4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen

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4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen
4.1 Der Werkstoff Stahl
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4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen
4.1 Der Werkstoff Stahl
4.1.1 Begriffe und Einteilung
Der im Strang- oder Blockguss erzeugte Stahl
wird nach dem Vergießen warm- und evtl. kaltumgeformt und als Stahlerzeugnis (→) durch
Trennen, Umformen und Fügen weiterverarbeitet.
Stahlguss ist in Formen vergossener Stahl mit
ähnlichen Analysen, der nur sehr selten noch
weiter warmumgeformt wird (→ Abschnitt 4.8).
Einteilung der Stähle DIN EN 10020/00
Stahlsorten werden nach unterschiedlichen Gesichtspunkten (→) zu Gruppen zusammengefasst. Ihnen ist jeweils eine bestimmte Eigenschaft oder Eignung gemeinsam, mit denen auch
die jeweiligen Normblätter benannt sind.
Eine Gliederung erfolgt nach dem Gehalt an LE
in 3 Klassen:
Stahlerzeugnisse: (DIN EN 10079/01)
• Flacherzeugnisse: Bleche und Bänder,
• Langerzeugnisse: z.B. Rohre, Doppel-T-Träger und andere Profile, nebst Sonderprofilen
wie z.B. Spundwandbohlen
Einteilungskriterien sind die Eignung für z.B.:
• bestimmte Anforderungen: warmfeste, kaltzähe und korrosionsbeständige Stähle;
• bestimmte Fertigungsverfahren: z.B. Nitrier-, Einsatz-, Vergütungs-, Automatenstähle, oberflächenhärtbarer Stahlguss;
• bestimmte Bauteile: z.B. Feder-, NietenSchrauben-, Ventil-, Wälzlager- und Werkzeugstähle.
Unlegierte Stähle: Die Sorten erreichen keinen
der Grenzwerte nach Tabelle 4.1.
Nichtrostende Stähle: Die Sorten haben > 1,2
% C-Gehalt und > 10,5 % Cr.
Andere legierte Stähle: Alle Sorten, die nicht
zu den beiden genannten gehören.
Übergeordnet ist die Unterscheidung nach dem
Reinheitsgrad in Qualitätsstähle und Edelstähle.
Unlegierte Qualitätsstähle: Stahlsorten, die
nicht den Kriterien für Edelstähle entsprechen.
Tabelle 4.1: Grenzwerte zwischen unlegierten
und legierten Stählen (Schmelzenanalyse)
Unlegierte Edelstähle: Stahlsorten mit einem
höheren Reinheitsgrad durch aufwändigere Metallurgie. Sie erfüllen eine oder mehrere der
folgenden Anforderungen:
• Besonders niedrige Gehalte an nichtmetallischen Einschlüssen,
• gleichmäßiges Ansprechen auf Wärmebehandlungen, mit bestimmter Einhärtungstiefe
beim Oberflächenhärten,
Beispiele für unlegierte Edelstahlsorten sind:
Stähle mit vorgeschriebenen max. P- und SGehalt < 0,02 %, (Federdraht, Elektroden, Reifenkorddraht).
LE…
Al
Cu
Ni
Se
Ti
W
%
0,30
0,40
0,30
0,10
0,05
0,30
LE…
Cr
Mn
Nb
Si
V
Zr
%
0,30
1,65
0,06
0,60
0,10
0,05
LE…
Co
Mo
Pb
Te
Bor
Sonst.
%
0,30
0,08
0,40
0,10
0,0008
0,10
Ausscheidungshärtende Stähle mit ferritischperlitischem Mikrogefüge (≥ 0,25 % C), Spannbetonstähle, Kernreaktorstähle und Stähle mit
festgelegter elektrischer Leitfähigkeit von
> 9 S m/mm2.
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4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen
• festgelegter Mindestwert der Kerbschlagarbeit
(vergütet), KV > 27 J bei –50 °C, Charpy-VProben (längs), bzw. > 16 J (quer).
Nichtrostende Stähle werden noch unterteilt:
Kriterium
Ni-Gehalt
Haupteigenschaften
Stahlart
Stähle mit < 2,5 %
Stähle mit > 2,5 %
korrosionsbeständige Stähle
hitzebeständige Stähle
warmfeste Stähle
Legierte Qualitätsstähle: Stahlsorten mit Anforderungen an z.B. Zähigkeit, Korngröße oder
Umformbarkeit. Sie sind im Allgemeinen nicht
für ein Vergüten oder Oberflächenhärten vorgesehen.
• Stähle mit Dicken ≤ 16 mm, einer Streckgrenze < 380 MPa und
• festgelegtem Mindestwert der Kerbschlagarbeit KV > 27 J bei –50 °C (Charpy-V-Kerbprobe, längs entnommen) oder > 6 J (quer),
• Gehalte an LE sind niedriger als in Tabelle 4.2
Legierte Edelstähle sind außer den nichtrostenden Stählen alle Stahlsorten, die nicht zu den
Qualitätsstählen gehören.
Tabelle 4.2: Grenze der chemischen Zusammensetzung zwischen Qualitätsstählen und
Edelstählen bei schweißgeeigneten legierten
Feinkornbaustählen
Element
MasseElement
Masseanteil in %
anteil in %
0,50
Cr
1,80
Mn
0,08
Nb
Ti, V, Zirkon (Zr)
0,50
0,10
0,50
Cu
Mo
Ni
je 0,12
Beispiele für legierte Qualitätsstähle sind:
Schweißgeeignete Feinkornstähle für Konstruktionen im Stahl-, Druckbehälter- und
Rohrleitungsbau,
legierte Stähle für Schienen, Spundbohlen und
Grubenausbau,
legierte Stähle mit festgelegtem Cu-Gehalt,
legierte Stähle für Flacherzeugnisse kalt- und
warmgewalzt für die Kaltumformung, die mit
B, Nb, Ti, V und/oder Zr legiert sind und Dualphasenstähle.
Beispiele für legierte Edelstähle sind: Einsatzund Vergütungsstähle, Werkzeugstähle, Wälzlagerstähle, Schnellarbeitstähle und Stähle mit
besonderen physikalischen Eigenschaften.
4.1.2 Einfluss der Legierungselemente auf das Gefüge
Legierungselemente unterscheiden sich stark in ihrer Wirkung, weil sie im Gefüge an verschiedenen Standorten eingebaut sind (Tabelle 4.3) und der C-Gehalt diese Wirkung noch
verändert. Hinzu kommt die Wirkung weiterer LE. Sie addieren sich nicht einfach, sondern
ergeben evtl. gemeinsam neue Eigenschaftsänderungen (Beispiel Cr-Ni-Stähle).
Tabelle 4.3: Übersicht, Standort und Wirkung der LE im Stahl
Standort, LE-Atome bilden
Austausch-Mischkristalle bis zur Löslichkeitsgrenze
Auswirkung / Bedeutung
Mischkristallverfestigung (→ 2.3.2)
Die Umwandlungspunkte und -linien des EKD werden verschoben,
es entstehen neue Zustandsschaubilder (→ 3.5)
LE im Mischkristall ändern Löslichkeit der C-Atome und behindern die C-Diffusion bei der wichtigen γ-αUmwandlung. Das Härten wird vereinfacht. Zum Durchhärten und Durchvergüten kann langsamer abgekühlt
werden (wichtig für Teile mit großen Querschnitten).
Neue Phasen: Mischcarbide, Sondercarbide mit anderer Struktur und Carbonitride
Phasen sind härter als Zementit und erhöhen den Verschleißwiderstand, wichtig für Werkzeugstähle, erhöhen in feindisperser Form die
Festigkeit, auch bei höheren Temperaturen (Anlassbeständigkeit).
4.1 Der Werkstoff Stahl
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Mischkristallbildner
Tabelle 4.4: Löslichkeit (%) einiger LE im
Eisen
Alle LE sind in kleinen Gehalten im Ferrit und
Austenit löslich, manche vollkommen (Tabelle
4.4). Ein Ausnahme ist Blei, es ist unlöslich.
Element
im Ferrit
bei ϑ in °C
im Austentit
bei ϑ in °C
Ferrit bildende Legierungselemente
Gelöste Elemente erhöhen die Festigkeit des
Ferrits (Mischkristallverfestigung → 2.3.2).
Gleichzeitig wirken sich die LE auf das γ-αUmwandlungsverhalten aus. Die LE-Atome
ändern die Löslichkeit der C-Atome und behindern die Diffusion aus dem Austenit bei der
Umwandlung. Die Folgen sind (→):
• Oberhalb der Linie PS wird weniger Ferrit
ausgeschieden,
• beim Austenitzerfall wird der Abstand der
Zementitlamellen kleiner, dadurch bildet sich
der Perlit feinstreifiger aus (wie bei schneller
Abkühlung des Austenits).
Es entstehen Stähle mit perlitischem (untereutektoidem) Gefüge, obwohl ihr C-Gehalt unter
0,8 % liegt (→ Beispiel). Für die Wirkung auf
das EKD bedeutet das:
Gelöste LE verschieben die Punkte S und E
des EKD nach links.
100
1800
37,5 1450
100
1400
Chrom
Molybdän
Vanadium
12,5
1,6
1,5
1050
1100
1100
Austenit bildende Legierungselemente
3,5
76,0
8
Mangan
Cobalt
Nickel
700
600
300
100
100
100
1130
1000
910
Auswirkungen: Ferrit ist die weichere Phase
im Stahl. Hier beginnt die erste plastische Verformung, die Streckgrenze ist erreicht. Viele
dünne Zementitlamellen im Ferrit stützen das
Ferritgefüge besser als wenige dickere. Das
bedeutet größere Kräfte oder
die Dehngrenze Rp0,2 wird erhöht.
Beispiel: Stahl mit 10 % Cr hat bereits bei
0,3 % C ein rein perlitisches Gefüge, es gibt
keinen voreutektoid (zwischen GS und PS)
ausgeschiedenen Ferrit. LE wie Mo, V, und W
erreichen dies mit noch kleineren Anteilen.
Carbidbildner
Metalle mit einer höheren Affinität zum Kohlenstoff können Fe-Atome im Zementit teilweise
ersetzen und Mischcarbide bilden, daneben auch
eigene (→). Diese Metalle bilden einen Block im
PSE als Nebengruppenelemente.
Periode
Nebengruppe
IVB
VB
IVB
4
Titan
Ti Vanadium
V
Chrom
5
Zirkon
Zr Niob
Nb Molybdän Mo
6
Hafnium
Hf Tantal
Ta
Wolfram
Cr
W
Ihre Carbide zählen zu den intermetallischen Phasen mit gemischten Bindungsarten, härter als Zementit (Tabelle 4.5). Die Löslichkeit im Austenit
ist verschieden, ebenso ihr Einfluss auf Härte-
Beispiele für Carbide
Mischcarbide
Doppelcarbide
Sondercarbide
(Fe, Mn)3C, (Fe, Cr)3C
Fe3W3C, Fe4Mo2C
Cr23C6, Cr7C3
Sondercarbide ist ein Sammelname für solche
Carbide, die nicht die Zementitstruktur besitzen.
Ihre Härte steigt mit dem C-Anteil, also MC
härter als M2C (Tabelle 4.5).
Tabelle 4.5: Mikrohärte einiger Carbide
Carbid
Härte
Carbid
Härte
TiC
NbC
Cr3C2
3200
2800
2150
VC
Wc
Mo2C
2800
2400
1500
110
4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen
verhalten (νcrit) und die Gefügestabilität bei
höheren Temperaturen. Sie erhöhen Anlassbeständigkeit und verhindern als Korngrenzenausscheidung das Kornwachstum.
Anwendung: Alle Werkzeugstähle und verschleißfester Guss enthalten diese Carbide möglichst feinkörnig im gehärteten Grundgefüge.
Aus Gründen der Schmiedbarkeit ist der Carbidgehalt auf ca. 15 % begrenzt.
Der Anteil der LE, die in Carbiden gebunden sind,
geht dem Grundgefüge verloren. Damit auch dort
genügend LE-Atome wirken können, ergibt sich
für Carbidbildner die Forderung:
Höchste Carbidanteile besitzen die Sinterhartstoffe mit ca. 95 % (WC + TiC + TaC) in
einem Co-Grundgefüge.
Hoher C-Gehalt im Stahl erfordert hohen
Anteil an Carbidbildnern
(→ Beispiel).
Nitridbildner
C und N haben als Nachbarn im PSE kleine, ähnliche Atomradien, ihre Carbide und Nitride z.T.
gleiche Kristallgitter. Darin sind C- und NAtome austauschbar. Es können sich auch Carbonitride bilden. Dazu gehören die Elemente:
Aluminium Al, Bor B, Chrom Cr, Niob
Nb, Titan Ti, Vanadium V, Zirkon Zr
Nitride liegen als feindisperse Ausscheidungen
innerhalb der Kristalle vor und bewirken:
• Streckgrenzenerhöhung bei C-armen, mikrolegierten Bau- und austenitischen Stählen (→),
• Behinderung des Kornwachstums beim Glühen,
• Steigerung der 0,2 %-Dehngrenze bei warmfesten Stählen (vergütet) ohne Zähigkeitsabfall und geringere Kriechrate bei Temperaturen über 400 °C.
Beispiel: Kaltarbeitsstahl X210Cr12. Mit 2,1 %
C und 12 % Cr hat er ca. 15 % Carbidanteil.
Bei Härtetemperatur ist genügend Cr im Austenit
gelöst, sodass er die Eigenschaft lufthärtend
besitzt.
Beispiele: TIC und TIN haben die gleiche
kubisch-flächenzentrierte Einlagerungsstruktur,
(→ Tabelle 2.24).
Hinweis: Nitride sind die Träger der Härte beim
Nitrieren von Nitrierstählen. Al-legierte Sorten
erreichen die höchste Härte mit 950 HV1.
Nitride und Carbonitride werden durch CVDoder PVD-Verfahren in Dünnschichten
(≈ 10 µm) als Verschleißschutz auf Werkzeuge
aufgebracht.
Beispiele:
S550MC, kaltumformbarer Stahl mit hoher
Streckgrenze nach DIN EN 10149.
P460NH, warmfester Stahl für Druckbehälter
DIN EN 10028-2 mit ≤ 0,2 % N; an Al oder
V ≤ 0,2 % gebunden.
4.2 Stähle für allgemeine Verwendung
4.2.1 Anforderungsprofil
Die Masse des erzeugten Stahles besteht aus Grund- und Qualitätsstählen, die aufgrund
ihrer gewährleisteten Streckgrenze als Konstruktionswerkstoff eingesetzt werden. Temperaturen und Korrosionsangriff müssen dem normalen Klima entsprechen. Für die Verarbeitung sind folgende Eigenschaften wichtig:
• Eignung zum Kaltumformen (→), z.B. durch
Normung: Technologischer Biegeversuch nach
DIN EN ISO7438/05 (→ 14.7).
Abkanten, Walzprofilieren oder Kaltziehen.
Sorten mit besonderer Kaltumformbarkeit werden im Kurzzeichen durch ein nachgestelltes
C gekennzeichnet. Genormte Stahlsorten mit besonderer Kaltumformbarkeit (→ 4.5.2).
4.2 Stähle für allgemeine Verwendung
Die Erzeugnisse müssen das Abkanten mit bestimmten Biegehalbmesser rissfrei gewährleisten.
Er ist von der Erzeugnisdicke abhängig (→ Beispiel) und steigt mit der Streckgrenze (C-Gehalt
mindert Dehnung) an.
• Eignung zum Schmelzschweißen
Diese Eigenschaft hängt zunächst vom C-Gehalt
ab (→ Tabelle 3.2). Sind weitere LE enthalten,
so kann es bei der Abkühlung zur Aufhärtung
kommen. Das findet in den Bereichen statt, welche die Härtetemperatur überschritten hatten und
durch Luft und die Wärmableitung in die kälteren Bereiche abgeschreckt werden.
111
Beispiel: Biegehalbmesser in mm
Sorte
Erzeugnissdicke s in mm
C%
≤ 1,5
>5…≤6 >10…≤12
t: quer, l: längs1)
1
t
1
t
S235J0C 0,19
1,6
8
10
20 25
S275J0C 0,21
2,0
10 12
25 32
S355J0C 0,23
2,5
10 12
25 32
1)
1
Lage der Biegeachse zur Walzrichtung
Aufhärtung ist die teilweise Martensitbildung
in den Randbereichen der Schweißnaht. Der
dadurch spröde gewordene Werkstoff reißt
durch behindertes Schrumpfen während der
Abkühlung.
Der Anteil der LE wird auf einen gleichartig wirkenden (äquivalenten) Kohlenstoffanteil CE umgerechnet (→). Nach dem CE-Wert werden die Stähle in drei Gruppen eingeteilt (→ Tabelle 4.6).
Kohlenstoffäquivalent CE ist ein scheinbarer
C-Gehalt, errechnet nach:
Bedingt schweißgeeignet bedeutet, dass unter
gewissen Bedingungen, wie Vorwärmen der
Teile oder eine nachträgliche Wärmebehandlung,
die Stähle für das Schweißen geeignet werden.
Tabelle 4.6: Schweißeignung und CE-Wert
Schwer schweißbare Stähle lassen sich mithilfe
austenitischer Elektroden (z.B. aus Cr-Ni-MnStahl) schweißen. Eine Schweißnaht aus diesen
nicht härtbaren Stählen mit niedriger Streckgrenze
kann beim Schrumpfen durch geringe plastische
Verformung die Spannungen abbauen, sodass sie
keine gefährliche Höhe erreichen.
CE = C + Mn/6 + (Cr + Mo + V)/5 + (Ni + Cu)/15
in Masse-%
… schweißgeeignet
gut …
bedingt …
schwer …
CE in %
< 0,45
< 0,6
> 0,6
Die Elemente Cr und Si verbrennen beim
Schweißen zu hochschmelzenden Oxiden, die
das Zusammenfließen der Schweißnahtränder
behindern. Mn, das ebenfalls oxidiert, erniedrigt durch sein Oxid den Schmelzpunkt der
anderen. Dadurch gleicht Mn die ungünstige
Wirkung von Si und Cr aus.
4.2.2 Baustähle nach DIN EN 10025 (Tabelle 4.8)
Die Stähle sind nach ihrer gewährleisteten Mindest-Streckgrenze ReH benannt. Sie wird bei
den Sorten S185 bis E360 durch den Einfluss der Eisenbegleiter und des C-Gehaltes auf
das Gefüge eingestellt:
• Erhöhung des Perlitanteils im ferritisch-perlitischen Gefüge durch Mn-Gehalte,
• Mischkristallverfestigung durch kleine Gehalte
der im α-Eisen gelösten Eisenbegleiter,
• Kornverfeinerung durch eine Pfannenbehandlung der Schmelze (→ 3.5.4 Sekundärmetallurgie) und normalisierendes Walzen.
Steigende Festigkeit kombiniert mit Schweißeignung wird durch niedrige C-Gehalte von
0,21…0,14 % und 1,5…1,7 % Mn eingestellt.
Jede Festigkeitsstufe enthält mehrere Sorten
mit steigender Sicherheit gegen Sprödbruch.
Das wird durch kleinere P-, S- und N-Gehalte
und Desoxidation (Feinkorn) erreicht.
112
4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen
Die wesentlichen Unterschiede der Stahlsorten
einer Festigkeitsstufe liegen in der steigenden
Sprödbruchsicherheit. Sie wird mit dem Kerbschlagbiegeversuch ermittelt.
Mit sinkender Temperatur erhöhen sich die Anforderungen an den Werkstoff, unter ungünstigen Bedingungen noch verformbar zu bleiben.
Damit ist die Sprödbruchsicherheit eines Stahles ist umso höher, je tiefer die Prüftemperaturen
für die gewährleistete Kerbschlagarbeit KV liegen. Die angehängten Kurzzeichen geben die
Prüfbedingungen des Kerbschlagbiegeversuches
an (Tabelle 4.7).
Tabelle 4.7: Kurzzeichen für Sprödbruchsicherheit, Werte gültig für Spitzkerb-Längsproben
und Dickenbereich.
Zeichen
KV Zeichen
J
J
27
K
40
T
°C
Dicke in mm
R
+20
> 12 ≤ 250
0
0
2
–20
2
> 12 ≤ 400
≤ 150
Tabelle 4.8: Warmgewalzte Erzeugnisse aus unlegierten Baustählen, DIN EN 10025-2/05, mechanische Eigenschaften, gewährleistete Mindestwerte
Stahl-
Werk-
sorte
stoff-Nr.
1)
ReH bzw. Rp0,2
Rm
A80
Nenndicken (mm)
MPa
Nenndicken (mm)
A%
≤ 16 ≤ 100 ≤ 200
≤ 100
≤ 1...< 3 ≤ 3...< 40
Bemerkungen
Stahlsorten mit Angaben der Kerbschlagarbeit KV (→ Tabelle zu 4.3 Stahlbau)
S235JR
1.0038
S235J0
1.0114
S235J2
1.0117
S275JR
1.0044
S275J0
1.0143
S275J2
1.0145
S355JR
1.0045
S355J0
1.0153
S355J2
1.0577
S355K2
1.0596
S450J0
1.0590
235
275
215
235
175
215
360
l: 17...21
l: 26
...510
t: 15...19
t: 24
410
l: 14...18
l: 22
...560
t: 12...20
t: 20
Niet- und Schweißkonstruktionen im
Stahlbau, Flansche, Armaturen
schmelzschweißgeeignet
Für höhere Beanspruchung im Stahlund Fahrzeugbau, Kräne und Maschinengestelle
schmelzschweißgeeignet
355
315
285
450
380
---
490
L: 14...18
l: 22
...630
t: 12...16
t: 20
wie bei S275
schmelzschweißgeeignet
550
Nur für Langerzeugnisse
...720
Stahlsorten ohne Werte für die Kerbschlagarbeit KV
S185
1.0035
185
175
155
E295
1.0050
295
255
235
E335
E360
1)
290
...510
470
...610
1.0060
335
295
265
570
...710
1.0070
360
325
295
670
...830
t: 10...14
l: 18
t: 16
l: 12...16
l: 20
t: 18
l: 8...12
l: 16
t: 14
l......3...7
l: 11
t: 10
Bruchdehnungswerte an Längsproben (l) und Querproben (t) gemessen;
Bauschlosserei
Achsen, Wellen, Zahnräder,
Kurbeln, Buchsen, Passfedern,
Keile; Stifte,
alle Sorten sind
pressschweißgeeignet
4.3 Baustähle höherer Festigkeit
113
4.3 Baustähle höherer Festigkeit
Um der Konkurrenz von Leichtmetallen und faserverstärkten Kunststoffen – vor allem im
Fahrzeugbau – zu begegnen, hat die Stahlindustrie Baustähle höherer Festigkeit entwickelt,
mit denen Material- und Herstellungskosten gesenkt werden können. Voraussetzung waren
Verfahren der Sekundärmetallurgie zur Absenkung des C-Gehaltes sowie der P- und SGehalte im Stahl.
Beispiel: Bei Verwendung hochfester Stähle
können im Stahl- und Brückenbau, für Schwerlast- und Kranfahrzeuge erhebliche Einsparungen erzielt werden durch (Bild 4.1):
• Kleinere Blechdicken (kleinere Masse) bei
etwas höheren Werkstoffkosten/t Stahl.
• Wegfall des Vorwärmens zum Schweißen,
• Nahtvolumen kleiner, kürzere Schweißzeiten.
Hinweis: Beim Ersatz konventioneller Stahlsorten durch höherfeste Stähle sind kleinere Querschnitte möglich. Damit sich die Durchbiegung
nicht vergrößert (gleiche E-Moduln) müssen
dann die Flächenmomente vergrößert werden.
4.3.1 Die Erhöhung der Festigkeit
Um die Anforderungen an diese höherfesten
Stähle zu erfüllen, sind zusätzliche metallurgische Maßnahmen erforderlich (→ Übersicht).
Der Zementitanteil begrenzt die Kaltformbarkeit
und senkt die Zähigkeit. C-arme Stähle haben
diese Schwächen nicht, sind gut schweißgeeignet
und haben dafür niedrige Streckgrenzen.
So muss die Steigerung ihrer Festigkeit durch
solche Maßnahmen erfolgen, die weder Schweißeignung, Kaltformbarkeit noch Kaltzähigkeit
senken. Das geschieht durch eine Kombination
von Verfestigungsmechanismen (Bild 4.2).
Voraussetzung sind geringe Gehalte bestimmter
LE (mikrolegiert) in Verbindung mit thermomechanischer Behandlung. Sie erzielt ein besonders
feinkörniges Gefüge, das auf andere Weise nicht
erzeugt werden kann (Anhängezeichen M). Dadurch wird in Verbindung mit kleinen P- u. SGehalten die Übergangstemperatur TÜ zu tiefen
Temperaturen verschoben. (Kaltzähigkeit).
Bild 4.1 Einfluss der Stahlsorte auf die Gestehungskosten bei Mobilkkrannen
Übersicht
Anforderung
Maßnahme
Schweißeignung, niedrige C-und LE-Gehalte
Kaltformbarkeit, perlitarm oder perlitfrei,
kaltzäh bei -40 °C Feinkorn, P- u. S-Gehalte
weiter abgesenkt,
Hohe
Kombination festigkeitssteigernder Maßnahmen (2.3)
Streckgrenze
MPa
700
500
300
100
Mechanismus LE
TM
Umwandlung- Mo,Mn,
M
verfestigung
Nb, Ti, B
M
TeilchenNb, Ti
verfestigung
M
KorngrenzenNb, Ti
verfestigung
MischkristallMn, Si,
–
verfestigung
Mo, Ni
Grundfestigkeit weicher Stähle
Bild 4.2 Erhöhung der Streckgrenze Rp0,2 bei
mikrolegierten Feinkornstählen (nach L. Meyer)
Begriff: Mikrolegierte Stähle enthalten nur
geringe Anteile einer Kombination der LE Nb,
Ti und V. Ihre Wirkung beruht auf der Aushärtung, in Verbindung mit der Thermomechanischen Behandlung TM (→ 5.3.3).
114
4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen
Die CE-Werte dieser Stähle liegen niedriger als
bei konventionellen Stählen gleicher Festigkeit.
Beispiel: CEV-Werte einiger Baustähle
Sorte
S355J2G3
S355N
S355M
Das Beispiel (→) vergleicht 3 Sorten mit gleicher Streckgrenze von 355 MPa. Der normalisierte Stahl (N) hat bei
gleichem C-Gehalt ein kleineres CE als der S355J2, während der TM-Stahl (M) diese Festigkeit mit kleinerem CGehalt und damit kleinerem CE besitzt.
1)
veraltete Bez.
St 52-3
StE 355 N
StE 355 TM
C%
0,2
0,2
0,4
CEV 1)
0,45
0,43
0,39
für Blechdicken ≤ 40 mm
4.3.2 Schweißgeeignete Feinkornbaustähle, nicht vergütet.
Tabelle 4.9: Normenübersicht
DIN EN 10025/05 Warmgewalzte Erzeugnisse aus
DIN EN 10028/03 Flacherzeugnisse aus
schweißgeeigneten Feinkornbaustählen (Tabelle 4.10)
Druckbehälterstählen (Tabelle 4.10)
(bisher DIN EN 10113 Z)
Schweißgeeignete Feinkornbaustähle,
T 3: normalgeglühte/normalisierend gewalzte (N),
T 3: normalisierend gewalzt (N),
T 4: thermomechanisch gewalzte Stähle (M).
T 5: thermomechanisch gewalzt (M).
DIN EN 10222-4/01 Schmiedestücke aus Stahl für Druckbehälter, schweißgeignete Feinkornbaustähle hoher Dehngrenze.
Kaltzähe Sorten werden durch angehängte Zeichen L oder L1, auch L2 unterschieden. Bei
sonst ähnlichen Analysenwerten haben sie noch weiter abgesenkte P- und S-Gehalte und
damit steigende Kaltzähigkeit (Kerbschlagarbeit KV für tiefere Temperaturen in Tabelle 4.10).
Tabelle 4.10: Vergleich der schweißgeeigneten Feinkornbaustähle DIN EN 10028-3/5 und DIN EN 10125-3/4
DIN EN 1010025
T-3
Kurzname
S275N
NL
DIN EN 10028
T-5
T-3
Rm
1)
1)
MPa
S275M
ML
370
...510
Kurzname 1)
P275N
NL1
Kerbschlagarbeit KV
3)
T-5
Rm
1)
MPa
Kurzname 1)
Rm
1)
MPa
390
A 2)
An Längsproben gemessen
in %
Sorte °C
24
...510
-------
----
490
P355M
450
ML1
...610
-20 °
-40
N/M
47
0°
40
--
NL/ML
55
47
31
NL2
S355N
S355M
NL
470
...630
ML
S420N
NL
P355N
NL1 ...630
NL2
S420M
ML
520
---------
22
Sorte °C
ML2
------
...680
P420M
500
ML1
...660
19
ML2
S460N
NL
1)
2)
3)
S460M
ML
550
...720
P460N
570
Für P-Stähle gelten höhere KVWerte ↓
P460M
530
NL1 ...720
ML1
...720
NL2
ML2
17
0°
-20 °
-40
N
40
30
--
NL1
50
35
27
NL2
60
40
30
M
40
27
--
ML1
60
40
27
ML2
80
60
40
Der Kurzname enthält die obere Streckgrenze in MPa für Nenndicken ≤ 16 mm.
A-Werte gelten für S- und P-Sorten gleichermaßen.
KV-Werte sind den Anhängesymbolen zugeordnet und gelten jeweils für alle Festigkeitsstufen.
4.4 Stähle mit besonderen Eigenschaften
115
4.3.3 Vergütete schweißgeeignete Feinkornbaustähle, DIN EN 10025-6/05 Blech und
Breitflachstahl, (DIN EN 10137-2 Z). Ähnliche Sorten auch in DIN EN 10028-6.
Höhere Streckgrenzenwerte von 500...960 MPa werden durch Abschrecken der Nilegierten Stähle (2 %) in Wasser und Anlassen erreicht. Durch niedrigste C-Gehalte (≤ 0,2)
hat der bei ca. 650 °C angelassene Martensit andere Eigenschaften als der in Werkzeugstählen. Die Kaltzähigkeit steigt bei den Sorten mit den Anhängesymbolen Q < QL < QL1
durch höheren Reinheitsgrad (P+S-Gehalte, Tabelle 4.11), die Bruchdehnungen fallen mit
steigender Streckgrenze ab.
Tabelle 4.11: Feinkornbaustähle, vergütet, Unterschiede der Sorten Q, QL, QL1 1)
Sorte
Rm in MPa
A in %
S460Q
S500Q
S550Q
S620Q
S690Q
S890Q
S960Q
550-720
590-770
640-820
700-890
770-940
940-1100
980-1150
17
17
16
15
14
11
10
Kerbschlagarbeit Alle Q-Sorten: KV bei 0 °C = 40 J
Rm und A wie oben
Variante
Kerbschlagarbeit KV (Längsproben) in J bei T
P%
S%
–20 °C
–40 °C
S ... QL
≤ 0,025
≤ 0,015
30
30
--
S ... QL1
≤ 0,020
≤ 0,010
50
40
30
1)
–60 °C
Mechanische Werte für Erzeugnissdicken von ≥ 3...≤ 50 mm ; Nicht genormt ist : S1100QL (1.8942) mit Rm
= 1200...1500 MPa bei 8 % Bruchdehnung, S-Gehalt 0,005 % (XABO® 1100).
4.4 Stähle mit besonderen Eigenschaften
4.4.1 Wetterfeste Baustähle DIN EN 10025-5/05 [Merkblatt 434/04 über Stahl-info.de/]
Diese Stähle bilden durch Einwirkung der Umgebung fest haftende Schutzschichten. Das
wird erreicht durch kleine Gehalte von Cu, Cr und Ni. Dadurch haben sie eine niedrige
Korrosionsgeschwindigkeit. Die Wetterbeständigkeit gilt für Industrieklimate, jedoch nicht
für Meeresnähe und chloridhaltige Luft. Mechanische und Verarbeitungs-Eigenschaften
gleichen denen der Stähle nach DIN EN 10025-2.
Verwendung: im Stahlbau, für Fahrzeuge und Anlagen im Freien, Spundwände.
4.4.2 Kaltzähe Stähle
Anwendungsbereich: Wenn die kaltzähen Sorten der Feinkornbaustähle (bis –50 °C) den
Anforderungen nicht mehr genügen, z.B. bei Rohrleitungen, Armaturen und Apparaten, die
mit verflüssigten Gasen in Kontakt sind oder in Gebieten mit Dauerfrost eingesetzt werden.
Tabelle 4.12: Profile der kaltzähen Stähle
Anforderungsprofil:
Hohe Sicherheit gegen Sprödbruch, wenn Leitungen
oder Behälter bei den tiefen Temperaturen verformt
werden (z.B. durch Unfall oder Erdsetzungen).
Schweißeignung und Korrosionsbeständigkeit bei
Rohren und Behältern.
Eigenschaftsprofil:
Schweißeignung und Zähigkeit werden durch metallurgische Maßnahmen erreicht.
• Niedrige C-Gehalte, hoher Reinheitsgrad,
• Feinkörnigkeit durch TM-Behandlung,
• Legieren mit Ni und Vergüten.
116
4 Stahlsorten – Normen und Verwendungsgruppen
Tabelle 4.13: Kaltzähe Stähle DIN EN 10028-4/03
Sorte
11MnNi5-3
13MnNi6-3
16NiMn6
12Ni14
X12Ni5
X8Ni9
X7Ni9
1)
Zustd.
WerkSt. Nr.:
KV min 1)
bei ...°C.
+N
+N
+N
+N
1.6212
1.6217
1.6228
1.5637
40
40
40
40
+N
+N
+QT
+QT
1.5680
1.5662
--1.5663
40
50
70
100
-60
-60
-80
-100
-120
-196
-196
-196
Rm, min/
ReH, min
420/275
490/345
490/345
490/345
530/380
640/480
680/575
680/575
KV in J an Spitzkerbproben, längs
Durch die Maßnahmen nach Tabelle 4.12 wird
der Steilabfall der Kerbschlagarbeit zu tieferen
Temperaturen verschoben (→), die Stähle werden kaltzäh.
Eine Stahlauswahl kann nach der Arbeitstemperatur der Betriebsmittel (Tabelle 4.14) in Verbindung mit Tabelle 4.13, Spalte 3 Kerbschlagarbeit/Temperatur erfolgen.
4.4.3 Austenitische Stähle
Wie in Abschnitt 3.5.1 erläutert, erweitern die
Elemente Ni, Mn und N neben dem Kohlenstoff
den Existenzbereich der γ-Mischkristalle bei
bestimmten Gehalten bis auf RT. Es entstehen
umwandlungsfreie, homogene Stähle.
Bild 4.3 zeigt die Gefüge der Cr-Ni-Stähle in
Abhängigkeit vom Cr- und Ni-Gehalt bei 0,2 % C.
• Homogener Austenit wird erst bei hohen NiGehalten erreicht (> 24 %),
• durch Cr- Zusatz kann der Ni-Gehalt reduziert werden,
sodass mit 18 % Cr bereits 8 % Ni genügen, ein
austenitisches Gefüge durch Abschrecken auf
RT zu erhalten, für den zähen Austenit ohne
Gefahr von Rissen.
Der metastabile Austenit kann sich bei Kaltumformung umwandeln und zusammen mit gelösten
C-Atomen Martensit bilden. Das ist die Ursache
für die starke Verfestigungsneigung austenitischer Stähle (→ Beispiel).
Tabelle 4.14: Siedetemperaturen einiger
technischer Gase in °C 1)
Propan
-42
Methan -164 N2
-196
CO2
-79
O2
-183 H2
-253
Ethan
-89
Argon
-186 He
-269
1) gerundete
Werte
Weitere Normen:
DIN EN 10213-3/96 Stahlgusssorten für
tiefe Temperaturen
DIN EN 10222-3/99 Schmiedestücke aus
Stahl, Nickelstähle
DIN EN 1563/05
Temperguss, kaltzäh
Ausnahme: Austenitische Stähle haben keinen
Steilabfall in der KV,T-Kurve (Bild 14.26)
Bild 4.3 Gefüge von C-armen Cr-Ni-Stählen
nach dem Abschrecken aus 1000 °C
Austenitische Stähle basieren auf der 1912 von
Krupp als Rostfreier Stahl patentierten Sorte
mit 18 % Cr und 8 % Ni bei niedrigem CGehalt.
Beispiel: Beim Bohren von austenitschem
Stahl mit unscharfen Bohrern kommt es zur
Erhöhung der Vorschubkraft mit geringer
plastischer Verformung (niedrige Steckgrenze)
und Martensitbildung. Der Bohrer schneidet
noch weniger, reibt, erhitzt sich, wird höher
angelassen und erweicht.
4.4 Stähle mit besonderen Eigenschaften
117
DIN EN 10088/ 05 5 Teile KorrosionsbestänAbhilfe durch Erhöhung des Ni-Gehaltes zur
dige Stähle; DIN EN 10283 / 98 KorrosionsStabilisierung des Austenits. Stahlsorten für
beständiger Stahlguss.
Tiefziehzwecke haben deshalb 10...12 % Ni.
Hinweis: Korrosionsbeständige austenitische
Die Korrosionsbeständigkeit wird durch ErhöStähle im Abschnitt Korrosion (Tabelle 12.9).
hung von Cr und Ni und Zusatz weiterer LE für
alle chemisch angreifenden Stoffe angepasst.
Durch ihr kfz-Gefüge besitzen austenitische Stähle eine Kombination von Eigenschaften,
sodass sie bei besonderen Anforderungen eingesetzt werden können (Tabelle 4.15).
Tabelle 4.15: Eigenschaftsprofil der austenitischen Stähle
Merkmale
Ursachen, Eigenschaften
Stahlgruppe
Homogenes Gefüge aus
kfz-Mischkristallen
Das kfz-Gitter hat maximale Gleitmöglichkeiten, beste
Kaltzähe Stähle
Kaltumformbarkeit, hohe Werte für Bruchdehnung und
Brucheinschnürung, ebenso für die Kerbschlagarbeit bis
–200 °C.
Korrosionsbeständige
Korrosionsbeständigkeit die mit dem Gehalt an weiteren Stähle
Legierungselementen steigt.
Streckgrenze niedrig,
bei hoher Zugfestigkeit,
dadurch
Niedrige kritische Schubspannung im kfz-Gitter, für höher
Schweißelektroden
beanspruchte Bauteile sind deshalb N-legierte und aushärtbare Sorten mit höherer Streckgrenze entwickelt worden.
Großer Dehnungsbereich Stickstoff N wird beim Umschmelzen unter Druck zugeAushärtbare
setzt und wirkt auf Zwischengitterplätzen verfestigend,
im σ, ε-Diagramm
austenitische Stähle
durch Übersättigung kommt es später zur Ausscheidungshärtung.
Umwandlungsfrei
Unmagetisierbar
Keine Möglichkeit zum Härten, Vergüten und NormalisieWarmfeste, hitzeren. Rekristallisationsglühen ist möglich. Keine Volumenbeständige Stähle
änderung wie sie bei umwandelnden Stählen erfolgt. Dadurch kein Abscheren von Oberflächenschutzschichten.
Eigenschaft des kfz-Gitters. Wegen des metastabilen Aus- Nicht magentisiertenits haben diese Stähle höhere Anteile an LE.
bare Stähle
4.4.4 Ferritische Stähle
Wie im Abschnitt 3.5.2 erläutert, engen die Elemente Cr, Si, Al und einige weitere das Austenitgebiet ein oder schnüren es ab. So entstehen
bei höheren Gehalten dieser Legierungselemente
die umwandlungsfreien, homogenen ferritischen
Stähle (Bild 3.19).
Voraussetzung sind > 12 % Cr und ein niedriger
C-Gehalt. Cr wird als Carbidbildner von CAtomen gebunden und so dem Mischkristall
entzogen. Damit würde weniger Cr für die Veränderung des Kristallgitters zur Verfügung stehen und die Korrosionsbeständigkeit wäre nicht
mehr gegeben.
Anwendungsbereich der ferritischen Cr-Stähle.
• Wegen des homogenen Gefüges als
korrossionsbeständige Werkstoffe,
• wegen der Umwandlungsfreiheit als
hitzebeständige Werkstoffe.
Hitzebeständigkeit: Weil die γ-α-Umwandlung (und α-γ) mit einer sprungartigen Volumenänderung fehlt, wird eine entstandene
Oxidschicht nicht gelockert. Sie ist auch bei
ständigen Wärm- und Abkühlzyklen festhaftend und wird durch die Elemente Si und Al
verstärkt (→ hitzebeständige Stähle 4.4.5).
Hinweis: korrosionsbeständige, ferritische
Stähle sind auch im Abschnitt Korrosion
(Tabelle 12.9) behandelt.