Vom Kosmos zum Kosmöschen

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Vom Kosmos zum Kosmöschen
1.12.2014
Wiener Zeitung Online
vom 18.11.2014, 16:09 Uhr
Ausstellungskritik
Vom Kosmos zum Kosmöschen
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Kunsthalle Krems macht das Werk Dominik Steigers in Retrospektive endlich
bekannt.
"Im Ofen brennt Seele", schrieb der sich
"Budi von Fesch" nennende Dominik
Steiger in einem Prosagedicht 1993. Er
kam aus dem alchemistischen Wortlabor
der Postavantgarde um die Konkrete
Poesie der "Wiener Gruppe" und des
"Wiener Aktionismus". Dominik Wehrfried
Gernot Steiger (1940-2014) war bislang
ein Geheimtipp, bekannt vor allem durch
sein Beisein auf prominenten FotoGruppenporträts von Christian Skrein mit
Walter Pichler, Ernst Graf, Oswald und
Ingrid Wiener, Christian Ludwig Attersee
und Kurt Kalb. Das Gruppenbilden als
deutlich vorübergehendes Anschließen ist
charakteristisch für Steigers
Einzelgängertum. Ambivalent war auch
sein Jonglieren mit allen Künsten - nach
Erfolgen in der Literatur kamen Zeichnung
und Objektkunst, daneben waren immer
Musik und Performance wichtig.
Das Wort am Anfang
Eintauchen in die Kunstgeflechte
des vielseitig begabten Dominic
Steiger: "Beuys - Bois".
© Archiv Dominik Steiger Joseph
Die Kunsthalle Krems zeigt nun den
Beuys/Bildrecht, Wien
Kosmos Steiger, den er selbst kokett
herabmindernd sein "Kosmöschen"
nannte, gründlich erforscht durch Susanne
Längle und Hans Peter Wipplinger. Noch vor seinem Krebstod im
Jänner, mit Vor- und Nachsicht begonnen, breitet sich das Ergebnis
mit vielseitigen Blättern, Objekten, Film- und Konzertmitschnitten über
alle Räume wie ein Geflecht aus. Ein Parcours der kleinen Sensationen,
denn nach einem versuchten Beitritt zur Fremdenlegion und einem
Klinikaufenthalt wegen Suizidgefahr, wurde Steiger als Schriftsteller mit
zwei Bänden im berühmten Suhrkamp-Verlag bekannt und als
Mitbegründer der Grazer Autorenversammlung höchst erfolgreich,
verlor sich aber mit biometrischen Texten und "Letterlacks" in seiner
Bilderschrift "Knöchelchenzeichnungen" Richtung bildende Kunst.
Mentoren auf diesem Weg waren - neben seiner Muse und späteren
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ersten Frau Traudl Bayer, der Witwe Konrad Bayers - Kurt Kalb, Dieter
Roth und Joseph Beuys. Im Teamwork erstellte er zeichnerische
Zyklen, die er zu Kunstbuch-Unikaten umwandelte. Mit Roth malte er
1982 bis 1985 das "Allerweltsbild" an die Wand des Basler
Bahnhofsbuffets. 1965 drehte Oswald Wiener den Film "das kind" am
Wiener Dannebergplatz, eine Performance Steigers mit privater
Anarchiegeste zwischen "Rattenfänger von Hameln" und Markus
Schinwalds "Childrens Crusade". Im Kinderkostüm trat Steiger auch als
"Fnufi" in Otto Muehls "Zockfest" auf. Daneben sang und spielte er im
"actions concert für al hansen" in der Galerie nächst St. Stephan.
Fließende Ideenstraßen bilden sich von den Zeichnungen zu Jean
Cocteau, Antonin Artaud oder Fritz von Herzmanovsky-Orlando.
Den Weg zur Malerei über Anregung durch Flecken am Schuhputztuch
vergleicht Wipplinger mit der Methode des Briten Alexander Cozens im
18. Jahrhundert, aus der Abstraktion von "Blots" heraus Figürliches zu
entwickeln. Johannes Gachnang sah den Künstler mit den Gaben des
englischen Dandys gesegnet. Steigers "Tagtraumarbeit - leicht" und
einige collagierte Objekte zitieren Sympathien für Sigmund Freud.
Beuys reflektieren
Der Eigenverlag des Künstlers hieß "Buchdienst Fesch", da lud er sich
ab 1975 neben Malern und Literaten auch Fotografen wie Urs Lüthi für
die Zeitschrift "Nervenkritik" ein. Die Zeichnungen "Exerptmarterln" und
"Konversationsgrafiken" collagieren Enzyklopädien, Markenalben und
Bibeln, sind Gesamtkunstwerks-Modelle, die in seinem Fall gleichzeitig
das Unvollendete zelebrieren. Die Holzobjekte mit ironischem Titel wie
"Bordello" muten wie Häuser oder Barken an, die mit ihrem Serientitel
"Bois" Gedenken an Beuys‘ verraten. Dessen Multiple "Intuitionsbox"
von 1968 ergänzte Steiger frech und wandelte Vitrinen und Stühle
auch ohne Fett und Filz zu Kunstwerken.
Die letzten Serien heißen Kulturcollagen, "Arte completes"Übermalungen und Rollbilder. Sie zeigen eine durch Nudelhölzer statt
Pinsel aufgetragene Klecksografie, mit "Pinselpfot vom Taps im
Feldgepatz". Dazu setzte er seine "Letterfälle" nach André Thomkins’
Sprachblöcken spielerisch auf Hemden, Fotos und Skulpturen fort und
förderte mit seiner zweiten Frau Renate Ganser den 1997 geborenen
Sohn Moritz Julius Balthasar, der ihn mit ersten Schreibversuchen am
Computer unterstützte.
Ausstellung
Dominik Steiger Retrospektive
Hans-Peter Wipplinger (Kurator)
Kunsthalle Krems
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Bis 8. Februar
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