Marc Rode Kriegsstr. 222 76135 Karlsruhe An die Ahrens + Sieberz
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Marc Rode Kriegsstr. 222 76135 Karlsruhe An die Ahrens + Sieberz Großversand Gärtnerei 53718 Siegburg-Seligenthal Extrempflanzenzüchtungsanfrage Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich weiß ich, dass meine Bitte an Sie ein wenig unorthodox ist, aber wenn Sie diese Zeilen zu Ende gelesen haben, werden Sie (hoffentlich) verstehen, warum ich mich zu diesem Schritt genötigt sehe. Es handelt sich um Folgendes: Meine Frau ist leidenschaftliche Köchin. Was in der heutigen, emanzipatorisch geprägten Zeit eigentlich ein unschätzbarer Vorteil sein sollte, wird unter dem Kochlöffel meiner Frau zu einem Albtraum der ersten Kategorie. Und leider erwarten leidenschaftliche Frauen von ihren Ehemännern eine mindestens ebenso ausgeprägte Leidenschaft. Ich muss also ihre kulinarischen Kreationen essen. Restlos. Immer. Nun, da ich diese Folter über Jahre hinweg ertragen habe, sollte mein Magen sich eigentlich daran gewöhnt haben. Hat er aber nicht. Dafür haben die Jahre etwas anderes bewirkt: Madames Sicherheitsvorkehrungen lassen nach. D.h., sie sitzt nicht mehr wie früher mit Argusaugen neben mir und verfolgt kritisch jeden Bissen. Mittlerweile verlässt sie sogar ab und zu den Raum, während ich esse. Und genau da sehe ich meine Chance. Selbstverständlich kann ich es nicht wagen, das Essen in diesen unbeobachteten Momenten in irgendeine Schublade oder unter den Teppich zu schütten. Spätestens nach drei Wochen würde meine Frau den Braten buchstäblich riechen. Aus dem Fenster kippen kommt auch nicht mehr in Frage, seit Herr Schorn (der wohnt unter uns) mich diesbezüglich zur Rede gestellt hat. Ganz anders sähe es aus – und da kommen Sie ins Spiel – wenn das Zeug innerorts biologisch entsorgt würde. Als Medium schwebt mir eine Art fleischfressende Pflanze vor. Gibt es davon große Exemplare mit einem widerstandsfähigen Magen? Eine weitere Voraussetzung wäre natürlich, dass der Appetit der Pflanze sich nicht auf Fleisch konzentriert, sondern alle Nebenprodukte wie Gemüse o.ä. mit einschließt. Des weiteren sollte sie zumindest ansatzweise optische Reize zu bieten haben – das wäre eine unschätzbare Argumentationshilfe für den Import in unser Esszimmer. Falls solche Pflanzen bzw. Konstruktionspläne dafür existieren, wäre es nett, wenn Sie mir einen entsprechenden Kostenvoranschlag unterbreiten würden. Mit vorzüglicher Hochachtung Nachgetreten... Das nenne ich mal eine angemessene Reaktion auf meinen Hilfeschrei: Das verdeckte Angebot, eine ehefrauenfressende Pflanze zu züchten. Klar, das wird nicht so direkt gesagt, aber das wäre ja in kriminalistischer Hinsicht auch ziemlich töricht. Dennoch – ich habe den Wink verstanden und bei dem guten Herrn Bungard unverzüglich und vertraulich die entsprechenden Konditionen angefordert. Das wird ein Festessen! Die Züchtung wird freilich noch ein ganzes Weilchen dauern, weil meine Frau erfahrungsgemäß absolut ungenießbar ist. Ich könnte mir vorstellen, dass die Pflanze da eher eine spontane Fastenkur einlegt, statt sich mit Frau Rode den Magen zu verderben. Aber die Hoffnung lebt! Der Goethe-Tipp war ebenfalls grundsätzlich gar nicht so übel. Leider zitierte meine Frau als Antwort ebenfalls jenen genialen Dichterfürsten, wobei sie sich für „Faust“ entschied – und zwar nicht für „den“, sondern „die“. Anschließend konnte sie es sich nicht verkneifen, mich hämisch zu fragen, wie ihr Essen mein Auge erfreuen soll, wo selbiges doch so zugeschwollen ist. Allerdings kann sie mir nie lange böse sein – zur Versöhnung kochte sie mir ein ganz spezielles 7-Gänge-Menü...