig. »Ichgehehnichtins Ausland,undichweißauch nicht,obichspäterüberhaupt arbeitenwill!«,hatsiemir gegenübermalsonebenbei bemerkt.Ichhabekeine Ahnung,wovonsiedann späterlebenwill–leideraber eineIdee. MeineTochter,bisvor kurzemnochEhrenmitglied beidenMessies,ist spießiger,konservativerund kleinbürgerlichergeworden, alsichesjewar.Unddas willwirklichwasheißen, dennichbinauchnicht geradeeineRevoluzzerin! SeitsiemitGustavJohannes liiertist,drehtsichallesnur nochdarum,GustavJohannes undseinenEltern,diesie inzwischenEllenundHans nennendarf,zugefallen.Sie nimmtanScrabbleSpieleabendenimHauseder vonHessges(mitderganzen Von-und-zu-Sippe)teil,sie fährtmitinsFeriendomizil nachSüdfrankreich,siehat sichzuihremletzten GeburtstagPerlenohrstecker gewünscht,und wahrscheinlichbetetsiejede Nachtdarum,irgendwannals FräuleinSchwiegertochter amHeiligenAbendmitden vonHessgesuntermBaum sitzenzudürfen.Siemacht mirsogarVorwürfe,dassich sienichtgezwungenhabe, QuerflöteoderGeigezu lernen.Fehltnurnochein Kashmere-Twinset! Mark,meinSohn,findetes »vollScheiße«mitder Trennung,aberdasistauch schonalles,waserdazuzu sagenhat.SarahMarie, übrigensgerademal31Jahre alt,ChristophskleineMiezi, wieichsieinsgeheimnenne, mager.Siearbeitetbei Kaufhof-Sportundkannihm günstigTurnschuhe besorgen.MeinSohndenkt gernepraktisch–wenner dennmaldenkt.Unddas scheint,ehrlichgesagt,nicht besondersoftderFallzu sein.Meistkommtermir ziemlichabwesendvor,so alswäreerzwarkörperlich da,abermitseinemKopf sonstwo.Eristmittlerweile über1Meter85großundhat offenbarallseineEnergie mitdemWachsen aufgebraucht.Seine Hauptbeschäftigungdeshalb: chillen. Allesinallemfühleich michmitmeinenProblemen docheinwenigallein gelassen–daswarjetztsehr erwachsenausgedrückt.Ich fühlemichnämlichzeitweise sorichtigscheißeundkönnte SarahMarieungespitztin denBodenrammen, Christopheine,odergleich mehrere,knallenundmeine Tochterdurchschütteln, damitsieausihrem Hausmütterchentraum(a)an derSeiteeinesVon-und-zu wiederaufwacht.Dannwürde ichmeinenSohninseinen lethargischenHinterntreten undmichselbstambesten auchnoch. AberzurückzuHerrnReimer –Bastian.Tatsächlichbinich alsoübermeinenSchatten gesprungenundhabe eingewilligt,ihnzumEssen zutreffen.Auch,weilSabine, meineFreundin,derich BastianaufFacebookgezeigt habe,ihnechtleckerfand. Reinobjektivmussichihr rechtgeben.Bastiansiehtgut aus.Aberichwarskeptisch. Jemand,dersotollistund michsotollfindet–kannmit demallesinOrdnungsein? Wiesowilldermich,woer dochbestimmtjedeandere habenkann?Oderkannder keineanderehaben?Spricht dasjetztallesfüroderdoch ehergegenihn?Oder empfindetervielleicht einfachnurMitleid?Ich weiß,sozudenken,ist natürlichbeklopptund sprichtauchnichtunbedingt fürmeinSelbstbewusstsein, abertrotzdemwarmirdas nichtgeheuer.Dadraußen laufensovieltolleFrauen rum,waswillderdann ausgerechnetvonmir?Ich binälter,habeAnhangund verbreiteChaos.Untereiner gutenPartieverstehtman jedenfallswasanderes. EinDatezuhabenist aufregend,aberinmeinem Alterebennichtnur.Gerade weilmannichtmehrdie JüngsteundUnbedarftesteist unddieAufregungsowieso schonvonganzallein kommt,erforderteseine umfassendeVorbereitung undPlanung.Mansollteja füralleEventualitäten gerüstetsein. Aberwassinddasfür Eventualitäten?Auchdasist eineFrage,diemansich vorabstellenmuss.Küssen? WildesKnutschen?Mitoder ohneFummeln?Trenntman dasüberhauptnochso säuberlichwiefrüher?Noch mitzuihmindieWohnung? Sex?Undwasdavonwürde mirgefallen?Wozuwäreich eigentlichbereit?Kanniches überhauptnoch?Wasgehört inzwischenzumStandard? KannmanSexverlernen? AlldieseFragenhaben dazugeführt,dassichfast kurzfristigabgesagthätte. AlleinderGedanke,mal wiederSexzuhaben,also eventuellSexzuhaben… Einerseitseinwirklich schöner,erregenderGedanke, andererseitsauchfastein wenigbeängstigend.Welche Ansprüchewirderstellen? WirderDingetunwollen, dieichnochniegetanhabe? »Machdichmalnichtso verrückt!«,hatmeine lesbischeFreundinHeikeaus MünchendasganzeTheater kommentiert.»EinKörperist einKörper,erhatÖffnungen, undletztlichsinddie Möglichkeitendanndoch beschränkt.« Malunteruns,dashat michnichtwirklichberuhigt. EsgibtÖffnungen,alsoeine, umgenauzusein,diesollte nachmeinemGeschmack privatbleiben,umesmal vorsichtigauszudrücken. DienächsteFrage:Darf manüberhauptamersten AbendSexhaben?Allein dieseFragehatmicheinen halbenTaglangbeschäftigt. Sabine,meineFreundin, findet,dassmanallestun darf,wozumanLusthat. »Warumauchnicht!Wir werdenjanichtjünger.Man solltedieGelegenheit ergreifen,wennsiesich bietet!Baldsindwirim Seniorenwohnheim,undda wird’smitderAuswahlan lebendenMännernwirklich eng!MitanderenWorten, Andrea,sovielZeitbleibt nichtmehr!« DasInternet(jamankann sogarsolcheDingegoogeln undfindetHundertevon Kommentaren!)meint,man sollemindestensdreiDates abwarten.Beimdrittendarf man,abernochbesseristes, biszumfünftenDatezu warten.Sonstgiltmanganz schnellalsleichtzuhaben, alsSchlampe,alsliederliche Person.»Wersichzuschnell hingibt,mussdamitrechnen, dassderneuePartnerdenkt, manwürdedasimmerso machen!«,heißtesda,und »WemetwasanseinemRuf liegt,dermusssicherst einmalbedeckthalten!« Wüssteichnicht,dass meineMuttersichnichtsaus demInternetmacht,ichwäre mirsicher,dieKommentare stammtenallesamtvonihr. »Willstdugelten,machdich selten!«,habeichmeine gesamteJugendzeitüber gehört.Vielleichtwar Bastiandeshalbso ausdauernd–weilichmich sogutwieniegemeldethabe. »Klar,dieBeutewird umsointeressanter,je schwerersiezujagenist!«, behauptetauchSabine.Ich haltediesesGetuefür kindisch,aberanscheinend funktioniertesso. »Spielehabenebenihre Regeln,undwererfolgreich spielenwill,hältsichdran!«, isteineweitereThesevon Sabine. IchhabemitBastiangar keinSpielgespielt.Ichwar einfachnurzuverwirrtund angeschlagenwegenderdann dochplötzlichenTrennung undmussteerstmalmeine Wundenlecken,bevorich michinneueAbenteuer stürzenkonnte. AmNachmittagvordem großenDatewarichpanisch. GuteUnterwäscheanziehen? Jaodernein?Wennichgute Unterwäscheanziehe,istdas jaeigentlichschoneineArt Indiz.Dasbedeutetdoch quasi,dassichgewilltbin, dieUnterwäsche vorzuführen,undirgendwie auchdamitrechne,die Unterwäschezupräsentieren. Aberwenndersieht,dassich wasSchickesdrunterhabe, wirderdenken,dassich geplanthabe,mitihmindie Kistezugehen.Denken Männersowas,oderdenken dieübersowasgarnicht nach?Gehendiedavonaus, dassFrauen,wieRudisagt, »unnerum«immersogestylt sind? Unterwäschekannmit SicherheitzurVerhütung beitragen!Duziehstdich bestimmtnichtgerneaus, wennduweißt,dassdu untendrunterdie Bauchweghoseodereinen ausgeleierten,verwaschenen Slipanhast.Alleinder Gedanke!Sollteichalso prophylaktischbessermal wasLabberigesanziehen? Einealte,gemütliche Unterhose,diemirbiszur Taillereicht? Ichentscheidemichdann dochfüretwasNettes.Allein schonfürsGefühl.Fürmein Gefühl!Abernichtszu Aufreizendes.Ehrlichgesagt habeichsowasauchgar nichtinmeinerSchublade. SchwarzmitleichterSpitze undPush-up. SabineistfürRot.»Rotist hammersexy!Rotistein ganzkleinesbisschenvulgär undschreit›Nimmmich!‹« Rotschreit!Willich schreiendeUnterwäsche? Was,wennichaufdemWeg zumDateeinenUnfallhabe undmeineUnterwäschedann denNotarztanschreit? »Nimmmich«,anstellevon »Gibmireine Bluttransfusion!« »AufkeinenFallweißoder soSportzeugausBaumwolle. Daswirktsokeuschund brav.AusdemAltersindwir raus.Dasgehtvielleichtnoch beiTeenies«,erklärtsiemir noch. IchmussihrnocheinFoto simsen,undsienicktmein schwarzesEnsembleab. »Schwarzgehtimmer!Ist nichtrot,aberbesserals fleischfarben.Auch irgendwiesexy.Gut,die Hoseistbisschengroßund einStringwäreschärfer,aber eswirkterwachsen.Achja, unddenkanKondome! Sicheristsicher.« NocheinPunktaufderTodo-Liste.Wasistmit Verhütung?SeitChristoph ausgezogenist,habeichdie Pilleabgesetzt.Wozuständig irgendwelcheHormone schlucken,wennesgarnichts zuverhütengibt?Aber KondomeinderHandtasche? Dagegenistschreiende Unterwäschejaschonfast diskret. »SindKondomenicht Männersache?«,frageichbei Sabinenach. »Naja,theoretischschon, abereinKindwärenachher vorallemdeineSache!«, stelltsiepragmatischund logischfest. EinKind?Darüberhabe ichnochüberhauptnicht nachgedacht.OmeinGott! DaswäreeineArtZurückauf-Los.Alleswiedervon vorne.SchlafloseNächte,auf Legotreten,»Dasistein Auto«sagenunddasganze Programm.IchfindeBabys süß,aberwennichmir vorstelle,selbstnochmal einszuhaben,wirdmirganz anders.AlleinderGedanke istschonunangenehm.Der womöglicheinziglustige Aspektdabeiwärendie GesichtermeinerKinder, wennsiedavonerfahren würden! EineSchwangerschaftist allerdingsnichtgerade wahrscheinlich,wennman bedenkt,dassdie FruchtbarkeitmitdemAlter abnimmt. »Daswärejaquasiein SechserimLotto,wennich nochmalschwangerwürde!« »DerTeufelistein Eichhörnchen!«,sagtSabine nur.IchhabekeineAhnung, wodieserSpruchherkommt, erscheintjaauchnicht wirklichSinnzumachen, aberichverstehesofort,was siedamitmeint. Kondomeinder Handtaschesindallerdings nochoffensichtlicheralsrote Unterwäsche.Kondomein derHandtaschezuhaben heißt:Ichweiß,wasansteht, undichbinvorbereitet.Ich kennemichaus.Kondomein derHandtaschebedeuten: Allzeitbereit!Nimmmich! Sabineberuhigtmich: »Diesiehtdochkeiner,bei Datesgibt’sjakeine Taschenkontrolle,undwenn dusietatsächlichbrauchst, wasichfürdichhoffe,dann istderschonsoauf180,dass ersichumdeinenRufmit SicherheitkeineGedanken mehrmacht.«Dasklingt einleuchtend. Alsogut,ichkaufe Kondome,beschließeich. Dassagtsichsoleicht, aberwennmanwieicheinen Hauchverklemmtist,will mannicht,dassdiegesamte Nachbarschaftmitbekommt, wasmandaeinkauft. Deshalbgeheichauchnicht indieApothekeumdieEcke, sondernineinen Drogeriemarkt.Vordem Kondomregalbinich verwirrt.Nimmtmanjetzt XLinderHoffnung,injeder HinsichtetwasGroßes gebotenzubekommen(Ich weißnatürlich,dassdas angeblichkeineRollespielt. AberalleFrauen,dieschon malSexhatten,müssen zugeben,dassmandaszwar behauptet,esaberdefinitiv gelogenist),oderverschreckt dasdieMänner,dieeher durchschnittlichgebautsind? Was,wennereinenwinzig kleinenhatunddersichin einemXL-Kondomquasi verirrt?Ichentscheidemich fürNormal.OhneFarbeund irgendeinenSchnickschnack wieErdbeergeschmackoder Leuchtkraft.Dannbeladeich meinenEinkaufswagenmit Conditioner,Shampoo, Wimperntusche, Tempotaschentüchernund Klopapier.InderMassean KramwerdendieKondome nichtweiterauffallen. WährendichanderKasse anstehe(esistSamstagund dementsprechendvoll), schaueichmichimmer wiederum,vollerPanik, irgendjemandenzutreffen, denichkenne.Natürlich mussichgenaujetztanden altenFernsehspotzur Aidsaufklärungdenken,bei demHellavonSinnenander Kassesitztunddurchden ganzenLadenbrüllt,umzu fragen,wasdieKondome kosten.Ichwerdebehaupten, dasssiefürMarksind. MeinenSohn.ZumÜben. Damitervorbereitetist, wennesdannsoweitist.Für einExperimentinderSchule. Oderichtueso,alswürdeich siemeinerTochter mitbringen.Ganzdie aufgeklärteundsouveräne Mutti.Ichmussfastselbst lachen.Ichstellemichsoan, alswollteichein Maschinengewehrkaufen. OderHeroin.Währenddie KassiererinmeineWaren einscanntundübersBand zieht,plaudereichmunter aufsieein,umsie abzulenken.Sieistvöllig ungerührt.Eigentlichklar, dennwarumsolltesicheine wildfremdeFraufürdas interessieren,wasichso einkaufe?DasnächsteMal bestelleichdieDingerim Internet.Wennesdennein nächstesMalgibt.Dastue ichmirnichtnochmalan, denkeichnur,alsichleicht schwitzigdenLadenverlasse undvorderTüraufAnita treffe.Anita,meine Nachbarin.Daswarknapp! Hättediegesehen,wasich eingekaufthabe,hätteiches auchgleichimViertel plakatierenkönnen. ZuHauseverbringeichdann denganzenNachmittagmit Körperpflege.Duschen, cremen,zupfen.Vorallem zupfen.Ichkönnteeinen hauptberuflichenZupfer beschäftigen.Esist unglaublich,womeinKörper überallHaarewachsenlässt: amKinnundinden Mundwinkeln.Am einfachstenwäremit Sicherheiteineschnelle Gesichtsrasur,aberman möchtesichjanicht stoppeliganfühlen.Ich erwischezweilange, borstige,schwarzeHaaream Kinn.Theoretischdarfman abeinemgewissenAlter– sagenwirmaljenseitsder40 –dasHausüberhauptnicht mehrohnePinzette verlassen.Morgensvordem Vergrößerungsspiegelist nochallesgut,undnureine Stundespäter,wennman geradeimAutositzt,kann manimRückspiegelschon demKinnhaarbeimWachsen zusehen. »Seifroh,dassdunur Kinnhaarehast!Mirwachsen zweilangeschwarzeaufder rechtenBrust!Ichzupfe,sie wachsennach,ichzupfe,sie wachsennach,esistwiebei ›Undewiggrüßtdas Murmeltier‹«,hatmir Tamara,dieNachbarinvon gegenüber,verraten. EinKörperjenseitsder40 bieteteineMenge Betätigungsfelder.Wer wirklichtipptoppaussehen will,dembleibtnichtviel freieZeit.Istmanuntenrum fertig,kannmanobenfast schonwiederloslegen.Man kannsichseineneigenen Körpermüheloszumgrößten Hobbymachen.Aberoffen gesagt,kannichmir Spannenderesvorstellen. Ständigansich rumzuzuppeln,umdanndoch zusehen,wiealleslangfristig nichtbesserwird,ist ermüdendundfrustrierend. FürHerrnReimer,also Bastian,legeichmichrichtig insZeug.Alles,wasan Generalüberholungohne SkalpellundBotoxmöglich ist,wirdvonmiroder professionellenFachkräften erledigt.Fußpflege, Maniküreundsogarfrische Strähnchenlasseichmiram VortagunseresDates machen.Ganzehrlich–mehr gehtbeimirnicht.Ichfühle michbereit.Wofürauch immer! Bastianwolltemich,ganz Gentleman,abholen.Ichhabe aberbehauptet,ichsei sowiesounterwegsundes wärebesser,wirwürdenuns gleichimLokaltreffen.Je nachdemwieesläuft,habe ichdannnämlichmeinAuto dabei,unddasistwiederum diebesteProphylaxedafür, dassichmichnichtvorlauter Aufregungkomplettbetrinke. Wennichmichnicht betrinke,binichvielleicht auchnichtsohemmungslos, wasbedeutenwürde,dass sowohlUnterwäschealsauch Tascheninhaltmein Geheimnisbleibenundiches schaffe,dieDrei-Dates-Regel einzuhalten.Warumauch immerdieseRegel erschaffenwurde,womöglich istjadochwasdran.Und vielleichtschaffeiches. DieAuseinandersetzung mitderFrage»Sex–jaoder nein?«bleibtdennochmeine mentaleHauptbeschäftigung. Wennermirsogutgefällt, wieichesinErinnerung habe,undwenneszwischen unsknistert,würdeichdann mitihminsBettgehen? »MeineGüte«,hatsich Sabineaufgeregt,»maches halt!SchonausPrinzip.Du tustjageradeso,alswürdest duübereineTransplantation nachdenken.Duwillstihn dochnichtheiraten, entscheidespontan.Ister sexyunddubistscharfauf ihn,dannran,wennnicht, lassessein.Andererseits wäreesgut,duwürdestso odersomalwiederSex haben,schonumdemGanzen einbisschenwasvonseiner Bedeutungzunehmen.Es gehtumSex,Andrea.Eine Formvonamüsanter Gymnastik.Menschen machendasschonewig.Du bistnichtdieErste,undesist nichtdasersteMalfürdich, alsoreißdichmal zusammen.« Ichmussschlucken,gebe ihraberinsgeheimnatürlich recht.Trotzdemkannich nichtaufhören,darüber nachzudenken.Was,wenner zwarsexyist,esabernicht knistert?Gehtmanmit jemandemeinfachnursoin dieKiste,nurumesmal wiederzutun?AusSpaß, ohneeinenHauchvon Verliebtheit?Nuraus Begierde?Wiesoeigentlich nicht?Angeblichkönnen Frauendasschlechterals Männer.»Frauenbrauchen eineemotionale Komponente,diemüssen verliebtsein.Männerkönnen dasperfekttrennen,fürdie istSexauchohneEmotion gut!«,hatmirmaleinalter Freunderklärt. Ichbinunsicher,obdas wirklichzutrifft.Ehrlich gesagt,glaubeich,dassdas eineTheorieist,dievor allemMännernunglaublich gutgefällt.EineVorstellung, dieihremEgoschmeichelt. WenneineFraumitihnen Sexhat,dannistdaganzklar immermehrimSpiel. Männerwollennichteinfach nurfürkörperliche Befriedigungbenutztwerden. Durchausverständlich.Das gehtmirtendenziellähnlich. Ichhabemalineinem Artikelgelesen,dassselbst Puffgängersichsehrhäufig einbilden,dieProstituierten wäreneinganzklein bisscheninsieverliebtund wärengernemitihnen zusammen,unddasGeld würdedagarkeineRolle spielen.Daszeigtdeutlich, dassMännerauchnicht immersehrrealistischsind. Ichdenke,dassesheuteauch fürFrauenmöglichist,Sex alsdaszusehen,waseseben auchseinkann:Sex.Ohne Drumherum.OhneLiebe. OhneRomantik.Einfach purerSex.Nochbinich vielleichtnichtsoweit,aber ichwürdeeseventuelldoch malaufeinenVersuch ankommenlassen.Kannsein, dassichvolldanebenliege undvielleichtwirklichder TypFraubin,dersichschon beieinemerstenwilden Zungenkussunsterblich verliebt–aberdaswirdsich zeigen. InderTheoriebinichauf jedenFallbereit.Unddie Theoriewirdheuteindie Praxisumgesetztwerden, redeichmirselbstgutzu. Wennichihnheißfinde, werdeichihnmirschnappen. WahrscheinlichhatSabine recht.Manchmalmussman einfachetwastun,allein schon,umdenDingenihren Schreckenzunehmen. Washabeichschonzu verlieren?Moralischbinich aufdereinigermaßen sicherenSeite:Ichbin offiziellgetrennt,nicht anderweitigliiert,Bastianist unverheiratet,hatmeines Wissensnachkeine Freundin,undichbinkeine fünfzehnmehr. IchverlassedasHaus sauberrausgeputztmitnicht ganzsauberenAbsichten.Ich werdeesheutetun,wennmir irgendwiederSinndanach steht!Ichmöchteeinfach auchnicht,dassmich irgendwannderSchlagtrifft undichmichanmeinen letztenSexnichtmalmehr genauerinnernkann. Wirtreffenunsbeim Italiener.Bastianhatmich eingeladenund dementsprechendauchdas Restaurantausgesucht.Esist einkleinerItalienerin Frankfurt.Einhübsches Lokal,nichtzuschick,aber auchkeineNullachtfünfzehn-Pizzeria.Vom Ambienteherperfekt.Kein Angeberschuppen,aberauch keinRestaurantfür Sparbrötchen.Ichhasse geizigeMänner. Ichkommegenausieben Minutenzuspät,obwohlich eineeherpünktlichePerson bin.Essolljanichtso wirken,alskönnteiches kaumabwarten,und außerdemwillich,dasser vormirdaist. Wow,ersiehtimmernoch extremansprechendaus!Und erstrahltmichan. »Schön,dichendlich wiederzusehen!«,sagternur undumarmtmich.Festund lange.Esfühltsichgutan.Er riechtgut.Herb,frisch, anziehend.Ichbinfrohüber meineUnterwäsche! Wirordernbeide Thunfischcarpaccioals Vorspeise,undalsesdarum geht,denHauptgangzu wählen,betontBastian mehrmals,dassernichts Schwereswill:»Dasliegt einemdannzusehrim Magen,undmanistzugar nichtsmehrfähig!«Dabei schautermichlangean. WährenddesEssens berührterunterdemTisch immermalwiedermit seinemFußmeinBein.Ob mitAbsichtodernicht–da binichmirunsicher,aber einesweißichgenau:Es fühltsichgutan. Esscheintallesineine bestimmteRichtungzu laufen,undobwohlmirdas TempoeinwenigAngst macht,binichdochfroh.Ich erwägesogarkurz,meinen Schuhabzustreifenund,wie manesausetlichen Filmszenenkennt,unterdem Tischmitmeinemnackten FußaufEntdeckungsreisezu gehen,trauemichaberdann dochnicht.Beiallmeinen bisherigenÜberlegungen habeicheineKomponente überhauptnicht berücksichtigt:Was,wenner garkeinInteressehat?Das wäreallerdingsschon merkwürdig,oder? Schließlichschicktmandoch einerFraunichtständig irgendwelcheSMS,wenn mannichtsvonihrwill.Oder vielleichtdoch?Füreinen Momentbinichverunsichert, aberBastianistsocharmant, dassichmeineBedenken schnellwiedervergesse. Wirplaudernundlachen viel,ererkundigtsichhöflich nachmeinenProblemen,ich versuchenichtzuviel rumzujammern(istjanicht wirklichsexy)undfrageihn nachseinemLeben.Er erzählt.VonseinenEltern, mitdenenersehrinnigist, vonseinemSport,davonwie erfastprofessioneller Fußballergewordenwäre, undimmerwiederwiller etwasvonmirwissen.Kein Monolog,sondernein Gespräch.Vorbildlich. Natürlichistdaseigentlich selbstverständlich,aberich habejedeMenge Freundinnen,diemirvon grausigenDatesberichtet haben.VonMännern,diesie fastinsKomageredethätten. Gut,beimThemaFußball gehtesaucheinwenigmit ihmdurch.Hoffentlichredet derbeimSexnichtauchüber Fußballoderhat Fanbettwäschemit Eintrachtadler,schießtesmir durchdenKopf. BeimNachtisch,esgibt PannacottamitHimbeermus (köstlich!),istertatsächlich immernochbeiseiner verpasstenFußballkarriere. Hätteersichdamals(bei einemFreundschaftsspiel gegendieOffenbacher KickersinderRegionalliga, das4:2endete)nichtden Meniskusangerissen,dann würdeerheute–aller Wahrscheinlichkeitnach– alsProfikickerarbeiten.Es folgeneineMenge Konjunktive.Wenner damalsdasgemachthätte undnichtdas,undwenndann daspassiertwäre…Ich nickeergriffenundversuche, einbegeistertesGesichtzu machen.Langsamdämmert esmir,warumeinMann,der dermaßengutaussieht,keine Freundinhat.ImZweifelsfall haterdieFrauenschonbeim erstenDateeingeschläfert undsiesindkomplettsediert unterdenTischgerutscht. Vielleichtliegenmanche immernochirgendwoauf einerAufwachstationrum. Dabeifingallesso vielversprechendan!Erist eigentlichimmernochnett undinseinerBegeisterung auchirgendwiesüß–wenn nurdas,waserzuerzählen hat,einenHauch interessanterwäre. ZumGlückmerkteres: »OGott,ichredenurvon mir.Entschuldige,Andrea! EineFraumitFußballzu langweilen,istjawirklichein absolutesNo-Go.Hastdu Lust,nocheinenKaffeezu trinken?Vielleichtbeidir? IchwerdeauchkeinWort mehrüberFußball verlieren!« Jetztbinichwirklichfroh. Dahaterdochnochmaldie Kurvegekriegt.Wärejaauch schadeummeine Unterwäschegewesen. »Gern,aberlieberbeidir. BeimirsindjadieKinder undRudi.Daisteinbisschen viellos,vorallemwennwir esunsgemütlichmachen wollen!«,sageichund versuche,einwenigkokettzu gucken. Gemütlichmachenklingt soharmlos,istaberja eigentlicheinSynonymfür »esmiteinandertreiben«. Erbezahltundgibtein ordentlichesTrinkgeld.Sehr gut.DennkeinTrinkgeldzu geben,wäreseinsofortiges Ausgewesen.Daskannich einfachnichtab.Dahätteich ihnziehenlassen.Nichtdass ichdiegroßeAuswahlhätte, leiderstehendie InteressentennichtSchlange, aberindemFallwäremir dasdannauchegal. Knauserigkeitistfürmich absolutunsexy–dabinich speziell.Jederhatjasoeinen Punkt,andemerbesonders empfindlichist.Beimirist esdasTrinkgeld. »SollenwirmitdeinemAuto fahren?«,fragter,alswirdas Lokalverlassen.Ichüberlege schnell,wannichmeinen WagendasletzteMal durchgesaugthabe,und obwohlichmichnicht erinnernkann,stimmeich trotzdemzu.Bisherhabeich michwirklicheinwandfrei betragen,insofernwird dieserkleineMakeljawohl nichtdirektzumeinem Ausschlussführen. WährendderFahrtwirkter nervös.Unruhig.Ober genausoaufgeregtistwie ich?WirdesauchimBett mitunspassen?Erwohntin einemnetten,lauschigen Stadtteilundverliertkein WortüberdieKrümelauf demBeifahrersitz.Puh!Ich bintotalhibbelig.Gleichist essoweit!Hoffentlichkann ereinigermaßenküssen. Wiejemandküsst,istja aucheinGradmesserfürden Rest.Deshalbistesim Idealfallsicherbesser,schon malzuküssen,bevormandie Wohnungbetritt.Denndann hättemandieChance,immer nocheinigermaßenelegant dieKurvezukratzen,bevor esrichtigunangenehmwird. InseineWohnung mitzukommen,istjaquasi dieEinwilligungzumSex. Natürlichkannmanimmer undjederzeitauchwieder gehen,esgibtjakeinen Freibrief–reintheoretisch. »Wirwohnenim Erdgeschossundhabenauch einenhübschenkleinen Garten«,erzähltBastian, währenderdieHaustür aufschließt.Wir!Washeißt dennhierwir? Redeterjetztvorlauter Begeisterungvonsichselbst imPlural,odersteckthinter demWiretwasanderes?Hat erKinder?Womöglichdoch eineFrau?FrauundKinder? EinenHund?Bevorich nachfragenkann,schließter dieWohnungstüraufund ziehtmichindenFlur. »Kommmit,diewerden sichsehrfreuen!«,redeter aufmichein.Hundund Katze?Odersollichjetzt direktamerstenAbend,vor demerstenKussschondie Kinderkennenlernen?Die Kinder,vonderenExistenz ichgarnichtswusste?Dieer mirbisherverschwiegenhat? SindvielleichtgeradeFerien, undsiesindbeiihmzu Besuch? »Du,esistmirein bisschenpeinlich,aber… Also,deshalbwollteichjazu dir,weil…Ach,scheiß drauf,ichsag’sjetzteinfach: IchwohnezuHause.Meine Elternsindeinfachnichtgern allein,undweilichjasolo bin,alsodadachteichmir, kannichihnenjaden Gefallentun.« ErwohntnochzuHause! KeinWunder,dassermitzu mirkommenwollte. EröffneteineweitereTür, undwirstehenineinem Wohnzimmer.Ineinemsehr altmodischenWohnzimmer. DasErste,wasmirinsAuge sticht,isteinegigantische SchrankwandundAndrea Kiewel.AndreaKiewelim Fernsehen.Siesiehthübsch aus,wieeigentlichimmer. AndreaKiewelimGespräch mitMarkusLanz. AufderCouchihnen gegenübersitzenzweiältere Herrschaften,diesichüber unserKommengarnicht mehreinkriegen.»Ja,Basti, Bub,dasistjaschön!Das mussdieAndreasein,gell!«, begrüßtmicheine grauhaarigeFrauim fliederfarbenenFrotteeHausanzug. Dassindwirklichseine Eltern,dämmertesmir.Der wohnttatsächlichbeiseinen Eltern.DaswarkeinWitz. Dasgibt’sdochnurimFilm! Isthierirgendwoeine versteckteKamera?Istdas irgendeinRTL-2-Format,bei demjetzteineGroßaufnahme meinesentsetztenGesichts zusehenist?DieserMannist Endedreißigundwohntzu Hause!Beide,Mutterund Vater,springenvonder Couchauf,AndreaKiewel hebtimselbenMomentan, MarkusLanzzuerklären, warumesihrbeimZDFso gutgefällt,undichbefinde michineinerkompletten Schockstarre.Wäredasalles nichtsounglaublichpeinlich, könntemanesgeradezu lustigfindenunddarüber lachen. »Vati,holderjungenFrau dochmalwaszutrinken!«, freutsichBastiansMutter undstrecktmirihreHand entgegen.»IchbindieMutti vomBastianundderhier«, siezeigtaufdengroßen hageren,grauhaarigenMann, beidemmansoforterkennt, dasserbestimmtauchmal ähnlichgutaussahwiesein Sohn,»dasistderVati.« »Ja,danngutenAbend allerseits!«,versucheich Haltungzubewahren. Kaumdassichmich versehe,sitzeichaufder hellbraunenAlcantaracouch undhabeeinGlasRotweinin derHand.Eingerahmtvon MuttiundVati. »Ja,dassindmeine Eltern!«,äußertsichnun auchBastian. Ichwürdeihnamliebsten indenFlurzerrenundihm eineschmieren.Wasdenkt dieserMannsich?Hätteer nichtvorher,imLokaloder spätestensimAuto, wenigstensmaleine Andeutungmachenkönnen? Oderhaterdiegemachtund ichhabenurnichtrichtig hingehört?Willderjetzthier nett»Hallo«sagenundmich danninseinem Kinderzimmerordentlich durchvögeln,währendseine ElternMarkusLanzund AndreaKiewelgucken?Wie bizarristdasdenn? »Ja,Mutti,Vati,wirgehen dannmalinmeinZimmer!« »Ach,desistjetztaber schade!«,zeigtsichHerr Reimerseniorenttäuscht. »Stellteuchmalvor,ich habederAndreavonmeiner Fußballkarriereerzählt,und siewillsichauchgerndie Bilderdazuanschauen«,sagt Bastianundzwinkertmirzu. »Deshalbgehenwirrüber, ichwillsieihrzeigen.« Wiederzwinkerter. WelcheBilder?Derhat dochkeinWortvonBildern gesagt,dashätteichdoch mitbekommen.Undichhabe hundertprozentignichtnach Fotobelegenverlangt.Daran könnteichmicherinnern. NurmeineWohlerzogenheit verhindert,dassichlaut aufschreie.Aber wahrscheinlichistesnurein eleganterKniff,umausdem Wohnzimmerzuentkommen. »IchkanndieAlbendoch schnellrüberholen,wir schauendiedochauchso gernan!«MitdiesenWorten erhebtsichVativomSofa undläuftinsKinderzimmer. Bastianzucktnurmitden Schultern.Alben!Plural!Bin ichineinemHorrorfilm gelandet?DieAlbendes Grauens?Beladenmitvier FotoalbenlässtsichVati wiedernebenmichaufdie Couchplumpsen. »Rückmal«,fordertihn Bastianauf,unddannsitze icheingerahmtvonHerrn ReimerseniorundHerrn Reimerjuniornachtsum 23Uhr25aufeiner hässlichenCouchundwerde mirwahrscheinlichdie nächstenhundertStunden furzlangweiligeBilder anschauen.Kickerbildchen. Wehmütigdenkeichan meineUnterwäsche!An meinenTascheninhaltwill icherstgarnichtdenken. »WollenSiedennnoch einenHappenessen?Wir freuenunsso,dassderBasti maljemandenmitnach Hausebringt.Soeinenette Überraschung!Dasmachter jasonstnie.Vati,machmal denFernseheraus,jetztwo diejungeDamehierist!« Obwohlichvehement beteuere,keinenHungerzu haben,tischtFrauReimer gleichordentlichauf. Salzbretzeln,Erdnussflips undkleineFrikadellen. »Mutti,bittelassdasdoch mal!«,geniertsichBastian wenigstens.»Wirwolltenes unseigentlichdrübenbeimir einbisschennettmachen!« AberMuttikannesnicht lassen.»Basti,gönnunsdoch diekleineFreude.Seidoch nichtso!«,weistsieihn liebevollindieSchranken. Wiekommeichausdieser Nummernurjemalswieder raus?Garnicht,wieichsehr schnellmerke.ReimerSenior undseineGattinscheinen extremstolzaufihrenSohn zusein.BastialsBaby,Basti beiderEinschulung,Bastials CowboyundClownan Fasching,Bastibeim Schwimmen,beimPicknick, beimRollschuhlaufen,Basti mitWindpocken.Undzu jedemeinzelnenFotogibtes nocheinekleineGeschichte. SeitBastifünfJahrealtist, spielterFußball,unddie ReimershabenjedenSchuss mitdemFotoapparat festgehalten.Ichsitze eingeklemmtaufeiner Alcantaracouch–»Macht nichts,wennSiekleckern. Daskannmanabwischen. Praktisch,gell?«–und verplemperemeine Lebenszeit!Auchwenn BastianseinenOberschenkel gegenmeinenpresst.Aber dasistselbstmirdochetwas zuwenig. Einmalschaffeiches,zur Toilettezuflüchtenund SabineeineSMSzu schreiben.Holmichhier raus!Rufmichinzehn Minutenanunderzähl irgendwasmitdenKindern! Sag,dassichschnellkommen muss!Natürlichkönnteich dasauchalleinerledigen, aberdieElternReimerssind soenthusiastisch,dassiches einfachnichtübersHerz bringe,ihnendieFreudezu nehmen.Sowirdeswohl auchBastiangehen,denke ich.Sabinesimsteinkurzes »Machich!Dafüraberspäter detailliertenBericht!« zurück. BeruhigtundimWissen, dassesgleichvorbeisein wird,setzeichmichwieder aufsSofa.Normalerweiseist Sabineeinezuverlässige Person,warumsiemichaber ausgerechnetjetzt hängenlässt,weißichnicht. EsvergehenzehnMinuten, nocheineweiterehalbe Stunde,undestutsichnichts. Ichentschuldigemich erneutundflieheeinweiteres MalinsBad.Neun unbeantworteteAnrufeund dreiSMSvonSabine!Die letzteSMSvonSabineist fastpanisch:Wobistdu,ist waspassiert?Isterein Perverser?Sollichdie Polizeirufen?Kommen? IchdoofeKuhhatte,weil ichbeimWiedereinstiegin meinrasantesSexlebennicht gestörtwerdenwollte,das Handyauflautlosgestellt. IchleisteinGedanken AbbittebeiSabineund schickeihreinekurzeSMS, umklarzustellen,dassich nichtindieFängeeines Wahnsinnigengeratenbin. Wassojaeigentlichnicht ganzstimmt.Bastianistauf seineArtbestimmt wahnsinnig–womöglich einfachnurwahnsinniglieb. ErmagseineElternganz offensichtlichsehr,undich habedenEindruck,esgeht ihmwirklichdarum,sie niemalszuenttäuschen.Er hatseineigenesWohldem seinerElternuntergeordnet. Dasistheroischund lobenswert.Aberleiderhater damitauchmeinWohlallem anderenuntergeordnet.Und dasgehtgarnicht! Alsichzurückins Wohnzimmerkomme,wirkt FrauReimerbesorgt.»Soll ichIhneneinenkleinen Blasenteemachen?Desistja nichtnormal,sozweimal kurzhintereinander.Damuss manfrühzeitigschauen,dass sichdanichtsfestsetzt.Ich kennedasvonmir.Wenndas dieHarnleiterangreift,wird esernst.DieNierchenwollen gespültwerden«,bemerktsie freundlich.Ichlehnehöflich dankendabundteileden Reimersmit,dassesfür michjetztwirklichZeitwird zugehen.»Ichmussja morgenfrührauswegender Kinderundso«,entschuldige ichmich. »DiebestenBilder kommennoch!«,zeigtsich Bastianenttäuscht.»Wir könnendiebeimirim Zimmeranschauen,meine Elternmüssenehgleichins Bett!« DiebestenBilderwaren leidernurinmeinemKopf, denkeich. »Dukannstihrjaalles beimnächstenMalzeigen,da richteicheinpaarHäppchen, undwirmachenesuns gemütlich«,schlägtFrau Reimervor. WoumallesinderWelt binichhiergelandet?Noch zweigemeinsame Couchabende,unddiewollen michadoptieren!Odersie sperrenmichindenKeller, kettenmichdortfestund zwingenmich,Fotoalben anzuschauen. »AberichlassSienicht gehen,bevorSiemirnicht einsversprechen«,redet BastiansMutterweiterauf michein. Ichmöchtejetztwirklich nurnochweg.Soetwaskann echtnurmirpassieren.Ein Date,dasimelterlichen Wohnzimmerendet.Man kannsichauchanders demütigenlassen! »Wirhabenineinpaar Wochenunsergroßes Schrebergartenfest.Da müssenSiekommen,Andrea, mitdenKindern.Dasist immersooherrlich.Das müssenSiemirjetztundhier versprechen!Unddann, Basti,bringstdudiejunge Frauheim,gell!«Frau ReimerhältihremSohndie Jackehin. DiejungeFrau–so genanntzuwerden,istfür michdasabsoluteHighlight desAbends–würdejetztund hierallesversprechen,nur umaufkeinenFallnochein einzigesFotoanschauenzu müssen.Ichsagedeshalbzu, undFrauReimergerätfastin Ekstase. »DerBastiwirdSienoch malerinnern.Siewerdenes bestimmtnichtbereuen!Es istimmerwieder wunderschön.Jederbringt wasmit,undwirschwätzen undgrillen.Ach,eswäre nett,wennSieeinenKuchen mitbringen!Siesindjaauch eineMutti,dakönnenSie sicherbacken!« Ichnickeunddarfdann tatsächlichgehen.Bastian bringtmichzurTürundwill schnellausdenHausschuhen schlüpfen,ummicheben zumAutozubegleiten.Ich lehneab:»Nichtnötig.Bleib malruhighier!« AufeinenschnellenKuss amAuto,währendseine ElternhinterderGardine rauslinsen,kannichjetzt auchgutverzichten.Ichwill nurnochnachHause! Sabine,dieichsofortanrufe, alsichumdienächsteEcke biege,istentgeistert.»Was hastdudenndagemacht? Wiekannsowaspassieren? WashastdudennfürSignale gesendet?« Jetztbinichauchnoch selbstschuldanmeinem Elend.Ichbinsicheran vielemschuld,aberdassich Signaleaussende,dienach Alcantaracouch,Mutti,Vati undFotoalbenverlangen,das glaubeichdanndochnicht. »Warumwusstestdudenn nicht,dassdernochzuHause wohnt?«,fragtauchnoch. Kichernd.WoherimHimmel hätteichdaswissenkönnen? WelcherMannlebtindiesem AlternochzuHause?Ich kennekeinestatistischen Zahlen,aberichwäreauch niemalsaufeinesolcheIdee gekommen.Mussman heutzutageerwachsene Menschenfragen,obsie eventuellnochbeiMutti leben? »JadannvielSpaßbeider Schrebergartenparty!«,lacht Sabineundfügthinzu:»Gut, dassduKondome mithattest!« Ha,ha,ha,wirklichwitzig. Dasalsowarmein umwerfendesDatemit BastianReimer.Danachhat ernochzweiSMS geschrieben:Estutmirleid, ichhatteganzanderePläne, abermeineElternhabensich sosehrgefreut.Trotzdem dankefürdennettenAbend! undjetztvorgesternDenkst duandieLaubenpartybei meinenElternundden Kuchen?KäseoderObst wäregut.15.00Uhrgeht’s los,meineElternfreuensich! Ichauch!Ichholeeuch 14.25Uhrab! Deshalbgeheichheute Nachmittagaufeine Laubenparty.Mitmeinen Kindern,diesichfastnoch mehrdrauffreuenalsich. MarkistdenganzenTag schonschrägdrauf.Er kichertdieganzeZeitblöde rum,undalles,wasihn interessiert,ist,obesda genugzuessengibt.»Sonst habichkeinenBock!« Claudia,wahrscheinlich unterdenTop10aufder allgemeinenJugendSpießerinnen-Listefindet Laubenpartystatsächlich spießig,irgendwie kleinbürgerlich,undbesteht darauf,dassauchihrGustav Johannesmitkommt.Die beidensindkurzdavor, aneinanderfestzuwachsen. »Woerist,willichauch sein,undgenausogehtes ihmauch!« Mancheinerfindetdasmit Sicherheitausgesprochen romantisch,ichfindees beängstigend.Dasganze Getuekommtmirvorwie auseinemHedwig-CourthsMahler-Roman. »Wieistdennder Dresscode?«,willsienoch wissen. »EsisteinFestim Schrebergarten,Claudia,kein Cocktailempfangbeider Queen!Ziehan,wasdu willst.« »DiepassendeKleidungist wichtiger,alsdudenkst!«, knurrtsiemirhinterher. »Stattaufmirrumzuhacken, solltestdudichliebermal umdeinenSohnkümmern!« WiemeintFrauvonundzu dasdennjetzt? Alsichnachfrage,zuckt siemitdenAchselnundsagt nur:»Ichbindochkeine Petze!« Rudi,derEinzige,deran sichaltersmäßigpassendfür eineSchrebergartenparty wäre,hatwederLustnoch Zeitmitzukommen.»Die IreneschautheutMittag vorbei,unddanutzemerdie Schans,wennihrallefort seid,unmacheesunshier einbisschenett!« Nachunserem morgendlichenGespräch möchteichgarnichtso genauwissen,wasein »bisschenettmache«heißt. Bastianstehtpünktlichvor derTür.Diesmalhabeich denAufwandrundums persönlicheRausputzen kleingehalten.Meine Ambitionen,wasBastian angeht,sinderledigt.Selbst wennerheutenochvonzu Hauseausziehenwürde. DiesereineAbendhatmein vielversprechendesBildvon ihmkomplettruiniert.Den könnteichnieausmeinem Kopfkriegen.Die Alcantaracouch,die Fotoalbenunddiekleinen Salzbretzeln.Dasallesist mitheißemSexnicht kompatibel.Dagibtesleider keinezweiteChance.Ein netterMannisteinefeine Sache–undichgehörenicht zudenFrauen,dienett langweiligfinden,aberumes maldrastischauszudrücken: EierinderHosehätteich dochauchgern. Ichhabetatsächlichnoch einenKuchengebacken. Versprochenistversprochen, auchwennesein Versprechenwar,dasineiner ArtZwangslagegegeben wurde.BastiansMutterkann janichtsfürdieganze Misere.Obwohl,wenniches mirrechtüberlege, wahrscheinlichdoch.Ich würdemeinenSohn rausschmeißen,damiter anfängt,seineigenesLeben zuleben.MeineGüte, irgendwannziehtdernoch mitseinenElternindie Seniorenwohnanlage!Obdas schonmalvorgekommenist? WirfahreneinehalbeStunde langrausinRichtungBad Vilbel.DerSchrebergarten liegtamLohrberg. »Wirsindfrüherimmerda gewesen,wenndasWetter einigermaßenwar!Wir habenherrlicheRosen,sogar preisgekrönteRosen,Obst undGemüse,alles selbstgezogen,Gurken, Zucchini,Tomaten,Bohnen, Salat,auchEisbergsalat. Sollteesunsmal schlechtgehen,könntenwir unsvonunsererErnteeine ganzeWeileernähren.« MeinSohnkichert.Alles, wasmitEssenzutunhat, interessiertihn.Aberwas daranjetztsolustigseinsoll, kannichnichterkennen. MeineTochtergähnt,und GustavJohanneslächelt gequält.Ichversucheein wenigKonversationzu machen.Mansollte versuchen,allemdochnoch etwasErfreuliches abzugewinnen. »WievieleLeutekommen denn?«,willichvonBastian wissen. »AllunsereNachbarn,ihr undzweialteKumpelsvom FußballmitihrenFamilien. MeineTanteGerdaund Frieder,derVorsitzendevom Laubenverein.Undder kommtnichtaufjedes Fest!«,stellterstolzfest. Soweitistesalsomitmir gekommen!Ichgeheauf Schrebergartenpartys!Ja,ich bineinechtwildesDing! DerSchrebergartenist picobello.Einwahrer Vorzeigeschrebergarten. BastiansMutterumarmt michwieeineverlorene Tochter. »DassSieandenKuchen gedachthaben,istwirklichso lieb.IchhabdemBasti gleichgesagt,dasisteine Frau,beidermusstduam Ballbleiben!« »DerBallistschonsowas vonimAbseits«,willich antworten,sagestattdessen aberbrav:»Wardocheine KleinigkeitmitdemKuchen. Habichgerngemacht.Danke fürdieEinladung.« ClaudiaundGustav Johannessagenartig»Guten Tag«.Wohlerzogenister,der kleine Einstecktuchträgerfreund meinerTochter,dasmuss manihmlassen.Innerhalb vonwenigenMinutenwerden wirallenAnwesenden präsentiert.»Dasisteine FreundinvomBasti«,werde ichvorgestellt.Ichhabedas Gefühl,soeinengewissen Untertonraushörenzu können.SiehatdasWort »eine«irgendwieso merkwürdigbetont. DieGästesindimSchnitt umdiesiebzig.Rüstige, fideleRentner.Bisaufeinen –derstehtmitnacktem Oberkörper,einerShortsund gelbenCrocs,diesen Gummischlappen,amGrill. EinrichtigerProll,schießtes mirdurchdenKopf. Eigentlichganz gutaussehend,aberein bisschenzuhaarigundein bisschenzunackig.Obwohl seinOberkörperdurchaus einenBlickwertist. Vorebendiesem GrillmeisterstehtmeinSohn undhateinenTellerinder Hand.AufdemTellertürmt sichdasFleisch.Erhatnoch keinemhallogesagt,aber schonPortionenaufgetürmt, alshätteereine14-tägige Fastenkurhintersich.Seit WochenschaufeltderEssen insichrein,dasseinemangst undbangewird. Ichnäheremichdem GrillkerlundmeinemSohn: »Sagmal,Mark,geht’s noch?Hastdueinen Bandwurm,oderwassolldas daaufdeinemTeller?« MeinSohnlacht.Erlacht undlacht.Dasistnunauch merkwürdig.Seitwannlacht derübermeineWitze?Das istfastschonbedenklicher alsdieseEssensbergeauf seinemPappteller. »Bevorduhierallenalles wegfrisst,könntestdu wenigstensgutenTag sagen!«,versucheichzu retten,waszurettenist.Ich kanndasFleischjaschlecht wiedervomTellernehmen undaufdenGrill zurücklegen. »Tag«,sagtmeinSohnund kichertschonwieder, währendersichnochein Rostbratwürstchenaufden Tellerlegt.Auchichbegrüße denGrillmeister. »Paul.Hallo,nett,Siezu treffen!«,antworteter.Erhat eineangenehmeStimmeder MisterFreierOberkörper. »IchhabeinenGartengleich nebenan.DieReimerskenn ichschonewig.WollenSie aucheinWürstchen,bevor derjungeMannhieralles verputzthat?« MeinSohnlachtzur Abwechslungschonwieder. »DerjungeMannsetzt sichjetztsofortdavornean einenTischundgibtmir sichergerneeinsvonseinen Würstchenab!«,ermahneich meinenSohn.Derwirktjaso, alshätteernichtalleTassen imSchrank!Fressenund kichern.Wasistbloßin meineKindergefahren? Ichweiß,dasswährendder PubertätimGehirn gravierendeDingepassieren, großeUmstrukturierungen, aberbeiMarkmachtesja denEindruck,alswäreerauf denStandeinesVierjährigen zurückgefallen.Eines allenfallsdurchschnittlichen Vierjährigen.Marktrolltsich RichtungTisch,undder Grillmanngrinstundmeint: »Boah,istderbreit.Mein lieberScholli.« Washatderdagerade gesagt?Breit?Meintderjetzt breitwiefettoderbreitwie voll? »HabenSieübermeinen Sohngesprochen?«,frageich einwenigspitznach. »Ach,dasistIhrSohn!«, bekommeichzurAntwort. »DasolltenSievielleichtmal genauerhinsehen!« ErstdieBemerkung meinerTochterundjetztdas. Ichlassemirin Erziehungsdingennicht wirklichgerneetwas vorschreiben.Vorallem nichtvonfremdenMännern, diehalbnacktaneinemGrill stehenundderen Kernkompetenzsichim Würstchenwendenerschöpft. »VielleichtsolltenSiesich lieberumIhreWürstchen kümmern!«,reagiereich leichtpatzig.Wasfürein Idiot.Ichhabejaauchnicht zurBegrüßunggesagt: »ZiehenSiesicherstmalwas überIhrBrustfell!« EinTyp,dersoaufeiner Gartenpartyerscheint,sollte denBalllieberflachhalten. OhneWürstchenwendeich michabundsetzemich nebenmeinen Allesfressersohn.Erhatsich nocheinenzweiten Papptellergeholt,darauf Kartoffel-,Nudel-und Gurkensalatgetürmtundein Stückvonmeinem Käsekuchen. »BistdueineArt menschlicherCockerspaniel, einWesenohne Essbremse?«,versucheich witzigzusein.MeinSohn lacht.Heutekannich wirklichmitjedemnochso kleinenScherzpunkten. Seltsam,seltsam.Eswird höchsteZeitfüreinMutterSohn-Gespräch,abernicht hierundnichtheute. »IchbinderFriedervom Laubenvorstand,der PräsidentvomGanzen,um genauzusein!«Mitdiesen Wortenreichtmireinkleines Männchen,dasmir gegenüberaufderBanksitzt, seineHand.Einkleinesaltes Männchenmiteinersehr verbranntenGlatze.Ichhabe sofortdenImpulszusagen, ersollebitteeineMütze aufsetzenundüberhauptnur nochmitSunblockerausdem Hausgehen.Dasaufseinem Kopfsiehtnichtgutaus.Das schreitnacheinem Dermatologen. DasMuttiseinkannman ebennurschwerablegen. »Und?KeinWürstchen beimFuß-Paulegeholt?Das werdenSiebereuen.Der PauleistderbesteGriller überhaupt!«,redetFrieder aufmichein. Fuß-Paule?Istderetwa auchKicker?Undsoein Kicker-Paulewillmirwas übermeinenSohnerzählen? »Wasmachtdennder Paul?Wiesoheißtderdenn Fuß-Paule?«,frageich meinenneuenkleinenFreund mitderLeuchtglatze. »Sogenaukannichdasgar nichtsagen,dashatnen kompliziertenNamen, Pädo…,Pado…,Podo…, Podologieoderso.Also Schwerpunktberuflichsind aufjedenFallFüße.Der Pauleredetnetvieldrüber.« Podologie?Dashabeich schonmalgehört,waswar dasnochbloß?»Fußpflege! MeinenSievielleicht Fußpflege,medizinische Fußpflege?«,erkundigeich michbeiFrieder. »Ja,ichdenke,desistes, eswarwasmitPundFüßen«, nickter.»SindSiedievom Basti,dieNeue?«,leiteterzu einemanderenThemaüber. Ichbekommeeinenroten Kopf,undmeinSohnlacht zurAbwechslungmalwieder, diesmalfastschon hysterisch.»Also,dasist völligfalsch!«,stammleich verlegen,»damüssenSie michverwechseln!« »Siemüssennichtssagen. DieLotte,alsodieFrau Reimer,hatschongesagt, mersollenesnicht ansprechen,eswärnochen zartesPflänzchen.Undmit Pflänzchen«,ergrinst süffisant,»dakennemiruns hierjaaus.« »Ichglaube,dahandeltes sichumeinenIrrtum!«,lege ichnochmalnach.Aberam Gesichtvom Laubengartenvorstandsglatzko kannicherkennen,dassihn dasnuramüsiert.»Netso schüchtern!«,grinster. Ichschnappemirein WürstchenvomTeller meinesSohnes,derein Gesichtmacht,alswürdeer michgleichanknurren.Wie einDobermann,demmanan denNapfgeht! »DerBubhataberganz ordentlichAppetit!«, bemerktderLaubenvorstand. »Kriegtderdaheimnichtszu essen?« Jetztlangtesmiraber langsam.Vielleichtsollteich eineUmfragestartenund herausfinden,wersichnoch alleszumeinemSohnund meinenErziehungsmethoden äußernmöchte. »IndemAlteristman hungrig,dawächstmannoch, fallsSiesicherinnern!«, antworteicheinwenig pampig.Wahrscheinlich kannersichnichterinnern, dennseineWachstumsphase waraugenscheinlichnicht sehrlang. Ichbinkaumeinehalbe Stundehier,undesreichtmir schon.Dazukommtein weiteres,klitzekleines Problem,dasmeineLaune auchnichtgeradehebt.Ich warte.SeitTagenschon.Auf eineSMS.OdereineMail. OdereinenAnruf.Auf irgendeinZeichen.Ichstarre fastsohäufigaufmein Handywieeine14-Jährige– nurdassichversuche,es heimlichzumachen,weilich dochgenaudiesesVerhalten meinenKindernständig vorwerfe.Undschuldan meinerneuenManiesindin ersterLiniezwei Kolleginnen. LetzteWochewarichmit SilkeundGesa,diebeidemit mirinderAgenturarbeiten, abendsaus. »Dumusstauchmal ausgehen!Duwirstjanoch zumtotalenMuttertier!«, habendiebeidenentschieden undmichüberredet,mit ihneninsNachtleben einzutauchen.»Dubistdoch jetztSingle.Willstdu daheimvertrocknenoder langfristigmitdeinem Schwiegervateranbändeln? AndereMännersiehstduja sonstkeinemehr!« Insgeheimwäreichbei diesen Auswahlmöglichkeitendann dochfürsVertrocknen. »WirgeheninsKinka,ist eincoolerClub,trinkenein paarHugos,unddannsehen wirweiter!«,lautetihrPlan. DasNachtlebenunddie ClubsdergroßenStadtsind schonlangenichtmehrdas, wasmanmeinennatürlichen Lebensraumnennt.Ich glaube,dasletzteMal,alsich ineinemClubwar,warzu derZeit,alsmannoch rauchendurfte!Ichhabe trotzdemnacheinigem Zögerneingewilligt,schon weilichkeineLustauf Diskussionenhatte.Manwill janichtalsältliche Spaßbremsegelten:»Klar, geheichmit!« Wassoll’s.Anstattzu Hauserumzuhängenund michdortzulangweilen, kannichdasjaauchineinem Clubtun.Außerdem:Nach meinemBastian-Date-Fiasko sollteichvielleichtmalwas Neuesprobieren.Einen anderenAnsatz.Bin gespannt,obsiemich überhauptreinlassenin meinemAlter.Dassman über18seinmuss,um reinzukommen,weißich, aberobesauchnachobenein Limitgibt?Über40–nein danke?Mussichmir eventuelldenödenJugend- Witzklassiker,»Kommendie schonzumSterbenhierher«, anhören?SilkeundGesasind fastzehnJahrejüngeralsich. DasmachtinunseremAlter einigesaus.MitEndedreißig istmanimbesten Erwachsenenalter.Noch frisch,vermittelbarund fruchtbar.Dannkipptalles. MitEndevierzigistmander Pensionierungnäheralsdem Abitur,manistknitterigerals einchinesischerFaltenhund undfühltsichschonmal häufigerreichlichwelk. Innenwieaußen. DasSchlimmstewäre, jemandenausClaudias Klassezutreffen,allerdings wenigerfürmichalsfür Claudia.Ichkannmirihr Gott-wie-peinlich-Gesicht lebhaftvorstellen.Alleindas wäredenAusflugeigentlich wert! Ichwerdezwei,drei Stündchenbleiben,umzu beweisen,dassichdurchaus Unterhaltungsbereitschaft habe,unddannschönnach Hausefahren,beschließeich. Eskommtundendet anders.Ichbleibesieben Stundenunderinneremich nurnochdunkeldaran,dass ichirgendwannnachts,so gegenhalbvier,einganz kleinweniggeknutschthabe. MiteinemTypennamens Rakete.Sojedenfallsnennen ihnSilkeundGesa.Sogar miteinergewissenEhrfurcht inderStimme.Wieichvor demClubineiner HofeinfahrtundmeineZunge imRachenvonRakete gelandetsind,weißichnicht mehr.Dasistpeinlich,so vielimmerhinistsicher. AberSilkeundGesahaben mirständigneueDrinksin dieHandgedrückt,und natürlichhätteichneinsagen können…»Hättesagen können«–dassagtschon alles.DerKonjunktivundich sinddickeKumpels.In vielenLebenslagen.Ichhätte dasBrotnichtessenmüssen, ichhättemehrSportmachen können–ichhätte,ichsollte, ichkönnte… Irgendwann,imLaufedes Abends,hattensiemir,sohat esmirjedenfallsGesaam übernächstenTaginder Agenturerzählt,Rakete vorgestellt.Raketeist Makler,irreerfolgreichmit ImmobilienundmitFrauen undsehrbegehrt–hat jedenfallsGesabehauptet. »Derwarirgendwie, warumauchimmer,andir interessiert!«,hatSilke gegrinst.Ichbinmirnicht sicher,obdieserSatz wirklichnettgemeintist.Der Warum-auch-immer-Teil störtmich.»Sonsthatder völligandereFrauen! Vielleichtziehtesihn neuerdingseherzuden mütterlichenTypen!«,hatsie nochhinzugefügt. Ichweiß,dassichMitte vierzigbin,naja,eherEnde –abereinmütterlicherTyp? Istmannur,weilmanKinder hat,einmütterlicherTyp? MachteinendasMuttersein automatischdazu?Istdas womöglicheine Beleidigung?Nachsexy klingtesjedenfallsnicht. Nachaufregendauchnicht. Nachbegehrenswertauch nicht,außerfürMännermit einemausgeprägten Mutterkomplex.Mütterlicher Typhörtsichnach gemütlich,liebevoll, umsorgend,einfachnach Kümmernan!NachGulasch undEintopfundnichtnach SushiundSashimi.Obdas eineQualitätist,dieUnter80-JährigeohneRollator überhauptzuschätzen wissen?Dieimnächtlichen ClublebenvonVorteilist? BeiderMännerakquisean sich? Liegtesanmeiner Aufmachung?Oderrieche ichschonnachMutti? Dünstetmandasaus?Wie riechenMuttis?Nach Rostbratwurstund Kartoffelbrei,nachfrischer Wäsche,nachPutzmittel, nachBabysabberund Möhrchenoderschlichtnach Langeweile?Wieriechtdenn Langeweile?NachStaubund altemMuff?Moderigund abgestanden?Hinterlässt jahrelangesZieh-dir-eineMütze-auf,Mach-dieHausaufgaben,Geh-nochmal-aufs-Klo,Putz-dir-dieZähne,Bedank-dichseine Spuren?Ichhabwirklich keineAhnung. Ichwarokayangezogen– vielleichtnicht100Prozent trendy–aberauchnicht muttimäßig–immerhinhatte ichmeinehohenPeeptoesan unddazueineDesignerjeans. Gerochenhabeichgut.Da binichmirabsolutsicher. Undmalehrlich:Ichahne, warumRaketesich ausgerechnetmitmir abgegebenhat.Ein uncharmanterAusdruck übrigens:Sichmitjemandem abgeben.Daschwingtwas Überheblichesmit.EineArt zwischenmenschliches Gefälle.Ichweißnämlich noch,dasswirkurzüber Fußballgesprochenhaben– scheintzumeinemneuen Lieblingsthemazu avancieren.Ichhabeein bisschendamitangegeben, dasswireinenKundeninder Agenturhaben,derKarten fürdasangesagteund eigentlichschontotal ausverkaufteChampionsLeague-Final-SpielBayern gegenDortmundbesorgen kann.Daswardaseigentlich Erregendeanmir!Potentielle Finalkartenscheineneiniges anMutti-Muff wettzumachen. Ichglaubesogar,wederGesa nochSilkehabendas,wassie mirdasonebenbeianden Kopfgeworfenhaben, irgendwiebösegemeint.Ihre zehnJahrewenigerundihr StatusalsSinglefrauen führenhaltzudieser Sichtweise:WerKinderhat, istentwedereineMuttioder SylvievanderVaart. Dabeibeneidetmich zumindestGesaangeblich. »IchhättegerneKinder.Aber wiesolldasjetztnoch klappen?Wosollichso schnelleinenMann herkriegenundvorallem einen,derauchKinderwill? Damussmanjaerstmal’ne Beziehungaufbauen,und dannbinichschonvierzig unddannwirdesechtknapp, unddiemeistenMänner riechendiesesTicktackder biologischenUhrauf HundertenvonMeternund machensofortdieBiege!« Sooderso–irgendwie habeichjedenfallsdiesen Raketekennengelernt. Rakete,vondemich,seitich seineVisitenkarteinmeiner Hosentaschegefundenhabe, weiß,dasserTomKurz heißt.DieKarteistmiram nächstenMorgenindie Händegefallen,alsichmeine JeansindieWaschmaschine stopfenwollteund automatisch–jaichweiß, auchdaseineindeutiges Mutti-Verhalten–noch vorhereineTaschenkontrolle durchgeführthabe. AufderVorderseiteder Kartesteht:Wantmore? Genauso–mitFragezeichen. AufderRückseitesein Name,seineHandynummer undseineE-Mail-Adresse. Beziehtsichdas»Want more?«aufseineImmobilien oderaufihnselbst?Undwie istdieseKartebloßinmeine Jeansgekommen? Wahrscheinlichgenausowie seineZungeinmeinenHals. Ichmeinemichsehrdunkel zuentsinnen,dassermir, nachdemichseineHändevon meinenBrüstengezogen habe,dieKarteindieHand gedrückthat.Dannister gegangen.Sehrgelassenund souverän.Undichhabemit meinembedüdeltenKopfnur gedacht:Wenndersichjetzt umdreht,istdaseinZeichen, dassdarausirgendwienoch mehrwird.IchliebeZeichen. IchbineineMeisterinim Zeichendeuten. Erhatsichumgedreht. Jedenfallsinmeiner nebulösenErinnerung. Wantmore?Willichmehr? Daichmichgarnichtmehr sogenauerinnere,wiedas mitdemKüsseneigentlich war,binichmirauchnicht wirklichsicher.Aberichbin, ehrlichgesagt, geschmeichelt.Immerhin wirdderMannRakete genannt,underhatsichvon alldenFrauenimClubmich rausgepickt.AuchimBüro habeichsowaswie Anerkennungund Bewunderunggespürt–wenn auchgepaartmitgroßem Erstaunen.Aberebenauch Anerkennung.Raketescheint einabsolutesObjektder Begierdezusein.Soforthabe ichaucheinbisschen angegebenunddasmitden Champions-League-Karten unerwähntgelassen. »Erwillmichunbedingt wiedersehen!«,habeich dreistbehauptet.Dashater jetztsoniemalsgesagt,daran würdeichmichsicherlich erinnern,aberimmerhinhat ermirseineKartegegeben. Insgeheimwahrscheinlich, umdafürandereKartenzu ergattern.Abereine Visitenkarteüberreichtzu bekommenheißtjaübersetzt: »Meldedich.«Vielleicht gehörtesaberauchnurzu seinemStandardprogramm: Knutschen,Händeausfahren undsehen,wasgeht–dann, beiSpielstopp,Kartefürdie Fortsetzung. Ichwarkurzdavor,ihn gleich,nochvorder Waschmaschinekniend, anzurufen.AbersoeinAnruf hatseineTücken.Wassoll ichschonsagen?Sowaswie: »Erinnerstdudich?Also,ich bindie,diedugesternNacht umhalbvierindiesem Hinterhofabgeknutscht hast.«EineSMSistda unverfänglicher,habeichmir überlegt.Beiläufigerundvor allemplanbarer.DenRest desTageshabeichimKopf SMS-Texteentworfen. Essolllocker, unverbindlich,aberauch saucoolundaufkeinenFall aufdringlichklingen.Hi, allesklar?–meinerster Einfallisteinbisschenzu doofundnichtssagend. AußerdemhabeichAngst, dasserkeinenSchimmerhat, werihmdaschreibt.Ein dezenterHinweisaufdie KüssereiunddenAbend erscheinenmirdeswegen schonangebracht.Wennder soeinMega-Fangist, bekommterbestimmt häufigermaleineSMS,und daisteinekleine Absenderinformation vielleichtganznützlich.Man willjanichtinderMasse untergehen.Währendichdie perfekteSMSplane,ziehe ichsovielInformationenwie möglichüberRaketeein. »Naja,denSpitznamen hatervoneinerTussi,mit derermalwashatte.Muss sichwohlirgendwieaufseine FähigkeitenimBett beziehen!Manmunkeltdaso einiges!«,hatmirGesa verraten. »EristeinerderTopMaklerausdemRhein-MainGebiet,hateinenfetten Porsche,deraberauch geleastseinkönnte,undich meine,duhastihnja gesehen,ersiehtHammer aus«,fügtSilkenochhinzu. Ersahgutaus,dasstimmt. Füreinegenauere Beschreibungwürdemeine Erinnerungallerdingsnicht mehrausreichen.Größerals ich,Lederjacke,Jeansund Dreitagebart–wofürmein KinnderbesteBeweisist. Ichseheaus,alswäreichmit demKinneinmalquerüber denAsphaltgeschubbert. Allesrotundwund.Hatteich früher,inmeinen Anfangsknutschjahren,auch manchmal.MeinKinn scheintdasKüssennicht mehrgewohntzusein.Als michmeineTochtergefragt hat,wasdapassiertsei,habe ichbehauptet,ichhätteeine neueEnthaarungscreme draufgeschmiertundwäre anscheinendallergisch.Sie hatessofortgeglaubt, wahrscheinlichweilsiesich nichtmalinihrenkühnsten Träumenvorstellenkann, dassihreMutter rumknutscht.Mütterhaben etwasAsexuelles.Undallein dieVorstellung,dassmanals FrauamKinnHaare bekommenkann,hatsie schongenugirritiertund auchleichtgeekelt.Ichhabe nurgedacht:Wartab,duhast meineGene… Ichhabemeineteuerste Gesichtscreme zentimeterdickaufsKinn geklatschtundwegender SMSdreiFreundinnenum Ratgefragt.Sabine,die direktesteundoffensivste vonallen,plädiertefür folgendeVariante:»Iwant more.Küssenwargut–der Restwirdsichzeigen,aber wann?«Aberdasistmir,bei allerOffenheit,dochzuplatt. Dakönnteichjaauch schreiben:Fickmich,aber bittezeitnah. Heike,meine Lesbenfreundin,schlägtvor: »LieberTom,würdegerne meineErinnerung auffrischen!Wennesdir genausogeht,meldedich!« Ichfinde,dashörtsichein bisschensoan,alswäreich hackedichtgewesen. Erinnerungauffrischen?Ich warhackedicht,keineFrage, abermanmussesjanicht selbstnochmalerwähnen. Tamara,meineNachbarin, derichallerdingsnichtganz dieWahrheitgesagthabe, sondernsogetanhabe,als gingeesumeinenkleinen WerbespotfürdieAgentur, hatkurznachgedachtundmir dannihrErgebnispräsentiert: »GeradedeineKarte gefunden,Appetit bekommen,wirsolltenuns wiedersehen–oder…?!« DashatmichinderKürze undPrägnanzüberzeugt.Vor allemmangelsAlternativen. EsisteinenHauchschlüpfrig undtrotzdemeinwenig dezenteralsdieSabine- Variante.Außerdemstecktin dem»wirsolltenuns wiedersehen«ehereine Feststellung.BeiHeikeklang eszusehrnach»Bittemelde dich!«AlsBittstellerinwill ichjanichtauftreten–das wärejaso,alshätteiches nötig.Habeichauch,aber dasmusserjanichtwissen. Ineinemwarensich allerdingsalledreieinig:Auf keinenFallsofortschreiben. Mindestenszwei,besserdrei Tageverstreichenlassen. Sonstsiehtessoaus,als wäreesdringendundman hättenurdieseeineOption. Genausohabeichesdann auchgemacht.ZweiTage gewartetunddannamdritten TagdenTamara-Text abgeschickt.Seitdemwarte ichwieder–unddasnun schonvierTagelang! Würdemirjemandeinen solchenTextsimsen,würde ichumgehendantworten. Rakete–alsoTomscheint anderszuticken.Oder vielleichtfragter,genauwie ich,seineFreunde,unddie beratenseitTagenüberdie richtigeAntwort.Eher unwahrscheinlich.Eristein Mann.Ichglaube,Männer machensowasnicht.Oderer hältsichauchanirgendeine ominöseSMS-Verschickfrist. Egalwie,esistnervig.Ich fühlemichklein.Habeich michvielleichtdochzuweit ausdemFenstergelehnt?Ich wargesternschonkurz davor,abendsindenClubzu fahrenundHerrnRakete persönlichzufragen,ober seinVerhaltenhöflichfindet. »UmsHöflichseingeht’s dabeinicht,derlässtdich zappeln!«,behauptetSabine. »Dasmusstduaushalten. EinfachRuhebewahren!So istdasSpiel!AufkeinenFall nachhaken!« Undsiescheintrechtzu haben.Jetztsitzeichhierund zapple.Wasnatürlich lächerlichist.Ichweißdoch garnichtmehr,fürwen genauichdazapple.Esgeht eigentlichauchnichtumden Mann,denichjanichtmal kenne,sondernumsPrinzip. UmSelbstachtungund Bestätigung.Einbisschen Egobalsam.Wasfürein beschissenesSpiel! »Wardochnetbös gemeint!«,sagtdader Laubenfrieder.»DerBub kannselbstverständlichso vielessen,wieerwill.« Ichlasseunauffälligmein Handyverschwinden,vom ewigenDraufstarrenwird sowiesokeineSMSkommen, undversucheversöhnlichzu schauen. »Darfichmichzueuch setzen?«,fragtdaHerr Nackig,dersichimmerhin zumEsseneinT-Shirt übergezogenhat.Einen HauchvonBenehmenscheint eralsozuhaben.Fuß-Paule. EinMann,derFußpflegerist. EineseltsameBerufswahl. Wiekommtmanbloßauf einesolcheIdee?Aber freundlichister.Plaudert nettmitdemVorstandund versucht,Markundmich immereinzubeziehen.Es gehtumsGärtnern.Nicht direktmeinLieblingsthema. Ichhabekeinengrünen Daumenundkanngeradeso RasenvonUnkraut unterscheiden.Deshalbnicke ichnurabundzuundlobe denGartenderReimers. DerGartenscheintauch meinerTochterundihrem Liebstenzugefallen.Die beidensitzenverträumtan einenKirschbaumgelehnt, undGustavJohanneshat meinerTochterseinen Pullover,derebennoch hanseatischumseine Schulterngeschlungenwar, untergelegt.Dashatwas Ritterliches,wasmich irgendwieanrührt.Ansich sollteichmitderWahl meinerTochterzufrieden sein–eristliebzuihr,und siemagihn.Waswilleine Muttermehr?Vielleicht tickenjungeLeuteeinfach anders?Vielleichtmüssensie erstihrespießigeSeite ausleben,bevorsiewildund draufgängerischwerden können? »Gehörendiezwei VerliebtenauchzuIhnen?«, erkundigtsichFuß-Paule. »DassindmeineTochter ClaudiaundihrFreund«, bejaheichdieFrage. »Hättegarnichtgedacht, dassSieschonsogroße Kinderhaben!«,antworteter, undobwohlessicherlichnur sodahingesagtist,freueich michdarüber. Wahrscheinlichisterwegen seinesBerufsdarangewöhnt, Smalltalkzumachen,undda diemeistenseinerKunden mitSicherheitFrauensind, weißer,wasgutankommt. Trotzdemnettvonihm.Als eraufsteht,umsich Nachtischzuholen,fragter, obermiretwasmitbringen kann.Gut,auchdaraufsollte ichmirnichtseinbilden–ich bin,bisaufmeineTochter, dieeinzigeFrauhier,die unter65ist.Bevorich antwortenkann,tutesmein Sohn. »Kuchenwäresuper!« SeinenGiga-Grilltellerhater tatsächlichaufgegessen. »Nichtdassdirschlecht wird«,bemerktFuß-Paule trocken. »Istdochschön,wenner ordentlichisst!«, kommentiertFrauReimer dasGanze.Siesetztsichzu unsundruftauchdirektihren Sohn.»Basti,kümmerdich malumdeineSpezialgäste!« Wassolldenndasheißen? Spezialgäste!HatsieAngst vorderKonkurrenzdurch Fuß-Paule?Amliebsten würdeichihrsagen,dasssie ihreBemühungeneinstellen kann,weilihrBasti, unabhängigvonder vermeintlichenKonkurrenz (einemebennoch halbnacktenFußpflegermit Schrebergarten!)sowiesoaus demRennenist. WährendPaulNachtisch holtundBastiansichnähert, schieleichmöglichst unauffälligaufmeinHandy. Immernochnichts. AllerdingsistderEmpfang hierimSchrebergartenauch ehermäßig. »Ichmussmaleinpaar Schrittegehen,bevorich gleichnochNachtischesse!«, sageichundsteheauf. »GuteIdee!«,schließtsich meinSohnanundFrau Reimergucktenttäuscht. »IchgehmalzumKlo!«, informiertmichMarkknapp. Ichschlenderedurchden Gartenundhabeden EmpfangsbalkendesHandys sehrgenauimBlick.Estut sichnichtviel.Zwei mickrigeStreifen.Ichklicke aufmeineSMS.Nichts.Mein Akkuistgeladen–daran kannesnichtliegen.Ich schaltedasHandykurzaus undwiederan.Es funktioniert.Beimeinen KindernfiependieHandys allepaarMinuten.Beimir herrschtStille.Wasfürein Arsch!Wasfälltdem eigentlichein?Aberdas Spiel–fallsesdenneinsist– funktioniert.Jelängerich wartenmuss,umsohäufiger guckeichaufsHandy.Mit derWartezeitsteigtdie Wichtigkeit.Dumachstdich lächerlich,Andrea,redeich mitmirselbst.Dastehstdu dochdrüber.Dustellstjetzt denTonausundsetztdich nocheinhalbesStündchenzu denGartenfreaks,unddann lässtdudichheimfahren, beschließeich.Ein ausgesprochenvernünftiger Gedanke–aberichkann nicht.WennichdasHandy jetztstummschalte,dann wirdersichgarantiert melden.Ichsteckeesindie Tascheundschwöremir selbst,indernächstenhalben Stundenichtdraufzuschauen. ImmerhineinkleinerSchritt. Ichguckenochganzschnell einallerletztesMal.Komisch –keineVeränderunginden vergangenendreiSekunden. DieserIdiot! Bastianstrahltmichan,als ichzurückzumTisch komme,undFuß-Paule schiebtmireinStückKuchen rüber. »DenmüssenSie probieren,selteneinenso leckerenKäsekuchen gegessen!«,schwärmtervon meinemKuchen.Daslässt meinMutti-Backherz schnellerschlagen. »Mann,Paul,wasfür’ne billigeSchleim-Nummer. Geradehabichdirdoch gesagt,dassderKuchenvon derAndreaist!«,schmälert BastiandasLob. »Naund«,bleibtder Bloßgestellteganzcool,»das isttrotzdemder allerleckersteKäsekuchen, unddaswerdeichjawohl malsagendürfen!« »Ja,deristwirklichsehr gut!Außergewöhnlichgut!«, schließtsichjetztauch Bastianan. Gehteshierumden Kuchen,oderwassolljetzt dieseLobhudelei?Bastian wirktrichtiggrantig. Konkurrenzbelebtdas Geschäft–einalterSpruch, andemaberdefinitivwas dranist. »Wasmachteigentlichdie Karla?«,fragtBastianPaul undgrinstdabeiindie Runde. »Nichts.Undichdachte, dasweißtdu!Habeichdir dochneulichalleserzählt«, kontertderundwirktdabei aucheinweniggereizt.Was solldaswohlbedeuten?Paul hateineFreundinnamens Karla.Oderhatte.Mit anderenWorten:Erist besetzt.Odererwarbesetzt. Esfühltsichgutan,wenn zweiKerleumeinenbalzen. JetztnocheineheißeSMS, undmeinTagwäreperfekt. Werhättedasbeimeinem heutigenAusflugfürmöglich gehalten?Dassmanim SchrebergartenVerehrer findenkann,isterstaunlich. Naja,inmeinemAlter vielleichtnichtmehrganzso erstaunlich.Ichgebezu,dass meineBalzhähnevielleicht nichtallerersteWahlsind, aberüberhauptmaleineSpur vonInteressezuwecken,das hatwas. Fuß-Pauleistfertigmit demKäsekuchen,undalsich ihnanschaue,lecktersich nochmalüberdieLippen. »Wirklicheinwunderbarer Kuchen!«,seufzter,und wennmannichtwüsste,dass ervomKuchenspricht, könntemansoeinigesin diesenkleinenunschuldigen Satzreininterpretieren. »Warwirklichschön,Sie kennengelerntzuhaben! Vielleichtsehenwirunsmal wieder?«Erstehtaufund schautmichbedauerndan. »Ichmussleiderlos.Es wartenkleineFüßeauf mich!«Haterasiatische Kundinnenoderbieteter PedikürefürKinderan? »BekommeichIhre Telefonnummer?«,wirder einbisschenforscher. Bastianzucktzusammen, alshätteerbeieinemDuell einenschmerzhaftenSchlag abbekommen.Ichzögere.Er isteinnetterMann,aberein netterManningelbenCrocs, dersichtagsübersehrviel mitüberschüssigerHornhaut beschäftigt.Habeich Dünkel?Eigentlichnicht. AberFußpflegeistmir irgendwiesuspekt.Daswäre einBeruf,denichmir niemalsaussuchenwürde. IchmagzupackendeMänner –manmusskeinesfalls Akademikersein,ummirzu gefallen.AberFußpflege? Jemand,derjedenTagan fremdenFüßenrummacht? DawäremireinFriseur lieber.OdereinMaurer. Eigentlichfastallesandere. Warumentscheidetsichein Mannfüreinensolchen Beruf?Gehörtdaeineleichte Veranlagungzum Fußfetischismusdazu?Oder hatdasFamilientradition? Irgendwietiefinmirdrinnen stößtmichderGedankeab– ichfindedieVorstellung sogareinbisscheneklig. Einerseits.Andererseits–ist Maklerseinnichtnochviel ekliger?Reinmoralisch betrachtet? »Wiesieht’saus?Darfich Siemalanrufen?«,fragtFußPaulenochmalnach. Hartnäckigister,dasmuss manihmlassen. Bevorichantwortenkann, höreicheinenSchrei.Esist meineTochterClaudia. »Mama,kommmalschnell! DerMark…demist schlecht!« Dasistgelindegesagt,fast nochuntertrieben.MeinSohn hat,direktnebenderHütte derReimers,indieZierrosen gekotzt.Wegendesschrillen AufschreismeinerTochter stehejetztnichtnurichvor denvollgekotztenBüschen undmeinemjammernden Sohn,sondernauchnochdas EhepaarReimer,Bastian, Fuß-Paule,undesnähertsich auchnochder Laubenvorstandmitder dunkelpinkfarbenenGlatze. Wahrscheinlichbekommt Marksofortlebenslanges Laubenkolonie-Hausverbot! HerrReimeristsichtlich schockiert.»Mittenaufdie PrincessAlexandravon Kent!Derhatjafastjede Blütegetroffen.Omein Gott!« PrincessAlexandravon KentscheintderNameder Rosezusein,vonderer spricht.Einsmussman meinemSohnlassen,erhat tatsächlichvieleder Prinzessinnenblüten erwischt.DassatteRosader sehrgroßenBlütenist kotzgesprenkelt. »KeinWunder,beidem, wasderJungeinsich reinschaufelt!«,bemerkt FriederderLaubenvorstand nurlakonisch. »Undwarumissterwohl soviel?«,kreischtmeine Tochter. »Haltdeineblöde Klappe!«,istdadererste vollständigeSatzmeines Sohnesandiesem Nachmittagzuhören.Selbst seinGekicherscheintihm vergangenzusein. »Leckmichdoch,du erbärmlicherKifferarsch!«, kontertClaudiablitzschnell. IhrGustavJohannesverzieht angesichtsdieserharschen WorteeinwenigdasGesicht, undderRestderAnwesenden siehtauswie schockgefrostet.Ichselbst eingeschlossen. Kifferarsch?Istdasein neuesSchimpfwortunter Jugendlichen,odermeintdie etwa,ihrBruderseiein Kiffer? Fuß-PauleistderEinzige, dernochrechtgelassen wirkt.Erhatinzwischenein GlasWassergeholtundes Markgegeben. »Dumusstwastrinken, Junge!«,sagterundreicht meinemSohnden Plastikbecher.HerrReimer seniorstarrtangewidertauf seineentweihtePrincessvon KentundFrauReimerrollt denGartenschlauchaus. »Bistdukomplett verrückt?Lotte,sagmal!«, herrschtHerrReimernun seineGattinan.»Duwillst dochdieBlütenvonder Princessjetztnichtetwa abbrausen?Dasinddiehin!« Ichbintotalfassungslos. IstmeinSohneinKiffer? WennereinKifferwäre, hätteichdasdannnicht längstbemerkt?Woran merktman,obdaseigene Kindkifft?Ichmuss schleunigstvonhier verschwinden!Mussmein SohnjetztindenEntzug? Kiffennichtalle Jugendlichen? »Kinder,ichglaubeesist Zeitzufahren!«,versuche ich,mitmöglichstfester Stimmezusagen,undmein phlegmatischerKotzsohn erhebtsichmühsam.Alser aufsteht,fälltihmein ordentlicherBrockenKotze vomT-Shirt.Selbstinden Haarenhängtwas.Lecker, wirklichlecker. »Dasistallessooo megapeinlich!Ichhasse euch.Womithabeichsoeine Familieverdient?«,schluchzt nunmeineTochterlos,und würdeirgendeinerder Anwesendenihranbieten,sie zuadoptieren,wäresieweg. Ehrlichgesagt,istdasjetzt soeinMoment,woicham liebstenauchmitallemgar nichtszutunhätteund stattdessenwiederRestder Leuteeinfachnurbetreten gucken,dieAugenbrauen hochziehenundeinwenig entsetztdabeistehenmöchte. »Estutmirallessehr leid«,entschuldigeichmich beidenReimers,»ichkenne michmitdemPutzen eigentlichaus,aberwieman jetztsoRosensauberkriegt, alsodahabeichleiderkeine Ahnung.Aberwennichwas machenkann,sagenSiees!« HerrReimerSeniorschaut michan.MiteinemBlick,als hätteichseinePrincess höchstpersönlich rausgerissenundzertreten.Er siehtaus,alswürdeerjeden Momentzuweinenanfangen. »DernächsteRegenwird esrichten!«,springtFußPauleindieBresche.»Das siehtjetztnichtschönaus, machtderRoseabernix. KeineSorge,istjasogar’ne ArtnatürlicherDünger.« Daswarnettvonihmund hatdieDimensionenauch wiedereinbisschen zurechtgerückt.Schließlich hatmeinSohnkeinTier gequält,sondernnurineinen Rosenbuschgekotzt.Dasist sicherlichnichtschön,aber auchnichtsodramatisch. »Wiewolltihrdenn heimkommen?Ihrhabtdoch garkeinAutodabei«,findet nunauchBastianseine Sprachewieder. Richtig,erhatteunsja abgeholt.Undjetzt?Obder nachdemAuftrittnochLust hat,unsnachHausezu fahren,halteichfürmehrals zweifelhaft. »IchlassemeineEltern jetztnurungernallein,nach allem,waspassiertist«,fügt ernochhinzu. MiristdieseSache wirklichpeinlich,aberso langsamnimmtdashier Formenan,dieich,ehrlich gesagt,einbisschen lächerlichfinde:Ichlasse meineElternjetztnurungern allein,nachallem,was passiertist!Das,washier passiertist,istkein Todesfall,keinschrecklicher Unfall,sonderndieleichte Verschmutzungeines Rosenstrauchs.Beiallseiner sonstsouneingeschränkten Nettigkeit–dasistnichtnett vonBastianundzeigt deutlichseinePrioritäten. »IchkannSieunddie Kinderfahren«,bietetmirda Fuß-Paulean.»Dasistlieb«, antworteich,»abereine appetitlicheFuhresindwir heuteleidernicht.Ichkann aucheinTaxirufen!« »KeinProblem.Ichbin durchmeinenBerufeiniges gewöhnt«,sagtPaul,»und außerdem,ichwolltejaeh jetztlos.« DerAbschiedvonden ReimersunddemRestder Anwesendenistumeiniges wenigerherzlichalsdie Begrüßung.Bastianmacht keinerleiAnstalten,ineinen WettstreitmitPaulwegen desHeimfahrenszutreten. Ichglaube,deristrausaus demRennen.Dabeihabeja nichtichkotzendinden Büschengehangen,sondern nurmeinSohn. AufdemWegzumAuto versuchtmirFuß-Paulediese großeBestürzungder Reimerszuerklären. »MitderPrincess AlexandravonKentwollten dieReimersbeim diesjährigen Zierrosenwettbewerb mitmachen,undsiehaben sichguteChancen ausgerechnet.Jetztwoder LaubenvorstandFriederdie Bescherunggesehenhat, denkendiebestimmt,dasser beiderBewertung–eristder Juryvorsitzende–immer diesekleinenKotzbröckchen vorAugenhat!«Erlacht. »ErsterPreis:die Kotzprinzessin!«Erlacht nochmehr.AuchmeinSohn lacht. »Lachruhig«,fahreichihn an,»baldhastdunämlich garantiertnichtsmehrzu lachen.Duspinnstjawohl total.Duhättestdich wenigstensentschuldigen können!Undwasistdasmit demKiffen?Washatdaszu bedeuten?Machstdudas? Bistduschonabhängig?Ist meinSohnalso drogensüchtig?« Ichsteigeremichrichtig rein,undmeineStimme überschlägtsichfast. MeineTochter,diemit ihremGustavEinstecktuchin gebührendemAbstandhinter unsherläuft,wirktwieein angeschossenesRehund brabbeltvorsichhin. Immerhinlautgenug,damit wiresverstehenkönnen. »DaswaraufalleFälledas letzteMal,dassichmiteuch irgendwohingeheoderfahre. Überhauptinder Öffentlichkeitauftauche.Es gibtkeinepeinlichere Familiealsmeine!« MirwürdenaufAnhieb jedeMengesehrviel peinlichereFamilien einfallen.DieWollnyszum Beispiel,dieOzbournesoder dieGeissens.Apropos Familie:SollteChristoph nichterfahren,wassichsein Sohndageleistethat? Ichschnappemirmein Handy,umihnanzurufen, undsehedieSMS.Die langersehnte,heißbegehrte SMS.Raketehat geschrieben.Kaumpackt mandasHandywegundhört auf,draufzustarrenwieein paralysiertesNagetier, kommteineSMS. Schöne,reifeFrau,wie spontanbistdu?Sehr kryptisch.Bisaufdasreife Frau–dasistdeutlich.Ein bisschenzudeutlichfür meinenGeschmack.Schön istnatürlichschön,aberreif hättesichHerrRaketedoch verkneifenkönnen.Esist,als würdemandirektinseine Schrankenverwiesen.Schön, aber… EinAbersolltemansich generell,wennirgendwie möglich,verkneifen.Sieist nett,aber…Ersiehtgutaus, aber…ScheißAber.Was michnochstört,ist,dasser dasDuinderSMSklein geschriebenhat.Ichweiß, dassdaskeinFehlerist,aber –undbestimmtbinichda altmodisch–ichempfinde einkleingeschriebenesDuals sehrflapsigundwenig respektvoll.DasDuals persönlicheAnredewürde ichimmergroßschreiben. Kleinlich,ichweiß. Egalwie,ichbinichjetzt nichtinderStimmung,um aufdieseSMSzuantworten. AußerdemhatsichRaketeja selbstauchordentlichZeit mitseinerAntwortgelassen. Allerdingskannmanja schlechtbeiderFragenach SpontaneitätfünfTage verstreichenlassen,bevor manantwortet.Daswäreja dannquasischondie Antwort.AbereineStunde hatdasallemalZeit,denke ichundversuche,meinenEx zuerreichen.Wasfürein Tag.MeineGüte.Wie eigentlichfastimmermeldet sichnurdieMailbox. ChristophhatseinHandyso gutwieniean.Dasregtmich schonseitJahrenauf.Der MannhatKinder,eskönnte etwaspassiertsein,under hatdasHandyaus!Immer. Mittlerweilehabenwirdas AutovonPaulerreicht.Ich musteredenVolvoKombi, derseinebestenTageschon hintersichhat.Paulscheint meinenBlickzubemerken. »Ichlegenichtsovielwert aufAutos,unddannhabeich jaoftGartenabfälledrin,das schmutztnatürlich,undin derStadtfahreicheh meistensFahrrad«,erklärter mirungefragt. Ichhoffe,seine Fußpflegepraxis(sagtmanda Praxis?)istgepflegterals seinWagen.Erlegtfür meinenSohneinegroße PlastikplaneaufdenSitz– »Sicheristsicher«, kommentierternurtrocken– undGustavJohannesundich quetschenunszumeinem SohnaufdieRückbank. Claudiahatsichstandhaft geweigert,nebenoderauch nurinderNäheihresBruders zusitzen.Dasist unverschämtvonihr,aberich habekeineLust,michjetzt auchnochmitFrauvonund zurumzuärgern. »Darüberredenwirzu Hause!«,raunzeichsienur an.Paulöffnetdas Schiebedach,undichbinihm dankbar.MeinSohnriecht absolutgrauenvoll,wasunser Chauffeurabermitkeinem Worterwähnt. »Daswarwirklich außergewöhnlichfreundlich vonIhnen!«,bedankeich mich,alswirvorunserem Hausankommen. »Sehrgernegeschehen«, sagtPaulnur,undder Höflichkeithalberbieteich ihmnocheinenKaffeean. »Ichmussleiderarbeiten, binschoneinbisschenspät dran.Einandermalgerne! Nochlieberallerdingseinen Wein.Abendsvielleicht mal?« Jetztkannichjaschlecht neinsagen,immerhinhat dieserMannunseinenechten Diensterwiesen.Ichbinmir garnichtsicher,obunsein Taxiüberhaupt mitgenommenhätte. »Klar,sehrgerne,aber jetztmussicherstmal einigesinnerfamiliärklären unddringendjemandenzum Duschenschicken!«, verabschiedeichmich. Erwinktnochmal,und wegister.Miteinem anderenBeruf,anderen Schuhenundeiner angemessenen Oberbekleidungwäreder ManneineOption.Einer näherenBetrachtung durchauswert.Aberso?Ein bisschenvieleMankos.Na ja,wennwirabends tatsächlichmaleinenWein trinkengehen,wirdersich schonwasüberziehenund hoffentlichauchnichtin Crocserscheinen. »Dugehstduschenund bringstdeinedreckigen KlamottenindieWäsche«, gebeichmeinemSohnerste Anweisungen.»Unddanach redenwir!« »WirfahrenzuGustav nachHause«,teiltmirmeine Tochterfreundlicherweise mit. »ErfährtnachHauseund dubleibsthier,ichwillauch mitdirreden!«,entscheide ich. »Ichlassemirnichts verbieten,dasseheichgar nichtein.Ichbinerwachsen! DerMarkhatgekotztund sichdanebenbenommen, nichtich.Undjetztwerdeich hierabgestraft.Dasistso unfair!Abersobistduja immer,daswürdederPapa niemachen!«,nöltsieaus demStand. Nein,daswürdederPapa nichtmachen–wieauch?Er istjanichtda.Alltagist schönMama-Sache.Sich rumärgern,diskutieren, Verboteaussprechen–das allesdarfichmachen.Er kommtdanngutgelauntmal amWochenendevorbeiund hatkeineLust,sichdiekurze ZeitmitseinenKindern durchErziehungsmaßnahmen undunerquickliche Diskussionenzuverderben. »DeinenVaterhabeich schonversuchtzuerreichen, aberderhatanscheinend Bessereszutun,alsmitmir zutelefonieren.« »DiesindinParis,die SarahMarieundderPapa. Diefeiernihren Kennenlerntag«,informiert michClaudia. Sagmal,geht’seigentlich noch?Derfährtmitteninder WochenachParisundsagt mirnichtmalBescheid? NachParis!Dawaren Christophundichauchmal. InunserenAnfängen.Eswar irrsinnigromantisch.Hättees nichtaucheineandere Großstadtfürdasjunge Glückgegeben?Paris– ausgerechnet!Dasversetzt mireinenrichtig schmerzhaftenStich.Daswar unsereStadt!Ichfühlemich furchtbar.Traurig,enttäuscht undverdammtallein.Was Christophwohlgerade macht?Verträumtdurch einenParkschlendern,in einemStraßencafé rumknutschen?ArminArm aufdenChamps-Élysées bummeln?Istergenauso glücklichmitihr,wieeres mitmirdamalswar?Musser überhauptmalanmich denken,oderkannerdas allesausblenden?Erinnerter sichüberhauptanunsere TageinParis? »Mama,ichfahrjetzt!«, unterbrichtClaudiameine Gedanken.Sollsiehalt fahren. »WirredenheuteAbend. SeizumEssenda!«,gebeich michgeschlagen. Ichhabeeinfachkeine Nervenmehr.Einkiffender Sohn,eineTochter,dielieber beiihremVaterist,einEx, dersichinParislauschige Stundenmacht–undich hockehierundkann Dreckwäscheindie Waschmaschineladen.Mich überkommteine unglaublicheSehnsucht. Sehnsuchtistschwierig. Vorallemundefinierbare Sehnsucht.Wennmanweiß, wonachmansichsehnt,mag sienocherträglichsein.Aber sicheinfachnurzusehnen, istidiotischundbereitet einemauchnochzusätzliche Probleme.Dennzuder Sehnsuchtkommtdie Sehnsucht,zuwissen, wonachmansichsehnt, hinzu.Ja,wonachsehneich michdenn?Wennich wirklichehrlichbin,dannist eseigentlichganzeinfach: Nachjemandem,dermichin denArmnimmtundsagt: »Dasschaffenwirschon.Ich liebedich!« Wasgehtdabloßin meinemKopfvor?Dashatja wasvonkitschigem Schlagertext.Sehnsuchtist schwierig…MeineGüte, jetztgehtesaberechtlos. Ichschmeißedie Waschmaschineanundsetze michinsWohnzimmer.Wie ichmeinenSohnkenne,wird ersichsehrvielZeitbeim Duschenlassen.Würdeich anseinerStelleauch.Ich versuchenochmal,Christoph zuerreichen.Wiederdie Mailbox.Ichunterdrückeden Impuls,ihmwasrichtig Gehässigesdraufzusprechen. »Wenndudashierhörst, rufmichbitteumgehend an!«,istalles,wasichsage. KeinKommentarzuParis, keineböseSpitze,weilich ihnmalwiedernicht erreichenkann,kein Genörgelundkeine Panikmache.Sehrerwachsen undsouverän.Ichbinstolz aufmich. Dannnehmeichmirdie SMSvonRaketenochmal vor.Schöne,reifeFrau,wie spontanbistdu? Tja,wasdenktder?Wie spontankannmandennsein, mitzweihalbwüchsigen Kindern,einemJobund einemHaushalt?Habeich meineKinderbeiRakete erwähnt?Ichglaubenicht. Ichkannmichsowiesonicht daranerinnern,dasswirviel geredethätten.Ichbin einigermaßenorganisiert, klar–zwangsläufig.Alle Müttersindirgendwie organisiert.Aberspontan? Sinddiebeiden Eigenschaftenüberhaupt kompatibel?Reintheoretisch binichselbstverständlichirre spontan.Wergibtschon gernezu,nichtspontanzu sein?Spontanseinist angesagt.Dasgiltalslässig undunkompliziert.Wer spontanist,ist aufgeschlossen. Wozuwilldereigentlich wissen,obichspontanbin? Möchteermichgleichheute Abendnochsehen?Ich schaueanmirrunterund denke,dassesindiesemFall nocheinigeszutungäbe.Ich rufemalwiederSabinean, ummichberatenzulassen. Mussichjetzt–wegender Spielregeln–wiederTage mitderAntwortwarten? »IndemFalldarfstund solltestdudirektschreiben«, istihrFazit.»Undnatürlich schreibstdu,dassduspontan bist.Spontanklingtjung.« Ichwillgenauere Anweisungen:»Wasschreib ichdennjetzt?Einfachnur ›Ja!‹« »Dubistechtausder Übung!«,kichertSabine. »Schreibhalt: ›Selbstverständlichbinich spontan–schönund spontan!‹« Ichfindedasjetztnicht superlustig,aberSabine erklärtmir,dasslustignichts ist,womitmanbeiMännern punktenkann. »Diebehauptenimmer, lustigeFrauenzumögen– allesGeschwätz.Witzigsind siegerneselbst,unddudarfst drüberlachen,daslangt denenalsIndizfürdeinen Humor.Alsomerkdirgut: Seiniewitzigeralser!« Ichsehe,dassChristoph anruft.MeinHandykann tolleSachen.Ichtelefoniere, undwennmichsonstnoch jemanderreichenwill(was mireherseltenpassiert), zeigtmirmeinHandydasan. ImNormalfallwürdeichfür ChristophsAnrufkein Gesprächbeenden–die Zeitensindvorbei!–aber diesmalmacheicheine Ausnahme. »Ichrufedichnachher nochmalan,ichmussjetzt schnelldrangehen.Esist Christoph!«,unterbrecheich deshalbSabine. »Hallo,Andrea,wasgibt’s dennsoWichtiges?«,sagt meinExzurBegrüßung. »Ichhätteesgutgefunden, wenndumirmitgeteilt hättest,dassdunachParis fährst!«,blaffeichihnerst malan.Dasmussteeinfach raus. »Deshalbsollteichdich anrufen?Duweißtesdoch jetzt.Dahabeichdochglatt vergessen,dichvormeiner AbreiseumErlaubniszu bitten!So,war’sdasdann?«, gifteterzurück. HatmirdieserMann vorhintatsächlichgefehlt? OderhatmirnureinMann gefehlt,jemandanmeiner Seite? »Nein,deshalbrufeich nichtan,sondernumdirzu sagen,dasswireinProblem haben!«,versucheichauf einesachlichereEbene zurückzukommen. »Stelldirvor,Andrea, auchdasistmirbekannt! Sonsthättenwirunsjanicht getrennt!Undwennichdich erinnerndarf:Vorallemdu hattesteinProblem,unddas ProblemistgeradeinParis undwürdegerneseineZeit hierauchgenießen.« JetzthatmirMister-SuperIronicaberordentlicheinen eingeschenkt.Ichhatteein Problem,deshalbsindwir getrennt,underkann selbstverständlichnichts dafür.DasWeltbildmancher Männeristwirklich überschaubar.Alsobdie Dingesoeinfachwären.Aber wasderkann,kannichauch. IchbineineFrau,diesich langeruhigverhält,aber wennmanmich herausfordert,kannich verdammtsauerwerden. »Esgeht,daswirddich wundern,HerrEgoman,mal ausnahmsweisenichtum dich,sondernumdeinen Sohn.Erhatnämlichein Drogenproblem!« Christophlacht.Sowieich ihnkenne,lachtersicher nichtüberdenHerrn Egoman.Ersiehtsichselbst natürlichvölliganders. »Wasgibt’sdenndaso doofzulachen?«,frageich empört. »Mark–ein Drogenproblem?Dasistdoch albern.Hastdu Stanniolpapierinseinem Zimmergefundenodereine Einwegspritze?Und außerdem,seitwannister nurmeinSohn?Wenn–dann hatunserSohneinProblem. Aberwieschongesagt, Andrea,dasistkomplett verrückt.Dashätteich bemerkt.« SeineStimmewirdleiser: »Warte,Sarah,dasistgleich erledigt.«DieserletzteSatz warwohlfürseineMiezi bestimmt. »Garnichtsistgleich erledigt!Eswäregut,du würdestumgehendnach Hausekommenunddich endlichmalwiedermitum dieKinderkümmern.Mark kifft.«Sojetztistesraus. »Erkifft.Andrea,bleib mallocker.Werkifftdenn nichtindemAlter?Dasist dochtotalnormal.Nichttoll, aberkeinDrama.Jedenfalls keinGrund,michhier anzurufen.Morgenbinich wiederda,dannkönnenwir reden.Ichkommvorbei.« Ichbinfassungslos,under legtauf,bevorichnoch irgendetwassagenkann. ChristophfindetKiffen normal.Ausgerechnet Christoph.Mister Konvention.MisterGutesBenehmen.DerGolf spielendeSuperanwalt.Was nun?KnöpfeichmirMark alleinevor,oderwarteich, bisChristopherscheint? Ichverschickeerstmal meineSMS.Genauso,wie Sabineesvorgeschlagenhat. Normalerweisebinichgut imTexten,schließlichistes meinBeruf,aberheute scheintmeinHirnleer.Die Sabine-Variantewirdes schontun.Alsoschreibeich: Selbstverständlichbinich spontan–schönundspontan. WiesofragstDueigentlich? Das»WiesofragstDu eigentlich?«istmeine Ergänzung.Manwirdjamal neugierigseindürfen.Ich drückeaufSenden,undweg istdieSMS.Vielleichthätte ichdasmitdem»Wieso eigentlich«dochweglassen sollen.Zuspät. »Mama«,höreichdaeinsehr kleinlautesStimmchen.Mein Sohn.Frischgeduschtundin JogginghoseundT-Shirt siehterfastwiederauswie meinkleinersüßerSohnaus langvergangenenZeiten. »Setzdich!«,sageichund macheeinernstesGesicht, obwohlichihnindem Momentamliebsten knuddelnwürde.Um angemessenstrengzu gucken,rufeichmirden Rosenstrauchunddie Kotzwäsche,dieichvor wenigenMinutenindie Maschinegepackthabe,ins Gedächtnis. »Mama,dumusstmal hochkommen,irgendwiehat derOpaeinProblem,aberer willmichnichtinsZimmer lassen,undersagtauch nicht,waslosist.Dusollst kommen!Schnellwenn’s geht!« Rudi!Denhatteichjatotal vergessen.WasfüreinGlück fürMark.Soisterkurzmal rausausderSchusslinie. »Bleibduhiersitzen!Ich kommegleichwieder.Ich gucknurmalschnell,was Opadaobenangestellthat. Unddannredenwirzwei. Glaubnicht,dassichdas vergesse!«,ermahneichihn. »Rührdichnichtvonder Stelle!« Ichklopfeandie Zimmertürmeines Schwiegervaters.Eröffnet dieTüreinenSpaltbreit,und ichsehesofortseinsehr zerknirschtesGesicht. »Andrea,dieIreneund ischhabeeProblem.En Problem,desunssehr unangehmis!« »Brauchtihrjemanden zumReden?«,frageich. »Ne,netzumRede,mer zumHelfe.Abäesis,wie gesacht,unangenehm!« »Jetztlasssiehaltrein«, höreichdadieStimmevon Irene.»Esistpeinlich,aber ichwillhierjanetden ganzenSommerverbringen!« »IsderBubfort?«, erkundigtsichRudi,undals ichnicke,öffneterdieTür. DasBild,dassichmir bietet,istbizarr.Ireneliegt imBett–zugedeckt,nurihr KopfundihreArmegucken raus.IhrKopfistputerrot. KeinWunder,dennihre Handgelenkesindüberihrem KopfamBettbefestigt.Mit Handschellen!Ichweiß nicht,wemdieseSituation peinlicherist. »DesisdasPeinlichste, wasmirimganzenLeben passiertist,des Allerpeinlichsteüberhaupt!«, jammertIrenedirektlos. »Rudi,Irene,wassollich dennjetzthier?Wolltihrmir Anregungenliefern!«, versucheichesmiteinem Scherz. »Ischhaltedasnetmer langeaus!«,stöhntIrenenur. »Ja,dannmachsiehalt los,Rudi!Undtuwas,damit diesesBildsofortwiederaus meinemKopfverschwindet.« »Jameinstdu,ischwörd dischhole,wennischse alleinlosmachekönnt? Meinstdu,ischwollt,dassdu dessiehst?Dumusstmer verspresche,dassdedes kaanemsachst!Achnetdem Christoph.Andrea,bitte!« Natürlichversprecheich es,kannabernichtanders, alsmirdirektvorzustellen, wiegutSabinediese Geschichtegefallenwird. »Woistdenneuer Problem?«,willichesjetzt malgenauwissen. »MirtundieHandgelenke soweh.Machdochwas, Rudi!Ichhänghierjetzt schonzweiStunde!«,stöhnt Ireneauf. »DerSchlüssel,Andrea, derSchlüsselvondene Handschelleisuns runnergefalle,deris winzisch,enwinzisch Schlüsselscher,undmer kommenetdran,weildie Matratzesotiefdörschhängt. AanermussdieIreneanhebe, undannkönntemermitem BesenandeSchlüsselranun denunnermBettwieder hervorfege.Aberallein schaffischdesnetmitmaam schlimmeRücke,unmiris kaaneraagefalledenisch sonstfrachekönnt.Mirwarn kurzdevor,dieFeuerwehrzu rufe,aberdeswolltdieIrene net.« DakannichIrenesehrgut verstehen.Alleindie Vorstellung:Zwei Uniformierte,dieein Seniorenpärchenausihrer Sado-Fallebefreien.Ulkig. »Ischhab’sauchmit’ner Feileversucht,aberdabin ischständiganderIreneihre Handgelenkegekomme,un ansonstehatsichnixgetan. DessinQualitätshandschelle. Diesägtmernetaanfachso dursch.Ansowassparisch net.« »Rudi,hebdirdeinGerede fürspäterauf,mersterbe langsamdieArmeab!«, unterbrichtihnIrene. »Okay«,nehmeichdie SacheindieHand,»ichhebe Irenehoch,undduversuchst, mitdemBesendieSchlüssel unterdemBett hervorzukehren.« Rudiisteinverstanden. UnserProblemistnur,dass Irenekeinedieser53-KiloFrauenist.Ireneistdrall.An Ireneistwasdran.Auf 83Kiloschätzeichsie mindestens.Außerdemistsie komplettbedecktundweigert sich,dieZudeckeabzulegen. »Desmachichnet,dann könntischdirniemehrindie Augensehen«,betontsie. AnihrerStellewürdemir dasschonjetztsehr schwerfallen.Aberdaich auchnichtgenauwissenwill, wasIreneaußerderDecke nochamKörperhat, beziehungsweisenichthat, fügeichmich.Ichgreifemit beidenArmenuntersieund gebemeinBestes.Leider kriegeichsienichtwirklich gutzufassenodervielleicht binicheinfachauchzu schwach. »Dumusstmithelfen, Irene,sonstschaffenwirdas nicht!« »Wiedann?«,fragtdienur ratlos.»Fliegenkannisch leidernicht,undischmach michschonsoleichtesgeht! UnmeineArmekannichhalt auchnetbewegen.« Wosierechthat,hatsie recht.AberdassihreArme dasind,wosiesind,nämlich festamKopfteildesBetts, daranistsieallerdingsselbst schuld.Abersowirddasnix. Damüssteschonein ausgewachsener Gewichtheberanmeiner Stellesein. »Dasklapptsonicht,Rudi! HastDuesmalmiteiner Zangeversucht?«,frageich meinenSchwiegervater. »Ja,aberdieHandgelenke vonderIrenesindzu…,na ja,zustark,alsokräftig,da habischAngst,ihrins Fleischzuzwacken!« »Ischbinsogarzufettfür Handschelle!«,jammertjetzt Irene.»Sach’sruhig,wiees ist,Rudi!Ischweißesja selbst,ischmüsstabnehme.« »Ichmag,wasandirdran ist,desweißtdedoch, Hasenpuschel!«,antworteter charmant. Hasenpuschel!Aufeinmal kommtmireineIdee. »WartetfünfMinuten,ich glaub,ichhabdieLösung«, vertrösteichmeineShadesofGrey-Laiendarsteller. »Eildisch,bitte,ischhab fastkaummehrBlutinden Armen,diefühlesichanwie abgestorbe!« IchhastezurGarage.Wir habenirgendwonocheine Sackkarre.WennsichIrene aufdieSackkarrerollen könnte,wenigstenszumTeil, dannkönnteichsievielleicht anheben.Natürlichkäme danndasGewichtder Sackkarredazu,aberinder Plus-Minus-Kalkulation dürftedasGanzedochum einigesleichtersein.Ich schnappedieSackkarre,und unterdenmehralserstaunten BlickenmeinesSohnes schleppeichsiehochin RudisZimmer. »Kannicheuchwas helfen?«,ruftmeinSohnmir nochhinterher. »Nein,danke!«,antworte ichunddenke:Wennderdas sieht,kannerdirektzum Therapeutengehen,undsein Sexlebenistruiniert,bevor esüberhauptangefangenhat. »Waswillstedenn dademit?«,beäugtmein Schwiegervaterdie Sackkarre. IcherkläremeineIdee, aberIreneistskeptisch.»Isch bindochkeinKasteBieroder enSackZement,auchwenn ichmindestenssovielwiege tu.AbmoinmachichDiät, aberwahrscheinlichsinbis moinmeineArmeabgefalle, undannhabichjaschon schönGewichtverlorn!« Immerhin,siehatHumor. »Dumusstdich,soweit wiemöglich,aufdieSeite rollenunddieBeine anziehen.Machdichsoklein esgeht.Undleider,Irene, mussdieDeckeweg.Ich kanndienichtauchnoch festhalten,währendichdie Sackkarrehalte«,gebeich IreneAnweisungen. »Ne,desgehtnet.Auf keinenFall!«,quicktIrene erschrocken. »Hasenpuschel,jetztsei netsogenant,dakommt’s dochjetztaachnetmerdruff an!DieAndreahatschon jedeMengeNacktegesehe. Desisdochganznatürlich«, versuchtRudiseineLiebste zuberuhigen. Ganznatürlichfindeich dasgesamteSzenario,ehrlich gesagt,nicht,abertrotzdem nickeichzustimmend.So langsammacheichmir wirklichSorgenumIrenes Arme. »Wenndasnichtklappt, rufenwireinenSchlosser«, entscheideich. Rudiistbegeistert.»Du bisteineklugeFrau,Andrea, dahättemerauchselbst draufkommekönne.!Irene, derWernerisdoch Schlosser,sollichdengrad anrufe?« »Bistduwahnsinnig!«, kreischtIrene.»Der Werner…,derWernerisen FreundvomHolger,meinem Bub.Wennderdeserfährt, deswärmeinUntergang.Mer willdochnet,dessdieKinner einsosehn!« Ach,dieKindernicht,aber ichschon!Schwiegerkinder scheinenvondieserRegel ausgenommen. »Ja,dannbleibtnurdie Sackkarre,Irene.Stelldir vor,dubistinderTurnstunde undsollstdich zusammenrollen.Ziehdie Beine,soweitesgeht,mit angewinkeltenKnien RichtungNase.Rolldich zusammen.Undnicht erschrecken,ichnehmejetzt dieDeckeweg.« Genaudastueichdann auch.Ireneerschrecktsich weniger,alsichmich erschrecke.Nunweißich, warumRudiIrene Hasenpuschelnennt.Auf ihrerUnterhoseprangtmitten aufdemPoeinrosaPuschel. WoumallesinderWelt kannmansoetwaskaufen? Oderhatsiedenselbst,als kleinenGag,fürihren Schatziaufgenäht?Einrosa Puschelaufeiner Netzunterhose. »Sowashabichsonst nichtan«,verteidigtsich Irene. Dasglaubeichihrsogar, undimmerhinistesmehr,als sieobenrumträgt.Obwohl einpaarneckischerosa PuschelaufdenBrustwarzen dasOutfitsicherperfekt komplettierthätten.Irene jedochträgtobenohne.Ihre BrüstesindnochgutinForm. Hutab,dasmussmanihr lassen.DerAnblickmacht mirHoffnung.Immerhin feiertIrenedemnächstihren 70.Geburtstag.Ichwerdeihr einpaarHasenohrenzum Aufsetzenschenken,gehtes mirdurchdenKopf.Jetzt schnelleinVideoaufnehmen, istmeinnächsterGedanke, alsIreneversucht,sich zusammenzurollen.Ihrrosa Puschelrecktsichgen Zimmerdecke.Ichkönnte TausendevonKlicksauf YouTubedamitbekommen. Stattdessenschiebeich meineSackkarreso vorsichtigwiemöglichunter ihrenPo. »Rudi,aufdrei«,gebeich meinemSchwiegervater Anweisungen. Erkniet,denBesen einsatzbereit,aufdemBoden. »SobaldichdieKarreoben habe,musstdudenSchlüssel erwischen.« TeilevonIreneliegen inzwischenwirklichaufder AufladeflächederSackkarre. AllerdingsnurTeile.So beweglichistmaninIrenes Alterdanndochnichtmehr. Ichbinmirsicher,auchich hätteSchwierigkeiten.Ich solltedringendYoga machen.Yogishättenhiermit keinerleiProbleme.Die könntenwahrscheinlich entspanntaufderLadefläche derSackkarreein Mittagsschläfchenhalten. Rudikichert.»Dusiehst zumAnbeißenaus, Hasenpuschel!«,zwitschert er. »Rudi,daswillichnicht hören!«,werdeichjetzt strengundfangeanzu zählen.BeiDreikippeichdie KarreunddamitauchIrene. IhreArmeverdrehensich, undsieschreit.»Au,dastut weh!« VorSchrecklasseichdie Karrerunter.Beimzweiten Versuchschaffenwires. TriumphierendhältRudidas SchlüsselcheninderHand. »Jetztbrauchichnurnoch dieLesebrille,unddannbist duwiederfrei«,freutersich undstrahltseineIrenean. »GibderAndreaden Schlüssel,netdessder wiederunnermBettlandet!«, herrschtsieihnan. Ichschließedie Handschellenauf(wasauch fürmichohneLesebrille nichtganzleichtist),und Ireneistbefreit.Spontangibt siemireinenKuss.»Das werdeichdirnie vergessen!«,betontsie. Ichhoffe,ichschon! »Duhastwasbeiunsgut, Andrea,desweißtde,gell!«, bedanktsichauchRudi.»Abä dukannstjaehallesvonmir habe!Unddenkdran,wasde mirversprochehast.Kein Wortzuniemand.« DieHandgelenkevonIrene sehenschlimmaus.Dasgibt mieseblaueStriemen. »TutmireinenGefallen«, bitteichdiezwei,»keine gefährlichenSpielchenmehr! UndIrene,machdirCreme aufdiewundenStellen.« Ichschnappemirdie Sackkarreundlassediezwei, HasenpuschelundPartner, allein.DieseSzeneriewerde ichmeinenLebtagnicht vergessen. Marksitztbravaufdem Sofa.AlsichdieTreppe runterkomme,schiebtersein Handyschnellunters Sofakissen.Sofortfälltmir meineSMSein.ObRakete schongeantwortethat?Aber ichzügelemeineNeugierde undwidmemichmeinem Sohn.Einsnachdem anderen. »Lassunsreden!«,starte ichmeinMutter-SohnGesprächmiteinerkleinen Floskel.»Hastduheutewas geraucht?Rausmitder Sprache!« »Nein,habichnicht!Echt nicht!Ichschwöre!«, antwortetmeinSohn kleinlaut. »Dukiffstalsonicht?«, frageichnachundfühle michschongleichsehr beruhigt.Allesfalscher Alarm.WasfüreinGlück. »Naja,dashabeichso nichtgesagt.Duhastgefragt, obichheutewasgeraucht habe–habeichnicht!« AufWiedersehen Beruhigung. »Ichhabheuteechtnichts geraucht.Echt,Mama!«, bekräftigterseineAussage nochmal.AndemSatzstört michnurdieZeitangabe.Das »heute«machtmichstutzig. Wiesollichdasverstehen? Heutenicht,abergesternund vorgesternundsonstauch? Undmorgenwieder? »Undwarumwardirdann soübel?Undwassolltedie Bemerkungvondeiner Schwester?Undwasheißt: heutenichtsgeraucht?«, sprudelndieFragennurso ausmirheraus.Vielleicht hätteichdochaufChristoph wartensollen. »Ichglaube,mirwird wiederübel!«Mitdiesen WortenspringtmeinSohn vomSofaaufundhastetzum Gästeklo.KlugerSchachzug –Zeitgewinnendurcheine kleineAuszeit.Inmeiner Hosentaschevibriertes,und ausdemKlokommen Würgegeräusche.Gottsei DankistmeinSohnausdem Alterraus,womanihmnoch denKopfhaltenmusste. Trotzdembinicheinegute MutterundbieteHilfean. ZumGlücklehnterab.Ich bin,wasGerücheangeht, empfindlich.Wennsich jemandübergibt,könnteich direktmitmachen. IchziehemeinHandyaus derTasche.Raketehat geantwortet.Prompt.Jetzt nimmtdieSachelangsam Fahrtauf. ZeitfürzweiTageineiner aufregendenMetropolemit einemaufregendenMann? FreitagundSamstag.Erbitte schnelleAntwort! Was,umallesinderWelt, solldasbedeuten?Istdas eineEinladung?Werder aufregendeMannseinsoll, istmirimmerhinklar,eine aufregendeMetropole allerdingskannvonBerlin bisNewYorkallessein.Ich lesedieSMSwiederund wieder.FreitagundSamstag. Daswärejaschon übermorgen!Miteinem MannzweiTageunterwegs zusein,einemMann,von demichkaumetwasweiß,ist dochtotalbekloppt. Verrückt.Aberirgendwie aucheinaufregender Gedanke.Totalverwegen. Vielleichtistdie MetropoleParis?Daswäre nurgerecht.Ha,daswürde Christophschönärgern,und alleindieVorstellungmacht mirguteLaune.Zieheich denGedankenaneinen KurztripmitRakete tatsächlichinErwägung?Bin vielleichtiches,dieDrogen nimmt? »Mama«,unterbrichtda meinSohnmeineGedanken, »miristimmernochschlecht undsoheiß.« IchlegeihmdieHandauf dieStirn,underglüht tatsächlich. »Darfichmichhinlegen?«, fragterbrav. Erdarf.Ichkannja schlechteinKreuzverhörmit einemfieberndenKind führen.Hatersichvielleicht einenViruseingefangen? Magen-Darm?Habeichihn womöglichzuUnrecht beschuldigt?Habeich überreagiert? »Legdichhinundmiss Fieber,abernimmdireinen EimermitansBett!Wir redenmorgen,daistdann auchPapada.Ichmachedir gleichnocheinenTee«, schickeichmeinenSohnins Bett. Ichbinmomentansowieso mitmeinenGedankenganz woanders.Wiesollichüber irgendwelcheHaschereien debattieren,wennmirnur nochdiesemerkwürdige EinladungdurchdenKopf geht?Ichmussunbedingt soforteineFreundinanrufen. Heikebessernicht, entscheideich.Wennich Heikefrage,wirdsiemir garantiertabraten mitzufahren.Heikeistzu vernünftig.Esbleibtnur Sabine.Allemeineanderen Freundinnenwürdensich ausnahmslosandenKopf greifenundmichfür wahnsinnigerklären,weilich überhauptdarüber nachdenke.Übrigenswürde ichgenaudasGleichetun, wennmicheineFreundinin solcheinerAngelegenheit anrufenwürde.Nachdem Motto:Bistdudenn verrückt?Dukennstdendoch garnicht!Werweiß,wasder will!Sowasmachtman nicht…Deshalbwähleich Sabine.SieistdieEinzige, diemirvielleichtdie Antwortgibt,dieichgerne hörenmöchte. UndwiestelltsichHerr Raketedaseigentlichvor? Denktder,ichlassehieralles stehenundliegen,ummit ihmzweiberauschendeTage ineiner,woauchimmer gelegenen,aufregenden Metropolezuverbringen? SollichdieKinder,auch wennsiejetztnichtmehrso kleinsind,einfachalleine lassen?Genaudasdenktder oderhältesjedenfallsfür möglich.Gut–dassich Kinderhabe,weißerjanicht, abertrotzdem:Ganzschön eingebildet,derHerrRakete. Aberirgendwasandieser »Anfrage«,wennmandas malsonennenwill,fasziniert mich.Sieversprichtnämlich genaudieKomponenten,die meinemLebenansonsten fehlen:Unvernunft, Romantik,einenHauch Wahnsinnundrichtigen Leichtsinn.Absolut verwegen!Sabinesiehtes zumGlückähnlich. »Jenachdem,umwelche Stadtessichhandelt,würde ichfahren.Unddie aufregendeMetropolewird schonnichtBraunschweig sein.KlarwirdesaufSex rauslaufen,aberduwillst dochehmalwieder.Und dannineinemcoolenHotel miteinemgutaussehenden Mann,derauchnochRakete genanntwird!Dahastdu dochalldas,wasduschon immerwolltest!Maches–so eineEinladungkriegstdunie wieder!« DasistmitSicherheit richtig.SoeineEinladung habeichnochniebekommen undwerdeichauchnie wiederbekommen.Die EinladungunddieBilder,die ichdazuimKopfhabe,sind wieBrausepulver.Prickelnd! OderwieeineArt Überraschungsei.Manweiß nicht,wassichindemEi verbirgt,undstelltsich irgendwasTollesvor. Aufregend! Dakommtjemanddaher, reißtdichausdeinemAlltag undwillmitdirZeit verbringen.Istdasnicht genaudas,wonachdudich immergesehnthast? Vielleichtnichtunbedingt mitRakete.Aberwennes nunmalderErsteund Einzigeist,dersoeine Offertemacht? Ichhabemichselbst überzeugt.Warumeigentlich nicht?Wassollschon passieren?Wennerein Perverserist,werdeichmir einfacheineigenesZimmer nehmen.Aberwarumsollte ausgerechnetersoeiner sein?Undwennichan meinenExmitseiner jugendlichenMieziinParis denke,danngefälltmirdie VorstellungvonRaketeund mir,irgendwoindergroßen Weltromantischbeieinem Dinnerunddanach hocherotischinweichen Daunen,nochvielbesser.Ich werdeestun,beschließeich. Wernichtswagt,erlebtauch nichts. Zummindestens17.Mal leseichdieSMS:Zeitfür zweiTageineiner aufregendenMetropolemit einemaufregendenMann? FreitagundSamstag!Erbitte schnelleAntwort! Wanngeht’slos?Wo geht’shin?Braucheich SandalenoderGummistiefel, KostümoderJeans?,schreibe ichzurück. Bevorichwiederins Grübelnkommeunddie braveAndreaausdem ReihenhausdieRegie übernimmt,drückeichauf Senden.Gottwieaufregend! Jetztgeht’sandieLogistik. Einfachsowegfahrenistals Mutterleiderunmöglich. Logistik,Planungund Organisationsind Grundvoraussetzung,um »spontan«seinzukönnen. WastunmitdenKindern? Wergucktnachihnen?Wer kocht,undwaserzähleich meinerFamilieüberhaupt? DieWahrheit:»Soihr Lieben,ichfahremiteinem wildfremdenMann,vondem ichseineZungebesserals denRestkenne,keine Ahnungwohinundverbringe dortzweiTage– wahrscheinlichhauptsächlich imBett.«MitSicherheit nicht,denndaswürdezur sofortigenEinweisung führen.Aberirgendeine schöneGeschichtewirdmir schoneinfallen.Daransolles nichtscheitern.Ein Wellness-Wochenendemit Sabine.Irgendwoin irgendeinemnetten, deutschen,trostlosen Mittelgebirge. Männerdenkenjahäufig, dasseiderTraumunserer schlaflosenNächte.Sichein Wochenendelang durchknetenzulassen,inder Saunazusitzen,zur KosmetikzugehenundThai Chizumachen,umdann ausgeruhtundausgeschlafen (insolchenWellness-Oasen istjaabendsnichtslos!), zurückindieAlltagshöllezu kommen.Einharmloses Vergnügen,vondemMutti auchnocheinbisschen aufgehübschtnachHause zurückkehrt.Sicherlichkann soeinWochenendesehrnett sein,vorallemwennman seineFreundindabeiundmal wiederZeithat,inRuhealles durchzuhecheln.Ichwill wirklichnichtdespektierlich klingen–aberAbenteuerund großeWeltsinddanndoch wasanderes.EineWellness- Oaseisteinbisschensowas wieeinIndoorspielplatzfür Frauen.Schönbehütet,schön versorgtundschön beschäftigt. Ichwerdeesorganisieren, dieKinderhabenschließlich einenVaterundeinenOpa, derpraktischerweisebeiuns lebtundmireinigeGefallen schuldigist.Ichbinsicher, einkleinerHinweisauf SackkarreundHasenpuschel wirdgenügen. Wahrscheinlichhättemir Rudisowiesogeholfen.Im GegensatzzuseinemSohn, mussmanihnnielange bitten.Eristeinfachvon Naturaushilfsbereitund gutherzig.Womitichnicht sagenwill,dassChristoph nichtgutherzigist–tief drinnensicher.Sonsthätte ichesjawohlkaumsolange mitihmausgehalten. WennRudimirhilft,steht demWahnsinnalsonichtsim Weg.Schonwiedermeldet sichmeinHandy. Brauchedeine KoordinatenfürTicket.Name undGeburtsdatum.High HeelsundKleidreichen.Ziel istÜberraschung.Wir fliegenFreitagum8.50. TreffpunktFlughafen, Terminal1,8.00Uhram BusinessClassSchalter. Machdichhübsch! NameundGeburtsdatum! ObderdasTicketüberhaupt bucht,wenndermein Geburtsdatumsieht?Egal.40 istjaangeblichdasneue30 undknapp50istdannsomit dasneueknapp40.Blödes Blabla,aberindemFallhilft esmir,nichtdirektzu hyperventilieren.Sostillos wirderschonnichtsein,eine EinladungnuraufGrund einerJahreszahl zurückzuziehen.Sollteeres dochtun,kannichesehnicht ändern.Alsonichtaufregen, Andrea,beruhigeichmich selbst.Dubistnichtmehr jung,aberauchnochnicht tot.UnddiesesWochenende wirddasbeweisen! DasAlteristnureineZahl. AuchsoeinBlabla-Satz.Was sollteesdennauchsonst sein? HighHeelsundKleid?Das hörtsichnichtnachplattem Landundstrapaziösen Fußmärschenan.Eigentlich logisch,dennden Westerwaldoderden Hunsrückwürdemanwohl kaumalsaufregende Metropolenbezeichnen.High HeelsundKleid–dashört sichauchnichtnach stundenlangemBummel durchKirchenundMuseen an.ZumGlück!Dawürde manwohleherTurnschuhe undJeanswählen.High HeelsundKleid–dasklingt nachlauschigen Straßencafés,nachexquisiten Restaurants,nachszenigen Bars,nachCocktails, Lounge-Atmosphäreund nachGlamour. Terminal1,BusinessClass Schalter.Himmlisch!Ichbin nochnieBusinessClass geflogen.Alleindafürlohnt sichderAusflug.Ichsehe michschonmiteinemGlas Champagnerineinem großen,weichenLedersessel sitzen.Trotzdemwäreein wenigmehrInformation nützlich.Wowohnenwir? WieschickistdasHotel?In welcheStadtfliegenwir? BraucheicheineStrickjacke? Klar,esistSommer,aberes machtdocheinen entscheidendenUnterschied, obmaninReykjavikoderin BarcelonaimCafésitzt. WennichdieWahlhätte, dannwäremirBarcelona lieber.Romwürdemirauch gefallen.Londonfindeich toll.Paris,MadridundNew York.NewYorkwäreder Knaller,aberisteher unwahrscheinlich.Manfliegt jawohlkaumfürzweiTage nachNewYork.Ach,im Endeffektistesmirrelativ wurscht.Rauskommenistauf jedenFallgut,undwennes inderBusinessClassist, fliegeichauchnachBukarest oderBratislava.Ichrufenoch malSabineanunderstatte Bericht. »Checkdocheinfachdie AbflügeamFreitagmorgen umachtUhrfünfzig.Soviele Maschinenwerdendaja nichtgleichzeitigstarten. Dannbleibtdirimmernoch einekleineÜberraschung, aberduweißtungefähr, wohinesgehenkönnte. Überraschunglight sozusagen«,schlägtsiemir vor. Dahätteicheigentlich auchselbstdraufkommen können. »Haltmichaufdem Laufenden!Ichwillüber jedesDetailBescheid wissen«,verabschiedetsie sich. IchschickeRaketeNamen undGeburtsdatumund schreibenur:BisFreitag, 8.00Uhr!Freuemich! Sojetztgibteskein Zurückmehr.Jetztsitzeich quasischonimFlieger. IchkochemeinemSohn einenTeeundfrage,ober etwaszuAbendessenwill. AlleinderGedankelässtihn offensichtlicherschaudern. »HastduFieber?«,willich nochwissen. »Siebenunddreißig Kommaacht!«,jammerter. DakommtderMannin ihmdurch.Frauenwürden das,wennüberhaupt,als leichterhöhteTemperatur bezeichnen.Wennman meinenSohnanschaut,denkt man,erseikurzvordem Ende. »BleibhaltimBett!«,sage ich,»abermorgengehstduin dieSchule,jedenfalls,wenn esnichtschlimmerwird!« »Miristimmernoch schlecht«,jammerterweiter. »Mirauch.Vorallem, wennichandieRosenbei Reimersdenke«,kannich mireinenkleinenSeitenhieb nichtverkneifen. »Wardochkeine Absicht!«,grummelter. Daswärejawohlauch nochschöner.Ichglaube sogar,mitAbsichthätteman einensolchenTreffergar nichtlandenkönnen. »Übrigens«,informiereich meinenSohnundnutzesein hoffentlichlatent vorhandenes Schuldbewusstsein:»ich fahreFreitagundSamstag weg.MitSabine.ZweiTage Wellness.« »Okay«,sagternur. Wahrscheinlichisterfroh, dannkannersichinRuhe wasreinpfeifenundmuss sichnichtsanhören.Habeich tatsächlichgedacht,erwürde »Och,Mama,bleibdochbei mir!«sagen?Sowiefrüher? »Aberdaseinsklarist,wir habennochzureden!Das Themaistnichterledigt!«, sageich,alsichdasZimmer verlasse.»Ichwartenurauf deinenVater«,schiebeich nochhinterher.Ein Ausspruchwieindentiefsten 60erJahren.Eigentlich beschämend. InmeinemFallaber natürlichnicht–ichwarteja nur,damitMisterAmourfou-Paris-trèsbien-ça-va auchseinenTeilder Erziehungsarbeitleisten kann.Alsoistesehereine pädagogischeMaßnahme,die meinenExbetrifft.Ich schickeChristophdirekteine SMS,damiterweiß,was morgenansteht:Gespräch mitunseremSohnmorgenum 16.00Uhr,habeabendskeine Zeit! LiebeGrüßeund Ähnlicheslasseichweg.Mir istnichtdanach. Claudiakommtnichtzum Abendessen.Siebleibtbei denVon-und-Zus.Immerhin hatsieangerufen,um Bescheidzusagen.Daich meineReiseplanenmuss,ist esmirsogarganzrecht.Ich werdevonTagzuTag inkonsequenter.Kein Wunder,dassmeineKinder michnichtwirklichernst nehmen.Ichkannmichan denmeistenTagennichtmal mehrselbsternstnehmen! AuchRudiverlässtdasHaus. »MergehezurIrene.Isch bleibüberNacht,wenn’sder rechtis?«,holtermeine Erlaubnisein.Wenigstens einer,derdastut! »Rudi,dumusstmichdoch nichtfragen,dubist erwachsen!«,lacheich. »Eija,wennwaswesche derKinnerisoderso,gell,da hastduimmerPriorität,des weistde,odä?« Ichweißesundnutzedie GunstderStunde,umihn wegenmeines »Wellnessaufenthalts«am FreitagundSamstagzu fragen. »Freitachisgarkein Thema,rundumdieUhr, auchnachts,abäderSamstag isebisscheschwierisch,mer sinuffdeGarteschowin Kassel,dieIreneunisch,da habemerschonKarte,un ischkannmernetvorstelle, dessdieKinnerda mitwolle.« Daskannichmir allerdingsauchnicht vorstellen.Ihr Gartenbedürfnisistnach unseremherrlichen Schrebergartenausflug sicherlichgedeckt. Natürlichsind»die Kinner«auchaltgenug,um maleinenSamstagalleinzu verbringen,undim Normalfallhätteichmir darüberauchkeinerlei Gedankengemacht.Warum auch?Claudiawürdemit GustavJohannesabhängen, undMarkwürdeeinfachnur abhängenundeinbisschen amComputerdaddeln.Nach meinengestrigen Erfahrungenallerdingssorge ichmich,dassMark kiffkotzendirgendwoBüsche verziert.Ichglaube,der brauchteinbisschenmehran Kontrolle.Dasschreitja geradezunacheinemVaterSohn-Samstag,denkeich. ChristophhatjajetztMiezi purgehabt,dasolltedaswohl maldrinsein. »ZurNotlassischdesaach sausemitderGarteshow,mer sindirjaweißGottwas schuldisch!«,bietetmirRudi an. »Nein,Rudi,deinSohn kannsichauchmal kümmern.Fahrtihrzweinur. Aberdenktimmerdran, schönaufdieSchlüssel aufpassen.Nichtimmerist einerettendeSackkarrein derNähe!« Irenegrinst,undRudi lachtverschämt.»Da brauchstdedirkaaneSorge zumache,mitdemKrambin ischdörsch.Deshatmerför meinLebtachgelangt,den annernKrambringischin denLadenzurück!« Irenezucktzusammen, undmirläufteinSchauer überdenRücken.Welcher andereKram?Welcher Laden? Ichverabschiedediezwei undmacheesmirmitein paarBrotenvordem Computerbequem.Abflüge Freitagmorgenzwischen8.50 und9.00Uhr:WarschauOkecie,Istanbul,Venedig, Nürnberg,Riadund Birmingham. Nürnbergsortiereich gedanklichaus.Manfliegt dochnichtvonFrankfurt nachNürnberg.Daswäre dochlächerlich.Daistman mitdemAutodochdefinitiv schneller.Undwenn NürnbergeineMetropole wäre,dannhätteichdas sicherauchschonmalgehört. Riadkannichmirauch nichtvorstellen.Riadistdie HauptstadtvonSaudiArabienundimMoment, EndeJuni,herrschen(wieich dankInternetschnell herausfinde)dort Temperaturenbis43Grad. DassRaketeeinenKurztrip nachRiadgebuchthat,halte icheigentlichfürnahezu ausgeschlossen.Sooderso packeichmorgenzur SicherheiteinsdieserSuperDeosein.43Grad!Ichhabe esgernewarm,aberdamir momentansowiesohäufig immermalwiedersehrwarm ist,kannichgutaufdiese Affenhitzeverzichten. Warschau-Okeciehabeich nochniegehört.Okecie,wie sichschnellklärenlässt, heißteinfachnurder WarschauerFlughafen. Warschaugiltgarantiertals Metropoleundwäre immerhineinäußerst außergewöhnlichesZiel. NichtuntermeinenTopTen, abervielleichtdennoch hübsch. MitBirminghamverhältes sichähnlich.EineGroßstadt, keineFrage,aberromantisch istanders.Ausmeiner Schulzeithabeichjedenfalls inErinnerung,dass Birminghameinegraue Industriestadtist. BleibenVenedigund Istanbul.Venedigwäre natürlichderHammer.Als Kindwarichmalda.Mein Vaterhatunsdamalsjedem einwinzigkleines TierfigürchenausGlas gekauft.Murano-Glas.Leider hatmeineSchwestermeine EntebeieinemStreitaufden Bodengedonnert.ZurStrafe solltesiemirihrenkleinen Murano-Froschgeben,aber denhatsiebeimÜberreichen ausVersehenfallenlassen. Dassagtvielübermeine Schwesterundvielüber unserVerhältnis.Mein Bruderhatdamalseinen Hundbekommen,umdenwir ihnallebeneidethaben. Venedig:Gondeln,Kanäle, Laternen,derMarkusplatz– Venedigistquasidas SynonymfürRomantik.Ich könntemireineneueEnte kaufen,odersogareinen Hund,schießtesmirdurch denKopf.Schließlichistes niezuspätfüreine glücklicheKindheit.Venedig wäreunglaublich.Lasses Venedigsein,bitte,bitte, hoffeich. JetztbleibtalsLetztes wirklichnurnochIstanbul. IchwarschoninderTürkei, abernochnieinIstanbul. Anita,meineNachbarin,und GesaausderAgenturaber habenmirdavon vorgeschwärmt.»Istanbul ist«,lautGesa»dasneue Marrakesch.Soangesagt,so hip,sovielfältig.« »DietollstenHandtaschen allerZeiten!«,warhingegen AnitasArgumentfür Istanbul.HipundHandtasche stattRomantikundGlashund. Auchgut,entscheideich. EineneueHandtaschekönnte ichmalwiedergebrauchen. WäredasGanzeeine Reiselotterie,dannwäre NürnbergdieNiete, Birmingham,Warschauund RiadjeweilseineArt Trostpreis,Istanbulder zweitePreisundVenedig ganzklarderHauptgewinn. Nochzweimalschlafenund duweißtes,versucheich michzuentspannen.Zur Sicherheitrecherchiereich imInterneteinwenigzu Venedig.Schön,aberteuer, überlaufenvonTouristen, Kaffeenahezuunbezahlbar, lautetderTenor.Ichmuss dringendnochGeldabheben, damitich,zumAusgleichfür diegroßzügigeEinladung, wenigstensmaleinkleines Essenbezahlenkann. IchmachemireineListe, umfürdiePackereimorgen vorbereitetzusein.Wirklich lässigwäreesnatürlich,nur mitkleinemHandgepäckzu reisen,aberichbin mittlerweileineinemAlter, indemnichtmalmehrein Kulturbeutelreinpassen würde.AuchHighHeels nehmenPlatzweg,ichkann jaschlechtinStilettos fliegen.Immer,wennich FrauenmitMörderabsätzen zudenGatesstaksensehe, findeichdassehralbern. Immer–dasklingtjetzt geradeso,alswürdeich ständigdurchdieWeltjetten. Schönwär’s!Abervielleicht wirdesjabaldsosein. Vielleichtistdieserkleine AusflugnachVenedigder Auftaktzueinemganzneuen Leben.JetztVenedig, demnächstLondon,dann Prag.AlleinderGedanke berauschtmich.Unterwäsche –ichbraucheaufjedenFall schöneUnterwäsche. Schlafanzugoder Nachthemd.Oderistbeides spießigundverklemmt? SchläftmanalsGeliebteeher nackt?Oderineinem seidigenHauchvonfast nichts?Meinekarierte Flanellschlafanzughoseist jedenfallsmitSicherheit nichtdasrichtigeAccessoire fürdiesenAusflug.Ein Negligéwäredasrichtige. NurbesitzeichkeinNegligé. Negligékaufen,notiereich aufmeinerListe.Negligé undUnterwäsche.Manchmal mussmanauchinvestieren. HighHeelssetzeichgleich nochmitaufdieListe.Ich habeHighHeels,abereher HighHeelsausder Vernünftige-hohe-SchuheAbteilung.DieseArtPumps, dieauchFlugbegleiterinnen tragen.EinwenigAbsatz, aberdennochirgendwie bequem.MitFußbett!Ich werdemireinpaarSchuhe kaufen,diedenNamenHigh Heelswirklichverdienen. Atemberaubendehohe Stöckel.Ansonstenhabeich alles,wasichfürmeinen kleinenTripbrauche:zwei Kleider,eine(etwaszuenge) JeansmitnettemTopund Blazerundnocheine Strickjacke,sollteesabends maletwaskühlerwerden, währendwirnochauf irgendeinerDachterrasse einenDrinknehmen.Ichsehe michschondastehen–das JäckchenumdieSchultern geschwungen,imArmvon Rakete,mitBlickaufdie Kanäle.Oderbeieiner lauschigenGondelfahrt. EinPiepenreißtmichaus meinerkleinenPhantasie. EineSMSvonChristoph:Ich binnichtDeinAngestellter! Dukannstmichnicht beliebigzuTerminen zitieren.Kommeum 17.00Uhr.FallsDuDich erinnerst,ichgehörezur arbeitendenKlasse! Oh,daistabereiner richtigsauer.Wieschade, dasserjetztmotzigdurch Parislaufenmuss!Dastut mirabersehrleid.Auchfür seinekleineSarahMarie. Aberimmerhin:Dein,dich unddirhater großgeschrieben.Sohathalt jederseineQualitäten. ArbeitendeKlasse!Pah!Er isteinerderChefs,undwenn erum16.00Uhrirgendwohin will,dannkannerdasauch. Espieptschonwieder. DiesmalistdieSMSvon Rakete:Treffenlieber7.45. UndschicknochmaleinBild vondir,damitwirunsauch erkennen! Erweißnichtmehr,wie ichaussehe?Warerso betrunken?Wolltedermich amGerucherkennen?Wieso hatermichdanneingeladen? Weilichsophantastisch küsse?Seltsam! DieBildanfrageverstört mich,abernichtnurdas–sie bedeutetArbeit.Jetztkann ichnämlichdenRestdes Abendsdamitverbringen,ein Fotorauszusuchen,aufdem ichblendendaussehe,das nichtälteralszehnJahreist undaufdemichmirauch nochirgendwieähnlichsehe. Eigentlichnahezu unmöglich.Esgibtnichtsehr vieleFotosvonmirundvor allemeigentlichkeins,auf demichmirgefalle.Immer wennichFotosvonmirsehe, binicherstaunt.Nichtnur, weilichmicheigentlich hübscherfindealsaufden Fotos.Ichfindeauch,dass ichmirgarnichtähnlich sehe.MeinBildvonmir selbstisteinvölliganderes. AufdenFotoshabeichoftso einenverkniffenenZugum denMundundsokleine zusammengepetzteAugen. Seheichtatsächlichso angespanntaus? Fotoschicken,alsoehrlich –dasisteineZumutung.Will ernochmalschnell überprüfen,obersich versehentlicheine unattraktiveKröteeingeladen hat?Waswirdertun,wenn ihmdasFotonichtgefällt? Michwiederausladen? AlleindieAnfragemacht michirgendwiesauer.Schon deshalbsimseichzurück: »IchwerdeDicherkennen, keineSorge.Bis übermorgen.«Also,kein Fotovonmir! Vielleichtwarichjetzt etwassehroptimistisch,aber ichbinmirsicher,dassnicht irrsinnigvieleMännerum 7.45UhramBusinessClass Schalterrumstehenwerden. Ummichnichtzublamieren, googelichHerrnRakete. TomKurz,aliasRakete,hat nichtbesondersviele Einträge.Esgibtseine Firmenseite»Happy Housing«unddiverse Immobilienangebote.Auch imAusland.Bildervonihm gibtesnurdrei–einsist winzigklein,undaufden beidenanderenträgtereine Sonnenbrille.Eine goldumrandetePilotenbrille. EineRayBan.Meine Erinnerunghatmichnicht komplettgetäuscht.Ersieht gutaus.Volles graugesträhntesHaar, Dreitagebart,markanteNase undschöneLippen.Die Unterlippeeinwenigvoller, dieOberlippeeinenTickzu schmal,aberinsgesamt stimmig.Einekleine Unperfektionmacht Gesichterofthübscher,habe ichmalgelesen.Ein tröstlicherGedanke,vor allemfürFrauenwiemich, dievonPerfektion meilenweitentferntsind. Altersmäßigistallesokay.Er ist50.Daserleichtertmich einwenig.Ichweiß,dass auchdasAlterangeblich relativistunddassjunge Männerangesagtsind. Trotzdemhätteesmich eingeschüchtert,wennRakete wesentlichjüngergewesen wäre.Ichredenichtüberein oderzweiJahre,aberein Enddreißigerwäremir definitivzujung.Wennein Mannsehrvieljüngerist, wächstderDruck.Manwill janichtwiedieMuttian seinerSeitewirken.Auch körperlichmachteinjunger ManneherStress.Ichfinde, dassmandasMadonnaauch ansieht.Wasdiesich abplackenmuss,nurumden Ansprücheneinesjungen Geliebtenzugenügen.Zualt istallerdingsgenauso schwierig.Manmöchteja auchnichtgleichindie Seniorenbetreuungwechseln. Wieauchimmer–ich werdeRakete wiedererkennen. DiePlanungmeines wahnwitzigenAusflugsistso gutwieabgeschlossen,nur nocheinpaarBesorgungen, undichbinstartklar.Jetzt abermussichmicherstmal aufdasgroßeKiff-Gespräch vorbereiten.Ichmöchte morgen,mitChristophund Mark,nichtwiedieletzte Ahnungslosedasitzen. »Woranerkenneich,ob meinKindkifft?«,gebeich beiGoogleein. »FolgendeSymptome könnenaufeinen Cannabiskonsumhindeuten: PlötzlicherLeistungsabfall, Desinteresse, Gleichgültigkeit,Passivität undDemotivation.« PlötzlicherLeistungsabfall –ehernein.Markistschon seitJahrennichtbesonders gutinderSchule.Daistnach untennichtwirklichviel Luft,underwirdjanicht kiffen,seitdemerachtist. Desinteresse–ja,mit Sicherheit.Gleichgültigkeit– aucheinklaresJa.Passivität –definitivja.Demotivation– unmotiviertaufalleFälle. Abersinddasallesnicht auchtypischeSymptome einesnormalen Pubertierenden? »WennSieaußerdem einenBongoder Zigarettenpapierzum Selberdrehenfinden,dannist IhrKindmitgroßer Wahrscheinlichkeitein KonsumentvonCannabis.« EinBong–selbstdasmuss ichsicherheitshalbergoogeln –isteineArtWasserpfeife. IchschauemirdieBilderim Netzanundbinmirsicher, soetwashierimHausnoch nichtgesehenzuhaben. Zigarettenpapierhabeich auchnochnichtgefunden, abersoeinpaarPapierchen sindjaauchleichtversteckt, undbisherhabeichniemals imZimmermeinesSohnes herumgewühlt. Abundzuholeichmalein bisschenDreckwäscheaus seinerHöhle,ansonstenlasse ichihnhausen,wieermag. SolangenichtsEssbares rumliegt,sollesmiregal sein.WennderBodenfrei ist,saugeichseinZimmer mitdurch,wennnicht–Pech fürihnunddenBoden.Ich habemichmonatelangüber seinenSaustallaufgeregtund irgendwannbeschlossen,es seinzulassen.Solangeder sichaufseinZimmer beschränkt–bittesehr.Jeder wohnt,wieermag. BeiClaudiaistdas Messie-SyndromeinesTages ganzvonallein verschwunden.Fürihren GustavJohanneshatsieihr Zimmerrichtignett zurechtgemacht.Neuerdings hatsiesogareinenHangzum Dekorieren.Kerzen, Fotorähmchenundandere Dekoartikelstehendajetzt rum.Sorgfältigarrangiert, wahrscheinlichabgegucktbei ihrerzukünftigenAdelsSchwiegermutti. Mark,meinSohn–ein Kiffer?Nein,dasisteinfach unmöglich.Ichhättedoch gemerkt,wennerDrogen nimmt.Dasmussmandoch merkenalsMutter. Drogenkindersinddoch anders,oder?Sinddienicht auchsozialauffällig? ImInternetfindetsich bestimmteineAntwort.Beim Rumsurfenstoßeichaufeine Seite,diesich»DrogenDetektive«nennt. Unglaublich,wasmanalles einfachsobestellenkann: Speicheltest,Urintestund sogareineHaaranalyse.Die Haaranalyseerscheintmir etwassehrteuer.189Euro undachtbiszehnTage Wartezeit.Esseidenn,man legteinenFuffidrauf–dann geht’sschneller.Weitaus günstiger,fürnur25Euro90 gibt’seinKombiset:Urintest undDrogenwischtuch.Ich binsofortüberzeugtund bestelle. Egal,wasMarkmorgen sagenwird,ichwerdedie Wahrheitherausfinden.Das istmirdasGeldwert,auch wennamEnderauskommt, dasserunschuldigist– wovonichzutiefstüberzeugt bin…odereherseinmöchte. Mitmeinem Drogenwischtuchkannich jedenfallsbiszueinemJahr zurückliegenden Drogenkonsumnachweisen. Ha!Derwirdsichumgucken. Ichkommemirvorwieeine verdeckteErmittlerin. AberdarfeineMutterso etwastun?Heimlichund hinterdemRückendes Kindes?Wobleibtdadas Vertrauen?Würdeichmeiner Muttersoetwasverzeihen? Zerstöreichdamitalles,was esangutemVerhältnis zwischenmeinemSohnund mirgibt?Oderisteswirklich zuseinemBesten? Schließlichwillichjanurdie Bestätigung,dassdieKifferVermutungQuatschist.Ich willseineAbsolution.Will ihnmitallenMitteln freisprechen.Bestelltist bestellt–ichkannmirja immernochüberlegen,ob ichdasZeugbenutze. Vielleichtistermorgenja auchgleichgeständig,dann schickeichdenKrameinfach zurückoderbenutzeihnbei Freunden.Wäredochmal interessantzuwissen,wer sichsoallesheimlichwas reinzieht. Ichstöberenochein bisscheninden Immobilienangebotenvon »HappyHousing«.Männer mögenes,wennmansichfür ihrenBerufinteressiertund kompetenteFragenstellen kann.Schonumelfgeheich insBett.Ichkannjeden Schönheitsschlafgebrauchen. Auchwennerwahrscheinlich aufdenletztenMeternnicht mehrvielbringt.Meine Tochteristnochnichtwieder aufgetaucht.Egal–sollsie haltbeidenvonHessges einziehen. Alsichsoalleininmeinem Bett,unseremehemaligen Ehebettliege,fühleichmich mies.IchhättedasBett längstaustauschensollen.Ich schlafeimmernochauf meinerSeite,Christophs bleibtungenutzt.SeineSeite istirgendwietabu.Einleeres Bettisteindeutliches Zeichen.Eingroßes,leeres Doppelbettistüberdeutliches Zeichen.Sollteichmirein kleinesEin-Meter-40-Bett kaufen?Aberwürdedasdann nichtheißen,dassichmich damitabgefundenhabe, alleinzubleiben?Sollteich mirvielleichterstmaleine Katzeanschaffen,umnachts wenigstensirgendwelche Atemgeräuschezuhören? Manchmalahneichnoch ChristophsUmrisseaufder Matratze.Manchmal vermisseichsogarsein Schnarchen. ObwohlChristophmichso irrenervtundgenervthat, fehltermir.Vorallemhier imBett.Obwohldasogut wienieirgendetwas stattgefundenhat,wofür normalePaareihrBett benutzen–alleinseine Präsenzwarschön.Ichweiß, dasistwidersprüchlich,aber esfühltsichmiesanso allein! DieTagerauschenvorbei, derAlltagbietetgenug Ablenkung,aberanden Abenden,wennRuheim Hausherrschtundichhier liege,wirdmirdieTrennung oftschmerzlichbewusst.Ich habeniemandenmehr,anden ichmicheinfachmal anschmiegenkann.Der nachtsWärmeausstrahlt. Christophhateinen wunderbarwarmenKörper. Immer,zujederJahreszeit. WieeinkleinerOfen.Jetzt istniemandmehrda,unter denichmeinekaltenFüße schiebenkann.Niemanden, denichdafürverantwortlich machenkann,wennich schlechtgeschlafenhabe.Es istkeinermehrda,dersich ummichkümmertodermir wenigstensdasGefühlgibt, sichummichzukümmern. Wennichhierinmeinem Bettliege,neigeichdazu, dasGeweseneeinwenigzu verklären–ichweiß.Und klar,lagvielesimArgen, abertrotzallemkannmanes dochvermissen.Auchwenn esnichtimmergutwar. Alleinzuseinheißtja,eszu zweitnichtgeschafftzu haben.Scheiternistnie schön. MeineMutterwürdejetzt sagen:»Ichhab’sdirgleich gesagt.Selbstschuld, Andrea!Hättestdumalauf michgehört!Nurdieseseine Mal!« Auchwennmanselbst schuldist,kanneswehtun. Fastnochmehr.Ja,ich wollte,dasswirunstrennen, aberdarfichdeswegennicht einkleinesbisschen jammern?Manchmalwird einemjaaucherstnacheiner Trennungklar,wassie bedeutet.Welche Konsequenzensiehat.Undje längerdieTrennung zurückliegt,umsostärker rückenpositiveErinnerungen indenVordergrund.DieWut machtderTrauerPlatz.Beim EinschlafenhabeichBilder inmeinemKopf,Bildervon ChristophundseinerMiezi inParis,Bildervonmirund ChristophinParis.Bilder, aufdenenwirlachenunduns umarmen.Unssovertraut sind.Soverliebt.So glücklich. Ichmussweinen.Ichhätte jetztdieFrauinParissein können.Washabenwirbloß getan?Washabeichbloß getan?Wiekannermichnur soschnellersetzen?Waswill ermitderTussi?Lohneich denKampfnicht?Hätteich gerne,dasserummich kämpft,weilichihnwirklich wiederhabenmöchte,oder nurweilesmeinverletztes Egosowill?Ichweiß überhauptnichtmehr,was ichwill.Undauchdasistein Grund,umweiterzuweinen. Ichweine,weilichweineund eigentlichnichtweiß,warum. Ichtraureumdas,wasmal war.TraureumsGlückoder das,wasichdafürhalte.Ich weine,bisicheinschlafe. 2 AmnächstenMorgengehtes meinemSohnbesser.Scheint wohldochkeinganzso schlimmerViruszusein.Er hatdieNachtüberlebt,der EimernebenseinemBettist leer.Abererwilllieberzu Hausebleiben.»Sicherist sicher,Mama!Miristnoch nichtsogut!« Ichbestehedarauf,dasser indieSchulegeht. »Ichglaube,ichhabenoch Fieber!«,ziehterseine persönlicheSchul-FernbleibTrumpfkarte. »Dusiehstnichtsoaus, unddufühlstdichauchnicht soan,aberwirkönnengerne messen«,sageichnur. »Istjagut,ichgehja«, grummelter. Immerhinweißer,wanner verlorenhat,undschwingt schonmaleinBeinausdem Bett.EinhaarigesBein. Wannsindihmbloßdiese Haaregewachsen?Dasist wirklichkeinKinderbein mehr.MeinSohnwirdzum Mann. »Willstdufrühstücken?«, frageichdenangehenden Kerl. »Klar«,brummter.Auch dieStimmeistrichtigtief. »Okay,beeildichund kommrunter,ichmachdir was.Unddenkdran,heute Mittagredenwir!DeinVater kommt!« DieAntwortisteineArt unwilligesGrunzen.Danke fürsGespräch. Claudiaistnichtda.Siehat beiihrerWahlfamilie übernachtet,miraber immerhineineSMS geschickt.Habmein Schulzeugdabei,bleibebei denvonHessges,komme morgennachder8.Stunde. KeinKuss,keine Entschuldigung,nurdiese schlichteInformation. Abgeschicktgesternum 00.15Uhr.Eigentlichgeht dasnicht.Vorallemnicht, wennmanschonzum AbendessenhättezuHause seinmüssen.Dieschnappe ichmir,wennwirdas KiffgesprächmitMarkhinter unshaben.Einernachdem anderen. HeuteAbendbinichauch nochbeiunserenNachbarn eingeladen.BeiSackgassenKatiundihremMann Siegmar.Bisvorguteinem Jahrhatteichwenigmitden beidenzutun,aberseitder Trennungsindsiesehrum michbemüht.Eine Ausnahme.FürvielePaare steheichseitdemaufeiner ArtrotenListe.Ichwerde selteneingeladen.Nacheiner Trennungsteigtmanaufin dieLigaderpotentiell gefährlichenFrauen.Als würdemansich,kaumdass dereigeneMannwegist,wie einausgehungertes,wildes TieraufdenRestderMänner stürzen–dasersteStück Fleischnachjahrelangem Kräuterverzehr. Istmanperse ungefährlicher,wennman einenPartneranseinerSeite hat?Denkendiewirklich, dassichnachalldenJahren, diewirunsjetztkennen, plötzlich,nurweilichallein bin,inrasenderLiebezu einemihrerMänner entbrennenwürde?Eskränkt mich,nichtmehr automatischdazuzugehören. Eskränktmich,wennFrauen sichdemonstrativandie SeiteihresGattenstellen, ihrenArmumihnlegen, kaumdassicheinWortmit ihmspreche.Waswollensie mirdamitsagen?Etwa: »Fingerweg,dergehört mir!« Anita,meineNachbarin, habeichdaraufauch angesprochen. »Naja,dassindhaltalles Paare.Daistdasdoch irgendwieblöd–auchfür dich,oder?«,hatsie,ein wenigverlegen,geantwortet. »Wennesfürmichblöd ist,sagichesschon.Ich findeesvielblöder,auf einmalnichtmehreingeladen zuwerden«,habeich gekontert.Daswar überraschendmutigvonmir. Normalerweisemeideich jedeFormvon Konfrontation. DaraufhatteAnitakeine guteAntwort:»Achso,naja, dannweißichjaBescheid«, hatsienurgesagt. Jetztweißsiealso Bescheid.Unddasiealles rumtratscht,weißgarantiert auchderRestderSiedlung Bescheid.Geänderthatsich trotzdemnichts.Esgibt einfachVorbehaltegegen Singlefrauen.Alswürdeman sichabeinembestimmten Altereinfachverzweifelt alleskrallen,wasnochatmet undeinenHauchvon Testosteronversprüht.Kein Mannausmeiner Nachbarschaftkämefürmich inFrage.Soalleinkannich michgarnichtfühlen,undso vielkannichgarnicht trinken,dassichdas überhauptinBetrachtziehen würde–genaudashätteich amliebstenzuAnitagesagt. Habeesaber runtergeschluckt,weilich nichtunhöflichseinwollte. Schließlichisteinerder Männer,dieichnichthaben will,ihrer:Friedhelm.Allein derGedanke! KatiundSiegmarsinddie Einzigenhier,diemich seithereingeladenhaben. Abends,zusammenmit anderen.Ichredenatürlich nichtvonirgendwelchen Kaffeeklatschnachmittagen oderFrauenfrühstücken.Da binichsehrwillkommen. Immerhinhabeicheine Trennunghintermir,und Christophhateineneue Freundin.Mitanderen Worten:Ichbiete ausreichendGesprächsstoff. Ichhabeetwasgewagt,was diemeistennichtmalin Betrachtziehen.Undichbin ofteinweniggeknickt,was dieanderendarinbestärkt, auszuharren,mitweniger zufriedenzusein.Ichbindie, dieaufdieandereSeite gewechseltistundnun merkt,dassdasGrasdort wirklichnichtimmergrüner ist.Ichbinihre personifizierteWarnung.So alsosiehtdieAlternativeaus, denkensieundhaltendas fest,wassiezuhaben glauben.NachdemMotto: Allesistbesser,alsalleinzu sein. Ichdenke,dassmindestens zweiDrittelmeiner FreundinnenundBekannten nichtglücklichinihren Beziehungensind.Unddas istfreundlichgeschätzt.Aber dieAngstvordem,wassie erwartet,istanscheinend größeralsdasUnglück,das sieertragen.Mankanndas feigefinden.Oder vernünftig.Jenach Perspektive.Vielleichtauch beides.Jenacheigener Tagesformkannmein Plädoyerdasehr unterschiedlichausfallen. ManmussalsFrauenaber aucheinfachwissen,dasses seinkann,dassdanichts mehrnachkommt,dassman alleinbleibt.Unfreiwillig allein.Unddasistfürviele dasSchlimmste,wassiesich vorstellenkönnen.Eigentlich verwunderlich.Istes wirklichschlimmer,keinen Mannzuhaben,alseinen lieblosen,unfreundlichen Mann?Brauchenwirden MannanunsrerSeite,umuns komplettzufühlen?Kann dasLebenohneMannnicht auchwunderbarsein?Oder istdasreinePropaganda? Kannmanmitsichselbst glücklichwerden,oderist dassogardieVoraussetzung, umüberhauptglücklichzu sein–auchzuzweit?Tja, dannsollteichmitdem Glücklichwerden schnellstmöglichanfangen. Wennmansichtatsächlich aufdieSuchebegibtoder auchnurdieAugenoffen hält,merktman:DerMarkt istbegrenzt,dieAuswahlan gutenMännernehermau. Männerhabenesindieser Hinsichtwesentlichleichter. Selbstreichlichramponierte Exemplare,mitganz offensichtlichenMacken, gehengutweg.Siehaben ebennichtvielKonkurrenz. DassiehtbeiFrauenanders aus.Dadraußentummeln sichmassenhaftgepflegte, gebildete,gutaussehendeund unabhängigeFrauenim mittlerenAlter.Dasführtzu einemgewissen Ungleichgewicht.Dazu kommt,dassFrauensich gernezumindestauf Augenhöheliieren.Der Chefarztunddie Krankenschwester–kein Thema.DieManagerinund derSekretär–eherselten. Nochimmergibtesviele Frauen,die,lauteigener Aussage,gernzueinem Mannaufschauenmöchten. Warumeigentlich?Was genaubedeutetdas?Musser mehrGeld,mehrMacht, mehrIntelligenzodermehr Statushaben?Oderbitte gleichalles?Machtdaseine Partnerschaftpersestabiler? Undwiesoeigentlichmuss einMannimmerallesbesser wissen?Ichsuchejakeinen Lehrer.Ichwillallerdings auchkeineLehrerinsein.Ein gewissesMaßan Allgemeinbildungist unverzichtbar.Liebereiner mitWampealseiner,der nichtinderLageist, DeutschlandsBundesländer aufzuzählen.Bildungslücken, sogroßwieFreibäder,sind schwerauszuhalten.Zumal, wenneinerglaubt,dienicht schließenzumüssen,aber dennochdenkt,fürsLenken undBestimmengeborenzu sein.SchnellesDenkenund einegewisse Allgemeinbildungsindja außerdemdie Grundvoraussetzungfür Humor–undalldas zusammenhateineMenge Sexappeal. Ichdenke,dassehen Männeroftetwasanders. Doppel-D-Körbchen kompensierenfürdiemeisten vonihneneiniges.Männer habenesoffenbarlieber, wennFrauenvonallemeher einbisschenwenigeralssie selbsthaben–ausgenommen imDekolleté.EineFraudarf ruhigschlausein,abereben nichtganzsoschlauwieer. Dastutseinem Selbstwertgefühlgut.Erwill keinangekratztesEgo. Partnerschaften,indenen siewesentlichmehrGeld verdientalser,sindlaut Statistikgefährdetund anfällig.DaskönnenMänner nurschwerertragen. Umgekehrthabeichnoch seltenBeschwerdengehört. »Ach,deristmireinfachzu reich!«,wirdseltenerwähnt. Immerhinistdasbeimir keinProblem.Ichbinkeine Frau,diewahnsinnigviel verdient.MehrMacht,mehr GeldundmehrStatusalsich habenviele.Sehrviele. Macht,GeldundStatussind mirnichtirrewichtig. Natürlichistesschick,mit einemAstonMartinabgeholt zuwerden,miteinem PrivatjetinsSommerhaus nachSüdfrankreichzu fliegen(einewunderbare Vorstellung,obwohlmir ItalienoderSpanienlieber wären),abermeinPositzt auchineinemVWSharan gut,undichkannmichauch imPauschalurlaub amüsieren.Ichmussmit einemMannnichtangeben können,aberermussmir gefallen,unddasistschwer genug.Ichwilllachen können–amliebstenmit ihmzusammen,ersollkein Dummkopfsein,ichwill tollenSexhaben,genügend Zärtlichkeitundmichnicht langweilen.Ermussnettzu denKindernsein,ermuss michoptischansprechenund mirguttun.Ichmussihn leckerfinden.Ansichkein wahnsinniganspruchsvolles Profil.SolcheMännermuss esdochgeben! Aberwollensolche Männermich?Waserwarten die?SindFrauenheute immernochTrophäen,die hauptsächlichdafürsorgen sollen,dassandereMänner beeindrucktsind?Schöne Geschöpfe,diealsZierrat dienen?Oderistdasnurin ganzbestimmtenKreisenso? WollennormaleMänner nichtauchgenaudas,wasich will?Esschönhaben.Sich wohlfühlen.Sichaufdem Sofaanjemanden ankuscheln.Jemandengerne anfassen.EinGlasRotwein zusammentrinken. WollenMännerpartout jungeFrauen?Oderistdas einKlischee?Wennihre EhenindieBrüchegehen, suchensichMännerhäufig jüngereFrauenals Folgepartnerinnen.Sie wollennichtwiedereine,die sievollnörgeltundalles besserweiß,diesagt:»Wo zweischmutzen,müssen auchzweiputzen!«Eine,die RechteeinklagtundPflichten verteilt.SiewolleneineFrau, diesagt:»Wow,Norbert,was duallesweißt!Erklärmirdas dochmal?«Eine,dienicht nachfragt,obseineIdeenfür dieReorganisationder Abteilungwirklichsobrillant sind,wieerbehauptet,und dieFreudentränenweint wegeneineskleinenLouis VuittonTäschchens,selbst wenneseinFakeist.Denn dasmussschondrinsein,für alldieBewunderung.Jüngere Frauensehendasvermutlich vielpragmatischer: Lobhudeleigegen Versorgung.Natürlichsind sieimZweifelsfallauch knackigerundkörperlich besserinForm,aberich glaubenicht,dassdasder eigentlicheGrundist,warum MännerjüngereFrauen habenwollen.Esisteine angenehmeBeigabe.Denn eigentlichgehtesihnen darum,sichselbstnochmal jung,wichtigundbedeutend zufühlen. ObichmitRaketelachen kann?TollenSexhabe?Ob ermirguttut?Willichmit ihmaufdemSofakuscheln undeinGlasRotwein trinken?Ichhabekeine Ahnung.Ichhabeineiner Gefühlsmischungvon ÜberschwangundAlkohol mitihmgeknutscht.Daswar schön.Eswarunüberlegt, aufregend,spontan–aus einerLauneheraus,aber schön.Vorallemhatesmir gefallen,dassmichjemand offensichtlichbegehrt,mich sovollerLeidenschaftküsst. Eshattegarnichtunbedingt sehrvielmitihmalsPerson zutun.Ehermitmir.Zuihm kannichgarnichtvielsagen. Ichweiß,dasserbeiFrauen ankommt.Ichbinmirsicher, dassmanchemirdieseKüsse neiden.Ichweiß,dassmir dasegalseinsollte,aberes gefälltmir.Ichweißauch, dassereigentlichnicht hundertprozentiginmein Beuteschemapasst.Erist einenTickzugeleckt.Zu schnöselig.AberseinStatus alsObjektderBegierde,als »guterFang«,machtdas wett.AlleinderGedanke, dassichihnpräsentieren kann.Erhatwasvoneinem Trophäen-Mann.Ermacht washer.Obdauerhaft,dasist eineandereFrage.Abergeht esbeimirum Dauerhaftigkeit?Zieheich dafürsojemandenwie Raketeüberhauptin Betracht?Oderweißich insgeheimlängst,dasser, wennüberhaupt,nurfürein Abenteuertaugt?Auf meinemSofakannichmir ihnjedenfallsirgendwienur schwervorstellen. VorderTrennungwarichnie beiSiegmarundKati eingeladen.Wirkanntenuns, habenunsaufderStraßenett hallogesagt,aberFreunde warenwirnicht.Katiisteine Freundinmeinerdirekten NachbarinAnita,undbeider habenwirunsabundan gesehen.Aufeinerder berüchtigtenFrühstücksBrunch-Veranstaltungenvon AnitahatKatimalfür einigenWirbelgesorgt,als sieausgeplauderthat,dass sieundSiegmareineoffene Beziehungführenundbeide regelmäßigzumBrazilian Waxinggehen.Anders ausgedrückt:Siesindsexuell flexibel,vögelnquerbeet, unduntenrumtragensie nichts.Wederernochsie. BeidererstenBegegnungmit Siegmarnachdieser Offenbarung,ander KäsethekeimSupermarkt, binichauchwirklichknallrot angelaufen.Ichkonntemich nurschweraufGoudaundCo konzentrieren.Zuwissen, dasserintimrasiertist,hat micherschüttert.Wiesotut einerwachsenerMannso etwas?Einerseitsfragtman sichdas,andererseits–was sagtdasletztlichübereinen Menschenaus?Nichts,außer dassersichinSachen Schamhaarnachdem aktuellenTrendrichtet.Bei MännernsollderGrundauch oftdersein,dassderPenis ohneWildwuchsrundum größerwirkt.Bitteschön– jeder,wieermag.Ichhoffe, dassRaketenichtim Siegmar-Lookdasteht,wenn dieUnterhosefällt.Abergut, aufdieFunktionhatdasHaar jakeinenEinfluss. ZurückzuKatiund Siegmar.Siesindeinfach nettzumir,unddasgefällt mirselbstverständlich.Jeder Menschwirdgernenett behandelt.Siesindandersals ich,aberdaskannjaauch interessantsein.Siefinden außerdem,ichhättemichzu meinemVorteilentwickelt, seitChristophausgezogen ist.Ichwürdemichmehr trauen.DashatKatizumir gesagt,justandemTag,an demichmeinenneuen tiefdunkellilaNagellack ausprobierthabe.Obdas schoneinZeichenvonSichwas-Trauenist?Egal.Eswar aufjedenFallschön,mal eineArtLobzubekommen. HeuteAbendwirdbeiden beidengegrillt.Grillenistim Sommerinder Reihenhaussiedlungfast schonPflichtprogramm.Da wirdderKugelgrilloderder Gasgrill(jenachIdeologie desmännlichen Hausbewohners!)im Gärtchenaufgebaut,undder Würstchenduftziehtüberdie kleinenBuchsbäumchen. BeimThemaGrillenfällt mirsofortmeinCrocsFußpflegerein.Derhatte irgendwiewas.Irgendwas Sexy-Animalisches.Naja, aberebennurirgendwas,und dasauchnureinbisschen. Wennichanihndenke,sehe ichvormeinemgeistigen AugesofortBilder,wieer mitderHornhautraspelinder HandraueFersenbearbeitet. Nichtsehrverlockend. Ichmachemirgedanklich eineListevondem,wasich heutealleserledigenmuss. HeuteVormittagmussichin dieAgentur.Danneinkaufen, SalatfürheuteAbend machen,GesprächmitMark undChristophführenund natürlichKofferpacken.Ach ja,undnocheinpaarklare WortemitmeinerTochter sprechen.Manchmallähmt michalleinschonder Gedankeandas,wasallesauf meinerTo-do-Listesteht. KurzbevorichdasHausin RichtungBüroverlasse,ruft meineMutteran.Mist,die hätteeigentlichauchauf meineTo-do-Listegehört. »Wenndudichschonnicht meldest,Andrea,dannrufe ebenichan.Wiegehtes dir?«,fragtsiemiteiner Stimme,dieklingt,alshätte icheineschwereunheilbare Krankheit. »Gut,ichhätteheuteauch angerufen«,antworteichund beschließe,mich,egalwas siesagt,nichtaufzuregen. »IchmussinsBüro.Gibt’s wasWichtiges,oderkönnen wirspätertelefonieren?«, frageichschnell. »Ichhabegehört, Christophistmitdiesem jungenDinginParis!Weißt dudavon?Wasgedenkstdu denninderSachezutun?« »IchweißBescheid, Mama«,antworteich,»und ichkanndawohlnichtstun. SollichsieausFrankreich ausweisenlassen?Mitder UN-Eingreiftruppeabholen lassen?« »Ironieisthiervölligfehl amPlatze,Andrea.So langsammusstdudir wirklichSorgenmachen.Das nimmtFormenan,dienicht mehrzukorrigierensind. Wenndujetztnichtalles gibst,isterdefinitiv verloren!«Sieseufzt. Ichregemichnichtauf, ichregemichnichtauf,ich regemichnichtauf.Dochich regemichauf!»Mama,was sollichdeinerMeinungnach tun?Sieumbringen,ihn entführen?Ihnanmich ketten?Erhatdas entschieden,ichhabeden beidenkeinTicketgekauft!« AufdieseArgumentegeht meineMutterüberhaupt nichtein:»Andrea,im übertragenenSinnhastdu ihnendurchausdieTickets gekauft.UnddasNächsteist danndieScheidung.Erwird mitdieserFrauKinder haben.Dieistjung,diewill bestimmtwelche,unddu weißt,wieschnellsowas passiert.Zack,istdie schwangerunddukannst sehen,wiedudich durchschlägst–auch finanziell.Nochhastdudie Chance,dieSache hinzubiegen,abersolangsam wirdeseng.DeineSchwester machtsichauchSorgen.« »UndmeinArbeitgeber auch,wennichnichtbald auftauche!«,beendeichdiese unerquicklicheDiskussion, diejaeigentlichkeineist.Es ist,wiemeist,nureine AnhäufungvonVorwürfen. »WennduamSonntag zumKaffeekommst,können wirinRuhedrüberredenund eineStrategieentwickeln. DeineGeschwisterkommen auch!«,lädtmichmeine Mutterein. Einüberausverlockender Gedanke!Uah! »IchbinamWochenende nichtda.IchfahrmitSabine zumWellness-Wochenende! Ihrmüsstalsoalleine Strategienentwickeln–das könntihrjaehbesserohne mich!«Ichbinichnundoch einwenigbeleidigt. »Tja,obdasindeiner Situationdierichtige Maßnahmeist,insWellnessWochenendezufahren,wage ichzubezweifeln.Davon kommterbestimmtnicht wieder!Abertu,wasdunicht lassenkannst,dubistjaalt genug«,istsienunauch beleidigt. Daskönnenwirzwei wirklichgut,unsgegenseitig verärgern.Esgibtkaum jemanden,dermichsoauf diePalmebringenkannwie meineMutter.Ichliebesie, aberichkannsienurin kleinen,homöopathischen Dosenertragen. »Siemeintesdochnur gut!«,hatChristophfrüher immerParteifürmeine Mutterergriffen.Meintsiees tatsächlichnurgut,oderwill sieeinfachnur,dassdieWelt undihrUmfeldso funktionieren,wieesihrgut passt?Denktsiewirklich darübernach,wasfürmich, ihreTochter,gutwäre,oder gehtesnichtdocheherum das,wasihrgutgefallen würde?Binichgenauso, wennesummeineKinder geht?Willichfürsienicht auchdas,wasichfürrichtig halte?GeradebeiClaudia. Ichwill,dasssiezielstrebig ist,dasssieeintolles Studiumabsolviertundnicht, dasssieihremGustav JohannesaufBiegenund Brechenzugefallenversucht. Ichwill,dasssiestark, selbständigundunabhängig wird.Siehingegenwill momentannureins:rundum dieUhrmitihremLiebsten zusammensein.Istdasso sträflich?Sollteichmich nichtfürsiefreuen?Trifft das,wasichmeinerMutter vorwerfe,nichteinszueins auchfürmichzu?Störtes michsodermaßenanihr, weilichganzgenausobin? Willauchich,dassmein persönlichesUmfeldsolebt, wieesmeinerVorstellung entspricht?Fehltesmir, genauwiemeinerMutter,an Toleranz?Naja,immerhin stelleichmirdieseFragen– ichkannmirkaum vorstellen,dassmeineMutter dastut. ImBürokannichmeine Klappemalwiedernicht halten.Icherzähle–mitvor Stolzleichtgeschwellter Brust–ganzbeiläufigvon meinerEinladungnach Venedig.(Eswirdschon nichtWarschausein!)Dabei versucheich,mirmeine Ekstasenichtanmerkenzu lassen,undtuefastso,als würdeichständigzu romantischenWochenenden eingeladen.SilkeundGesa sindplatt. »Echt,dufährstmit RaketenachVenedig?Also, dasistjaunglaublich!Der mussjawirklichvollauf dichabfahren.Washastdu dennmitdemgemacht?«; willSilkewissen. Geradeso,alshätteich eineganzbesondere Kusstechnikoderirgendeinen Trick,derMännerzum Erliegenbringt.Schönwär’s. AlleindieBlickevonGesa undSilkesindeinigeswert. Esistalbern,aberdurch dieEinladungvonRakete habeichbeimeinen Kolleginnenenorman Achtunggewonnen.Das InteresseeinesManneskann deneigenenMarktwert,wie ichhiermerke,ganz offensichtlichsteigern–das istärgerlich,fühltsichaber trotzdemirgendwiegutan. Ichlasse,auchversuchsweise beiläufig,nocheinfließen, dasswirBusinessClass fliegenundineinemirre schickenHotelübernachten werden.Ja,dasistplumpe undplatteAngeberei.Dasist eigentlichrichtigwürdelos, unddavonabgesehen,habe ichkeineAhnung,obwirin einemschickenHotel wohnenwerden.Dasistalso nichtnurAngeberei,sondern womöglichauchnoch gelogen.Machtnichts,denke ich,erwirdschonnichtim letztenSchuppenmitmir absteigen,unddiebeiden sindjaauchnichtdabei,um meineAussagezu überprüfen. »Ichmühemichbei Parshipab,steheabendsin Clubsrum,unddugehst einmalausundschnappstdir gleichauchnocheinenvon denechtangesagtenTypen. Dumusstmirverraten,wie dudasmachst!«,bettelt Gesa,undmankannförmlich sehen,wasihrdurchden Kopfgeht:Wiekanndasnur sein?Dieistälterundjaauch nichtsohübsch! »Also,dashätteichnicht fürmöglichgehalten!Du musstunshaarkleinBericht erstatten.Schlaftihrim Doppelzimmer?«,wirdsie vonSilkeunterbrochen. »Dassehenwirnoch«, kichereichundbinselbst unsicher.Bisherwarich davonausgegangen. Natürlichhätteesnochmehr Charme,wennerzwei Zimmergebuchthätte.Das würdedemAusflugeine andereNotegeben.Aber,mal ehrlich,warumsollteermich dannmitnehmen?Ichbin keineausgewieseneItalienoderVenedigexpertin,und dassermichals Gesprächspartnerinso amüsantfindet,dassermich direktaufeinen Wochenendtripeinlädt,wage ichzubezweifeln.Sehrviel gesprochenhabenwir, jedenfallsinmeiner Erinnerung,nicht.Eskann eigentlichnurumSexgehen. Natürlichwillmanlieberals großesGanzesbegehrt werden–Geist,Körperund Charakter–alsGesamtpaket eben,aberwasnichtist,kann janochwerden.Wenner micherstkennenlernt,wird erschonmerken,wasichfür einetolleFraubin. DieFrageistnur:Binich tatsächlicheinetolleFrau? Gibt’sdadraußennichtjede Mengebessere?Optischmit Sicherheit.Ichbinals SchulnoteeineDrei.Die würdeichmirjedenfalls selbstgeben.Dreiheißt: Befriedigend.Alsoschon ganzhübsch,abernicht umwerfend.Ichgehörenicht zudenFrauen,nachdenen mansichaufderStraßemit halboffenemMundumdreht. Ichbinguterbisgehobener Durchschnitt.MeineFigurist inOrdnung,aberesisteben dieFigureinerFrau,diezwei KinderundandereHobbys hatalsPilates,Marathon, YogaundFitnessstudio.Mit etwasmehrAufwandkönnte meinKörpersichereinwenig strafferundknackigersein. NurwürdederAufwandim VerhältniszumErgebnis stehen?Ichdenkeehernicht. AlleinschonderGedankean einMehranAufwandmacht michsehrmüde. MeineOberschenkelsind etwaszukräftig,mein Hinternauch.Ausmeinem Hinternkönntemanzwei kleineniedlichePopos machen.Obenrumistalles ganzinOrdnung.Meine Brüstemagich.Auchwenn sienichtmehrganzanOrt undStellesind.MeineHaare sindzudünn,meinKinnist einwenigzuspitz,derRest geht.MeinIQentspricht auchinetwaeinerDrei.Ich habebisherkeineAnzeichen vonHochbegabungbeimir entdeckenkönnen,binaber dennochkeinestrunzdumme Tussi.Dasistallessoweitin Ordnung.Tollistaber sicherlichanders. »Dumusstdichselbst lieben,damitanderedich liebenkönnen!«,sagtmeine FreundinHeikegerne. Liebeichmichselbst?Ist dasnichteinwenig narzisstisch?Einedochsehr spirituelleWeisheit?Ich findemichokay.Ja,ichbin zufrieden.Eshätte schlimmerkommenkönnen. Aberwennichmichselbst, quasivonaußen,betrachte, seheichdurchausDefizite. ZurBegeisterungfürmich selbstneigeichnicht.Ich halteeinengewissen RealismusinderHinsicht auchfürbesser. Heike,mitderich zwischendurchschnellmal telefoniere,hältmeinen kleinenWochenendtrip übrigensfürkeinebesonders guteIdee. »Dukennstdochdie Männer,Andrea!Wiesodie Kuhkaufen,wennmandie Milchumsonsthabenkann!« AndemSpruchist sicherlichwasdran– einerseits.Aber andererseits…Ichhabemal gelesen:»WozudasSchwein heimbringen,wennmannur einbisschenvonderWurst will!«Genaudasistes eigentlich,unddasantworte ichHeikeauch. »Sokennichdichgar nicht!«,tutsieentsetzt,muss dannaberdochlachen. »Wenndassoist,dannviel SpaßinVenedig,Warschau oderwoauchimmer.Die Stadtspieltjabeideinem Vorhabenkeinegroße Rolle.« SilkeundGesasindden gesamtenVormittagimBüro komplettaufgeregt,gerade so,alswürdensieinsheiße Wochenendestarten.Beiall derFragereigebeichmich zurückhaltendundauchein bisschengeheimnisvoll. »HaltunsaufjedenFall aufdemLaufenden!«, verabschiedendiebeiden sichundwünschenmir kicherndganzvielSpaß. Totgearbeitethabenwir unsheutejedenfallsnicht. AlsichnachHausekomme, hatRudischongekocht.Er kümmertsichwirklichhäufig umsEssen,seitdemerden Kochkursbesuchthat. »Ach,Andrea,desismer allesimmernochsoirre peinlisch!«,stöhnter,alser michsieht. »Ichhabeesschonfast vergessen,Rudi.Erinner micheinfachnichtmehr dran!«,antworteichund musssofortandenrosa PuschelaufIrenesPo denken. RudihatRisottogemacht. MitgrünemSpargelund Champignons.Essolltensehr vielmehrMännerin Kochkursegehen.Mansollte Kochkursezum Männerpflichtprogramm machen. WährendRudiseinRisotto umrührt,»Mermussviel rührn.DesisdesGeheimnis vonemguteRisotto!«, erzähltermirNeuesaus seinemLiebesleben:»Mit derIreneunmirisesgrad schwierisch.Irschendwie strengtdiemischmehran, alssemirguttut.Ischwill kaanStress,undmaehrlisch, achwenndenetdranerinnert wernwillst,desmitdene Handschelleunso,deswar netmeiIdee.Ischhab’sgern ganznormal.Ischbrauchda keiArtistikunsowas.« »AberdumagstdieIrene doch«,versucheichdie Handschellenausseinem Kopfzubekommen. »Ja,ischmagseganzgern, abäischhab’saachgern geruhsamundwillnetalsso enHeckmeck.Unmermacht desirschendwieStress,wenn aanedauerndwaswill!«, erklärtermirseine Gefühlslage. Dasklingtnichtgutund hörtsichnachTypisch-Mann an.Spaß–ja,esnetthaben– ja,aberanstrengendsolles bittenichtsein.Sobald FrauenAnsprüchestellen, wirdesdenmeistenMännern zuviel.Daistselbstmein RudikeineAusnahme. Schade. »Aberesistnunmalsoin einerBeziehung–jederhat seineWünscheund Bedürfnisse«,gebeich therapeutischenRat. »Beziehung!Ei,ischhab niegesagt,dessischne Beziehungwill.Mermache Sachezusamme,abämersin janetverheiratet.Deswar ischschonma,undeswerde ischsichernetwiedätun. Ischhättdesallgerneherso unverbindlischer«,istseine prompteAntwort. Unverbindlich,abergerne mitSex.Schonwieder typischMann.Ichglaube nicht,dassseineIrenesich damitzufriedengibt. »UndwashältIrenevon deinen Unverbindlichkeitsabsichten?« frageichnach. »Sodirekthabischihrdes nochnetgesacht!Mehrso angedeutet«,gibterzu.Also isterauchnochfeige. »Dumusstschonehrlich mitihrsein.Dashatsienicht verdient!«,ermahneichihn. »Deshatsichirschendwie nochnetergeben«,wehrter meineVorwürfeab. »Dubistdochkein Feigling.Oderhastduetwa keineEierinderHose?«, werdeichjetztdeutlicher. »Duhastjarescht«,lenkt erein.»Ischwerd’s demnächstemalanspreche. Siewillaach,dessischbei ihreinzieh,unwerklisch, Andrea,deswillischuff kaanenFall.Ischbingern hierbeieuch,deswirdmer sonstaanfachzueng.Lebe willischliebähiermit euch.« Rudi–ausziehen?Ich schaueaufdasappetitliche Risottounddenke:Nein. Nein,dengebeichnichther. WirsindeingutesTeam, Rudiundich. »Ausziehenwürdeauch einbisschenweitgehen«, wechsleichjetzt,auspurem EigennutzdieSeite.Tutmir leid,Irene,denkeich,aber beiallerweiblichen Solidarität,dasRisottowird weiterhinhieraufmeinem Tischstehen. »Ichlassedichaufkeinen Fallausziehen!Soweitmuss esjanichtgehen.Mankann jaaucheineBeziehunghaben undtrotzdemgetrennt wohnen!«,unterstützeich meinenSchwiegervater. »Merwernessehen!«, knurrterunderklärtdas Risottofürfertig. Kaumstehtesaufdem Tisch,sindauchschondie Kinderda.Fastalshättensie vorderTürgelauertundnur daraufgewartet,dasses Essengibt. Claudiaistmalwieder schlechtgelaunt. »Wasistdennlos,mein Schatz?«,bemüheichmich, obwohlesansichkeinen Grundfürausufernde Freundlichkeitgibt.Aberder Gedankeanmeinen wahnwitzigenAusflugund dieErinnerungandie GesichtervonGesaundSilke heuteMorgenmachenmir unverhältnismäßiggute Laune. »Bingenervt«,antwortet sieundschlingtdasRisotto insichrein. »Wovondenn?«,versuche ich,soetwaswieeine Konversationentstehenzu lassen.»VonderSchule?« »Daseh«,antwortetsie, »aberauchvonGustav Johannes.« Oh,dassindjaganzneue Töne.Ichbinkurzdavor, michzufreuen,darfmirdas abernatürlichaufkeinenFall anmerkenlassen.Zeigeich jetztBegeisterung,wirdsie ihnsofortverteidigen.Also mussichesgenauumgekehrt machen. »Na,soschlimmkannes dochnichtsein«,heuchleich. »Ihrverstehteuchdochsonst sogut!« »DergehtzumStudium nachEngland«,schimpft meineTochter,»undderhat dasmitseinenElterngeplant undangeleiert,ohnemitmir zureden.Wasdenktder? Dassichmitgehe,oderwas?« Genaudasistes,wasder denkt,denkeich.Oderer denkt,dassereinfachmacht, waserwill,undentwedersie kommtmit,odersielässtes bleiben.Aberalldassageich selbstverständlichnicht. Rudiantwortetfürmich: »Desisegoistischvondem Bub.Desmachtmernet!« ZumThemaEgoismus sollteersichnachunserem kurzenGesprächvorhin eigentlicheherbedeckt halten–aberbitte.Das eigeneVerhaltenzu beurteilenistjaimmernoch maleineandereSache.Mit sichselbstistmandanndoch häufigetwasnachsichtiger alsmitanderen. »Danke,Opa«,murmelt ClaudiaundMarkgrinst. »Jaglaubstduvielleicht, derwillausgerechnetdich direktnachderSchule heiraten,oderwas?So bescheuertkannjakeiner sein«,gibtMarkdannauch nocheinenKommentarab. EinmalÖlinsFeuerbitte! »Dubisteinfachnur sackblödundhastkeine Ahnung!Duwirstnieeine finden«,kontertseine Schwester.Geschwisterliebe istetwassehrSpezielles. »Naja,ichmeine,erhätte darüberschonmalmitdir sprechenmüssen.Nettistdas nicht!«,unterstützeich meineTochter. »Derwirdsich umgucken!«,schimpftsie los.»Sollerdochnach Englandundmitdenblassen, fettenEngländerinnen abhängen.«Claudiaist richtigsauer. »Na,vielleichtstehtdas allesnochgarnichtfest,und erüberlegtsichdasnoch mal«,ändereichmeine Taktik. »DieUniistausgesucht, underistangemeldet–so einscheißteurerLaden natürlich,istjaklar,passtja. Daistnichtsmehrmit Überlegen.«Ganzneue kritischeTöne.Wie wunderbar! »Tja«,ergreifeichnoch malsehrberechnendPartei fürdieAdelssippe,»natürlich wollendievonHessgesdas BestefürihrenSohn!« »So,dasistalsodasBeste: Hauptsacheweitwegvon mir,oderwas?«,schnaubt meineTochter. »Someineichdas natürlichnicht.Aberdie wollenhalteineTopAusbildungfürihrenSohn, wiealleEltern,undsie könnensichdasauchnoch leisten!«,bohreichnochein bisscheninderoffenen Wunde. »Demwerdeicheszeigen. Wasderkann,kannichschon lange!«,wütetmeine Tochter. Heißtdasetwa,auchsie möchteinEnglandstudieren? Ichspüresofort,wiemeine extremeVerarmungsphobie meinenPulsbeschleunigt. EnglischeInternatekosten ungefähr25000Europro Semester.Netto!Davon lebenandereFamilienein ganzesJahrlang.Undein StudiumaneinerPrivatuni wirdkaumbilligersein.Dazu nochdieMietkosten, TaschengeldundFlüge–eine Horrorvorstellung. »Duwillstdochnichtetwa auchnachEngland?«,frage ichvorsichtigbeimeiner Tochternach. »Ha,ichrenndemdoch nichthinterher.Aufkeinen Fall!Daistdochehnoch beschisseneresWetterals hier.Derkannmichmal!«, wettertsieweiter.Wie schnellsichdieLageändern kann–ebennochMisterund MissUnzertrennlich,und jetztdas. »Wenndernicht angekrochenkommt,war’s das.Ichsitzdochnichthier rum,schimmlevormichhin undwarte,bisderne englischeAdelstusse anschleppt!« Endlicherkenneichmeine Tochterwieder.Wieschnell mansoeine Perlenkettenattitüdeablegen kann,isterstaunlich. Trotzdemgefälltmirmeine Tochtersobesser.Irgendwie istesaltersadäquater.Besser einbisschenmotzigund zornig,alssomegaangepasstundspießig.Ich will,dasssieihrLebenindie Handnimmtundnichteinem anderenLeben,demvon JohannesGustavvon Hessges,hinterhertrottet. ClaudiasHandyfiept. WhatsAppmeldetsich. WhatsAppgehörtzum Jugend-Handy-StandardEquipment.EineAppfürs Handy,mitdermanSMSund Fotosverschickenkann–per Internet.Unddabeikannman sehen,obderandereonline istundobdieNachricht angekommenist.Dann erscheinenvorder versendetenNachrichtzwei kleineHäkchen.Dasklingt sehr,sehrpraktischundistes auch,führtaberschnellzu einergewissenManie.Man sieht,daistjemandonline, undmanfragtsichsofort, warumeinemderTrottel dannnichtebenmaleine Nachrichtschickt.Außerdem kannjaauchderGegenpart sehen,dassmanonlineist, undimZweifelsfallfragtder sich,wasmandaeigentlich stundenlanggucktund beobachtet. »Und?«,frageich neugierig. Dieebennochso gesprächigeClaudia nuschelt:»Istfürmich!«,und unserGesprächistbeendet. Naklaristesfürsie,sonst wäredieNachrichtwohl kaumaufihremHandy gelandet.IdiotischeAntwort. Aberichweiß,wann nachfragensichnichtmehr lohnt,undhaltedenMund. »Herzscher,desklärtsich alles,derwirdsichschon nochbesinne!«,mischtsich nunderBeziehungsexperte Rudiein. Claudiaschütteltnurleicht denKopf.Markhatinder Zwischenzeitzweiriesige TellerRisottogemampft.Es scheint,erhatseineÜbelkeit überwunden.Ersiehtkein bisschenkrankaus. »Ichbinjaabmorgen weg«,wechseleichjetztdas Thema,weilmireinfällt, dassClaudiaesnochgar nichtweiß.»Ichfahremit SabinezumWellness!« KeineReaktion.Es interessiertsienichtdie Bohne.Ichhätteauch»zum Walfang«oder»auf Südseeexpedition«sagen können.Völligwurscht.Kein Wohin-fahrt-ihr-dennGenau?,keinWann-kommstdu-Wieder?,keinWasmacht-ihr-Da?,odergarein Viel-Spaß-Mama!Nichts. Jugendlicheagierenoftgrob unhöflich,selbstdieeigenen Kinder.Siehabeninihrer WeltgenugumdieOhren undfindendas,wasEltern machen,persezumeistnicht wahnsinnigspannend.Das dürfemannichtpersönlich nehmen,liestmanimmer wiederinschlauenBüchern, aberärgerlichistestrotz allem. »UndnächsteWoche werdenwirzumMond fliegen,Sabineundich!«, redeichbetontmunter weiter.Undtatsächlich– meineKinderlebennoch, undihrGehörfunktioniert. »Hä?«,fragtmeinSohn. »Irrewitzig«,sagtmeine Tochter. »Papawirdsichumeuch kümmern,undOpaistam Sonntagda«,kläreichdie Logistik. »Okay!«,sagtMarknur. Wahrscheinlichfreuensich meineKindersogar.Vater undGroßvaterlassendie beideneherinRuhealsich. Siedrängenkeine ungewolltenGesprächeauf, jederdarffröhlichvorsich hinwurschteln,sowieer ebenmag. »Achja,Mark,umfünf kommtPapazumGespräch. Icherwarte,dassdudannda bist!« »Undvorhernix rauchen!«,bemerktmeine Tochternoch. »Lassdas,Claudia.Dasist dochQuatsch!«,ermahneich sie. Sielachtnurtrocken,und ihrBruderlangtüberden Tisch,umseinerSchwester einezuverpassen.Leider erwischter,weilsiesich rechtzeitigzurSeite wegduckt,nichtsie,sondern ihrenTeller,dermitden RisottorestenaufdenBoden knallt.Prima,einherrlicher Ausklang. »Dasmachstduweg!«, zischeichmeinenSohnan. »Undduhörauf,deinen Bruderzuprovozieren«, herrscheichgleichauchnoch meineTochteran.»Hilfihm lieber!«,schiebeichnoch hinterher.Ichsteheaufund binzornig.Wasistjetztnur wiederschiefgelaufen?Der AnfangdesMittagessenswar dochvielversprechend.Eine falscheFrageundsofortist Schlussmitlustig,Schluss mitvertrautundgemeinsam. Rudigreiftein:»Ichmach desmitdenKinnern.Gehdu ruhisch.Duhastsicherzu tun«,bringtermichausder Schusslinie. Rudiistein Familienstabilisator.Erwirft sichoftzwischendieFronten undversucht,Verständnisfür beideSeitenaufzubringen. RudisAnwesenheittutuns allengut.Erhatetwas grundlegendVersöhnliches, undmitseinerliebevollen Artisterunser Familienbaldriangeworden. Schondeshalbwerdeichihn nichtanIreneabgeben. BevorChristophzumKiffGesprächkommt,habeich nochgenugZeit,umzu packenundmichmeinem Körperzuwidmen.Erst packen,dannPflege, entscheideich. GroßerKofferoder Trolley?Dasistdieerste Frage,diesichaberschnell klärt,dennderTrolleyist nichtda.Wahrscheinlich geradeinParis.Wiedreist! AlsoschickeichChristoph direkteineSMS,dassichden Trolleybrauche.Bringden TrolleyheuteNachmittag mit!,schreibeichnur.Zuviel Nettigkeithatdernicht verdient.Schonnachzehn Minutenbekommeicheine Antwort:DerTrolleygehört mir!WirhabendasReiseset damalsgemeinsamgekauft: Koffer,Trolleyund Reisetasche–allespassend. Jetztfängtderalsosoan.Ich könnteausrasten.Dann nehmeichebendenKoffer. Auchgut. AberdasmitdemDergehört-mirwerdeichmir merken.Jetztgehtesschon umsolcheDinge.Geldwar bishernieeingroßesThema zwischenuns.Dasscheint sichgeradezuändern.Wie dumir,soichdir!Undschon hackeichdienächsteSMSin dieTasten:ImKellerstehen mindestensnochsechs KartonsmitDingen,dieauch Dirgehören,diekannstDu heutemitnehmen!Kannstja DeinenTrolleyfürden Transportbenutzen!Sofort fühleichmichbesser.Die Zeiten,indenenichmiralles habbietenlassen,sind vorbei.Beiihmanscheinend auch,denneskommtprompt dieAntwort-SMS:Sagmal, geht’snoch,wasistdennmit Dirlos?DasistmeinHaus, unddalasseichstehen,was immerichwill! SeinHaus!!!Wiegnädig, dassichmitseinenKindern inseinemHauswohnendarf! Bisherdachteich,eswäre unserHaus.Immerhintrage ichjaauchzum Familieneinkommenbei. Undaußerdem–werhatihm dennseineKarriere ermöglicht?SeineKarriere unddazuKinder?Werhat hierdenganzenScheiß gemacht?Gewaschen, gekocht,dieKinder aufgezogen?Undjetztheißt es:meinHaus!MeinImpuls istes,aufzustehen,ein Täschchenzupacken (irgendeinswirderja dagelassenhaben)und einfachzugehen.Soller dochinseinHausziehenund seineKindergroßziehen!Ich beschließe,nichtzu antworten.Dersollhiernur heuteaufkreuzen!Derwird sichumgucken,derMister Mein-Haus!Derkannsich seinenTrolleysonstwohin stecken!Wennicheinskann, dannrichtigbeleidigtsein! Dassollteereigentlich wissen,derIdiot!Undwenn eresvergessenhat,wirder sicherinnern,spätestens heuteNachmittag.Ichfühle michdirektbesser. Wennderwüsste,wasich morgenmache!Waswäre dann?Wäreersauer? Eifersüchtigodervielleicht sogarehereinbisschenfroh, dassdieabgelegteGattinsich auchamüsiertunderdann mitseinerkleinenheißen, jungenMiezikeinschlechtes Gewissenhabenmuss? Ichwerdejetztnochindie Stadtfahrenundmireinen Trolleykaufen,einen schönengroßenTrolley.Ich habekeineLustfüreinen Kurztripmiteinemriesigen Kofferaufzulaufen.Indrei StundenkommtChristoph, aberzurNotwartetereben einbisschenaufmich.Ich habeinmeinemLebenschon verdammtvielZeitdamit verbracht,aufihnzuwarten. IchwerdeaufjedenFallzu spätkommen,beschließeich. ZwanzigMinutenoderso.Er kannsichjasolangemalmit seinemVaterbeschäftigen. Umdenkümmertersichso gutwieüberhauptnicht. Wiesoauch?Erhatjamich, dieallesregelt.Kinder,Haus, Gartenunddazunochden Vater.DakannderGnädigste sichjaruhigmalso rauspicken,wasihmgerade indenKrampasst.Sein Haus!Ichkannmichkaum beruhigen.Sobaldichnur darandenke,brodeltesin mir:»Dalasseichstehen, wasimmerichwill!«Ja, michhaterstehenlassenin seinemHaus,zusammenmit seinemaltenKrempel.Gut, ingewisserWeisebinich auchgenaudas:alter, benutzterKrempel. Wennichjetztsowiesoindie Stadtfahre,kannichgleich auchnochschnellneue Unterwäschekaufenundzum Waxinggehen.Rasierenist jaimmersoeineSache.Mist, dashätteichmalbesser schonvoreinpaarTagen erledigt.Nichtdassich untenrumpickeligbin.Dann lieberhaarig. »Ichfahrenochmal schnellindieStadt,muss waserledigen«,sageichRudi schnellBescheid. »Ischbinhier,lassder Zeit«,antworteter freundlich. »KommtIreneheute?«, willichnochwissen. »Ne,mermacheheutma jederseins.KlaaneAuszeit! IschgehjetztmitemHund. Destutmeraachgut.Un meinBubkommtjanachher, dawillischgernhiersein«, informiertermich.SeinBub! »Ichkommeauchumdie Zeitwieder–wirmüssenja mitMarkreden.Alsobis nachher«,verabschiedeich michvonRudi. EinenTrolleyzukaufenist wesentlicheinfacherals schöneUnterwäsche. Genauer:Schöne Unterwäschegibtes massenweise,aberschöne Unterwäsche,dieauchan meinemKörperschön aussieht,zufindenist schwer.Ichsteheinder Umkleideeinesgroßen Kaufhauses,undeine Fachkraftausder Wäscheabteilungkümmert sichummich.Siehat,beim erstenBlickaufmeine Brüste,entschieden,dassein Push-upnichtschadenkann. »IchwürdesagenB-bisC- Körbchenundfünfundachtzig Umfang«,schätztsie. »Ichhattebisherachtzig«, wehreichmich,»achtzigB!« »DiemeistenFrauen tragenvielzuknappe Wäsche!«,bleibtsiestreng. »Sieauch!Dasseheich durchIhrT-Shirt.DieTräger schneideneinundvorne quilltes.«Wirklich charmant. »FürwelchenAnlasssoll esdennsein?Sport,Alltag oderfürbesondere Momente?«,willsiedann wissenundzwinkertmirzu. »Also,amehesten vielleichtbesonderer Moment«,antworteich. »Gut«,stelltsieungerührt fest,»untenrumwürdeich sagenzweiundvierzig.Ich holdannmalwas!Farblich irgendeineVorstellung?« Ichwillsiewieder korrigierenundihrsagen, dassichvierzigtrage,lasse esdannaber.Wennmirder Slipgleichrunterrutscht, wirdsieschonüberzeugt sein. »Also,schwarzodercreme oderso«,sageichinBezug aufdieFarbfrage. »Schwarzodercremeoder so,aha.Daslässtmirja reichlichSpielraum.Sexy, nehmeichmalan?«Ich nicke. NachwenigenMinuten hängtsiemireineAuswahl indieUmkleidekabine. Zweimalrot(istdasschwarz odercreme,oderbinichjetzt farbenblind?)Zweimallila, grasgrünundschwarz. »Cremeistnichtsfür besondereMomente,damuss maninunseremAlterschon einbisschenmehrGas geben!«,lachtsie.»Cremeist elegant,aberseitwannist EleganzimSchlafzimmer gefragt?« InunseremAlter!Dieist mindestensfünfzig. Mindestens.Undichbin definitivunterfünfzig.Das sindWelten.Aberich ignorieredenHinweisund probieredasgrasgrüne Ensemble,dasmirvonder Formhergefällt.Eine ordentlicheUnterhose,die denNamenauchverdientund einschönerBHmiteinem HauchPush-up.DieHoseist eng.Sieschneidetmirinden Bauch,unddasimStehen. WennichinderHosesitze, wirdderAbdruck wahrscheinlichnoch wochenlangzusehensein. »Darfichmal?«,fragtda dieforscheVerkäuferin,und eheichantwortenkann,hat siedenVorhangschonzur Seitegeschoben.Miteinem knappen»Entschuldigung« greiftsiemirandieBrüste undschiebtsieeineEtage höher. »Siehtdochgleichganz andersaus«,freutsiesich underteiltmirAnweisungen: »BeimAnlegendesBHs müssensiesich vornüberbeugenundsicherst dann,wennSiedenBH zuhaben,aufrichten.Kleiner Trick.« »DieHoseistzueng!«, stelltsienochfest.»Ichhol maldievierundvierzig!«Mit diesenWortenziehtsieden Vorhangwiederzu. EinSlipin44.Dasist unmöglich.Dasmusseine italienischeFirmasein.Ich hattenochnie44.Ichziehe dengrasgrünen Zwergschlüpferausund guckenachderFirma. Deutsch.Tatsächlich,esist eine42erHose.Dasmussein Irrtumsein.Eine Fehlauszeichnung.Dergrüne BHsiehteinbisschennach Kermitaus,nachKermitauf Mozzarella-Haut,aberer machteinMordsdekolleté. Immerhin.Ichkönntejanoch mitSelbstbräunerarbeiten. »HieristdieHosein vierundvierzig.Diemüsste reichen.« DieLautstärke,mitdersie dasgesagthat,dürfte ausreichen.Ausreichen,um diegesamteEtageüber meineAusmaßezu informieren. »FindenSienicht,ichsehe indemGrüneinwenigwie Kermitaus?«,frageichbei derVerkäuferinnach. »Nein!Kermitwürdeauch wohlkaumgrüneWäsche tragen.Daswärejaso,als würdenSiehautfarbene anziehen«,lautetihrebizarre Logik. Tatsächlichpasstdie44er Hose.Unangezogenschien siewirklichsehrgroßzu sein,übermeinenPogezogen istesmitdiesemAnschein vorbei. »Dieschneidenklein,sehr klein!«,versuchtdie Verkäuferinmichzutrösten. Esklappt.»BeiderFirma tragenauchFrauenmiteiner Sechsunddreißigoftmaleine Achtunddreißig!«,legtsie nocheinendrauf. Dasistallerdingsein völliganderesProblem.36 oder38–dasistPillepalle, alsowirklichgarkein Problem.42oder44–hier liegtdieDemarkationslinie zwischenDurchschnittund Mops.Ichbraucheeine Mopsgröße.Ichkönnte natürlicheinfachdasSchild rausschneiden.Ichwerdedas Schildrausschneiden!Denn auchdieUnterhosesiehtgut aus. »HabenSiedieKombi auchnochineineretwas dezenterenFarbe?«,wageich eineweitereFrageandie Unterwäschefachkraft. »NurinPinkund Neongelb!Unddasinddie großenHosenalleschon weg!« RiesigePos,sowie meiner,inNeongelb.Manche trauensichwas.Dakannman inUnterwäscheaufdie Straßegehenundwird garantiertnichtüberfahren. IchbewunderedenMut, einenMopsposoinSzenezu setzen.AberimZweifelsfall istesdierichtigeTaktik– übersehenkannmanihneh nicht,dannalsobetonen. Liebe,wasduhast,undso weiter…blabla. »ZiehenSiemaldielilane an.DasSchleifchenaufdem Popoistsehrniedlich«, fordertmichdieVerkäuferin auf.Manmussesihrlassen, siekümmertsich.Diesmal passtdieHose.In42.Schon deshalbwürdeichsieam liebstensofortkaufen. ObwohlichmeinenPound meineHüftenals40erin Erinnerunghatte.Michselbst allerdingsauch!Proportional zumAlterwächstalles, immerhinsindmeineOhren nochso,wiesiewaren. AngeblichhabenältereLeute größereOhren,vielleicht schrumpftaberauchnurder Kopf,unddieOhrensehen deshalbgrößeraus. DaslilaEnsembleist hübsch.Ichhätteesniemals selbstausgewählt,aberes siehtamKörperschönaus. VolleBrüste,trotzdemgut verpackt,unddas Schleifchenhatwas.Ich guckeaufdieUhrund erschrecke.IneinerStunde wirdHerrHaus-undTrolleybesitzerbeiuns eintrudeln.Ichentscheide, sowohlGrünalsauchLilazu kaufen.Obwohlichnichtin einerschicken Designerboutiquegeshoppt habe,sinddiePreise furchterregend.225Euro zahleichfürdasbisschen Stoff.Egal,ichwerdegut aussehen,unddaswiederum istgutfürmeinePsyche.Ich kannjedeUnterstützung brauchen,unddiebietetgute WäschejainjederHinsicht. Also,einenotwendigeund sinnvolleAusgabe.Immerhin kostetmichdieReiseja nichts.Ichhabesomit,wenn mandieGesamtkalkulation betrachtet,immernoch immensgespart.Aufdem WegindieKofferabteilung kommeichandenSchuhen vorbei.HighHeels–die hätteichjafastvergessen! Ichschauemichschnellum, undsofortspringenmirein paarLackpumpsinsAuge. Unglaublichhoch,aber verdammtsexy–undsie passen.Dienehmich!Dann kaufeichauchnochschnell einenTrolley.Zugroß,um alsHandgepäck durchzugehen,aberkleiner alsmeinKoffer.Nochmal 240Euroweg.Solangsam hätteichdenFlug wahrscheinlichselbst bezahlenkönnen,aberda hätteichjadanntrotzdem einenTrolleygebraucht,rede ichmirdenPreisschön.Ich kannjaauchnichtam BusinessClassSchaltermit einemtotalbilligen Rollköfferchenauftauchen, undsoeinTrolleyist außerdemeineAnschaffung fürsLeben.BeidieserArt vonAnschaffungensollte manalsokeinesfallssparen. Wirklicheinsehrhochwertig aussehenderTrolley,einganz anderesKaliberalsdervon Christoph.»Hochwertisch« isteinBegriffausdem Repertoiremeines Schwiegervaters. Ichkommegenau 20Minutenzuspätnach Hause.MitmeinemTrolley inderHandbetreteichdas Haus.SeinHaus! »Schön,dassduauch vorbeischaust,Andrea«, begrüßtmichmeinEx.»Ich hatteeinkleines, unvorhergesehenes Trolleyproblemundmusste nochmalindieStadt!«, knurreichzurück. »Prima«,sagternurund deutetaufunserenTrolley. »Habeichdirmitgebracht. Naja,vielleichtkannstdu denanderenzurückbringen.« Oh,dahatersicherbarmt undderarmenExfrauseinen TrolleyzurVerfügung gestellt.Wieenorm großherzig!Ichdenkenicht daran,meinenwunderbaren chicenRollkoffer zurückzugeben,umdann jedesMal,wennicheinen brauche,aufIhroGnaden angewiesenzusein. »Ichbinnichtgern abhängigvondeinen Launen«,antworteichruhig. »NurrausmitderKohle,wir habenesja!«,meckerter. »Icharbeite,fallsdudas vergessenhast,ichverdiene Geld!«,platztesausmir heraus. »Wolltihrnochmitmir reden?Oderlieber weiterstreiten!Danngeheich zuFrank!«,mischtsichjetzt Markein.Denhatteichglatt vergessen. »Gehduhoch.Wirrufen dich,wennwirmitdirreden wollen.Dugehstheuteweder zuFranknochzusonst wem!«,bekommtjetztmein SohnmeineschlechteLaune ab. Rudimachtsich bemerkbar:»Sollischauch raufgehen?«,räuspertersich scheu. »Ja«,antwortetChristoph. »Nichtsfürungut,Papa,aber ichmusshiernochwasmit Andreaabklären.« Dabinichabergespannt. WillerdieScheidung,ist seineMiezischwanger,oder nimmtermirmeinenneuen Trolleyweg?Waswillder dennunbedingtuntervier Augenbereden? RudiundMark verschwindenins Obergeschoss–sichtlich erleichtert,demKrisengebiet entkommenzusein.Am liebstenwürdeichauch hochgehen. »Undwasgibt’sso Wichtigeszuklären?Sollten wirnichtliebermitMark reden?«,eröffneichunser Gespräch. »Ja,abervorhermussich dirwassagen.«Erräuspert sich,undichahne,dasses nichtsmitdemTrolleyzutun hat.Ichkennediesen Gesichtsausdruck. »SarahMarieundich überlegen, zusammenzuziehen.Nicht heuteodermorgen,aber demnächst.Ichwill,dassdu dasweißt.« Welchwunderbare Nachricht!Ichwill,dassdu dasweißt!Wofür?Damitich ihnenzumEinzugBrotund Salzvorbeibringe?Ihnen beimUmzughelfe? DiesesZusammenziehen istmehralsnurein Zusammenziehen.Es bedeutet:Daswaresfüruns. Aus,Schluss,vorbei.Von wegenvorübergehend getrennt.Hätteernichterst malmitmirsprechen,unsere Beziehungklärenmüssen, bevorereinenso weitreichendenEntschluss fasst?DasistderTodesstoß fürjedennochsogeringen Hoffnungsschimmer.Sie ziehenzusammen.Dasistein Schrittweiterals:Siehaben eineBeziehung.Dashatwas Ernstes.WasVerbindliches. Undesistgenaudas,wovor michmeineMuttergewarnt hat:Erstwohnensie zusammen,dannkommtdie Scheidung,dannheiratensie undbekommenKinder,und ichbindielästigeEx,die immernochGeldkostet.Ich bindieVergangenheit,und sieistdieZukunft.Ichhätte niegedacht,dassesso schnellgehenkönnte. Ichbinsprachlos.Wassoll ichauchsagen:Ichfreue michfüreuch?Oderdoch eher:Bistduwahnsinnig geworden?Sollichmich jetztvielleichtauchnochfür dieInformationbedanken? Amliebstenwürdeich schreien,ihnrausschmeißen, richtigausrasten.Oder weinen. Eigentlichisteszum Weinen.Ichmerke,wie meineAugenleichtwässerig werden.Aberichbinalt genug,umzuwissen,dass dasnichtsbringt.Eherim Gegenteil.Außerdemist MitleidnichtdieReaktion, diemirgefallenwürde. »Dumusstwissen,wasdu tust!«,sageichsoruhigwie ebenmöglich. »Siewillesgerne«,ist seineAntwort.Jetztmachter auchnochso,alswäreesdie EntscheidungseinerMiezi underhätteeigentlichnichts damitzutun.Dasisttypisch. Erwarschonimmerein bisschenfeige. »Wassollichdazugroß sagen,außerdassdudich schnellumorientierthast?«, ergänzeichundkanneinen bissigenUntertonnicht verbergen. »Tja,duwolltestjanicht mehr.Wennichdich erinnerndarf,Andrea,war unsereTrennungdeine Entscheidung.Undsollich deswegenewigalleine bleiben?« Ha!Wasmanunter»ewig« versteht,darüberkönnteman sichgernemalaustauschen. Aberdaslasseichjetzt lieber. »Wowirschondabeisind, ichmussdirauchwas sagen«,antworteich,ohne aufseinEwigeinzugehen. »Waswillstdumir sagen?«,fragter,undich höreBestürzunginseiner Stimme. »Ichfahremorgenmit Sabineweg,zumWellness. Eswäregut,dukönntestdich umdieKinderkümmern.« IchsagemitAbsichtnicht: malumdieKinderkümmern, oder:endlichmalumdie Kinderkümmern.Obwohles korrektwäre.Erreißtsich nichtgeradeeinBeinaus, wennesumsKümmerngeht. Erstkommenerundseine Arbeit,dannseinGolf,seine SarahMarie,unddann,wenn dannnochZeitist,kommen dieKinder.Ichbinindieser Aufreihungüberhauptnicht mehrexistent.Schonwieder merkeich,wieWasserin meineAugenschießt.Nein, ichwerdenichtweinen.Er wirkterleichtert. »Achso,esgehtnur darum.Naja,ichhatte eigentlichwasanderesvor, aberichkriegdasirgendwie hin,auchwennduesmir wirklichfrüherhättestsagen können!Undmalehrlich, Andrea,sokleinsindsieja auchnichtmehr,undmein Vateristjaauchnochda!« »SiehabeneinenVater, undsiesolltenihnauchab undanmalsehen!Unddein Vateristbeschäftigt!«,bleibe ichstreng.NachseinemWirziehen-zusammen-Outing habeichguteKarten. »Regdichab,ichwerde dasirgendwieregeln–wie immer!«,stöhnter.Von wegenschlechtesGewissen, jetztwerdeichauchnoch angeraunzt.Derspinntwohl! WieschnellTraurigseinvon Wütendseinverdrängt werdenkann. »Wasistdennjetztmit unseremSohn?Waswar denndasfüreine Panikmache?«,wechselt meinExelegantdasThema. »Angeblich,sobehauptet esjedenfallsseineSchwester, kiffter.Ichkannesmir, ehrlichgesagt,nicht vorstellen,aberwerweiß? UndmitPanikmachehatdas garnichtszutun.Esgehtum Drogen,Christoph.Unddu alsAnwaltundVatersolltest dasvielleichtdocheinwenig ernsternehmen!«,informiere ichihn.»DubistderVater!«, fügeichnochhinzu. Erantwortetpromptundin seinemAnwaltstonfall:»Das istmirbekannt,Andrea!Ich haltedasallerdingsallesfür totalenUnsinn–aberbitte schön,dannredenwireben mitihm.« Esistmittlerweilekurz nachsechs,undumsieben mussichbeiKatiund SiegmarzumGrillensein. MeinHandysummt.Eine SMSvomCrocs-Fußpfleger. SieschuldenmireinenWein. Wanntrinkenwirden?,lautet derText.Achduje,dashatte ichlängstverdrängt.Wein mitdemFußpfleger.Was schreibeichbloßzurück? KanndienächstenTage nicht,fliegemiteinem anderenMisterUnbekannt irgendwohin,um wahrscheinlichSexzu haben?BittegeduldenSie sichundreihensichindie SchlangederAnwärterein? Ichfühlemichrichtiggehend begehrt. »RedenwirjetztmitMark, oderhastduwasBessereszu tun?«,reißtmichmeinEx ausmeinenGedanken.»Wer schreibtdirdennda?«,will ernochwissen. »Ichwüsstenicht,dass dichdaswasangeht!«,motze ichihnan.»Undichbinauch keinevierzehnmehrund lassemichvondir maßregeln.Ichschreibe, wannichwillundmitwem ichwill.Dumachstjaauch, wasduwillst!« »Dasistdochkindisch, Andrea!«,sagternurundhat damitsogarrecht. Natürlichisteskindisch, aberegal.DerVergleich hinktaucheinwenig:Er fährtnachParisundichlese eineSMS.Lächerlich.Mister Crocsmusswarten.Umden kümmereichmichspäter. »Mark,kommstdubitte runter.DeinVaterundich wollenmitdirreden!«,rufe ichindenerstenStockund ignorieredenKindischKommentar.MeinSohn kommtangeschlichen. »Also«,startetChristoph offensivinsVerhör,»kiffst du–jaodernein?«Einsehr direkterEinsteig. »Ja,manchmal,alsoab undzu,nichtoft,klar,wie alle!«,antwortetmeinSohn, undichkippevorSchreck fastvonderCouch. MeinSohnnimmtDrogen! Wahrscheinlichseitunserer Trennung,wasnatürlich bedeutet,dassichschuldbin, wirschuldsind.Mitunserem Verhaltenhabenwirihnin dieDrogensuchtgetrieben. Ermachtnochnichtmalden Versuch,eszuleugnen. »Wieoftheißtnichtoft?«, fragtChristophscheinbar ungerührt. »Manchmalhalt,wennwas daist.Dasmachenecht alle!«,argumentiertmein Sohnundwirktnicht besondersschuldbewusst. »Undwennallevonder Brückespringen,springstdu auch!«,rutschtmireinalter SpruchmeinesVatersraus. MarkrolltmitdenAugen, genauwieichesdamals getanhabe,wennmeinVater denSatzgebrachthat. »Dukiffstdirdein bisschenHirnweg!«, antwortetChristophund bleibterstaunlichruhig. »Undweiter?«,reagiert Markziemlichfrech. Jetztlangtesaber. Wenigstenskleinlautkönnte erseinoderreumütig.Aber nichtsda. »Wirgehenzur Drogenberatung,undduhörst sofortdamitauf,wenndu nochkannst!«,brichtesaus mirheraus. »Andrea,sofunktioniert dasnicht!«,fährtmir ChristophindieParade. »DasNächsteistdann Kokain,dannHeroin,dann Obdachlosigkeitund Kriminalität, Beschaffungskriminalität. Ichlebedochnichthinterm Mond!«,schreieich. Wiekannderhierso gelassenbleiben?Esgeht immerhinumdasLeben unseresSohnes!Dawirdman sichjawohlmalaufregen dürfen. »Kokain,Heroin–ja geht’snoch?Ichbindoch nichtdoof!«,äußertsich meinSohnundgrinst. Jetztkönnteichihmeine knallen.Waserdreistetsich der,auchnochbreitzu grinsen? »Dasistvollharmlos,alle kiffen.Kokainkönntenwir dochgarnichtbezahlen!«, redeterweiter. »Sonicht,Mark!«,wird jetztauchChristophsauer. »Ganzsoharmlosistdie Kiffereiauchnicht.« »Ja,undihrseidbestimmt dieExperten!«,kichertmein Sohn. Hatdersichvorunserem Gesprächnochirgendwas reingepfiffen,oderwie kommtderdazu,somituns zureden?Derbenimmtsich, alsgingeesumirgendeine Banalität. »Jetztehrlich,chilltmal. Dasisttotalharmlos!«,nölt meinSohnundwirktgenervt. »Nochentscheidenwir hier,washarmlosistundwas nicht!«,ermahntihn Christoph. »Echt,dasistheuteanders alsfrüher.Ihrhabtgeraucht undgesoffen,wirkiffen. Alle.DaistjadieFrage,was gefährlicherist!«,wehrtsich Mark. »Ichhabemaleine gerauchtundtrinkeabundan kontrollierteinwenig Alkohol.Daskannmanwohl kaumgerauchtundgesoffen nennen.Außerdem, Freundchen–wirsindim Gegensatzzudirerwachsen undwissen,waswirtun!« »Neulichnachtssahdas beidirabernichtgerade kontrolliertaus,alsduhier eingelaufenbist«,grinst meinSohnschonwieder. Hatdermichetwa gesehen?Nachmeinem kleinenClubausflugunddem GeknutschemitRakete?Ich kannmichnichterinnern. »Dasstehthiernichtzur Debatte.Esgehtumdich! Undhörgefälligstauf,so dämlichzugrinsen«,werde ichsolangsamrichtigsauer. IchhattemirdasGespräch andersvorgestellt. »Sogehtdasnicht,Mark«, erregtsichjetztauch Christoph.»Jetztwerden andereSaitenaufgezogen.Du scheinstselbständignicht zurechtzukommen,also brauchstdumehrKontrolle unddazuwenigerGeld.Dein Taschengeldistabsofort gestrichen.« AndereSaitenaufziehen! Auchdaskönnteeinszueins vonmeinemVaterstammen. AberdasGeldargumentist daserste,wasmeinenSohn tatsächlichzutreffenscheint. »Ja,undwovonsollich dannweggehenoderso was?«,fragterbestürzt. »Dugehstnichtmehr weg«,sagtseinVaternur knapp,»undernährtwirstdu jahier.EinZimmerhastdu auch.Dakannstduesdir jetztgemütlichmachen.Bis dumitdemScheißaufhörst.« »NurweilihrStresshabt, kriegichesjetztab.Dasist vollfiesundungerecht!«, schreitMarkundspringtauf. »Ichgehhochundmaches mirinmeinemZimmer gemütlich«,schiebternoch verächtlichhinterher. »Ichentscheide,wanndas Gesprächbeendetist!«, versuchtChristophseine Autoritätzudemonstrieren. »Bestrafmichdoch!Aber mehrkönntihrjanichtmehr machen,oderwillstdumich nochschlagen?«,brüllter vonderTreppe. »Undjetzt?«,frageich nur. »JetztbleibterzuHause undbekommtkeinen einzigenEuro!«,entscheidet Christoph. »UndwegendesKiffens? SollenwirunsdaRatbei einemFachmannholen?«, hakeichnochmalnach. »Andrea,erkifft.Das machendiemeistenJungs. DasistkeinegroßeSache, aberdasdarfmanihm natürlichnichtsagen.Beider Drogenberatunglachendie unsaus.« Dashalteichfürvöllig falsch.Kiffenkannder Einstieginallessein–ich leseZeitungundbinjakeine komplettnaiveMutti.Mir fälltmeinDrogenprüfsetein. Mist.DieAusgabehätteich mirschenkenkönnen.Erhat jagestanden.Andererseits kannichineinpaarWochen überprüfen,oberwirklich aufgehörthatzukiffen. »Meinstdu,derlässtdas jetzt?«,frageichChristoph. »KeineAhnung.Aberhier haterjawenig Möglichkeiten,andasZeug ranzukommen,underwirdja wohlkaumwasrauchen, wennduimHausbist.« Daswiederumhalteichfür naiv.Undwasistmitder Schule?Sollichdaetwa mitgehen?Rund-um-dieUhr-Kontrolleistschlicht nichtmachbar. »Willstduihnhier anketten?Wasistmitder SchuleunddemSport?«, weiseichChristophaufdie kleinenSchwachstellenin seinemPlanhin. »Derwirdkauminder Schulekiffen,dastrautder sichnicht!«,antwortetder. Dawäreichmirnichtmehr sosicher.Bisvoreiner halbenStundehätteich überhauptnichtfürmöglich gehalten,dassmeinSohnein Kifferist. »Dumusstihndirnachder Schulegenauanschauen! UndwennerkeinGeldhat, kannerauchnichtskaufen!«, sagtChristoph. Wiesollichdendenn kontrollieren?Knallharte Leibesvisitation?Sollenwir RudisDackelzum Drogenspürhundausbilden lassen?Odermussmein Sohntäglichnach SchulschlusszumUrintest? WiestelltChristophsichdas vor,undwelcheRolle übernimmterinseinem Plan? »TolleIdee!Undworan seheich,obergekiffthat? Undwasmachstdu?«, antworteichleichtgenervt. »Ichgehearbeitenund finanzieredasalles!«,hater dieAntwortsofortparatund guckthochnäsig. Entwederichschlageihn, oderichschlageihnund gehe,oderichschlageihn, brülleundgehedann.Also gut!Ichschlageihnin Gedankenundgehe,kannmir allerdingseinenkleinen Kommentarnichtverkneifen. »Sonicht!Soredestdu nichtmitmir!Gespräch beendet!«,zischeich. »Deinewiges Beleidigtseinnervt,aberwir sindjadurch.Wartenwir einfachmalab!«,bemerkter, vonmeinemAusbruch ziemlichungerührt,und erhebtsich. »Dannmacheichdashalt auchwiederallein.Wärja sonstauchechtmalwas Neuesgewesen,wennduwas gemachthättest!«,keifeich. Nein,ichhabemichnicht wirklichunterKontrolle.Der regtmichrichtigauf.Was denktder?DassMarknach seinerkleinenAnsprache einfachaufhörtmitder Kifferei–weilPapamal geschimpfthat? Washabenwirda überhauptgemacht?Wardas dierichtigeArtundWeise, mitdemProblem umzugehen?Hättenwirnicht nachdemWarumfragen müssenunderwähnensollen, dasswirunsSorgenmachen? Dasswirunsichersind,nicht wirklichBescheidwissenund einfachnurAngstumihn haben?Das,waswirda abgelieferthaben,warkeine einsaPädagogik.Im Gegenteil.Frontalgemeckere, sonstnichts.GenaudieArt, beiderichfrühereinfach abgeschaltethabe.Weiles nervigwarundso vorhersehbar.MitChristoph kannichdarübernichtmehr sprechen–erhatgeradedie Haustürhintersich zugeknallt.Nichtmalseinem VaterhaterTschüsgesagt. Daslässtdaraufschließen, dasserziemlichaufgebracht ist.Wassoll’s.Hater verdient.Ichwerdemich nochmalinRuhemitihm besprechen,wennichvon meinemWellnessWochenendezurückbin.So oftwieichdasjetzterzählt habe,glaubeichschonfast selbstdran.Letztlichistesja aucheineArtWellnessWochenende.Fürmeine Psyche.Undmeinen Unterleib–hoffeich zumindest. Esistkurzvorsieben.Mist! KatiundSiegmarunddas Grillen.Diehabeich zwischendringlattvergessen, genauwiedenSalat,denich mitbringenwollte.Inzehn MinuteneinenSalatzu zaubernundmich einigermaßenherzurichten, isteinekaumlösbare Aufgabe.OhneSalatzu kommen,wäremirpeinlich. AlsomussdasHerrichten zurückstehen.Nudelsalat gehtschnell.Vorallem, wennmanwieichnoch NudelnvomVortagübrig hat.Kaumfangeichhektisch an,inderKüchezuwerkeln, tauchtRudiauf.DieKüche betrachtetermittlerweileals seinRevier. »WoistdennderBub hin?«,willerwissen. »DerBubwarbeleidigt undistabgerauscht.Undich habechtStress.Ichbin eingeladen,mussnocheinen Salatmachen,undeigentlich wollteichmichauchnoch umziehen!Und schlechtgelauntbinichjetzt auchnoch«,fasseichschnell zusammen. Jetztzählthierjede Minute.Obwohlesbeim Grillenjanichtaufdie Minuteankommt.AberKati hatneunzehnUhrgesagtund nichtabneunzehnUhr.Ich hassees,wennGästeeinfach ein,zweiStündchenspäter eintrudeln.Schondeshalbbin ichselbstauchgerne pünktlich. »Andrea,Herzsche,ich machderdenSalat,unddu machstdichfertisch.Du siehstaus,alskönnsteen paarMinütscherfürdich gebrauche!Nimmdirdes dochnetallessozuHerze.« Wennernichtmein Schwiegervaterundeinpaar Jährchenjüngerwäre,könnte ichmich,alleinfürsolche Sätze,inihnverlieben. »Gehhalt!Ichzauberwas ausdem,wasmerdaham«, sagternochmalundstreicht mirliebevollüberdenKopf. Nein,Irene,denkannstdu definitivnichthaben! Zeitweisegerne–aberer bleibthierbeimirwohnen. EinLebenohneRudikann ichmirkaummehr vorstellen.Dabeiwardaszu Beginnganzanders.Ichwar nichtheißdrauf,dassmein Schwiegervaterbeiuns einzieht–unddasistnoch höflichausgedrückt.Ichhabe letztlichnureingewilligt, weilichdachte,esseieine vorübergehendeMaßnahme, nursolangebisRudiausder tiefstenTraurigkeiterwacht. Jetztisterschoneineganze WeileausdieserTraurigkeit erwacht,undichgenieße seineWachheit.DasBestean Rudiistsein Einfühlungsvermögen,erhat Empathieundistnichtso krankhaftichbezogenwie vieleandereMänner.Das wirdIrenemomentansicher anderssehen.Abersoleid mirdasfürsietut,ichbin froh,dassRudiunserhalten bleibt.ImGegensatzzuRudi stehtesbeimirmitEmpathie undIchbezogenheitnichtso gut.Darankönnteich arbeiten–jetztallerdings nicht. ImSchlafzimmersteigt meineLauneaugenblicklich. VormiraufdemBettliegen dieKlamotten,dieichfür Venedigrausgesuchthabe. Diemussichnurnoch– mitsamtderheißen Unterwäsche–inmeinen neuenTrolleypacken,und dannkanneslosgehen. JemehrichüberChristoph undseinePlänenachdenke, umsomehrfreueichmich aufmeinWochenende.Ich werdeesmirhübschmachen, beschließeich.Wasderkann, kannichauch!Rauschende NächteundaufregendeTage werdendieHiobsbotschaft vonheutewenigstensfür zweiTagevergessenmachen. Ichwürdeamliebstensofort losfahren. Jetztgeht’saberzum Grillen.Bingespannt,wer nochkommt.Anita,meine Nachbarin,überdieichKati kenne,habeichgefragt,ob sieauchdabeiist,abersie hatleichtpikiertgesagt,dass sienichteingeladensei.Was michnichtunbedingttraurig stimmt,dennihrMann Friedhelmistsoodersokein Highlight,undbeiAnitakann ichmireinegewisse Schadenfreudenicht verkneifen.Daspürtsiemal, wiedasist,wennman plötzlichnichtmehraufder Einladungslistesteht. Schadenfreude,mangelnde EmpathieundIchbezogenheit –meineeigeneCharakterMängellistewächstund wächst.Ichschlüpfeineine frischeJeansundmerke,dass heuteAbendnocheinigeszu tunist.MeineBeinesind stoppelig–dashatwirklich nichtsmitsexyzutun.Für heutegehtdas,abernach demGrillenmussichdas dringendnochändern.Auch diesogenannteBikinizone brauchtnochdenletzten Feinschliff.Feinschurwäre passender.Ichfürmeinen TeilwerdedenGrillabend frühbeendenundmichdann andieKörperarbeitmachen. BevorichdasHausverlasse, klopfeichbeimeinemSohn andieZimmertür. »Waswillstdudenn noch?«,fragternichtgerade höflich.»Wirhabendoch allesbesprochen.Istjetzt Zimmerkontrolle,oder wolltestduchecken,obich amRauchenbin?Oderwerde ichjetztsicherheitshalber festgekettet?« »Ichwollteeinfachnoch malnachdirgucken«,sage ich.»KeineKontrolle.Unser Gesprächistirgendwieblöd gelaufen«,zeigeichdann nochSelbstkritik– normalerweiseauchnicht meinegroßeStärke. »Kannmansagen!Ihrwart megablöd«,antworteterund drehtseinenKopfzurückin RichtungPC. Markscheintauchkein Selbstkritikexpertezusein. HatwohlmeineGene.Sein Verhaltenärgertmich.Da kommeichhierher,umgut Wetterzumachen,undmuss michvonihmauchnoch anmotzenlassen.Verkehrte Welt.Sollteernicht verdammtkleinlautund reumütigsein?Sollichihn jetztetwaauchnochtrösten? Habeichgekifftoderhater gekifft? »Wervonunsbeidenhat denngekifft?«,frageich. Erreagiertnichtmal.Gut, warjaauch’nedoofeFrage undeigentlichaucheherdazu gedacht,dieVerhältnisse nochmalklarzustellen. »IchgehzuKatiund SiegmarzumGrillen.Du bleibsthier,Opaistda«,gebe ichletzteAnweisungen. Wernichtredenwill,soll eshaltlassen.Ichbinja keineBittstellerin. NachnurzwanzigMinuten steheichwiederinderKüche undstaune.Rudihatinder kurzenZeitzweiSalate gemacht.Tomaten-Brotsalat undNudelsalat.Eristund bleibtmeinpersönlicher Held. »Einerhättegereicht, Rudi!Abertoll,danke,du bistderBeste!«,zolleich seinerLeistung Anerkennung. »Fürdischimmergern!«, sagternurundlächelt. DieserMannistunglaublich. WiehatIngedasbloß hinbekommen? »Hübschsiehstdeaus!«, ergänzternoch. »Rudi,ichliebedich!«, antworteich. Undernicktundsagt: »Ischdischauch,euschalle! IhrseidmeinLeben!« Wirumarmenuns,undich musswiedermalfastweinen. KeinandererMannhatmich jesoangerührt. »Dankefüralles!Ichmuss jetztlos.«MitdiesenWorten löseichmichausder Umarmungundversuche,die Tränenzurückzuhalten. KatiundSiegmarwohnen nichtweitvonunsentfernt. MitmeinenSalatenunterden Armenlaufeindurchunsere Siedlung.Hierreihtsichein Häuschenansnächste.Die Häusersindbegehrt.Nichtzu weitwegvondergroßen Stadt,S-Bahn-Anschlussund geradenochbezahlbarfür Menschenmiteinem durchschnittlichen Einkommen.DieSiedlungist eingroßerKompromiss. Nichtunbedingtirrsinnig schöngelegen,bei ungünstigemWindhörtman dienaheAutobahn,aber dafürinsgesamtso wahnsinnigvernünftig.So wievielesinmeinemLeben. Ichbingenerelleineeher vernünftigePerson. Vielleichteinwenigzu vernünftig.Schondeshalb passtmeinmorgigerAusflug sogarnichtzumir.Erist allesanderealsvernünftig, undgenaudasistebenauch dasAufregendedaran.Ich solltemehraufregendeDinge tun,denkeich.Sonstwerde ichirgendwanninnerlich schimmeln.Verschimmeln. AnLangweilezugrunde gehen.Ichfindemichselbst, beiehrlicherBetrachtung, auchnichtsonderlich spannend.Washabeich schonzubieten?Ja,woum allesinderWeltsollteich auchwaswirklich Interessanteserleben?Beim Einkaufen?BeimPutzen? MitmeinemEgostehtes momentanwirklichnicht zumBesten.Kannnichtauch ein,aufdenerstenBlick, langweiligesLebenspannend undvorallemerfüllendsein? Wiesonagtseiteinigen Jahrenständigdiesertiefe Zweifelanmir?Wird SpannungundAufregung womöglichmaßlos überschätzt? Währendalldiese Gedankenungeordnetdurch meinenKopfwabern, erreicheichdasHausvon KatiundSiegmar.Siehaben eineMengegetan,umihr Häuschenindividuellzu gestalten.Esistineinem zarten,hellenGelb gestrichen,Spitzengardinen hängenvordenunteren Fenstern,unddie Fensterrahmensindineinem dunklenRotgehalten.Nicht meinGeschmack,aber auffällig.EinbisschenPipiLangstrumpf-SchwedenStylemiteinemTouch Spießigkeitkombiniert.Ich mussnichtmalklingeln,da gehtdieTürschonauf.Kati strahltmichan. »Ichfreuemichso,dassdu kommst!«,begrüßtsiemich enthusiastischundziehtmich inihreArme,geradeso,als wäreichuntergefährlichsten UmständenausSüdamerika eingeflogen.Lustig. »IchbineinenTickspät– tutmirleid,ichhatteStress. AberhiersinddieSalate«, sageichundlösemich,so gutesebengeht,wennman gleichzeitigzweiSalatehält, ausderUmarmung.Diehat jawirklicheinenNarrenan mirgefressen. »DerSiegmarfreutsich auchwahnsinnig«,grinstsie undtätscheltmirdenPo.Sie isteineziemlichtatschige Person,wasbedeutet,sie fassteinenständiganund rückteinemauchimmer ziemlichnahaufdiePelle. »Gutsiehstduaus,so entspannt!«,redetsieweiter. Dasistnunwirklichsehr erstaunlich,dassichnach demTheaterheute Nachmittagentspannt aussehensoll.Ichhaltedas füreinesehrgewagte Schmeichelei,vorallem nachdemichebennoch meinenStresserwähnthabe. Abersei’sdrum,ichnehme jedesKompliment.Beider Menge,dieichbekomme, sollteichnichtzuwählerisch sein.Sovielzuspätscheine ichnichtzusein,dennaußer mirist,wieesaussieht,noch keinGastda. »Wosinddenndie anderen?«,frageich neugierig.»Ichdachteschon, ichwärespätdran!« Katilacht.»Welche anderen?«,antwortetsie. »Wirdachten,wirmachenes unsmalimkleinenKreis gemütlich.« EineGrillpartymitdrei Leuten!Wofürhatderarme RudijetztzweiSalate gemacht?Dasistirgendwie merkwürdig. »Wirgrillennurzudritt? SollichRudiundmeinen KindernnochBescheid sagen?Eswäredochschade umdieSalate«,schlageich vor. »Nee,lassmal,wirwollten dichmalganzfürunsallein haben.Wirhabendasoeine Idee–naja,undfürKinder istdieehernichts«,antwortet Katiundzwinkertmirzu. Solangsamwirdesmir hiereinbisschenunheimlich. Wassolldenndasfüreine Ideesein?OffeneBeziehung, BrazilianWaxingundalldie anderenDinge,vondenen Katimalbeieinem Frauenfrühstückerzählthat, schießenmirdurchdenKopf. SuchtsieeineneueGespielin fürihrenSiegmar?Denuntenrum-nichts-Träger? Wasfüreingruseliger Gedanke.Ichhabeden Impuls,sofortwiederzu gehen. »Trinkenwirerstmal was!«MitdiesenWortenhält siemireinGlashin. Ichbinverunsichertund weißnichtsorecht,wodas hinführensoll.Wasdenken diebeiden?Vorallem:Was wollendiebeiden?Binich vielleichtschoneinbisschen paranoid?Vielleichtgehtes ihnenjatatsächlichnurum einennettenharmlosen Abend?Wasbildeichmir ein?Vielleichtwollensie sichnurumeinearme Alleinstehendekümmern, mirungeteilte Aufmerksamkeitzukommen lassen.IchnehmedenDrink, dernachsehrviel Hochprozentigemriecht,und setzemicherstmalaufs Sofa.Siewerdenschonnicht ohnemeineEinwilligung übermichherfallen. Vielleichtbinichwegen meineskleinenTripsmorgen auchgedanklichschonso versext–werweiß.Man mussjanichtgleichpanisch werden.Eswillmirjanicht jederandieWäsche. »Lassunsessenund trinkenundeinbisschen reden,dabrauchenwirdoch sonstniemanden.Wirmögen esgerneinwenigintimer«, unterbrichtdaKatimeine Gedanken. Siegmarhatinzwischen denGrillentzündet.Intimer? Wie–intimer?Ichwerde einfachalleAvancen ignorieren.Schondeshalb spareichmirjeden Kommentarundkonzentriere michaufmeinGetränk. »Magstduein Würstchen?«,fragtSiegmar. Selbstdiese,ansich absolutharmlose,Fragean einemGrillabendbekommt inmeinemKopfeinen zweideutigenBeigeschmack. Ichmussmich zusammenreißen. »Gerne,Siegmar«, antworteichdeshalb,under lacht. MittlerweilesitztKati nebenmiraufderCouchund fängtschonwiederanein bisschentouchyzuwerden. Wiebeiläufiglegtsiemirdie HandaufdenArm. »Undsagmal,Andrea,wie gehtesdirdennso?Was machendieMänner?« BeidiesenWortenbeugt siesichsehrnahzumir herüber.Sonah,dassich erkennenkann,dasssie Nasenhaarehat–eine Tatsache,diemicheigentlich nichtinteressiert.Ichrücke, sounauffälligwiemöglich, einwenigzurSeite,lächle freundlich,obwohlich eigentlichaufspringenund flüchtenmöchte. »Ja,allesehernochim Entstehen,aberesläuftnicht schlecht.Alsonichts Konkretes,abereinigesan Angeboten«,antworteich. Daswarjetztziemlich verklausulierterMist,aber egal. »Ichholemirwasvom Salat,okay?«,frageichund steheauf.»Wollenwiruns nichtraussetzen?Istdoch nochschönwarm,und frischeLufttutdochimmer gut!«,plädiereichfüreine etwasöffentlichere Umgebung.DerNachteil einesReihenhausgartens– jederkannsehen,wasder anderesotreibt–wirdhier eindeutigzumVorteil. Ichhäufemirordentlich wasvonRudisBrotsalatauf denTeller.Salatist eigentlichderfalsche Ausdruck.EsisteineMenge fettigangebratenesBrotmit TomateundeinemHauch Grün.WeildieserSalatso wenigSalathat,magichihn besondersgern. »BeideinerFigurkannst dudirdieKohlenhydrate,die dadrinsind,jaleisten«, schmunzeltKati,und Siegmarkommtmiteinem Würstchenaufmichzu. »Esstihrnichts?«,frage icheinbisschenerstaunt.Ich fühlemichsolangsam wirklichkomisch.Wollendie mirjetztbeimEssen zuschauen? »Wirfastengerade, detoxen,entgiftenmeine ich«,erklärtmirKati. Diebeidenfastenund ladenmichzumGrillen! Geht’snochbekloppter?Die eineThüringerfürmich hättensieauchindiePfanne legenkönnen. »Habtihrjetztwegenmir denGrillangeschmissen?«, erkundigeichmich. »Klar,aberkeinProblem, habeichgernegemacht«, betontSiegmar.»Grillen liegtinderNaturdes Mannes!Istmeine zweitliebsteBeschäftigung!« Erlacht. Ichfragesicherheitshalber nichtnach,wasseineliebste Beschäftigungist. »Aberwollenwirdas Ganzedannnichtbesser verschieben?Wirkönnen dochwarten,bisihrauch wiederesst«,entgegneich. Ichkannkaumglauben,was hiervorsichgeht. »DasmitdemFasten habenwirerstbeschlossen, alsdieEinladungschon stand,undwirwolltendich nichtwiederausladen. GeradeindeinerSituation, daistmanjaoft empfindlich«,versuchtmir KatidiesebizarreSituation zuerklären. InmeinerSituation?Ich binjanichterstseitgestern getrenntundauchnicht wirklicheineAussätzige,die sonstnirgendserwünschtist. »Wirsetzenunszudirund trinkeneinbisschenvon unsererGemüsebrühe«, lächeltSiegmar.»Dasmit demFastenistsuper,ich habeschongarkeinen Hungermehr.Esläuft phantastisch!«,informierter mich,undalserausatmet, waberteineWellesehr strengenGeruchszumir rüber.Dasisteinerheblicher NachteildesFastens.Man bekommteinenfiesen Mundgeruch. »Guckmal,meineHose sitztschonviellockerer!«, zeigterundziehtden Hosenbundnachvorne,und ichkannseinenBauchsehen. Keinverführerischer Anblick.Weiß,haarlos, wabbelig,unddas,obwohler nichtdickist.Sosolltekein Männerbauchaussehen.Da istmirdiestraffe Kugelvariantelieber. Trotzdemstarreichdrauf. »Und?«,fragter. Ichkannkeinen Unterschiedsehen, wahrscheinlichschon deshalb,weilichmirseinen Bauchnochniesogenau angeschauthabe. »Naja,ichkanndasnicht sobeurteilen«,antworteich diplomatisch. »Dasistschade,aberdas könntenwirjaändern!«, kicherterundKatilächelt michvielsagendan. Langsambinichmir sicher,dassmichmeine Ahnungdochnichtgetrügt hat.Diewollenwasvonmir! Diedenken,ichbinso einsam,dassichmitihnen wasanfange.Diewollenmir, umesmalpositivzu formulieren,ausmeinem sexuellenNotstand raushelfen.Ichmusshier weg.Schnellstmöglich–auf jedenFall,bevorespeinlich wird.Dahilftnurder bewährteTelefontrick. »Ichmussmalgerade verschwinden!«,sageichund huschemitHandyin RichtungGästetoilette.Ich schreibesowohlMarkals auchSabineeineSMS. AnMark:Rufemichbitte anundsag,dassdirschlecht ist.Icherklärediralles nachher! AnSabine:Erlösemich! Binbeisexgierigen Nachbarn,dieschlimme Dingemitmirvorhaben.Du weißtschon,dergewaxteTyp mitFrau.Rufmichanund erfindeirgendwas,damitich hierwegkann.Schnell,esist einNotfall!Nochhabeich dieKlamottenan! Betontentspanntgeheich zurückindieHöhleder Sexmonster. »Undwiegehteseuch so?«,lenkeichdasGespräch malinandereBahnen. »Gut!Sogut,dassauch andereanunseremGlück partizipierendürfen!«, antwortetKati,undschon wiederhöreicheinen bestimmtenUntertonheraus. Nichtschlüpfrig,daswäre übertrieben,aberleicht zweideutig–dastrifftes. Bevorichantwortenkann, klingeltdasHandy.Sabine. »Entschuldigt,damussich dran,dasistmeinebeste Freundin,dergeht’sgerade nichtsogut.«Ichkann wirklicheinsalügen.Muss auchaufmeineCharakterMängelliste:Profi-Lügnerin. »Ja,Sabine,geht’sdir immernochschlecht?«, beginneichdasGespräch, damitSabinegleichweiß,in welcheRichtungdashier geht.Sabinekönntemeine Meisterinsein.Diekannsich Geschichtenausdenken,dass mannursostaunt.Soauch heute. »Andrea,ichbingerade mitdemNotarztimHöchster Krankenhausangekommen. EskönntederBlinddarm sein,Nierensteineoderdie Gallenblase.Miristfurchtbar übel,vielleichtmussich notoperiertwerden.Mein Liebsteristnichtda,ichbin ganzallein.Kannstdu kommen?«Sieschluchzt extremlaut.Daswarnicht ganzdas,wasichwollte. EineNummerkleinerhätte esauchgetan. »OGott!«,sagtKati bestürzt,währendsiemein Gesprächbelauscht. »Ichkommenatürlich!Ich bingeradebeiFreunden,aber dasgehtnatürlichvor.Das werdensieverstehen.Ich kommeindieNotaufnahme. Bingleichbeidir,duArme!« SiegmarundKatischauen entsetzt.Icherkläredie Situation,undsiesind tatsächlichvoller Verständnis.Siegmar umarmtmichundhauchtmir eineweitereBrisemuffeligen AteminsGesicht.Sofort fühleichmichschlecht.Sie sindnettundliebevoll,und ichbineinverlogenesStück. MeinTelefonklingelt wieder.WieimReflexgehe ichdranundbereueessofort. EsistmeinSohnMark. »Ichweißnicht,wasdu genauwillst,abermirist schlecht.Kommbitte heim!«,sagternur. Insgeheimbinichein wenigberuhigt,wieschlecht erlügenkann.Dafürkanner aberverdammtlautsprechen. KatiundSiegmarhaben alles,WortfürWort, mitgehört. »Achduje«,zeigtsich Katimitfühlend,»wiewillst dudasdennallesalleine regeln?« »Ichschaueschnellnach Mark,derübertreibtgern mal,unddannfahreichzu Sabine.Dasscheintja wirklichernstzusein!«, demonstriereichplanerische Qualitäten. »Wirlassendichdochjetzt nichtimStich!«,sagtda Kati,währendsieinihre Schuheschlüpft.»Der SiegmarbleibtbeiMark,und ichfahremitdirindie Klinik!Dasmusstdunicht alleinedurchstehen«, entscheidetsie.»Machdich fertig,Siegmar,löschden Grill.Gehduruhigschon vor,Andrea.Wirsindinfünf Minutenbeidir.Machdir keineSorgen!«,gibtsiemir letzteAnweisungen. Mist,daswarnichtganz nachPlan. »Dasbrauchtihrnicht! RudiistzuHauseund kümmertsichsicherlich«, versucheichdiebeiden umzustimmen. »Dasist selbstverständlich,auch wenndudasnichtgewöhnt bist!Wirlassendichnicht allein«,wiegeltKati entschlossenab. Wasdenkendie,wieich lebe? »Ichgeheschonmal,aber esistesnichtnötig,dassihr nachkommt«,sageichund willsowenigstensmeinen kleinenVorsprungnutzen.Zu Hausewirdmirschonwas einfallen,umsiewieder loszuwerden.Rudiwirdmir sicherhelfen! IchrennenachHause.Jetzt zähltjedeMinute.Ichmuss meinemSohnklarmachen, wasdaaufihnzukommt.Vor allem,werdaaufihn zukommt.Marksitzt missmutiginseinem Zimmer. »Ichkanndirdasjetzt nichterklären,aberSabine istimKrankenhausunddir istschlecht.Undjetzt kommenSiegmarundKati, umdirBeistandzuleisten, weilichzuSabineins Krankenhausfahre,obwohl dieeigentlichgarnichtda ist«,versucheich,das WichtigsteinKürze zusammenzufassen.Würde mirjemandsowaserzählen, würdeichdenken,erseiirre. »Ichmussdasjetztnicht verstehen,oder?«,sagtmein Sohnnur. »Nein,legdicheinfachins Bettundguckleidend«, antworteich.»Dukannst wiederaufstehen,wennich zurückbin!« »Jetzthabeichsogarnicht nurHausarrest,sondernmuss auchnochimBettbleiben. Dasgehtechtzuweit.Und ichkapier’snicht.Wenn SabineimKrankenhausist, wiekönntihrdazum Wellness-Dingsbums fahren?« Dashabeichnicht bedacht.DieeineAusrede mitderanderenkaputt gemacht.LügeentlarvtLüge. »Dasistkompliziert.Dir istjetzteinfachübel.Das wirdjawohlnichtzuviel verlangtsein,nachallem, waspassiertist!«,beendeich dasGespräch.»Ichmuss gleichlos,woistRudi überhaupt?«,frageichnoch schnell. »DeristmitdemHund unterwegs!Ichweißnicht, wannderwiederkommt!«, murmeltMark. »Odoch,dasweißtdu!Der kommtsofortwieder! Deshalbhastdudann jemanden,dersichkümmert, kapiert?Egal–dasist jedenfallsdas,waswirzu SiegmarundKatisagen.« »Wersindüberhaupt SiegmarundKati?Undwas wollendiehier?Undwarum musstduinsKrankenhaus? Wervonunsbeidenkifft dennhiereigentlich?«,wird meinSohnjetzteinwenig spitzfindig. Bevorichihn zurechtweisenundihm nochmalsalleserklärenkann, klingeltesschon.Daswerden SiegmarundKatisein. »Ichsage,duschläfst. Verhaltedichruhigundbleib imBett!Rührdichnichtvom Fleck,bisichwiederdabin!« »Habverstanden«,brummt er,undichgehezurHaustür. WieerwartetsindesKatiund Siegmar. »Bleibganzruhig, Andrea!«,begrüßtmichKati undschlingtgleichwieder ihreArmeummich. »Ichbinschonwiederganz ruhig«,antworteichund schiebesiesanfteinStück vonmirweg.»Alsodankefür euerAngebot,aberRudiist daundgucktnachMark–der schläft.Undwegendes Krankenhauses…ichdenke, esistbesser,ichfahreallein. IhrkenntdieSabinejanicht, unddaswäreihrdannsicher unangenehm.Ichschaffedas schon–abertrotzdem,lieb voneuch.Danke.« Ichfinde,dahabeichmich aufdieSchnellerechtelegant ausderAffäregezogen. Bessergesagt,ichhättemich fastrechtelegantausder Affäregezogen,dennRudi tauchtvordemHausauf. »EiSchatzi,wasbistde dennschonwiedäda?Was issenlos?«,zeigtersich erstaunt.Abereristnichtder Einzige,dererstauntist. Dennvoretwa30Sekunden habeichzuSiegmarundKati gesagt,Rudiseidaund würdesichumMark kümmern. »Wirdachten,Rudiwäre zuHause?«,sagtdaauch schonKativerwundert. »EristjajetztzuHause. Alsoichmeinteeben,dasser gleichzuHauseist«, stammleich.Elegantist anders. »Rudi,Markistschlecht, wiedujaweißt.Erschläft aberjetzt,undnetterweise kümmerstdudichja.Ich mussinsKrankenhauszu Sabine,dergehtesnicht gut!«,informiereichmeinen Schwiegervater. »WasenDörschenanner«, bemerkternurtrocken. »Sollichnicht sicherheitshalberdoch mitkommen?Zudeiner FreundininsKrankenhaus? UndSiegmarkanndemRudi gernehelfen!«,mischtsich Katiwiederein. »Desschaffischschon selbst.EnkrankeBubisdoch kaanProblem.Ischbinnur verwundert,alsischlosbin mitemKarl,warderMark nochputzmunter.Ei,eskann werklischschnellgehemit emKrankwern!«,lehntRudi dasHilfsangebotab. Katiwirktrichtiggehend beleidigt:»Dumachstes einemnichtleicht,Andrea. WerHilfewill,musssieauch zulassen!« »Ichbinsehrfrohüber euerAngebot,aberwirregeln dashierselbst.Dankenoch mal«,binichnuneinwenig vehementer.Mussichdie erstwegschubsen,damitsie eskapieren!Nein. Siewendensichab, allerdingsnichtohneeinen kleinenKommentarvon Kati:»Naja,einbisschen versteheichdieanderenjetzt doch.ManwilldirwasGutes tunundzurSeitestehen,und dubistsoabweisend.Da musstdudichaufDauerauch nichtwundern!« Diesindbeleidigt!Dasist janundieHöhe.Wasbilden diesichein?Dasssie,weil siemichzumlauschigen, »intimen«Grillabend eingeladenhaben,gleichzum engstenFamilienkreis gehören?Undwassolldie Bemerkungüberdie anderen?Welcheanderen? Ebennochfandichdie beidenwirklichnettund hilfsbereit,jetztbinich richtigsaueraufsie. Dummerweisehabeichdie herrlichenSalatevonRudi beiihnenstehenlassen.Aber ichkannsiejaschlechtjetzt zurückfordern,obwohlesja mehralsalbernist,siebei zweiFastendenzulassen. ImmerhinKatiundSiegmar habenesendlichverstanden undgehen. »DeineEntscheidung!Und dasmitdemGrillenholen wirnach.GuteBesserungfür deineFreundin!DeinSohn scheintsokrankjanichtzu sein«,verabschiedetsich Siegmar. »Tschüsdann!«,schließt sichKatian. Uff,diewärenwirschon mallos. »Binischzualt,odäwar desseltsam?«,lautetRudis Kommentar. »Daswarseltsam.Lass unsreingehen,Rudi«,sage ichnur. WasfüreinAbend!Muss ichjetztauchnochsotun,als würdeichinsKrankenhaus fahren?Ne,diewerdendasja wohlkaumkontrollieren– undwenn,dannlügeicheben nocheinbisschenweiterund sage,dassSabineangerufen hatundesihrschonviel bessergeht.FalscherAlarm! Warendanndochnur Blähungen! »Mark,dukannst aufstehen.Kannstaberauch gleichliegenbleiben,esisteh Abend!«,rufeichhochin RichtungKinderzimmer. KurzeZeitspäterstehen MarkundRudiratlosim Wohnzimmer. »Waswardas?«,wollen siewissen. »Nureinkleines Missverständnis«,erkläre ich,ohneirgendwaszu erklären. »HabtihrdieSalate uffgegesse?«,erkundigtsich Rudi. »Ne,aberinderHektik habeichsiedortvergessen.« »Ei,sollichsehole?«, fragtRudifreundlich. Ichüberlegekurz. Einerseitsistesnatürlich ziemlichunhöflich,etwas zurückzufordern,wasman geradeebenmitgebrachthat, andererseitssinddiebeiden amFasten,undfürden MülleimersindRudisSalate wirklichvielzuschade. »Gehruhigvorbei,wenn dumagst.Dukannstjanach denSchüsselnfragen,dasist nichtsopeinlich!« IchlegemichaufsSofa undversuche,michauf morgenzubesinnen.Aufwas habeichmichdanur eingelassen?Bisher dominiertenVorfreudeund AufregungbeimGedanken anmeinenkleinenAusflug, nunmachtsicheinungutes Gefühlinmirbreit.Ichfühle micheinbisschenso,alssei ichvoneinemEscort-Service eingekauftworden–nurohne Bezahlung.Irgendwiebillig. LeichteBeute.Ichüberlege, obichnichtbesserabsage. DasistdasGutean Kindern:Manfindetimmer einenGrundfüreineAbsage. EinkrankesKindistdie besteAusredeüberhaupt. Jedegute,braveMutter würdedadochzuHause bleiben.Aberwarichnicht langegenugeinegute,brave Mutter?Wirdesnicht endlichmalZeit,nichtbrav zusein?Außerdemistmein Kindjanichtkrank.Wen kümmertes,dassmeine Reisevielleichteinwenig anrüchigundunmoralisch ist?Esweißjaniemand davon,außerSabineund Heike–unddiesindmeine Freundinnen.Dasgrößte Problembinichselbst.Tief inmirwehrtsichetwas gegendiesenTrip.Er entsprichtsogarnicht meinemNaturell.Aber vielleichtliegtdieAufregung genaudarin:Etwaszutun, wasmansonstnichttun würde. Niemandzwingtdichzu irgendwas,beruhigeichmich selbst.Duwirstdicheinfach nuramüsieren,Andrea,nicht mehrundnichtweniger.Und duhastesverdient.Ichdenke einbisschenanSarahMarie undChristoph,undschon seheichmeineReisewieder ineinemvölliganderen Licht.EsgehtnurumSpaß, Andrea,nurumSpaß–du willstjanichtheiraten,du bistjaschließlichnoch verheiratet. Aberwahrscheinlichnicht mehrlange,schießtesmir durchdenKopf,undsofort spüreichwiedereinegroße Traurigkeitinmir.Bald werdeicheinegeschiedene Frausein.Einegeschiedene FraumitzweiKindern.Keine Aussicht,aufdieichmich freue.Obwohlmirmein StatusalsverheirateteFrau auchnichtsbringt.Christoph istweg.Dasisteine Tatsache,mitderich zurechtkommenmuss,obes mirgefälltodernicht.Oder mussichnochmalalles versuchen,umihn zurückzuerobern?Aberwill ichdasüberhaupt?Eine Frage,diemichwiederund wiederbeschäftigt.Istselbst eineBeziehung,dieman kaummehralssolche bezeichnenkann,besserals keine?Bisvorkurzemhätte ichentschiedenNeingesagt, inzwischenbinichmirnicht mehrsicher.Vielleichtbin ichdochvielkonservativer, alsichdachte,alsichmich selbstgernesehenwürde. FühleichmichnurmitMann komplett? Rudiklingelt.Tatsächlichhat eresgeschafft,unsereSalate zurückzuholen.Allerdings kannvonSalatennichtmehr wirklichdieRedesein.Die Schüsselnsindleer. »Diehabbealles uffgefuttert.Erhatnoch StückscherimMundwinkel hängegehabt!«,grinstRudi. SovielzumThemaFasten. »Unsiehatneugierisch gefracht,obdeschonweg bist!Diewolltdirektwiedä mitkomme,aberischhabse dadevonabgehalte.Deswar indeinemSinne,gell?Ich haberklärt,desdumoinmit deSabinefortfährstzum Wellnessunnochordentlich zutunhast!« Mist,dahatRudijetztwas durcheinandergebracht.Was werdenKatiundSiegmar bloßdenken?Daswar’s dann.Soschnellwerdeich garantiertnichtmehrzu einemlauschigenGrillabend eingeladen.Abereigentlich– umsobesser.Ichbeschließe, mirkeineGedankenmehr überKatiundSiegmarzu machen.Irgendwoistauch malSchluss.Sollensiedoch denken,wassiewollen. Allerdingsistmirklar,dass sienichtnurdenkenwerden, wassiewollen,sondernauch nochschönrumerzählen werden,wassiewollen.Aber trotzdem:Ichwerde deswegenjetztnichtplanlos mitdemAutorumfahrenund sotun,alsmüssteichins Krankenhaus.Ichhabeweiß Gottandereszutun. WährendichSabinejetzt schnelleineSMS–Danke! Gerettet!Detailsspäter.– schicke,fälltmirdasFehlen einerPersoninmeinem Haushaltauf. »Woisteigentlich Claudia?« Rudiistinformiert– wenigstenseiner:»Bei Mischa,ihrerFreundin.Isch glaab,diehatTrost gebraucht.Diehat Liebeskummä,dieklaa Maus.Siekommtabägege elfzurück,hatsegesacht.« DiekleineMauskommt umelfUhrnachHause!Na dann. »Ichgehmalhochund legemeineSachenfür morgenzurecht.Ichwünsche direineguteNacht!« Rudigrinst.»Wasen Kuddelmuddel!Istdie SabinejetztimKrankehaus, odernet?Unwasismitem Wellness?«,fragter. »Ach,Rudi,dasist schwierig.DieSabineist daheim,undwirfahren morgenweg.Dasanderewar nureineAusrede.« Ernickt,obwohler aussieht,alswürdeersich ernstlichSorgenummeine Verfassungmachen. »Schlafgut,Rudi«,sage ichundgeheinmein Schlafzimmer. Ichcheckenochmalmeine Klamotten,packeallesinden Trolleyundlegemeine Sachenfürmorgenraus. Dannwidmeichmichinaller RuhemeinemKörper. Duschen,rasieren,cremen– dasganzeProgramm.Nach einergutenStunde,Nägel lackierenundHaarewaschen inklusive,istmeinKörper einsatzbereit.Bessergeht’s haltnichtmehr,denkeich, währendichmichnacktim Spiegelmustere.Ichschaue michan,alswärediePerson imSpiegelnichtich.Mit Abstand–soalswürdeich einefremdeFrauinder Saunabetrachten.Meine bestenTagesind,jedenfalls figürlichgesehen,vorbei. MeineOberschenkelhaben Cellulitis,undmeinPoist auchnichtfreidavon.Der Bauchhängteinbisschen,die Brüsteauch.MeineArme sindzudickundnichtgerade straff.Ichwirkeinsgesamt nichtgerademuskulös. Woherauch?Ichgehöre leidernichtzudenFrauen, diemitInbrunstsagen:Ich kannohneSportnichtleben! Ichkannnämlichsehrgut ohneSportleben.Mirfehlt dieseDisziplin,ummorgens vorderArbeitnochebenmal zehnKilometerzujoggen. Jetztbereueichdas.Hätte ichmichdochnuraufgerafft! MeinenSchenkelnhättees sichergenutzt.Aberzuspät. Esist,wieesist,undes könnteschlimmersein. SchließlichistRaketeauch keinedreißigmehr.Aber wahrscheinlichhatteerschon dieeinoderandere DreißigjährigeimBett,und imVergleichwirdesdafür michschoneinbisscheneng. Ichlegemichvorsichtig aufsBett,ummeinefrisch lackiertenFußnägelnichtzu ruinieren,undschnappemir meinenLaptop.Mankann wirklichallesgoogeln. Ichtippeein:Wiesieht manbeimSexgutaus? AlsErstesspringtmireine AnzeigeinsAuge:Dezente Schamlippen–füreinneues Körpergefühl! Dasmachtmichrichtig wütend.IchklickedieSeite an.DieAngebotspaletteist erstaunlich: Schamlippenverkleinerung, Vaginalverjüngung,G-PunktVergrößerung, Hymenrekonstruktionund Venushügel-Sculpting.Was sollenwirdennnochalles renovieren?Tickendienoch richtig?Gibtesjetztsogar dieidealenSchamlippen? DarfmannurnochSex haben,wennmanzuvor vaginalverjüngtwurde?Sind wirFrauenverrückt geworden?WürdenMänner soetwastun?Lassendiesich ihreHängeeieranheben? LassendiesichihrenPenis straffen,oderistderperseso einhübschesKörperteil?Das klingtjetztvielleichtein wenigvoreingenommen,aber malehrlich:Welches Unterleibskörperteilansich hübscherist,darübersollteja wohlkeinZweifelherrschen! Ichgebezu,mitFragenwie Venushügel-Sculptingund Vaginalverjüngunghabeich michbisgeradeebennoch niebeschäftigt.Undwerde ichinZukunftauchnicht! Irgendwoistwirklichmal Schluss!Wannsollichdas dennnochmachen?Undvor allem,wiesollteichdas bezahlen? Zurückzum Ausgangsthema:Wiesieht manbeimSexirgendwie vorteilhafter,mitanderen Wortenwenigerfettaus?Um denBauchzuverbergen,lese ich,mussmansichaufden RückenlegenundeineArt Brückemachen,alsodas BeckenunddieHüften anheben.Immerhindarfman sichdabeimitden Unterarmenabstützen.Ich probiereesaus.Nicht schlecht,derBauchsieht jedenfallsflacheraus.Um dieBeineschlankerwirken zulassenwirdempfohlen,sie indieLuftzurecken.Wer BauchundBeinegleichzeitig schöneraussehenlassenwill, hatdamitallerdingsein Problem.Mankannkaumdie BeineindieLuftstrecken, währendmaneineArt Brückemacht,außerman arbeitetnebenherim chinesischenStaatszirkusals Artistin,aberdannhatman garantierteinenKörper,der solcherlei Ablenkungsmanövernicht nötighat.Generellsollman dieAufmerksamkeitauf Körperteilelenken,dieeinem selbstgutgefallen.Meine Hände? Ichforscheweiterim Internet.GuterSex–was machtdenaus?Leidenschaft, Abwechslung, Hemmungslosigkeitund Aufregung.Na,dawäreich selbstjaniedrauf gekommen!Kontrollverlust sollsexysein? ProbierenSieesmalmit demPistenspiel,um AufregunginIhrLiebesleben zubekommen,schlägteine Zeitschriftvor.Sieziehen sichausundlegenmitIhren KleidungsstückeneineSpur biszumBett,undaufdem habenSiesichdrapiert– nacktnatürlich.Daswäre machbar,auchineinem Hotelzimmer. Ichbeschließe,nichtnoch mehrzulesen,dennjemehr ichüberSexlese,desto ängstlicherwerdeich.Der vernünftigsteTipperscheint mir:EntspannenSiesich, undvermeidenSiegrelles Licht.DasmitdemLicht werdeichaufjedenFall machen!Fürdie Entspannungbraucheichmit Sicherheitdeneinenoder anderenDrink. Um23:30Uhrklopftesan meineTür.Claudiaist zurück. »Na,Mäuschen,wieist es?«,frageichfreundlich. »Geht’sdirbesser?« »Ne«,knurrtsienur.»Der hatsicheinfachnicht gemeldet!NichteineSMS, derwarnichtmalonlinebei WhatsApp!«,jammertsie. Währendsiedassagt,zieht sieihrHandyausder Hosentascheundschaut drauf.»Nichts!Meinen ganzenTaghatdermir vermiest.Wahrscheinlichhat ermichschonvergessen.« »SoeinQuatsch«, versucheichsiezutrösten. »Deristbeleidigt.Männer sindschnellmalbeleidigt! Wartab,dermeldetsich schon!« »Ja,undwennnicht?«, fragtsie.»Wasmacheich dann?« »Hastdudichbeiihm gemeldet?«,willichwissen. »Alsoeigentlichwollteich nicht,aberdannhabeich dochkurzgeschrieben«, stammeltsie,undanihrem Tonfallkannicherkennen, dasssieesbereut. »Daswarnichtsogut!Du weißtdoch:Willstdu gelten…« »…machdichselten«, beendetsiemeinenSatz. »DasistdochScheiße, altmodischeScheiße.Warum mussichsowasmachen?«, willsiewissen. »Ach,Schätzchen«, antworteich,»duhastrecht undtrotzdemnichtrecht.Es istdoof,abersofunktioniert eshalt.Leiderhabensichdie SpielregelninBezugauf Liebeindenletzten Jahrhundertennichtsehr verändert.DieMänner übrigensauchnicht!Geh schlafen,erwirdsichschon melden.Wennduwillst, kannstdudeinHandybeimir lassen,dannkommstdugar nichtinVersuchung,ständig draufzustarrenoderwaszu schreiben!« Sieguckterschrocken: »MeinHandy?Ichsollohne meinHandyinsBettgehen?« Sietutgeradeso,alshätte ichgesagt,siesolleaufder Straßeschlafen. Ichnicke:»Ja,odermache esaus.Derwirdsich jedenfallswundern,und wennersieht,dassduauch malnichtonlinebist,wirder sichschonbemühen.« Sieschautnachdenklich. »Meinstduecht?«,fragtsie mich. »Eskönntedochgutsein«, sageichundfreuemich,dass wirseitlangemmalwieder richtigmiteinandersprechen. Siezögertnochimmer. »Achwassoll’s!Vielleicht schlafeichdannwirklich besser«,entscheidetsieund drücktmirdasHandyindie Hand.»Nichtdran rummachen,Mama!Undnix lesen–versprich’smir!«, gibtsiemirnoch Anweisungen. Sicherheitshalberschaltetsie esaus. Ichversprecheesundlege esaufmeinenNachtisch. »Ichhabdichlieb!«,sagt sie,alssiesichzurTür umdreht. »Kommmalher,mein Schatz«,antworteich,stehe aufundnehmesiefestinden Arm.»Ichdichauch–und wie.Wirhabenesmanchmal schwermiteinander,aberdu weißt,liebhabeichdich immer.« Ichdrückeihreinendicken KussaufdieWangeundsie küsstzurück. »Uah,dubistjanackt!«, sagtsienoch,undwegistsie. Daswarendlichmal wiedereinerschöner Tagesausklang.Versöhnlich undliebevoll.Mein Nagellackisttrocken,und ichkuschlemichinmein Bett.Wasauchimmerdaauf michzukommtmorgen,hier zuHausesindMenschen,die michliebhaben.Dasist schön,denkeich,stelle meinenWeckerundfühle michseitlangemmalwieder richtigwohl. 3 Ichwacheauf,nochbevor derWeckerklingelt.Ichbin aufgeregtundhabeunruhig geschlafen.Ichfühlemich wieeineDrittklässlerinvor ihrererstenKlassenfahrt.Ich springe,ganzgegenmein Langschläfernaturell,sofort ausdemBettundgeherunter indieKüche.Erstmaleinen Kaffeetrinkenunddannin allerRuhealles zusammensuchen.Ichhabe Zeit,beruhigeichmich.Ich mussum7:45Uhram Lufthansaschalterstehen.Es langt,wennichgegensieben losfahre.Ichwerdemein AutoamFlughafenparken. Dasistzwarteuer,aber immernochgünstiger,als mitdemTaxizufahren. Außerdemfahreichjamit SabinezumWellness,undda würdemanjanichtmitdem Taxihinfahren–entweder würdeichSabineabholen oderSabinemich.Ichmuss wenigstensheuteMorgen meinLügenkonstruktnoch irgendwieaufrechterhalten. LeiderhatmeinNagellack dieNachtnichtgut überstanden.Wardochnoch nichtrichtigdurchgetrocknet. Ebenmäßigistanders.Erhat eineArtStrichmuster, irgendwiesoalshättejemand meineFußnägel ausgepeitscht.Ichmöchte einmaleinenLackfinden, derhält,waserverspricht! Naegal,eswirdjakeine eingehendeFußkontrolle geben,undjetztkanniches ehnichtmehrändern.Obich dochnochmalschnell drüberpinsele?Aberdann?In meinePumps?DasRisiko geheichmalbessernichtein. IchwerdedenLack mitnehmenundzwischendrin nachbessern. »Moin,Andrea!«,begrüßt michdaRudi. »GutenMorgen,Rudi. AucheinenKaffee?«, antworteich. »Gern.Musstdunetlos?«, fragter. »Ja,unddeshalbwärees auchnett,wennduden KindernwaszumFrühstück machenkönntest.Ichwerd kurzvorsiebenfahren.« Eswärezuärgerlich,wenn ichdurcheinenschnöden StaumeinenFlugverpassen würde.Dasteheichlieber aufdemFlughafennocheine halbeStunderum.So langsamfangeichan,nervös zuwerden. »MachdichvomAcker, ichkümmermich,unheut Mittagkommtjade Christoph!« Ja,daswollenwirmal hoffen–aberinzwischenist esmirauchegal.Ichbinfür heuteundmorgennicht zuständig.Mütterneigenja dazu,selbstPhasenkurzer Abwesenheitkomplett durchzuplanen.Essen einfrieren,Listenerstellen unddannhalbstündlich anrufen,umzukontrollieren, obihreLiebstenauchohne sieüberleben.FürsEssenist Rudizuständig,und Christophsollteauchinder Lagesein,seineKindervor demVerhungernzu bewahren.Anrufenwerdeich jedenfallsnicht.Ichwerde michausnahmsweisenurum michselbstkümmern.Mir fällteinSatzvonDorothy Parker,einervonmir hochverehrten Schriftstellerin,ein,der hoffentlichauchfürmein Wochenendegeltenwird: I’vebeentoofuckingbusy– orviceversa.Ichmuss kichern. »Freustdedichso,ma rauszukomme?«,fragtda meinSchwiegervater. »Ja,dastueich.Ichfreu michriesig!Danke,dassdu dichkümmerst.« »Gern,Andrea.Dutustmir jaauchsomancheGefalle!«, sagterundzwinkertmirzu. Hasenpuscheldenkeich nur. »Willstdenochwas mitfrühstücke?«,erkundigter sichliebevoll. Ichhabeüberhauptkeinen Hungerundlehnedankend ab. »Rudi,ichgehhochund machmichfertig.Sabineund ichwollenfrühlos«,sageich noch,bevorichmichin RichtungSchlafzimmer aufmache.Hoffentlich passiertdiesesWochenende nichtirgendwas!Solltedas Flugzeugabstürzen,weiß niemand,dassichdrinbin. AußerSabine.Ichmuss darandenken,ihrBescheid zusagen,wogenaues hingeht. Ichdusche,machemirdie Haareundziehedie bereitgelegtenKlamottenan. Ichfinde,ichsehegutaus. Lässig,aberchic.Jeans, weißeBluse,Lederjackeund Pumps.Eigentlichwollteich Sandalenanziehen,aber wegenderkleinen Nagellackpannescheidendie aus.IchstopfedieSandalen mitsamtdemLacknochin denTrolley,schnappemein HandyvomNachtischund binfertig.Fertigundnervös. Furchtbarnervös.Ichbin kurzdavor,wieder auszupacken.Wennichnoch längerhierbleibe,werdeich genaudastun,unddeshalb beschließeich,jetztschon loszufahren.Ichkannjaam FlughafennocheinenKaffee trinken. »Rudi,ichfahrelos.Du denkstandieKinder!Grüß sievonmir–ichwillsie jetztnichtwecken.Ichrufe an,wennwasist«, verabschiedeichmichvon meinemSchwiegervater. Ichmusslos.Ichhätteden Kinderngernenochtschüs gesagt,willabernichtnoch mehrrumlügen.Wellness– ichkomme! Natürlichbinichvielzufrüh amFlughafen.Esistja immerso–hatmanes verdammteilig,findetman garantiertkeinenParkplatz, istmandagegenfrühdran, dannklapptallesreibungslos. Sosteheichjetztalsomit meinemTrolleyinder riesigenAbflughalleund starreaufdieAnzeige.Ich hoffesosehraufVenedig! IchsetzemichineinCafé, undwährendicheineweitere LadungKoffeinzumir nehme,sucheichmein Handy,umSabineanzurufen. Alsichesanmachenwill, verlangtesnacheinemCode. Seitwanndasdenn?Nach nurwenigen Schrecksekundendämmertes mir:IchhabeClaudias Handydabei!MeinHandy liegtzuHauseimBad.Das aufdemNachtischistdas HandymeinerTochter gewesen,dassiegesterndort bravhatliegenlassen.Das kommtdavon,wennman KindernteureSmartphones kauft.Ichwerdepanisch.Ich habejetztwederRaketes Nummernochsonst irgendeine.Schaffeiches, nochmalnachHausezu fahren,umdieHandyszu tauschen?Dasistlogistisch unmöglich–esist inzwischen7:20Uhr,undum 7:45Uhrbinichverabredet. Wasmacheichnur?Ichkann jaschlechteinganzes WochenendeohneHandy unterwegssein.Ichmuss ClaudiasCoderausfinden, umwenigstensirgendein Handyzuhaben. Claudia!OGott!Die bringtmichum.Dieläuft geradegarantiertzuHause Amok.ArmerRudi!Wenn diejetztmeinHandyfindet undmeineSMSsieht,dann fliegtmeinganzes Lügenkonstruktauf.Wie bescheuertbinichbloß.Wie könnteClaudiasCodelauten? IhrGeburtsdatum?Ichgebe eseinundscheitere.Nichts. DerGeburtstagvonGustav Johannes?Leiderfälltmir dernichtein.Dasistein Zeichen,überlegeich.Ich sollnichtfahren.Dasistkein Zeichen,sondernnur Schusseligkeit,regdichab, Andrea,versucheich,mich zuberuhigen.Ichprobierees mit1234.Tatsächlich!Es funktioniert.Sonderlich originellwarmeineTochter danicht,abergeradebinich sehrfrohdarüber. Wasnun?ZuHause anrufenundeinkomplettes Geständnisablegen?Drei Nachrichtensind eingegangenundsechs AnrufeinAbwesenheit.Alle vonmeinemHandy. Immerhin–dashatsie gefunden. Mama,woistmein Handy?,lautetNachricht eins.Nummerzweiklingt schonpanischer:Ichwerde verrückt.WoistmeinHandy? Wassollichohnemachen? Hieristnurdeins,undda sindkomischeNachrichten! Meldedich!MeinCodeist 1234! Einewirklichunglaublich klugeNachricht,diemich kurzamVerstandmeiner Tochterzweifelnlässt:Sie schicktmirihrenCodeauf ihrHandy,aufdemichja wohlkaumNachrichtenlesen kann,wennichdenCode nichthabe. NachrichtNummerdrei lautet:HabeSabine angerufen,unddiehat gesagt,ihrwürdeteucherst imWellnesshoteltreffen.Opa hatgesagt,duholstsieab. Ichverstehedasallesnicht! Wobistdu,wasmachstdu? Meldedich,undguckjanicht meineNachrichtenan!Ich brauchemeinHandy.Sofort! Ichsolljanichtihre Nachrichtenangucken–das istjaauchwiedersehrklug! Wofürschicktsiemirdann welche?Tja,dasmitdem Sofortbrauchenmussbis übermorgenwarten.Oderich lasseeshieramFlughafen, deponiereesirgendwo,und siekannesabholen. Einerseitswäredassehrnett vonmir,andererseits ausgesprochenverräterisch. Schließlichfliegeichjanicht mitSabineindie Wellnessferien,sondern fahremitdemAuto–wie alsosolltedasHandy hierhergekommensein? Außerdemhätteichjadann inVenedigkeinHandy. Natürlichkönnteichdas HandyaucheinemTaxifahrer indieHanddrückenundihn alsHandyüberbringernutzen. Wasfüreinfieses Kuddelmuddel. Nur,ohneHandywillich dienächstenTagenichtsein, unddeshalbreagiereich einfachmalüberhauptnicht. Claudiawirdesschon überleben.Eswirdeine überauslehrreicheErfahrung sein.Daskönnteman natürlichauchumgekehrtfür michbehaupten,abersieist jünger,undichbinim Auslandunddortvielleicht malaufsHandyangewiesen. BeiälterenMenschenkann eseherzumedizinischen Notfällenkommen.Egalwie ichesdreheundwende–ich habeeinlatentschlechtes Gewissen.Claudiawird durchdrehen.Ohneihren GustavJohannesundmit quasidurchtrennter Nabelschnur.Wiesollersie soerreichen?WieKontakt aufnehmen?Ichbinnicht malsicher,oberunsere Festnetznummerkennt.Aber siemitSicherheitseine.Und mankannesjaauchwiein meinerJugendmachenund einfachmitdemRadbeim Freundvorbeifahren.Egal– ichkannmichjetztnicht mehrdarumkümmern. EsistZeit,sicham Treffpunkteinzufinden.Ich merke,wiemirgrauenvoll heißwird.Ichfangeanzu schwitzen.Wasistdas?Mir wirdplötzlichirrewarm.Als hättejemandmeine Schweißdrüsen,wieDüsen imWhirlpool,alleauf einmalaufgedreht.Volle Pulle.MeinNackenist klatschnass,fastalshätteich gebadet.Istdaseinedieser berüchtigten Hitzewallungen?Eine Wechseljahrserscheinung? Bisherhabeichnurabundan nachtsgeschwitzt.Wie herzlossinddiese Wechseljahrenur?Müssen sieausgerechnetjetztindie Offensivegehen?Meine mühsamaufgeföntenHaare, ehnurmitviel Stylingprodukteinigermaßen vorzeigbar,fallenlangsamin sichzusammen.Wasfürein Timing!Ichbrauche dringendTaschentücher. EigentlicheherHandtücher. AlsonichtswiezurToilette undsehen,obesnoch Rettunggibt. Esist7:35Uhr–mir bleibengenaunochzehn Minuten.ZehnMinuten,um micheinmalkomplett trockenzulegen.Wasfüreine Bescherung!Mirläuftder SchweißinStrömenden Rückenrunter,meinKörper verlangtnacheiner erfrischendenDuscheund meinKopfistmitSicherheit puterrot.Ichsehebestimmt umwerfendaus!Immerhin, dasakuteSchwitzenscheint aufgehörtzuhaben.Eswar wieeinFlash. IchhabefastdieToiletten erreicht,alsmicheine Stimmeaufschreckt:»Halt, Siehabennichtbezahlt! Stehenbleiben!« Allesguckt,ichauch. Schnellwirdmirklar,wenn dieStimmemeint–mich.Es istdieBedienungausdem Café,indemichbiseben nochgesessenhabe.Inallder Schweißhektikhabeichglatt vergessenzubezahlen. Peinlich!Ichentschuldige mich,zückesofortmein Portemonnaieundgebefünf EuroTrinkgeldals Wiedergutmachung–unddas beieinemCappuccinopreis vonfünfEuro!FünfEurofür einenCappuccino!Ichsollte einFlughafencaféeröffnen. ZumGlückistdieBedienung zufriedenundglaubtmir, dasseskeineAbsichtwar. »GehtesIhnennicht gut?«,fragtdiejungeFrau sogarnochmitfühlend.Ich mussjagrausigaussehen. »Nein,doch,also eigentlichschon.Allesokay! BinnureinbisscheninEile«, antworteichundöffne endlichdieTürzuden Damentoiletten. ImgroßenSpiegelüber denWaschbeckenkannich gleichsehen,dassmein Gesichttatsächlichknallrot, meineWimperntusche verschmiertistundmeine BluseSchwitzringeaufweist. IchtupfemirdieAchseln, denNackenunddenRücken, sogutesmit Einmalhandtücherneben geht,trocken.Erwirdmich janichtschonimFlieger antatschen,undwennwirerst inVenedig,inunserem Palasthotelsind,hüpfeich schnellunterdieDusche. DasHandyklingelt.Ich seheaufdemDisplay,dasses GustavJohannesist. Wenigstensdas–meine Strategiehatgewirkt.Eine NachtHandyausschalten,und schonmeldetsichderkleine, adeligeStinkstiefel.Was nun?Geheichdranund erkläre,warumClaudianicht imBesitzihresHandysist, oderlasseichihnnochein bisschenzappeln?Zappeln istmeineEntscheidung.Bei anderenundfüranderekann ichunglaublichkonsequent sein–gingeesummich selbst,ichwürdegarantiert schwächelnunddrangehen. NachfünfMinutenTupfen undWischenundMake-upMake-Overbinich einigermaßen wiederhergestellt.Ichstelle dasHandyauflautlos.Jetzt ganzentspanntbiszum Lufthansa-Business-Checkin-Schalter.Besserkeinezu schnellenBewegungen, obwohlmichderHitze-Flash jaimSitzengetroffenhat. Schonvonweitemseheich ihn.Eristwirklichgroß.Und ersiehtgutaus–jedenfalls ausderEntfernungundvon hinten.Ichziehemeinen Bauchein,bemühemich, coolzugucken,und schlendereaufihnzu. »Hi,Tom!«,sageich,und erdrehtsichum. »Ach,hallo,dumusstdie Andreasein,oder?«,fragter undscanntmichohne HemmungenvonKopfbis Fuß. »Ja,diemüssteichwohl sein!«,antworteichundbin direkternüchtert.Derhat michnichtmalsofort erkannt. »Jadann«,sagternoch undklingtnichtgerade begeistert. KeinKusszurBegrüßung, keineUmarmung,nichtmal einHändeschütteln.Ichstehe dawieeinjungerMannbei derMusterung.Werdeichfür tauglichbefundenoderdirekt ausgemustertundnachHause geschickt?Wasfürein unsäglichblödesGefühl.Ich hättedochheimfahren sollen! »Undfreustdudich?«, fragterda. Ichnicke.MeineGüte,ich verhaltemichwieeine Fünfjährige,diezumersten MaleinemfremdenMann gegenübersteht.Leidersind keineElterndabei,hinter denenichmichverstecken kann.Ichbindochsonst nichtsodermaßenaufden Mundgefallen! »Gut,dannstelleichdir erstmaldieanderenvor«, redetTomweiter. Dieanderen?Welche anderen,schießtesmirdurch denKopfundplatztdannaus mirheraus:»Welche anderen?« Sovielzumromantischen, lauschigenWochenende. »Naja,dasisteine Makler-Incentive-Reise. InsgesamtvierKollegenund Begleitung–alleeingeladen vomVerband.Habeichdir dasnichtgesagt?«, informiertmichRakete. »Ne,aberkeinProblem. Venedigistsooderso schön!«,zeigeichmich flexibel. »Venedig?«Erguckt,als hätteichSaturngesagt.»Wie kommstdudennauf Venedig?«,rätselterund ergänzt:»Wirfliegennach Istanbul,neueMärkte erobernundschauen,obda eineZusammenarbeitmit dentürkischenKollegen geht.Undweilallejemanden dabeihaben,wollteichnicht alleinauflaufen.« Wiecharmant.Esistein Schnorrertrip,undichbin eineArtLückenbüßer. Erscheintzumerken,dass ernichtwirklichfreundlich war,undlegtversöhnlichden Armummich:»Egal!Wie auchimmer,wirmachenuns einhammergeiles Wochenende!« Erhattatsächlichgeil gesagt!Ichhassediesen Ausdruckbeierwachsenen Menschen.Geilzusagen,ist aufakustischeArtsoinetwa wieeinEd-Hardy-T-Shirtzu tragenundkeinesfalls altersgerecht.Ichschauemir Raketegründlichan. Wenigstensanseinem Aussehengibteswirklich nichtszumeckern.Ein kantiges,markantes,aber hübschesGesicht.Faltig, Dreitagebartundgraues, gegeltesHaar.EinenTickzu langfürmeinenGeschmack. Groß,mindestenseinenKopf größeralsich,undschlank. Fastschonzuschlank.Er siehtgepflegtaus. SchmalgeschnittenerAnzug, Einreiher,dazuT-Shirtund Turnschuhe.ImHaareine Sonnenbrille.Ja,eristein affigerGockel,aber eindeutigeinHingucker. Hätteschlimmersein können,undvielleichtistein bisschenGesellschaftjaauch nettundnimmtderSituation einwenigihrerBrisanz. »Hallo!«,höreichdaauch schoneinetiefeStimme. »IchbinderEd.Unddasist dieConny.«EinMann,etwa umdieeinMeter70groß, kräftig,mitBaseballkappe undCowboystiefeln,streckt mirseineHandhin.Ed drücktfestzuundstrahlt michan:»Endlichmalein neuesGesicht!HatdieNicki wohlkeineZeitgehabt.«Er lacht. Wiesoendlichmalein neuesGesicht?Wasbittesoll dasdennheißen?Ichfrage liebernichtnach. Tom,alsoRakete,guckt verlegen.»DieNicole,also, dieNicki,dieisteineExvon mir,nichtsWichtiges!«, erklärtermir. Ichnicke–wassollich dazuauchsagen?Conny,die FreundinoderBekannteoder wasauchimmervonLittle Ed,umarmtmichzur Begrüßung.Sieistguteinen halbenKopfgrößeralserund mitSicherheitauch15Jahre jünger.IrgendwasAnfang30 würdeichschätzten.»Wir werdeneinetolleZeithaben. Istanbulistsomegahip!Echt einShoppingparadies!«,freut siesich. Obwirsehrviele Gemeinsamkeitenhaben werden,bezweifleich,aber immerhinistConny freundlich. Nachundnachgesellen sichauchdieanderenzuuns. NebenLittleEdundseiner ConnysinddanochHorst undTiniundWill(derso aussieht,alsgehöreanseinen Namenauchnocheini)mit seinerFreundinSteffi.Alle Frauensehenaufdenersten Blicknichtsoauswie Ehefrauen–siesindalle jüngeralsich,oder zumindestbessererhalten. Aberallesagenfreundlich gutenTagundmacheneinen ganznettenEindruck.Ich werdejanichtmeinen Lebensabendmitihnen verbringen,sondernnurzwei TageinIstanbul,redeichmir gutzu. Raketeverlangtmeinen Pass(andenichzumGlück heuteMorgengedachthabe) undchecktunsein. »WirMännerfliegen vorne,esgabnurfüruns BusinessTickets,aberdie paarStundenbisIstanbul sindjaauchinder HolzklassekeinProblem«, eröffnetmirRaketeund überreichtmirmeinTicket. Ichbedankemichbrav, obwohlichleichtangesäuert bin.DieFrauenfliegen hinten,dieMännervorne! WelcherwohlerzogeneMann würdesoetwasmachen? Wahrscheinlichjeder. Schade,BusinessClasshätte mirgefallen.Wäremalwas Neuesgewesen.Undauch herrlichzumAngebenim Büro.LittleEdimmerhinhat Benehmen.Ertrittseinen PlatzinderBusinessClass anseineConnyab,obwohl sieinihremzartenAlterauch sicherlichguthintensitzen könnte,ohnedirektGefahrzu laufen,Thrombosezu bekommen.Aber Überraschung:Connywill nichtnachvorneindie BusinessClass! »IchsitzebeidenMädels, dakönnenwirunsalleschon malkennenlernen«,kichert sie. IchhättedasTicket genommen,aberleiderfragt Raketemichnicht.Edlenkt sofortein.Erscheint erleichtert.Gutfürihn,erhat durchGroßzügigkeit gepunktet,mussaber dennochaufnichts verzichten. Nachder Sicherheitskontrollehaben wirnochZeitundsitzenim Wartebereichvorunserem Abflug-Gate.Zeit,inderich dieandereneingehend betrachtenkann.Alledrei Frauensindgutaussehend. Zweivonihnensindblond, habenlange,perfekt gesträhnteMähnen.Kein Ansatzzuentdecken.Die habenmitSicherheitden gleichenFriseur.Tiniist dunkelhaarig.Einsattes Dunkelbraun,langund glänzendundgarantiertheute Morgenschonfrisch geglättet.KeingrauesHaar weitundbreit.Alledrei tragenTurnschuhe(Tinihat dieseneumodischenDinger mitKeilabsatzan,diebeiden anderentragenklassisch lässigeConverse–Steffidie mitStarsandStripes,Conny welcheinverwaschenem Türkis)undichfühlemich mitmeinenPumpsundder weißendurchgeschwitzten Blusegarnichtmehrsochic wienochheuteMorgen.Es gibtFrauen,gegendieman optischkeineChancehatund dieeinenimmereinenHauch altbackenaussehenlassen. Ichfühlemichgenauso: altbacken.Einbisschen vorortmäßig,wasdieMode angeht.Auchfigürlichbin ichnichtinTopposition.Ich kannmiraberauchnicht vorstellen,dassdiedreiin letzterZeitwirklichNahrung zusichgenommenhaben. »Undwartihrschonmalin Istanbul?«,frageichindie Rundeundversuche,mich aufgeschlossenzugeben. »Ja«,kommtdierasche AntwortvonTini, »mehrmals.Esistmega.« Esistmega?Megatoll? Megadoof?Megagroß?Seit wannistmegaeinAdjektiv? »Warstdunochnieda?«, fragtsiezurückundklingt fasteinbisschenentsetzt. »IstanbulistdasneueParis, dasneueMarrakesch!«, betontsie. »Ne«,sageich,»aberich freuemichdrauf!« »Dakannmanunglaublich tolleinkaufen:Chloe, Hermès,Gucci,Chanel– alleswasdeinHerz begehrt!«,mischtsichnun Steffiein. WasdeinHerzbegehrt! MeinHerzbegehrtganz andereSachen,aberjelänger ichRaketeanschaue,umso wenigerHoffnunghabeich, dasserdazugehört.Mankann auchnichtgeradesagen,dass ersichbesondersummich kümmertoderbemüht.Die Männerstehenzusammen, undesgehtumirgendeine Großimmobiliedirektam Bosporus.Mehrhabeich nichtmitbekommen.Rakete scheintmirderLeitwolfder Maklerhordezusein. TinischwärmtmitSteffi umdieWette.Markennamen fliegenhinundher. »Ichbraucheunbedingt eineCéline-Bag«,sagtTini, »DiesezweifarbigeTrapezeBag,ihrwisstschon!Am liebstendiemitBlauund Beige!« Diebeidenanderennicken, ichhabekeinenSchimmer. Céline-Trapeze-Bag?Ich mussunbedingtöftersInstyle undsolcheHeftchenlesen. »InIstanbulgibtesdie bestenFakesüberhaupt.Da kriegstdujedeTasche nachgemacht,dasist unglaublich.Daskönnendie, dieTürken.Ichholmir diesmaleineBottega«, kündigtSteffian. IchkenneBodegas,aber Bottegas? »Wasistmitdir,Andi?«, fragtmichnunConny. Andi?Mussmanein niedlichesiamNamensende tragen,umhier dazuzugehören?Andials AbkürzungfürAndrea?Ich gebejazu,dassmeinName nichtsonderlichoriginellist, aberichhabemichdaran gewöhnt. »VielleichtPrada«,sage ich,einfachumirgendeinen MarkennameninsSpielzu bringen. »Ach«,stöhntTiniauf, »Prada,ichweißnicht,Prada istsoooNeunziger.Wenn, dannlieberMiuMiu!« Ichglaube,Pradapasst, schließlichbinichauchein bisschenNeunziger,sogar eherSiebziger,wennmanes genaunimmt. »Ichguckmal,ichhabe nochkeinePläne.Vielleicht geheichmalindieseHagia Sophia«,werfeicheinen BrockenKulturindieRunde. »Aberdawartihrsicher schon«,ergänzeich. Diedreischüttelndie Köpfe.Steffiantwortet:»Da hattenwirnichtdieZeitfür. Wirhabensievonaußen gesehen,aberesgab’ne Schlange,undwirwollten nochindiesenIn-Clubzum Chillen,unddahabenwires verschoben.Vielleichtklappt esdiesesMal.Aberdieses klassischeTouri-Programm istjaaucheheröde.« InmeinerTaschevibriert es.NichtzumerstenMal, seitdemichhieramGate sitze.ZumGlückhabeich denTonausgestellt.Sechs AnrufeinAbwesenheit.Drei vonMamaunddreivon GustavJohannes.DasGanze nimmtjarichtigFahrtauf. AnrufevonMama–achso, jaklar,sozusagenvonmir, alsovonmeinemHandy, Claudiahatesjagefunden undbenutztesjetzt. Hoffentlichhatsiemeine SMSennichtgecheckt.Mein GeplänkelmitRakete.Meine SMSenanSabine.Mir schwantnichtsGutes.Das wirdeineschöne Rechtfertigungsorgie erfordern,wennichzurück bin.IchsteckedasHandy wiederindieTascheund schalteesaus.Nicht,dasssie esnochortet!Manweißja nieheutzutage. BeimEinsteigenins Flugzeugtrennensichunsere Wege.DieBusiness-ClassBevölkerunghateinen eigenenRüsselzugang.Und fastnurRüsselträgerbiegen dorthineinab.Haha.Ich weiß,einbilligerWitz–aber stimmtdoch,soistesja auch. Raketenimmtmichvorher nochmalbeiseiteundflüstert mirinsOhr:»Ichfreuemich, dichnäherkennenzulernen, Andi.GutenFlug,Kleine!« Jetztsagtderauchschon Andi.UndKleine!Ichbinja vieles,aberkleinehernicht. »Tja,wirwerdensehen!«, antworteichundversuche, nichtzuschnippischzu klingen. Diese Zweiklassengesellschafthier anderRüsseltrennungstinkt mir.Vielleichthättesiemir wenigergestunken,wennich auchlinksabgebogenwäre. Sorauscheichmitden MasseninRichtung EconomyClass.Ichsitze nebenConny.Siescheintmir nervöszusein. »IchhasseFliegen–ich liebeReisen,aberichhasse Fliegen.Ichbraucheganz schnelleinGläschen Schampus!«,erklärtsieda schon.InihrerHandhältsie einabgegriffeneskleines Stoffflugzeug.»Ohnefliege ichnicht,istmein Talisman«,beantwortetsie meinenBlick. »Wirdschongutgehen!«, versucheich,einpaar tröstlicheWortezufinden. Fliegenmachtmirkeine Angst.Angeblichistdas Flugzeugeinesdersichersten Verkehrsmittel,undichhabe beschlossen,daszuglauben. Connykralltsichindie Armlehneundknetetmitder anderenHanddasreichlich mitgenommene Stoffflugzeug.Ichtätschle ihrdenArm.Siehatperfekt manikürteNägelineinem zartenApricotton.Aufdem NageldeskleinenFingers klebteinStrasssteinchen. NichtganzmeinGeschmack. »KennstduTomschon lange?«,fragtsiemich. »Ne,nichtwirklich«, antworteichehrlich,ohne Detailspreiszugeben. »Edundichsindjetztseit einemJahrzusammen«, strahltsie.»Eristtoll!«, ergänztsienoch.Ich versuche,nichterstauntzu gucken,undnicke. »Esistjanichtimmer leichtmitdenTypen«,redet sieweiter. Ichnickewieder.Ander Aussagestimmtalles. »Wirhabenunsüber Parshipkennengelernt.Und seitdemerstenTreffensind wirzusammen.Ichbinso froh!IchhattevielPechmit Männern«,stöhntsie. IhrLippenstiftpasst perfektzumNagellack.Auch einleichtesApricot.Ihre Zähneschimmerninklarem Weiß.Sieistwirklich ausgesprochenhübsch.Wenn selbsteineVorzeigefrauwie ConnyProblememitden Männernhat,dannläuftda draußeninderPaarungswelt definitivetwasfalsch.Ich starresieungläubigan. »Echt,daswarderHorror! Diewollenallenurmal schnellabindieKisteund sindvollkommen beziehungsgestört.Nurkeine Verbindlichkeit.Dashat michsogenervt.Edistda ganzanders.« EdsollteGottjeden Morgendanken,eineFrau wieConnyerwischtzu haben.IneinerLigaspielen diebeiden,jedenfalls optisch,nicht.Edistnicht nurklein,sondernauchnicht besondersattraktiv.Man sieht,dasseralsJugendlicher malHautproblemehatte,ich tippeaufschlimmeAkne, unddieBaseballkappeauf seinemKopfsprichtdafür, dassernichtbesondersviel Haarhat.Seinichtso oberflächlich,Andrea, ermahneichmichselbst. Vielleichthatereingroßes Herz,vielVerstandund Humor. »Bistdudennjetztdie NeuevonTom?«,fragtsie nun. Tja,wassollichdarauf antworten?Ichhabejaselbst keineAhnung,wasichfür Tombin. »Wirsindnichtdirekt zusammen,wirhabenuns geradeerstkennengelernt«, versucheich,einigermaßen ehrlichdasheikleThemazu umschiffen. »IchhabdieNicki gemocht,aberdukannstja nichtsdafür!«,lächeltsie. »Wofürdenngenau?«, frageichnach.Dashörtsich nichtgutan. »Ichwilljetztnichts Gemeinessagen,aberder Tom,naja,derhatesmitder Treuenichtsogenau genommen,undirgendwann hatesderNickigereicht. Abereskannjasein,dass jetztallesandersist.Auch Männerkönnensichja ändern«,wähltsieeinesehr verbindlicheAntwort. Männerkönnensich ändern?EinegewagteThese. »Wasistdennmitden anderenbeiden?Steffiund Tini?Kenntihreuchschon lange?«,beendeichdieTomDebatte,bevorsierichtig angefangenhat. ErhatteeineFreundin– dassollvorkommen.Erhat sieangeblichbeschissen– dasistunschön, ausgesprochenunschönund sprichtnichtfürihn,aber das,wasichhiermache,ist auchnichtgerademoralisch einwandfrei.Immerhinbin ichverheiratet,wennauch nurnochaufdemPapier. »DasistnichtsErnstes oderFestesmituns«,gebe ichnocheinbisschenmehr Informationraus. »Achso«,sagtConny.»Du bistjaaltgenugzuwissen, wasdutust!« Nichtgeradeeine charmanteBemerkung,aber ichglaubenicht,dasssiees bösegemeinthat. Ermutigendklanges allerdingsauchnicht.Was soll’s,ichwillmich amüsierenundnicht verloben,denkeich,und dafürwirderjazu gebrauchensein.Ichkomme nochmalaufTiniundSteffi zurück. »Und,kenntihreuchdenn schonlange?«,frageich erneut. »Wirwarenschonzweimal zusammenweg,inIstanbul undMarrakesch.UndTini undichgehenzusammen zumZumba.Aberrichtig langesindwirnochnicht befreundet«,gibtsiemir Auskunft. Dasfindeicherleichternd. AufeineGruppezutreffen, indersichalleseitJahren kennen,istschwierig. »Sinddiedennschonlange mitWillund,ähm,Horst zusammen?«,frageich weiter. »HorstundTinischonseit zweiJahren.UndmitWill undSteffiisteskompliziert, diesindmalzusammenund malnicht,weilderWillist eigentlichverheiratet,aber daläuftnichtsmehr–also dassagterjedenfalls«, flüstertsie,dennTiniund SteffisitzenzweiReihen hinteruns. Ach,daläuftnichtsmehr! WasfüreineödeAusrede.So gewöhnlich. »DieSteffidenkt,erwürde seineFrauverlassen,auf jedenFall,wenndieKinder erstmalgrößersind.Aber derEdmeint,damachtsie sichwasvor.DieFrauvom WillhatrichtigAsche–der gehtniemals!«,sinniertsie vorsichhin. Willwillalsonicht.Er bleibtbeimGeld.Wie romantisch.DasProblemhat diekleineSarahMarievon Christophimmerhinnicht. MeineKindersindgroß,und richtigAschehabeichauch nicht. »Ichbinauch verheiratet!«,platztesaus mirheraus. »Echt?«,Connyguckt geschockt. »Ja,aberwirleben getrennt.MeinMann,also meinExhateineneue Freundin«,fügeicherklärend hinzu. »Achso,dasistnatürlich dannwasanderes«,murmelt sie. Ja,esistwasanderes,aber trotzdemfühleichmich mies.Wiedereinmalfrage ichmich,wasichhier überhauptmache. »DuaucheinenSekt?«, reißtmichConnyausmeinen Gedanken.Warumnicht?Ich musskeinAutomehrfahren, ichwillmichamüsieren,und einwenigAlkoholmacht michvielleichtauch lockerer. »Gerne!«,sageich,unddie Stewardessreichtunszwei Gläser. Kurzdanachbinich anscheinendeingenickt– keinWunderbeiSektauf nüchternenMagen–und wacheerstauf,alsmicheine Stewardesssanftrüttelt. »Duhastganzsüß geschnarchtunddasEssen verpasst!«,lächeltmich Connyan. Ichwusstegarnicht,dass manauchsüßschnarchen kann.Bisherdachteich,ich würdegarnichtschnarchen. Bindirektfroh,nebenConny undnichtnebenRakete gesessenzuhaben. Schnarchendundsicherlich auchnochmithalboffenem Mund. »Wahrscheinlichder Alkohol.Binichtagsüber einfachnichtgewohnt«,rede ichmichraus. Essenverpasst–ärgerlich. Nichtdassmireine ausgefalleneMahlzeit schadenwürde,aberich merke,dassichHungerhabe. AmGepäckbandtreffenwir dieMännerwieder. »UndKleine,gutenFlug gehabt?«,fragtmichRakete. NenntderalleFrauen Kleine?Hatermeinen Namenschonvergessen? »IchheißeAndrea,undja, derFlugwarokay,bisschen eng,aberokay«,antworte ich. »Jetztgeht’sinsHotel, frischmachenunddannraus insLeben.HeuteAbend habenwireinenTermin,da kannstdumitdenMädels rumstrolchen«,gibtermir einenkurzenEinblickindie Planung.MitdenMädels rumstrolchen! WirfahrenmitdemTaxi inRichtungIstanbul Innenstadt.Wasfürein riesigerMolochdieseStadt ist,wirdmirschnellklar.Der Himmelistbewölkt,alles siehtziemlichgrauausund gigantisch.Immerhingibt’s Meer.Ichweißnichtwirklich vielüberIstanbulund beschließe,mir schnellstmöglicheinen Reiseführerzukaufen.Unser HotelliegtinderAltstadt. »IstguteHotel!«,sagtder Taxifahreranerkennend. ZumGlückdürfenwir auchaussteigenundwerden nicht,wieimFlugzeug, anderweitiguntergebracht. DasCrownePlazamacht einenganzordentlichen Eindruck.Esliegtmittenim Getümmelundhatfünf Sterne.Esistkeinlauschiges kleinesRomantikhotel,aber beifünfSternenkannesjaso übelnichtsein. AnderRezeptionwerde ichaufgeregt.Schlafenwir nunineinemZimmer,oder gibt’sEinzelzimmerfür Raketeundmich?AuchTini undConnysindschonganz rappelig. »Wirziehenunsnur schnellumunddannnichts wieindenBasar!«,plappern sie. »Einsnachdemanderen!«, unterbrichtRaketesie.»Lass unseineStundeoderso ausruhen«,erzwinkertden anderenMännernzu,»und dannkönnenwirgerneinden Basargehen.« »Gut,dannineinerStunde hierunten«,sagtLittleEd undschnapptsichseine Conny.»Ichhabeunsein Upgradeorganisiert,füreine richtigeSuite!«,sagter genausolaut,dassauchwir andereneshörenkönnen. Langsambeginneich, ConnysBegeisterungfürEd zuverstehen.Immerhin scheintergroßzügigzusein. Vielmehrkannichallerdings bishernichtbeurteilen. Raketegucktärgerlich. »Angeber!«,zischternurund ruftEdhinterher:»Manche habenesliebereinbisschen kuscheliger!«Dannwendet ersichmirzu:»So,Kleine, dannlassunsmalaufunser Zimmergehen!« Ichmerke,wieichfeuchte Händebekomme.Eine StundemitRaketeaufdem Zimmer.Allein.Ohnemeine neueBegleitgruppe.Dasist dochgenaudas,wasdu gewollthast,Andrea, ermuntereichmichselbst. UnserZimmerliegtim erstenStockzurStraßehin. Esistkleinundlaut,aber sauber.KaumfälltdieTür insSchloss,umschlingen michauchschondieArme vonRakete.Der verschwendetwirklichkeine Zeit. »JetztistderMomentfür einerichtigeBegrüßung!«, schmunzelter,undkaumist derSatzraus,istseineZunge auchschoninmeinemMund. Undichhatteesrichtigin Erinnerung:Erkannküssen. EsmachtSpaß. Wahrscheinlichschmecke ichwieeineSchnapsdrossel. Vielleichtistergarkeinso schlechterKerl,wieConny angedeutethat.Vielleicht wardieseNickinurnichtdie Richtigefürihn.Vielleicht brauchtereineandereFrau? Vielleichtwäremitmiralles anders?Vielleichtwarsiezu jung,zuunerfahrenim UmgangmitMännern? ErverschenktkeineZeit. Währendermichweiter küsst,wandertseineHand meinenRückenentlangund fährtübermeinenPo.Dann drehtermichabruptumund drücktmichgegendieWand. SeinMunderkundetmeinen Hals,seinPenisdrängtsich gegenmeinenPo,undseine Händeschiebensich, zwischenWandundmich, aufmeineBrüste.Dasgeht hieraberrasantvoran.Nicht nachdenken,Andrea,nicht nachdenken.Lassdich einfachgehen,genießees.Es fälltmirschwer.Mirschießt einfachzuvieldurchden Kopf.DasZimmerist taghell.Wennesjetzt weitergeht,wirddasnichts mitderdezenten Sexbeleuchtung.Alleinder GedankemachtmirAngst. IchhättemehrSporttreiben sollen. »Ziehdichaus!«,hauchter daschon. »Langsam,nurlangsam!«, antworteichundversuche, möglichstlaszivzuklingen. Erdrehtmichumund steuertmichinRichtung Bett.Ergibtmireinen kleinenSchubs,undichfalle indieKissen.Ichbrauche erstmehrAlkoholund wenigerLichtundeine Duscheund»Meinesuper Unterwäsche«,willichrufen, »diewarrichtigteuer,die willihrenEinsatzhaben«, aberichliegeinzwischen schonaufdemRücken,und RaketelässtseineHose runter.SoinSakkound UnterhoseundmitHoseauf denTurnschuhenbaumelnd, siehterfastlustigaus.Ich mussgrinsen.Erkicktdie Turnschuheunddanndie Hoseweg.Ichbeäuge möglichstunauffälligseine Unterhose.Natürlichträgter Boxershorts.Sehrvielmehr kannichnichterkennen. SeineErregungscheintsich inGrenzenzuhaltenoder das,wassichinderHose verbirgt,isteher unterdurchschnittlich.Er bemerktmeinenBlick. »Derbrauchteinbisschen Aufmerksamkeit, Animation«,sagterund deutetaufseineBoxershorts. »Vielleichtliebernachher mitmehrZeit.Wirwollenja nichtsüberstürzen«,antworte ichundversuche, verheißungsvollzugucken. »Wirmüssenjaauchgleich los–mitdenanderenzum Basar!« »Wirmüssengarnichts!«, grinster.»Hierkannstdu mindestenssoviel Entdeckungenmachenwie aufdemBasar.« Irgendwieeineetwas peinlicheBemerkung. Überhauptistjetztalles etwaspeinlich.Ichliegein leichtderangierten Klamottenrücklingsaufdem Bett,understehtda,in BoxershortsundSakko,und überlegt.Ebennochhabeich michsexyundverrucht gefühlt,jetztbinich schockgehemmt.Was erwartetder? »Ichhebemir Entdeckungengernenochein bisschenauf!«,antworteich kryptischundsteheauf.Er ziehtmichzusichheran.Wir knutschen.DasKnutschen magich. »Nagut!«,sagter.»Dann habeichauchnochwas, woraufichmichheuteAbend freuenkann!Ichbinmitden Jungsunterwegs,unddann gehenwiraufprivate Entdeckungsreise!« Uff!Nochmaleine Schonfristrausgehandelt. ObwohlichdasKnutschen durchausgenieße,istder nächsteSchrittfürmicheine echteHerausforderung.Ich hattelangekeinenSexmehr –undvorallemlangekeinen Sexmehrmitjemand anderemalsChristoph.Esist nurSex,Andrea,alletunes. Esistnichtsüberhaupt Besonderes,versucheich michzuberuhigen.Ein bisschenGymnastik,unddie haltnackt. »AufwelcherSeitewillst duschlafen–wennwir überhauptzumSchlafen kommen?«,fragtmichda Raketeundgrinst. »Miregal«,sageich, »suchduaus!« Wiekomisch.Ichwerdean derSeiteeinesMannes schlafen,denichnichtmal kenne.Dasistfastintimer, alsSexmiteinanderzu haben.ImSchlafistman immernackt–im übertragenenSinngesehen. ManhatkeineKontrolle,ist schutzlos.Ach,wirwerden sehen!Eskommt,wiees kommt,Andrea!Erüberlässt mirdieSeitezumFenster. »Willstdunochduschen, bevorwirzumBasar gehen?«,fragterfreundlich. »AufjedenFall!«,sageich undüberlegeschon,wieich indiesemMinizimmerdas mitdemUmziehenund Zurechtmachenmöglichst diskreterledigenkann. »Gut,danngeheichschon malrunterundnehmeeinen Drinkundwartedaaufdich«, sagter,unddamitist immerhindasProblem gelöst. Vielleichtistihmdas Ganzejaauchirgendwie unangenehm.Wennwirerst malSexhatten,istdasmit demNacktseinbestimmt nichtmehrsodramatisch.Ich binwirklichganzschön verklemmtgewordeninden letztenJahren.Alleindie Vorstellung,aufToilettezu müssen,währendersich quasinurwenigeMeter hinterderKlotürbefindet– undesläuftkeinFernseher oderkeineMusik–,under hörtalles,jedesTröpfeln, lässtmeineAnspannung wiedersteigen.Klogeräusche gehörennichtindie Anfangsphaseeiner Beziehung.Ichwerdewenig trinken,dannmussichauch nichtsooftaufsKlo, beschließeich.Natürlich weißich,wiealbernallein dieseGedankensind,undich kannmirkaumvorstellen, dasssichandereumsoetwas auchnurannäherndeinen solchenKopfmachen,aber ichkannnichtanders.Zwei Zimmerwärenperfekt gewesen.Ichhättemichin allerRuhehübschherrichten können,wäredanninsein Bettgehüpftundspäter,zum Abschminken,Aufs-KloGehenundSchlafeninmein Zimmerentschwunden. Ichgeheduschenund ziehemichum.Leiderhabe ichkeineTurnschuhedabei. Ichentscheidemichfür meineneueKermitUnterwäsche,eineJeans,ein T-Shirt,undtrotzderWärme zieheicheineStrickjacke drüber.Siegehteinbisschen überdieHüftenundkaschiert denmittlerenRing.Meine Jeanssitztreichlichtief,und wennichmichbücke,guckt meinPoeinStückchenraus. ZurNotkannichmirdie Jackeauchumbinden. Dieanderensindschon vollzähliginderHotelhalle versammeltundwartenauf mich. »Binichzuspät?«, erkundigeichmich vorsichtig. LittleEdschütteltden Kopf:»Nein,allesgut,Andi, aberdieMädelssindschon soaufgeregt,undesziehtsie wiemagnetischzumBasar. Mirgraustesschon!Dieses Shoppenliegtmirsogar nicht!« Connystreichtihmüber seineBaseballkappe.»Ach, Schatzi,dannsetztdudichin einCaféundichgehmitden Mädels!Solangeichdeine Kartehabe,istallesgut!«, kichertsieundtätscheltnoch malüberseinenKopf.»Und späterprobierenwirden Whirlpoolaus,gell!«,fügt sienochhinzu. KartegegenWhirlpool- Spielchen!Wow,ein WhirlpoolimZimmer.Das istschonwasanderesals unserkleinerHasenstallmit Duschbad.Dochbeialler Großzügigkeit,tauschen wollteichnicht.Wennich mitderSuiteauchLittleEd übernehmenmüsste,würde ichdankendablehnen.Fürs Lebenmagereinebessere WahlalsRaketesein,fürdas, wasichwill,isteine angenehmeOptikirgendwie wichtiger.Inlangen Beziehungennimmtdie BedeutungvonOptik durchausab.Schönheitwird irgendwannauchzur Gewohnheit. »Lasstunsendlich gehen!«,quengeltdaTini undschütteltihreMähne. Steffierscheintpikiert: »IhrhabteinenWhirlpoolim Zimmer?Will,diehaben einenWhirlpool–naja,der Edisthaltgroßzügig«, nörgeltsieeinbisschenund schautvorwurfsvollaufihren Will.Willistgroß,fastso großwieRakete,und dunkelhaarig.Eristnicht umwerfendhübsch,aber durchausgutaussehend.Ein bisscheneinHelmut-ZierlTyp.Modell:Netter Schwiegersohn,indieJahre gekommen.StupsigeNase undvolleLippen,dieerim Momentallerdingsfest aufeinanderpresst. »Hördochmaldamitauf, Tini.Wenndueinen Whirlpoolwillst,gehhaltin denSpa-Bereich!Dagehört einWhirlpoolauchhin.« Oh,dersiehtrichtig genervtaus. Edschmunzelt.Dem scheintderkleineDisputzu gefallen.MitseinemSuiteUpgradehaterhierjedenfalls ordentlichgepunktet.Er grinst,alswäreihmgenau dasallesGeldwert.Sooder so,Edistnunmaleinkleiner Mann,undkleineMänner leidenunterihrernicht vorhandenenkörperlichen Größeundmüssendieimmer irgendwiekompensieren. Tinihatgenugundgeht einfachlos.Horstfolgtihr, undRaketenimmtmichan derHand.Connyknutscht ihrenEd.Fasttriumphierend. Manahnt,wassiedenkt:Ich habedenKleinstenund Hässlichsten,aberergibt sichdiegrößteMühe,und nichtsistihmfürmichzu teuer!Ätschi!Dieaufden erstenBlickunattraktivste Beuteentpupptsichals größterLeckerbissen. AuchunterdenFrauen scheinteingewisserEhrgeiz zuherrschen.Frauen wetteiferngern:Wermacht dastollsteEssen?Weristdie Schlankste?Werhatdie klügstenKinder?Undeben auch:Werhatdendollsten Hecht?Reinoptischhabeich hierdefinitivdieNasevorn, unddas,obwohlichdie Ältestebin! Endlichstehenwiralle draußenvordemHotel,und esgehtinRichtungBasar. AngeblicheineViertelstunde zuFuß.AufmeinenPumps keinebesondersbequeme Angelegenheit.Ichwerdemir soforteinpaarTurnschuhe kaufen,entscheideich.Auch dieanderenerörternihre diversenKaufbegierdenund weihenmichindie Technikendestürkischen Einkaufsein. »Dumusstimmerhandeln, niegleichjasagen.Handeln gehörthierdazu!Egalwie billigesdirvorkommt,da gehtimmernochwas!«, belehrtmichHorst. Ichglaube,esistdaserste Mal,dasserdasWortan michrichtet.Erscheintmir eineherruhigerMannzu sein.Makler-untypisch. Horstistgepflegt,mittelgroß undeherunauffällig.Nicht hübsch,nichthässlich. Sachbearbeitertyp.Könnte gutBeamtersein.Beige Hose,hellblauesHemdund Resthaar. Raketehatinzwischenden Armummichgelegt,undes fühltsichgut,aberauch seltsaman.Wirsindkein Paar,ichweißnichtsvon ihm,eristmirfremd–auch wennichseineZungekenne undihninUnterhosegesehen habe. DieStadtwirktinsgesamt, auchtrotzdes Sonnenscheins,düster.Die Gebäudesindgrau,viele könnteneineRenovierung gebrauchen,undnochkann ichnichtverstehen,warum IstanbuldasneueParissein soll.RundumdenBasarsind schonjedeMengeStände aufgebaut.T-Shirts,Schals, TücherundjedeArtvon Schnickschnack.Darunter einegroßeAuswahlan Wasserpfeifen. Wahrscheinlichein Mitbringsel,überdassich meinKiffersohnfreuen würde.Fürdieweitere Planungsetzenwirunsin einekleineTeestubenaham EingangdesBasars. »Gehenwiralle zusammen,oderteilenwir unsauf?«,fragtHorst,der mirsolangsamwieder PlanerderGruppe vorkommt. »Also,ichmussdiese Céline-Bagfinden!«,betont TinieinweiteresMal.»Ohne dieverlasseichdieseStadt aufkeinenFall,unddaSteffi, ConnyundAndiauch’ne Taschesuchen,istes wahrscheinlichdasBeste,wir gehenzusammen.Ihrkönnt jasolangenachSchmuck gucken!«,sagtsiemiteinem süßenLächelnundschaut dabeidieMänner aufforderndan. »Dasistdochmal’negute Idee,dasmitdemSchmuck! Dagibtesdiesestolle ArmbandvonCartiermitden Schrauben–daswürdemir schonsehrgefallen«, bekommtsieUnterstützung vonSteffi. Willschautauf,undder Blick,denerseinerSteffi zuwirft,sprichtBände.Erst derWhirlpool,jetztder Schmuck–wasdennnoch alles?Ersiehtwenig begeistertaus. LittleEdzögert.»Ich kommeauchgernemiteuch mit«,bieteterseine Begleitungan. »Schatz,dasmusstdu nicht!Ichhabedochdeine wunderbareKarte,dassollte reichen.Männersindbeim Einkaufennurhinderlich.Ich führdirnachherallesvor, bevorwirimWhirlpool versinken!« »Nocheinmaldieser verdammteWhirlpool,und ichkriegwasanmich!«, poltertesdaausWillraus. »Ganzruhig!«,mischtsich Raketeein.»Wirnehmen jetzteinenschönenDrink undtreffenunsdannindrei Stundenwieder.Ichwillauch nochnacheinpaarHemden guckenodereiner Lederjacke.Lassdiedoch Taschenjagengehen!« Willbrummtirgendwas vorsichhin,undSteffisteht direktauf. »Wartemal!«,knurrtda Willundgreiftinseine Hosentasche.»Hier,suchdir einschönesTäschchenaus«, murmelterunddrücktSteffi GeldscheineindieHand. Wiepeinlichistdasdenn jetzt?Diewürdeichihmum dieOhrenklatschen,vor allemnachseinem kleinkariertenWhirlpoolAusbruch.Steffiallerdings stecktdasGeldein. »Danke«,sagtsiesogar artig.»CartiermitSchrauben inGoldoderBicolor–ist auchchic!«,erwähntsiedann nochmal. AllesimLebenhat wahrscheinlicheinenPreis. EineGeliebtezuhabeneben auch.Undwennmansie zappelnlässtundimmer wiedervertröstet,wird’s eventuellnochteurer. »IndreiStundenhierzur Beutebegutachtung!«,lacht nunTini,undwirmachenuns aufindenBasar. SchonnachzehnMinutenbin ichtotalreizüberflutet.Ein Juwelierreihtsichanden nächsten. »Dashieristdie Schmuckzone,dasistallesso einbisschenaufgeteilt«, erklärtmirConny.Mantraut sichkaum,inein Schaufensterzugucken,denn sofortstehtirgendeinKerl nebeneinemundversucht, einenindenLadenzulocken. »KommenSierein.Wieist deinName?Bistduaus Deutschland?MeinSchwager warKöln,Ford.Kommstdu rein,kannstdurausgucke!« DieSprücheähnelnsich, undführenbeimirzueiner gewissenGuck-Phobie.Ich wagemichkaummehrnäher andieSchaufensterheran. Aberselbstwenn,erschlägt michdieMassedes Angebots.Schmuckstück nebenSchmuckstück. Ständigliegteinem irgendeineMännerhandauf derSchulter,undmirwurde imganzenLebennochnicht sovielTeeangeboten. »Çay,elmaçayi?«,fragen dieunterschiedlichsten Kerle. »TeeoderApfeltee«, übersetztmirSteffi. Dasbegehrte Schraubenarmbandsehenwir indiversenAusfertigungen. Schonnacheinerhalben Stundehabeichgenug.Ich bingespannt,obeinerder Männerestatsächlichkaufen wird.AmehestenwohlEd, denkeich.MeineFüße schmerzen,undalldasBlingBlingindenAuslagenmacht michkomplettwuschig. »Ichbrauchedringend andereSchuhe!«,stöhneich. »Diekannstduehmal entsorgen!«,brichtesaus Tiniheraus. UnterihrerLeitungkaufe ichinWindeseileeinpaar Chucks.Flache Baumwollturnschuhe,diebei unszuHausereihenweise rumstehen.EssindMarks bevorzugteTurnschuhe.Hier kostensienichtmal20Euro. AlsichdiePumpsausziehe undindieTurnschuhe schlüpfe,betrachtetSteffi meineFußnägel. »Machstdudieetwa selbst?«,fragtsieüberrascht, ummirdann,ineinem minutenlangenVortrag,die Vorzügeihresneuartigen Shellackszuerklären.»Der hältgutzwei,dreiWochen undsiehtimmerperfekt aus.« Ichnickeundbinfroh, meinePumpsloszusein. »Diekannstduansich direkthierlassen!«,sagtTini. Wasbildendiesich eigentlichein?Dasssiedie internationale Geschmackspolizeisind? Dasssiedarüberentscheiden, wasschönundwasnicht schönist?Inmirregtsich leiserWiderstand.Ichlehne ab. »IchmagdieSchuhe,die sindnurnichtsfür stundenlangesRumlaufen. Aberansichmagichsie. Undichwerdesiedefinitiv behalten–sindjanochfast neu!«,erwidereich. »Istjagut!Geschmäcker sindnunmalverschieden«, lenktsieein. BeiGeschmackfälltmir ein,dassichdringendmal wasessenmuss. »Gehenwirmalwas Kleinesessen?«,frageichin dieRunde. »Essen?«,fragtSteffi konsterniertzurück,gerade soalshätteichgefragt,ob wirebenmaleinpaarKinder verhauenwollen. »Wirhabendochim Fliegerwasgehabt!«,fügt Tinihinzu. »ErstderEinkauf,dann dasEssen.Daskönnenwir dochnachhermitden Männernmachen«,ergänzt Conny. »Gut,dannkaufeichmir irgendwasaufdieHand.Ich habedasEssenimFlieger leiderverschlafen!«, versucheich,meinein diesemKreiswohl unbekanntenHungergefühle zuerklären. AmnächstbestenStand kaufeichmireinenziemlich trockenaussehenden Sesamkringel.Daichkeine türkischeLirahabe,mussich inEurobezahlen.2,50Euro knöpftmirderVerkäuferab. DerKringelisttatsächlichso staubtrocken,wieeraussieht, undinmeinem Strickjäckchenistmir inzwischenordentlichwarm. »JetztdieTaschen!«, beschließtTini.Dasistja geradezuobsessivbeiihr. NachzweiStundenund unzähligen Taschengeschäftenhabenwir eineCéline-Trapeze-Bag gefunden,dieihren Ansprüchengenügt.Blau, beigeundschwarzmit schwarzemHenkel.Tinihat sehrgenaueVorstellungen. Sieistverzückt. »Dasistgenaudie,die auchKateWalshvon ›PrivatePractice‹hat!«, stöhntsievorBegeisterung. DerVerkäufer,Ahmed, sprichtfließenddeutschund will500EurofürdieTasche. 500Eurofüreine nachgemachteHandtasche– daserscheintmir unverschämt. »Istdasnichteinbisschen teuer?«,frageich, wahrscheinlichnaiv,indie Runde. Ahmedistentsetzt. »Orginalkostetzweitausend Euro–mindestens.Ist perfekteKopie.Allesechtes Leder,handgenäht.Keiner siehtUnterschied.Wirstdu nichtfindenbessereTasche inganzIstanbul«,rechtfertigt erdenPreis.»Wennzuteuer, nimmstduLouisVuitton,ist billiger!«,bieteterTiniein anderesModellan. »Diehabeichlängst!«, schütteltsieenergischden Kopf. 350Eurowillsiezahlen. DasSpielbeginnt.Ahmed musssichaufdenSchreck erstmalsetzen. »Willstdumich ruiniere?«,fragterTini. »Zahleichfastmehrfür Tasche!Kannichdirdoch nichtschenken,schöne Frau!« DasSchöne-Fraugefällt Tinioffensichtlich.Sielacht undwirftihrlangesseidiges Haarnachhinten. »Wiesoeigentlichnicht?«, kichertsie. »Mussichauchleben. VierhundertachtzigEuro– letztePreis!Abernurfür dich«,machtAhmedein Angebot. »Dannbinichruiniert!«, entgegnetTiniunddrücktdie TascheanihrHerz.»Ich mussdieseTaschehaben. DreihundertachtzigEuro könnteichgeradenoch bezahlen!«,gehtsieindie nächsteVerhandlungsrunde. Währendsiehin-und herfeilschen,schaueichmir dieTaschenan.Essind schöneTaschen–keine Frage.Siesehenhochwertig aus.Ichsolltemiraucheine gönnen,denkeich.Als Erinnerungandiesekleine Reise.Undeinfach,weilich sogünstigsoschnellkeine mehrbekomme.Also, günstigistnatürlichrelativ. Esistnichtso,dassichkeine Handtaschebesitze.Um genauzusein,ichhabe einigesanHandtaschenim Schrank.IchmagTaschen. Abersoeinrichtigteures Designerteilistebennoch nichtdabei. »Waswürdestdumir empfehlen?«,frageich Conny.TiniundAhmed trinkengeradeihrendritten Teeundsindinzwischenbei 430Euroangekommen. Ahmedstöhntimmermal wiederauf,geradesoals würdemanihnohneNarkose amoffenenHerzoperieren. Tinigurrtundbuhlt. »Taschefürdich,mhm. Brauchstdueher’negroße oder’nekleine?«,willConny Details. »Groß,aufjedenFallgroß. IchbinkeineFraufür winzigeTäschchen!«, antworteich. »Tja,dagibt’seigentlich nureine.Diemachtechtwas herundistseitJahrzehnten derKlassikerschlechthin– dieHermèsBirkin!« Ichglaube,diekennesogar ich.DasistdiesesModell, dasVictoriaBeckhamin allenFarbvariantenbesitzt. EinegroßeTaschemitzwei Henkeln,diemanabernicht umhängenkannunddie vorneeinSchlosshat. »Diehier,meineich!«, sagtConnyundschnapptsich eineausdemRegal. EineriesigeTasche!Schön istsie.Schöngroßvorallem. »Dagehtordentlichwas rein.Ichhabsieinrehbraun, soRichtungCognacfarben. Echtchicistdie.Dakannst dugarnichtsfalschmachen. DieistseitJahreninund wirdimmerinsein.Isthalt einechtesStatussymbol!«, schwärmtConny. Ichbinquasisofort angefixt.BinichdieFrau, diesichangeblichaus Statussymbolennichts macht?Waspassierthier gerade?Ichnehmedie TascheindieHandund posierevordemSpiegel. »FürdieseTaschengibtes Wartelisten!«,informiert michConny.»Manbestellt siebeiHermès,unddann dauertesbiszueinemJahr, bisdieTaschedaist!Die sindunglaublichbegehrt!« Dasistselbstverständlich unglaublichlächerlich– einerseits,andererseitsweckt esauchinmirdiesesHabenwollen-Gefühl.Ahmedsteckt immernochinzähen VerhandlungenmitTini. »Ei,eiei,duruinierst mich,schöneFrau!«,aberer bemerktdennochmein Interesse.DerKerlhatseine Augenechtüberall.»Habich Birkin-BaginalleFarbe untenimKeller.Willstdu gucken?«,fragter. Warumeigentlichnicht, guckenkostetjanichts, entscheideich. »Ja,gern«,antworteich deshalb. »KommtKollegeund bringtdich!«,lächelter. »Ichkommemit,vielleicht sindauchBottegasunten«, freutsichConny. Ahmedgehtkurzvordie TürseinesLadens,undin Windeseileisteinweiterer Mannda. »MeinCousin,Hakan, sprichtnichtDeutsch,aber Englisch!« EinWortschwallbricht überHakanherein.Ich verstehnurBirkin-Bag. Anscheinendinformiertihn Ahmeddarüber,wasichwill. »UndBottegaVeneta!Die großemitFransen,die IntrecciatoinSchokobraun!«, plappertConnydazwischen. »Gut,Hakanzeigtalles! GehtihrmitHakan!«,sagt Ahmednur. »Steffi,duauch?«,fragt Connyfreundlich,aberSteffi hatihrObjektderBegierde anscheinendschongefunden. EineChloé-Tasche. »Ne,gucktmal,dasistdie Marcie,dieistdochecht supersüß!Ichweißnurnoch nicht,obichsiemirinNude oderGelbholensoll?Oder vielleichtbeide«,schwärmt sie. »Come!«,ertöntnun HakansStimme.Hakanträgt einenAnzug,hatreichlich SchuppenaufdenSchultern, jedeMengeGoldkettchen undsiehteinenHauch schmierlappigaus.Erist nichtderTypMann,mitdem maneinfachsoineinem Kellerverschwindet,eherder Typ,derimFrankfurter Bahnhofsviertelfiese Geschäftemacht,aberwir sindjazuzweit,undSteffi undTiniwissenjaauch,wo wirsind.DerkleineHakan wirdunsschonnichtstun. Hiergehtesum Taschenverkauf,sonstnichts, beruhigeichmich.Tiefdrin inmirhörealldie WarnungenmeinerMutter: Mangehtniemitfremden Männernmit!Egal,wassie dirversprechen! Einerseits…andererseits weißmanja:Die Gefährlichstensinddie,die ganzharmlosaussehen.Und harmlossiehtHakandefinitiv nichtaus. Wirmüssendurchdiverse Gängeindietiefsten Katakombenhinunter.Auch Connywirktetwas verunsichert. »Hierfindenwirniemals alleinwiederraus!«,wispert siemirzu. »Wirsindzuzweit!«, versucheich,aufmunterndzu wirken. HakansperrteineKellertür auf,undwirbetreteneinen großenRaum.Erknipstdas Neonlichtan,undwirstehen ineinenRaumvoller TascheninallenFormenund Farben. »YoulikeBirkin?«,fragt er.Ichnicke. InWindeseilehater unzähligeTaschenvormir aufeinemSesseldrapiert. »Howmuch?«,frageich. BevorichdieserTasche endgültigverfalle,willich dochsicherheitshalber wissen,wassiekostet. »Goodprice,wemake goodprice!«,beteuerter, ohnedamitauchnur irgendwaszuverraten. »Ahmedmakesprice«, schiebternochhinterher. Ichverstehe.Ahmedist derChef,Hakannurder Laufbursche. »Dieistdochumwerfend! Soeinesiehtmannichtalle Tage«,begeistertsichConny undergreifteineTasche,die eineArtSchlangenoptikhat. GraubeigeSchlange. »Unddiepasstzuallem. Geradewennmannicht mehreredavonhat,istdasja wichtig«,betontsie. DieTascheistwirklich schön.MatteEchsein dezenterFarbgebung.Das klingtseltsam,siehtaber wirklichrichtigchicaus. »Inechtsinddie mörderteuer,soab siebentausendEurofüreine normale,unddiese Krokotaschenkostenüber zehntausendEuro«,zeigtsich selbstConnybeeindruckt. 10000Eurofüreine Handtasche!Ichbinnicht geizig,aberdaswürdemir imLebennichteinfallen– 10000Eurofüreine Handtascheauszugeben.Die kannmanjaeigentlichnicht ohneAlarmanlagespazieren tragen.Odermanmusssie mitHandschellenamArm befestigen!Conny kontrolliertinzwischendie Nähteundschautsichdie Taschesehrgründlichan. »Gutgearbeitet.Guckmal, daistsogardieserkleine StempelaufderLasche,ein Echtheitszeichen.Dashaben diehierwirklichdraufmit denFakes.« DieTürgehtauf.Ein zweiterMannstehtim Keller.Ersiehtähnlich vertrauenerweckendauswie Hakan.DerNeuankömmling redetaufHakanein. Hakansagtimmerzunur: »Tamam,tamam!«Dann wendetersichunszu:»You canbuybirkinforseven hundredandfiftyeuros.Very specialpriceforbeautiful ladies!«,sagterundlächelt unsan,währendersich genüsslichüberdieLippen leckt. Dashatetwas Furchterregendes.Geradeso, alswolleerunsgleich verspeisen.Werdenicht hysterisch,tadeleichmich selbst.Diekönnenjaschlecht zweiTouristinnenhierunten indenKatakomben verschwindenlassen. »Maybewecangoandtalk upstairsabouttheprice!«, schlageichmitmöglichst fester,selbstbewusster Stimmevor. Malabgesehenvonallem anderen:750Euro–dasist nichtdieSumme,dieich ausgebenwollte.Conny hingegenscheintdasfür einenSchnäppchenpreiszu halten. »Dasistechtgut!Normal wollensieumdietausendfür dieBirkins.Meinehat siebenhundertgekostet,aber diewarauchnichtaus geprägtemLeder.Also,wenn dudennocheinenTick runterhandelnkannst,würde ichdieaufjedenFall mitnehmen«,rätsiemir. Ichwillvorallemhier raus.Obmitoderohne Tasche.AberHakanundder zweiteKerl,guteinenKopf größeralsHakan,machen keineAnstaltenzugehen. »Vielleichtsolltestdumal beiTinianrufen,damitsie unshierabholt«,sageichzu Connyundversuche,ganz gelassenzuklingen. »Verstehe!«,antwortetsie undzücktihrHandy.»Kein Empfang!«,flüstertsiemir zu. »Youmakedecisionnow– buyornobuybag!«,ertönt daHakansStimme. SeineStimmehateinen drohendenUnterton.Einen Ton,dermirnichtgefällt. Forderndundunfreundlich. »Wirsolltensehen,dass wirhierwegkommen!«,sage ichnunzuConny. »WoistProblem?«,fragt daderbisherrelativ schweigsamezweiteMann. »MagstduTaschenicht?« Mist,derkannDeutsch– dahätteichdrandenken müssen. »WirwollendieTasche malimrichtigenTageslicht sehen«,zeigtsichConny ziemlichschlau. Hakanundder Deutschkönnertauschenein paarBlicke,undHakan brummtirgendwasauf Türkisch.Teilensiedie Beuteauf?Entscheidetsich jetztunserSchicksal?Werde ichimKellerdesgroßen Basarsmeineletzten Minutenverbringen?Mit MisterSchuppigundHerrn Namenlos?Mirwirdganz anders. »Gut,gehenwirhoch!«, entscheidetderzweiteMann undöffnetdieTür. Connygrinst.»Nageht doch!«,zischtsiemirzu. »Daswarnichtohne«,sage ich,undalswirwiedervor demLadenstehen,binich sehr,sehrfroh.Mutigist auchanders,aberichwar schonimmereinkleiner Schisser. SteffiundTinisindhin undwegvon»meiner« Tasche.Dadurchgefälltsie mirgleichnochbesser. »Diekönntemirechtauch gutstehen!«,sagtTiniund posiertmitmeinerTasche vordemSpiegel.»HabenSie dienochmal?«,fragtsiebei Ahmednach. »Ne,allesEinzelstück, handgefertigt!«,schüttelter bedauernddenKopf. Willdiemirjetztetwadie Tascheabspenstigmachen? »Duhastdochdeine Céline-Trapeze-Tasche.Ich glaube,ichwerdediehier nehmen,wennwirunsmit demPreiseinigen,versteht sich«,weiseichTiniein wenigindieSchranken. Steffihatwährendunseres Kelleraufenthaltszweider Chloé-Taschenundeine schlichteBottegaerstanden. Siewirktsehrzufrieden. DafürkanndasScheinbündel vonWillkaumgereicht haben. »Washastdubezahlt?«, frageichneugierig. »Sageichdirnachher«, kommtdieknappeAntwort. »WaswollenSiedennjetzt hierfürdieTasche?«, erkundigeichmichbei Ahmed.Ahmedhebtden KopfundschautzuHakan. DernamenloseKerlist inzwischenverschwunden. Hakan,derjaangeblichkein Deutschversteht,brabbelt trotzdemdirektlos,und AhmedistimBilde. »Oh,oh! SiebenhundertfünfzigEuro hatHakangesagt–waraber Fehler.Eigentlichtausend, aberweildubistundsonett lachst–achthundert.Istfast Minusgeschäftfürmich!« VomKellerzum Erdgeschossistmeine Taschejetzt50Euroteurer geworden.Mist. »AchthundertEuro«, stöhneichauf.Ichlerne immerhinschnell,und Stöhnenscheintdefinitiv zumHandelnzugehören. »IchhabezweiKinder–das kannichmirnichtleisten!« Soforthabeichdie Aufmerksamkeitaller Frauen. »DuhastKinder?«,fragen siefastsynchron. Soerstauntwiedie klingen,wirdAhmeddenken, ichlügeihmdieHuckevoll. »Ja,zwei.Claudia,fast erwachsenundMark, sechzehn«,antworteich. »Dasistjamegasüß!«, brichtesausConnyheraus. Wasdaranjetztmegasüß ist,würdeichgernmal wissen.Daskannnureine Frausagen,diekeineKinder hat,oderjedenfallskeinein diesemAlter. »Undauchmegateuer!«, bemerkeichnur. Wirzackerngutzwanzig Minutenrum.Ichkannes mirnichtleisten,achthundert EurofüreineTasche auszugeben.Dasist Wahnsinn.Meine Schmerzgrenzeliegtbei fünfhundertEuro.Auchdas istWahnsinn,aberein Wahnsinn,denichirgendwie nochfinanzierenkönnte.Je längerwirhandeln,umso wenigergehtesumdie Tasche.Esgehtdarumzu gewinnen.Ichweißinder Theorienatürlichgenau,dass beidiesemSpieleigentlich immerderVerkäufer gewinnt,abermitjedem Euro,denermir entgegenkommt,fühleich michbesser. Für575Euroistdie TascheamEndemeine Tasche,undindemMoment istdasguteGefühlschon nichtmehrganzsogut. 575Euro!Dasdarfniemand erfahren.Dasistmehrals vieleHartz-VierlerimMonat zumLebenhaben.Ahmed scheintsehrzufrieden.Erhat anvierFrauenfünfTaschen verkauft.SeinTagesgeschäft dürfteerledigtsein. NurConnyistnicht glücklich.IhreBottegaspezial-irgendwie-Taschehat ernicht.Erversuchtesmit anderenModellen,aber Connyweiß,wassiewill, undlässtsichnicht überzeugen. »Ichwillgenaudie.Die meistenanderenhabeich schon!«,verblüfftsiemich. Immerhin,ein Portemonnaiekannerihr nochverkaufen.Mirwiller auchnochdaspassendezu meinerexquisiten Supertascheandrehen.Leider mussichverzichten–ich hättedanndefinitivnichts mehr,wasichindieses Portemonnaiereintunkönnte. »IchhabeechtkeinGeld mehr!«,jammereich. »HatdirRaketegarnichts mitgegeben?«,fragtda Steffi. »Ichbindochkeine Prostituierte!«Kaumhabe ichdasgesagt,merkeich, wasichdagesagthabe.Ich versucheschnell,eszu relativieren,»Alsonein,so wardasnichtgemeint.Esist janurso:Wirsindjakein Paar–dasistandersalsbei euch!« Steffisiehtziemlich angefressenaus. »Daswarjetztechtrichtig scheißevondir!«, kommentiertsiemeinen kleinenPatzer. Ichwerfemicherneut verbalindenStaub.»Tutmir leid,daswarunglücklich formuliert«,zeigeichReue. »Wirmüssenjetzteh los!«,beendetConny glücklicherweisedas peinlicheIntermezzo. EinehalbeStundespäter sitzenwirmitdenMännern wiederimTeehaus.LittleEd istvollerMitleidfürseine Conny. »KeineTasche,Schatzi, dasistjadoof!Daschauen wirmorgennochmal.Das gehtdochsonicht.Aberguck mal,vielleichttröstetesdich –ichhabdirwasKleines mitgebracht.« Erüberreichtihrein hübscheingewickeltes kleinesKästchen.Conny schautkurzauf,undich lächlefreundlich.Hätteich dasbloßniemalsgesagt.Das warechtdanebenundich schämemich.Obwohlman reininhaltlichdarübersicher diskutierenkönnte.Ichsehe SteffisBlickaufdas Päckchenundhoffe,esist nichtdas,wasichdenke. Abernatürlichistesgenau das–sokreativsinddie meistenMännernunmal nicht:DasArmbandmitden Schrauben.InGold.Horst zucktzusammen. »Ach,daswar’s,wasdu ebennochschnellohneuns besorgthast!DankeEd,du bisteinechterIn-denRücken-Faller!« MitanderenWorten:Er hatkeinSchraubenarmband fürseineSteffi.Connystört dasHickhackherzlichwenig. SieherztihrenEdundfreut sichsichtlich.Steffisieht aus,alshättesiegeradeeine sehr,sehrschlimme Nachrichterhalten.Tiniringt sichein»SchönesArmband« ab,unddieStimmungistein bisschengetrübt.Daholt HorsteinTütchenraus. »Hier,nichtausGold,aber vonHerzen!Fürjedevon euchFrauenein Mitbringsel.« IndemTütchenstecken vierkleineStoff-Bändchen mitPeace-Zeichenaus Strass.Niedlichundrichtig nettvonihm.Jetztstrahlt auchTini.IhrHorsthatzwar nichtdiegroßeKnete rausgehauen,sowieLittle Ed,punktetaberdurch Aufmerksamkeit.Rakete lässtdasallesvöllig ungerührt.Fastbinich enttäuscht.Alberngeradezu– waserwarteichdenn?Das auchereinTütchenrausholt? Fangeichschonan,wiedie Frauenhierzuticken?Istdas ansteckend? Raketehatimmerhinfür sichselbstordentlich eingekauft.DiversePoloShirtsmitriesigenPferden aufderBrustundeine LederjackeimBikerstil.Er wirktausgesprochen zufrieden.Dasistdochschon malwas–ichhabe schließlichauchnichtsfür ihngekauft.MeineTasche gefälltihm. Connyziehtihrneues Armbanddirektan,und Steffiwirkt,alswollesieauf denTischkotzen.Danützt auchWillsBegeisterungfür ihrenumfassenden Tascheneinkaufwenig. »Wollenwirnicht vielleichtwasessengehen?«, frageichindieRunde,bevor dieLagehiernocheskaliert. Willräuspertsichund sagt:»Dasistdochmaleine echtvernünftigeIdee.Dieses ganzeGekaufegehtmir wirklichaufdenWecker!« »Duhastdochgarnichts gekauft!«,kannsichSteffi einenheftigenSeitenhieb nichtverkneifen.Oh,dieist richtigangesäuert. »Jeder,wieerkann!«, grinstLittleEddanoch.Ich habedasGefühl,esfehlt nichtviel,undWillhautihm einpaarrein.Horst entschärftdieLage. »Lasstdochmaldieses Getue–werwemwaskauft. Wirsinddochnichtim Kindergarten!Daraufkommt esdochwirklichnichtan. Wirgehenjetztessen.Einige hiersindanscheinend ziemlichunterzuckert.« Tininicktihmzu,und Steffischmollt offensichtlich.Horstmacht einenimmerbesseren Eindruckaufmich. Angenehm,zurückhaltend, aberdurchausbestimmt.Der ersteEindruckkanneben dochtrügen. MitdemEssenundvorallem mitdemTrinkenentspannt sichallmählichallesetwas. WillhatSteffimehrmals irgendetwasinsOhr geflüstert,anscheinend Dinge,dieihrgefallen,denn nachundnachbewegensich ihreMundwinkelwieder nachoben.Ichbinkomplett erschöpft.DasEssenist phantastisch.Kartoffelbrei, scharfesFleischmitSauce undSpinat.Kochenkönnen sie,dieTürken.Ichtrinke dazuzweiGläserWein,was fürmichschonehervielist, undkönntemichdirektaufs Ohrlegen.Alkoholumdiese Tageszeithatetwas Ermüdendes.Ein Mittagschläfchenwärejetzt perfekt,ichhabeaberAngst, dasvorzuschlagenundvon Raketemissverstandenzu werden.BeimNachtisch– nichtsomeinFall:elendig süßesklebriges Blätterteigzeug–gehtesan diePlanungdesResttages. DieMännerhabenabends einenTermin. Akquisegesprächemit türkischenKollegen. »Maus,dakönntihrleider nichtmit!DasistbeiTürken anders,dableibendieFrauen zuHause«,bedauertLittleEd seineConny. »Wirüberlebenauchmal einenAbendohneeuch!«, quittiertTinidieBemerkung. Mirkommtdaseigentlich geraderecht.Ichhabesomit denganzenAbendZeit,mich aufdieNachtvorzubereiten. Perfekt! »Schade!«,mucktSteffi auf.»VondembisschenZeit, diewirandiesenzweiTagen haben,fälltjetztauchnoch derAbendweg!« »Daswusstestdudoch, Liebling«,beschwichtigtsie Will. »Ichweißvieles,aberes mussmirdeswegenjanicht gefallen!«,kontertsie. »GeradedieAbendeunddie Wochenendenunddie FeiertageundSilvesterund dieNächte–immerwieder gehtirgendwasnicht,und immerwiederkommtdieses Das-wusstest-du-doch!Das nervt.« DerGeliebtenstatus scheintaufDauernicht besondersglücklichzu machen.Willistder KommentarseinerSteffi peinlich. »Dasgehörthiernicht her!«,ermahntersie. »HiersindLeute,die wissen,wasläuft.Sonstkann ichjanirgendsdrüberreden –oderWill?Wäreesdir lieber,ichwürdeesmit meinemFriseurbesprechen oderinderStadt rumtratschen?Oderdeine Frauanrufen?« VielleichthätteWilldoch indasSchraubenarmband investierensollen,damit hätteersichmitSicherheit dieseAnspracheerspart. »Ichbin,verdammt nochmal,nunmal verheiratet!«,poltertesda ausWillheraus.»Dashastdu gewusst,undduhastgesagt, esistdiregal.Ichhabemit offenenKartengespielt. Immer!« WiederistHorstderjenige, dersichalsMediator anbietet. »IhrLieben,dasgehört wirklichnichthierher.Das solltetihruntereuch besprechen.Fürunshierist dasetwasunangenehm.« Willnicktundsagtnur: »GanzmeineMeinung!« SteffisMundwinkelsind wiederda,wosiebeim Armbandauspackenvon Connyschonmalwaren. Unten.Ganzunten. DasEssenistbeendet,und ichwillmeinPortemonnaie zücken. »Ne,lassmalstecken.Das gehtaufunsMänner!«, erklärtHorst. »Spesen«,lachtLittleEd. Ichbedankemichundbin froh.FrohumjedenEuro, denichnichtzahlenmuss. DieHandtaschehatmein BudgetfürVenedig,daszu Istanbulmutiertist,komplett aufgebraucht.GroßeSprünge kannichhiernichtmehr machen. »WirkönntenjadasSpa maltesten,heuteAbend«, schlägtConnyvor. »DuhastdeinSpajaauf demZimmer!«,nöltSteffi. »Ichfinde,dashörtsich nacheinerverdammtguten Ideean.Ichkönnteeine Massagegebrauchen!«,zeigt TiniBegeisterungund ignoriertSteffisBemerkung. »Warumnicht«,willige auchichein. Ichbinehzukaputt,um heuteAbendumdieHäuser zuziehen,unddasSchöne amSpa–ichmussmich dafürnichtmalschick machen.Bademantelgenügt. »Nadann«,freutsichEd. »Dawissenwireuchdoch gutuntergebracht!« Dasistjafast,alswären wirbeiIkea–dieKleinen werdenimBällebad beaufsichtigt,währenddie ErwachsenenWichtiges erledigen.Mittlerweilebin ichmirsicher:LittleEdlässt seineConnynichtgerneaus denAugen.Dieständigen GeschenkesprechenBände. »Wirsindsichergegen dreiundzwanzigUhrzurück. Ichlassdichnichtlang allein!«,beteuerternoch mal.MeineGüte–esistnur einAbend!Ergibtsieja nichtzurAdoptionfrei. ZurückimHotel,muss Raketesichfürden Männerabendfertigmachen. EinkurzesKnutschenim Zimmer,undwegister.Ich macheesmirerstmalim Zimmergemütlich,lege michaufsBett,drapiere meineTaschenebenmirund checkemein, beziehungsweiseClaudias, Handy.Sollteichmich eventuelldochbessermal melden?Wenigstensaufden Anrufbeantwortersprechen? Ichentscheidemichdafür, beiRudianzurufen.Nach einemKlingelnisteram Telefon. »Ichbines,Rudi.Alles klarbeieuch?«,frageichund versuche,ganzgelassenzu klingen. »Ei,ei,ei,Andrea,hieris waslos!DieIreneunisch warnjaunnerwegsinder Garteshow,aberdeChristoph ishier.Derwilldischaach emalspreche.Wosteckstde denn,Herzscher?« »IchhabegarkeineZeit. LeiderhabeichClaudias Handymit,aberichkomme jabaldwieder.Ichwolltenur hören,obbeieuchallesgut ist,undChristophwillich ganzsichernichtsprechen!«, teileichmeinem Schwiegervatermit.Hätte ichbloßmeinenAnrufimpuls unterdrückt. »Ichgebihndirma!Er stehthiernebämir!« Wasnun–einfach auflegen? »Andrea,wasgehthiervor sich?WiesohastduClaudias Handy,undwassinddasfür merkwürdigeNachrichten aufdeinemHandy?Ichmuss michdochsehrwundern,was hierabgeht!Gibmirdoch malSabine!« RaffinierterSchachzug– abernichtmitmir,denkeich nur. »SabineistinBehandlung, diehateingroßesFacial,die kannnicht,Dumusstschon mitmirvorliebnehmen,und derEmpfanghieristganz schlecht,ichkanndichkaum verstehen.« »LassdieseSpielchen!«, motzterlos.»Claudiaist außersich,undichwüsste gerne,wanndugedenkst, wiederzukommen?« »Ichkanndichnicht hören!Hallo?Hallo?«,sage ichnurunddrückeaufden Beenden-Knopf.ZuHause anzurufenwarkeine besondersguteIdee.Unddas jetztauchkeinebesonders eleganteArt,einenAnrufzu beenden.AberHauptsache erledigt. KnappezehnMinuten späterklingeltdasTelefon imZimmer.Habendie rausgekriegt,woichbin? Wiekanndassein?Ichhebe abundbinerleichtert,dasses Connyist. »Wirgehengleichzum Spa.Kommstduauch? BisschenSaunaund Hammammachen«,fragtsie freundlich. Ichbinhundemüde. Vielleichtsollteichlieber einschönesNickerchen machenundmicheinwenig regenerieren.Ichbinin einemAlter,indemichauch ohneSaunaphantastisch schwitzenkann. »Nett,dassduanrufst,aber seinichtsauer,ichbinvoll erschöpft.Ichglaub,ichleg michaufsOhr.Wirsehenuns jamorgen«,lehneich dankendab. »Okay,dannbeim Frühstück.NeunUhrist Treffen!«,informiertsie michnoch.Ichstellemirden Weckerauf22:00Uhr,um michfürRaketesEintreffen inRuhevorbereitenzu können. Esiststockdusterdraußen, alsmeinWeckerklingelt.Ich fühlemichkeinbisschen erholtundauchnicht ausgeschlafen,ehersoals hättemanmichausdem Tiefschlafgerissen.Ich braucheeinenkurzen Moment,umzurealisieren, woichbin.Nochungefähr eineStunde,bisRaketehier seinwird.Ichduscheund ziehedaslila Unterwäscheensemblean.Ich werdemichwiegemaltaufs Bettlegen,esdarfaber keinesfallszugestellt wirken.Mirfälltdas PistenspielausdemInternet ein.KlamottenwieeineSpur biszumBettlegen.Sehrgroß istdiePiste,beziehungsweise dasZimmer,leidernicht, aberichnutzedenzur VerfügungstehendenRaum undverstreueeinpaar Klamotten.Schuhehinterdie Tür,danndieJeans,dasTShirtunddengrünenBH, einfachweilersohübschist. Ichhabeschonwieder Hunger.Kurzüberlegeich, obichmirwasbeimRoomServicebestelle,aberalsich diePreisesehe,vergehtmir derAppetit.Außerdemist SexmitvollemMagenauch keineguteIdeeundeinen aufgeblähtenBauchmöchte icherstrechtnicht präsentieren.Stattdessen nehmeichmireinenRotwein ausderMinibarundprobiere mehrereStellungenaufdem Bettaus.Seitlichist ungünstig,dahängtder Bauch,undzwischenden Brüstenknittertes.Aufdem Bauchgeht,allerdingsist dannderPoabsolutim Blickpunkt.Ichentscheide michfürdieRückenlage. DenKopfleichtangehoben undgestütztdurchein Kissen,sonsthatmanschnell einDoppelkinn.Hüftetiefer alsOberkörper–das kaschiertdenBauch. LeichtesHohlkreuztutden Brüstenoptischgut.Ich bräuchtemaldieHilfedieser ulkigenDitavonTeese,um wirklichgekonntzuposieren. IchschalteallesLichtbis aufeinekleine Schreibtischlampeausund binperfektimZeitplan.Es istgenauzehnMinutenvor 23Uhr.So,ichwäredannso weit. UmViertelnachelfbin ichgenervt,meinRücken schmerzt,ichhabetierischen Hunger,undinmeinemKopf tummelnsichBildereines riesigenClub-Sandwichsmit Pommesfrites.Wenniches jetztbestelle,kommtes garantiertzeitgleichmit Raketehieran.Daswäre nichtwirklichpassend.Also versucheich,denHungerzu unterdrücken,wasdieLaune abernichtdirekthebt. UmMitternachtbinich sauer.Hungrig,müdeund sauer.Sehreiligscheinteres jamitmirnichtzuhaben. Wasdenktder?Dassichhier inWartepositionausharre, bisersichherbequemt?Ja, genaudaswirderdenken, unddasSchlimmsteist–er hatrecht.Dennebengenau dastueichjaauch.Ich schaltedenFernseheranund zappemichdurchdie Programme.Kurzüberlege ich,michwiederanzuziehen undeinbisschendurchs nächtlicheIstanbulzu schlendern.Schonaus Protest.Sollerdochwarten. Stattdessenesseichdie ChipsausderMinibar.Das istdasLetzte,woranich micherinnere. Ichwacheauf,weilesgegen dieZimmertürrummst.Ich werfeeinenverpenntenBlick aufdieUhrundsehe,esist 2:34Uhr.DerFernseher läuft,nebenmirliegteine leerePackungChips,aber keinRakete.Wiederhaut jemandgegendieTür.Ich springeausdemBettund gehezurTür. »Hallo,weristda?Tom, bistdudas?«,frageich. »Ja,werdennsonst!«, brüllteineStimme,die eindeutigzuRaketegehört. IchöffnedieTürundsehe esaufeinenBlick.Derist sternhagelvoll.Wundert mich,dasserüberhauptnoch daspassendeZimmer gefundenhat. »Huhu,Kleines!«,begrüßt ermich. Selberhuhu.Geht’snoch? EsisthalbdreiUhram Morgen,ichhabe stundenlangaufden Gnädigstengewartetund kannmirjetztnichtwirklich Begeisterungabringen. Erpresstsichanmichund küsstmich.Erschmecktwie eineBar–undriechtauch so!Obmansichbeim Knutscheneine Alkoholvergiftungholen kann?Einsistklar,besoffen küssterschlechterals nüchtern.Allesisteinesehr feuchteAngelegenheit. Irgendwiesabberig. »KomminsBett!«,stöhnt erauf. Ichwürdeliebendgern sagen:Dawarichschon,ihr Zeitfensterhatsichleider wiedergeschlossen!–aberer taumeltschonRichtungBett. »Ziehmichaus!«,grunzt er. Dashatteichmir irgendwieandersvorgestellt. IchwilldochkeinenSexmit jemandem,derkaummehr seineneigenenNamen buchstabierenkann! Besoffenseinmagsich vielleichtgutanfühlen,aber gutaussehentutesselten. AuchbeiRaketenicht.Der AlkoholhatSpuren hinterlassen.Jetzthier, mitteninderNacht,siehter einbisschenverlebtaus. SeineAugensindrot,die Naseauch,mansieht geplatzteÄderchen,seine Haaresindirgendwie strähnig,undseine Ausspracheistauchnicht mehrsodeutlich. »Ausziehen!«,grölter. »Ichbinausgezogen,falls dirdasnochnichtaufgefallen ist!«,sageichundlegemich zurückinsBett.Erkickt seineSchuhevondenFüßen undlässtdieHosefallen.In Hemd,UnterhoseundSocken kriechterinsBettundgrunzt wohlig. »Ihrscheintjaeinen lustigenAbendgehabtzu haben!«,stelleichlakonisch festundversuche,keine kompletteSpaßbremsezu sein. Erlacht.Immerhin,er kannmichnochverstehen.Er krabbelteinbisschenplanlos anmeinemBauchherum. AusgerechnetamBauch!Ich versucheihneinzuziehen, denkeaber,sobetrunkenwie derist,kannderauchnichts mehrwirklichbeurteilen. »Na,Specki!«,sagterauf einmal. Specki!Derhattatsächlich Speckizumirgesagt.Sein Tastsinnfunktioniertwohl noch.Daistmirjasogar Andilieber.Specki.Solldas einKomplimentsein?Wie charmant.Errolltsichauf michundistschwererals erwartet.Sexyistdefinitiv etwasanderes.Erreibtsich anmeinemKörperundbei mirtutsichreingarnichts. IchdrehedenKopfzurSeite, alsermichküssenwill.Er knabbertanmeinemHals undsaugtsichfest. »Hey«,schüttleichden Kopf,»keinenKnutschfleck bitte!« Daswürdemirnoch fehlen.Muttikommtvom Wellness-Wochenendemit FreundinSabineundhat einenriesigenKnutschfleck amHals.Ichkannmichnicht erinnern,wannichdasletzte MaleinenKnutschfleck hatte.Esistlangeher–so vielstehtfest. AlserseineUnterhose abstreift,kannichzumersten MaleinenBlickaufsein vermeintlichbestesStück werfen.Esistnichtin Bestform,hoffeich jedenfallsfürihn.Eher ModellWiener-Würstchen, daseinbisschenältlichist– langzwar,aberschrumpelig unddünn.Ichglaube,aucher merkt,dassdanichtmehr vielgeht.Errolltsichaufdie Seite,undinnerhalbvon wenigenMinutenschläfter. Natürlichschnarchter,was zuerwartenwar.Ichbin ziemlichernüchtert.Aber vielleichtsiehtmorgenfrüh schonwiederallesanders aus.Schlimmerkannesja eigentlichnichtmehr werden. 4 Um8:00Uhrpieptmein Handy.Draußenscheintdie Sonne–immerhin.Neben mirliegteinMensch,der ziemlichkomatösaussieht. AlleindasleichteSchnarchen zeigt,erlebt. AufZehenspitzen schleicheichinsBad.Ich habeSchlafinden Augenwinkeln,undmeine Wimperntuscheist verschmiert.Ans Abschminkenhabeichheute Nachtnatürlichnichtmehr gedacht.Aberesistdoch auchso:Egalwiegründlich mansichabschminkt, irgendeinRestfindetsicham nächstenMorgen erstaunlicherweiseimmer. IchgeheaufsKloundlasse dabei–alterTrick–ein bisschendasWasserins Waschbeckenlaufen.So kannmanvondraußendas Geplätscherwenigstensnicht eindeutigzuordnen.Dann kämmeichmich,putzemir dieZähne,trageeinenHauch RougeundWimperntusche aufundkriechezurückins Bett. Ichbindiepersonifizierte Morgenfrische.Essollja Frauengeben,diesowas tatsächlichimmermachen. JedenMorgen.DerenMänner sieangeblichnochnie komplettinnaturagesehen haben.Um8:20Uhrstupse ichRaketeeinbisschenan. Ergrummelt. »GutenMorgen!«,flöte ichsanft. »Morgen«,antworteter undseineStimmeklingt belegt.»Uah,habich’nen Kopf!«,stöhnter. KeinWunder,willich sagen,riecherstmaldeinen Atem,damitkönntestdu glattalsAnästhesistarbeiten, lasseesaber.Stattdessen krauleichihmeinbisschen denOberschenkel.Er schwingtdieBeineausdem Bett,sitztaufderBettkante undgreiftsichandenKopf. »Hastdueine Kopfschmerztablette?«,fragt er. »Leidernein.Aberein bisschenWasserinsGesicht undwastrinkenhilftauch«, schlageichvor. ErverschwindetimBad. Hoffentlichputztersichauch dieZähne.Ja,Klound Zähneputzen–dieGeräusche sindsehreindeutig.Er kriechtzurückinsBettund verliertkeineZeit. »Tutmirleidmitgestern, ichwaranscheinendsehr müde«,entschuldigtersich. Immerhineine Entschuldigung,obwohl müdewohlkaumdierichtige Bezeichnungist.Jetztgeht allessehrschnell.Erpackt einbisschenzu,einmal Busen,dannuntenrum,und schonisterbereit. Halt,Moment,willich rufen,aberdahöreichschon einRatsch,underhatein KondominderHand. »Langsam,langsam«, versucheich,einwenig Temporauszunehmen,aber RaketeistindieserHinsicht komplettberatungsresistent. Wastueichhierbloß?Will ichdas? WirhabentatsächlichSex –undbevorichesüberhaupt auchnurimAnsatzgenießen kannoderwirklichviel bemerke,istesvorbei. »Achdaswarjetztgut, oder!«,stöhnterauf. Jetztgehtmirauf,warum dieserMannRaketegenannt wird.Zack,bumm–erledigt. Schnellgezündetundschon vorbei.Daswarder schnellsteSexmeines Lebens.UnterdreiMinuten. Ichhabesogarnochmeinen BHan. »Jetzthabeichrichtig Hunger!«,sagter,währender aufsteht.»SexamMorgenist einfach’nefeineSache!«, betonterundgibtmireinen kleinenKlapsaufden Oberschenkel.»Lassuns frühstücken.NeunUhrist Treffenmitdenanderen!« Daswareswirklich.Habe ichmichdanachgesehnt?Ist diesesBisschennichtetwas, woraufmandauerhaftsehr gutverzichtenkönnte?Sex kannauchanderssein, versucheichmichzutrösten. InmeinerErinnerungistSex mehrgewesen.Aufregender, erregenderund befriedigenderaufalleFälle. Vielleichtkannereseinfach nicht,oderesistihmegal, wiedieFrauseine Performancefindet.Fürihn scheintesja zufriedenstellendgelaufenzu sein.Hatsichdanochnie einebeschwert?Sindwir Frauensogenügsam?Zu genügsam?Kommtsowas dabeiraus,wennmanmit einemTrophäenmannins Bettsteigt?Strengensichdie anderenMännermehran? OderliegtesamAlter? ImmerhinistRakete50.Na gut,jederhateinezweite Chanceverdient.Vorallem ich! BeimFrühstücksindalle guterStimmung,selbst Motz-Conny. »Und,gutgeschlafen?«, zwinkertmirTinizu. »Naja,gehtso!«,antworte ich. Ungefragtantwortetauch Rakete.»Vorallemgut aufgewacht!«,lachter,und ichkönnteihmeine scheuern. WenigstensdasBüfettist reichhaltig.IchliebeBüfett. VorallemliebeichEssen, dasichwederselbst zubereitennochnachher abräumenundspülenmuss. IchbestellemirRühreiermit Speck,Champignons, ZwiebelnundKräutern. Raketesiehtmeine Eierspeiseundguckt erstaunt. »Vorsicht,Andi!Solltest dunichtliebereinwenig Obstnehmen?Eierhaben ordentlichKalorien!«, ermahntermich. UmseineAussagezu illustrieren,klopftersichauf BauchundSchenkel.Dafür sollteihmderinternationale Charmepreisüberreicht werden.ErstSpeckisagen unddannmeineKalorien zählen.Undmitdiesem Mannhatteichgeradeetwas, wassehrwohlwollende Menschenwahrscheinlichals Sexbezeichnenwürden.Wie unverschämt.Ichholemir demonstrativnochzwei Bötchen.HelleBrötchen. AuchderRestderGruppe starrtaufmeineTeller. NurHorstsagtfreundlich: »Lassesdirschmecken! Schön,maleineFrauzu sehen,diegerneisst.« SpätestensmitdiesemSatz istHorstzumeinem Gruppenlieblingavanciert. »Ihrwollt,dasswiressen, undgleichzeitigsollenwir schlankwieTannensein.Tja, dasisteineschwierige Kombination!«,murrtTini undpicktinihremObstsalat. Dahatsienatürlichrecht. MännerwollenIdealfiguren, abersiewollendasdamit verbundeneLeidbittenicht sehen.DenKampf,die krampfhafteEnthaltsamkeit. Herzhaftzugreifen, genussvollessen–unddas Ganzebei90-60-90,bitte. Amliebstenwürdeichmir ausTrotznocheinenEiNachschlagbestellen, stattdessenholeichmirnoch einkleinesMüslimitObst. Dieanderensindlängst fertig,aberConnyhatnoch LustaufeinenProsecco. LittleEdbestellt großspurigPinky.Esstellt sichheraus,dassPinkyeine FlascheRosé-Champagner ist.WillverdrehtdieAugen. Ichmussauchsagen,dass EdsGroßzügigkeitetwasarg Demonstrativeshat.Eristein kleinerAngeber.Aberseiner Connygefälltes,undauch ichmusszugeben,rosa Champagneristdurchaus lecker.Schmecktmirauch besseralsProsecco.Da könnteichmichdran gewöhnen. »Und,wasmachenwir heute?«,fragtSteffiindie Runde. »IchmussaufjedenFall nochmalzumBasar«,erklärt Connydirekt,»ichwilldie Bottega!« »DukriegstdieBottega, Schatz!«,sagtLittleEd sofortimBrusttonder Überzeugung. »Wirwäreesmitder HagiaSophia?«,schlageich vor. »Naja,soMoscheensind nichtsomeinDing«,kommt eszögerlichvonRakete. »Inwievielenwarstdu dennschon?«,frageich zurück. Erverziehteinwenigdas Gesicht.»Ingarkeiner.Ich binjaauchkeinMoslem!« Einunglaublichkluges Argument.MeineGüte!Und mitdiesemMannwarichim Bett. »Wirkönnenunsja aufteilen,wirmüssenjanicht allesgemeinsammachen«, lautetdieIdeevonSteffi. HorstundTinisindfürdie Moschee,Raketezögert,und SteffierinnertihrenWill daran,dasserversprochen hat,mitihrshoppenzu gehen. »Wirkönnenunsjadann inTaksimzumMittagessen treffen!«,suchtHorsteine Lösung.»IhrgehtzumBasar, wirindieMoschee,unddann essenwirschönzusammen.« Ichfreuemich.Wassoll ichauchimBasar?Ichkann mirehnichtsmehrleisten, undeswäreauchschade,in einerWeltstadtwieIstanbul zuseinundnichtszusehen außerdemBasar.Beiallem HangzumShopping,ein bisschenKulturhatdoch auchwas.Raketeentschließt sich,mitunszukommen. Begeistertwirkternicht, aberanscheinendhaternoch wenigerLustaufeinen weiterenBasarbesuch. »Wiewärees,wennwirin dieBlaueMoscheegehen, dieistnäher.Dakönnenwir hinlaufen!«,bemerktTini. Wirsindeinverstanden. »MoscheeistMoschee«, brummtRakete.Und wahrscheinlichistfürihn SexauchSex.Immermehr kommtmirRaketewieeine einzigeMogelpackungvor. Esstehtvieldrauf,istaber nichtsdrin.Dastrifftbeiihm sowohlfüroben-alsauch untenrumzu.Schade.Ich hattemirmehrversprochen. DasersteMalSexnach langerZeit–unddannso eineEnttäuschung.Ichfinde, dasBisschenvonheute Morgenzählteigentlichgar nicht.Dassihmdasnicht peinlichist.Erstaunlich.Mir istespeinlich.Fürmich,für ihn–überhaupt. MitmeinerneuenTascheam Arm,diemeineLaunesofort hebt,obwohleigentlichzu großfüreinenBummel,geht esinRichtungBlaue Moschee.Ichkannmich immernochnichtsowirklich fürIstanbulbegeistern.Ja, dieStadtistgroßundquirlig, aberdiesesewigeGrauist nichtmeins.Ichbinund bleibewahrscheinlichein Vorortlandei.DieseMengen anMenschen.Traditionell verschleiertnebenmodern. AufirgendeineArtmacht michdasVerschleierte aggressiv.Binichintolerant? Schonmöglich.Dasmuss auchaufmeineCharakterMängelliste. WirmüssenSchlange stehen,umindieMoscheezu kommen,undderWegwar weiteralsgedacht.Ichbin sehrfrohübermeine Turnschuhe.Raketehatnoch leichteKopfschmerzen,ist aberansonsten, wahrscheinlichdurchseinen Sekundenhormonschubvor demFrühstück,guterDinge. Ererkundigtsichsogarmal nachmeinemLeben.Wasich somache,willerwissen.Ja, wasmacheicheigentlichso? Icherzähleihmvonmeinem Leben.VonmeinenKindern, vonmeinerArbeitund versuche,allesmöglichstnett undamüsantklingenzu lassen.MansollMännern, voralleminder Akquisephase,janichts vorjammern.Aberbinich überhauptinder Akquisephase?Willich diesenMannerobern?Nein undja.Ergefälltmirnicht wirklich,abertrotzdemwill ich,dassermichwill.Dasist einbisschenverrückt,aber ichkanndasFlirtennicht lassen,obwohlderTestlauf heuteMorgenallesandere alsvielversprechendwar. Vielleichtlagesjaam Restalkohol,probiereich, mirdenverkorkstenSex schönzureden.DasersteMal mitjemandNeuemistoftein Desaster–mankenntsich nicht,weißnicht,wasder anderewill.Vielleichtsollte ichihmnocheineChance geben.Aberinteressiert diesenManneigentlich,was ichwill?LässtseinMegaEgodasüberhauptzu?Kann eresüberhauptbesser? DieMoscheeist beeindruckend.SelbstRakete mussdaszugeben.Nach einerViertelstundehater allerdingsgenug. »Lasstunswastrinken gehen!«,schlägtervor. Wirschlenderndurchdas Viertelrundumdie Moschee.IchfrageRakete, warumerniegeheiratethat. »WarumeineBlumeindie Vasestellen,wenndieWiese volldavonist!«,antworteter kokett.»Nein,malimErnst«, ergänzterdann,»eshatnie gereicht–vonmeinerSeite aus.Verliebtja,aberwirklich geliebthabeichkeine.Ich hatteimmerdasGefühl,da kommtnochwasBesseres. Ichhätteeigentlichganz gerneKinder–aberdaskann janochwerden.« Daskannnochwerden? WillereinerdieserOpaPapaswerden?Icherspare mirjeglichenKommentar undnickeverständnisvoll,so verständnisvollwieeseben geht.DieGegendrundum dieBlaueMoscheeist hübsch.Verwinkelt. NiedlicheHäuserundganz netteGeschäfte.Natürlich wiedereinkleinerBasar.Der VormittagvergehtimNu. »Wirsolltenheute NachmittageineTourmit demBootmachen!«,schlägt Tinivor. »GuteIdee!«,befindet sogarRakete.»Lassunsdas malmitdenanderen besprechen.« InTaksim,einemangesagten Stadtteil,treffenwirdenRest derGruppe.Siesindextrem gutgelaunt,unddieMenge ihrerEinkaufstütenzeigt auch,warum.SelbstWillund LittleEdsindganzbeseelt. »HeuteAbendgehenwir nochmalmitdenKollegen weg.Ihrkönnt mitkommen!«,sagtHorst ganzbeiläufig,undWill ergänztmitBlickaufSteffi: »IchwolltekeinenAbend mehrohnedichverbringen.« Mirfälltauf,dasssieein Schraubenarmbandträgt. SteterTropfenhöhlteben dochmanchenStein.Steffi bemerktmeinenBlick. »Schön,gell?Hatsogar einenkleinenBrilli!«, schwärmtsie. AlsowaresmitSicherheit teureralsdasvonConny,und somitscheintdasseelische GleichgewichtvonSteffi wiederhergestellt. AllehabenLustaufeine Bootstour.Vorherwollensie allerdingsnochebenmal durchdieGeschäftein Taksimziehen. »Hiersollman phantastischeinkaufen können!«,begeistertsich Conny. Dashieristletztlichein riesigerWochenendeinkauf, getarntalsStädtereise.Ich findedieGeschäftein Taksimeherenttäuschend.Es gibtalldas,wasesbeiuns auchgibt.VonBenettonüber MangobiszuZara.Ichmag Shoppen,aberindiesen Dimensionenistmirdas wirklichzuviel,undich empfindeesalsöde.Vor allem,wennman,wieich, keinGeldmehrhat. Natürlichkönnteichmein Kreditkärtchenzücken,aber aufdemKontosiehtesauch nichtbesondersgutaus,und irgendwaswollenmeine KinderundichdiesenMonat jaauchnochessen. Einkaufenzugehenundzu wissen,dassmannichts kaufenkannodersollte,ist nichtbesonderserquickend. Ichbinfroh,alsesRichtung Bootstourgeht.Mitgroßer GestebezahltRaketeunsere Tickets.Alle.Mit3,50Euro proTicketallerdingsauch keinewirklichgroße Investition.DieBosporusBootsfahrtistwunderschön. IchliebedasMeer,undman hateinenunvergleichlichen BlickaufdieriesigeStadt. Zuwissen,dassman zwischenEuropaundAsien hinundhercruist,isttoll. Vorallem,weilallesherrlich friedlichistundleise.Der GeräuschpegelderStadtliegt inderFerne,undbeieinem Teeundwunderbarem Sonnenscheingenießenwir denAusblick.Ichkönnte Stundenhierverbringen, würdemirliebendgernden SonnenuntergangvomBoot ausbetrachten,aberleider sindwirabendsverabredet. »Eskommenzwei Kollegenvomführenden MaklerbüroinIstanbul,und esistwirklicheinegroße Ausnahme,dassFrauen mitdürfen!Ihreeigenen Frauenbleiben selbstverständlichzuHause«, erklärtunsWill. Selbstverständlich!Wie gnädigvonunserenHerren. »Wirgehenins 360Istanbul,dasgiltals echterIn-Treff,absolut hip!«,begeistertsichConny. Na,dabinichjadagenau richtig.In-Treff!Sofort überlegeich,wasich anziehe.HipperIn-Treff? Wasträgtmanda?Ichfrage dieanderenFrauennachdem Dresscode. »Sexyundstylish!«, antwortetSteffiundguckt micheinenHauchmitleidig an.Glaubtdie,dassichdas nichtdraufhabe?Daswollen wirdochmalsehen! BiswirimHotelsind,istes schonspät.DieZeitdrängt. Ichbinganzfroh–sokann Raketenichtauf irgendwelcheIdeenkommen. IchziehemeinWickelkleid an.Schwarz,ansicheine Nummerzueng,aberzum GlückhatdasKleideinen hohenStretchanteil. Wickelkleidermachenein sexyDekolleté,unddurchdie Raffungensiehtmanden Speckandensonstigen Stellennichtsosehr.Dazu dieneuenMörder-HighHeelsundmeineneue Tasche.Miristklar,dasssie füreineAbendtascheetwa dreiNummernzugroßist, abersiesiehttrotzdemgut aus,auchwennichsienicht ineineClutchverwandeln kann.Ichtoupiereundspraye meineHaaredermaßenein, dasswahrscheinlichein kleinesOzonlochnachmir benanntwird.Aberichfinde, dasErgebniskannsichsehen lassen.Essiehtgutaus. Elegantundsexy.Besser kannichesnicht.Rakete mustertmich.Ichdrehemich einmalumdieeigeneAchse, garnichteinfachaufZwölfZentimeter-Lackpumps,und frage:»Und?« SeineAntwortistnicht ganzsowieerwartet.»Wie altbistdueigentlich?«,will erwissen. »Altgenug!«,weiseich ihndezentzurecht. MeineGüte.Einkleines Du-siehst-toll-Auswäredoch nichtsoschwergewesen. Immerhin,alswirdie anderentreffen,machtmir Horst,meinLiebling,ein Kompliment. »Rasantsiehstduaus!«, befindeter. Connyträgthautenge Lederleggings(Ja,ichmuss zugeben,siekannessich leisten–Rühreiverzichtsieht gutaus!),dazueinTopund einenBlazermitNietenauf denSchulternundanden Ärmelenden.Ichwürde sagen,damitkannmanals hipdurchgehen.Steffihat einenkurzenRockausSpitze mitLederjackean,undTini trägteinkurzesKleidmit graphischemMuster.Sehr bunt,vielNeonund garantiertauchInstyletauglich. »Pucci!«,sagtsie,alssie meinenBlickbemerkt. Aha.IchkenneGucci.Zu Pucciträgtsie atemberaubendeSandaletten inPink.Ichbindefinitivdie Biederste.Ebennochfand ichmichschön–imBereich meinerMöglichkeiten selbstverständlich,undjetzt binicheinbisschendieMutti derTruppe.MeinKleidist, wiemaninderModesprache sagt,knieumspielend,eine Länge,diezwargutfür meineBeine,abernicht besondershipist.Tinibietet mirnochan,schnelleine passendeTaschefürmichaus demZimmerzuholen,aber 575Euromüssensich amortisierten,undirgendeine Clutchreißtdashierjetzt auchnichtmehrraus. Außerdemregtsichinmir eingewisserTrotz.Muss dochnichtjederaussehen wiediedrei!Ichbinso,wie ichebenbin. »MitderTaschesiehstdu aus,alswolltestduwas einkaufen!«,kichertConny. »Tja,malsehen,vielleicht tueichdasjaauch,ansonsten kannichguteureEinkäufe verstauen!«,versucheich einenkleinenKonter. Wieschönwärees,jetzt hiermitSabinezusein.Ich wäresogarliebermitSabine imWesterwald!Wasnützt einemdieaufregendsteStadt, wenndieMenschenumeinen herumaufregendtun,esaber nichtsind?Erstmalssehne ichmichnachzuHause.Das istesdoch,wasduwolltest, sageichmirselbst.Istes das?Ja,esistandersalsmein sonstigesLeben.Undja,es istauchirgendwieaufregend, ebenweilesandersist.Aber ichmerke,dasistnichtdas, wasichbrauche. DasRestaurant360Istanbul isteindrucksvollundvoll. TouristenundEinheimische drängensichamEingang. »AcarundSalihhaben sicherlichreserviert!«,hofft Horst. Dashoffeichauch. Samstagabendscheintauch inIstanbulderklassische Ausgehabend. »Wehasareservationfor tenpeople!ErcanorCengiz«, stammeltLittleEd. SeinEnglischist ausbaufähig.Connyguckt direktstreng. »Wehave!«,korrigiertsie ihn.Nichtsehrnettsovor allenanderen.AberEd kann’sab. »Richtig!«,sagternur, unddannwiederholter,wie inderSchule,denganzen Satz.BevorderKellner antwortenkann,stürztein MannmittlerenAltersauf unszu. »Hoşgeldiniz!«,begrüßter uns. »Dasheißtherzlich willkommen«,übersetzt Raketestolz. Dawäreichjaniedrauf gekommen. »AcarCengiz«,stelltsich derMannvor.»Salihis waitingatthetable!« Das360Istanbulist Restaurant,BarundClubin einem.DerNameerklärtsich schnell.Manhateinen360Grad-BlicküberdieStadt, undunsereGastgeberhaben einentollenTischreserviert. HerrErcanundHerrCengiz sindhöflich,aber ausgesprochendistanziert. WirFrauenwerdenander einenSeitedesTisches platziert,dieMänner gruppierensichander anderenSeite. »Sokönnenwirnochein bisschenübersGeschäft reden!«,erklärtWill. Undwirwahrscheinlich übersEinkaufen.Mich überkommteinGähnimpuls. ÜbersEssenkannmannicht meckern.Angeblichnennt sichdieKücheCrossoverAsia-Europe.Egalwiees heißt,undobwohliches nichtselbstbestellthabe– dashatHerrCengizfüruns alleerledigt–esschmeckt. Michinteressiert,wasdie beidenHerrenzuden UnruhenneulichinIstanbul zusagenhaben.Raketewirft mireinenentsetztenBlick zu. »Ichwarschoninder SchulegutinPoWi.Ich interessieremichhaltfür Politik!«,rechtfertigeich micheigentlichohneGrund. Manwirddochmalwas fragendürfen. »Womenbetterno politics!«,sagtHerrErcan freundlich,aberdoch bestimmt. ImerstenMomentdenke ich,ichhättemichverhört. »Ach,Andi,dasistdoch langweilig!«,mischtsichda Steffiein.»Wirwollenuns dochnichtdenAbend versauen.« Meineristjetztschon leichtversaut.Ichlassmir dochnichtvoneinemHerrn ErcanundeinerSteffiden Mundverbieten.Frauseinin derTürkeiwärenichtmeins. ImmerhineineErkenntnis, dieichvondieserReise mitnehme.Ichentschuldige michundgeheRichtung Toilette,ummichabzuregen. Esbringtjadochnichts, würdemeineMuttersagen. KaumhabeichdieKlotür hintermirgeschlossen, klingeltmeinHandy.Nicht dasersteMalheute.Ichgehe aberdasersteMalran.Esist Christoph. »Waswillstdudennschon wieder!«,begrüßeichihn nichtbesondersfreundlich. »Lassdasjetztmalmit deinenAnimositäten.Endlich erreicheichdich!Ichhabe dirschonetlicheNachrichten hinterlassenundSabineauch. Esisternst.DeinerMutter gehtesschlecht.Siehathier angerufen,undichbindirekt hinundhabedenNotarzt gerufen.Sieliegtjetzthierin derHöchsterKlinik,und anscheinendhattesieeinen leichtenSchlaganfall.Ichbin daundkümmeremich,deine Schwesterkommtgleich, aberichdenke,eswäregut, duwürdestauch schnellstmöglicherscheinen. DeinVateristauchda,aber eristvölligvonderRolle. IchhatteschonAngst,der landetgleichimBettneben ihrvorlauterAufregung.« Scheiße.Scheiße.Scheiße. Mitsoetwashätteich natürlichniegerechnet. MeinearmeMama.Wastue ichhier?Undvorallem,wie kommeichhierschnellweg, istdieentscheidendeFrage. »Wannkannstduhier sein?«,erkundigtsichda auchschonChristoph. MeinFliegergehtmorgen Vormittag,undichbezweifle stark,dassesheuteAbend oderinderNachtnoch Möglichkeitengibt.Leider binichnichtimBesitzeines Privatjets,undselbstMister GroßkotzEdistvonsolchen Dingenweitentfernt. »Vormorgenwerdeiches nichtschaffen!«,stöhneich undbinechtverzweifelt. Mama!Beiallem GezackerundGenerve–eine MamaisteineMama,und dashieristmeine,undich habenurdieeine. »Andrea,wasistdennmit dirlos?IstderWesterwald abgeriegelt,oderwasläuft da?«,fragtChristoph entsetzt. EsistanderZeit,mitdem Lügenaufzuhören. »Icherklärediralles,wenn ichdabin.Aberumsschon malehrlichzusagen,ichbin nichtimWesterwald, sondernetwasweiterweg, genauergesagtinIstanbul!«, rückeichsolangsammitder Wahrheitraus. »Irgendsowashabeich mirschongedacht,Andrea«, sagtChristophnur. Esistnett,dasserdie Situationnichtausnutzt.Er hätteallenGrund,mireinen kleinenVortragzuhalten. »Ichbleibeheutehier, Andrea.Unddukommst direktvomFlughafenher. Sollichdichabholen?« »Neindanke.Dasist wirklichnettvondir–alles istwirklichnettvondir,aber ichhabedasAutoam Flughafen.Ichlandegegen zwölfUhrmittagsund kommesofort.Unddann sehenwirweiter.« »Gut,Andrea.Vielleicht istesdannauchanderZeit, malwiederzureden.Wir müssenunsdochnichts vorlügen,dasistdochtraurig nachsolangerZeit«, murmelterundklingt tatsächlichbedrückt. »KüssmeineMama,und redemitdenÄrzten,und haltemichaufdem Laufenden,ruhigauchmitten inderNacht.Ichwerdedeine Anrufenichtmehrignorieren –estutmirechtsehr,sehr leid!«,betoneichnoch einmal. »Istschonokay–dafürhat manFamilie!«,sagternur, undaufeinmalweißich wieder,wasichimmeran ihmgeschätzthabe. InderNotisterwieder sprichwörtlicheFelsinder Brandung.EristeinMann, dertatkräftigseinkann.Und erhatFamiliegesagt.Wir sindalsoimmernochseine Familie.Beiallden schlechtenNachrichten,ist dasdochmaleinegute. Einsistklar–derAbendist fürmichdefinitivgelaufen. Ichkehrenurnochmalan denTischzurück,umzu sagen,dassichinsHotel fahre. »Bistdubeleidigt?«,fragt michRaketeverwundert. »Nein,meinerMuttergeht esschlecht.Siehatteeinen Schlaganfallundistim Krankenhaus,dakannich nichthierrumsitzenundSekt schlürfen!«entgegneichund merke,wiemirdieTränen kommen.Allesindbetroffen. »Ichkannhierjetztnicht weg–hastduGeldfürein Taxi?«,zeigtsichRakete ansatzweiseteilnahmsvoll. »KeineLira!«,sageich undergreiftinseine Hosentasche.Immerhin. Tinibietetmirsogaran, mitzukommen.Dasweißich zwarsehrzuschätzen,lehne aberab. InnerhalbwenigerMinuten sitzeichimTaxizumHotel. JetztfließendieTränen.Ist dasdieStrafefürmeinen Ausflug?Werdenkleine Sündensofortbestraft?Reiß dichzusammen,Andrea, schimpfeichmichselbst. DasistdochtotalerQuatsch! DasisteinfacheinUnglück, dasjederzeitpassierenkann. IchmussBirgit,meine Schwester,anrufen.Und meinenBruder.Wiesoistder eigentlichnichtinder Klinik?Seltsam.Deristdoch eigentlichdastotaleMamaKind.Einsnachdem anderen,versucheichdie Nervenzubehalten,während mirdieTräneneinfachso übersGesichtlaufen.Sielebt undistingutenHänden. ImHotelzimmer angekommen,rufeich Christophan.Ergehtnicht dran.Ichschickeihmeine SMSunderbittedie TelefonnummernvonBirgit undStefan,meinen Geschwistern.Mirfällt nichtsein,wasichtun könnte.Dasistdas Schlimmste.Ichsitzehier undkannnichtstun.Eine halbeStundespäterhabeich dieTelefonnummernvon StefanundBirgit. Ichprobiereeszunächst beiStefan. MeineSchwesterkannirre strengundkleinkariertsein undhälteinemgerne Vorträge–dakannich momentangutdrauf verzichten.MeineSchwester istMissPerfekt.Beiihr gelingtalles. MeinBrudermeldetsich, untypischfürihn,direktnach demzweitenKlingeln. »Andrea,hi,ichbingleich da.Vielleichtnochzwei StundenFahrt!«,begrüßter mich.»Wiegeht’smeiner Mami?«,schiebternocheine Fragehinterher. SeinerMami!Dasist typischfürmeinenBruder. »Ichkanndirnichts Genauessagen.Ichbin unterwegsundkommeerst morgennachHause.Ich wollteeigentlichvondir wissen,wieesumMama steht«,antworteich. »Achso,dannrufeich dichan,wennichdabinund wasweiß!IchbinimAuto undhabekeine Freisprechanlage!«,sagter nur. Erwillnichtmalwissen, woichbin.Wasnichtan seinermangelndenNeugier, sonderneheraneinem gewissenDesinteresseliegt. MeinBruderistPrince Charmingundgebärdetsich gernewieeinEinzelkind. IchnehmeallmeinenMut zusammenundrufeBirgitan. MeinegroßeSchwesterhat oftetwasFurchteinflößendes. Wirkommenklar,sindaber nichtwirklichdicke miteinander.Die beiderseitigeEifersuchtsteht einfachzwischenuns. Trotzdemraffeichmichauf, schließlichgehtesnichtum mich,sondernumMama. »Hallo,Brigitta!«,melde ichmichzaghaft. Ausnahmsweisesageich sogarBrigitta,denn eigentlichheißtmeine SchwesterBirgit,aber Brigittafindetsie wohlklingender.Genauso sagtsiees:wohlklingender. Normalerweisenenneichsie schonausPrinzipBirgit, heuteverzichteichaber vorsorglichdarauf.Man mussnichtgleichgarstig sein. »Na,daswirdjamalZeit, dassdudichmeldest!Sag mal,wosteckstduüberhaupt, undwasistdasfüreine Nummer,vonderdu anrufst?«,poltertsiedirekt los. »Dasistkompliziert.Ich bininIstanbulundkomme erstmorgenzurück.Seiso nett,undhaltemichaufdem Laufenden.Icherzähldir dannalles.« »WirsindextraausSylt zurückgefahren.DerKurthat allesausunseremWagen rausgeholt,unddieAthene hatsichzweimalübergeben– aberdubistinIstanbul«, meckertsielos. DeralteHundhatinsneue Autogekotzt.Wäredie Situationnichtsotraurig, würdeichlachen.Dashat meinemKlugscheißer- Schwagersicherlichviel Freudebereitet.Ein vollgekotzterPorsche Cayenne. »Aberwirregelndashier natürlich.Wirsindgerade ersteingetroffen,undder KurthatschondenProfessor kommenlassen!«,redetsie weiter.»Ichrufedichan, wenneswasNeuesgibt!«, teiltsiemirnochmit. Oh,KurthatdenProfessor kommenlassen.Kurtistdas Schlimmsteanmeiner Schwester.Erweißeinfach alles,glaubterzumindest, undmeineSchwestertutes anscheinendauch.Aberegal. Siesindda,undsiekümmern sich.Familieistimmer kompliziert.Ichziehemich ausundlegemichinsBett, dasHandygriffbereitund denWeckergestellt. Gegen1:30Uhrwacheich auf.TrotzallderSorgenbin ichirgendwannanscheinend eingeschlafen. »Andi,ichbin’s,Tom!«, höreicheineStimme.Rakete istzurück.»Schlafweiter. Ichhoffe,mitdeinerMutter istallessoweitklar«,zeigt ersogarSpurenvon Empathie. AlserimBettliegt,nimmt ermichindenArm, freundschaftlichund liebevoll.Erhältmich einfachnurfest. »MeineMutteristvor zweiJahrengestorben.Ich habelangegedacht,das überlebeichnicht«,flüstert ermirzu.»Schlaf,sogutdu kannst!«,sagterdannnoch. Jederhatdochirgendwie auchwasGutes,selbstein Rakete,denkeichbeim Einschlafen,undder Gedankehatetwas Tröstliches. 5 Ichwacheauf,bevorder Weckerklingelt,undschon gehtesinmeinemKopf drunterunddrüber.Ichhabe eineneueSMS.Sieistvon Christoph. DeineMutterhatteeine ruhigeNacht.Fahrejetzt gleichwiederhin,habeaber schonmitdeinemVater gesprochen.Esscheintihr etwasbesserzugehen.Gruß, Christoph ErhatWortgehalten.Das istschön.Ichschreibezurück undbedankemich.Melde michvomFlughafenfügeich nochhinzu. EinehalbeStundespäter, ichbinimBadundmache michfertig,kommtsogar eineSMSvonmeiner Schwester:Mamagehtesden Umständenentsprechend ganzgut.Sieistwachundhat nurnochleichte Sprachstörungen,undder linkeArmwillnichtso richtig.AberdieÄrztesagen, daswird.Siefragtnachdir! Kommsobalddukannst. Kuss.Brigitta. Nunbinichdoch verwundert:Kuss.Brigitta. Dashatsielangenicht gemacht.Notschweißt zusammen.Dasssie geschriebenhat,Mamafragt nachdir,musssie Überwindunggekostethaben. Abersiehatesgetan,undes freutmich.Gleichzeitigwird mirumsobewusster,dassich nichtdabin,woichsein sollte.BeimeinerFamilie. MeinschlechtesGewissenist soriesig,dassmanes wahrscheinlichnochausdem Weltallsehenkann.Google Earthkannesbestimmt orten. DieZeitbiszurAbfahrtzum Flughafenziehtsich.Ichbin angespanntundkannnicht malmeinFrühstücksrührei genießen.IchlassedieHälfte stehen,wasnormalerweise eineErwähnungbei Wikipediawertwäre. InWindeseilehabeich gepacktundsteheschoneine ViertelstundevorAbfahrt untenamTreffpunktvorder Hotelrezeption. »HattestduetwaChips?«, fragtRaketekonsterniert,als erauscheckt. »Ja!«,gesteheich,under guckt,alshätteichHeroin ausderMinibargenommen. »Wasbekommstduvon mir?«,frageichundbin genervt. DermachthierTheater wegeneinerwinzigkleinen TüteChips. »Lassmal,daserledige ich!«,sagterineinemTon, alshätteermirgeradeauch einhochkarätiges Schraubenarmband überreicht. »Danke!«,sageich,aber nurweilessichgehört. »Daswarjetztschademit demSchlaganfalldeiner Mutter,sonsthättenwires unsheuteMorgennochmal sonettwiegesternMorgen machenkönnen!«,bedauert RaketeimTaxi. DieseAussagerelativiert alles,wasergesternNacht richtiggemachthat.Peinlich. Mussichmirsoetwas anhören? »Na,sonettwarder Morgenjadannauchnicht!«, kannichmirnicht verkneifen. »Dahatteichabereinen anderenEindruck!«,grinster undWilllacht. Hatderdenenetwaalles haarkleinerzählt?Egal,ich habenichtdieAbsicht,auch nureinenvonihnen wiederzusehen,nichtmal HorstundTini. »AndeinerPerformance solltestduarbeiten. Geschwindigkeitistbeim diesemThemanicht entscheidend–nursoals kleinerTipp!«,brichtesaus mirheraus. Erläuftknallrotan,und derRestderGruppeim Großraumtaxikichert. Wardasjetztzugemein? Ichschämemich.Daswar unnötigundverletzend, obwohlesnatürlichstimmt. Abervielleichtwaresander Zeit,dassihmmaleinedie Meinungsagt. »DankefürdieBlumen, abermitderChemie zwischenunsstehteshalt auchnichtzumBesten!Ich stehnormalerweisenichtauf Rubensfrauen!«Ring eröffnet.DerSchlaghat gesessen.Rubensfrauen!Ich magnichtsuperschlanksein, aberumRubenszugefallen, müssteichdochnocheiniges mehranRühreiernundChips verdrücken.Jetztbinich richtigbeleidigt,stelleden Schusswechselabertrotzdem ein.Dasistmirzublöd.Das habeichnichtnötig.Rakete! WasesmitdemSpitznamen inWahrheitaufsichhat, werdeichdezentbeimeinen Kolleginnenstreuen. Ansonstenkanndermich mal!Schweigenderreichen wirdenFlughafen. AuchamGateherrscht Schweigen.ConnyundEd sindzurAbwechslungnoch einbisschenshoppen,und derRestderGruppewartet. IchhabeinderZwischenzeit nochzweimalprobiert, meineSchwesteroder Christophzuerreichen,aber wahrscheinlichsindsieim Krankenhausundhabenihre Handysausgeschaltet.Wenn etwasSchlimmespassiert wäre,hättensiesich gemeldet,trösteichmich. EineAnsageamGate unterbrichtmeineGedanken. »LeideristderFlugnach Frankfurtüberbucht.Gesucht werdenPassagiere,die freiwilligaufdie AbendmaschineLH3654um neunzehnUhrfünfzehn wechseln.Wirzahleneine Entschädigungvon vierhundertEuropro Passagier.BittemeldenSie sichamSchalter.« Dasdarfjawohlnicht wahrsein.DieMaschineist überbucht.Ichkannauf keinenFallerstheuteAbend fliegen,daswäreeine Katastrophe. »VierhundertEuromal zweisindachthundert Euro!«,sagtWillzuSteffi. Phantastisch,wiederim Kopfrechnenkann! »Dasweißich!«,antwortet die,auchnichtsonderlich beeindrucktvonWills Rechenkünsten. »FürachthundertEuro bleibeichdochgernnochein Weilchenhiersitzen!So leichtverdieneichmeinGeld sonstnicht!Dasisteinprima Stundenlohn!«,versuchter seineSteffizuüberzeugen. »Hierhockenbleiben? Wiesodenndas?«,istSteffi genervt.»Duhastdochfür dieTicketsgarnichts bezahlt!Diewarendochfür lau!« »AberderRestderReise warnichtdirektfürlau!«, knurrtWillundschaut demonstrativaufSteffis Schraubenarmband. »MiristdasimEndeffekt egal.DumusstzuHause erklären,wodusteckst!«, bemerktsienurspitz. HorstundTinisind zögerlich.»Sonderlich aufregendistdieser Flughafennicht,aber achthundertEurosind natürlichnichtzuverachten«, meintHorstnurpragmatisch. »Werweiß,wassiefür BusinessClasszahlen?«, fragtsichTini. »Dubistschonimmereine klugeFraugewesen!«Mit diesenWortenerhebtsich HorstundgehtzumSchalter, umnachzufragen.»Das Doppelte!«,freutersichals erzurückkommt.»Stellteuch vor,vierhundertfür Economy,achthundertfür BusinessClass.Dasmacht tausendzweihundertEuro, undsiezahlendazunochein EssenproPerson.Meine Entscheidungistdamit gefallen–einverstanden Tini?« Sienicktundsagtnur: »TausendzweihundertEuro sindeindeutigeinsehrgutes Argument.« WillschautzuSteffi. »Mach,wasduwillst!Bin gespannt,wiedudasmit deinerFrauregelst!«,sagtsie miteinemSchulterzucken. »Daslassdannbittemal meineSorgesein!«,wehrt sichWill.»Wirbleibenmit euchhier«,trifftereine Entscheidung.»Aberdu kannstnatürlichauchjetzt mitfliegen,wenndumagst«, bieteterSteffieine Alternativean. SieschütteltdenKopf.Ich guckezuRakete. »Wäreschön,dasGeldzu haben,aberfürdichwäredas jetztungünstig,oder?«,fragt ermich. Ungünstigisteine gewaltigeUntertreibung. »Ichkanneinfachnicht«, sageich. Ichweiß,essindseine Tickets,undsomitistesauch seinGeld.Abererhatmich schließlicheingeladenund kannjawohljetztnicht verlangen,dassichhier sitzenbleibe,währendmeine MutterimKrankenhausauf michwartet.Hätteichmir dochbloßdieBemerkungim Taxiverkniffen.Jetztbinich aufseineNettigkeit angewiesen.Obwohl,imFall derFällewürdeichummein Ticketkämpfen,essteht immerhinmeinNamedrauf. »Wirfliegen!«,beschließt er,bevorichirgendwelche Betteleienstartenmuss. Ichatmeauf.Connyund LittleEd,diemitneuen TütenamGateeintreffen, sindbegeistertvonder Möglichkeit,nochein bisschenlängerhieram Flughafenzubleiben. »Mankannhierfastbesser einkaufenalsinderStadt!«, schwärmtConny.»Lassuns nochbleiben,Ed,daswäre dochlustig!Wirhabenes dochnichteilig,unddann könnenwirnochwasfürdie türkischeWirtschafttun.« Siekichert. Wennjedersovielfürdie türkischeWirtschafttun würdewieConny, beziehungsweiseihrEd,wäre dasLandfeinraus. Damitistallesklar–nur Raketeundichfliegennach Hause.Wirverabschieden unswirklichherzlich,und Connygibtmirnocheinen kleinenTippmitaufden Flug. »Dumusstlockerer werden!DieNickiwartotal entspannt,diesesKeifende findetderTomanstrengend!« Wasfüreinsagenhafter Ratschlag.Ichersparemir jeglicheBemerkung.Die anderenhaltensichdezent zurückundwünschenmirnur allesGute,vorallemauch meinerMutter.Immerhin. IchschickeChristopheine SMS.Wirboarden.Bisbald unddanke. Erantwortetprompt:Alles okayhier,gutenFlug! Ichverpennefastden gesamtenFlug,unddenRest derZeitmacheichmir Gedanken.Einesistmirklar geworden:Tomistkeine Lösung.TomistkeinMann fürmich.Malabgesehenvon seinenmangelhaften QualitätenalsLiebhaber,er liegtmireigentlichauchals Menschnicht,unddasistmit Sicherheitdas Entscheidende.Wennichihn niemehrwiedersehe,wovon ichausgehe,wirdesmir nichtsausmachen.Ichfand ihnsexy,bisichmitihmSex, oderwasauchimmereswar, hatte.AbermeinHerzhater nichterreicht,eristnoch nichtmalinseineNähe gekommen.Ichkönntemir niemalseinLeben,eine Beziehung,mitihm vorstellen,undalsAffäre taugterganzoffensichtlich nicht.Wennmanschon nichtsaußerSexmiteinander hat,dannsolltederschongut sein.Odersehrgut.Jetztist abersowiesonurmeine Mutterwichtig,sonstnichts. Ichverzichtelebenslangauf Kerle,wennmeineMamadas allesschafftundesihr wiedergutgeht,bieteich einerhöherenMachteinen Dealan.AlswirzurLandung ansetzenundichFrankfurts Skylinesehenkann,binich froh. Raketeundichsehenunserst amGepäckbandwieder.Er scheintähnlicheGedanken wieichimFlugzeuggehabt zuhaben. »Wirzweisindsehr verschieden,glaubeich.Du bisteinenetteFrau,aberum ehrlichzusein,bevordudir Hoffnungenmachst,fürmich bistdunichtdieRichtige«, erklärtermir. »Dasseheichumgekehrt genauso!«,antworteichund denke,sowiedergestrickt ist,wirderannehmen,ich sagedasnur,umnichtals Looserindazustehen. BevorichmirHoffnungen mache?Hoffnungenworauf? DasEgomussmanerstmal haben,sichsoetwasauchnur imAnsatzeinzubilden.Aber eigentlichistesmirsogar egal,waserdenkt.Esgibt einenaltenSpruch:Esmuss nichtderRichtigesein,man kannauchmitdemFalschen vielSpaßhaben.Aberselbst dafürentsprichtRakete einfachnichtmeinem Anspruchsprofil.Mein Kofferkommtzuerst. Erumarmtmichundsagt: »Gehnur,ichweiß,eseilt beidir!« »Danke«,sageich,»trotz allem,danke!« Icheilemitmeinemschicken Trolleyundmeinerneuen TascheinRichtungAusgang. Ichnehmedengrünen Ausgangundbinfastdurch, alseinZollbeamter»Halt! BleibenSiebittemal stehen!«sagt. »Ichmusswirklichweg«, bitteich,»meineMamaist imKrankenhaus,esgehtihr nichtgut!« »Dasistjaherzergreifend –aberichmöchtegerneIhr Gepäcksehen!«,bleibter komplettungerührt. »Esistechternst,keine Ausrede,sieliegtim HöchsterKlinikum!« »Ticket,Kofferund Handtaschebitte!HabenSie etwaszuverzollen?«,fragter nur,ohneweiteraufdas Krankenhaus-Thema einzugehen. »Nein,habeichnicht.Ich warjanurzweiTageweg, undrauchentuichauch nicht!«,gebeichleichtbissig Antwort. »Nochmal,dieDame– Handtasche,Kofferund Papierebitte!Ichwiederhole michnichtgern!« Ichmerke,hiergehtgar nichts.Ermachtein Steingesicht,passendzudem SteininseinerBrust,und schautmichsehrstrengan. IchknallemeineSachenauf denTisch.Erwühltin meinemTrolley.Meine Unterwäscheliegtobenauf. Peinlich.Grünundlila.Die Unterwäscheverrät,weshalb ichinIstanbulwar. »Siewarenalsoinder Türkei?«,fragter. »Ja,wiemanaufmeinem Ticketjaauchsehenkann!«, erwidereichtrotzig. Erwühltweiterinmeinem Trolleyundscheintfast enttäuscht.Dannschnappter sichmeineHandtasche. »Woistdiedennher?«, fragternurundstreichtmit derHandüberdasLeder. Ichwerdenervös.Darf manFake-Taschenkaufen? Sollteichdaszugeben? Bessernicht,sonsthabeich hierweitereDiskussionen. »Diehabeichschon ewig!«,sageichnur. »UndwoherhabenSie die?«,bleibteramBall.Mir fälltsoschnellkeinegute Antwortein. »Diehabeichmal geschenktbekommen!«, behaupteichdeshalb. »Istdieecht?«,willer wissen. »Wie–echt?«,gebeich michbegriffsstutzigund freuemichfüreinenganz kurzenMoment,dassernicht gleichsieht,dassdieTasche einFakeist. »IstdaseineHermèsTasche?«,willernunwissen. WasfüreinMann!Er kenntHermès-Taschen. »Ne,sonstständeichwohl kaumhier,sondernwäremit demPrivatflieger eingeschwebt!«,binichein bisschenpatzig. »Diesiehtmirziemlich neuaus!«,stellterdurchaus richtigfestundstreicht erneutüberdasLeder.Jetzt durchwühltermein Portemonnaie.ZumGlück habeichkeineQuittung. »Ichwilljetztwissen,wo dieseTascheherist!«,beißt ersichfest. Dagegenistjaein Rottweilereinsanfter Geselle.Errufteinen Kollegen. »Steve,bringmaldieAmy her,ichglaube,ichhabwas!« WeristdenndieAmy?Die Handtaschenfachkollegin? DaseheichRakete. »Tom!«,rufeichlauthals. Tomzucktzwar zusammen,reagiertaber nichtweiterund verschwindet,ohnesich umzudrehen,durchden grünenAusgang.Derlässt michhiereinfachstehen! Sehrritterlich!Wasfürein Idiot.Spätestensjetztwäre allesaus.Vielleichthater michnichtgehört,sucheich nochnetteineAusredefür ihn.Unwahrscheinlich.Man hatihmangesehen,dasser michsehrwohlgehörthat. »WerhatIhnendenndie Taschegeschenkt?«,willder Zollbeamtenunwissen. SabinedieLügenkönigin hättesicherlicheineschöne Geschichteparat,ich hingegenstammlerum. »Also,daswaranmeinem vierzigstenGeburtstagundes war…also,eswarmein Ex!«,behaupteichund merke,wiemirdieRöteins Gesichtschießt. »Dasistjanunschonein bisschenhermitdem Geburtstag!«,bemerktder Beamte,undichfinde,den Kommentarhätteersich definitivsparenkönnen. Zollkontrolleistdaseine, persönlicheDemütigungdas andere. »Dankefürdas Kompliment!«,kannichmir deshalbauchnicht verkneifen. »IchhabeIhrenPassund sehe,wiealtSiesind«, konterter. Stimmt,dashatteichnicht bedacht. »Wielangedauertesdenn, bisIhreKolleginhierist?Ich willnichtdrängeln,odernur einbisschen–aberwieschon erwähnt,liegtmeineMutter imKrankenhausundwartet aufmich!« »Esdauertsolange,wiees ebendauert!«,stellternur fest. IchseheaufmeineUhr. SeitgutzwanzigMinuten werdeichhierfestgehalten. Wieeine Schwerverbrecherin!Inmir rebelliertes.Gäbeesnicht WichtigeresfürdieHerren zutun?Müsstendiesich nichteherum Drogenschmuggler kümmern?Darum,dassder NachschubfürmeinenSohn knappwird?Stattdessen machendieeinriesiges GeweseumeineHandtasche. Lächerlich.Ichwürdegenau dassehrgernesagen,bin abervernünftiggenug,eszu lassen. »Dakommensie!Amy,ja hallo!«,begrüßtder Zollbeamtedie»Kollegin«. EinesehrhaarigeKollegin. AmyisteinSchäferhund,der denBeamtenignoriert,sich stattdessenvoller Begeisterungaufmeine Taschestürzt.Nicht ansabbernoderreinbeißen, willichschreien.Gleich schneidendiemirnochdas FutterausderTasche,weil diedenken,ichseieine Drogenschmugglerin. »IstderHundein Drogensuchhund?«,frageich entsetzt. Hoffentlichistdanichtsin meinerTasche.Manhörtja immerwiederGeschichten vonSchmugglern,diegar nichtwussten,dasssie Drogengeschmuggelthaben, undalsKurieremissbraucht wurden.Hatmichderkleine, schmierige,fieseHakan ausgetrickst. »IchkannaufkeinenFall wasdafür!«,entscheideich mich,jetztdochbessermal dieWahrheitzusagen. »IchhabedieTascheauf einemBasargekauft,in Istanbul,undwennda Drogendrinsind,dannohne meinWissen.Dawaren HakanunddieserAhmed. Diehabenmichreingelegt. Hakanhatgleichkeinen gutenEindruckaufmich gemacht.Ichhabemit DrogennichtsamHut!«, beteureich. »DieTascheistalsonicht vonIhremEx,sondernneu undvomBasar?«,sagtder Beamtenur. »Ja,schon,aberwie gesagt,Drogenundsosind garnichtmeins.Ichhasse Drogen!«,fügeichmit Inbrunsthinzu. Ichsehedochnichtaus wieeinDrogenkurier. »WashabenSiefürdie Taschebezahlt?«,willder Beamtedannwissen. Ichentschließemich,die Wahrheitzusagen: »Fünfhundertfünfundsiebzig Euro!Dadenktmandoch nicht,dassdieeinemzum DankauchnochDrogen unterjubeln!«,antworteich. Ichgehedochnichtfür HakanindenKnast. »WiesoDrogen?Ich meine,esistschön,aberauch eigentlichnichtweiter erwähnenswert,dassSie nichtsmitDrogenzutun haben–Amyistkein Drogensuchhund,Amyist aufEchsenabgerichtet. ExotischeTiere.Undso,wie siehierreagiert,istklar:Das isteineechtePythontasche! Unddasistverboten.Die EinfuhrvonWarenimWert vonübervierhundertdreißig Euroistübrigensauch verboten.Dawirdeiniges fällig!« SoeinMist.Jetzthabeich michmitmeinerEhrlichkeit selbstansMessergeliefert. Soblödmussmanaucherst malsein. »DaswirdSieeiniges kosten,nichtnurdie Tasche!«,konstatiertder Zollbeamte.Amydarfwieder gehenundbekommtein Leckerchen. »Aberichwusstedasnicht –wederdasmitdemGeld, nochdassdasechteSchlange ist!Ehrlichnicht!Sonsthätte ichdasnichtgemacht«, werfeichmichjetztverbalin denStaub.»Dasistdochkein Schwerverbrechen,dafür könnenSiemirdochnicht dieTaschewegnehmen!«, bettleich. »IchzahledieStrafe,aber eigentlichistesvoll gemein!«,versucheicheine neueTaktik. »HerrGrenzer,wasist dennhierdasProblem?«, fragtdaeineStimmehinter mir. Ichdrehemichumundbin überrascht.MisterCrocs.Der Grillmeisterstehtvormir. Allerdingserkenneichihn erstaufdenzweitenBlick.Er trägtAnzugundsieht ziemlichseriösaus,anden FüßenkeineCrocs. »FrauSchnidt,Andrea! Na,dasistjaeine Überraschung!«,begrüßter mich. Ja,dasistdefinitiveine Überraschung,allerdings ehereinepeinliche Überraschungfürmich.Was solldieserMannvonmir denken?DerSohn–ein kotzenderKiffer,dieMutter –einekriminelle Schmugglerin,dagegensind seineCrocsjaeineLappalie. Ichlaufeschonwieder knallrotan. »Ach,hallo!Hallo,Paul! IchhabeeinkleinesProblem mitmeinerneuenTasche«, versucheicheineErklärung. »HerrGrenzer,istdas wirklichsooschlimm?«, fragtdaPaul. EinenZollbeamtenHerr Grenzerzunennen,ist reichlichkeck,aberderso Genanntescheintsichzu freuen,Paulzusehen. »AchSiehier,dasistja toll!Dakannichmichnoch malbedanken!Siehabenuns sogeholfen!«,klingtmein Beamteraufeinmalum Klassenfreundlicher. Wiesobedanktdersichbei Paul?Hatderihmdurch seinenHornhauthobelein neuesFußgefühlverschafft? IstFußpflegetatsächlicheine sogroßeSache,dassman sichnebendemBezahlen auchnochzigMalbedanken muss?Sehrseltsam. »Schongut,ichbinselbst froh,dassallesso glattgelaufenist!«,sagtPaul undwinktab. »SindSieeinBekannter vonderhier?«,erkundigt sichHerrGrenzerda. Vonderhier!Wasistdas eigentlichfüreinTon! »Ja,wirsindFreunde. Gell,Andrea!«,strahltmich derCrocs-MannohneCrocs an. Freunde?Dasistansich einwenigübertrieben. Bekannteistschongewagt. Wirhabenunsmal kennengelernt,beieinem Schrebergartenfestwäre richtig.Aberwerweiß,was esnützt–dabinichim Zweifelsfallauchgerneeine Crocs-Mann-Freundin. »Ja!«,sageichund versuche,überzeugendzu klingen. »Naja,eigentlichistdas einDelikt–eigentlich.Da kämeeinigeszusammen.Die DifferenzzurechtenTasche, dieStrafewegendes Materials,eineAnzeige wegenSteuerhinterziehung. Aberwirhabenhierjaeinen gewissen Ermessensspielraum,unddie Damescheintmirjaauch reumütig.UndfürSiewürde ichselbstverständlicheiniges tun–alsosoweitesin meinemErmessensspielraum stehtnatürlichnur!« »Daswärejaunglaublich nett!«,freutsichPaul. »Alsoja,daswäreschön! Ichhabeesauchwirklich nichtmitAbsichtgemacht!«, schleimeichnocheinwenig. »Dasmacheichnichtfür Sie,sondernnurfürihn! Damitdasklarist!Undich habeSiehiermitverwarnt. NehmenSieIhreTasche, zahlenSiedieDifferenzzu denvierhundertdreißigEuro, undgutist.« ErlässtmirdieTasche! Immerhin.DieDifferenzsind allerdingsnochmal 145Euro.WasdenWertder Taschedannaufimmense 720Eurohochschraubt. Trotzdem–besseralsdie Alternativen.Alleindie Vorstellung,dieDifferenz zurechtenHermès-KrokoBagzuzahlen!Washatte Connygesagt:über 10000Euro?Dahätteich hierdenGegenwertzueinem Kleinwagengelassen.Was füreineHorrorvision. »Danke!«,sageichundbin kurzdavor,HerrnGrenzerin meinerBegeisterungzu umarmen.Ebennochwarich miteinemBeinimKnast, undjetztdarfichfür 145Eurogehen. »Danke,Paul!«,sageich dannnoch.Ernimmtmich amArmundsteuertmitmir aufdieZollkassezu.Ichhabe keine145Euromehr,geht mirdaauf.Paulspringtein undleihtmirdasGeld.Dann dürfenwirgehen.Durchden grünenAusgang! »Daswarirrenettvondir! DasGeldbekommstdu natürlichbaldwieder«, bedankeichmicherneut. »Wokamstdudennauf einmalher?Wasmachstdu dennhieramFlughafen?«, willichnochwissen. »IchkommeausFlorida«, sagter. Florida–ichbin beeindruckt.Verdientmanso vielalsFußpfleger? »Ichwaraufeinem Kongress–Füße,nichtsals Füße,inallenerdenklichen Formen!«,erlacht. IchhabediesenBeruf unterschätzt.Ichhätte niemalsfürmöglich gehalten,dassmanals FußpflegeraufKongresse nachFloridafliegt.Manlernt wirklichnieaus. »Jetzthabeichmirein gemeinsamesGlasWeinaber ehrlichverdient!«,grinster michan. »WeinundEssen– Vorspeise,Nachspeise,alles inklusive,wasimmerdu willst!«,betoneich. Erhatessichwirklich verdient.Ohneihnhätteich keineTascheundimZweifel auchnocheineordentliche Strafegezahlt. »Allesinklusive,was immerichwill–dashört sichabersehrgutan!«,lacht er. Erlachtviel.Dasmagich. Undjetzt,woichZeithabe, ihngenauerzubetrachten, mussichsagen,soohne CrocsundimAnzugsiehter richtiggutaus.Männlich. Großundkräftig. »Wann,Andrea?Ichlasse michhiernichtsoabspeisen –ohnefesteVerabredung undzwarmöglichstbald, wirstdumichnichtlos!«, betonterdannnoch. Ichüberlege:»Entweder heuteAbendspontan,aber dasmussichsehen–meine MamaistimKrankenhaus, undichweißnochnichts Genaues.Odermorgen.« »Ichbinda.Heuteistes fürmichbesseralsmorgen, aberfürdichkanniches auchmorgenmöglich machen!«,freutersich sichtlich. »DusuchsteinRestaurant aus,undichmeldemich später!«,versprecheich.»Ich mussjetztganzschnellzu meinerMama!« »GuteBesserungfürsie undbisspäter!«, verabschiedetersich. »Brauchstdueine Mitfahrgelegenheit?«,fragt ernoch. »Nein,ichhabemeinAuto hier.Allesgut!Dankefürdas Angebot!« Ja,eristFußpfleger,aber wassoll’s.Ermachteinen wirklichgutenEindruck.Er istaufmerksam,under scheintmichgutzufinden. ZweiDinge,diesehrfürihn sprechen.Ichfreuemich,ihn baldwiederzusehen.Da habenwires:EineTürgeht zuundeineandereauf… Ichentschließemich,direkt insKrankenhauszufahren. Vonunterwegsrufeich Christophan. Anrufbeantworter. »Binineinerhalben Stundeda!«,sprecheich drauf. Ichhoffesosehr,dasses meinerMutter,den Umständenentsprechend, gutgeht.Wiesoausgerechnet meineMutterals Nichtraucherinundaktive PersoneinenSchlaganfall bekommt,istmirrätselhaft. AberKrankheitenund Schicksalsschlägefragen nichtnachGerechtigkeit.Sie sindnichtfair. Innerhalbvonzwanzig MinutenbinichamHöchster Klinikumundparke.Auf welcherStationmeine Mutterliegt,weißichnicht. WirdwohldieNeurologie sein.IchhastezumEmpfang. »Ichwillzumeiner Mama!«,sprudeltesausmir heraus. »Ischaachamliebste!«, antwortetderPförtnerund lächeltmichan.»Wieheißt denndieMama?Dasmuss ichwissen,sindjaeinpaar hierbeiuns!« Nachdemwirdie Personaliengeklärthaben, schicktermichzurStroke Unit,einerspeziellenStation zurErstbehandlungvon Schlaganfällen. »Deshamnetalle Kliniken!«,betontervoller Stolz.»UnguteBesserung fördieMama!« EinwenigNettigkeit machtdasLebenwirklich leichter.MitbangemHerzen fahreichmitdemFahrstuhl indiezweiteEtage. Zimmer203.Ichklopfe. »Herein!«,höreichdie StimmemeinerSchwester. »Andrea!Gut,dassduda bist!«,begrüßtsiemichso freundlichwielangenicht. MeineMamasiehtelend aus.Schwachundzart.Viel zarter,alsichsiein Erinnerunghabe.Blassund geschwächt. »Mama!OmeinGott,was füreinSchrecken!«,sageich undbeugemichzuihr. »Hallo,meinSchatz!«, sagtsieundnuscheltdabei einwenig.AuchihreStimme istvielzarter,vielweniger bestimmtalssonst.Fast sehneichmichdanach,dass siemirebenmal,aufihre üblicheruppigeArt,sagt,wo eslanggeht. »WoistdennPapa?«, frageichunddrückeihr einenKussaufdieStirn. »DerredetmitdemArzt. KurtundChristophsindbei ihm.« »Esgehtmirschon besser«,beruhigtmichmeine Mutter,obwohlesdoch umgekehrtseinsollte. Ichkönntealleinbeiihrem Anblickdirektlosheulen. »Essiehtbisherallesganz gutaus.Dashabenwir Christophzuverdanken–der hatdaraufbestanden,dasssie hierherkommt,ineine KlinikmitStrokeUnit.Der haterkannt,dassessichum einenSchlaganfallhandelt. Ichbinechtfroh,dass Christophdawar!«,seufzt meineSchwester. »Ischauch!«,nicktmeine Mutter.DieCh-Lautehören sichirgendwieverwischtan, klingenwieSch.Wenndas allesist,denkeich,Rudi redetimmerso. »Papawolltegarkeinen KrankenwagenoderNotarzt rufen,derdachte,eswäreein kleinerSchwächeanfallnach demGolfspielen,vonder Hitze.« Ichdenke,Männerwollen einfachnicht,dassihre starkenFrauenkranksind. Dieignorierendas.Fürsieist esdieRollederFrauen,sich zusorgenundzukümmern. »Wiefühlstdudich, Mama?«,frageichundsetze michaufdieBettkante. »Esgeht.Ichbinnoch ganzverwirrt,allesgingso schnell!«,antwortetsie langsam.Siesprichtauchein bisschenverzögert.»Das Redenistdoof,undischkann meinenArmnichtrischtig bewegen–dasistkomisch«, bemerktsienoch. Sieistsogarnicht jammerig,mussich bewunderndfeststellen. »Siemusswahrscheinlich indieRehaundzur Krankengymnastik,aberweil siesoschnellhierwar,wird dasalleswieder,meinen jedenfallsdieÄrzte«,erklärt mirBirgit.»Undjetzterzähle dumal!Wowarstdu,in Istanbul?Echtjetzt?«,will Birgitdannwissen. »Ischtanbul?«,wiederholt meineMutter,undichmuss fastgleichzeitigweinenund lachen. »Ja,ichwarzweiTagein Istanbul,mitBekannten.« Dasistjanichtgelogen. Bekanntesindesjajetzt. »Wiesodenndas?«,hakt meineneugierigeSchwester nach. »Einfachmalso–damuss manjakeinenspeziellen Grundhaben.Ichwolltemal raus,unddahatsichdie Gelegenheitergeben,undda binichmitgefahren.« Auchdasistnichtgelogen. »Woisteigentlich Stefan?«,lenkeichdas Gesprächsicherheitshalber malaufandereBahnen. »Derkommtmorgen wieder.Derwarbisvoreiner halbenStundeda.Ermuss nochirgendwenirgendwo abholen.Einewirre Geschichte,typischStefan halt!«,klärtmichBirgitauf. UnserkleinerBruderist manchmaleinwenigverpeilt. BevordieIstanbulAusfragereiweitergehen kann,kommenzumGlück dieMännerzurück.Ich umarmemeinenVaterund Christoph,unddaich irgendwiemildegestimmt bin,sogarmeinenSchwager Kurt. »Essiehtallesganzgut aus,ichkanndirdieDetails zuHauseerklären!«, informiertmichChristoph. Christophliebtmeine Mama.Seitseinegestorben ist,fastnochmehr.Und irgendwieliebeichChristoph auch–undfürdas,waser jetztfürmeineMamagetan hat,fastnochmehr.Meine Schwesterundmein Schwagerverabschieden sich. »Atheneistnocheinwenig blümerantvonderFahrt. Nicht,dassdienochimHaus einMalheurchenhat!«, begründetmeinSchwager ihrenAufbruch. AlleindieserSatz– blümerantundMalheurchen –machenmirwiederklar, wasmichanmeinem Schwagersonervt. »Fahrtnur!Ichbleibeja jetzt,binjageradeerst gekommen«,sageich.»Du ruhigauch,Papa!Ichhabe nichtsvor,undRudiistzu HausebeidenKindern!« Diedreigehen,meinVater willallerdingsinzwei Stundenwiederhiersein. Christophundichbleiben zurück. »Wirsolltennochmalreden! GanzinRuhe.Ichhabeviel nachgedacht,alsduweg warst!«,sagtChristophleise undgucktmichan.Mit einemBlick,denichvon früherkenne.Liebevoll. Liebend. »Ja!«,antworteich.»Wir warendoof.Wirsollten wirklichreden.Anders reden.« Ernicktundwirkt,als würdeihnmeineAntwort freuen. »MorgenAbend,beieinem GlasWein?«,schlägtervor. »Odergleichjetzt,wennwir zudenKindernfahren?Zu Hause.« ErhatzuHausegesagt. UnserHausistalsoimmer nochseinZuhause.Wardas einVersehen,alte Gewohnheit,odereineArt versteckteBotschaft?Schaffe ichdasheutenoch?Undwie macheichdasdannmitFußPaul?Irgendwiewerdeich dasschonregeln. MeineMuttergähnt,»Isch binmüde.Dauerndmüde.« Ichstreichlesieein bisschen,undnacheiner Weileschläftsietatsächlich ein.Christopherzähltmir, wasderArztgesagthat. »Diesindguthier,dakann mannichtmeckern.Aber deineMuttermussaufjeden FalleinpaarTagebleiben, ersthierunddannaufder Neurologiestation.Unddann indieReha.Abersiehaben gesagt,wirsindrechtzeitig hiergewesen.Alleswird wiederwerden.« »Hastdunochmalmit Markgesprochen?«,willich wissen. »Ja,habeich.Abererist bockig.Richtigpubertär.Wir müssenmehraufihnachten. Wirhabenihneinbisschen ausdenAugenverloren.« Daistwasdran.Klarhabe ichmichumseine Primärbedürfnisse gekümmert.Essen,trinken, Wäsche,aberwasinihmso vorgehtundwasihn umtreibt,weißichzurzeit nicht. »ErbrauchtseinenVater! Ichkommemomentannicht gutanihnran!« Christophverspricht,sich mehrumMarkzukümmern. »AberClaudiahatneue Pläne.Siewillstudieren.« Wow,dasgingjaschnell! EbennochaufdemWegzur AdelsgattinimTwinsetund jetztStudentin. »ImAuslandam liebsten!«,stöhntChristoph. »Daswirdunsordentlichwas kosten.« »Malabwarten,dieändert ihreMeinungjasehr schnell!«,antworteichund freuemichtrotzdemüberden Sinneswandelmeiner Tochter. NacheinergutenStunde brechenwirauf.Meine Mutterschläftundsieht entspannteraus.IhrGesicht istwirktganzweich.Ich streicheihrsanftüberden Kopfundwirgehen. AufdemWegzum Parkplatzfragtmich Christopherstmalsnach meinerIstanbulreise. »Waresschönfürdich?«, erkundigtersich. »Jaundnein.Alsodie Stadtistnichtsomeine,und dieGesellschaftwarsolala. Ichhatteschonschönere Wochenenden!«,antworte ichundverratedamitnicht wirklichetwas. »Tja,Pariswarauch anders,alsichesmir vorgestellthatte«,gestehter da.»Warenwirdamalsauch ingefühlten vierhundertachtundsiebzig Geschäften?«,stöhnterauf. SeineSarahMariescheint eineSeelenverwandtevon Connyzusein. »Nein,daswarenwir nicht.Wirhattenjagarnicht dasGeld.Wirwareninden ParksundCafés«,erinnere ichmich. »Eswarromantisch damals«,bemerktChristoph. Ja,daswares.Wirhatten esschöninParis. Wunderschön.Stattzu antworten,drückeichihm einenKussaufdieWange. Waspassiertdagerademit uns? »Ichvermissedich!«, kommtesdavonChristoph. »AberwasistmitSarah Marie?«,binichnundoch verwundert.Ebennoch wolltensiezusammenziehen, undjetztvermisstermich? »Ichweißesnicht,Andrea. IchweißimMomentgar nichts.IchhabeSarahMarie gern,aberdasgehtallesso schnell,undmanchmalgeht esmirzuschnell.« Dahabenwirwas gemeinsam,denkeich.Ich weißauchgarnicht,wasich imMomentwill.Jetzt,eben undhier,fühltessichsoan, alswürdenwireinfach zueinandergehören.Aber wennichnurfünfMinuten nachdenke,würdenmir sicherlichmassenweise Gründeeinfallen,warumwir ebennichtmehrzusammen sind. »Ichweißauchnicht genau,wasichwill!Aberich weiß,dassdas,waswirin denletztenJahrenhatten, nichtdasist,wasichwill«, antworteich. WirsindanmeinemAuto angekommen. »Wirsehenunsgleichzu Hause«,verabschiedeich meinenEx. Daswareinemerkwürdige Begegnung.Istdasein SchrittinRichtung Versöhnung?Oderhabendie Umstände,meinekranke Mama,unssentimental gestimmt? Rudiistganzaufgeregt,als wirzuHauseankommen. »Ei,geht’sdeinäMuddi besser?«,fragter. Icherzähleihmalles,und eristeinwenigberuhigt. »Washierallesloswar!«, beginnter,mireinUpdate derhäuslichenSituationzu geben. »DieklaaMausisfast dörschgedrehtweschendem Handy.UndeGustav Johanneswarhier,unsiehat vielleischtrumgeschrie,un danniserwutentbranntaus emHausgestörmt.Unmitde Irene…« Erkannnichtweiterreden, denndastehtdie»klaa Maus«auchschonvoruns. Siesiehtallerdingsweniger wieeinekleineMaus, sondernwieeineFurieaus undverhältsichauchso. »Sagmal,geht’snoch?Du haustmitmeinemHandyab undlässtmichhier abgeschnittenvonallem sitzen?«,begrüßtsiemich. »Hallo,Mama.Schön,dass duwiederdabist!«,mache ichihreinen Alternativvorschlag. »Hallo«,knurrtsie. »Daswardochkeine Absicht,undfürmichwares mindestensgenausoblödwie fürdich!«,gebeichihrzu bedenken. »Woistes!«,fauchtsie nur. IchkramedasHandyraus undverlangeimTausch meinszurück. »Ichwillgarnichtszuden komischenSMSensagen,die dudabekommenhast!«, bemerktsie,währendsieihr Handyschnappt. »Danke,dassdumeine Privatsphärerespektiert hast!«,antworteichspitz, ohnenäheraufdie Nachrichteneinzugehen. Sollsiedochdenken,was siewill. »Seitwanngibtesin dieserFamilie Privatsphäre?«,kontertsie. »Ichjedenfallshabenicht indeinemHandy rumgeschnüffelt!«,werdeich nunlangsamauchsauer. »Undweristbitteschön Paul,undwiesowarstdugar nichtbeimWellness?«,geht dieFragereiinanklagendem Tonweiter. Ichverbittemirsowohl denTonalsauchdieFragen. DannfälltClaudiasBlick aufmeineTascheundsie kreischt. »Seitwannhastdueine BirkinBag?Dasistjawohl derHammer!Kannichdie malfürdieSchulenehmen?« IhrTonfallistgleichum einigeNuancenfreundlicher. Miteiner720-Euro-Taschein dieSchule!Ha,dasistjader WitzderWoche. »Ichdenkeehernicht«, mildereichdieAntwortab. Ichhätteauchsagenkönnen: Spinnstdueigentlich komplett! »Eineganzähnlichehat dieMuttervomGustav–in Beige.Aberdeineistnoch geiler!«,begeistertsiesich. MeineTochterscheintsichin Taschenfragenbesser auszukennenalsich. »Ichwilljetzterstmal auspacken,unddannsehen wirweiter!«,entscheideich. Christoph,mittlerweile auchangekommen,will wissen,obwirihnheutenoch brauchen.Ichschüttleden Kopf. »Nein,allesgut.Rudiist da,undichbinjaauchda. Gehruhig!« »Sehenwirunsmorgen Abend?AufeinenWein?«, kommtesnochzögerlichvon ihm. »Ja,ichrufedichan.Ich mussnocheinbisschen planen,aberichdenke,das klappt.Bismorgen!«, verabschiedeichmeinen Noch-Ehemann.Wasfürein Wochenende!Ichbrauche dringendeinehalbeStunde nurfürmich. RudisitztmitMarkund seinerIrenebeimKaffeeim Wohnzimmer.Ichdrücke meinemSohneinendicken SchmatzeraufdieWange. »Schön,dichzusehen!«, sageich,undzumeinem Erstaunenküsstermich ebenfalls. »Hallo,Mama!Gut,dass esderOmabessergeht!«, sagternur. KeineVorwürfeundkeine Fragen.Vielleichtauchnur keinInteresse? »Hattestdueinschönes Wochenende?«,fragtIrene höflich. »Tja«,sageichnur,»wenn ichdasmalsogenauwüsste. Aufregendwares.Schön–da binichnochunentschieden.« Sieschauterstaunt.Kein WunderbeiderAntwort. »Ichgeherstmalhoch zumAuspacken!Ichnehme mireinenKaffeemitrauf. Ichmussmaleinbisschen runterkommen–daswarviel Aufregungmitmeiner Mutterundso!«,informiere ichdieFamilieundziehe michzurück. IchwerfemichaufsBett undliegefünfMinuten einfachnurrum.Dannnehme ichmirmeinHandyvor.Paul hatgeschrieben.Alleindie Tatsachefreutmich. Hoffe,DeinerMuttergeht esbesser!Wiesiehtesmit meinemAlles-inklusiveAbendessenaus?Habeschon einRestaurantausgesucht. GrußvonDeinem Lieblingszöllner. ErhatHumor.Underhat DeinerundDeinemgroß geschrieben.Nochzwei Pluspunktefürihn.Schaffe ichdasheuteAbendnoch? Ichfühlemichabgekämpft undmüde.Aberbinichihm nichtzumindestdas schuldig?Malabgesehenvon den145Euro.MorgenAbend habeichjaquasiChristoph versprochen.AbereinMann wieerwirddochverstehen, dassichmitalldemKummer rundummeineMutternicht inAusgehlaunebin.Esist kurznachfünfUhr,undbis zumAbendmüssteichja wiedereinigermaßenaufden Beinensein.Einerseits. Andererseitswürdeichihn lieberinbessererStimmung treffen.Ichschreibeihm zurück:Freuemich!Sehr gerne,aberichbinso bekümmertwegenmeiner Mutter.Siehatteeinen Schlaganfall,deshalbwäre jederAbendabÜbermorgen wunderbar.Natürlichim RestaurantDeinerWahl! Undnatürlichbezahleich. GrußvonDeiner Kriminellen! Ichnutzedieverbleibende Zeit,umerstmal auszupackenunddann ausgiebigzuduschen.Schon fühleichmichbesser.Bevor ichinsBettgehe,werdeich aufalleFällenochbei meinerMamavorbeifahren, beschließeich. Alsichzurückins Wohnzimmerkomme,ist Irenegegangen.Rudisitztim Sesselundblättertineiner Kochzeitschrift. »Na,wiegeht’smitIrene unddir?«,erkundigeich mich. »Setzdichdocherstmal!«, fordertmichRudiauf.»Mir habbeeinigesklärekönne, zumGlück!Desmitdem ganze,naja,duweißtschon, Gedöns,deswargarnetdes, wassewerklischwill.Siehat mehrsogedacht,desisdes, wasdieMännerheut verlange.Undawolltsenet altmodischwirke,und desdeweschehatsedes gemacht.Siehathalt gemeint,desgehörtdazu, undsiehatsichsoausde Übunggefühlt.Alldeshatse mirheutgebeichtet.« Dasiehtmanesmal.Das ganzeLebenkanneingroßes Missverständnissein. »Dumusstsiealsonicht mehranketten!«,grinseich meinenSchwiegervateran. »AuchkeinePuschelöhrchen mehr?« »Ne,dademitsinmer dörsch.Unmitdemannern Themaauch.Siehat eingesehe,deseszufrühis zumZusammeziehe,undess desjasoaachjedeMenge Vorteileförsiehat.Undie Öhrschekannstdeför Faschingham.« IchfreuemichfürRudi. UndfürIrene.Undnatürlich auchfürmich.SobleibtRudi miraufalleFällenocheine Weileerhalten. »Schön,dasistdochmal eineechtguteNachricht!«, sageichundküssemeinen Schwiegervateraufdie Wange.»BistduheuteAbend hier?«,frageichdann. »Ja,wieso?«,willer wissen. »Ichbinirgendwiebesorgt wegenmeinerMama.Das lässtmirkeineRuhe,ich würdegernenochmalbeiihr aufderStation vorbeischauen.Abernur, wennesdirnichts ausmacht«,schiebeich schnellhinterher.»Ichwill nurschauen,obesihr,den Umständenentsprechend, gutgeht.« »DesisgarkaanProblem, Andrea.Ichmachden KinnernunmirwasLeckeres zuesse,undannguckich Tatort.Ichwolltehnetfort heut!Sachihrganzliebe Grüßevonmir«,zeigtersich malwiedervonseiner hilfsbereitenSeite. EineStundespäterantwortet Fuß-Paul.»FürdieFrau Mamasteheichgernezurück –keinProblem.Ichdrücke dieDaumen!Nehmedann denDonnerstagundfreue michsehr,endlichmalmit einerKriminellen auszugehen!Aufregend! GrußvonPaul,dem Zollflüsterer!« Danke,istalles,wasich antworte. DannhabeichendlichZeit undRuheundkannausgiebig mitSabinetelefonieren.Sie willeinenhaarkleinen BerichtüberjedesIstanbulDetail.Dassmeine»Rakete« einesolcheFehlzündung hatte,bedauertsie. »Schade,ichhättedirmal richtigheißenSexgegönnt! Aberdusiehstja,diekochen allenurmitWasser.Der Nächstewirdbesser–ich habedasimGefühl.Den WorstCasehastdujajetzt erlebt.Dakannesnurnoch aufwärtsgehen.« Icherzähleihrvon Christoph.Vonmeinen konfusenGedanken. »Eristkeinschlechter Kerl–duweißt,ichmagihn. Aberobsichmiteuch wirklichwasändert,dahabe ichschonZweifel«, kommentiertsiedieLage. Diehabeichebenauch, sonstwärejaallesganz einfach.Christophundich habeneineVergangenheit, dasverbindetnunmal.Eine Vergangenheit,die unglaublichvieleschöne Momentebeinhaltet.Aber brauchtesnichtmehr?Neue schöneMomente?Dasheute imParkhaushattewasdavon. MeineFuß-Paule-Geschichte amüsiertSabine. »Derhörtsichdochkernig an,underhatdirzurSeite gestanden.Probierihnaus!«, rätsiemir.Meinenlatenten Fußpflegerdünkelfindetsie albern. »Ichhabegarnichtsgegen denBerufansich«,versuche ich,michzurechtfertigen, »esgehtmireherdarum, dassesfüreinenMannein seltsamerBerufist.« »Maklerfindeich wesentlichfieser!«,bemerkt sienurtrocken. Sabineistmanchmaleine weiseFrau. »Außerdemhättestdu immerperfekteFüßefürnull Euro!«,ergänztsienochund lacht. ZweiStundenspätersitzeich wiederimAuto,aufdem WeginsKrankenhaus.Drei kurzeTageinmeinemLeben, undallesscheintmirvöllig anderszuseinalsnochvor diesendreiTagen.Ichbin richtiggehendaufgewühlt. MeinDatewareinemittlere Katastrophe,aberdaraushat sicheinneuesDateergeben. MeinExundNoch-Mannist nachdenklichgewordenund zeigtsoetwaswiezaghaftes Interesse.Unddanndasmit meinerMutter.DieWelt kannsichschnelländern. Mamaistwach,undmein Vaterliegtdichtnebenihrim schmalenBett.Dasrührt mich.ErhältihreHand,und alsichdasZimmerbetrete, lässtersielos,fastso,als hätteichihnbeietwas Unanständigemertappt.Süß. Dashätteichspätergerne auch.Jemand,dermirin einersolchenSituationdie Handhält.Klarkannman vielesauchallein.Auch Sabinewürdemirsicherlich dieHandhalten,aber dasselbeistesebendoch nicht. »Istirgendwaspassiert?«, fragtmichmeinVater verunsichert. »Nein,nein,bisaufdas mitMamaistallesimLot. Ichwolltenurunbedingt nochmalnachihrschauen«, erkläreichmeinKommen. »Achso,dannistesjagut. Setzdich,Schätzchen,nimm dirwaszutrinken,wenndu magst«,antwortetmein Vater. Erwillaufstehenundsich aufdenzweiten Besucherstuhlsetzen,aber ichfordereihnauf,zu bleiben,woerist. »Körperkontakttutihrgut, sagendieÄrzte!«, rechtfertigtersein Rumliegen. »Körperkontakttutimmer gut!Naja,fastimmer!«, relativiereichmeine Aussage,dennichmusskurz andenKörpervonRakete denken. Ichbleibeeine Dreiviertelstundeunderzähle einwenigvonIstanbul.Die Rakete-Detailslasseich natürlichweg.MeinVater erklärtmir,dasserabends immerbleibt,bisMama schläft,undmorgensdannab siebenUhrwiederhierist. SeitlangerZeitredeich malwiedermehralsnurzwei SätzemitmeinemVater. Normalerweiseistmeine MutterdieWortführerin, meinVaternicktabundan oderzucktmitdenSchultern. JetztabersinddieRollen anders.MeinVaterwirkt auchganzanders. Entschlosseneralssonst.Da siehtmanmal,Männer könnenauchanders. Manchmalmüssensie einfachnurdazugezwungen werden,auchwennesin diesemFallsehrunschöne Umständesind. »Wirgehenzusammenin dieReha–dasucheichwas richtigSchönesmitderErika zusammenraus,gell«,sagter undstreichtmeinerMutter zartüberdenArm. Hierwerdeichheute Abendnichtmehrgebraucht, denkeich,undesfreutmich. MeineElternhattenviele HöhenundTiefen,dashier sieht,trotzdestraurigen Anlasses,nachHöheaus. Mussmanebenauchdie Tiefenaushalten,umdie Höhenerlebenzukönnen. VordemKlinikumsetzeich michaufeinMäuerchenum kurzinnezuhalten.Esistein schöner,lauerSommerabend, immernochwarm. »VerfolgenSiemich?«, töntdaeineStimmehinter mir.Alsichmichumdrehe, stehtFuß-Paulevormir. Wasmachtderdennhier? Stalktdermich? »Hallo«,sageichundbin nichtsicher,obichmich freuensoll. »Wasmachstdudenn hier?«,willichwissen,schon umdenStalking-Gedanken ausmeinemKopfzu bekommen. »IchhabefürheuteAbend einenKorbbekommen,von einersehrnettenFrau,und habebeschlossen,danneben nocheinwenigzuarbeiten!«, antworteter. Arbeiten?Im Krankenhaus?Ichversuche, keinzudoofesGesichtzu machen.Dannfälltmirein– sowieesmobileFriseure fürsKrankenhausgibt,gibt esgarantiertauchmobile Fußpflege.Beidem,wasman damanchmalunter Bettdeckenhervorblitzen sieht,eigentlicheinesehr guteErfindung.Ichwillgar nichtimDetaildarandenken, wasderArmedaabundan zusehenbekommt. »Wiegehtesdeiner Mutter?AufwelcherStation liegtsie?WieheißtderArzt, derfürsiezuständigist?«, stelltermirmehrereFragen aufeinmal. »Esgehtihr,glaubeich, ganzgut,soweitichdas beurteilenkann.Sieistauf dieserStroke-UnitAbteilung,fürdie SchlaganfallSofortversorgung«,fügeich erklärendhinzu.»DenArzt habeichnochnicht getroffen«,ergänzeich. »Dahabeichauchschon malgearbeitet.Inmeiner Ausbildungszeit!«,bemerkt er.»Hörmal,Andrea,wollen wirjetztnichteinfach spontannochirgendwoeinen Weintrinkengehen?Dieser Zufallsolltedochnicht ungenutztverstreichen, oder?« Erhatrecht.Jetztneinzu sagen,wäreblöd.Ichbingar nichtordentlich zurechtgemacht,dämmertes mirda.Keine Spezialunterwäsche,einfach nurJeansundT-Shirt.Und auchkeineSuper-HighHeels,sondernFlipFlops. Achwassoll’s,entscheide ich,erträgtauchnichtmehr denAnzugvomFlughafen, sondernJeansund Turnschuhe. »ZurEntspannungtutein GläschenWeinganzgut.Gib direinenRuck!«,insistiert er. »Gerne«,sageich,»ein GlasWeinistjetztgenaudas Richtige.« Wirentscheidenunsfür diePizzeriagegenüber. AlswirdenLaden betreten,schießtmirdurch denKopf,dassichschon wiederkeinGelddabeihabe. NureinpaarMünzenim Auto,fürsParkhaus.Der mussmichjafürdie Superschnorrerinhalten. »Deinekriminelle Bekanntehatnichtdamit gerechnet,nochauszugehen, also,mitanderenWorten,ich habemalwiederkeinGeld beimir!«,gesteheichdirekt. »Ichglaube,dubisteine verdammtteureFrau, Andrea,aberaufeinenWein mehroderwenigerkommtes jetztauchnichtmehran!«, lachtPaul.»Quatsch,gar keinProblem«,betonter grinsend. Esistlustigmitihm.Erist klug,ironisch,abernicht sarkastisch.Ergefälltmir immerbesser. »Woherkanntestdudenn diesenZöllner?«,willich beimerstenGlasWein wissen. »SeinSohnwarmein Patient.Klumpfußbeidseitig, kompliziert,aberist gutgegangen.«Erbemerkt meinfragendesGesicht.»Ich binPädiater,alsoKinderarzt, aberauchOrthopädeund spezialisiertaufFüße.Wenn dumaleinenschlimmen Halluxhast,wendedich vertrauensvollanmich«, erklärtermir. EristPädiater,nicht Podologe. »Ichdachte,dubist Fußpfleger!«,platztesaus mirheraus. »Naja,imweitestenSinne binichdasjaauch!«,lachter schonwieder.»Aberwie kommstdudenndarauf,dass ichFußpflegerbin?«,fragter danndocherstaunt. »Dashateuer Schrebergartenvorsitzender gesagt.DerPaulist Podologe,dermacht irgendwasmitFüßen.« »Istdochauchwurscht«, befindetPaul,»lassunsüber andereDingereden.« Irgendwieistesauch wurscht.Paulistwunderbar! DasisteinMann,indenich michverliebenkönnte,geht esmirdurchdenKopf.Er erzähltmirvonseinem KongressinFlorida.Von seinenWünschen.Seinen Träumen.VonseinerEx,die mitseinerheißgeliebten13jährigenTochterauf Mallorcalebt.Erhörtzu,und auseinemschnellenGlas WeinwirdeinlangerAbend mitPizzaundmehrWein.In meinemKopfgehtesrund. Christoph,Rakete,Paul! Ebennochdiegroße Männerflauteundjetztdas. Umhalbzwölfbinich wirklichmüde. »Ichmussheim,eswird Zeit!Ichbinschlagkaputt!«, entschuldigeichmeinen Aufbruch. VorderPizzeria verabschiedenwiruns.Er nimmtmichindenArm.Ich dreheseinenKopfundküsse ihn.Mitallemdrumund dran.Ohnedarüber nachzudenken,obmandas macht.Vorallem,obFrau dasmacht.Werküssenwill, sollteküssen,istmeineneue Devise.Wirküssenund küssen.Ichbinfroh,aufder Straßezustehen,sonst wüssteichnicht,obichmich beherrschenkönnte.Der Mannküssthöllischgut. Auchdasnoch!AberRakete konnteauchküssen,sagteine kleinewarnendeStimmein mir.DenRestsehenwir später,überlegeich,und dannüberlegeichüberhaupt nichtsmehrundküssenoch eineRunde. »Seheichdicham Donnerstag?«,fragtmich PaulineinerAtempause. »Ja,amDonnerstaggehen wiraus.Eswarwundervoll mitdir.Tschüs«,flüstereich ihminsOhr. Erküsstmichsanftaufdie Stirn»Tschüs,Andrea,bis Donnerstag.« Ichbintotalaufgedrehtund hundemüdezugleich.Was füreinAbend.Wasfürneue Perspektiven!Wasfürein Mann. ImAutopieptmein Handy.EineSMS,von Christoph.Daswarschön heute,ichfreuemichauf morgenAbend!Denhatteich einenkleinenMomentlang vergessen. Christoph.Paul.Christoph. Ichbinkonfus.Aber angenehmkonfus.Wersoll jetztdeinHerzblattsein,geht esmiraufderHeimfahrt durchdenKopf.Einalter Spruchauseinernochälteren Fernsehsendung. Wirwerdensehen,denke ich–wirwerdensehen.Jetzt mussicherstmalschlafen. MorgenisteinneuerTag. Danksagung Hossa:Esistgeschafft! Dankeanalle,diemichin derEndphasedesSchreibens ertragenhaben! Danke,Conny–füralldie Ermutigung,fürDeineHilfe undvorallemfürDeine Freundschaft! UnddankeanSilke,die malwiedermeinLastMinuteWesenausgehalten hat! ÜberSusanne Fröhlich& SusanneFröhlichist erfolgreicheFernseh-und Rundfunk-moderatorin.Sie lebtinderNähevon FrankfurtamMain.Sowohl ihreSachbücheralsauchihre Romane– »Familienpackung«, »Treuepunkte«, »Lieblingsstücke«und zuletzt»Lackschaden«– wurdenallezuBestsellern undriesigenErfolgen. WeitereInformationen,auch zuE-Book-Ausgaben,finden Siebei www.fischerverlage.de Impressum Covergestaltungund-abbildung: bürosüd°,München ErschienenbeiFISCHERE-Books ©S.FischerVerlagGmbH,Frankfurt amMain2013 AbhängigvomeingesetztenLesegerät kanneszuunterschiedlichen DarstellungendesvomVerlag freigegebenenTexteskommen. DiesesE-Bookisturheberrechtlich geschützt. ISBN978-3-10-402717-3 WiehatIhnendas Buch›Aufgebügelt‹ gefallen? 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