Schadenanalyse Unwetter 2005

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Schadenanalyse Unwetter 2005
Schadenanalyse Unwetter 2005
Untersuchungen zur
Verletzlichkeit von
Gebäuden und der Wirksamkeit
des Objektschutzes
Impressum
Herausgeber:
Egli Engineering AG
Lerchenfeldstrasse 5
CH - 9014 St. Gallen
Auftraggeber:
Bundesamt für Umwelt BAFU
Worblentalstrasse 68
CH - 3063 Ittigen
http://www.bafu.admin.ch
Autoren:
Dr. Pierre Vanomsen und Dr. Thomas Egli
Egli Engineering AG Bern
Egli Engineering AG St. Gallen
Gutenbergstrasse 20
Lerchenfeldstrasse 5
CH - 3011 Bern
CH - 9014 St. Gallen
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Grafische Umsetzung:
Tobias Meyer, Egli Engineering AG, St. Gallen
2
Inhaltsverzeichnis
Impressum
2
Inhaltsverzeichnis
3
Vorwort
4
Einleitung und Fragestellung
5
1
Verletzlichkeit der Gebäude
6
1.1
Übersicht der Prozesse
6
1.2
Fallbeispiel Oey Siedlung
7
1.3
Fallbeispiel Kien Siedlung
9
1.4
Fallbeispiel Brienz Siedlung
11
1.5
Fallbeispiel Vitznau Schreinerei
12
1.6
Fallbeispiel Gersau Wohngebäude
14
1.7
Fallbeispiel Alpnachstad Wohngebäude
17
1.8
Fallbeispiel Schüpfheim Wohngebäude
21
1.9
Fallbeispiel Entlebuch Wohngebäude und Stallung
23
1.10
Fallbeispiel Wohlhusen Schweinestall, Diemtigtal Wohngebäude
24
1.11
Schlussfolgerung zum Kapitel ‚Verletzlichkeit der Gebäude’
25
2
Objektschutz an Gebäuden
28
2.1
Übersicht der Fallbeispiele
28
2.2
Fallbeispiel Stansstad Mehrfamilienhaus 29
2.3
Fallbeispiel Gwatt (Thun) Mehrfamilienhäuser
33
2.4
Fallbeispiel Gwatt (Thun) Uhrenfabrik 35
2.5
Fallbeispiel Dallenwil Wasserkraftwerk
38
2.6
Fallbeispiel Bern Wohnhaus 41
2.7
Fallbeispiel Stans Spital
43
2.8
Fallbeispiel Kanton Nidwalden
45
2.9
Schlussfolgerung zum Kapitel ‚Objektschutz an Gebäuden’
46
3
Umnutzung von Räumlichkeiten im Gebäude
48
3.1
Übersicht der Fallbeispiele
48
3.2
Fallbeispiel Luzern Büro- und Geschäftshaus 48
3.3
Fallbeispiel Sarnen Bank 49
3.4
Fallbeispiel Stans Spital
49
3.5
Fallbeispiel Bern Wohnhaus 50
3.6
Schlussfolgerung zum Kapitel ‚Umnutzung von Räumlichkeiten im Gebäude’
50
4
Literatur
51
3
Vorwort
Die Unwetter 2005 forderten Todesopfer und katastrophale Ausmasse von Sachschäden. Dies veranlasste den Bund die Ursachen in Form
einer grossen Ereignisanalyse näher zu analysieren. Das vorliegende Dokument stellt das Ergebnis dieser Detailanalyse zu Fragen der
Gebäudeverletzlichkeit und der Wirksamkeit von Objektschutzmassnahmen dar.
Die Untersuchungen zur Verletzlichkeit von Tragwerken durch Hangmuren legen die vielen offenen Fragen dar, mit welchen der Ingenieur bei einer
Bemessung konfrontiert ist. Es sind weitere Detailanalysen notwendig, um den noch wenig erforschten Prozess des Impacts von Hangmuren auf
Tragwerke besser zu verstehen und praxisgerechte Unterlagen für die Bemessung bereitstellen zu können.
Die Wirksamkeitsanalyse zum Objektschutz ermittelt die bedeutenden Faktoren für erfolgreichen Objektschutz. Die Festlegung des Schutzziels,
wie auch die Betrachtung des Überlastfalles stellen hierbei wesentliche Entscheide im Planungsprozess dar. Die Kenntnis der Szenarien ist ebenso
unabdingbar, wie die Kenntnis der Verhaltensweise von Schutzmassnahmen unter den statischen und dynamischen Belastungen.
Dr. Ing. ETH, Dipl. Kulturing. ETH Thomas Egli (Geschäftsführer Egli Engineering AG)
4
Einleitung und Fragestellung
Beim Hochwasserereignis 2005 wurden zahlreiche Gebäude beschädigt, denn nur wenige Gebäude waren auf die Einwirkungen konstruktiv vorbereitet. Ein wichtiger Grund dafür stellt das fehlende Wissen im Bereich des Gebäudeschutzes dar:
Betreffend der Grössen der Einwirkungen sind viele Unbekannte vorhanden und eine Dimensionierung der Objektschutzmassnahme
ist schwierig. In dieser Untersuchung soll die Verletzlichkeit von Gebäuden in Bezug auf die aufgetretenen Intensitäten der Gefahrenprozesse überprüft werden (Kapitel 1).
Weiter werden bereits vor dem Hochwasser 2005 bestehende Objektschutzmassnahmen auf ihre Funktionstüchtigkeit beim Ereignis
2005 geprüft und die Schlüsselfaktoren für einen erfolgreichen Objektschutz ermittelt (Kapitel 2).
Zu den Objektschutzmassnahmen zählen auch Umnutzungen von gefährdeten Räumen. Umnutzungen werden auf ihre Wirksamkeit
untersucht und die auslösenden Faktoren bestimmt (Kapitel 3).
5
1 Verletzlichkeit der Gebäude
Die Verletzlichkeit von Gebäudetragwerken wird in Bezug auf die aufge-
Überschwemmung bei Wildbächen: Die Einwirkung beinhaltet neben
tretenen Einwirkungen durch die Gefahrenprozesse überprüft. Die Ein-
der statischen und dynamischen Überschwemmung speziell Geschiebe-
wirkung wird anhand der Intensitätskarte für ganze Siedlungen darge-
verfrachtungen und Treibholz. Schäden an der Tragkonstruktion sind bei
stellt. Oder bei entsprechender Datengrundlage wird die Einwirkung für
angepasster Bauweise selten [1]. Als Fallbeispiel dienen die Siedlungen
Einzelgebäude ermittelt. Bei Einzelgebäuden wird die Prozesseinwirkung
Oey und Kien.
mit verschiedenen einfachen Modellen abgeschätzt und die maximalen
Belastungen der Tragkonstruktion des Gebäudes ermittelt. Daraus ergibt
Murgang: Ein Murgang unterscheidet sich von der Wildbachüber-
sich eine Bandbreite der möglichen Belastungen.
schwemmung durch die plötzliche, schubartige Einwirkung. Die hohe
Dynamik führt in der Regel zu sehr hohen Intensitäten und zu starken
1.1 Übersicht der Prozesse
Überschwemmung bei Seen (statische Überschwemmung): Die
Einwirkung besteht aus hydrostatischem Druck. Schäden an der Tragkonstruktion können durch Druck und Auftrieb bei dichten Gebäuden
(Wannenkonstruktionen) entstehen [1]. Aus dem Hochwasser 2005 sind
keine Fälle betreffend Schäden an der Tragkonstruktion bekannt.
Überschwemmung bei Flüssen (dynamische Überschwemmung):
Die Einwirkung ergibt sich aus den Faktoren Überschwemmungstiefe
und Fliessgeschwindigkeit. Das Tragwerk wird häufig durch Unterkol-
Schäden an der Tragkonstruktion von Gebäuden [1]. Als Fallbeispiel wird
die Siedlung Brienz näher untersucht.
Hangmure: Die Einwirkung beinhaltet eine dynamische und eine statische Komponente, welche zu Schäden am Tragwerk führen können [1].
Das Projekt umfasst Einzelgebäude in Vitznau, Gersau, Schüpfheim und
Alpnachstad.
Rutschung: Die Einwirkung weist eine geringe Dynamik auf, dennoch
sind Tragwerksschäden an den betroffenen Gebäuden häufig [1]. Als Fallbeispiel wird ein Wohngebäude mit Stallung im Entlebuch untersucht.
kung des Fundamentes betroffen [1]. Schäden sind in der Schweiz we-
Ufererosion und Gerinneverlagerung: Durch die Ufererosion und die
gen der soliden Bauweise selten. In diesem Projekt wird kein Fallbeispiel
Gerinneverlagerung kann das Gebäudefundament wegerodiert werden.
zur dynamischen Überschwemmung untersucht.
Das Gebäude rutscht in das Flussbett ab [1]. Als Fallbeispiel werden Einzelgebäude in Wohlhusen und im Diemtigtal untersucht.
Die gewählten Fallbeispiele in Tabelle 1 umfassen aufgetretene Gefahrenprozesse, welche durch das Unwetter 2005 verursacht wurden.
Ort
Objekt
Prozess
Oey
Siedlung
Überschwemmung Wildbach
Kien
Siedlung
Überschwemmung Wildbach
Brienz
Siedlung
Murgang
Vitznau
Schreinerei
Hangmure
Gersau
Wohngebäude
Hangmure
Alpnachstad
Wohngebäude
Hangmure
Schüpfheim
Wohngebäude, Stallung
Hangmure
Entlebuch
Wohngebäude, Stallung
Rutschung
Wohlhusen
Stallung
Ufererosion
Diemtigtal
Wohngebäude
Ufererosion, Gerinneverlagerung
Tabelle 1: Übersicht der Fallbeispiele im Kapitel Verletzlichkeit der Gebäude
6
1.2 Fallbeispiel Oey Siedlung
1.2.1 Ausgangslage
Im Einzugsgebiet des Chirels fielen zwischen dem 20. bis 22. August
Die Folge war ein Rückstau des Chirels bei der Einmündung in die Sim-
2005 gegen 170 mm Niederschlag. Der Niederschlag führte zu einem
me. Durch die Geschiebeablagerung wurde sukzessive das schmale,
Hochwasserstand des Chirels und massiven Geschiebeverlagerungen.
kanalisierte Gerinne des Chirels flussaufwärts bis auf eine Länge von
1.3 km gefüllt, was zu einer grossflächigen Überschwemmung und Übersarung des Dorfes Oey führte (Abbildung 1) [7].
Abbildung 1: Übersarung in Oey. Knapp sichtbar sind die Autodächer (Foto: Egli Engineering).
7
1 Verletzlichkeit der Gebäude
1.2.2 Methode
1.2.3 Ergebnis
Da eine detaillierte Berechnung der Einwirkung auf Einzelgebäudeebene
Die Übersarung führt zu Wasser, Sand- und Kiesablagerungen in Erd-
nicht möglich ist, wird die Analyse auf Siedlungsebene graphisch durch-
geschoss und Kellerräumen, der Geschiebetrieb beschädigt zusätzlich
geführt. Dabei wird die Intensitätskarte der Überflutung und Übersarung
die Gebäude. Doch Schäden an der Tragkonstruktion sind selten; in
durch das Ereignis 2005 mit den Gebäuden mit Schäden am Tragwerk
Oey weisen nur 3 Gebäude Tragwerksschäden auf (Abbildung 2). Die-
ergänzt. Gebäude mit einem Tragwerksschaden weisen eine verkippte,
se beschädigten Gebäude stehen in der Zone der hohen Intensität mit
fehlende oder gerissene tragende Mauer auf. Die Intensitätskarte stammt
rund 50 weiteren Objekten, welche unbeschädigt blieben.
aus [7].
Der Grund für das geringe Schadenmass liegt in der sukzessiven Einwirkung der Übersarung, welche keine hohe Beanspruchung an die
solide Gebäudehülle darstellt. Leichte Nebenbauten aus Holz und
Fahrnisbauten auf dem Campingplatz sind jedoch zahlreich beschädigt.
Abbildung 2: Intensitätskarte der Überflutung und Übersarung mit den Tragwerksschäden an den Gebäuden in Oey durch den Chirel. Intensitätskarte aus [7].
8
1.3 Fallbeispiel Kien Siedlung
1.3.1 Ausgangslage
1.3.3 Ergebnis
Die hohe Menge der Niederschläge zwischen dem 19. und dem 22.
Die Tragwerksschäden an den Gebäuden in Kien aufgrund der Übers-
August im Kandertal haben eine Wiederkehrperiode von rund 200 Jah-
arung sind selten. Lediglich zwei Objekte links und rechts der Kiene in
ren [8]. Die hochwasserführende Kiene führte sehr viel Geschiebe und
Brückennähe weisen Schäden an der Tragkonstruktion auf (Abbildung3).
Schwemmholz, was zur Auflandung des Gerinnes und Verklausung bei
Das Gebäude orographisch rechts ist die Sägerei, wo es zu Geschiebe-
den Brücken führte. In der Folge kam es zu massiven Überschwem-
ablagerung von bis zu 4 m gekommen ist [8] (Abbildung 5). Die Schäden
mungen und Übersarung des Dorfes Kien, ein Teil des Wassers floss in
an den beiden Objekten sind auf Setzung und Verkippung der Grundmau-
Richtung Reichenau ab. Die Überschwemmung und Übersarung wurde
er zurückzuführen. Dadurch wurde die darüberliegende Holzkonstruktion
durch eine Flutwelle ausgelöst, die vermutlich durch einen Murgang ei-
verschoben (Abbildung 4). Die Verkippung der Mauer ist auf einseitige
nes Seitenbaches mit temporärer Gerinneverklausung der Kiene verur-
Einschotterung durch Geschiebe zurückzuführen. Die beiden Gebäude
sacht worden war [8].
befinden sich in der mittleren Intensitätszone, in unmittelbarer Nähe zum
Bereich der hohen Intensität. Die rund 13 Gebäude in der Zone mit der
1.3.2 Methode
Untersucht wird die Einwirkung der Kiene durch Übersarung und Über-
hohen Intensität weisen keinen Schaden an der Tragkonstruktion auf, der
Grund liegt in der soliden Bauweise.
schwemmung im Dorf Kien. Die Untersuchung umfasst eine gebietsweise Analyse aufgrund der Intensitätskarte des Ereignisses und den Gebäuden mit Tragwerksschäden. Gebäude mit einem Tragwerksschaden
weisen eine verkippte, fehlende oder gerissene tragende Mauer auf. Die
Intensitätskarte stammt aus [8].
Abbildung 3: Intensitätskarte der Übersarung in Kien mit den Tragwerksschäden an den Gebäuden. Intensitätskarte aus [8].
9
1 Verletzlichkeit der Gebäude
Abbildung 4: Setzung und Verkippung der Grundmauer eines Wohnhauses in Kien (Foto: Egli Engineering).
Abbildung 5: Die vollständig zerstörte Sägerei in Kien (Foto: Egli Engineering).
10
1.4 Fallbeispiel Brienz Siedlung
1.4.1 Ausgangslage
Die starken Niederschläge im August 2005 führten zu Rutschungen im
Einzugsgebiet des Glyssibaches. In der Folge kam es in der Nacht vom
22. auf den 23. August zu einem Murgang, der das Dorf Brienz schwer
traf [6].
1.4.3 Ergebnis
Die Abbildung 6 zeigt, dass eine gute Übereinstimmung zwischen der
Intensitätskarte und den Tragwerksschäden herrscht. Einzelne beschädigte Gebäude befinden sich am äusseren Rand des Intensitätsbereichs
und im Bereich der erwarteten Genauigkeit, da es sich bei der Intensitätskarte um eine Abschätzung handelt.
Die Art des Baumaterials hat keinen Einfluss auf die Tragwerksschäden
1.4.2 Methode
– sowohl Gebäude, welche mehrheitlich gemauert waren als auch Ge-
Da eine detaillierte Berechnung der Einwirkung nicht möglich ist, wird die
bäude aus Mauer und Holz sind schwer beschädigt worden. Die nicht
gebietsweise Analyse aufgrund der Intensitätskarte und der beschädig-
beschädigten Gebäude innerhalb des Intensitätsbereichs fallen in die
ten Gebäude durchgeführt. Die Darstellung umfasst den vom Glyssibach
Klasse Mauer/Holz.
beeinträchtigten Dorfteil von Brienz.
Die Intensitätskarte ist eine Abschätzung aufgrund von Feldkenntnissen
und Bildern [18]; es wurde keine unmittelbare Feldkartierung durchgeführt.
Als Gebäudeschaden interessiert nur der Tragwerksschaden, das heisst
das Gebäude weist eine verkippte, fehlende oder gerissene tragende
Mauer auf. Die Gebäude werden nach Baumaterial in Gebäude mit Mauer und Holz oder in Gebäude mehrheitlich mit Mauer unterschieden. Die
Einteilung der Gebäude mit und ohne Tragwerksschaden erfolgte nach
Die Verteilung der Tragwerksschäden in Bezug auf die Intensitäten folgt
keinem klaren Muster: Tragwerksschäden kommen in beiden Intensitätsklassen vor, auch blieben im Bereich der starken Intensität Gebäude
ohne Schaden. Ein möglicher Grund für die inhomogene Verteilung der
Tragwerksschäden könnte sein, dass die Nachbargebäude die unversehrten Gebäude geschützt haben. Auch die durch den Murgang mittransportierten Blöcke verursachten selektiv massive Schäden, wie [6]
zeigen konnte.
[5], die Klassierung der Baumaterialien der Gebäude nach [18].
Abbildung 6: Intensitätskarte der Üebermurung [18] und Gebäude mit einem Tragwerksschaden
durch den Murgang in Brienz [5], [18].
11
1 Verletzlichkeit der Gebäude
1.5 Fallbeispiel Vitznau
Schreinerei
1.5.1 Ausgangslage
Am 22. August 2005 beschädigte eine Hangmure die bergseitige Fens-
1.5.3 Ergebnis
Statischer Erddruck
Der statische Erddruck ist der minimale Druck, der auf die Prallwand
wirkt, die dynamische Komponente wird dabei nicht berücksichtigt. Der
Erdruhedruck beträgt [16]:
terfront einer Schreinerei. Das langsame Losrutschen der Erdmasse kurz
vor Arbeitsende wurde bemerkt und Sofortmassnahmen konnten eingeleitet werden. Diese bestanden darin, dass Schalungstafeln vertikal, im
Doppel und von aussen vor die Fensterfront gestellt wurden. Der Erfolg
war gering; nur das rechte, wenig angestaute Fenster blieb intakt. Die
beiden anderen wurden eingedrückt (Abbildung 8).
e0 =
⋅ g ⋅ h ⋅ K0
e0: Erdruhedruck bodeneben [kN/m2]
ρ: Dichte des wassergesättigten Bodens, 1800 kg/m3
g: Erdbeschleunigung, 9.81 m/s2
h: Ablagerungshöhe, Prallwand 2.2 m, Fenster links 2.1 m, Fenster Mitte
1.6 m, Fenster rechts 1.1 m
K0: Beiwert, 0.5. Aus [16] ist K0 ≈ 1 – sin(φ) und φ = 30°
Abbildung 7: Schreinerei in Vitznau betroffen von einer Hangmure
(Foto: Zimmermann).
1.5.2 Methode
Nach Angaben des Gebäudeeigentümers war die Geschwindigkeit der
Hangmure äusserst gering; es war möglich, während dem Prozess
Schutzmassnahmen zu ergreifen. Aus diesem Grund wird der statische
Erdruhedruck als unterer Wert für die Einwirkung angenommen, das
heisst die dynamische Komponente der Hangmure wird für die Abschätzung der Intensität nicht berücksichtigt. Im Gegenzug wird abgeschätzt,
wie gross die Druckwerte bis zum Versagen der Schalungstafeln sind.
Die Druckwerte hängen von den Stauhöhen ab, welche bei allen drei
Fenstern unterschiedlich sind. Das Widerstandsmoment der Fenster wird
vernachlässigt.
12
Abbildung 8: Aufstauung der Erdmassen an der Prallwand (Foto: Egli
Engineering
Abbildung 9: Prallwand mit Ablagerungshöhe
Der Druck nimmt mit zunehmender Tiefe zu, der maximale Druck ist auf
Fazit Ergebnis
Bodenebene erreicht. Der maximale Druck beträgt bei der Prallwand 19
Aus den baustatischen Berechnungen kann geschlossen werden, dass
kN/m2. Die Fensterfront befindet sich rund 0.2 m über der Terrainhöhe,
die Hangmure mit einem Druck grösser 45 kN/m2 und kleiner 75 kN/m2
der maximale Erdruhedruck beträgt für das linke Fenster (h = 2.1m – 0.2
auf die Prallwand gewirkt hat. Die Druckwerte aus dem Erdruhedruck
m) 17 kN/m2, für das mittlere Fenster 12 kN/m2, für das rechte Fenster
ohne Berücksichtigung der dynamischen Komponente ergeben zu gerin-
8 kN/m .
ge Werte, als dass es zum Versagen des linken und mittleren Fensters
2
gekommen wäre.
Baustatik
Die unterschiedlichen Stauhöhen an den Schalungstafeln lassen eine
Eingrenzung des Druckes zu. Als Annahme wird die mittlere Biegebruchspannung der Schalungstafel mit σBr = 36 N/mm2 veranschlagt. Das
Versagen der Schalungstafeln am linken Fenster und mittleren Fenster
muss bei einem Druck auf Fensterunterkant grösser 45 kN/m2 stattgefunden haben. Ab einem Druck von 75 kN/m2 (Fensterunterkant) hätte mit
einem Versagen aller Tafeln gerechnet werden müssen.
13
1 Verletzlichkeit der Gebäude
1.6 Fallbeispiel Gersau Wohnge-
bäude
1.6.1 Ausgangslage
nur ein geringer Schaden am Gebäude entstand. Ungefähr um 21:00 Uhr
traf eine Hangmure das evakuierte Wohnhaus (Abbildung 11). Die Hangmure beschädigte das Wohnhaus schwer, besonders die linke Ecke der
Prallwand (Abbildung 12). Durch den Aufprall traten massive Scherkräfte
Das Wohnhaus in Gersau steht unmittelbar neben dem Vierwaldstät-
auf, welche sichtbar an den Rissen auf der seeseitigen Gebäudewand
tersee, bergseitig befinden sich die Kantonsstrasse und ein bewaldeter,
waren. Die Schäden am Tragwerk waren so gross, dass das Wohnhaus
steiler Hang. Am 22. August 2005 um 16:00 Uhr traf ein rund 10 m gros-
abgerissen werden musste. An gleicher Stelle wird ein Neubau erstellt.
3
ser Findling die Garagentür, doch die Geschwindigkeit war so klein, dass
Abbildung 10: Sicht vom Vierwaldstättersee in die von der Hangmure verursachte Schneise (Foto: Näpflin).
Abbildung 11: Ablagerung der Hangmure vor dem beschädigte Wohnhaus in Gersau (Foto: Näpflin).
14
1.6.2 Methode
Um den Bereich der einwirkenden Druckwerte auf die Prallwand einzugrenzen, werden verschiedene Verfahren angewendet: Auf der Einwirkungsseite wird aufgrund der Höhe der Spritzer an der Prallwand die
Geschwindigkeit und der Druck der Hangmure geschätzt. Der statische
Erdruhedruck zeigt die untere Grenze des möglichen Druckes.
Abbildung 12: Wohnhaus in Gersau beschädigt von einer Hangmure. Die Messlatte ist 3 m lang (Foto:
Egli Engineering).
1.6.3 Ergebnis
Erdspritzer
Aufgrund der Spritzer der Hangmure an der Prallwand kann die Geschwindigkeit geschätzt werden [4]:
v = 2 ⋅ g ⋅ hs
v: Geschwindigkeit Hangmure [m/s]
g: Gravitationsbeschleunigung, 9.81 m/s2
hs: Höhendifferenz aus Spritzerhöhe (6.6 m) und aus Fliesshöhe (3.6 m):
3m
15
1 Verletzlichkeit der Gebäude
Abbildung 13: Skizze der Prallwand des Hauses in Gersau.
Daraus ergibt sich eine Geschwindigkeit von 7.7 m/s. Die Hangmure war
Statischer Erddruck
sehr holzreich, da sie im Wald abgefahren ist. Aus diesem Grund ist es
Der statische Erddruck ist der minimale Druck, der auf die Prallwand
möglich, dass die Spuren der Spritzer durch die mitgerissenen Bäume
wirkt, die dynamische Komponente wird dabei nicht berücksichtigt. Die
entstanden sind. Der Wert von 7.7 m/s stellt somit die obere Grenze dar.
Berechnung stützt sich auf den Erdruhedruck [16]:
Aus der Geschwindigkeit und der Dichte der Hangmure lässt sich der
Druck auf die Prallwand aus der dynamischen Einwirkung abschätzen
[4]:
qf = a⋅
e0 =
⋅ g ⋅ h ⋅ K0
e0: Erdruhedruck, bodeneben [kN/m2]
f
⋅vf
2
ρ: Dichte der Hangmure, 1600 kg/m3
g: Erdbeschleunigung, 9.81 m/s2
qf: Druck [kN/m2]
h: Ablagerungshöhe, 3.6 m
a: Druckkoeffizient für feinkörnigen Murgang, 2
K0: Beiwert, 0.5. Aus [16] ist K0 ≈ 1 – sin(φ) und φ = 30°
ρf: Dichte der Hangmure, 1600 kg/m3
Der maximale Erddruck ist aus der auf Bodenebene und beträgt rund
vf: Geschwindigkeit Hangmure, 7.7 m/s
28 kN/m2.
Daraus ergibt sich ein Druck von 190 kN/m2. Die Dichte der Hangmure
wird aufgrund des grossen Holzanteils tief angesetzt.
Fazit Ergebnis
Die hohe Geschwindigkeit ergibt einen äusserst hohen Druckwert. An-
Die Abschätzungen der Druckwerte auf Prozessseite ergeben damit eine
genommen die Spritzer sind aufgrund des verdreckten Astmaterials ent-
Bandbreite von minimal 28 kN/m2 und maximal 190 kN/m2. Der maximale
standen und die Höhendifferenz Spritzerhöhe – Fliesshöhe beträgt 2 m,
Druckwert ist mit grosser Wahrscheinlichkeit zu gross, da vermutlich die
ergibt sich eine Geschwindigkeit von 6.3 m/s und ein Druckwert von 127
Spritzerhöhe durch die mitgerissenen Bäume verfälscht wurde - realisti-
kN/m2.
scher scheint der maximale Druck von 127 kN/m2.
16
1.7 Fallbeispiel Alpnachstad Wohngebäude
1.7.1 Ausgangslage
1.7.2 Methode
Das Wohnhaus in Alpnachstad ist am Hangfuss einer steilen Weide
Damit Angaben zur Beanspruchung der Schutzmauer gemacht werden
gelegen. Das einfache Holzgebäude steht auf einer unterkellerten, be-
können, wird einerseits die Einwirkung der Hangmure abgeschätzt und
tonierten Werkstatt, welche das Fundament des Gebäudes bildet. Die
andererseits die maximale Belastung einer solchen Schutzmauer be-
Rückwand auf der Hangseite ist mit einer Schutzmauer verstärkt. Die
rechnet.
Schutzmauer entstand vor rund 30 Jahren durch Eigeninitiative des Ge-
Die Einwirkung der Hangmure wird über die Geschwindigkeit und den
bäudeeigentümers.
Druck abgeschätzt. Der Druck wird mit dem Rutschblockmodell und dem
statischen Erddruck bestimmt
Abbildung 14: Wohnhaus mit Schutzmauer in Alpnachstad. Die Erdablagerung an der Schutzmauer beträgt bis zu 2m. (Foto. Amt für Wald und
Raumentwicklung OW, Abt. Naturgefahren)
Das Wohnhaus wurde am Sonntagabend, 21. August 2005, zwischen
Die Schutzmauer hielt der Belastung stand, lediglich kleine Risse in der
21:00 und 21:30 Uhr von der Hangmure getroffen. Der Eigentümer be-
Mauer sind sichtbar, welche auf das Ereignis zurückzuführen sein könn-
fand sich beim Schadenseintritt im Haus und blieb unverletzt. Am Trag-
ten. Baustatische Rückrechnungen geben die Belastungsgrenze der
werk entstand kein Schaden.
Schutzmauer wieder und grenzen die Druckwerte der Hangmure nach
oben ab.
17
1 Verletzlichkeit der Gebäude
1.7.3 Ergebnis
Für die Abschätzung der Einwirkung sind die Hangmuren mit Anriss 5
und 4 relevant, 1 und 2 sind auslaufend, 3 ist zu kurz, als dass sie die
Schutzmauer erreicht, 6 verfehlt die Schutzmauer.
Abbildung 15: Luftaufnahme der Hangmuren in Alpnachstad. Weiss gestrichelt die Profillinie (Foto: Amt für Wald
und Raumentwicklung OW, Abt. Naturgefahren).
Rutschblockmodell
Die Geschwindigkeit für die Intensitätsabschätzung wird aufgrund eines
Rutschblockmodells berechnet [13] [17]. Als Reibungswinkel wird das
Pauschalgefälle angenommen. Das Pauschalgefälle entspricht dem Gefälle zwischen Abrisskante und unterstem Ablagerungspunkt, in der folgenden Formel als H/L berücksichtigt. Die Geschwindigkeitsbestimmung
berücksichtigt weiter die Ablagerungslänge als horizontale Distanz der
abgelagerten Hangmure und das Gefälle der Ablagerungsstrecke.
v = s ⋅ 2 g ⋅ ((
H
) ⋅ cos − sin )
L
v: Geschwindigkeit Hangmure [m/s]
s: Ablagerungslänge [m]
g: Erdbeschleunigung, 9.81 m/s2
H: Höhendifferenz [m], zwischen Abrisskante und untersten Ablagerungspunkt
L: Längendifferenz [m], zwischen Abrisskante und untersten Ablagerungspunkt
θ: Gefälle Ablagerungsstrecke [°]
18
Für das Rutschblockmodell muss die Hangmure ungestört auslaufen
Das Rutschblockmodell setzt ein grösseres Pauschalgefälle und ein
können. Die Hangmuren, die vollständig oder teilweise die Schutzmauer
kleineres Gefälle der Ablagerungsstrecke voraus. Bei Hangmuren wie
erreichen sind für die Berechnungen nicht geeignet (Hangmure 4 und 5).
in diesem Fall scheint das nicht notwendig, denn neben der Hangnei-
Aus diesem Grund wird die Berechnung mit den beiden ungestört abge-
gung spielt wahrscheinlich das Wasser eine entscheidende Rolle beim
gangenen Hangmuren 1 und 2 durchgeführt, welche sich in unmittelbarer
Transport des Erdmaterials. Zerfliesst das Wasser im Verlaufe der Ab-
Nähe zu den Hangmuren 4 und 5 befinden (Abbildung 15). Die beiden
strömung, kommt die Hangmure zum Stillstand.
Hangmuren verlaufen parallel zu den Hangmuren, welche die Prallwand
Aus der Geschwindigkeit und der Dichte der Hangmure lässt sich der
des Wohngebäudes getroffen haben, die Anrissstellen sind vergleichbar.
Druck auf die Schutzmauer aus der dynamischen Einwirkung abschät-
Hangmuren 1 und 2 befinden sich in derselben Falllinie, was eine ge-
zen [4]:
naue Unterscheidung der Ablagerungsstrecke erschwert. Wahrscheinlich
ist die Hangmure 2 vor 1 abgeflossen, was die teilweise Ablagerung der
Hangmure 1 im Anriss der Hangmure 2 erklärt.
qf = a⋅
f
⋅vf
2
qf: Druck [kN/m2]
a: Druckkoeffizient für feinkörnigen Murgang, 2
Die Hangmure 1 erlaubt keine Berechnung der Geschwindigkeit nach
ρf: Dichte der Hangmure, 1800 kg/m3
dem Rutschblockmodell, da das Pauschalgefälle (29°) gleich oder ge-
vf: Geschwindigkeit Hangmure, 2.6 m/s
ringer ist als das Gefälle der Ablagerungsstrecke (29° - 32°) (Abbildung
Daraus ergibt sich ein Druck von 24.3 kN/m2.
16).
Die Geschwindigkeit der Hangmure 2 hängt ab vom untersten Punkt der
Ablagerungsstrecke: Befindet sich der unterste Ablagerungspunkt vor
dem Geländeknick, so ergibt sich ein Pauschalgefälle gleich oder kleiner
als das Gefälle der Ablagerungsstrecke und damit ist keine Geschwindigkeitsberechnung möglich.
Ist der unterste Ablagerungspunkt weit nach dem Geländeknick im flachen Teilstück nahe der Strasse, ergibt sich eine Geschwindigkeit der
Hangmure von 8.8 m/s (Pauschalgefälle 25°, Auslaufstrecke 15 m, Gefälle Ablagerung 11°). Wird die Ablagerung vor und nach dem Geländeknick
angenommen ergibt sich ein Pauschalgefälle von 31°, eine Auslaufstre-
Statischer Erddruck
Der statische Erddruck ist der minimale Druck der auf die Schutzmauer
wirkt, die dynamische Komponente wird dabei nicht berücksichtigt. Der
Erddruck beträgt [16]:
e0 =
⋅ g ⋅ h ⋅ K0
e0: Erdruhedruck, bodeneben [kN/m2]
ρ: Dichte der Hangmure, 1800 kg/m3
g: Erdbeschleunigung, 9.81 m/s2
h: Ablagerungshöhe, 2.0 m
K0: Beiwert, 0.5. Aus [16] ist K0 ≈ 1 – sin(φ) und φ = 30°
cke von 17.4 m und ein Gefälle der Ablagerung von 30° und damit die
Geschwindigkeit von 2.6 m/s. Aufgrund der Fotos kann angenommen
werden, dass sich ein Grossteil des Materials im steilen Gelände, also
vor dem Geländeknick, abgelagert hat und die Geschwindigkeit von 2.6
m/s ein realistischer Wert darstellt.
Die obigen Berechungen mit den verschiedenen unteren Ablagerungspunkten zeigen, dass die Geschwindigkeit entschieden von diesen abhängt.
19
1 Verletzlichkeit der Gebäude
Baustatik
Ausgehend von einer rückverankerten Stahlbetonkonstruktion sind folgende Annahmen für die Berechnung getroffen worden: die Position der
Anker wird nach Abbildung 17 vermutet. Die Armierung hat den Durchmesser 12 mm, Abstand 200 mm, ist kreuzweise und beidseitig verlegt.
Die Schutzmauer hat eine durchgehende Dicke von 25 cm.
Die Berechnung der Schutzmauer zeigt ein Bruchmoment bei 65 – 70
kNm/m (Bruchmoment auf 1 Meter Höhe). Diese Werte werden, mit
Ausnahme im Bereich der Ankerköpfe, nie überschritten. Mit Momenten
bis rund 50 kNm/m liegen diese zum Teil über den zulässigen Momenten, was die gesichteten Risse in der Schutzmauer erklärt. Genauere
Rückschlüsse aufgrund der Rissgrössen sind nicht möglich, da zu viele
Unbekannte Einfluss haben. Da es im Bereich der Ankerköpfe nicht zu
einem Versagen der Tragkonstruktion gekommen ist, deutet dies darauf hin, dass in diesem Bereich die Bewehrungseinlagen höher und die
Konstruktionsart und Stärke entsprechend ausgebildet wurden. Um den
maximalen Betonbruch der Mauer im Ankerbreich zu erreichen, hätte ein
dynamischer Druck von gegen 50 kN/m2 herrschen müssen.
Abbildung 16: Höhenprofil von Hangmure 1 und 2 für die Modellberechnung
Die Abschätzungen der Druckwerte auf Prozessseite ergeben Werte von
18 kN/m2 (ohne Berücksichtigung der Geschwindigkeit) und 24 kN/m2 mit
dem Rutschblockmodell. Auf Seite Baustatik ergibt sich der Druck von
50 kN/m2, diesen Wert erreichten die Hangmuren jedoch nicht, da die
Schutzmauer nicht versagte.
Abbildung 17: Seitenriss der Schutzmauer des Hauses in Alpnachstad.
20
1.8 Fallbeispiel Schüpfheim
Wohngebäude
1.8.1 Ausgangslage
1.8.2 Methode
Das Wohngebäude wurde durch eine Hangmure getroffen, dadurch ent-
Die Einwirkung der Hangmure auf das Gebäude wird mit den Erdsprit-
standen an der einfachen Holzkonstruktion starke Schäden am Tragwerk
zern an der Prallwand abgeschätzt [4]. Die baustatischen Nachrechnun-
(Abbildung 18).
gen stützen sich auf eine einfache Holzkonstruktion, was der Realität
entspricht (Abbildung 18). Baupläne des Gebäudes fehlen.
Abbildung 18: Vollständig zerstörtes Wohnhaus in Schüpfheim (Foto: Egli Engineering).
Die mächtige Hangmure wies eine Anrisstiefe von 2.2 m auf; das Gebäude befand sich 150 m bis 200 m unterhalb der Anrissstelle. Das Gebäude
war zum Zeitpunkt des Ereignisses bewohnt. Glücklicherweise waren
keine Verletzte oder Todesopfer zu beklagen.
21
1 Verletzlichkeit der Gebäude
1.8.3 Ergebnis
Baustatik
Erdspritzer
Baustatische Rückrechnungen sind aufgrund der fehlenden Datenlage
Die Spritzer der Hangmure an der Prallwand ergeben folgende Ge-
schwierig. Ausgehend von einem beidseitig verschalten Holzständerbau
schwindigkeit [4]:
wird angenommen, dass die Holzbalken einen Querschnitt von 12 x 12
v = 2 ⋅ g ⋅ hs
cm aufwiesen und im Abstand von 70 cm verbaut wurden. Die mittlere
v: Geschwindigkeit Hangmure [m/s]
Biegebruchspannung der Balken beträgt 36 N/mm2.
g: Erdbeschleunigung, 9.81 m/s2
hs: Höhendifferenz der Spritzerhöhe (3.5 m) und der Fliesshöhe (1.3 m)
maximal 30 kN/m2 versagt. Die Holzkonstruktion ist jedoch kaum auf
, 2.2 m
Daraus ergibt sich eine Geschwindigkeit von 6.6 m/s. Aus der Geschwindigkeit und der Dichte der Hangmure lässt sich der Druck auf die Prallwand aus der dynamischen Einwirkung abschätzen [4]:
qf = a⋅
f
⋅vf
2
qf: Druck [kN/m2]
a: Druckkoeffizient für feinkörnigen Murgang, 2
ρf: Dichte der Hangmure, 1800 kg/m3
vf: Geschwindigkeit Hangmure, 6.6 m/s
Daraus ergibt sich ein Druck von 157 kN/m2.
22
Die Berechnungen der Einzelbauteile ergeben, dass die Prallwand bei
horizontale Einwirkungen konstruiert und weist aufgrund des fehlenden
Eigengewichtes einen deutlich geringeren Widerstand auf (weniger als
20 kN/m2).
1.9 Fallbeispiel Entlebuch Wohn-
gebäude und Stallung
1.9.1 Ausgangslage
1.9.2 Ergebnis
Die alte inaktive Rutschung Feldweid wurde durch die hohen Nieder-
Die Rutschgeschwindigkeit betrug rund 15 m pro Tag, gesamthaft wurden
schlagsmengen in der Nacht vom 22. auf den 23. August 2005 reakti-
das Wohngebäude und der Stall rund 30 m verschoben.Die ungleich-
viert.
mässigen Bewegungen der Rutschmasse führten zum Totalschaden an
Die Bewohner konnten davor evakuiert werden. Detaillierte Angaben zur
den Gebäuden.
Rutschung finden sich in [2].
Abbildung 19: Wohngebäude auf tiefgründiger Rutschung (Foto: Egli Engineering).
23
1 Verletzlichkeit der Gebäude
1.10 Fallbeispiel Wohlhusen
Schweinestall, Diemtigtal
Wohngebäude
1.10.1Ausgangslage
Die hochwasserführende Kleine Emme erodierte das Fundament eines
Im Diemtigtal wurden das Wohngebäude des Weilers Linder und die
Schweinestalls weg, so dass das Gebäude in das Flussbett abrutschte.
Kantonsstrasse schwer getroffen.
Abbildung 20: Schweinestallung zerstört durch die Ufererosion der Kleinen Emme (Foto: Egli
Egineering).
Abbildung 21: Durch Ufererosion und Gerinneverlagerung stark beschädigte Liegenschaft und
Kantonsstrasse im Diemtigtal (Foto: Geo7, Schächli, Abegg + Hunzinger).
24
1.11 Schlussfolgerungen zum
Kapitel ‚Verletzlichkeit der
Gebäude’
•
starke Intensität: Menschen und Tiere sind auch innerhalb von Gebäuden gefährdet, mit erheblichen Schäden an Gebäuden bis zu
plötzlichen Gebäudezerstörungen ist zu rechnen.
•
mittlere Intensität: Menschen und Tiere sind ausserhalb von Ge-
In den folgenden Abschnitten soll die Schadenwirkung auf Mensch und
bäuden stark, innerhalb von Gebäuden jedoch kaum gefährdet; mit
Gebäude mit den Grenzwerten der Bundesempfehlungen verglichen
Schäden an Gebäuden ist zu rechnen.
•
werden.
schwache Intensität: Menschen und Tiere sind innerhalb und ausserhalb von Gebäuden kaum gefährdet; mit Sachschäden in Ge-
Die Intensitäten werden nach den Bundesempfehlungen in schwach, mit-
bäuden (beispielsweise Kellerräumen) muss gerechnet werden.
tel und stark klassiert [9], S. 24]:
Die Klassengrenzen der Intensitäten werden für jeden einzelnen Prozess
festgelegt [9], S. 26. [10], S. 19:
Intensität
Starke
Mittlere
Schwache
H>1m
H<1m
Keine
und
oder
V > 1 m/s
V < 1 m/s
potentiell
M>2m
0.5 m < M < 2 m
M < 0.5 m
real
h>1m
h<1m
keine
Starke Differentialbewe-
v > 2 cm/Jahr
v ≤ 2 cm/Jahr
2 m > d > 0.5 m
d < 0.5 m
Übermurung
Hangmure
Rutschung
gungen; v > 0.1 m/Tag bei
oberflächlichen Rutschungen;
Verschiebungen > 1 m pro
Ereignis
Ufererosion
d>2m
Tabelle 2: Grenzwerte der Intensitäten nach Prozess aus [9] und [10].
H: Mächtigkeit Murgang-Ablagerung
V: Fliessgeschwindigkeit Murgang
M: Mächtigkeit der mobilisierbaren Schicht
h: Mächtigkeit der Ablagerung der Hangmure
v: langfristige durchschnittliche Rutschgeschwindigkeit
d: mittlere Mächtigkeit der Abtragung
25
1 Verletzlichkeit der Gebäude
1.11.1Überschwemmung Wildbach
1.11.2Murgang
Die Übersarung wird in den Empfehlungen des Bundes nicht als eigent-
Das Fallbeispiel Brienz zeigt mit aller Deutlichkeit, dass im Bereich der
licher Gefahrenprozess ausgewiesen, da sie immer mit einer dynami-
hohen Intensität mit einem Tragwerksschaden am Gebäude gerechnet
schen Überschwemmung auftritt. Das Potenzial der Übersarung als
werden muss. Das entspricht den Empfehlungen des Bundes. Doch auch
Schadenverursacher zeigt das Fallbeispiel in Kien: zum Teil meterhohe
im Bereich der mittleren Intensität kam es zu Schäden am Tragwerk, was
Geschiebeablagerung führten zur Verkippung der Grundmauern.
sich nur bedingt mit den Empfehlungen deckt.
Bei Gerinnen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von Geschiebeablagerung ist es sinnvoll, auf die Einwirkung der Übersarung auf Menschen
und Gebäude hinzuweisen.
1.11.3Hangmure
Die Einteilung in die Intensitäten nach Bundesempfehlungen kann nicht
nach der Mächtigkeit der mobilisierbaren Schicht vorgenommen werden,
da der Prozess bereits abgelaufen ist. Auch ist der natürliche Auslauf
der Hangmure in den Fallbeispielen Vitznau und Alpnachstad durch das
Aufstauen an der Gebäudewand gestört worden. Die Festlegung der Intensitäten für die beiden Fallbeispiele wird aufgrund der Anrisstiefe der
Hangmure, der Stauhöhe der Ablagerung an der Prallwand und der allgemeinen Bodenmächtigkeit des Hanges vorgenommen. Im Fallbeispiel
Gersau und Schüpfheim ist die ungestörte Ablagerungsmächtigkeit bekannt.
Vitznau
Gersau
Intensität nach Bundesempfehlung
Bemerkung
Schadenwirkung
Grenzwert
Messgrössen Prozess
Gebäude
mittel
mittel
Anrisstiefe: 1 m
Gute Bausubstanz (armierter Be-
(Einschätzung)
Stauhöhe: 0.8 - 2.2 m
ton), Entlastung dank Fensterfront
stark
h: 1.5 m
Mauerwerk, fehlende Aussteifung
stark
Stauhöhe: 1.8 – 4 m
Alpnachstad
Schüpfheim
(mittel) stark
stark
mittel
Stauhöhe: 2 m
Schwache Bausubstanz verstärkt
(Einschätzung)
Bodenmächtigkeit 0.5 – 1 m
mit Objektschutz (armierter Beton)
mittel
h<1m
Schwache
Anrisstiefe: 2.2 m
bau)
Stauhöhe: 1 – 1.5 m
Tabelle 3: Schadenwirkung und Grenzwert nach den Empfehlungen des Bundes [9], [10] durch Hangmuren
26
Bausubstanz
(Holz-
Der Vergleich der Intensität nach Schadenwirkung und der Intensität nach
1.11.4Rutschung
Grenzwerten in der Tabelle 3 zeigt eine gute Übereinstimmung. Daraus
Die Rutschung im Entlebuch mit einer Geschwindigkeit von 15 m pro
kann geschlossen werden, dass die Ablagerungshöhe der Hangmure ein
Tag liegt klar im Bereich der starken Intensität nach den Bundesempfeh-
brauchbares Mittel ist, mittlere und hohe Intensitäten zu trennen. Aller-
lungen, was mit dem Totalschaden des betroffenen Gebäudes überein-
dings zeigt das Fallbeispiel Schüpfheim, dass bei Leichtholzbauweise
stimmt.
Schäden vorzeitig auftreten können: Das Bauernhaus ist vollständig von
der Hangmure zerstört worden (starke Intensität), doch die Ablagerungshöhe ist mit grosser Wahrscheinlichkeit unter einem Meter gewesen
(mittlere Intensität). Auch der Fall Alpnachstad weist in diese Richtung:
ohne Schutzmauer hätte das einfache Holzhaus Schäden am Tragwerk
genommen und das bei mittlerer Intensität. Daraus kann geschlossen
werden, dass die Grenzwerte nur bei solider Bausubstanz erfüllt werden
1.11.5Ufererosion
Die Ufererosion im Fall Wohlhusen liegt mit einer mittleren Mächtigkeit
der Abtragung grösser 2 m in der Klasse der starken Intensität (Tabelle
2) was auch mit dem realen Schadenbild gut übereinstimmt. Die beiden
Fallbeispiele zeigen deutlich, dass eine Unterkellerung den Gebäudeschaden durch Ufererosion mindert.
können.
Solide ist die Bausubstanz, wenn Baumaterial und Gebäudeaussteifung
den Einwirkungen angepasst sind. Zu berücksichtigen ist, dass die vom
Gebäude aufgenommenen Kräfte auch in den Untergrund weitergeleitet
werden müssen; daher ist die Gebäudestatik auf Gleiten zu prüfen.
27
2 Objektschutz an Gebäuden
Der Objektschutz von Gebäuden wird exemplarisch anhand erfolgreicher
und fehlgeschlagener Vorkehrungen dargestellt und die Gründe für den
Erfolg beziehungsweise Misserfolg dargelegt. Im Weiteren wird das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Schutzvorkehrungen ermittelt.
2.1 Übersicht der Fallbeispiele
Die Gebäudeeigentümer der Fallbeispiele müssen vor Herbst 2005 Objektschutzmassnahmen realisiert haben und beim Hochwasser 2005
betroffen worden sein. Vorangegangene Hochwasser wie beispielsweise das Hochwasser 1999 waren ideale Auslöser, damit die Gebäudeeigentümer vor Herbst 2005 Objektschutzmassnahmen ausführten. Aus
diesem Grund stammen die Fallbeispiele häufig aus Regionen mit Hochwassererfahrung (Tabelle 4).
Ort
objekt
Prozess
Stansstad
Mehrfamilienhaus
Überschwemmung statisch
Gwatt (Thun)
Mehrfamilienhäuser
Überschwemmung statisch
Gwatt (Thun)
Uhrenfabrik
Überschwemmung statisch
Dallenwil
Wasserkraftwerk
Überschwemmung dynamisch
Bern
Wohnhaus
Überschwemmung dynamisch
Stans
Spital
Übersarung
Kanton Nidwalden
Wohnhäuser
Überschwemmung statisch
Tabelle 4: Fallbeispiele im Kapitel Objektschutz an Gebäuden
28
2.2 Fallbeispiel Stansstad
Mehrfamilienhaus
2.2.1 Ausgangslage und
Objektschutzmassnahme
Das Mehrfamilienhaus in Stansstad war sowohl vom Seehochwasser
Diese wurden durch eine Betonbodenplatte ersetzt und das Gebäude,
des Vierwaldstättersees 1999 als auch vom Hochwasser 2005 betroffen.
Parkplätze und Zufahrt mit einer Betonmauer umfasst. Zusätzlich wurden
Vor dem Ereignis 2005 wurden umfangreiche Objektschutzmassnahmen
Pumpenschächte und Rückstauklappen eingebaut. Die Einfahrt und der
ergriffen: Der Untergrund des Parkplatzes und der Einfahrt bestand vor
Eingang werden im Ereignisfall mit Dammbalken abgedichtet (Abbildung
2004 aus Verbundsteinen.
22).
Abbildung 22: Mehrfamilienhaus in Stansstad geflutet beim Seehochwasser 1999 (links) und die Situation mit Objektschutz
beim Hochwasser 2005 (rechts) (Foto: Nidwaldner Sachversicherung).
29
2 Objektschutz an Gebäuden
Abbildung 22: Aufriss (oben) und Grundriss (unten) der Bodenplatte und der Schutzmauer (Quelle: Nidwaldner Sachversicherung).
30
2.2.2 Gefahrenszenario
2.2.4 Kosten-Nutzen-Analyse
Der Objektschutz ist auf eine statische Überschwemmung durch den
Durch das Hochwasserereignis 2005 entstand trotz der Objektschutz-
Vierwaldstättersee ausgerichtet. Das Ereignis 2005 entsprach dem er-
massnahme ein Gesamtschaden von CHF 52‘000.- (Angaben des Ge-
warteten Gefahrenszenario.
bäudeeigentümers). Der Schaden entstand am Gebäude und an der tech-
2.2.3 Zuverlässigkeit der
Objektschutzmassnahmen
nischen Einrichtung, dazu kam der Mietzinsausfall von CHF 21‘000.-. Die
Die Zuverlässigkeit erfolgt aufgrund der Beurteilung der Tragsicherheit,
Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nach den SIA Normen 260
und 261 [14]. Die Objektschutzmassnahme weist aufgrund des Schemas
in Abbildung 31 eine hohe Zuverlässigkeit auf:
Tragsicherheit
Die Mauerhöhe ist bis auf einen maximalen Seespiegel von 435.25 m
über Meer plus 25 cm Wellenzuschlag dimensioniert. Beim Ereignis 2005
stieg der Vierwaldstättersee auf eine Kote von 435.23 m über Meer und
war somit knapp unter dem Maximalpegel der Objektschutzmassnahme.
hohen Schadenskosten aufgrund des Hochwassers 2005 sind auf das
Druckwasser aus dem Untergrund zurückzuführen. Die Schwachstellen
lagen im Kellergeschoss und in den offenen Abläufen in der Waschküche. Das Druckwasser drang durch die undichten Fugen in die Garagen,
und in das Eingangs- und Untergeschoss ein.
Durch den Objektschutz ist ein Gesamtschaden von rund CHF 290‘000.verhindert worden. Denn bei einer Flutung des Gebäudes hätte das
Untergeschoss (Bodenbelag und Wand) mit der Haustechnik (Heizung,
Warmwasser, Elektroinstallation, Lüftung, Kellerräume) Schaden genommen. Dazu wäre ein mehrmonatiger Mietzinsausfall von rund CHF
40‘000.- gekommen (Angaben des Gebäudeeigentümers).
Gebrauchstauglichkeit
Ohne Objektschutzmassnahmen ist bereits ab einer Kote von 434.52 m
Der Objektschutz setzt sich aus permanenten und temporären Mass-
über Meer (plus 25 cm Freibord für den Wellenschlag) mit einem Was-
nahmen zusammen. Die Bodenplatte und die Mauer waren dicht. Die
serschaden zu rechnen. Diese tiefe Kote (Wiederkehrperiode 10 Jahre)
Dammbalken für die Absperrung der Einfahrt zu den Parkplätzen und der
wird mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit innerhalb der Lebensdauer des
Eingang konnten, dank der langen Vorwarnzeit und der Überwachungs-
Gebäudes einmal überschritten. Mit den Objektschutzmassnahmen ist
mannschaft, welche sich spontan bildete, rechtzeitig eingesetzt werden.
ein Schutz bis zu 435.25 m über Meer plus 25 cm Wellenzuschlag garan-
Die Überwachungsmannschaft beobachtete ständig das Geschehen und
tiert, was eine Wiederkehrdauer von mehr als 300 Jahren aufweist. Die
griff notfalls ein. Sie erstellte auch eine detaillierte Mängelliste und lieferte
Lebensdauer der Bodenwanne beträgt schätzungsweise 50 Jahre.
Verbesserungsvorschläge für die Schutzmassnahmen.
Dauerhaftigkeit
Die Dammbalkensysteme brauchen nur ein geringes Mass an Unterhalt
(Überprüfen der Dichtungen, Reinhalten der Führungssysteme). Bedeutend aufwendiger ist die personelle Betreuung: Im entscheidenden
Moment muss fachkundiges Personal die temporären Massnahmen einsetzen können. Im Mehrfamilienhaus Stansstad bildete sich eine solche
Organisation aus engagierten Bewohnern des betroffenen Hauses; diese
sind auch in Zukunft für den Einbau der Schutzmassnahmen zuständig.
31
2 Objektschutz an Gebäuden
Schadensgrenze ohne Objektschutz [m ü. M.]
434.52 + 25 cm (HQ 10)
Schadensgrenze mit Objektschutz [m ü. M.]
435.25 + 25 cm (HQ >300)
Schadenpotenzial bei HQ 300 [CHF]
290‘000.-
Lebensdauer Objektschutzmassnahme [Jahre]
50
Kosten Objektschutzmassnahme [CHF]
350‘000.Tabelle 5: Allgemeine Angaben zum Objektschutz des Mehrfamilienhaus in Stansstad
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hochwasser während der Lebensdauer
Die jährlichen Kosten für den Objektschutz sind mit CHF 13’605.- deut-
der Objektschutzmassnahme eintritt, das heisst dass die Bodenwanne
lich höher als der jährliche Nutzen aus der Schadensverhinderung von
innerhalb ihrer Lebensdauer auch tatsächlich gebraucht wird, ist mit 84%
CHF 2’436.-. Aus wirtschaftlicher Sicht lohnt sich die Investition in den
sehr gross (Berechnung nach Methode [4]).
Objektschutz in diesem Fallbeispiel nicht, die Investitionskosten sind 5.6
Das Schadenpotenzial beträgt bei einem HQ 300 CHF 290’000.-. Mit der
mal höher als der Nutzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Hochwasser
Annahme eines linearen Anstiegs der Schadensumme ergibt sich ein
grösser als das 10-jährliche innerhalb der Lebensdauer des Gebäudes
Nutzen von CHF 121‘800.-. Der jährliche Nutzen der Objektschutzmass-
auftritt ist jedoch sehr gross und Objektschutzmassnahmen müssen da-
nahme ist damit CHF 2’436.- (Berechnung nach Methode [4]).
her ergriffen werden.
Die Kosten für den Bau der Wanne belaufen sich nach Angaben des
Eigentümers auf CHF 350‘000.-. Die jährlichen Kosten für den Objektschutz berechnen sich aufgrund des Zinses des investierten Kapitals. Bei
einer Lebensdauer des Bauwerks von 50 Jahren und der Verzinsung der
Investition mit 3% beträgt der Kapitalwiedergewinnungsfaktor 0.03887
[4]. Damit ergeben sich bei einer Investition von CHF 350‘000.- für die
Objektschutzmassnahmen jährliche Kosten von CHF 13’605.-.
32
2.3 Fallbeispiel Gwatt (Thun)
Mehrfamilienhäuser
2.3.1 Ausgangslage und
Objektschutzmassnahme
Die drei Mehrfamilienhäuser stehen in nächster Nähe zum Thunersee.
Sie benutzen eine gemeinsame unterirdische Einstellhalle, welche mit
2.3.2 Gefahrenszenario
Der Objektschutz ist auf eine statische Überschwemmung durch den
Thunersee ausgerichtet. Das Ereignis 2005 entsprach dem erwarteten
Gefahrenszenario.
2.3.3 Zuverlässigkeit der
Objektschutzmassnahmen
den drei Häusern verbunden ist. Die Einstellhalle bleibt bis zu einer Kote
Die Zuverlässigkeit erfolgt aufgrund der Beurteilung der Tragsicherheit,
von 558.55 m über Meer plus 20 cm Wellenschlag trocken. Steigt das
Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nach den SIA Normen 260
Wasser über diese Kote, muss die Halle geflutet werden, da sie nicht
und 261 [14]. Die Objektschutzmassnahme weist aufgrund des Schemas
gegen Auftrieb gesichert ist.
nach Abbildung 31 eine hohe Zuverlässigkeit auf:
Damit das Wasser aus der gefluteten Einstellhalle nicht über die beiden
Durchgänge die Untergeschosse der drei Mehrfamilienhäuser über-
Tragsicherheit
schwemmt, werden metallene Drucktüren über die bestehenden Türen
Beim Hochwasser 2005 befand sich der Wasserspiegel rund 0.5 m über
geschraubt (Abbildung 24). Diese sind dicht und können dem Wasser-
der Terrainhöhe und die Einstellhalle musste geflutet werden. Die Mete-
druck widerstehen. Neben den beiden Drucktüren sind Rückstauklappen
orwasserpumpe, welche im Normalfall das Niederschlagswasser aus der
in die Abwasserleitung eingebaut, auch die Kabelleitungen und die Fu-
Einstellhalle schafft, wurde durch eine undichte Kabelleitung geflutet und
gen sind abgedichtet.
beschädigt. Die Drucktüren zu den Untergeschossen der drei Mehrfamilienhäuser konnten dem Wasserdruck standhalten. Doch Wasser drang
über die vorgängig abgedichtete Elektrozuführung ein. Auch Fugenabdichtungen zwischen der Einstellhalle und den Mehrfamilienhäusern erwiesen sich als leck, da die Abdichtung nur bis zur Schadenskote bei
Baubeginn aufgezogen worden war.
Gebrauchstauglichkeit
Die Drucktüren konnten zeitig geschlossen und die Einstellhalle kontrolliert geflutet werden. Mit Hilfe von Pumpen konnte das über die lecken
Stellen eindringende Wasser abgeführt werden.
Dauerhaftigkeit
Die dauerhafte Funktionstüchtigkeit der Massnahme hängt vom rechtzei-
Abbildung 24: Drucktüre in der Einstellhalle der Mehrfamilienhäuser
Gwatt in Thun (Foto: Egli Engineering).
tigen Schliessen der Drucktüren und von der permanenten Überwachung
im Ereignisfall ab. Die entsprechende Organisation besteht.
33
2 Objektschutz an Gebäuden
2.3.4 Kosten-Nutzen-Analyse
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Objektschutzmassnahme während der
Durch die Flutung der Einstellhalle entstanden Schäden an der Beleuch-
nächsten 50 Jahre zum Einsatz kommt (HQ > 20) und nicht unterdimensi-
tung der Halle, an der Elektronik des automatischen Eingangstors, an der
oniert ist (HQ < 200), beträgt 70% (Berechnung nach Methode [4]).
Meteorwasserpumpe, am Radio- und Fernsehverteiler, am Gefrierschutz
Mit dem Schadenpotenzial von CHF 500’000.- bei einem HQ 200 ergibt
der Feuerwehrwasserzuleitung und am Hauswartsraum. Das über die
sich ein jährlicher Nutzen der Objektschutzmassnahme von CHF 3’500.-.
Fugen und Kabelleitungen einfliessende Wasser im Kellerbereich konnte
Angenommen wird ein linearer Anstieg der Schadensumme von HQ 20
kontrolliert abgeführt werden und verursachte nur geringe Schäden. Die
bis HQ 200 (Berechnung nach Methode [4]).
Schadenkosten vom Ereignis 2005 sind nicht bekannt.
Die Kosten für die Objektschutzmassnahmen belaufen sich nach SchätDas Schadenpotenzial umfasst die Einrichtung der Kellerräume der drei
zung Egli Engineering auf 20‘000.- Fr (2 Drucktüren, Abdichtungen der
Mehrfamilienhäuser (27 Waschmaschinen, Gasheizungen mit Warmwas-
Rohre und Fugen, Rückstauklappen).
seraufbereitung, 3 Liftanlagen, 3 Elektroinstallationsverteiler und Telefonanlage), die Einstellhalle (Meteorwasserpumpe) und den Mietzinsausfall
Die jährlichen Kosten für den Objektschutz berechnen sich aufgrund des
der 27 Wohnungen für rund 6 Monate, was einem Schadenpotenzial von
Zinses des investierten Kapitals. Bei einer Lebensdauer des Bauwerks
CHF 500‘000.- entspricht (Schätzung Egli Engineering).
von 50 Jahren und der Verzinsung der Investition mit 3% beträgt der
Ohne Objektschutzmassnahmen überstehen die drei Mehrfamilienhäu-
Kapitalwiedergewinnungsfaktor 0.03887. Mit der Investition von CHF
ser ein Ereignis bis zu einer Kote von 558.55 m über Meer plus 20 cm
20’000.- ergeben sich jährliche Kosten für die Objektschutzmassnahmen
Wellenschlag, was einer Wiederkehrdauer von knapp 20 Jahren ent-
von CHF 777.- (Berechnung nach Methode [4]).
spricht. Mit der Objektschutzmassnahme im Bereich der Einstellhalle ist
das Haus geschützt bis zu einer Kote mit einer Wiederkehrdauer von
Der Vergleich der jährlichen Kosten von CHF 777.- mit dem jährlichen
rund 200 Jahren. Denn bei einer Kote von 559.13 m über Meer und 20
Nutzen von CHF 3’500.- zeigt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 0.22,
cm Wellenzuschlag werden andere Schwachstellen aktiv und das Was-
das heisst der jährliche Nutzen ist 4.5-mal grösser als die jährlichen Kos-
ser läuft durch die Schächte der Kellerfenster in das Untergeschoss.
ten.
Aus diesem Grund wird davon ausgegangen, dass die getroffenen Massnahmen bis zu einem 200 jährlichen Ereignis Schutz bieten. Beim Ereignis 2005 mit einem Seepegel von 559.25 m über Meer ist die Schadensgrenze bereits überschritten worden. Doch dank dem geringen
Wellenschlag beim Hochwasser verhinderten die 20 cm Wellenzuschlag
ein Versagen der Objektschutzmassnahmen. Die Schutzmassnahmen
haben eine Lebensdauer von rund 50 Jahren.
Schadensgrenze ohne Objektschutz [m ü. M.]
558.55 + 20 cm (HQ 20)
Schadensgrenze mit Objektschutz [m ü. M.]
559.13 + 20 cm (HQ 200)
Schadenpotenzial bei HQ 200 [CHF]
500‘000.-
Lebensdauer Objektschutzmassnahme [Jahre]
50
Kosten Objektschutzmassnahme [CHF]
20‘000.-
Tabelle 6: Allgemeine Angaben zum Objektschutz der Mehrfamilienhäuser in Gwatt (Thun)
34
2.4 Fallbeispiel Gwatt (Thun)
Uhrenfabrik
2.4.1 Ausgangslage und
Objektschutzmassnahme
Beim Hochwasser 2005 sind folgende Massnahmen eingesetzt worden:
•
•
•
nissen konnten dank dem Einsatz von temporären Schutzmassnahmen
massive Schäden verhindert werden.
Die Erfahrungen aus dem Hochwasser 1999 sind in die späteren Schutz-
betriebseigene Generatoren zur Stromversorgung
Durchlass im Liftschacht. Damit kann der Schacht als Wassersammelbecken genutzt werden, um das Wasser anschliessend ins Freie
Die Uhrenfabrik liegt in der Nähe des Thunersees und wurde beim Hochwasser 1999 und 2005 überschwemmt. Bei beiden Hochwasserereig-
Pumpen und Pumpenschächte
zu pumpen
•
Einteilung in Wasserabschnitte, ähnlich dem Brandschutz (Abbildung 25)
•
Schalungstafeln und Plastikfolien
massnahmen eingeflossen.
Abbildung 25: Einteilung des Fabrikareals (Uhrenfabrik in Gwatt (Thun) in Wasserabschnitte um eine
vollständige Flutung zu verhindern (Quelle: Uhrenfabrik Thun).
35
2 Objektschutz an Gebäuden
2.4.2 Gefahrenszenario
Gebrauchstauglichkeit
Der Objektschutz ist auf eine statische Überschwemmung durch den
Der Einbau des nicht kommerziellen Dämmsystems braucht objektbe-
Thunersee ausgerichtet. Das Ereignis 2005 entsprach dem erwarteten
zogenes Wissen und fachkundiges Personal. Beides war im Ereignisfall
Gefahrenszenario.
2005 vorhanden: Aufgrund des Hochwassers 1999 entstand eine Fotodokumentation der Schutzmassnahme mit Inventar und Checklisten. Die
2.4.3 Zuverlässigkeit der
Objektschutzmassnahmen
personelle Organisation wurde im Vorfeld festgelegt und mit Einsatzplan
Die Zuverlässigkeit erfolgt aufgrund der Beurteilung der Tragsicherheit,
Die Vorwarnzeit von rund 12 Stunden genügt um die Schutzmassnah-
Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nach den SIA Normen 260
men aufzubauen.
und 261 [14]. Die Objektschutzmassnahme weist aufgrund des Schemas
Dauerhaftigkeit
nach Abbildung 31 eine hohe Zuverlässigkeit auf:
Der betrieblich organisierte Einsatz der Schutzvorkehrungen spricht für
und Telefonliste ergänzt.
eine hohe Beständigkeit. Probleme könnten Betriebsunterbrüche oder
Tragsicherheit
–ferien verursachen.
Die Schalungstafeln, welche als Abdichtung eingesetzt wurden, wa-
Die nicht kommerziellen Schutzsysteme sind unter Umständen einer
ren rund 30 cm eingestaut und hielten dem Wasserdruck stand. Den
schnellen Alterung unterworfen (Plastikabdeckungen), kommerzielle
Schwachpunkt bilden die fehlenden Dichtungen an den Kontaktflächen.
Systeme weisen eine höhere Lebensdauer auf. Diese können sich wahr-
Dadurch konnte Wasser eindringen. Mit dem zusätzlich durch Ritzen und
scheinlich auch aus wirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, da der arbeitsin-
Fugen eingedrungenen Druckwasser betrug die Überschwemmungshöhe
tensive Aufbau verringert werden kann (siehe Kosten-Nutzen-Analyse).
im Untergeschoss rund 5 cm. Betriebseigene Pumpensysteme dämmten
die Überschwemmungshöhe. Notstromaggregate lieferten Strom, auch
als das öffentliche Stromnetz zusammenbrach.
Die Barrieren aus Schalungstafeln beschränkten sich nicht nur auf die
Abschirmung von Wasser um das Fabrikareal, sondern auch innerhalb
des Areals. Dadurch wird die potentielle Überflutungsfläche in Abschnitte
ähnlich dem Brandschutz aufgeteilt, was im Überlastfall die Schadensumme stufig bis zum Schadenpotenzial ansteigen lässt.
36
2.4.4 Kosten-Nutzen-Analyse
Die Schadenskosten, ausgelöst durch das Hochwasser 2005, betragen
Die Kosten für die Schutzmassnahmen setzen sich aus dem Material
nach Angaben des Eigentümers CHF 167‘000.-. Die Kosten umfassen
(CHF 2’000.-) und der Arbeit für den Aufbau und Unterhalt der Schutz-
Reinigung, Materialverlust und weitere Ausgaben wie die Reparatur des
massnahme im Schadensfall (CHF 8‘000.- und CHF 75‘000.-) zusam-
Liftschachts und der sanitären Anlagen.
men. Die Schutzmassnahmen müssen eingebaut werden, wenn eine
Überschwemmung droht. Das ist schätzungsweise bei einer Kote von
Die Massnahmen haben massive Schäden am Lagerbestand und einen
rund 558.60 m über Meer der Fall: denn ab Kote 558.75 m über Meer
mehrmonatigen Produktionsausfall verhindern können. Das Schadenpo-
(plus 20 cm Wellenschlag) ist die Schadensgrenze für die Uhrenfabrik er-
tenzial ist gross und beträgt nach Angaben des Eigentümers mindestens
reicht und der zeitaufwändige Einbau benötigt 15 cm Reserve. Die Kote
CHF 4‘000’000.-. Diese setzen sich zusammen aus dem Lagerbestand
für den Einbau (558.60 m über Meer) hat nach der Hochwasserstatistik
(CHF 1‘800‘000.- bis CHF 2‘500‘000.-), aus Spezialwerkzeugen (CHF
des Thunersees eine Wiederkehrperiode von 20 Jahren. Die jährlichen
550‘000.-) und festen Installationen im Untergeschoss wie Heizung mit
Kosten für den Einbau und Unterhalt von total CHF 83‘000.- betragen da-
Tank, Elektroschränke, Stanzmaschinen, Liftanlage, Telefonzentrale,
mit durchschnittlich CHF 4’150.-. Als Vereinfachung wird angenommen,
Kompressoren, Waschmaschine und sanitären Anlagen (CHF 400‘000.-).
dass bei jedem Einbau der temporären Objektschutzmassnahmen auch
Durch den Schaden müsste ein Betriebsunterbruch von rund 6 Mona-
der Pegel weiter steigt. Die Vereinfachungen haben zur Folge, dass die
ten in Kauf genommen werden, welcher Kosten von mindestens CHF
jährlichen Kosten für den Aufbau und den Unterhalt tendenziell zu hoch
1‘000‘000.- verursachen würde.
geschätzt sind.
Die CHF 2’000.- Materialkosten weisen bei einer Lebensdauer von 10
Die Schadensgrenze ohne Objektschutz ist mit der Kote von 558.75 m
Jahren und der Verzinsung der Investition mit 3% jährliche Kosten von
über Meer plus 20 cm Wellenschlag häufig erreicht – beim Thunersee
CHF 235.- auf. Zu den jährlichen Materialkosten werden die jährlichen
entspricht dies einer Wiederkehrperiode von 30 Jahren. Mit den Objekt-
Kosten für Einbau und Unterhalt von CHF 4’150.- gezählt; daraus erge-
schutzmassnahmen ist ein Schutz bis zu einem Hochwasser mit einer
ben sich Gesamtkosten von CHF 4’385.-.
Wiederkehrperiode grösser 300 Jahre gegeben. Die Schutzmassnah-
Der Vergleich der jährlichen Kosten von CHF 4’385.- mit dem jährlichen
men haben eine Lebensdauer von rund 10 Jahren, wobei die Alterung
Nutzen von CHF 52‘000.- zeigt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 0.08,
unterschiedlich schnell einsetzt.
was aus wirtschaftlicher Sicht als sehr lohnend bezeichnet werden kann.
Verbesserungsmöglichkeiten liegen in der Reduktion der hohen Arbeits-
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Objektschutzmassnahme während der
kosten für den Einbau und Unterhalt der Schutzmassnahme durch han-
nächsten 10 Jahre zum Einsatz kommt (HQ > 30) und nicht unterdimensi-
delsübliche, temporäre Objektschutzmassnahmen oder durch perma-
oniert ist (HQ < 300), beträgt 26%. Mit der Objektschutzmassnahme kann
nenten Schutzverbau.
ein jährlicher Nutzen von CHF 52‘000.- generiert werden (Berechnung
nach Methode [4]).
Schadensgrenze ohne Objektschutz [m ü. M.]
558.75 + 20 cm (HQ 30)
Schadensgrenze mit Objektschutz [m ü. M.]
559.35 + 20 cm (HQ >300)
Schadenpotenzial bei HQ 300 [CHF]
4‘000‘000.-
Lebensdauer Objektschutzmassnahme [Jahre]
10
Kosten Objektschutzmassnahme [CHF]
Material: 2’000.Aufbau: 83‘000.-
Tabelle 7: Allgemeine Angaben zum Objektschutz der Uhrenfabrik Gwatt (Thun)
37
2 Objektschutz an Gebäuden
2.5 Fallbeispiel Dallenwil
Wasserkraftwerk
2.5.1 Ausgangslage und
Objektschutzmassnahme
Das Areal des Kraftwerks Dallenwil (NW) wurde am 22. August 2005 von
Die Schutzmassnahmen sind temporär und umfassen die Abriegelung
der Engelberger Aa überschwemmt (Abbildung 26).
der Türen und Tore mit Betonschutzschildern (Abbildung 27). Die Schutzmassnahmen wurden im Frühling 2004 geplant und realisiert.
Abbildung 26: Luftaufnahme des Kraftwerks Dallenwil (eingefärbt) und der Engelberger Aa (Foto: Kanton Nidwalden).
38
Abbildung 27: Objektschutzmassnahmen am Wasserkraftwerk Dallenwil (Foto: Nidwaldner Sachversicherung).
2.5.2 Gefahrenszenario
Die Schutzmassnahmen sind auf eine dynamische Überschwemmung
durch die Engelberger Aa ausgerichtet. Das Ereignis 2005 entsprach den
Einschätzungen des Gefahrenszenarios.
Gebrauchstauglichkeit
Die Schutzmassnahmen konnten im August 2005 rechtzeitig installiert
werden und haben ihre Funktion erfüllt.
Dauerhaftigkeit
2.5.3 Zuverlässigkeit der
Objektschutzmassnahmen
Temporäre Objektschutzmassnahmen verlangen einen rechtzeitigen
Die Zuverlässigkeit erfolgt aufgrund der Beurteilung der Tragsicherheit,
sonal mobilisiert werden. Bei der Überschwemmung durch die Engelber-
Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nach den SIA Normen 260
ger Aa für das in unmittelbarer Nähe gelegene Kraftwerk kann mit einer
und 261 [14]. Die Objektschutzmassnahme weist aufgrund des Schemas
Vorwarnzeit von wenigen Stunden gerechnet werden. Für solche Vor-
nach Abbildung 31 eine hohe Zuverlässigkeit auf:
warnzeiten sind in der Regel temporäre Massnahmen nicht sinnvoll. Der
Einbau der Elemente. Dazu muss innerhalb der Vorwarnzeit fähiges Per-
Kraftwerksbetrieb besitzt eine eigene Abflussmessstation mit AlarmausTragsicherheit
Die Überschwemmungshöhe betrug rund 0.6 m, was problemlos von den
lösung und verfügt über einen permanenten Pikettdienst, der jederzeit
einsatzbereit ist.
Schutzmassnahmen verkraftet werden konnte.
39
2 Objektschutz an Gebäuden
2.5.4 Kosten-Nutzen-Analyse
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Objektschutzmassnahme während der
Die Nidwaldner Sachversicherung deckte den Schaden, der trotz der Ob-
nächsten 50 Jahren zum Einsatz kommt (HQ > 30) und nicht unterdimen-
jektschutzmassnahmen entstand. Die Entschädigung der Versicherung
sioniert ist (HQ < 100), beträgt 43%.
belief sich auf CHF 22‘000.-. Das Kraftwerk hatte einen ungedeckten
Mit dem Schadenpotenzial von CHF 5’500’000.- bei einem HQ 100 ergibt
Schaden von CHF 2’000.- zu tragen. Somit ist der Gesamtschaden, der
sich durch die Objektschutzmassnahme ein jährlicher Nutzen von CHF
trotz der Objektschutzmassnahmen entstand, auf CHF 24‘000.- zu be-
23‘650.- (Berechnung nach Methode [4]).
ziffern.
Die Kosten für die Schutzmassnahmen belaufen sich gesamthaft auf
Das Schadenpotenzial ist riesig: Der verhinderte Schaden beträgt nach
rund CHF 15‘000.-; davon sind CHF 10‘000.- Materialkosten, die Arbeit
Angaben der Nidwaldner Sachversicherung gesamthaft CHF 5‘500‘000.-
wurde in Eigenregie ausgeführt. Die jährlichen Kosten für den Objekt-
bis CHF 6‘000‘000.-. Diese Schadenkosten setzen sich zusammen
schutz berechnen sich aufgrund des Zinses des investierten Kapitals. Bei
aus CHF 500‘000.- bis CHF 1‘000‘000.- Gebäudeschäden und CHF
einer Lebensdauer des Bauwerks von 50 Jahren und der Verzinsung der
5‘000‘000.- Schaden an den Anlagen. Der Stromunterbruch bedingt
Investition mit 3% beträgt der Kapitalwiedergewinnungsfaktor 0.03887
durch die Lahmlegung des Betriebes verursacht schnell Schäden in Mil-
[4]. Damit ergeben sich bei einer Investition von CHF 15‘000.- für die
lionenhöhe.
Objektschutzmassnahmen jährliche Kosten von CHF 583.-.
Der Vergleich der jährlichen Kosten von CHF 583.- mit dem jährlichen
Die Massnahmen wurden auf eine Wiederkehrdauer eines 100 jährli-
Nutzen von CHF 23‘650.- zeigt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 0.02,
chen Hochwassers dimensioniert. Wasserbauliche Massnahmen (Damm
was aus wirtschaftlicher Sicht als sehr lohnend bezeichnet werden kann.
der Engelberger Aa) schützen vor einem 30 jährlichen Hochwasser. Die
Der Miteinbezug der Schadenkosten bei einem Betriebsunterbruch des
Schutzmassnahmen haben eine Lebensdauer von rund 50 Jahren.
Kraftwerks machen die Objektschutzmassnahmen noch attraktiver.
Schadensgrenze ohne Objektschutz
HQ 30
Schadensgrenze mit Objektschutz
HQ 100
Schadenpotenzial bei HQ 100 [CHF]
5‘500’000.-
Lebensdauer Objektschutzmassnahme [Jahre]
50
Kosten Objektschutzmassnahme [CHF]
15‘000.-
Tabelle 8: Allgemeine Angaben zum Objektschutz des Kraftwerks Dallenwil
40
2.6 Fallbeispiel Bern Wohnhaus
2.6.1 Ausgangslage und
Objektschutzmassnahme
Das Wohn- und Bürogebäude befindet sich in Bern im Mattenquartier unmittelbar neben der Aare. Aufgrund der Verklausung der Wehranlage im
2.6.3 Zuverlässigkeit der
Objektschutzmassnahmen
Die Zuverlässigkeit erfolgt aufgrund der Beurteilung der Tragsicherheit,
Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nach den SIA Normen 260
und 261 [14]. Die Objektschutzmassnahme weist aufgrund des Schemas
nach Abbildung 31 eine geringe Zuverlässigkeit auf:
Schwellenmätteli kam es zur Entlastung der Aare durch das Mattenquartier. Dabei kam es zu einer dynamischen Überschwemmung mit Tiefen
Tragsicherheit
von bis zu 2 m.
Die Tragsicherheit der Objektschutzmassnahme versagte beim Hochwasser 2005. Der Grund liegt in der Unterdimensionierung der Schutz-
Das Gebäude wird regelmässig von der hochwasserführenden Aare ge-
bauten auf Aareseite. Diese waren auf ein Durchfluss der Aare von 550
troffen, entsprechend sind die Massnahmen im Objektschutz umfang-
m3/s dimensioniert, das Hochwasser 2005 erreichte Werte bis 605 m3/s.
reich.
Das veränderte Gefahrenszenario führte auch zum Versagen der Schutz-
Aufgrund der expliziten Gefährdungssituation ergriffen die Eigentümer
massnahmen auf Strassenseite. Bei einer Überschwemmung bis zu einer
eine Reihe von Massnahmen:
Wassertiefe von 50 cm (Ereignis 2004), hätte die Massnahmen ihre Wir-
•
•
•
•
•
Verglaste Schutzmauer auf Aareseite
kung entfalten können. Die Überschwemmungshöhe mit rund 2 m seitens
Mauererhöhung und -abdichtung auf Aareseite
der Strasse führte zum vollständigen Einstau der Garagen. In der Folge
Abdichtung der Türen und Fenster
kam es zum Versagen einer Trennwand zwischen Garage und Wohn-
Pumpen und Installation von Pumpenschächten im Wohngebäude
teil. Die plötzliche Entlastung führte zu einer schlagartigen Belastung der
und Garage
Haushinterwand, die darauf rausgedrückt wurde (Abbildung 28).
Nasse Vorsorge im Hinterhaus: schadenresistenter Bodenbelag,
Entwässerung über automatische Pumpe mit Pumpenschacht, erhöhte Anordnung der Elektroinstallation
•
•
Erhöhte Anordnung des Boilers
Sanierung der Wasserableitung in den Mattenbach
2.6.2 Gefahrenszenario
Die umfangreichen Objektschutzmassnahmen sind auf eine dynamische
Überschwemmung durch die Aare ausgerichtet. Die Schutzmassnahmen
sind so ausgerichtet, dass die Aare über das Ufer tritt und das Gebäude
auf der Flussseite trifft. Das Hochwasser 2004 zeigte jedoch, dass sich
die Aare über die Strasse entlasten kann. Die Objektschutzmassnahmen
vor dem Ereignis 2005 berücksichtigen grundsätzlich beide Einwirkungsseiten, jedoch mit Priorität, dass das Wasser von der Aareseite einwirkt.
Die schwemmholzreiche Aare führte 2005 zur Verklausung der Wehranlage und bescherte eine unerwartet hohe Kote in den Strassen des
Mattenquartiers von 500.88 m über Meer, was 1.14 m über der Kote von
1999 lag.
Abbildung 28: Herausgedrückte Wohnwand im Mattenquartier in Bern
(Foto: IRV )
41
2 Objektschutz an Gebäuden
Gebrauchstauglichkeit
Die vor dem Ereignis ergriffenen Massnahmen schützen bis zu einem
Die Pumpen und die Installation von Pumpenschächten im Wohngebäu-
Aarepegel von 550 m3/s, was statistisch gesehen alle 100 Jahre einmal
de und in der Garage ermöglichten eine Verzögerung der Flutung des
auftritt. Die Schutzmassnahmen haben eine Lebensdauer von rund 50
Erdgeschosses (keine Untergeschosse vorhanden). Die gewonnene Zeit
Jahren.
konnte genutzt werden, um Messinstrumente in das Obergeschoss zu
retten (temporäre Umnutzung, Kapitel 3.5).
Dauerhaftigkeit
Die Erfahrung der Hauseigentümer aus den vorangegangen Hochwassern lässt auf eine hohe Beständigkeit schliessen. Die Vorwarnzeit von
rund 6 Stunden im Fall der Aare in Bern ist kurz. Die getroffenen Schutzmassnahmen stellen eine praktikable Lösung dar, setzen allerdings die
Anwesenheit der Bewohner voraus.
2.6.4 Kosten-Nutzen-Analyse
Der Wasserstand im Gebäude war rund 1.2 – 1.3 m, in der Garage rund
2 m. Schlammablagerung von 20 bis 25 cm und ölverschmutztes Wasser
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Objektschutzmassnahme während den
nächsten 50 Jahren zum Einsatz kommt (HQ > 5) und nicht unterdimensioniert ist (HQ < 100), beträgt 61%.
Mit der Objektschutzmassnahme kann ein jährlicher Nutzen von CHF
2’135.- generiert werden (Berechnung nach Methode [4]).
Die Kosten für sämtliche Objektschutzmassnahmen, welche in den Jahren vor dem Ereignis ausgeführt wurden, belaufen sich schätzungsweise
auf CHF 200‘000.-. In dieser Summe sind nur die Kosten für die Ausführung und Arbeiten von Dritten verrechnet, die Kosten für die Planung und
die eigenen Ausführungen sind darin nicht enthalten.
aus der Nachbarschaft führten zu massiven Schäden im Gebäude und
an der Installation (Elektroverteiler, Boiler, Heizung, Waschmaschine,
Messgeräte). Die Schadensumme war mit CHF 150’000.- ähnlich hoch
wie im 1999. Durch die temporäre Umnutzung konnte eine Schadenverminderung von CHF 200‘000.- erzielt werden (Kapitel 3.5).
Das Schadenpotenzial beträgt rund CHF 350‘000.- und setzt sich aus
Heizung, Warmwasseraufbereitung, Waschmaschine und Messgeräte
zusammen. Ein mehrmonatiger Mietzinsausfall ist im Schadenpotenzial
enthalten (Angaben des Gebäudeeigentümers).
Rund alle 2 Jahre wird der Garten überschwemmt, was einem Durchfluss der Aare von 350 m3/s entspricht. Die einfachen Dammsperren am
Die jährlichen Kosten für den Objektschutz berechnen sich aufgrund des
Zinses des investierten Kapitals von CHF 200‘000.-. Bei einer Lebensdauer der Schutzmassnahme von 50 Jahren und der Verzinsung der
Investition mit 3% beträgt die Investition mit Kapitalwiedergewinnungsfaktor CHF 7’774.- für die Objektschutzmassnahmen [4].
Der Vergleich der jährlichen Kosten von CHF 7’774.- mit dem jährlichen
Nutzen von CHF 2135.- ergibt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis 3.64. Aus
wirtschaftlicher Sicht sind die Massnahmen nicht zu rechtfertigen, doch
das Objekt stammt teilweise aus dem 17. Jahrhundert und ist Teil des
Inventars für Denkmalschutz.
Gebäude, welche den Objektschutz vor 1999 darstellen mussten rund
alle 3 Jahre eingesetzt werden, was einem Durchfluss von 380 m3/s entspricht.
Schadensgrenze ohne Objektschutz
380 m3/s (HQ 5)
Schadensgrenze mit Objektschutz
550 m3/s (HQ 100)
Schadenpotenzial bei HQ 100 [CHF]
350‘000.-
Lebensdauer Objektschutzmassnahme [Jahre]
50
Kosten Objektschutzmassnahme [CHF]
200’000.-
Tabelle 9: Allgemeine Angaben zum Objektschutz des Wohn- und Bürogebäude in Bern
42
2.7 Fallbeispiel Stans Spital
2.7.1 Ausgangslage und
Objektschutzmassnahme
2.7.2 Gefahrenszenario
Die intensiven Niederschläge im August 2005 führten dazu, dass der Kni-
Die Objektschutzmassnahmen bieten Schutz gegenüber einer Über-
ribach über die Ufer trat und das Oberflächenwasser aus dem Lauigraben
schwemmung, wie sie im August 2005 auch tatsächlich eingetreten ist.
einen Bach bildete. Das Wasser mit einem hohen Schlammanteil drang
Doch die Massnahmen griffen für eine Überschwemmung, die das Spital
in das Kantonsspital in Stans und verursachte massive Schäden.
im westlichen Teil treffen würde. Die hohen Niederschlagsmengen führ-
Das Wasser drang über die Lüftungsschächte und teilweise durch Türen
ten jedoch zu einem Wasserabfluss, welcher das Spital im südlichen Teil
in das Spital ein. Der Schaden im Erdgeschoss und dem ersten Unterge-
traf.
Abbildung 29: Spital Stans und Überschwemmung durch Oberflächenwasser (Foto: Kanton Nidwalden).
damit die Trafoanlage mit Elektroverteiler und Notstromgeneratoren; In
2.7.3 Zuverlässigkeit der
Objektschutzmassnahmen
der Folge kam es zum Stromunterbruch. Die Geschützte Operationsstät-
Die Zuverlässigkeit erfolgt aufgrund der Beurteilung der Tragsicherheit,
te GOPS wurde durch die Explosionsschutzventile geflutet [11].
Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nach den SIA Normen 260
Neben der Stromverteilung und –versorgung wurden beim Ereignis die
und 261 [14]. Die Objektschutzmassnahme weist aufgrund des Schemas
Heizung und die Warmwasseraufbereitung beschädigt.
nach Abbildung 31 eine geringe Zuverlässigkeit auf.
schoss war gering. Doch das zweite Untergeschoss wurde geflutet und
Die getroffenen Objektschutzmassnahmen sind temporär und umfassen
Dammbretter, welche an den Eingängen eingesetzt werden müssen.
Zusätzlich waren im Kellerbereich in Eingangsnähe Sandsäcke eingelagert.
43
2 Objektschutz an Gebäuden
Tragsicherheit
Spital CHF 630‘000.-, Heizung CHF 220‘000.-, Ausfall Notstrom CHF
Das Oberflächenwasser führte zum Einstau an der Südfassade des Spi-
220‘000.-.
tals von bis zu einem Meter. Eine solch hohe Wassermenge wurde nie
Das Schadenpotenzial ohne Objektschutzmassnahmen ist sehr hoch.
erwartet und hätte mit den Dammbrettern nicht abgewehrt werden kön-
Ohne die Wehrbemühungen während dem Ereignis hätte das Spital eva-
nen. Auch ist davon auszugehen, dass die fehlenden Dichtungen bei den
kuiert werden müssen und zusätzliche Schäden in Millionenhöhe wären
Dammbrettern keine optimale Abschirmung ergeben hätten.
entstanden. Beispielsweise konnte Dank raschem Eingreifen die Gene-
Das Druckwasser aus dem Untergrund verursachte massive Probleme.
ratoren der Stromversorgung repariert werden und damit war ein Scha-
Dieses war 1 – 2 m über dem dimensionierten Maximalpegel (Grundwas-
den von CHF 500‘000.- verhindert werden.
serpegel vom Ereignis 1927 + 1 m Reserve). Der Wassereintritt durch
Aufgrund des Ereignisses 1999 ist die Eintretenswahrscheinlichkeit für
das Druckwasser konnte mit den vorhandenen Pumpen abgesaugt wer-
das Szenario als sehr gering eingestuft (HQ 100 bis 300) und mit einer
den, leider fehlte ein Pumpschacht. Das Wasser konnte aufgrund der ein-
schwachen Intensität (Wassertiefe < 0.5 m) erwartet worden. Das Spital
geschränkten Wasserableitung nur schwerlich aus dem Spital abgeführt
wurde 1966 erstellt und war bisher nie von einem Ereignis betroffen ge-
werden [11].
wesen. Die Schutzmassnahmen haben eine Lebensdauer von rund 50
Jahren.
Schadensgrenze ohne Objektschutz
HQ 100 *
Schadensgrenze mit Objektschutz
HQ 300 *
Schadenpotenzial bei HQ 300 [CHF]
5‘000‘000.- *
Lebensdauer Objektschutzmassnahme [Jahre]
50
Kosten Objektschutzmassnahme [CHF]
10’000.-
Tabelle 10: Allgemeine Angaben zum Objektschutz beim Spital Stans (*Schätzungen)
Gebrauchstauglichkeit
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Objektschutzmassnahme während der
nächsten 50 Jahre zum Einsatz kommt (HQ > 100) und nicht unterdimen-
Für den Einbau der Dammbretter waren die nötigen Führungsschienen
sioniert ist (HQ < 300), beträgt 24%.
vorhanden. Doch die Abschirmung der Eingänge zum Untergeschoss
Mit der Objektschutzmassnahme kann ein jährlicher Nutzen von CHF
wäre rund 2 m hoch gewesen. Der Einbau wäre äusserst beschwerlich
12’000.- generiert werden (Berechnung nach Methode [4]).Die Kosten für
gewesen und der Eingang wäre nicht mehr nutzbar gewesen. Zudem ist
fraglich, ob die Dammbretter einem so hohen Wasserdruck standhalten
die temporären Objektschutzmassnahmen betragen rund CHF 10‘000.-.
Die jährlichen Kosten für den Objektschutz berechnen sich aufgrund des
Zinses des investierten Kapitals von CHF 10‘000.-. Bei einer Lebensdau-
würden.
er der Schutzmassnahme von 50 Jahren und der Verzinsung der Inves-
Die fehlende Vorwarnzeit verunmöglichte den Einbau der temporären
tition mit 3% beträgt die Investition mit Kapitalwiedergewinnungsfaktor
Schutzmassnahmen. Der Schadenseintritt mitten in der Nacht akzentu-
CHF 389.- für die Objektschutzmassnahmen.
ierte das Problem.
Dauerhaftigkeit
Die Dammbretter benötigen nur einen geringen Unterhalt und fachkundiges Personal ist einsatzbereit, doch nicht permanent vor Ort.
2.7.4 Kosten-Nutzen-Analyse
Der Vergleich der jährlichen Kosten von CHF 389.- mit dem jährlichen
Nutzen von CHF 12’000.- zeigt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 0.03,
was aus wirtschaftlicher Sicht zu rechtfertigen ist.
Der Kanton Nidwalden und die Gemeinde Stans realisieren nach dem
Ereignis 2005 das Hochwasserschutzprojekt Kniri-West und das Projekt
Objektschutzmassnahmen Kantonsspital. Das Hochwasserschutzprojekt
Kniri-West umfasst wasserbauliche Massnahmen mit einem Schutz vor
einem HQ 300, das Projekt Objektschutz beinhaltet eine zweite Vertei-
Der gesamte Schaden durch das Ereignis beläuft sich auf rund CHF
digungslinie mit einer Umfassung des Kantonsspitals mit einer Mauer.
1‘360‘000.- (Angaben Spitalverwaltung). Dieser setzt sich zusammen
Zusätzlich werden als dritter Schutz alle Noteinstiege, Licht- und Lüf-
aus: Geschützte Operationsstätte CHF 290‘000.-, Gebäudeschaden
tungsschächte erhöht. Mit diesen Massnahmen soll der Schutz vor einem
Extremereignis (EHQ) möglich sein.
44
2.8 Fallbeispiel Kanton Nidwalden
Alle Neubauten, welche in den Jahren 2000 bis 2005 im ganzen Kanton
Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass Neubauten im Überschwem-
Nidwalden erstellt wurden und im Gefahrenbereich durch Seehochwas-
mungsgebiet des Vierwaldstättersees auf eine Kote von 435.05 m über
ser lagen, mussten aufgrund gesetzlicher Vorgaben Objektschutzmass-
Meer permanent und 435.50 m über Meer temporär geschützt sein müs-
nahmen ergreifen. Die gesetzlichen Bestimmungen stützen sich auf den
sen (Art. 4 Abs. 1-3 Empfehlungen der Fachkommission Naturgefahren‚
Pegel vom Hochwasser 1999. Die Abbildung 30 zeigt den Schadensbe-
Vorlagen für die Bestimmungen zu den Gefahrenzonen im Bau- und Zo-
trag, der trotz der Schutzmassnahmen entstanden ist. Die Auswertung
nenreglement vom 14. Mai 2004) [12].
beruht auf 70 Gebäuden.
Abbildung 30: Schadenklassierung an Neubauten mit Objektschutzauflagen im Kanton Nidwalden
(Quelle: Nidwaldner Sachversicherung).
Die Abbildung 30 zeigt, dass die Schäden dank der getroffenen Objekt-
Fazit
schutzmassnahmen gering ausfallen: 87% der Schadensbeträge sind
Objektschutzmassnahmen reduzieren die Schadensumme wirkungs-
tiefer als CHF 10‘000.- (ein durch Überschwemmung verursachter Ge-
voll, dennoch kommen keine Schäden nur selten vor. Der Grund liegt
bäudeschaden im Jahr 2005 beträgt durchschnittlich rund CHF 37‘000.-
einerseits beim hohen Seepegel des Vierwaldstättersees von 435.23
(Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen)).
m über Meer beim Ereignis 2005, der deutlich über dem Seepegel des
Referenzjahres 1999 (Kote 434.94 m über Meer) für die gesetzliche Be-
Die absolute Schadenfreiheit kommt mit 13% nur selten vor. Der Grund
stimmung liegt. Andererseits verlangen Objektschutzmassnahmen eine
ist einerseits der hohe Seepegel des Vierwaldstättersees beim Ereignis
konsequente Kotrolle bei der Planung und Umsetzung, da die realisierten
2005, der deutlich über dem Seepegel des Referenzjahres 1999 lag.
Massnahmen nur im Ernstfall auf ihre Tauglichkeit geprüft werden kön-
Andererseits verlangen Objektschutzmassnahmen eine konsequente
nen und der kleinste Mangel bereits zum Schaden führt. Daraus kann
Kontrolle bei der Planung und Umsetzung, da die realisierten Massnah-
geschlossen werden, dass Objektschutz ein iterativer Prozess ist.
men nur im Ernstfall auf ihre Tauglichkeit geprüft werden können und der
kleinste Mangel bereits zum Schaden führt.
45
2 Objektschutz an Gebäuden
2.9 Schlussfolgerung zum Kapitel
‚Objektschutz an Gebäuden’
•
schaftlich erachtet, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis kleiner oder
gleich 1 ist. Das heisst der Nutzen der Objektschutzmassnahme ist
Die ausschlaggebenden Faktoren (Gefahrenszenario, Zuverlässigkeit,
grösser oder gleich der Kosten. In diesem Fall wird in der die Wirt-
Wirtschaftlichkeit) für einen Erfolg der Objektschutzmassnahmen werden
schaftlichkeit bejaht; ist das Verhältnis kleiner 1 wird sie verneint.
in Tabelle 11 zusammengestellt.
•
Für die Kostenberechnung werden mit Ausnahme des Fallbeispiels
Gefahrenszenario: Stimmt das Szenario beim Hochwasser 2005 mit
Gwatt (Thun) Uhrenfabrik die Kosten für den Aufbau und den Unter-
dem erwarteten Gefahrenszenario überein?
•
Wirtschaftlichkeit: Die Objektschutzmassnahmen werden als wirt-
Zuverlässigkeit: Die Zuverlässigkeit erfolgt aufgrund der Beurteilung
der Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nach
den SIA Normen 260 und 261 [14]. Die Zuverlässigkeit wird klassiert
in hohe, eingeschränkte oder geringe Zuverlässigkeit (Abbildung
halt der Schutzmassnahmen nicht berücksichtigt.
•
Erfolg: Als erfolgreich gilt der Objektschutz, wenn der Schaden beim
Eintritt des Ereignisses maximal 20% des Schadenpotenzials ausmacht
31). Die Tragsicherheit nimmt eine übergeordnete Rolle ein.
Stansstad Mehrfamilienhaus
SZENARIO
ZUVERLÄSSIGKEIT
WIRTSCHAFTLICHKEIT
ERFOLG
ja
hohe
nein
ja
Thun Mehrfamilienhäuser
ja
hohe
ja
ja*
Thun Uhrenfabrik
ja
hohe
ja
ja
Dallenwil Wasserkraftwerk
ja
hohe
ja
ja
Bern Wohn- Geschäftshaus
nein
geringe
nein
nein
Stans Kantonsspital
nein
geringe
ja
nein
Tabelle 11: Zusammenfassende Darstellung der Fallbeispiele und ihre Kenndaten
(*Schadensumme und Schadenpotenzial geschätzt)
Abbildung 31: Bestimmung der Zuverlässigkeit nach Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit [14].
46
Aus Tabelle 11 lassen sich die Schlüsselfaktoren für den erfolgreichen
Aus den Fallbeispielen lassen sich noch weitere Schlüsse ziehen:
Objektschutz extrahieren. In den 5 Fallbeispielen (Mehrfamilienhäuser
•
Nachträglich erstellte permanente Objektschutzmassnahmen kön-
Thun verfügt über keine gesicherten Schadensummen) erfüllen 3 die Be-
nen sehr teuer werden und sind aus wirtschaftlicher Sicht nicht im-
dingung für einen erfolgreichen Objektschutz. Diese Objekte weisen eine
mer gerechtfertigt (Fallbeispiel Stansstad Mehrfamilienhaus).
treffende Einschätzung des Szenarios und eine hohe Zuverlässigkeit der
•
Das Versagen der geplanten Objektschutzmassnahme sollte stufig
Massnahmen auf. Die beiden Fallbeispiele ohne erfolgreichen Objekt-
sein. Dies kann mit einer stufig aufgebauten Schutzmassnahme er-
schutz zeichnen sich durch eine Falscheinschätzung des Gefahrensze-
reicht werden (Fallbeispiel Gwatt Uhrenfabrik).
narios und eine geringe Zuverlässigkeit aus. Daraus kann geschlossen
•
Die Objektschutzmassnahmen werden mit den Ereignissen opti-
werden, dass der Einschätzung des Gefahrenszenarios und der Zuver-
miert. Selten ist eine Massnahme schon beim ersten Ereignis voll
lässigkeit eine hohe Wichtigkeit zukommt. Die Zuverlässigkeit hängt ab
funktionstüchtig (Fallbeispiel Gwatt (Thun) Mehrfamilienhäuser,
von der Tragsicherheit (ist die Massnahme richtig bemessen? Hält die
Auswertungen Kanton Nidwalden).
Massnahme der Einwirkung stand?), der Gebrauchtauglichkeit (temporä-
•
Planung und Umsetzung der Objektschutzmassnahmen müssen
rer oder permanenter Bau? Vorwarnzeit?) und der Dauerhaftigkeit (Wie
konsequent durchgeführt und kontrolliert werden, denn der kleinste
ist das langfristige Verhalten der Objektschutzmassnahme? Ist die Zu-
Mangel führt bereits zum Schaden (Auswertungen Kanton Nidwal-
ständigkeit für den Unterhalt und den Einbau im Ereignisfall geregelt?).
den).
47
3 Umnutzung von Räumlichkeiten im Gebäude
Die Umnutzung zählt zu den organisatorischen Objektschutzmassnahmen. Umnutzungen werden in permanente Umnutzung (der Umzug ist
definitiv und wird auch nach dem Ereignis belassen) und temporäre Umnutzung (der Umzug ist nur kurzfristig, nach dem Ereignis wird er rückgängig gemacht) unterschieden. Es werden die auslösenden Faktoren
und entscheidenden Akteure für die Umnutzung bestimmt und die Wirksamkeit der Massnahme wird geprüft.
3.1 Übersicht der Fallbeispiele
Die Fallbeispiele umfassen Umnutzungen die vor oder nach dem Ereignis 2005 getätigt wurden. Die Objekte zur permanenten Umnutzung umfassen zwei Bankfilialen und ein Kantonsspital in der Zentralschweiz. Als
temporäre Umnutzung wird das Fallbeispiel des Wohnhauses aus Bern
näher erläutert.
Ort
objekt
Prozess
Umnutzung
Luzern
Bank in Büro- und Geschäftshaus
Überschwemmung statisch
permanent
Sarnen
Bank
Überschwemmung statisch
permanent
Stans
Spital
Überschwemmung dynamisch
permanent
Bern
Wohnhaus
Überschwemmung dynamisch
temporär
Tabelle 12: Fallbeispiele im Kapitel Umnutzung
3.2 Fallbeispiel Luzern Büro- und
Geschäftshaus
Umnutzungsmassnahmen
Die EDV Zentrale eines Bankgeschäftes befand sich bis zum Ereignis
von 1999 im 3. Untergeschoss. Diese wurde während des Ereignisses
Ausgangslage
1999 in das 4. Obergeschoss verlegt und dort belassen. Aus der tempo-
Das Gebäude wurde zwischen 1980 und 1985 erstellt. Es besitzt 4 Unter-
rären Umnutzung wurde mit entsprechend baulichen Aufwendungen eine
geschosse, in welchen die gesamte Haustechnik (Stromverteilung, Lüf-
permanente Umnutzung.
tungszentrale, Ölheizung mit Tank, Wasser und Abwasser) untergebracht
Neben der EDV Zentrale wurde der nicht wasserdichte Tresorraum vom
ist. Eine Überschwemmung der Untergeschosse würde diese Anlagen
Untergeschoss temporär ins Obergeschoss verlegt und nach dem Hoch-
zerstören und einen mehrmonatigen Betriebsunterbruch im gesamten
wasser 1999 ausgelagert.
Gebäudekomplex verursachen, wobei das Leckschlagen des 440‘000
Liter fassenden Öltanks den Schaden massiv vergrössern könnte [3].
Auslöser und Akteure
Das auslösende Ereignis war das Hochwasser 1999, welches mit seinem
Der Gebäudekomplex ist durch einen hohen Wasserstand des Vierwald-
Pegel von 434.94 m über Meer den zweithöchsten Pegelstand desselben
stättersees bedroht. Bereits bei einem Pegel von 434.87 m über Meer ist
Jahrhunderts erreichte (1910 ereichte der See einen Pegel von 435.25
der kritische Tiefpunkt bei der Einfahrt zur Tiefgarage erreicht; sie wird
m über Meer). Die Umnutzung erfolgte auf Eigeninitiative der Geschäfts-
mit dem vorbereiteten Dammbalken im Ereignisfall geschlossen [3]. Das
leitung der Bank mit dem Ziel, Schaden und Betriebsunterbruch zu ver-
war beim Hochwasser 1999 und 2005 bereits der Fall.
hindern. Von Behörden- oder Versicherungsseite wurden keine Auflagen
gemacht.
48
Wirksamkeit
Der Kundentresor wurde neu ins Erdgeschoss verlegt, so dass keine
Der Umzug der EDV-Zentrale in das 4. Obergeschoss verursachte Kos-
Überflutung mehr möglich ist. Das Archiv wurde redimensioniert und teil-
ten von mehr als CHF 100‘000.-. Die Kosten sind in erster Linie durch
weise ausgelagert. Im Weiteren wurde das elektronische Archiv ausge-
bauliche Massnahmen entstanden.
baut.
Die Umnutzung ist eingebettet in umfangreiche temporäre und permanente Objektschutzmassnahmen. Die umfangreichen Objektschutzmassnahmen und die Umnutzung sind aus wirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt,
bedenkt man einerseits das hohe Schadenpotenzial (Gebäudewert rund
CHF 40‘000‘000.-, Inhaltswert rund CHF 30‘000‘000.-) [3]. Andererseits
wird der kritische Tiefpunkt bei der Tiefgarageneinfahrt rund alle 50 Jahre
Auslöser und Akteure
Der Auslöser war der hohe Pegel des Sarnersees. Dieser war mit 472.42
m über Meer 1.15 m über dem Höchstwasserstand. Die Umnutzung initiierte und finanzierte die Bank selbst. Die Versicherung begrüsste den
Schritt.
erreicht und damit die Wahrscheinlichkeit gross, dass sich die Schutz-
Wirksamkeit
massnahmen lohnen werden.
Die Kosten für die Umnutzung belaufen sich schätzungsweise auf CHF
Die Massnahmen haben sich beim Hochwasser 2005 bewährt und der
200‘000.-. Die exakten Kosten sind kaum zu ermitteln, da die beschädig-
Betrieb der Bankfiliale konnte aufrecht erhalten werden.
ten Anlagen ersetzt werden mussten und die neuen Anlagen am sicheren
3.3 Fallbeispiel Sarnen Bank
Standort eingebaut wurden; die Kosten für den Umzug entfielen damit.
In Begleitung mit der Umnutzung wurden Objektschutzmassnahmen wie
Ausgangslage
Abdichtung der Wände, Verschliessen der Lichtschächte und Installation
Das Hochwasser vom August 2005 übertraf den bisher gemessenen
von Pumpen vorgenommen. Das tiefste Untergeschoss wird im Hoch-
Höchstwasserstand des Sarnersees um 1.15 Meter. Das Ergebnis führte
wasserfall kontrolliert geflutet, um ein Gebäudeauftrieb zu verhindern.
im ganzen Kanton Obwalden zu hohen Schäden. Der Hauptsitz der Obwaldner Kantonalbank war vom hohen Pegel des Sarnersees ebenfalls
stark betroffen.
Durch das Hochwasser wurden zwei Untergeschosse der Bank vollständig überflutet. Das Erdgeschoss mit Kundenhalle und Anlageberatung
stand 0.50 Meter unter Wasser. Dies führte zum Ausfall der gesamten
Haustechnik (Heizung, Lüftung, Klima), des Stroms, der EDV-Anlage, der
Alarm-, Brand- und Sicherheitsanlage, der Videoüberwachung, des elektronischen Zutritts und der Telefonanlage. Der Kundentresor, der bankeigene Tresor sowie rund 100 Tonnen Archiv standen ebenfalls unter
Wasser. Der Gesamtschaden an Gebäude und Mobiliar betrug über CHF
8‘000‘000.- [15].
3.4 Fallbeispiel Stans Spital
Ausgangslage
Das Kantonsspital Stans ist vom Hochwasser 2005 stark getroffen worden, siehe Kapitel 2.7. Die entstandenen Schäden im Umfang von rund
CHF 1‘360‘000.- sollen in Zukunft verhindert werden. Aus diesem Grund
ist neben wasserbaulichen Massnahmen und Objektschutzmassnahmen
auch die Umnutzung der Stromversorgung geplant.
Umnutzungsmassnahmen
Der Stromunterbruch während mehreren Stunden soll unter allen Umständen verhindert werden. Aus diesem Grund werden Transformator,
Elektroinstallationsverteiler und Notstromaggregat in andere Räumlich-
Umnutzungsmassnahmen
keiten innerhalb des Untergeschosses verlegt. Dieser Raum ist besser
Nach dem Hochwasser 2005 wurden die Elektroverteilung sowie die Hei-
geschützt, da das Wasser mehrere Kammern durchfliessen muss. Zu-
zung, Lüftung und Klimaanlage vom 2. Untergeschoss in das 1. Unterge-
sätzlich sind die Anlagen erhöht angeordnet. Der Raum verfügt über
schoss verlegt. Die Einspeisung der Notstromgruppe wurde neu auf den
Pumpen und Pumpenschacht.
verschiedenen Stockwerken installiert.
49
3 Umnutzung von Räumlichkeiten im Gebäude
Auslöser und Akteure
Der Kanton Nidwalden ist Gebäudeeigentümer und damit für die Gebäudesicherheit verantwortlich. Die Massnahme wurde vom Kanton Nidwalden veranlasst.
3.6 Schlussfolgerung zum Kapitel
‚Umnutzung von
Räumlichkeiten im Gebäude’
Temporäre Umnutzung wird als Notmassnahme bei Hochwasserereig-
Wirksamkeit
nissen mit langer Vorwarnzeit wahrscheinlich häufig praktiziert, doch ist
Die Umnutzung ist Teil der Sanierung der Haustechnik im Spital Stans
sie kaum dokumentiert. Permanente Umnutzungen sind selten und ma-
und nicht als einzelne Massnahme geplant. Die Kosten für die Umnut-
chen Sinn, wenn die Vorwarnzeit kurz ist oder die Fahrhabe nicht kurz-
zung belaufen sich auf schätzungsweise auf CHF 500‘000.- bis CHF
fristig umgezogen werden kann und eine Beschädigung unter allen Um-
700‘000.-, wobei der Neukauf der durch das Hochwasser 2005 beschä-
ständen verhindert werden muss (beispielsweise bei nicht ersetzbaren
digten Anlagen inbegriffen ist.
Gütern wie Kunstwerken oder Akten). Das ist der Fall bei sehr hohem
Die Umnutzung innerhalb des gleichen Stockwerks im Untergeschoss
Schadenpotenzial und absolut nötig bei Institutionen, welche im Ernstfall
weist als singuläre Massnahme eine geringe Wirksamkeit auf. Die Um-
eine wichtige Funktion innehaben (Lifeline). Dann lohnen sich auch die
nutzung im Spital Stans jedoch ist Teil eines vielschichtigen Schutzpake-
hohen Kosten, welche durch die permanente Umnutzung entstehen. Da
tes (siehe Kapitel 2.7.) und weist damit eine hohe Wirksamkeit auf.
permanente Umnutzungen meist die Antwort auf vorangegangene Hoch-
3.5 Fallbeispiel Bern Wohnhaus
wasser sind, können sie im Zuge der Neuanschaffung der beschädigten
Anlagen kostengünstiger realisiert werden.
Ausgangslage
Die Akteure um permanente Umnutzungen zu initiieren und zu realisie-
Das Wohn- und Bürogebäude befindet sich in Bern im Mattenquartier un-
ren, lassen sich aufgrund der untersuchten Objekte in zwei Gruppen
mittelbar neben der Aare und ist regelmässig vom Hochwasser betroffen.
klassieren: in der Gruppe des Gewerbes ist die Eigeninitiative entschei-
Ausführliche Beschreibung der Situation in Kapitel 2.6.
dend, in der Gruppe der Institutionen mit öffentlichem Interesse sind es
die Behörden. Die Privat- und Gebäudeversicherungen spielen vorder-
Umnutzungsmassnahmen
Temporärer Umzug von verschiedenen Messinstrumenten vom Erdgeschoss in das Obergeschoss. Der Aufwand für den Umzug betrug rund
6 Stunden.
Auslöser und Akteure
Auslöser für die Umnutzung war die Überschwemmung des Mattenquartiers beim Hochwasser 2005. Der Eigentümer handelte aus eigener Motivation.
Wirksamkeit
Der Umzug umfasst elektronische Messinstrumente wie Datenlogger,
Durchflussmesser, CO2 – Konzentrationsmesseinrichtung etc. im Umfang von rund CHF 200‘000.-. Die Messinstrumente sind teilweise Einzelanfertigungen oder auf einen speziellen Einsatzzweck modifiziert.
Durch die temporäre Umnutzung konnten die Messinstrumente gerettet
werden.
50
gründig keine auslösende Funktion. Es ist davon auszugehen, dass sie
als Berater ein positives Klima für Umnutzungen schaffen.
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