Lyon steht für Lebensqualität

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Lyon steht für Lebensqualität
LEBEN
W
LEBEN
ir sind ein Stückchen Deutschland in
Frankreich“, sagt Jacques de Chilly.
Als Zuständiger für Wirtschaftsentwicklung im Großraum Lyon ist er
durchaus stolz auf die „deutschen“
Eigenschaften, die seiner Stadt zugeschrieben
werden: Ernsthaftigkeit und Zuverlässigkeit.
Unter den Franzosen war Lyon lange auch
als ein bisschen langweilig bekannt, doch mit
ihrem Langweiler-Image hat die Stadt aufgeräumt. Spätestens seit der Einweihung des
Confluences-Museums am Zusammenfluss von
Rhône und Saône im Dezember 2014 gilt Lyon
als dynamisch und kreativ. Hinter dem wolkenähnlichen Gebäude der österreichischen Architektengruppe Coop Himmelb(l)au entsteht
im ehemaligen Industriegebiet Confluence auf
150 Hektar ein ultramodernes Viertel. „Wir
wollten den Ruf der Stadt verändern und haben
dafür Architekten aus aller Welt eingeladen“,
beschreibt Benoît Bardet das Vorhaben, das vor
gut zehn Jahren begann. „Die Hälfte des Weges
liegt bereits hinter uns“, ergänzt der stellvertretende Leiter von Lyon-Confluence, dem
Unternehmen der öffentlichen Hand, das das
Viertel entwickelt.
Auf einer riesigen Platte, die an eine Modelleisenbahn erinnert, zeigt Bardet die neue Welt
aus Wohnungen und Büroflächen: Quader in
verschiedenen Farben, ein künstliches kleines
Hafenbecken und ein Bahnhof mittendrin.
Ein grasgrüner Würfel mit zwei kreisrunden
Löchern in der Fassade ist seit 2015 der Sitz des
Fernsehsenders Euronews, gebaut vom Architekturbüro Jakob und MacFarlane. Genauso
futuristisch muten ein paar Straßen weiter die
DIE AUFSTREBENDE
METROPOLE LYON
„Wir wollten
den Ruf der
Stadt verändern und
haben dafür
Architekten
aus aller Welt
eingeladen.“
Benoit Bardet,
stellvertretender Leiter
von Lyon Confluence
drei Positiv-Energie-Gebäude an, die in Zusammenarbeit mit der japanischen Agentur für
erneuerbare Energien Nedo entstanden sind
und mit ihrer von Sonnenpaneelen bedeckten
schwarzen Front mehr Strom produzieren
als sie verbrauchen. Der Komplex „Hikari“
(„Licht“) ist das Aushängeschild eines ganzen
Viertels, das mit seinen ökologischen Standards
einzigartig in Frankreich ist. Der CO2-Ausstoß
in dieser „Smart City“ soll 2020 noch genauso
hoch sein wie im Jahr 2000 – und das, obwohl
eine Million Quadratmeter bebaut werden.
DYNAMISCHE METROPOLE
Kräftig gebaut wird auch in Part-Dieu, das
nach La Defense im Westen von Paris das
zweitgrößte Geschäftsviertel Frankreichs ist.
Im Gegensatz zum futuristischen ConfluenceViertel verbreiten die Straßen rund um den
Bahnhof Part-Dieu, der jeden Tag fast 130.000
Passagiere bewältigt, noch die betongraue
Atmosphäre der 70er Jahre. Doch die Veränderungen haben auch hier schon begonnen: Auf
der Place Béraudier vor dem Bahnhof wurde
bereits das erste Gebäude abgerissen. „Unser
Ziel ist es, von einem 70er-Jahre-Viertel zu einem Stadtteil des 21. Jahrhunderts zu werden“,
sagt die zuständige Wirtschaftsentwicklerin
Chloé Dobiche. 45.000 Arbeitsplätze und 2200
Unternehmen konzentrieren sich in Part-Dieu
auf einer Million Quadratmeter Bürofläche.
Leerstand? Fehlanzeige, denn der Bedarf ist
groß. Rund um den „Bleistift“, wie das rötliche
Hochhaus Part-Dieu genannt wird, mieten vor
allem Versicherungen, Banken und Ingenieurbüros Räume an.
EREIGNISSE UND SEHENSWÜRDIGKEITEN
des Jahr einen berühmten
Filmemacher auszeichnet.
Lyon steht für
Lebensqualität
Jahrzehntelang galt sie als verkannte kleine Schwester von Paris.
Doch inzwischen ist Lyon eine selbstbewusste Regionalmetropole,
die zu den attraktivsten Städten Europas gehört.
TEXT: CHRISTINE LONGIN
14 Lyon – im Herzen
Europas. Zwei Stunden
bis zum Meer, in die
Berge und nach Paris.
MANUAL MEDIA VERLAG Frankreich 2016
Bilder: www.b-rob.com, muséedesconfluences
PAUSE MIT PANORAMABLICK. VOM PARK JARDIN DES CURIOSITÉS IST DIE GANZE STADT ZU SEHEN.
Fête des Lumières
Das Lichterfest ist jedes
Jahr vor Weihnachten die
Attraktion in Lyon. Lichtinstallationen beleuchten
Gebäude, Brücken und
Denkmäler vier Nächte
lang.
Festival Lumière
Zu den berühmten Einwohnern Lyons gehören
die Brüder Lumière, die
1895 den ersten Kinofilm
zeigten. An sie erinnert das
Filmfest Lumière, das je-
Biennale der zeitgenössischen Kunst und des
Tanzes
Jedes Jahr wechseln sich
zeitgenössische Kunst und
Tanz in Lyon mit einer Biennale ab, die vor allem ein
junges Publikum anzieht.
Festival Nuits Sonores
An junge Leute richtet sich
auch das Elektrofestival
Nuits Sonores, zu dem
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DJs aus der ganzen Welt
anreisen. Der Elektrosound
erfasst Straßen, Museen
und Industriegebiete.
Altstadt Das Renaissance-Viertel Vieux Lyon
gehört zum Weltkulturerbe der Stadt. Schmale
Passagen, „Traboules“
genannt, verbinden
Gassen miteinander. In den
„Bouchons“, den traditionellen Restaurants, zeigt
die Gastronomie der Stadt
ihr Können.
Halles Paul Bocuse
Die modernen Markthallen im Viertel Part-Dieu
tragen den Namen des
„Kochs des Jahrhunderts“,
der aus dem Großraum
Lyon stammt. Gourmets
kommen an den Ständen
mit Austern, Fleisch- und
Wurstwaren sowie Backwerk auf ihre Kosten.
Fourvière Auf dem
Fourvière-Hügel mit
seiner Basilika sind noch
die Reste der römischen
Vergangenheit zu finden:
ein Amphitheater und
Thermen. Wegen ihrer vier
Türme wird die Basilika, die
seit 1998 Weltkulturerbe
ist, auch „umgedrehter
Elefant“ genannt.
Musée des Beaux Arts
Das Kunstmuseum ist in
einer alten Benediktinerabtei untergebracht und
zeigt neben Malerei aus
verschiedenen Jahrhunderten in dem in einen
Garten umgewandelten
Kreuzgang auch Skulp-
turen – unter anderen von
Rodin.
Musée des Confluences
Das Museum, das Naturwissenschaften und Kunst
verbindet, wurde im Dezember 2014 eingeweiht.
Im ersten Jahr hatte der
moderne Komplex, der auf
dem Dach einen atemberaubenden Blick auf
Lyon und seine Umgebung
freigibt, bereits knapp
900.000 Besucher.
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„LYON IST EINE TALENTSCHMIEDE
FÜR INGENIEURE“
Thomas Loos ist Geschäftsführer von Würth Elektronik
France. Sein mittelständisches Unternehmen gilt als Muster
für den Erfolg deutscher Firmen im Raum Lyon.
TEXT: CHRISTINE LONGIN
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STADT MIT 2000 JAHREN GESCHICHTE. DAS MODERNE CONFLUENCE-VIERTEL BILDET EINEN KONTRAST ZUR MALERISCHEN ALTSTADT MIT IHREN RENAISSANCE-BAUTEN.
16 „Alle
Deutschen,
die hierher
kommen,
sind von der
Lebensqualität
begeistert.“
Christoph Martin
Radtke, Präsident des
deutsch-französischen
Wirtschaftsclubs
Präsident Xi Jinping seinen Frankreichbesuch nicht wie sonst üblich in Paris, sondern
in Lyon. Xi interessierte sich vor allem für die
Biotechnologie, die der Partnerstadt von Frankfurt einen internationalen Ruf verschafft hat.
Im „Biodistrict Gerland“ mit seinen 30.000 Arbeitsplätzen sitzen die Marktführer Sanofi und
Genzyme neben renommierten Forschungsinstituten und Start-ups.
Dieses Miteinander macht auch die Dynamik der drittgrößten Stadt Frankreichs aus, die
mit der Agentur OnlyLyon ihr eigenes Marketing im Ausland betreibt. Unternehmen loben
außerdem die Verfügbarkeit von Hochschulabsolventen sowohl in den Ingenieurberufen als
auch in den Naturwissenschaften. Sie haben die
Wahl unter den 130.000 Studenten, darunter
zehn Prozent aus dem Ausland. „Das Ökosystem der Ausbildung stimmt“, sagt Firmenchef
Jean Agnès zufrieden.
nenen Vergleichsstudie französischer Städte
von Pricewaterhouse Coopers auf den ersten
Platz kam – noch vor Paris. Vor allem in Sachen
Lebensqualität liegt die Regionalmetropole um
Längen vor der Hauptstadt.
Rund 40 Unternehmen hat Radtke, der seit
1989 in Lyon lebt, als Anwalt bei der Ansiedlung von Tochtergesellschaften beraten. Gekommen sind vor allem Mittelständler. „Lyon
war schon immer eine Stadt mit einem starken
Mittelstand.“ Dass die Bürgermeister wechselten und damit auch die Parteizugehörigkeit,
tat der Entwicklung keinen Abbruch. „Die
Kontinuität blieb immer gewahrt“, bemerkt
Jean-Charles Foddis. So ist in Lyon allseits
bekannt, dass der langjährige konservative
Bürgermeister Raymond Barre seinen Nachfolger, den Sozialisten Gérard Collomb, selbst mit
aufbaute.
INTERNATIONALE STRAHLKRAFT
Seit 2001 regiert Collomb die Stadt und seit
Januar 2015 auch den Kommunalverband
Métropole de Lyon mit seinen 1,3 Millionen
Einwohnern. „Der Bürgermeister hört sehr auf
die Unternehmen“, sagt Jean Agnès, Chef des
metallverarbeitenden Betriebs Gabis mit rund
150 Angestellten und früherer Präsident der
örtlichen Industrie- und Handelskammer. Den
Trumpf von Lyon sieht er in der internationalen Ausrichtung. „Wir versuchen eine Stadt zu
schaffen, die von der Globalisierung profitiert,
statt sich davor zu schützen“, bemerkt auch
Jacques de Chilly.
Dass diese Rechnung aufgeht, zeigte sich am
25. März 2014: Da begann der chinesische
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Bilder: www.b-rob.com, Visucréa, Wurth Elektronik Fr, Stéphane de Bourgies
Ingesamt haben sich im vergangenen Jahr 92
Unternehmen mithilfe der Wirtschaftsförderungsagentur INVEST in Lyon niedergelassen,
darunter renommierte Firmen wie Hexcel,
Ubisoft und UBS. 279 deutsche Unternehmen
mit gut 13.000 Arbeitsplätzen sind in der Region vertreten, darunter Bayer, Allianz, BASF
CropScience und der Medizinkonzern Fresenius, der rund 200 Millionen Euro in eine neue
Produktionsanlage investieren will. „Fresenius
hat sich für Lyon entschieden, obwohl auch
Standorte in China und den USA im Rennen
waren“, rühmt der Leiter von INVEST in Lyon,
Jean-Charles Foddis, seine Stadt.
Deutschland und die USA sind die wichtigsten
ausländischen Investoren in der siebtgrößten Wirtschaftsregion Europas, die mit ihrer
Infrastruktur überzeugt: Lyon ist mit dem
Hochgeschwindigkeitszug TGV, dem Flughafen
Saint-Exupéry, den beiden Flüssen und der bei
Touristen beliebten Nord-Süd-Autobahn Autoroute du Soleil bestens angebunden. Seit dem
vergangenen Jahr gibt es sogar eine Verbindung mit dem Eurostar bis nach London. Außerdem sind die Immobilienpreise 40 Prozent
niedriger als in Paris, das mit dem Zug nur zwei
Stunden entfernt ist. Dazu kommt eine charmante Altstadt, die mit ihren engen Gassen und
den pastellfarbenen Häusern aus dem 16. und
17. Jahrhundert zum Welterbe der UNESCO
gehört. „Alle Deutschen, die hierher kommen, sind von der Lebensqualität begeistert“,
sagt der Präsident des deutsch-französischen
Wirtschaftsclubs Rhône-Alpes, der Anwalt
Christoph Martin Radtke. Kein Wunder also,
dass Lyon in einer im Dezember 2015 erschie-
Was sind für Sie die Vorteile des Standorts Lyon?
Wir schätzen die Beständigkeit, die hier herrscht. Bei
unseren Angestellten gibt es
wenig Fluktuation. Außerdem ist
die Verkehrsanbindung mit dem
Flughafen Saint-Exupéry ganz
in der Nähe ein Plus. Durch die
vielen Universitäten und Hochschulen haben wir keine Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen.
Lyon ist gerade für Ingenieure
eine Talentschmiede. Wir werden
unser Unternehmen, das derzeit
170 Angestellte hat, in diesem Jahr
deutlich vergrößern, denn die
Nachfrage nach Elektronikprodukten steigt. Nachdem wir 2005
nur 41 Angestellte beschäftigten,
sollen es im Jahr 2020 schon
250 sein.
in Deutschland. Mit den Gewerkschaften betreiben wir kein Kräftemessen. Der Konsens zahlt sich
aus, denn in den vergangenen 15
Jahren hatten wir keinen einzigen
Streiktag.
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Was schätzen Sie persönlich an Lyon? Die
Lebensqualität ist hoch.
Die Stadt hat eine überschaubare Größe und
Mittelmeer und Berge sind mit
dem Auto oder dem Zug schell zu
erreichen. Außerdem gibt es gute
Schulen für die Kinder.
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Die französische Streikkultur ist ja in Deutschland berüchtigt. Haben
Sie damit schon Schwierigkeiten gehabt?
Bei uns in der Firma ist die
Arbeitsmoral gut. Wir bieten den
Beschäftigten viele Aufstiegsmöglichkeiten und pflegen eine
ähnliche Unternehmenskultur wie
DIE HAUPTSTADT DER GASTRONOMIE
Wenn es um das Essen
geht, fällt in Lyon sofort
ein Name: Paul Bocuse.
Sein legendäres Restaurant
„L’Auberge du Pont de Collonges“ hat seit 50 Jahren
durchgehend drei MichelinSterne – ein einzigartiger
Rekord. „Lyon ist eine
Stadt, die Appetit macht“
lautet einer der bekannten
Sätze des Sternekochs,
der selbst aus der Region
kommt. 1987 rief „Monsieur
Paul“ den internationalen
Kochwettbewerb Bocuse
d’Or ins Leben, dessen Finale alle zwei Jahre in Lyon
stattfindet. Außerdem gründete er das „Paul BocuseInstitut für Hotellerie und
Kulinarische Kunst“, das
den Nachwuchs ausbildet.
Die Jungköche und -kellner
üben im „L’Institut“, einem
Restaurant mitten im
MANUAL MEDIA VERLAG Frankreich 2016
Stadtzentrum.
Neben dem „Koch des
Jahrhunderts“ haben sich
andere berühmte Küchenchefs wie Mathieu Vianney
in Lyon niedergelassen.
Insgesamt 16 Sterneres-
taurants gibt es unter den
etwa 4000 Gaststätten der
Regionalmetropole. Doch
nicht nur die Haute Cuisine,
sondern auch deftige
Hausmannskost hat dort
ihren Platz. Zum Beispiel
in den „Bouchons“, jenen
typischen Restaurants mit
Spezialitäten der Region
aus Fleisch und Wurst. Wer
selbst gerne kocht, findet
in den Markthallen, die den
Namen von Paul Bocuse
tragen, unter 48 Händlern
das Beste an Käse, Wurst
und Backwaren. Und auch
beim Wein gibt es in Lyon
eine große Auswahl aus
der Region, denn das Weinanbaugebiet Beaujolais
liegt gleich im Norden der
Stadt. Wer lieber Bier trinkt,
für den braut die Brasserie
Georges – und zwar schon
seit 1836.
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