Kleine Fibel für den Härter

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Kleine Fibel für den Härter
Kleine Fibel für den Härter
1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1.
1.1.
1.2.
1.3.
1.3.1.
1.3.2.
1.4.
Etwas Theorie muß sein
Das Kristallgitter des Eisens
Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm
Die Gefügeumwandlung von Eisenwerkstoffen
Das ZTA-Schaubild
Das ZTU-Schaubild
Die Härtbarkeit
2.
Die Begriffsbestimmung Stahl und Einteilung und Bezeichnung der Stähle
3.
Die Wärmebehandlung in der Praxis
3.1. Wärmebehandlungsverfahren
3.1.1. Spannungsarmglühen
3.1.2. Weichglühen
3.1.3. Normalglühen
3.1.4. Diffusionsglühen
3.1.5. Grobkornglühen
3.1.6. Rekristallisationsglühen
3.1.7. Hochdruckgasabschreckung
3.1.8. Das Härten von Bauteilen und Werkzeugen
3.1.9. Das Anlassen von Bauteilen und Werkzeugen
3.1.10. Vergüten
3.1.11. Tiefkühlen
3.2. Zeit- Temperatur-Folge-Schaubilder für das Härten ausgewählter Werkzeugstähle
3.3. Thermisch-chemische Verfahren (Einsatzhärten und Nitrieren)
3.4. Verzug bei der Wärmebehandlung
3.5. Oberflächenreaktionen; Schutz der Werkstückoberfläche
4.
4.1.
4.2.
4.3.
Das Prüfen wärmebehandelter Teile
Härtemessung nach Rockwell
Härtemessung nach Vickers
Härtemessung nach Brinell
5.
Literaturzusammenstellung
Anhang
2
EINLEITUNG
Auch über das Jahr 2000 hinaus wird der Einsatz metallischer Werkstoffe - insbesondere der
Eisenwerkstoffe - in einer Vielzahl von Industriezweigen dominieren. Die technologischen und
konstruktiven Forderungen, primär bestimmt durch den Trend zur Leichtbauweise und
Miniaturisierung, die an die metallischen Werkstoffe gestellt werden, lassen sich in der Regel
nur durch entsprechende Veredelungsprozesse erreichen. Zu solchen Veredelungsprozessen
zählt an hervorragender Stelle die
Wärmebehandlung
vor oder während der Bearbeitung der Werkstoffe zu Bauteilen oder Werkzeugen.
Die Zielstellungen für das Wärmebehandeln können recht vielfältig sein. So lassen sich die Verund Bearbeitungseigenschaften der Werkstoffe verbessern oder der Werkstoffzustand so
verändern, daß z.B. die Härte, die Festigkeit, die Zähigkeit oder der Verschleißwiderstand den
unterschiedlichen Gebrauchsbedingungen in der Praxis optimal Rechnung tragen.
Für die Durchführung von Wärmebehandlungsarbeiten steht eine Vielzahl von Verfahren zur
Verfügung. Eine grundsätzliche Unterteilung in zwei große Gruppen ist möglich:
1.
Veränderung des Werkstoffzustandes ohne Änderung der chemischen Zusammensetzung
und
2.
Veränderung des Werkstoffzustandes bei gleichzeitiger Änderung der chemischen
Zusammensetzung in der Randschicht.
Nachfolgend sollen den Nutzern von
Linn Härte- und Anlaßöfen
einige Tips für eine zweckmäßige und erfolgreiche Wärmebehandlung in
allgemeinverständlicher Art gegeben werden. Dabei wird der Schwerpunkt auf solche Verfahren
gelegt, die der ersten Gruppe zuzuordnen sind und auf einer durchgreifenden Erwärmung der
Werkstücke beruhen. Hierzu zählen die Glühverfahren, das Härten, das Anlassen und das
Vergüten. Thermochemische Verfahren werden nur ergänzend behandelt.
Nachfolgend einige Beispiele für Linn Härte- und Anlaßöfen.
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Linn Härte- und Anlaßöfen
HK:
Robuster Kleinkammerofen zum Glühen, Härten, Pulveraufkohlen
Entspannen. Tmax 1200 °C; als Option bis 1300 °C, Hubtüre
Schutzgasausführung.
KS-S:
Kammerofen mit hitzebeständiger gasdichter Muffel für Schutzgasbetrieb.
Tmax 1050 °C. Umfangreiche Optionen wie Nachverbrennung, Absaugung,
Abfackelung und Vakuumbetrieb, Kühlfalle im Gasausgang.
VMK-S:
Faserisolierter Universalofen bis 1050 °C, optional 1100 °C, mit hitzebeständigem
gasdichten Muffeleinsatz für Schutzgasbetrieb. Wassergekühlter Türflansch. Als
Option vakuumdicht für Temperaturen bis 700 °C, Nachverbrennung, Absaugung
und Begasung.
KK-U:
Kammerofen mit Luftumwälzung für Wärmebehandlungen mit sehr guter
Temperaturverteilung und schneller Wärmeübertragung, Tmax 850 °C
AK/AHK: Robuster Kleinkammerofen zum Anlassen, Tempern
und Weichglühen. Typische Anwendungen in
Härtereien, Versuchswerkstätten und Laboratorien.
Luftumwälzung durch in die Tür eingebauten
Ventilator für bessere Temperaturverteilung und
besseren Wärmeübergang. Tmax 800 °C.
Optionen: Temperaturerhöhung auf 950 °C; Version
AHK mit zweiter Schwenktür ohne Ventilator, mit
Temperaturerhöhung bis 1200/1300 °C, wahlweise
zum Anlassen oder Härten, Schaffplatte.
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und
und
Linn Härte- und Anlaßöfen
Heatlab KKH
Vakuum-Kammerofen für die Wärmebehandlung unter Vakuum oder Schutzgasatmosphäre
oder als Lötofen einsetzbar, mit forcierter Gaskühlung bis max. 6 bar Überdruck, Tmax 1300 °C
Optionen:
Graphitausführung bis 1900 °C
Molybdän-Kaltwandausführung bis 1600 °C
Integrierte Gasrückkühlung und Umwälzung
Prozeßsteuerung nach Kundenspezifikationen
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Durchlaufofen zum Wärmebehandeln von Kleinteilen (z.B. Federn) als Banddurchlaufofen bis
1100 °C oder als Rollendurchlaufofen bis 1350 °C
Optionen: Umluft, getrennte Führungsbahnen, mehrzonige Beheizung
Elektroofen zum Härten von Maschinenmessern und ähnlich langen Bauteilen bis 1320 °C
Optionen: mehrzonige Beheizung, Umluft, zwei Türen zum Durchstoßen
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1. Etwas Theorie muß sein!
Um die Vorgänge bei der Wärmebehandlung von Eisenwerkstoffen besser zu verstehen, sollen
einleitend ein paar theoretische Betrachtungen angestellt und einige Grundbegriffe erklärt
werden.
1.1. Das Kristallgitter des Eisens
Im festen Zustand sind unsere metallischen Werkstoffe in der Regel kristallin aufgebaut. Die
geometrische Anordnung der Atome, die wir als die kleinsten Bauelemente bei unserer
theoretischen Abhandlung betrachten wollen, ist im Kristallgitter exakt festgelegt. Bei den
Eisenwerkstoffen stehen sie immer würfelförmig zueinander und bilden je nach Temperatur ein
kubischraumzentriertes (krz) oder ein kubisch-flächenzentriertes (kfz) Gitter. Die
Umwandlung vom krz-Gitter in das kfz-Gitter erfolgt beim Aufheizen und Abkühlen bei Überbzw. Unterschreiten einer Temperatur von 911 °C. Gefügeseitig spricht man von einer
Umwandlung von Ferrit (α-Eisen) in Austenit (γ-Eisen). Der Ferrit wandelt sich beim
Erwärmen in Austenit und der Austenit beim Abkühlen in Ferrit um.
Bild 1 zeigt die beiden charakteristischen Atomgitter des Eisens.
Die kubisch-raumzentrierte Elementarzelle des Ferrits enthält
neben den 3 Eckatomen ein Atom in der Würfelmitte. Der
Eckabstand der Atome (Gitterabstand) beträgt 0,286 nm. Die
kubisch-flächenzentrierte Elementarzelle des Austenits enthält
neben den schon bekannten 4 Eckatomen in jeder Flächenmitte
ein Eisenatom. Durch diesen Gitteraufbau des Austenits sind die
Atome dichter gepackt und es ergibt sich ein spezifisch kleineres
Volumen als beim Ferrit, auf dessen Auswirkung wir später noch
einmal zu sprechen kommen. Der Gitterabstand beträgt 0,357 nm.
Bei den technischen Eisenwerkstoffen, die zur Wärmebehandlung
anstehen, handelt es sich in der Regel aber um Legierungen, die
Mischkristalle bilden. Je nachdem, ob ein Eisenatom durch ein
Fremdatom ausgetauscht wird oder Fremdatome sich in
Bild 1
Gitterlücken
einfügen,
spricht
man
von
Substitutionsmischkristallen oder interstitiellen Mischkristallen. Ein Austausch der Atome ist
nur möglich, wenn die Fremdatome eine ähnliche Größe wie die Eisenatome haben. Hierzu
zählen z.B. die Elemente Cr, V und Mo, um nur einige zu nennen. Sind die Fremdatome kleiner
als die Eisenatome, erfolgt eine interstitielle Einlagerung in Gitterlücken. Als wichtigstes
Element muß hier der Kohlenstoff genannt werden. Aber auch Stickstoff und Wasserstoff
zählen dazu.
Als Resümee aus dieser kurzen Gitterkunde kann jeder Wärmebehandler von sich mit
berechtigtem Stolz behaupten, daß er in der Lage ist, im festen Zustand Atome im Kristallgitter
um- und einzulagern. Wer kann das sonst noch?
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1.2. Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm
In der Reihe der Legierungselemente, die die Eigenschaften der Stähle bestimmen, nimmt - wie
eben bereits angedeutet - der Kohlenstoff den ersten Platz ein. Seine maßgebende Bedeutung für
die Wärmebehandlung läßt sich in Abhängigkeit von der Temperatur aus dem
Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff/System Eisen-Eisenkarbid (-Zementit) ableiten (Bild 2).
Es zeigt die Beständigkeitsbereiche von Eisen und Zementit im Gleichgewicht. Für den
Wärmebehandler ist der Bereich bis 2,06 Gewichts-% Kohlenstoff interessant. Bei
Temperaturen oberhalb der Linie GSE liegen die Eisen-Kohlenstoff-Legierungen im
austenitischen Zustand vor. Man spricht von einer festen Lösung. Ab Kohlenstoffgehalt > 0,8 %
sind neben Austenit noch ungelöste Karbide vorhanden, die sich erst nach Überschreiten der
Linie SECD auflösen.
Bild 2
Beim Abkühlen aus dem Austenitgebiet bildet sich bei Stählen mit 0,8 % Kohlenstoff nach
Unterschreitung einer Temperatur von 723 °C ohne Vorausscheidung Perlit, ein Gemenge aus
Ferrit und streifigem Zementit (Punkt S). Bei Kohlenstoffgehalten < 0,8 % scheidet sich aus
dem Austenit entlang der Linie GS zunächst Ferrit aus und der sich dabei mit Kohlenstoff
anreichernde Austenit wandelt sich nach Unterschreitung der Linie PS in Perlit um, so daß hier
letztlich ein Mischgefüge aus Ferrit und Perlit vorliegt. Beträgt der C-Gehalt mehr als 0,8 %,
bildet sich entlang der Linie SE solange Zementit, bis der bis auf 0,8 % Kohlenstoff verarmte
Austenit sich nach Unterschreiten der Linie SK ebenfalls in Perlit umwandelt. Das entstandene
Gefüge setzt sich aus Sekundärzementit - ausgeschieden an den Korngrenzen der ehemaligen
Austenitkörner - und Perlit zusammen.
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Den beschriebenen Vorgängen bei der Abkühlung von Eisen-Kohlenstoff-Legierungen geht
immer eine Kohlenstoffdiffusion in der festen Lösung (Austenit) voraus. Dabei bildet sich in
den kohlenstoffverarmten Zonen Ferrit und in den Gebieten mit Kohlenstoffanreicherung
Zementit (Eisenkarbid).
Bild 3
Bild 3 zeigt typische Gefüge unlegierter Stähle mit 0.35, 0.8 und 1.5 % C
Werden entsprechende Eisen-Kohlenstoff-Legierungen erwärmt, laufen die vorangehend
beschriebenen Diffusions- und Umwandlungsvorgänge in entgegengesetzter Folge ab. Während
man beim Abkühlen aus dem Austenitgebiet von Gefügebildung spricht, erfolgt beim
Aufheizen eine Auflösung der einzelnen Gefügebestandteile und es bildet sich wieder Austenit.
Der Vorgang des Aufheizens bis zur Austenitbildung wird fachgerecht mit Austenitisieren
bezeichnet.
Durch Legierungselemente wird das Austenitgebiet im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm erweitert
(z.B. Ni und Mn) oder eingeschnürt (z.B. Cr). Das hat zur Folge, daß ab bestimmten Gehalten
an Ni und Mn das austenitische Gefüge selbst bei langsamer Abkühlung stabil bleibt
(austenitische Stähle) oder bei γ Gebietseinschnürung keine Gefügeumwandlung stattfindet
(ferritische Stähle).
1.3. Die Gefügeumwandlung von Eisenwerkstoffen
Die Verschiedenartigkeit des Eisengitters und die unterschiedliche Art der Legierungsbildung
führen in der Praxis bei den Eisenwerkstoffen zur Bildung voneinander abweichender Gefüge
und bestimmen letztlich die Eigenschaften der Stähle. Die Gefügebildung wird entscheidend
vom Faktor Zeit bestimmt. Darauf wurde bereits bei der Besprechung des Eisen-KohlenstoffDiagramm hingewiesen. Die dort dargestellten Gefüge galten nur für den
Gleichgewichtszustand, das heißt, es war immer genügend Zeit für die Diffusion des
Kohlenstoffes vorhanden. Wird der Stahl rascher abgekühlt, stehen dem Kohlenstoff nur kurze
Diffusionszeiten zur Verfügung. Die Bewegung der Kohlenstoffatome wird eingeschränkt.
Schon ab einer Abkühlungsgeschwindigkeit von etwa 15 °C pro Sekunde wird die
Umwandlung von Austenit in Ferrit und die Ausscheidung von Karbiden mehr oder weniger
unterdrückt. Die Perlitbildung wird zu Temperaturen unterhalb 723 °C verschoben und erfolgt
auch schon bei geringeren Kohlenstoffgehalten als 0.8 Masse-%. Das perlitische Gefüge wird
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dabei mit zunehmender Abkühlungsgeschwindigkeit immer feinstreifiger. Noch kürzere
Diffusionswege führen schließlich zu Bainit. Der Austenit wandelt sich ohne vorangehende
Kohlenstoffverarmung in Ferrit bei gleichzeitiger Ausscheidung von Karbiden um, wobei das
Ferritgitter von der bekannten kubischen Form geringfügig abweicht.
Bei sehr hohen Abkühlungsgeschwindigkeiten wandelt sich der Austenit in Martensit um. Es
handelt sich um ein Gefüge, das durch starke Unterkühlung (Abschrecken) innerhalb von
Sekundenbruchteilen entsteht, nadelförmige Kristalle aufweist und extrem hart ist. Die Bildung
von Eisenkarbid wird dabei offensichtlich vollkommen unterdrückt. Der Kohlenstoff befindet
sich noch im Mischkristall, obwohl nach dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm bei
Raumtemperatur kein Kohlenstoff mehr im Ferritmischkristall löslich ist. Es liegt also eine
erzwungene Lösung von Kohlenstoff vor, die zu einer Verzerrung des kubischen Eisengitters
führt. Es bildet sich eine tetragonale Elementarzelle, die dadurch charakterisiert ist, daß es
durch eine definierte Einlagerung von Kohlenstoffatomen zur
Streckung der einen Achse der kubischen Elementarzelle und einer
gleichmäßigen Verkürzung der beiden anderen kommt. Bild 4 zeigt
das Martensitgitter mit der wahrscheinlichen Lage der C-Atome.
Natürlich ist diese tetragonale Verzerrung vom Kohlenstoffgehalt
abhängig. Sie steigt mit erhöhtem C-Gehalt. Dabei tritt im Bereich bis
1.8 % Kohlenstoff eine Verlängerung der c-Achse von 0.286 nm bis
auf etwa 0.306 nm bei gleichzeitiger Verkürzung der beiden anderen
Achsen von 0.286 nm auf ca. 0.283 nm auf. Je größer die tetragonale
Bild 4
Aufweitung der Martensitelementarzelle ist, um so stärker sind die
Gitterverspannung und um so höher letztlich die Härte des Stahles.
Bevor wir zur Behandlung spezieller Wärmebehandlungsverfahren kommen, müssen wir noch
einen Blick auf das Zeit-Temperatur-Umwandlungs- und das Zeit-TemperaturAustenitisierungsverhalten der Stähle werfen. Das Zeit-Temperatur-Umwandlungsverhalten
wird durch die stahlspezifischen ZTU-Schaubilder und das Zeit-TemperaturAustenitisierungsverhalten durch die stahlspezifischen ZTA-Schaubilder beschrieben. Beide
Schaubilder stehen für eine Vielzahl von Stahlmarken in Form von isothermischen und
kontinuierlichen Diagrammen zur Verfügung. Beginn und Ende bestimmter Umwandlungen
können immer definierten Umwandlungstemperaturen zugeordnet werden. Für sie wurden
einheitliche Bezeichnungen eingeführt. Die Umwandlungspunkte beim Erwärmen wurden mit
Ac (c für chauffage) und beim Abkühlen Ar (r für refroidissement) bezeichnet. Besondere
Wichtung für die Wärmebehandlung haben die Ac-Punkte. Je nachdem ob reine C-Stähle oder
legierte Stähle betrachtet werden, wurden den Umwandlungspunkten noch weitere Indices
zugefügt, die nachfolgend erklärt sind:
Ac1:
Temperatur, bei der sich bei C-Stählen Austenit bildet
Ac1b: Temperatur, bei der sich bei legierten Stählen Austenit bildet
Ac1e: Temperatur, bei der bei legierten Stählen die Auflösung des Perlits beendet ist
Ac3:
Temperatur, bei der die Umwandlung des Ferrits in Austenit beendet ist
Accm: Temperatur, bei der der Zementit völlig in Lösung gegangen ist
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1.3.1. Das ZTA-Schaubild
Aus den ZTA-Schaubildern sind Rückschlüsse auf die für das Härten erforderliche
Austenitisierungstemperatur und -zeit möglich. Für die Wärmebehandlungstechnik stehen 2
Arten
von
Zeit-Temperatur-Austenitisierungs-Schaubilder
zur
Verfügung.
Beim
kontinuierlichen ZTA-Schaubild (Bild 5) erfolgt die Erfassung der Austenitisierung durch
kontinuierliches Aufheizen mit unterschiedlichen Erwärmungsgeschwindigkeiten von
Raumtemperatur aus. Es ist deutlich abzulesen, daß die Umwandlungen mit steigender
Erwärmungsgeschwindigkeit früher beginnen, aber gleichzeitig zu höheren Temperaturen
verschoben werden. Ein Gesichtspunkt, der vor allem bei Kurzzeiterwärmungsverfahren
beachtet werden muß.
Isothermische ZTA-Schaubilder (Bild 6) werden parallel zur Zeitachse temperaturbezogen
gelesen. Je höher die gewählte Temperatur, um so früher beginnt die Umwandlung und
umgekehrt. Homogener Austenit wird erst nach langen Haltezeiten durch Diffusion der gelösten
Kohlenstoffatome erreicht.
Bild 5
Bild 5
Bild 6
Grundsätzlich muß darauf hingewiesen werden, daß die ZTA-Schaubilder stahlspezifisch sind
und auch nur für ein bestimmtes Ausgangsgefüge Gültigkeit haben. Bild 7 zeigt den Ablauf der
Austenitumwandlung von einer Stahlsorte mit unterschiedlicher Ausbildung des Glühgefüges
anhand einer dilatometrischen Aufzeichnung. Der engstreifige lamellare Perlit wandelt sich bei
niedrigeren Temperaturen und im engeren Temperaturbereich als der globular eingeformte
Perlit um.
Bild 7
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1.3.2. Das ZTU-Schaubild
Während mit den ZTA-Schaubildern die Austenitbildung beim Erwärmen beschrieben wurde,
wird mit den ZTU-Schaubildern die Umwandlung der Stähle beim Abkühlen (Abschrecken) aus
dem heterogenen Austenitgebiet beschrieben. Auch hier unterscheiden wir zwischen
kontinuierlichen und isothermischen Schaubildern. Die Bilder 8 und 9 zeigen beide Schaubilder
in Gegenüberstellung.
Bild 8
Bild 9
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Für den Praktiker ist es wichtig zu wissen, daß das isothermische Schaubild nur parallel zur
Zeitachse und das kontinuierliche Diagramm nur entlang der eingetragenen Abkühlungskurven
gelesen werden dürfen und beide strenggenommen nur für einen Stahl mit der angegebenen
chemischen Zusammensetzung Gültigkeit haben. Im allgemeinen können aus den ZTUSchaubildern folgende Informationen entnommen werden:
-
Beginn und Ende der Umwandlungen mit Angabe des entstandenen Gefüges
-
Gefügemengen in % an den Schnittpunkten der jeweiligen Abkühlungskurve mit den
Linien für das Ende der Umwandlung
-
erreichbare Härte in HV oder HRC nach Ende der Umwandlung
-
Temperatur für den Beginn (Ms) der martensitischen Umwandlung
-
Abkühlungsgeschwindigkeiten als Parameter oder in °C/min.
Veränderungen
im
Umwandlungsverhalten
sind
durch
Veränderung
der
Austenitisierungsbedingungen möglich. Stark wird die Lage der Umwandlungsbereiche durch
die verschiedenen Legierungselemente der Stähle beeinflußt. Schematisch ist das im Bild 10
dargestellt.
Bild 10
Mit den ZTU-Schaubildern ist den Härtern ein Arbeitsmaterial in die Hand gegeben worden,
aus dem für die praktische Tätigkeit eine Vielzahl von wertvollen Informationen entnommen
werden kann. Leider werden sie viel zu wenig angewendet.
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1.4. Die Härtbarkeit
Das Ansprechen der Stähle auf das Härten wird durch die Härtbarkeit beschrieben. Es handelt
sich um eine stahlspezifische Eigenschaft, die bestimmt welche Härte an der
Werkstückoberfläche und über dem -querschnitt zu erreichen ist. Hieraus abgeleitet wird
zwischen Auf- und Einhärtbarkeit unterschieden.
Als Aufhärtbarkeit bezeichnet man die unter optimalen Bedingungen erzielbare Maximalhärte
eines Stahles. Sie wird primär von der im Austenit gelösten Kohlenstoffmenge bestimmt. Bild
11 zeigt nach dem Abschreckhärten erreichbare Oberflächenhärten in Abhängigkeit vom
Kohlenstoffgehalt. Ab C-Gehalten > 0.6 % wird eine volle martensitische Härtung erreicht.
Die Einhärtbarkeit bestimmt die mögliche Härte im Werkstückinneren. Sie wird durch die
kritische Abkühlungsgeschwindigkeit für die Martensitbildung in den einzelnen
Werkstückquerschnitten beim Abschrecken festgelegt und ist außer vom Kohlenstoffgehalt
noch vom Gehalt an Legierungselementen abhängig. Aus Bild 12 ist das
Einhärtbarkeitsverhalten eines legierten Werkzeugstahles in Abhängigkeit von
kennzeichnenden Querschnitten zu entnehmen. Größere Querschnitte führen zur
Schalenhärtung.
Kohlenstoffgehalt in %
Bild 11
Radius in mm
Bild 12
Mit diesen letzten Betrachtungen zur Härtbarkeit verlassen wir die Theorie und kommen nun
zum "heißen" Teil der Wärmebehandlung.
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2. Die Begriffsbestimmung Stahl und Einteilung sowie Bezeichnung der Stähle
Bevor wir uns mit der Wärmebehandlungspraxis befassen, ist es notwendig, etwas über die
Einteilung der Stähle zu wissen und das Wichtigste über die Benennung der Stähle mit ihren
Kurznamen kennenzulernen. Das heißt, wir müssen uns kurz mit der Einteilung und
Bezeichnung der Stähle befassen.
Als Stahl werden nach EURONORM al1e Eisenwerkstoffe bezeichnet, die für eine
Warmformgebung geeignet sind und mit Ausnahme von wenigen Cr-reichen Sorten einen
maximalen C-Gehalt von 2 Masse-% enthalten.
In Abhängigkeit von der Stoffbilanz (chemischen Zusammensetzung) spricht man von
unlegierten (reinen C-Stählen) und legierten Stählen, die weiter nach ihrer
Gebrauchseigenschaft in Grund-, Qualitäts- und Edelstähle unterteilt werden.
In unserem Fall wollen wir uns bei der Erläuterung der Stahlbezeichnungen
anwendungsspezifisch auf die unlegierten und legierten Vergütungs- und Werkzeugstähle
beschränken.
Basis für die verwendeten Kurznamen der Stähle nach DIN EN 10027 ist deren chemische
Zusammensetzung. Die vorgesetzte Zahl zeigt den mittleren Kohlenstoffgehalt x 100 auf,
anschließend folgen die zugesetzten Legierungselemente in Kurzbezeichnung. Die den
Legierungssymbolen nachgestellten Zahlen sind die Mittelwerte der Legierungszusätze unter
Berücksichtigung nachfolgender Multiplikatoren:
Co; Cr; Mn; Ni; Si und W
=x4
Al; Cu; Mo; Ti; V; Nb; Ta; Be; Pb und Zr = x 10
N, P; S und Ce
= x 100
B
= x 1000
Liegen die Gehalte von Al < 0.1 %, Mn < 1.0 %, Si < 0.5 % und Ti < 0.1 5 % , handelt es sich
um unlegierten Stahl. Niedriglegierte Stähle haben in der Regel nicht mehr als 5%
Legierungsbestandteile.
Hochlegierte Stähle überschreiten in der Summe immer die 5 %-Grenze. Liegt ein
Legierungselement im Stahl > 5 %, wird auf die Multiplikatoren verzichtet und vor der Zahl mit
dem Kohlenstoffgehalt erscheint ein ,,X".
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Zum besseren Verständnis sollen nun einige Beispiele gebracht werden.
Beispiel 1:
Ck 60 (EN 10083-1; DIN 1652-4)
Kennzeichen für unleg. Stahl
Edelstahl mit niedrigem P und S
% Kohlenstoff x 100
Es handelt sich um einen unlegierten Edelstahl mit 0.6 % Kohlenstoff
Beispiel 2:
50CrV4 (DIN 17221)
% Kohlenstoff x 100
Legierungselemente
% Legierungselemente x Faktor
Es handelt sich um einen legierten Vergütungsstahl mit 0.5 % Kohlenstoff, 1 % Chrom und <
0.2 % Vanadium
Beispiel 3:
40CrMnMoS8-6 (DIN 17350)
% Kohlenstoff x 100
Legierungselemente
% Legierungselemente x Faktor
Es handelt sich um einen Werkzeugstahl mit 0.4 % Kohlenstoff, 2 % Chrom und 1.5 % Mangan
sowie < 0.2% Molybdän und Schwefel
Beispiel 4:
X155CrVMo12-1 (DIN 17350)
Kennzeichen für leg. Stahl >5 %
% Kohlenstoff x 100
Legierungselemente
% Legierungselemente
Es handelt sich um einen hochlegierten Werkzeugstahl mit 1.55 % Kohlenstoff, 12 % Chrom, 1
% Vanadium und 0.6 % Molybdän
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Total weichen die neuen Kurzbezeichnungen für Schnellarbeitsstähle von den vorangehenden
ab. Eine Angabe des Kohlenstoffgehaltes erfolgt nicht. Für das" X" der hochlegierten Stähle
wird ,,S" gesetzt und in der Folge erscheinen Gehaltsangaben für W, Mo, V und Co.
Nachfolgend ein Beispiel:
S6-5-2-5
Kennzeichen f. Schnellarbeitsstahl
Gehalt W-Mo-V-Co
Für die Beschreibung spezieller Merkmale von Stählen werden zusätzliche Kennbuchstaben
und -zahlen verwendet. Für den Wärmebehandler sind einige nachgesetzte Kennzeichen von
Bedeutung. Hierfür einige Beispiele:
BG
G
GKZ
K
N
S
U
V
W
wärmebehandelt auf Ferrit-Perlit
weichgeglüht
geglüht auf globulare Karbide
kaltgezogen
normalgeglüht
spannungsarmgeglüht
unbehandelt
vergütet
Werkzeugstahl
So bedeutet die Stahl-Kurzbezeichnung " l00Cr6 GKZ", daß es sich um einen Werkzeugstahl
mit 1 % Kohlenstoff und 1.5 % Chrom handelt, der eine spezielle Glühbehandlung auf kugelige
Ausbildung des Zementits erfahren hat.
Hiermit soll dieses Kapitel abgeschlossen werden. Einige Vergütungs- und Werkzeugstähle mit
Angaben zur Wärmebehandlung sind nachfolgend tabellarisch erfaßt. Aus der Vielzahl der aus
den beiden Tabellen zu entnehmenden Werte und aus der unterschiedlichen Darstellungsform
der Tabellen für die einzelnen Stahlgruppen läßt sich ableiten, wie vielschichtig die
Wärmebehandlungspraxis ist.
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3. Die Wärmebehandlung in der Praxis
Nach der ,,kalten" Theorie wollen wir uns jetzt mit der praktischen Wärmebehandlung befassen.
Wenn es auch ,,heißer" wird, auf Schaubilder und Diagramme läßt sich nicht ganz verzichten.
Halten wir es mit dem Motto, daß ein einfaches Schaubild oftmals viele Worte ersetzt.
In der Einleitung wurden die Aufgaben der Prozeßstufe Wärmebehandlung schon eindeutig
definiert. Mit dem Wärmebehandeln sollten Werkstoffeigenschaften so verändert werden, daß
eine gute Weiterbearbeitung im Rahmen des Fertigungsprozesses möglich ist und letztlich das
beste Verhalten unter Gebrauchsbedingungen (z. B. Festigkeit, Verschleiß usw.) erreicht wird.
Um das mit Erfolg zu realisieren, sind bei der praktischen Wärmebehandlung ganz bestimmte
technologische Folgen ganz exakt einzuhalten. Diese technologischen Abläufe sind in
"Wärmebehandlungstechnologien" festgeschrieben. Bei deren Erstellung bildet der eingesetzte
Stahl die Basis. Weitere Kriterien sind die Größe und die geometrische Form der Werkstücke
sowie die zur Wärmebehandlung zur Verfügung stehende Anlagentechnik. Alles zusammen
bestimmt die Dauer bestimmter Abschnitte der Zeit-Temperatur-Folgen und hat Einfluß auf die
vorzusehende Erwärmungs- und Abkühlungsart.
Damit sind wir schon bei den wichtigsten Einzelvorgängen jeder Wärmebehandlung, nämlich
der Erwärmung und der Abkühlung der Werkstücke. Die einzelnen Schritte der Erwärmung und
Abkühlung in Anlehnung an DIN 17022 sind im Bild 13 zusammengefaßt, wobei in der zeitund temperaturabhängigen Darstellung zwischen Werkstückrand und -kern unterschieden wird.
Zusätzlich sind im Bild 14 schematisch Abkühlungskurven wiedergegeben, wie sie sich in
Abhängigkeit unterschiedlicher Abkühlungsmöglichkeiten ergeben können.
Nach Bild 13 sind die Einzelvorgänge beim Erwärmen und Abkühlen der Werkstücke genau
definiert.
Bild 13
Bild 14
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Der gesamte Zeitabschnitt vom Einbringen der Werkstücke in den auf Soll-Temperatur
aufgeheizten Ofen bis zum Beginn des Abschreckens wird Verweildauer genannt. Sie setzt sich
aus der Erwärmdauer und der Haltedauer zusammen. Die Erwärmdauer endet mit Erreichen der
Soll-Temperatur im Werkstückkern. Die Erwärmdauer besteht aus der Anwärmdauer, das ist die
Zeit, die bis zum Erreichen der Soll-Temperatur an der Werkstückoberfläche benötigt wird, und
der Durchwärmdauer. Sie ist sehr schwer zu erfassen, da sie von einer Vielzahl von
Einflußgrößen abhängig ist. Hierzu zählen die Höhe der Soll-Temperatur, die
Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes, die Werkstückgröße,
die Belegungsdichte in der Ofenkammer und der
Wärmeübergang. Es liegen daher auch nur sehr allgemeine
Angaben über die Erwärmdauer vor. Im Bild 15 sind
Erwärmdauer im Kammerofen für kennzeichnende
Querschnitte beim Erwärmen von Raumtemperatur bis auf
500, 600, 800, 850 und 1000 °C aufgetragen. Sie können
als Richtwerte genutzt werden. Eine Ermittlung der
Erwärmund
Haltedauer
für
unterschiedliche
Werkstückgeometrien ist auch über Formkoeffizienten
möglich. Einzelheiten sind aus Bild 16 zu entnehmen.
Bild 15
Während der Erwärmdauer besteht immer eine Temperaturdifferenz zwischen
Werkstückoberfläche und -kern. Hierdurch entstehen im Werkstück Wärmespannungen, die zu
Verzug und im schlimmsten Fall zu Anwärmspannungsrisse führen können.
Um das Entstehen von Wärmespannungen beim Erwärmen der Werkstücke weitestgehend zu
reduzieren, werden zum Ausgleich der Temperaturdifferenz zwischen Werkstückrand und -kern
Haltestufen (Vorwärmstufen) zwischen Raum- und Soll-Temperatur eingeschoben, deren
Anzahl vom Legierungsgehalt der wärmezubehandelnden Teile bestimmt wird. Je schlechter die
Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes ist, um so mehr Vorwärmstufen sollten vorgesehen
werden.
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Bild 16
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3.1. Wärmebehandlungsverfahren
Ausgehend vom bevorzugten Einsatzfeld der Linn-Kammeröfen sollen nachfolgend die
Wärmebehandlungsverfahren Glühen, Härten, Anlassen, Entspannen, Tiefkühlen und
Pulveraufkohlen etwas detaillierter besprochen werden.
Mit einer Rückblende auf die schon bekannte Stahlseite des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms
(Bild17) soll mit den wichtigsten Glühverfahren begonnen werden. Sie sind mit ihren
Temperaturbereichen im Diagramm eingetragen.
Bild17
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3.1.1. Spannungsarmglühen
Wie es schon der Name sagt, werden beim Spannungsarmglühen innere Spannungen in
Werkstücken weitestgehend abgebaut. Ein spannungsfreier Zustand wird dabei niemals
erreicht. Das war auch der Grund in der Terminologie der Wärmebehandlung den Begriff
,,spannungsfrei" durch ,,spannungsarm", zu ersetzen. Das Spannungsarmglühen erfolgt im
Temperaturbereich von 550 bis 650 °C mit anschließendem langsamen Abkühlen der
Werkstücke im Ofen bis unterhalb 200 °C ohne wesentliche Änderung anderer
Werkstoffeigenschaften.
Die abzubauenden Spannungen, die beim Härten zu Verzug und im schlimmsten Fall zu
Rissen
führen
können,
resultieren
aus
Umformprozessen
(Kaltverformung),
Richtarbeitsgängen und hohem Zerspanungsvolumen. Werkstücke mit komplizierter
geometrischer Form sollten grundsätzlich im Rahmen einer Zwischenbearbeitung
spannungsarm geglüht werden.
3.1.2. Weichglühen
Unter Weichglühen versteht man eine Wärmebehandlung zur Verminderung der Härte eines
Werkstoffes auf einen vorgegebenen Wert. Realisiert wird es in der Regel durch ein
Pendelglühen bei der Ac1-Temperatur (723 °C). Nach einer ausreichenden Haltedauer wird bis
etwa 500 °C langsam abgekühlt. Dabei nehmen die Perlitlamellen eine kugelige Form an und
es stellt sich ein Werkstoffzustand ein, der am besten zum Zerspanen und Kaltumformen
geeignet ist. Eine Ausnahme bilden Stähle mit C-Gehalten < 0.4 %, die dann beim Drehen
oder Fräsen zum sogenannten ,,Schmieren" neigen. Hier empfiehlt sich oftmals eine
Grobkornglühung.
3.1.3. Normalglühen
Ziel des Normalgühens ist die Umwandlung eines unregelmäßigen und grobkörnigen Gefüges
in ein gleichmäßiges, feinkörniges Ferrit-Perlit-Gefüge durch ein zweimaliges Durchlaufen der
α - γ Umwandlung. Die Glühung erfolgt oberhalb Ac3- bei übereutektoiden Stählen oberhalb
Acl - mit anschließender Abkühlung an ruhender Luft. Stähle die bei Luftabkühlung
martensitisch umwandeln, dürfen nicht normalgeglüht werden.
3.1.4. Diffusionsglühen
Das Diffusionsglühen wird in der metallverarbeitenden Industrie selten angewandt. Es dient
dem Ausgleich von örtlichen Unterschieden in der chemischen Zusammensetzung der Stähle
infolge von Seigerungen. Die Glühbehandlung erfolgt knapp unterhalb der Soliduslinie. Da
der Prozeß diffusionsgesteuert ist, sind Haltedauern bis zu 50 Stunden gängig.
3.1.5. Grobkornglühen (Hochglühen)
In Verbindung mit dem Weichglühen wurde bereits auf das Grobkornglühen hingewiesen. Das
Glühen erfolgt bei einer Temperatur meist beträchtlich oberhalb Ac3, um ein grobes Korn zu
erzielen. Verbunden ist die Grobkornbildung mit einem in der Regel unerwünschten
Zähigkeitsverlust. Deshalb sollte eine Grobkornglühung nur dann durchgeführt werden, wenn
25
es unüberbrückbare Schwierigkeiten bei der spanenden Bearbeitung von Stählen mit
niedrigem C-Gehalt gibt (z. B. Einsatz- und Vergütungsstähle mit C < 0.4 %).
3.1.6. Rekristallisationsglühen
Definiert ist das Rekristallisationsglühen als ein Glühen auf einer Temperatur im
Rekristalliationsgebiet nach einer Umformung bei einer niedrigen Temperatur. Das Glühen
wird vor allem zwischen den einzelnen Verformungsstufen beim Kaltwalzen oder -ziehen.
durchgeführt, um Zähigkeitsverlust und Verfestigung durch die Kaltverformung rückgängig zu
machen. Beim Rekristallisationsglühen erfolgt keine Phasenumwandlung. Die Glühtemperatur
ist von der Stahlsorte abhängig und liegt in der Regel zwischen 500 und 650 °C, Ein
ordnungsgemäß rekristallisiertes Gefüge ist sehr feinkörnig und erhält hinsichtlich der
mechanischen Eigenschaften gegenüber dem normalgeglühten oftmals den Vorzug.
Damit haben wir das Kapitel ,,Glühen" abgeschlossen und können uns dem ,,Härten"
zuwenden. Unter Hinweis auf das Bild 17 soll aber noch auf Glüh- und Anlaßfarben
aufmerksam gemacht werden, die zusammen mit sogenannten Thermochromstiften eine grobe
Temperaturabschätzung ermöglichen. Tabellen mit Glüh- und Anlaßfarben sind im Anhang
zusammengestellt. Besser sollte man sich aber auf die zur Verfügung stehende
Temperaturmeß- und -regelungstechnik verlassen, mit der auch sämtliche Linn Härte- und
Anlaßöfen ausgerüstet sind und die als Option auch noch mit einem Programmregler (9
Programme speicherbar, mit max. 20 Rampen je Programm) ausgestattet werden können.
3.1.7. Hochdruckgasabschreckung
Als Maß für die Abschreckwirkung wird für alle Abschreckmedien der
Wärmeübertragungskoeffizient (W/m²K) verwendet. Aus nachstehendem Diagramm ist
erkennbar, daß der Wärmeübertragungskoeffizient bei der Gasabschreckung durch Erhöhung
von Druck (6 bar) und Strömungsgeschwindigkeit (bis 80 m/s) deutlich beeinflußt wird.
4,5
α/αo
4
Wärmeübertragungskoeffizient α als
Funktion von
Gasdruck und
Geschwindigkeit
3,5
3
2,5
2
1,5
1
0,5
0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 6,5 7 7,5 8 8,5 9 9,5 10
p/po
v/vo
26
Auch durch das für den Abschreckvorgang verwendete Gas kann ein großer Einfluß ausgeübt
werden. Speziell durch den Einsatz von leichten Gasen mit hoher Wärmekapazität und
Leitfähigkeit wie Helium und Wasserstoff, wird bei sonst gleichen Bedingungen der
Wärmeübergangskoeffizient um mindestens 40 % erhöht. Bei einer weiteren Drucksteigerung
bis 20 bar werden mit Helium als Abschreckmedium Abschreckgeschwindigkeiten wie in Öl
(1000 – 1500 W/m²/K) erreicht.
Da also durch Variation von Druck, Ventilatordrehzahl und Abschreckmedium der
Wärmeübertragungskoeffizient genau an die Erfordernisse von Stahlsorte und
Werkstoffgeometrie angepaßt werden kann, erreicht man gleichmäßige Härtewerte bei
minimalen Bauteilverzug. Als weitere Vorteile der Hochdruckgasabschreckung ist
hervorzuheben, daß auf flüssige und umweltschädliche Abschreckmedien verzichtet werden
kann. Darüberhinaus entfallen zusätzliche Reinigungsvorgänge und die Entsorgung der
Reinigungsmedien.
Die Linn Hochdruckgasabschrecköfen der Serie KKH wurden speziell für die
Wärmebehandlung in Labors bzw. kleineren Betrieben und zur Prozessentwicklung
entwickelt.
27
3.1.8. Das Härten von Bauteilen und Werkzeugen
Unter Härten versteht man das Austenitisieren mit anschließendem Abkühlen mit solcher
Geschwindigkeit, daß in mehr oder weniger großen Bereichen des Querschnitts eines
Werkstückes eine erhebliche Härtesteigerung durch
Martensitbildung eintritt. Wird das Abkühlen in
zwei verschiedenen Abkühlmitteln nacheinander
durchgeführt, ohne daß im ersten Abkühlmittel bis
zum Temperaturausgleich gehalten wird, spricht
man vom gebrochenen Härten. Erfolgt die
Unterbrechung
des
Abkühlprozesses
zum
Temperatur- und/oder Spannungsausgleich über den
Werkstückquerschnitt, nennt man es unterbrochenes
Härten. In Abhängigkeit vom angewandten
Abkühlmittel wird auch von Wasser-, Öl-,
Bild 18
Warmbad- und Lufthärtung gesprochen.
Die Martensitbildung aus dem Austenit beginnt, wie wir schon im theoretischen Teil
festgestellt haben, beim Erreichen der Ms-Temperatur und läuft nach dem martensitischen
Mechanismus, wie im Bild 18 dargestellt, ab. Portionsweise entstehen in dem vorliegenden
Austenit mit sehr großer Geschwindigkeit (Bruchteile von
Sekunden) neue Kristalle mit der charakteristischen nadeligen
Gestalt (Bild 19).
Die Martensitbildung ist mit Erreichen der Mf-Temperatur
abgeschlossen. Wird der Mf-Punkt beim Abschrecken bis auf
Raumtemperatur nicht erreicht, erfolgt nur eine teilweise
martensitische Umwandlung. Der nicht umgewandelte Austenit
bleibt als ,,Restaustenit" im Gefüge erhalten. Das kann Vor- und
Nachteile haben, auf die wir im Zusammenhang mit dem
,,Tiefkühlen" noch einmal zu sprechen kommen werden.
Bild 19
Die Austenitisierung, das heißt die Härtetemperatur und das Halten auf der Härtetemperatur
beeinflussen neben den Abkühlbedingungen das Ergebnis des Härtens stark. So können Unterund Überhärtungen durch zu niedrige oder zu hohe Austenitisierungstemperatur bzw. durch
zu kurzes oder zu langes Halten auf Austenisierungstemperatur auftreten. Man spricht von
Überhitzen bzw. Überzeiten. Der Temperatureinfluß ist immer größer als der Zeiteinfluß.
Eine Unterhärtung ist immer mit einem Härteverlust verbunden. Überhitzen und -zeiten führt
zu einer Grobkornbildung und eine Erhöhung des Restaustenitgehaltes im Härtegefüge.
Mit der Kornveränderung durch unsachgemäßes Austenitisieren hat man einen einfachen
Nachweis zur Beurteilung des Härteergebnisses mittels Härtebruchprobe zur Hand. Ist das
Bruchbild sehnig bis feinkörnig und matt, war die Härtung in Ordnung. Ein grobkörniges und
glitzerndes Bruchbild deutet immer auf eine Überhitzung oder -zeiten hin.
Man kann aber die Bruchprobe in Verbindung mit Härtemessungen auch dazu benutzen, auf
ganz einfache Weise die beste Härtetemperatur eines Stahles zu ermitteln, in dem
Bruchproben von unterschiedlichen Temperaturen nach gleichen Haltedauern abgeschreckt
und hinsichtlich Bruchaussehen und erreichter Härte ausgewertet werden. Ein Beispiel zeigt
Bild 20 für den Stahl 145Cr6. Die beste Härtetemperatur liegt zwischen 830 und 860 °C.
28
Härterichtreihe 145Cr6
1000
950
900
22
HV60
850
800
750
700
650
750
770
800
830
Austenitisierungstemperatur °C
860
890
920
Bild 20
3.1.9. Das Anlassen von Bauteilen und Werkzeugen
Nach DIN 17 014 wird unter ,,Anlassen" ein ein- oder mehrmaliges Erwärmen eines
gehärteten Werkstückes auf eine Temperatur < Ac1, Halten auf dieser Temperatur und
anschließendes zweckentsprechendes Abkühlen verstanden.
Ziel des Anlassens ist eine temperatur- und zeitgesteuerter Einstellung der Härte auf den
geforderten Gebrauchswert. Im allgemeinen nimmt dabei die Härte ab und die Zähigkeit wird
erhöht. Eine Ausnahme bilden sekundärhärtende Stähle. Bei ihnen kommt es in bestimmten
Temperaturbereichen zu einer Härtesteigerung die in Verbindung mit nachfolgenden
Oberflächenveredelungen (Nitrieren, CVD- oder PVD-beschichten) von Werkzeugen sinnvoll
genutzt werden kann. Charakteristische Beispiele hierfür sind einige hochlegierte
Kaltarbeitsstähle, Warmarbeitsstähle und insbesondere die Schnellarbeitsstähle.
Die Eigenschaftsänderungen der gehärteten Stähle durch das Anlassen beruht mit steigender
Temperatur der Reihe nach auf:
• der Ausscheidung von instabilen Karbiden (E-Karbid), verbunden mit einer Reduzierung
der bei der martensitischen Umwandlung entstandenen Gitterspannungen (Übergang vom
tetragonalen zum kubischen Martensit).
• der Umwandlung des Restaustenits
29
• der Ausscheidung stabiler Karbide und
• der endgültigen Einformung der stabilen Karbide.
Das Anlassen sollte unbedingt unmittelbar nach dem Härten erfolgen. Wird dieser Grundsatz
nicht beachtet, kann es zu spannungsinduzierter Rißbildung kommen. Alle höher legierten
Stähle sollten grundsätzlich zweimal angelassen werden. Das zweite Anlassen führt zur
notwendigen Entspannung des beim ersten Restaustenit gebildeten Martensits. Ist nach dem
ersten Anlassen die geforderte Endhärte bereits erreicht, sollte die Temperatur für das zweite
Anlassen 20 bis 30 °C niedriger gewählt werden. Wurden die geforderten Werte noch nicht
erreicht, ist die Temperatur für das zweite Anlassen entsprechend höher anzusetzen.
Legierungstypische Anlaßkurven (schematisch) zeigt Bild 21.
Aus den Kurvenverläufen ist eindeutig zu entnehmen, daß mit
steigendem Legierungsgehalt die Anlaßbeständigkeit der Stähle
zunimmt. Die anzusetzenden Anlaßtemperaturen müssen aus
den Anlaßkurven entnommen werden, die die Stahlwerke in
der Regel zur Verfügung stellen. Die Höhe der
Anlaßtemperatur richtet sich nach den geforderten
Arbeitshärten.
In
gewissen
Grenzen
kann
eine
Austauschfunktion zwischen Anlaßtemperatur und -haltdauer
angesetzt werden. Die hierzu erforderlichen Beziehungen sind
Bild 21
aus der Fachliteratur zu entnehmen. Eine exakte
Temperaturmessung ist auch für eine erfolgreiche Anlaßbehandlung unabdingbare
Voraussetzung. Grobe Hinweise geben die schon erwähnten Anlaßfarben.
3.1.10. Vergüten
In Verbindung mit dem Anlassen soll gleich das Vergüten besprochen werden. Es handelt sich
um eine Kombination Härten + Anlassen, wobei die Anlaßtemperatur meistens oberhalb 550°
liegt. Ziel des Vergütens ist es, gegenüber dem nun gehärteten Zustand bei gegebener
Zugfestigkeit die Zähigkeit wesent1ich zu verbessern. In der Härtereipraxis wird die
Vergütungsfestigkeit in der Regel aus der Umbewertung von Härtemessungen nach Brinell
ermittelt.
Geeignete Vergütungstähle sind aus der DIN E 17 200 auszuwählen. Dabei sollte besonders
auf die Härtbarkeit der einzelnen Stähle geachtet werden, denn die beste Zähigkeit wird immer
durch das Anlassen eines reinen martensitischen Härtegefüges erreicht. Die Stahlauswahl muß
sich also nach der Größe des kennzeichnenden Werkstückquerschnitts richten.
3.1.11. Tiefkühlen
In Verbindung mit einer unvollständigen Austenitumwandlung in Martensit beim
überkritischen Abschrecken wurde bereits auf das Tiefkühlen hingewiesen. Es handelt sich um
eine Behandlung, die unmittelbar nach dem Härten durchgeführt werden muß, um den
Restaustenit weitgehend in Martensit umzuwandeln. Anschließend ist ein Anlassen unbedingt
erforderlich. Erfolgt das Tiefkühlen nicht unmittelbar nach dem Härten oder erfolgt zuvor ein
30
Anlassen, wird der Restaustenit stabilisiert und der Wirkeffekt des Tiefkühlens wesentlich
reduziert.
Das Tiefkühlen sollte im Temperaturbereich von -80 bis -196 °C durchgeführt werden. Zum
Einsatz kommt Flüssigstickstoff, der direkt oder indirekt angewendet werden kann.
Die Bildfolge 22-24 soll die Wirkung des Tiefkühlens bei der Wärmebehandlung des
Werkzeugstahls 100Cr6 verdeutlichen. Zunächst wird anhand einer dilatometrischen
Aufzeichnung gezeigt, daß die primäre Martensitbildung bei kontinuierlicher Abkühlung bei
-39 °C beginnt und bei -116 °C abgeschlossen ist (Kurve 2). Die Restaustenitumwandlung
stellt sich durch die diskontinuierliche Verkürzung gegenüber einer hochangelassenen
Referenzprobe (Kurve 1) dar. Die Kurven 1 und 2 im nächsten Bild zeigen die
Restaustenitmengen vor und nach der Tiefkühlung in Abhängigkeit von der beim Härten
gewählten Austenitisierungstemperatur. Damit wird gleichzeitig deutlich, wie mit steigenden
Homogenisierungsgrad die γ−α-Umwandlung unvollständiger abläuft.
Bild 22
Bild 23
Bild 24
Anschließend wird demonstriert, wie schnell eine thermische Stabilisation erfolgt. Mit
steigender Lagertemperatur und zunehmender -zeit wird durch das Tiefkühlen weniger
Restaustenit umgewandelt.
Obwohl der Effekt des Tiefkühlens beachtlich ist, sollte eine Anwendung nur dort erfolgen,
wo es wirklich sinnvoll ist, und das beschränkt sich nach der Meinung des Verfassers fast
ausschließlich nur auf die Fertigung von Meßwerkzeugen um höchste Maßstabilität zu
erreichen.
3.2. Zeit-Temperatur-Folge-Schaubilder
Nachdem die in den Linn-Härte- und Anlaßöfen bevorzugt zu realisierenden
Wärmebehandlungsverfahren beschrieben wurden, sollen zur Vervollständigung der
Prozeßbeschreibung ohne Kommentar einige ZTF-Schaubilder aufgelistet werden. Der
Praktiker kann daraus entnehmen, welche Einzelschritte bei der Wärmebehandlung notwendig
sind, um letztlich optima1e und auch zertifizierbare Ergebnisse zu erreichen (Bilder 25-31).
31
Bild 25
Bild 26
Bild 27
32
Bild 28
Bild 29
Bild 30
33
Bild 31
34
3.3. Thermisch-chemische Verfahren
Wie in der Einleitung bereits gesagt, wird im Rahmen dieser Ausführungen auf die thermischchemischen Verfahren nicht detailliert eingegangen. Grundsätzlich ist es aber in der von Linn
angebotenen Ofenreihe möglich, Werkstücke aufzukohlen und auch zu nitrieren, wobei in
beiden Fällen die sogenannten Kastentechnologien anzuwenden sind. Während beim
Aufkohlen dabei mit festen Aufkohlungsmitteln (Pulver) gearbeitet wird, erfolgt beim
Nitrieren im Glühkasten das thermische Spalten von Ammoniakgas.
Beim Aufkohlen in Kästen (Bild 32)
werden die Werkstücke allseitig im
Aufkohlungspulver eingepackt und
nach
Abdichtung
auf
die
Aufkohlungstemperatur von 900 bis
930 °C erwärmt.
Bild 32
Im Kasten laufen dann die im Bild 33
dargestellten Reaktionen ab. Die Werkstückoberfläche nimmt dabei allseitig den für eine
Härtung erforderlichen Kohlenstoffgehalt auf. Soll nur partiell aufgekohlt werden, können mit
handelsüblichen Abdeckpasten Werkstückflächen abgedeckt werden. Als Faustformel gi1t:
daß maximal 0.2 mm Schichtdicke pro Stunde erreicht werden kann. Der Kohlenstoffgehalt
nimmt zum Werkstückkern hin ab. Bild 34 zeigt schematisch eine Kohlenstoffverlaufskurve.
Nach der Kastenaufkohlung werden die Werkstücke gehärtet und angelassen. Der erreichte
Verbund paart optimale Oberflächenhärte (Verschleißfestigkeit) mit hoher Kernzähigkeit. Für
das Einsatzhärten geeignete Stähle sind in der DIN 17 210 zusammengefaßt.
Bild 33
Bild 34
Mit
dem
Kastennitrieren
steht
den
Wärmebehandlern
ein
verzugsarmes
Wärmebehandlungsverfahren zur Verfügung. Durch das Aufspalten des Ammoniaks bei
Temperaturen zwischen 480 und 530 °C erfolgt ohne Überschreitung von
Umwandlungstemperaturen eine Anreicherung der Werkstückoberf1äche mit Stickstoffatomen
und es kommt zur Bildung von Eisennitrid und Nitriden der Legierungselemente, verbunden
mit einer Härtesteigerung an der Werkstückoberfläche. Höchste Oberflächenhärten werden
mit Al-legierten Stählen erreicht (Al-Nitrid). Die nitrierten Randschichten sind sehr
35
verschleißfest und zeichnen sich auch durch eine Erhöhung der Korrosionsfestigkeit aus.
Spezielle Nitrierstähle sind in der DIN 17 211 enthalten.
Beide
Verfahren
spielen
eine
hervorragende
Rolle
in
der
modernen
Wärmebehandlungstechnik, wobei natürlich durch moderne Anlagentechnik mit
kontinuierlicher Steuerung und Messung der Reaktionsatmosphären bessere Ergebnisse als mit
der Kastentechnologie zu verzeichnen sind.
3.4. Verzug bei der Wärmebehandlung
Unter Verzug in Verbindung mit der Wärmebehandlung versteht man nach DIN 17 014 die
Summe aus Maß- und Formänderung. Grundsätzlich ist bei der Wärmebehandlung ein Verzug
nach dieser Definition unvermeidbar. Er resultiert aus Volumenänderungen durch die schon
beschriebenen Gefügeumwandlungen und den Wärmespannungen im Werkstück durch die
unterschiedliche Ausdehnung bzw. Verkürzung beim Erwärmen bzw. Abkühlen
Bild 35 zeigt den Einfluß des Gefügezustandes auf das spezifische Volumen Beim Ablauf
einer Wärmebehandlung in der Praxis drückt sich das in der im Bild 36 gezeigten
Längenmaßänderung einer Dilatometerprobe während der Prozeßstufen Härten, Tiefkühlen
und Anlassen aus. Gegenüber dem Ausgangszustand ist die Probe von 10 mm Länge nach
Prozeßabschluß um 0.012 mm gewachsen. Das entspricht einer Verlängerung um 0.12 %, die
nur auf Gefügeumwandlung beruhen.
Bild 35
Bild 36
Die Wärmespannungen im Werkstück führen zu Formänderungen durch teilweisen
Spannungsabbau im Bereich plastischer Verformbarkeit. Hierbei sind alle von der Kugelform
abweichenden Werkstückformen bestrebt, ihre Form derjenigen der Kugel anzupassen.
Würfelförmige Körper bauchen aus. Prismatische Teile werden kürzer und dicker und Platten
erreichen durch Vergrößerung der Plattendicke und Verkleinerung der Plattenfläche diese
Annäherung .
Auf diese Verzüge muß man sich schon während der Konstruktionsphase einstellen und
versuchen, wärmebehandlungsgerecht zu konstruieren, die geeignetste Werkstoffauswahl zu
treffen und das beste Wärmebehandlungsverfahren festzulegen.
36
Dazu kommt aber noch der vermeidbare Verzug, der auf Restspannungen im angelieferten
Werkstück (unsymmetrische Bearbeitung, Werkstoffseigerungen usw.) oder auf neuen
Spannungen durch eine unsachgemäße Wärmebehandlung (schlechte Temperaturverteilung im
Ofen, falsches Chargieren, Fehler beim Abschrecken) beruhen kann.
Das Verzugsproblem ist also komplex zu betrachten, wobei das gesamte System aus
Werkstoff, geometrischer Form der Werkstücke und Wärmebehandlungsbedingungen
berücksichtigt werden muß.
In begrenztem Maße lassen sich Verzüge durch Richten korrigieren. Langjährige praktische
Erfahrungen entscheiden hier oftmals über Erfolg oder Mißerfolg. Das Richten kann vor oder
nach dem Anlassen erfolgen. Richtverfahren sind Dengeln, Richten unter Pressen, in einer
Richtmaschine oder auf einer Richtbank. Bei besonders verzugsempfindlichen Teilen
empfiehlt sich von vornherein eine Quettenhärtung.
3.5. Oberflächenreaktionen; Schutz der Werkstückoberfläche
Die Ofenatmosphäre beeinflußt das Ergebnis der Wärmebehandlung erheblich. Bei der
Erwärmung - außer im Vakuum oder unter Schutzgasen - kommt es zu Reaktionen zwischen
der Metalloberfläche und der Luft im Ofenraum, die Stahloberfläche oxidiert. Die Folge sind
Zunderbildung und die Ausbildung von Blasen, mit besonderen Nachteilen für maßhaltige
Werkstücke.
Weiterhin kann es zu Abkohlungen bis hin zu Entkohlungen der Werkstückoberfläche
kommen. Hierdurch wird das Härteergebnis negativ beeinflußt. Wissen wir doch aus der
Theorie, daß eine ausreichende Menge Kohlenstoff die Grundvoraussetzung für das Erreichen
der Härte ist. Beide Vorgänge, die Zunderbildung und das Entkohlen, sind temperatur- , zeitund materialabhängig.
Zum Schutz blanker Metalloberflächen werden in der modernen Wärmebehandlungstechnik
entsprechende Schutzgase (Argon, Stickstoff, Wasserstoff, Gasgemische aus Stickstoff und
Wasserstoff oder spezielle Exo-Gase) verwendet, oder die Wärmebehandlung erfolgt in
Vakuumöfen.
Linn High Therm bietet hierfür verschiedene Öfen an, z.B. die KS-S und VMK-S-Reihe, mit
gasdichter Muffel für Schutzgasbetrieb sowie den entsprechenden Gasversorgungs-,
Überwachungs- und Abfackeleinrichtungen.
Beim Arbeiten mit einfachen Kammeröfen kann ein Schutz gegen Zunderbildung und
Entkohlung durch Überziehen der Werkstückoberfläche mit einer Schutzpatrone oder durch
Einpacken der Teile in Glühkästen, gefüllt z.B. mit verbrauchtem Einsatzhärtepulver, erfolgen.
Geringe Beeinträchtigungen der Oberflächenqualität sind dabei jedoch nicht auszuschließen.
4. Das Prüfen der wärmebehandelten Bauteile und Werkzeuge
Immer wieder haben wir in den vorangegangenen Abschnitten über die Härte und Festigkeiten
von Werkstücken und -zeugen gesprochen. Nun wird es aber Zeit, einige kurze
Ausführungen über das Messen der Härte und die Prüfung der Festigkeit in einer Härterei zu
machen.
Die Härte wird in der rauhen Praxis üblicherweise nach dem Rockwellverfahren nach DIN.50
103 oder dem Vickersverfahren nach DIN 50 133 gemessen. Vergütete Bauteile werden nach
37
dem Brinellverfahren geprüft und in der Regel erfolgt nach DIN 50 150 eine Umbewertung in
Festigkeitswerte.
Bei der Härtemessung werden die Werkstücke nicht zerstört. Es ist lediglich eine geeignete
Meßstelle durch leichtes Anschleifen vorzubereiten.
Nachfolgend sind die bereits genannten Härtemeßverfahren kurz beschrieben:
4.1. Härtemessung nach Rockwell (HRC)
Bei der Härtemessung nach Rockwell wird ein Diamantkegel mit einem Spitzenwinkel von
120° mit einer definierten Kraft in die Oberfläche des Werkstückes gedrückt. Aus der
Differenz der Eindrucktiefe zwischen Vor- und Hauptlast wird dann die Rockwellhärte
ermittelt, die an den modernen Härtemeßgeräten direkt an einer Skala abgelesen werden kann
(Bild 37). Die Härteangabe erfolgt z. B. mit: 65 HRC.
4.2. Härtemessung nach Vickers (HV)
Bei der Härtemessung nach dem Vickersverfahren wird eine Diamantpyramide mit
quadratischer Grundfläche und einem Spitzenwinkel von 136°, mit wählbarer Prüfkraft in die
Bauteiloberfläche eingedrückt und nach der Entlastung die Diagonalen des entstandenen
Abdrucks mit einem Meßmikroskop ausgemessen. Mathematische Beziehungen führen zur
Berechnung der Vickershärte, die heute in Abhängigkeit von der Größe der ausgemessenen
Diagonalen (Mittelwert) und der gewählten Prüfkraft aus Tabellen abgelesen werden kann
(Bild 38). Die Härteangabe erfolgt z. B. mit: 820 HV30, wobei der Betrag 30 die verwendete
Prüfkraft ist.
4.3. Härtemessung nach Brinell
Bei der Härtemessung nach Brinell wird eine Stahlkugel mit einer festgeschriebenen Meßkraft
in die Werkstückoberfläche eingedrückt und nach der Entlastung der Durchmesser des
Kugeleindrucks ausgemessen. Aus Tabellen kann dann in Abhängigkeit von der verwendeten
Kugelgröße und der eingesetzten Prüfkraft die Brinellhärte abgelesen werden. Die
Härteangabe lautet: 200 HB5/750. Die Härtemessung wurde mit einer Kugel von 5 mm
Durchmesser und einer Prüfkraft von 750 kp durchgeführt (Bild 39).
Alle Härteangaben sind mit einer ausreichenden Toleranz festzulegen, die auch die mittlere
Meßunsicherheit der Meßverfahren einschließt.
Trotz allem sollte man aber auch nicht den alten Ausdruck "feilen hart" vergessen. Wenn man
kontrollieren will, ob die Härte ausreichend groß ist, hat in der Praxis eine Feile guter Qualität
schon oft den richtigen Fingerzeig gegeben!
38
Bild 38
Bild 37
Bild 39
39
5. Literaturzusammenstellung
Bei der Ausarbeitung dieser Anleitung für Wärmebehandlung wurde auf folgende Quellen
zurückgegriffen:
DIN-Taschenbuch 218 ,"Wärmebehandlung metallischer Werkstoffe"; Beuth-Verlag Berlin
Internes Arbeitsmaterial der Härterei Reese, Weimar
Eckstein: "Technologie der Wärmebehandlung von StahI"; VEB Deutscher Verlag
Grundstoffindustrie; Leipzig l987
"Wärmebehandlung von
Düsseldorf
für
Stahl - Härten, Anlassen, Vergüten"; Stahlinformationszentrum,
"Stahlschlüssel"; Verlag StahIschlüssel Wegst GmbH 1995
"Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle", Band 1; Verlag Stahleisen ; Düsseldorf 1961
Linn High Therm GmbH
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 Copyright by Linn High Therm 09/1997
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung von Linn High Therm.
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