Fit für Folien
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Fit für Folien
Automatisierungstechnik Fit für Folien Gießfolien-Coextruder mit Simatic-Regelung runderneuert Mit neuer Regelungstechnik und einem zeitgemäßen Bedien- und Beobachtungssystem von Simatic hat die Nordenia Deutschland Gronau GmbH einen bewährten GießfolienCoextruder zu neuen Höchstleistungen gebracht. Greifbare Ergebnisse des Retrofits sind konstant hohe Produktqualität und deutlich kürzere Umrüstzeiten. intensiv. Abhilfe sollten ein neues Regelungssystem und ein neues B&B-System schaffen. Nordenia beauftragte die ATG Automatisierung GmbH aus Gronau, die technisch anspruchsvollen Vorstellungen umzusetzen. Das innovative Ingenieurbüro kann auf umfangreiche Projekterfahrung in der Nahrungsmittel-, Textil-, Zement-, Papier- und Betonindustrie sowie bei kerntechnischen und klärtechnischen Anlagen verweisen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Verpackungs- und Kunststoffindustrie. Der Gießfolien-Coextruder verarbeitet Kunststoffgranulat zu Mehrschichtfolien mit bis zu 1900 mm Breite und maximal 1 mm Dicke. Um engste Fertigungstoleranzen einhalten zu können, muss die Temperatur über den gesamten Aufbereitungsprozess hinweg exakt geregelt werden. Dazu sind Co- und Hauptextruder, die Adapterzone Extrusionszylindern erhöht die Anforderungen an die Regelung, weil zur zugeführten Wärmeenergie auch die innere Reibungswärme kommt. Aus den Zylindern gelangen beide Schmelzeströme in die Adapterzone, wo sie über weitere sechs Heizzonen auf Verarbeitungstemperatur gehalten werden. Nach der Adapterzone folgt die Breitschlitzdüse, die die Mehrschichtfolie ausformt. Die Lippenheizung der Austragsdüse besteht aus sieben Heizzonen, die im Bereich von 225 °C bis 240 °C geregelt werden müssen. Die geforderte Temperaturtoleranz beträgt an jeder (Regel-)Stelle der Aufbereitung ± 2 K , größere Abweichungen würden sich unmittelbar auf das Plastifizier- bzw. das Fließverhalten und damit auf die Folienqualität auswirken. Projektleiter Uwe Ottink von ATG hat in Zusammenarbeit mit Siemens Münster ein maßgeschneidertes Retrofit-Konzept entwickelt, Hochflexibler Ersatz für alte, starre Hardware-Regler: Simatic-Regelbaugruppe FM 455 S Ein Simatic Multi Panel MP270 liefert Folienrezepturen per Knopfdruck und visualisiert den Gesamtprozess Regelung fit dank Simatic-Retrofit: Modernisierter Gießfolien-Coextruder der Nordenia Deutschland Gronau GmbH nisch aber nicht mehr auf dem Stand der Technik war. Das auf Hardware basierende Regelsystem in 19"-Technik mit fest vorgegebenen Reglerstrukturen (PID-Regler) war nur sehr aufwändig auf die Verarbeitung unterschiedlicher Materialien einzustellen. Auch die Ersatzteilbeschaffung war nicht mehr gesichert und zudem relativ kosten- und auch die Lippen der Breitschlitzdüse mit Heizelementen ausgerüstet. Jeweils fünf Heizelemente bringen den kleineren Coextruder und den Hauptextruder auf die Verarbeitungstemperatur von rund 250 °C bzw. 230 °C, bei der das Kunststoffgranulat aufschmilzt und plastifiziert. Die Scherwirkung der rotierenden Schnecken in den das alle Anforderungen erfüllt. Basis ist eine Simatic S7-414-2 DP, die Stelle der alten Hardware-Regelung nimmt eine kompakt bauende Simatic-Regelbaugruppe FM 455 S mit selbstoptimierendem Regelungsalgorithmus auf der Basis von Fuzzy-Logik ein. Zum Bedienen und Beobachten wurde ein Simatic Multi Panel MP270 eingesetzt. Die Nordenia Deutschland Gronau GmbH gehört zur Nordenia International AG, einem der weltweit führenden Hersteller und Veredler von Industriefolien, Industrie- und Konsumverpackungen. In Gronau betreibt das Unternehmen unter anderem eine in den achtziger Jahren installierte GießfolienCoextrusions-Anlage, die zwar mechanisch noch voll funktionsfähig, regelungstech- 12 advance 1-2003 Enge Toleranzen gefordert Automatisierungstechnik Simatic FM 455 S – Regelgüte erster Klasse Die Simatic FM 455 ist eine universell einsetzbare Regelbaugruppe mit 16 Kanälen. Sie bietet mehrere weitgehend vorgefertigte Regelungsstrukturen für Festwert-, Kaskaden-, Verhältnis- und 3-Komponenten-Regelung, eine Selbstoptimierungsfunktion und eine Backup-Funktion für störungsfreien Betrieb bei CPU-Stopp oder -Ausfall. Für kontinuierliche Regler steht die FM 455 C mit 16 Analogausgängen zur Verfügung. In diesem Fall wurde die FM 455 S für Schrittoder Impulsregler eingesetzt. Identifizieren der Regelstrecke Die Identifikation der Regelstrecke beginnt mit einer Beobachtungsphase, wobei keine Heizleistung ausgegeben wird und Temperaturtrends im Heizmedium erkennbar sind. Danach wird die maximale Heizleistung von 100 Prozent ausgegeben. Der Bereich der ersten vier Prozent Temperaturerhöhung vom Sollwertbereich wird für die Identifikation genutzt. Bei einem und vier Prozent Temperaturerhöhung werden anhand der verstrichenen Zeit Informationen über das Prozessverhalten gewonnen. Die Identifikation ist abgeschlossen, wenn die Heizleistung geringer als 100 Prozent wird, anschließend arbeitet der Regler mit den ermittelten Parametern. Die mit Thermoelementen (Typ L) erfassten Temperatur-Istwerte werden über die integrierten Analogeingänge der FM 455 S eingelesen, die Thermoelemente über Polygonzüge mit 13 Stützpunkten nachgebildet. 32 digitale Ausgänge leiten die Stellwerte über Halbleiterschütze zu den Heizbändern. Lippenheizung der Breitschlitzdüse mit sieben Heizzonen, die per Simatic FM 455 S auf ± 2 °C genau geregelt werden Herausragendes Merkmal der Baugruppe ist der selbstoptimierende Temperaturregelalgorithmus in Fuzzytechnologie. Mit einfachen Parametriermasken des Projektierungspakets lässt sich die Regelstrecke mit minimalem Aufwand identifizieren, so dass der Regler schneller im Optimum arbeitet (siehe Kasten). „Diese Selbstoptimierung verkürzt die Inbetriebnahme deutlich, insbesondere bei Anlagen mit vielen Regelstellen“, vergleicht Uwe Ottink mit anderen Projekten, „und der Anwender bleibt flexibel, weil er das Procedere zum Beispiel nach einem Wechsel der Heizbänder schnell wiederholen kann. Das hält Ausfallzeiten in engen Grenzen.“ Seine Programmierarbeit wurde durch vordefinierte Funktionsbausteine und das perfekte Zusammenspiel zwischen Controller und Regelbaugruppe erheblich verkürzt. So wurde für das Retrofit weniger als die eingeplante Woche benötigt. Bedienkomfort am Multi Panel Mit der Projektierungssoftware ProTool (Version 6) hat er auch in kürzester Zeit eine komfortable Oberfläche zum Bedienen und Beobachten der Anlage über ein Simatic Multi Panel MP270 entwickelt. Die industriegerechte multifunktionale Plattform ist für maschinennahes Bedienen und Beobachten unter Windows CE konzipiert. Auf PC-Card und/oder CF-Card können Rezepturen gespeichert und bei Bedarf schnell wieder eingelesen und Prozessdaten archiviert werden. „Die neue, durchgängige Steuerung und Regelung auf Simatic-Basis reduziert Maschinenumrüstzeiten auf ein Minimum, zusammen mit der interaktiven Bedienung macht sie Produktwechsel einfacher und sicherer“, so der verantwortliche Elektromeister bei Nordenia, Wilhelm Albers. Und was besonders wichtig ist: Die Qualität der Endprodukte ist wieder auf konstant hohem Niveau gesichert. ■ advance 1-2003 13