(Schall-)Zahnbürsten
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(Schall-)Zahnbürsten
Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Thema Hintergrund (Schall-)Zahnbürsten Trotz jahrzehntelanger intensiver Bemühungen stellen die durch Mikroorganismen hervorgerufenen Erkrankungen der Zahnhartsubstanzen und des Parodonts immer noch eine Herausforderung für die Zahnmedizin dar. Neben notwendigen gruppen- und individualprophylaktischen Bemühungen von Zahnmedizinern ist eine effektive Eindämmung dieser Erkrankungen nicht ohne einen individuellen Beitrag jedes einzelnen Patienten um die Pflege seiner Zähne bzw. die Aufrechterhaltung der oralen Gesundheit denkbar. Hierzu bedarf es im Regelfall keiner komplizierten und kostenintensiven Geräte, sondern nur eines einfachen Hilfsmittels: der Zahnbürste! Zahnbürsten stehen seit jeher als Hilfsmittel zur Plaqueentfernung genuin im Zentrum des zahnmedizinischen Interesses. Obwohl Plaque mit einer geeigneten Zahnbürste (inkl. Hilfsmittel zur Reinigung des Interdentalbereichs) ausreichend entfernt werden kann, gibt es bei der praktischen Umsetzung in breiten Bevölkerungsschichten immer noch erhebliche Schwierigkeiten. Hierzu zählen vor allem mangelnde Kenntnisse über eine effektive Reinigungstechnik und – angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung – zunehmend auch eingeschränkte Fähigkeiten zur praktischen Umsetzung. In neuerer Zeit werden vermehrt elektrische Zahnbürsten, darunter sog. „Schallzahnbürsten“, angeboten, die eine effektivere Reinigung bei gleichzeitig leichterer Handhabung für den Patienten ermöglichen soll. Statement Grundsätzlich ist zunächst festzustellen, dass eine Reinigung sowohl mit manuellen Bürsten als auch mit elektrischen Zahnbürsten möglich ist. Da das Ausmaß der Plaqueentfernung von der Dauer und Intensität des Borsten-ZahnKontakts bestimmt wird (mechanische Entfernung des Biofilms), kann dieser Kontakt bei hochfrequenten Systemen pro Zeiteinheit höher sein als bei manuell-geführten Zahnbürsten. In den neueren Studien, die sich mit modernen Zahnbürstensystemen („schallaktive“ wie auch oszillierend-rotierende Systemen) beschäftigen, werden elektrische Zahnbürsten hinsichtlich der Plaqueentfernung durchweg besser beurteilt als manuelle Zahnbürsten. Zugleich haben sie auch wegen der unkomplizierteren Handhabung eine immer höhere Verbreitung in der Bevölkerung. Dabei zeigen Studien, dass oszillierendrotierende Systeme mehr Akzeptanz finden als schallaktive Zahnbürsten. Die tatsächlichen und behaupteten Effekte solcher Zahnbürstensysteme sind vielfältig: Bei Patienten mit einer „moderaten“ Parodontitis konnte eine Verbesserung des gingivalen Zustandes gezeigt werden. Allerdings ist die Wirkung der Zahnbürsten auf den supragingivalen Bereich bis maximal 1 mm subgingival beschränkt. Daher ist eine vereinzelt vermutete Verbesserung des Attachmentlevels bei Patienten mit ausgeprägteren Parodontitiden eher unwahrscheinlich. Gleichermaßen wurde gezeigt, dass Anfärbungen der Zähne mit schallaktiven Zahnbürsten zumindestens teilweise entfernt werden können. Es gibt jedoch widersprüchliche Aussagen darüber, ob dies mit oszillierend-rotierenden Zahnbürsten nicht gleichermaßen oder gar besser möglich ist. Zumindestens scheinen die schallaktiven Systeme keinen übermäßigen Verschleiß der vorhandenen Restaurationen (oder auch Klebefugen) hervorzurufen. Ein weiterer Einsatzbereich ergibt sich bei manuell-behinderten Personen oder auch solchen mit erschwerten Bedingungen für die Zahnpflege (z.B. festsitzende kieferorthopädische Geräte). Hier sind elektrisch-betriebene Zahnbürsten insgesamt unabhängiger von manuellen Fähigkeiten bzw. dem Geschick des Patienten als Handzahnbürsten. Was jedoch den Vergleich zwischen Schallzahnbürsten und oszillierend-rotierenden Zahnbürsten angeht, wird die Effektivität unterschiedlich bewertet. Tendenziell ist eine Reinigung von schwer erreichbaren Regionen (z.B. posteriore Molaren) für manuellgeschickte bzw. trainierte Personen mit Hilfe eines oszillierend-rotierenden kleinen Bürstenkopfes besser möglich als mit den größeren Köpfen der Schallzahnbürsten. Bei ungeübten (oder weniger sorgfältigen) Patienten führt jedoch möglicherweise eine schallaktive Zahnbürste zu einer effektiveren Plaqueentfernung: Laboruntersuchungen deuten zumindestens darauf hin, dass die Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 60 (2005) 7 371 Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter Praxisletter durch den Schall erzeugte „dynamische Flüssigkeitsbewegung“ und die dadurch entstehenden Scherkräfte an der Zahnoberfläche eine Reinigung ohne physikalischen Kontakt der Borsten ermöglicht (z.B. durch Beeinflussung der mikrobiellen Adhärenz). Ob dies auch klinisch angesichts der Viskosität des Speichel-Zahnpasten-Gemischs und der Dämpfung der Zahnbürste durch orale Weichgewebe der Fall ist, wurde bisher noch nicht gezeigt. Schließlich werden auch mögliche Kontraindikationen für schallaktive Zahnbürsten beschrieben. So wurde nach einmaliger Anwendung solcher Bürsten eine im Vergleich mit manueller Zahnreinigung erhöhte Bakteriämie festgestellt. Dies ist z.B. bei Patienten mit Endokarditis-Anamnese von Bedeutung. Empfehlung Quellen Zahnbürsten sind nicht nur in Hinsicht auf die Prävention von Karies und entzündlichen Parodontitiden von Bedeutung, sondern müssen auch unter dem Aspekt von sekundär durch diese „zahnmedizinischen“ Krankheiten verursachten allgemeinmedizinischen Erkrankungen (z.B. Veränderungen am Gefäßsystem, Diabetes, etc.) betrachtet werden. Bei der Frage, inwieweit die Verwendung elektrischer Zahnbürsten sinnvoll erscheint, sollten folgende Punkte beachtet werden: • Es kann keine generelle Empfehlung für manuelle oder elektrische Zahnbürsten geben; mit beiden ist eine ausreichende Plaqueentfernung möglich. • Schallaktive Zahnbürsten können durch die hochfrequente Borstenbewegung auf der Zahnoberfläche Plaque entfernen. Dies trifft auch für farbige Auflagerungen bzw. Beläge zu. Inwieweit die Borsten auch klinisch eine Fernwirkung durch eine „dynamische Flüssigkeitsbewegung“ erzeugen und damit zur Plaqueentfernung beitragen, ist ungeklärt. • Bei Patienten mit unzureichender manueller Fähigkeit zur Handhabung von Handzahnbürsten sind schallaktive Bürsten oft besser geeignet, die orale Hygiene aufrechtzuerhalten. • Der einzige bisher klinisch-nachgewiesene Weg zur Entfernung von Plaque ist die mechanische Beseitigung durch die Borsten der Zahnbürste! Auch bei elektrischen Zahnbürsten kann also die Dauer des Zähneputzens nicht ohne Nachteil beliebig verkürzt werden. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Bhanji S, Williams B, Sheller B, Elwood T, Mancl L: Transient bacteremia induced by toothbrushing – a comparison of the Sonicare toothbrush with a conventional toothbrush. 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