BUNDESFINANZHOF 1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der

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BUNDESFINANZHOF 1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der
BUNDESFINANZHOF
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Ausschluss des
Ausgleichs von Verlusten aus stillen Beteiligungen an
Kapitalgesellschaften gemäß § 15 Abs. 4 Satz 6, § 20 Abs. 1
Nr. 4 EStG i.d.F. des StVergAbG insoweit mit dem GG vereinbar
ist, als er sich ohne Einschränkung auch auf Verluste bezieht,
die auf vor dem Jahr 2003 begründeten Verpflichtungen beruhen.
2. Ist die Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts
ernstlich zweifelhaft und bestehen keine konkreten
Anhaltspunkte dafür, dass bei einem Unterliegen des
Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des
Steueranspruchs gefährdet wäre, so ist die Vollziehung des
Verwaltungsakts regelmäßig ohne Sicherheitsleistung
auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn die für die
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Gründe nicht
überwiegen.
EStG § 15 Abs. 4 Satz 6, § 20 Abs. 1 Nr. 4
FGO § 69 Abs. 2 und 3
Beschluss vom 3. Februar 2005
I B 208/04
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom
20. Oktober 2004 6 V 32/04 (EFG 2005, 140)
G r ü n d e
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren wegen Aussetzung der
Vollziehung darüber, ob bei der Besteuerung der
Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) für
das Streitjahr Verluste aus einer stillen Beteiligung
steuermindernd zu berücksichtigen sind.
Die Antragstellerin ist eine GmbH mit einem zum 30. Juni
endenden Wirtschaftsjahr. Sie gründete im Februar 2002
zusammen mit einer weiteren Person (B) eine AG, die X-AG, an
deren Grundkapital sie selbst und B zu jeweils 50 v.H. beteiligt waren. Zweck der X-AG war nach dem Vortrag der
Antragstellerin die Vermarktung von Produkten der
Antragstellerin im amerikanischen und asiatischen Raum, wofür
B auf Grund seines beruflichen Werdegangs eine besondere
Kompetenz besaß.
Ebenfalls im Februar 2002 beteiligte sich die Antragstellerin
mit einer Einlage von 300 000 € als stille Gesellschafterin am
Unternehmen der X-AG. Sie sollte am Gewinn der X-AG mit
30 v.H. teilnehmen, wobei ihre Gewinnbeteiligung auf 50 v.H.
der Einlage begrenzt war. Am Verlust der X-AG nahm sie in
vollem Umfang, jedoch auf die Einlage beschränkt teil. Die
Einlage wurde in der Folge auf Anforderung in Teilbeträgen
eingezahlt.
Die X-AG, die ebenfalls ein abweichendes Wirtschaftsjahr
hatte, erzielte in ihrem zum 30. Juni 2002 endenden
Wirtschaftsjahr einen Verlust. Daraus resultierte für die
Antragstellerin unstreitig ein Verlustanteil in Höhe von
95 000 €. Ebenso ist unstreitig, dass die Antragstellerin im
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- 2 Folgejahr weitere Einlagen in Höhe von 195 000 € geleistet hat
und diese wegen erneuter Verluste der X-AG auf Null
abschreiben muss. Im Jahr 2004 hat die Antragstellerin ihren
Anteil an der X-AG veräußert und auf ihre Rechte als stille
Gesellschafterin verzichtet.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--)
erließ für das Streitjahr (2003) Vorauszahlungsbescheide zur
Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag, in denen
er den Verlust der Antragstellerin aus der stillen Beteiligung
nicht berücksichtigte. Die Antragstellerin legte gegen diese
Bescheide Einsprüche ein und begehrte eine steuermindernde Berücksichtigung des Verlustes. Zugleich beantragte sie, die
Vollziehung der Bescheide auszusetzen. Diesen Antrag lehnte
das FA ab.
Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) setzte die
Vollziehung der Bescheide in vollem Umfang aus, machte aber
die Aussetzung der Vollziehung des Vorauszahlungsbescheids zur
Körperschaftsteuer von einer Sicherheitsleistung abhängig.
Sein Beschluss ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2005, 140 abgedruckt.
Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung. Sie
beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Bescheide ohne
Sicherheitsleistung auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Anordnung
- 3 -
- 3 einer Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung.
Zugleich ist die Vollziehung des angefochtenen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheids rückwirkend zum Zeitpunkt der
Fälligkeit der dort festgesetzten Steuer aufzuheben:
1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Sätze 2 bis 6 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache
die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder
teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden,
wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 2 Satz 2 FGO). Das
wiederum ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall, wenn bei summarischer Prüfung
des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die
Unentschiedenheit in der Beurteilung der
entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der
Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (BFHBeschluss vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BFHE 202, 53, BStBl II
2003, 663, m.w.N.).
Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die
für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen
(Senatsbeschluss vom 10. Mai 2001 I S 3/01, BFHE 194, 360,
m.w.N.). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im
summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden,
sondern zumindest im Regelfall die Vollziehung auszusetzen.
Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob
die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist
(BFH-Beschlüsse in BFHE 202, 53, BStBl II 2003, 663; vom
4. August 2003 IX B 45/03, BFH/NV 2004, 37).
2. Im Streitfall hat das FG zu Recht angenommen, dass die
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide in dem genannten
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- 4 Sinne ernstlichen Zweifeln begegnet. Die Bescheide entsprechen
zwar, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, der
einfachgesetzlichen Regelungslage. Es ist jedoch zweifelhaft,
ob die einschlägige Regelung mit dem Grundgesetz (GG)
vereinbar ist.
a) Die Antragstellerin begehrt die steuermindernde Berücksichtigung eines nach Grund und Höhe nicht streitigen Verlustes
aus einer stillen Beteiligung an dem Unternehmen der X-AG.
Dieser Verlust zählt unabhängig davon, ob sie der
Antragstellerin eine Mitunternehmerstellung i.S. des § 15
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
vermittelt ("atypisch" stille Beteiligung) oder nicht, gemäß
§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zu den
Einkünften der Antragstellerin aus Gewerbebetrieb. Seine
steuermindernde Berücksichtigung wird jedoch nach der für das
Streitjahr geltenden Gesetzeslage durch § 15 Abs. 4 Satz 6
EStG --ggf. i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG-- ausgeschlossen.
Denn nach diesen Vorschriften sind u.a. Verluste aus stillen
Gesellschaften an Kapitalgesellschaften nur mit späteren
Gewinnen des Gesellschafters aus derselben Innengesellschaft
verrechenbar, wenn der Gesellschafter eine Kapitalgesellschaft
ist. Diese Situation liegt im Streitfall vor.
b) § 15 Abs. 4 Satz 6 und § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG in der im
Streitjahr geltenden Fassung sind durch das Gesetz zum Abbau
von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (StVergAbG)
vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) in das
Gesetz eingefügt worden. Sie sind erstmals für das Streitjahr
anzuwenden (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StVergAbG) und
deshalb im Streitfall einschlägig. Bei summarischer
Betrachtung ist indessen ernstlich zweifelhaft, ob diese
Anwendungsregelung mit dem GG vereinbar ist:
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- 5 -
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3
GG) einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die
Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens
nachträglich belastend ändert. Das BVerfG hat dazu im
Zusammenhang mit periodischen Steuern eine Systematik
entwickelt, die zwar mit wechselnden Begriffen arbeitet, im
Kern aber auf folgende Unterscheidung hinausläuft: Mit dem
Rechtsstaatsprinzip ist eine steuerbegründende oder
steuererhöhende Bestimmung in der Regel unvereinbar, wenn und
soweit sie für einen Veranlagungszeitraum gelten soll, der im
Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes bereits abgeschlossen
war ("echte" Rückwirkung; "Rückbewirkung von Rechtsfolgen").
Dagegen ist es im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG grundsätzlich
unbedenklich, wenn der Gesetzgeber während eines
Veranlagungszeitraums eine solche Bestimmung in Kraft setzt
und zugleich bestimmt, dass sie mit Wirkung zu Beginn jenes
Veranlagungszeitraums gelten soll ("unechte" Rückwirkung;
"tatbestandliche Rückanknüpfung"). In der letztgenannten
Situation darf das steuerbegründende oder -erhöhende Gesetz
regelmäßig auch diejenigen Sachverhalte erfassen, die auf
einer vor ihrem In-Kraft-Treten getätigten Disposition des
Bürgers beruhen. Der Senat verweist wegen aller Einzelheiten
dieser Rechtsprechung auf die BFH-Beschlüsse vom 6. November
2002 XI R 42/01 (BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257) und vom
16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BFHE 204, 228, BStBl II 2004,
284).
Im Streitfall entfalten die zu beurteilenden Normen, an diesem
Maßstab gemessen, nur eine im Grundsatz zulässige "unechte"
Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung"). Denn sie sind
einerseits im Verlauf des Veranlagungszeitraums 2003 in Kraft
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- 6 getreten und gelten andererseits erstmals für diesen Veranlagungszeitraum. Dieser Umstand spricht dafür, ihre
Vereinbarkeit mit dem Rechtsstaatsprinzip des GG zu bejahen.
bb) In seiner neueren Rechtsprechung hat das BVerfG jedoch die
vorgenannte Systematik möglicherweise modifiziert. Das gilt
namentlich für seine Entscheidung zur rückwirkenden
Einschränkung der Sonderabschreibung für Handelsschiffe
(BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997
2 BvR 882/97, BVerfGE
97, 67), in der es den verfassungsrechtlichen Schutz von
Dispositionen der Bürger und Unternehmen stärker als bisher
betont hat. Nach dieser Entscheidung kann der Gesetzgeber
durch das Angebot einer steuerlichen Subvention eine
verfassungsrechtlich abgesicherte Vertrauensgrundlage schaffen
mit der Folge, dass in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht
getätigte und anschließend nicht mehr änderbare Dispositionen
des Steuerpflichtigen nicht im Nachhinein zum Anknüpfungspunkt
für eine Besteuerung gemacht werden dürfen, die im Zeitpunkt
der Disposition nicht vorhersehbar war. Das soll ersichtlich
gerade für diejenigen Fälle gelten, in denen zunächst die
maßgebliche Disposition getätigt und im weiteren Verlauf
desselben Veranlagungszeitraums die zu beurteilende
gesetzliche Regelung geschaffen wurde (vgl. hierzu auch
BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002
2 BvR 305/93, BVerfGE
105, 17). Insoweit wird die Möglichkeit der Steuerbegründung
oder -erhöhung mit "unechter" Rückwirkung ("tatbestandlicher
Rückanknüpfung") mithin eingeschränkt (ebenso Kirchhof, Steuer
und Wirtschaft 2000, 221, 223; Spindler in Pezzer --Hrsg.--,
Vertrauensschutz im Steuerrecht, Deutsche Steuerjuristische
Gesellschaft --DStJG-- 27, 69, 78; Kruse/ Drüen in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl.,
§ 4 AO Rz. 26).
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- 7 cc) Die vorgenannte Entscheidung ist im Streitfall möglicherweise nicht unmittelbar einschlägig. Denn sie bezieht sich
ihrem Wortlaut nach ausschließlich auf "Verschonungssubventionen", die der Steuerpflichtige "nur während des Veranlagungszeitraums annehmen" kann. Diese Einschränkung ist zwar
insoweit auslegungsbedürftig, als jede Disposition
zwangsläufig während eines Veranlagungszeitraums erfolgt. Die
genannte Wortwahl könnte jedoch dafür sprechen, dass das
BVerfG hierbei nur steuerliche Lenkungsvorschriften mit von
vornherein begrenzter Geltungsdauer im Blick hatte (vgl. dazu
auch BFH-Urteil vom 14. März 2000 X R 46/99, BFHE 191, 319,
BStBl II 2000, 344; BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II
2004, 284, 292, m.w.N.). Um eine solche geht es im Streitfall
nicht.
Doch muss diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht
abschließend erörtert werden. Denn der IX. Senat des BFH hat
sich inzwischen auf Grund einer eingehenden Analyse der
Problematik und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG
dafür ausgesprochen, auch in den Fällen "tatbestandlicher
Rückanknüpfung" ("unechter" Rückwirkung) nicht jegliche
steuerbegründende oder -erhöhende Gesetzesänderung für
zulässig zu erachten. Vielmehr sei auch in einer solchen
Konstellation der verfassungsrechtliche Maßstab darin zu
sehen, ob das durch eine Disposition betätigte Vertrauen des
Bürgers in den Fortbestand des geltenden Rechts oder das
Änderungsinteresse des Staates höher zu bewerten sei
(Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, 292). Der IX.
Senat hat in dem bei ihm geführten Verfahren zwar das BVerfG
angerufen, das über die ihm vorgelegte Frage noch nicht
entschieden hat. Zumindest bis zu der anstehenden Entscheidung
des BVerfG kann jedoch angesichts der entgegenstehenden
höchstrichterlichen Stellungnahme nicht mehr zweifelsfrei
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- 8 davon ausgegangen werden, dass in Fällen der hier zu
beurteilenden Art der Erlass eines steuerbegründenden oder
-erhöhenden Gesetzes ohne Rücksicht auf vorausgegangene
Dispositionen der betroffenen Bürger zulässig ist. Insoweit
besteht mithin eine Unentschiedenheit der Rechtslage, die eine
Aussetzung der Vollziehung einschlägiger Steuerbescheide
rechtfertigen kann.
dd) Hiernach ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
eine Abwägung der beteiligten Interessen notwendig, die ihrerseits wiederum den zu § 69 FGO entwickelten Regeln folgen
muss. Diese Prüfung ergibt im Streitfall, dass das Vertrauen
der Antragstellerin in den Fortbestand des im Zeitpunkt ihrer
Disposition geltenden Rechts möglicherweise schwerer wiegt als
das Interesse des Gesetzgebers, den Verlustabzug bei stillen
Beteiligungen rückwirkend in der geschehenen Weise
einzuschränken:
Zu Gunsten der Antragstellerin ist vor allem zu berücksichtigen, dass sie die stille Beteiligung und die damit verbundene
Einzahlungsverpflichtung zu einem Zeitpunkt vereinbart hat, in
dem die spätere Beschränkung des Verlustabzugs noch nicht absehbar war. Die maßgeblichen Verträge wurden unstreitig im
Februar 2002 geschlossen, während ein Verbot des Verlustausgleichs bei stillen Beteiligungen erstmals im Gesetzentwurf
der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 2. Dezember
2002 (BTDrucks 15/119) erwähnt ist. Zu diesem Zeitpunkt --und
erst recht bei der späteren Verabschiedung des StVergAbG-konnte die Antragstellerin ihr Engagement, das sie im
Vertrauen auf die bis dahin bestehende Möglichkeit des
Verlustabzugs eingegangen war, nicht mehr rückgängig machen.
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- 9 Andererseits ging es aus der Sicht des Gesetzgebers bei der
Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 6 und des § 20 Abs. 1 Nr. 4 in
das EStG vor allem darum, die seinerzeit angestrebte Abschaffung der Mehrmütterorganschaft durch begleitende Regelungen zu
flankieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BTDrucks
15/119, S. 38) wurde die stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften als "Umgehungsmöglichkeit" angesehen, vermittels
derer "die mit sog. Mehrmütterorganschaften verfolgten Ziele
... faktisch" ebenfalls "erreicht werden" könnten. Die
Änderungen des § 15 Abs. 4 und des § 20 EStG sollten diese
Möglichkeit beseitigen. Im vorliegenden Verfahren muss nicht
erörtert werden, ob die geschilderte Befürchtung des
Gesetzgebers sachgerecht war und ob die getroffene Maßnahme
ggf. wirksam Abhilfe schaffen konnte (kritisch dazu z.B. Groh,
Der Betrieb 2004, 668, 672; Herzig in Lehner --Hrsg.--,
Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004,
S. 37, 40). Jedenfalls erforderte die Verhinderung von
Ausweichgestaltungen nicht notwendigerweise eine Regelung, die
bereits bestehende stille Beteiligungen übergangslos in das
Verlustabzugsverbot einbezog. Deshalb ist es bei summarischer
Betrachtung nicht ausgeschlossen, dass in "Altfällen" und
speziell im Streitfall das Interesse des Unternehmens an der
Berechenbarkeit des Rechts dasjenige des Gesetzgebers an der
Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen überwiegt. Das
reicht für eine Aussetzung der Vollziehung aus. Auf die
weiteren Erwägungen des FG zur verfassungsrechtlichen
Situation muss deshalb hier nicht eingegangen werden.
3. Angesichts dessen hat das FG der Antragstellerin die begehrte Aussetzung der Vollziehung zu Recht gewährt. Diese Entscheidung wirkt jedoch nur in die Zukunft und ist deshalb insbesondere nicht geeignet, Säumniszuschläge zu beseitigen, die
in der Zeit zwischen der Fälligkeit der festgesetzten Steuer
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- 10 und der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entstanden sind (BFH-Beschlüsse vom 23. Juni 1977
V B 41/73, BFHE 122, 258, BStBl II 1977, 645; vom 6. September
1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670). Dazu bedarf es der in § 69
Abs. 2 und 3 FGO ebenfalls vorgesehenen Aufhebung der Vollziehung (BFH-Urteil vom 30. März 1993 VII R 37/92, BFH/NV 1994,
4; Senatsbeschluss vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149,
6, BStBl II 1987, 389; Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung,
5. Aufl., § 69 Rz. 55 "Säumniszuschläge", m.w.N.). Auch diese
ist der Antragstellerin zu gewähren.
Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin eine solche
Maßnahme nicht ausdrücklich beantragt hat. Denn ein Antrag auf
Aussetzung der Vollziehung schließt, sofern er nicht im
Einzelfall erkennbar auf eine in die Zukunft wirkende Maßnahme
beschränkt wird, das Begehren nach einer Aufhebung der
Vollziehung ein (ebenso BFH-Beschluss in BFHE 122, 258, BStBl
II 1977, 645; FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg,
Urteil vom 18. Juli 1985 III 349/81, EFG 1986, 6; Koch in
Gräber, a.a.O., § 69 Rz. 14). Inhaltlich ist eine Aufhebung
der Vollziehung mit Wirkung zum Fälligkeitszeitpunkt im
Streitfall deshalb gerechtfertigt, weil schon zu diesem
Zeitpunkt die genannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
angefochtenen Bescheide bestanden haben (vgl. hierzu BFHBeschlüsse in BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389, und vom 25. Mai
1988 IX B 110/86, BFH/NV 1989, 176).
4. Sowohl die Aussetzung als auch die Aufhebung der
Vollziehung müssen ohne Sicherheitsleistung erfolgen. Der
gegenteiligen Ansicht des FA und des FG ist nicht
beizupflichten:
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- 11 a) Das FG hat zur Begründung seiner Entscheidung in diesem
Punkt ausgeführt, ein Erfolg der Antragstellerin im Verfahren
zur Hauptsache sei nicht so wahrscheinlich, dass eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung geboten wäre. Es
geht hiernach davon aus, dass eine Aussetzung der Vollziehung
ohne Sicherheitsleistung regelmäßig nur dann in Betracht
kommt, wenn mehr Gründe für als gegen die Rechtswidrigkeit des
angefochtenen Verwaltungsakts sprechen. Diese Annahme trifft
nicht zu.
Die Anordnung der Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der Vermeidung von Steuerausfällen (BFH-Beschlüsse vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE
97, 240, BStBl II 1970, 127; vom 29. November 1995 X B 328/94,
BFHE 179, 222, BStBl II 1996, 322, 327, m.w.N.). Diese können
im Gefolge einer Aussetzung der Vollziehung vor allem dadurch
entstehen, dass der Steuerpflichtige im Verfahren zur Hauptsache letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (Gosch
in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 69 FGO
Rz. 207, m.w.N.). Nur einer solchen Entwicklung soll durch die
Sicherheitsleistung vorgebeugt werden. Deshalb ist, wenn eine
entsprechende Gefahr im konkreten Fall nicht besteht, für die
Anordnung einer Sicherheitsleistung kein Raum (BFH-Beschlüsse
vom 29. Juni 1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977,
726; in BFHE 179, 222, BStBl II 1996, 322, 327). Das gilt
unabhängig vom Grad der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Verwaltungsakts.
b) Im Streitfall hat die Antragstellerin unwidersprochen
vorgetragen, dass ihre derzeitige wirtschaftliche Situation
nicht die Besorgnis rechtfertige, sie werde nach einem
etwaigen Unterliegen in der Hauptsache ihrer Zahlungspflicht
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- 12 nicht nachkommen können. Das FA weist zwar zu Recht darauf
hin, dass sich die Verhältnisse der Antragstellerin im Lauf
der Zeit verschlechtern können. Derartige allgemeine
Erwägungen sind aber nicht geeignet, die Anordnung einer
Sicherheitsleistung zu begründen. Dazu bedarf es vielmehr
konkreter Anhaltspunkte für eine Gefährdung des
Steueranspruchs (BFH-Beschluss in BFHE 122, 516, BStBl II
1977, 726, 728; Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2004 I B 44/04,
BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882; vom 24. März 2004
I B 203/03, BFH/NV 2004, 959, m.w.N.), die im Streitfall nicht
vorliegen.