- Alternate Reality Games - Master - GMF
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Alternate Reality Games Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science – MSc im Universitätslehrgang MSc Interactive Media Management 1 verfasst von Gerolf Nikolay Eingereicht am Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien der Fakultät für Bildung und Medien an der Donau-Universität Krems Betreuer: Rektor Univ.-Prof. Dr. Michael Wagner, MBA Tag der mündlichen Prüfung: 15.11.2011 Krems, November 2011 Abstract Die vorliegende Master Thesis versucht einen Einblick in die Welt der Alternate Reality Games (ARGs) zu geben und deren Einsatzgebiete aufzuzeigen. Aufgrund des verstärkten Einsatzes von Pervasive Technology und ihres immersiven Charakters empfiehlt es sich dieses Genre als ‚nongame‘ Phänomen, unter Berücksichtigung des sozialen Aspekts zu betrachten. ARGs schaffen für die Teilnehmer eine Alternate Reality in dem sie Game Mechanics in das reale Leben der Spieler integrieren. Die Thesis versucht die Alleinstellungsmerkmale von ARGs herauszuarbeiten, insbesondere als neue Form des Geschichtenerzählens und angewandte kollektive Intelligenz. Anhand dieser speziellen Merkmale wird zunächst eine Begriffsdefinition vorgenommen. Die zahlreichen Einflüsse auf dieses Genre, seit Beginn des 20. Jahrhunderts, wurden intensiv studiert, die zum ersten ARG namens The Beast im Jahr 2001 führten. Daraufhin folgt ein Versuch der Kategorisierung von ARGs, die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit hat, sondern die Vielfältigkeit der Einsatzzwecke aufzeigen soll. Analysiert wurde das ARG 1-18-08, als Fallstudie eines Promotional ARG zum Kinofilm Cloverfield, sowie World Without Oil, EVOKE und Ghosts of a Chance, als Stellvertreter der sogenannten Serious ARGs, unter Berücksichtigung des Aspekts der Bildung von Communities und als Einsatz als Social Learning Tool. Da die unklaren Grenzen zwischen Fiktion und Realität auch zu Problemen führen können, werden in einem Kapitel, zudem die Ethik und der soziale Kontext diskutiert. Zum Schluss gibt diese Master Thesis Ausblick auf die zukünftige Entwicklung von ARGs und aktuelle technologische Einflüsse, die maßgeblich an der Weiterentwicklung dieses Genres beteiligt sind. i Inhaltsverzeichnis Abstract .......................................................................................................................................................... i Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................................................ ii 1 Einführung ........................................................................................................................................... 1 2 Definition ..............................................................................................................................................5 2.1.1 3 2.2 Definition als Spiel ..................................................................................................................... 13 2.3 Transmedia Storytelling ............................................................................................................ 15 2.4 Collective Intelligence ............................................................................................................... 23 2.4.1 Smart Mobs ....................................................................................................................... 24 2.4.2 Spoiling .............................................................................................................................. 28 Geschichte .......................................................................................................................................... 30 3.1 4 Merkmale .............................................................................................................................. 7 Einflüsse ..................................................................................................................................... 33 3.1.1 Orson Welles’ War of the Worlds ..................................................................................... 33 3.1.2 Paul-Is-Dead Conspiracy ................................................................................................. 34 3.1.3 Ong’s Hat: Incunabula ..................................................................................................... 35 3.1.4 Treasure Hunts ..................................................................................................................37 3.1.5 London’s treasure hunt riots ............................................................................................ 38 3.1.6 We Lost Our Gold .............................................................................................................. 39 3.1.7 Publius Enigma .................................................................................................................. 41 3.2 The Beast .................................................................................................................................... 43 3.3 Majestic ...................................................................................................................................... 45 Kategorien ..........................................................................................................................................47 4.1 Cloverfield .................................................................................................................................. 48 4.1.1 In-Game Websites .............................................................................................................. 51 4.1.2 Out of game ....................................................................................................................... 58 4.1.3 Cloverfield Communities .................................................................................................. 60 4.1.4 Weiterentwicklung der Cloverfield Communities .......................................................... 65 4.2 Serious Games ........................................................................................................................... 69 ii 5 4.2.1 World Without Oil ..............................................................................................................72 4.2.2 EVOKE: A Crash Course in Changing the World ............................................................74 4.2.3 Ghosts of a Chance ............................................................................................................ 78 4.3 ARGs als Social-Learning Tool ................................................................................................. 81 4.4 Erfolgsmessung ......................................................................................................................... 83 4.5 Partizipation in ARGs ............................................................................................................... 84 Ethik und sozialer Kontext ............................................................................................................... 88 5.1 6 Unaware Participation ............................................................................................................. 89 5.1.1 Jackass Entführung .......................................................................................................... 89 5.1.2 Totes Mädchen auf Google Street View ........................................................................... 90 5.2 Ethik und Selbstverantwortung ............................................................................................... 90 5.3 Verantwortung der Puppet Masters ........................................................................................ 92 5.4 Kultureller Kontext .................................................................................................................... 95 5.5 Vem gråter ..................................................................................................................................97 5.6 Real World Detectives ............................................................................................................... 98 5.7 Lynch Mobs .............................................................................................................................. 100 Ausblick ............................................................................................................................................. 101 6.1 Location Based Gaming .......................................................................................................... 102 6.2 SCVNGR ................................................................................................................................... 104 6.3 Augmented Reality .................................................................................................................. 106 6.4 Dexter ARG - Hunt for Infinity Killer .................................................................................... 108 6.5 ARGs im deutschsprachigen Raum......................................................................................... 110 7 Schlussfolgerungen .......................................................................................................................... 112 8 Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................................... 116 9 Bibliographie .................................................................................................................................... 118 iii Einführung Einführung Gezeigt werden wackelige Videoaufnahmen einer Abschiedsparty eines jungen Mannes namens Rob in einer New Yorker Wohnung. Plötzlich wird die Party von einem metallischen Dröhnen und einem Stromausfall unterbrochen. Es verbreitet sich Panik als brennende Objekte aus dem Himmel explodierend in die Straßen stürzen. Alles flüchtet, das wilde Gewackel der Kamera verzerrt Bild und Ton, als plötzlich der Kopf der Freiheitsstatue auf der Straße landet. Dann die Einblendung „IN THEATERS 1-18-08“. Kein Titel, kein Star, keine Erklärung. (Reeves 2007) Dieser Teaser wurde vor dem Kinofilm Transformers (Bay 2007) gezeigt. Zahlreiche User analysierten diesen darauf Bild für Bild, um mehr darüber in Erfahrung zu bringen, und nach weiterführenden Hinweisen zu suchen. Nach und nach entdeckten die Teilnehmer eine Reihe von Websites, die mit dieser Geschichte in Verbindung standen. Daraus entwickelte sich eine regelrechte Schnitzeljagd im World Wide Web, über zahlreiche Websites, Videoclips, MySpace Profile und auch Manga-Comics. Die Spieler mussten Communities bilden, um gemeinsam die Puzzleteile zusammenzusetzen und die Rätsel lösen zu können. „Having all the information isn't always better.” so J.J. Abrams (2009, p.2), Produzent dieses Kinofilms. Und genau diese Geheimniskrämerei brachte auch den gewünschten Erfolg. 1-18-08, wie es in Spielerkreisen hieß, ist eine neue Form von „Interactive Fiction“ (Rose 2011, chap.1), ein sogenanntes Alternate Reality Game (ARG). In diesem ARG erforschten die Spieler die Vorgeschichte des Kinofilms Cloverfield, rund um die Monsterattacke auf New York. Der Kinofilm selbst war nur ein Teil der Geschichte und bildete den Abschluss dieses ARG. Viele Details und die gesamte Hintergrundgeschichte kamen darin nicht vor. Dies war rein den Spielern, die am ARG teilnahmen, vorbehalten. Die Geburtsstunde der ARGs war aber bereits im April 2001, als aufmerksame Zuschauer im Abspann des Trailers zu dem Kinofilm A.I. Artificial Intelligence (Spielberg 2001) einen Eintrag namens ‚Jeanine Salla, Sentient Machine Therapist’ entdeckten. Wenn man nach ‚Jeanine Salla’ googlete, führte dies zum nächsten 1 Einführung Hinweis. Diese Schnitzeljagd entwickelte sich über zahlreiche Websites, bei der Tausende von Menschen daran teilnahmen. Das Ziel war herauszufinden, wer die fiktionale Person namens Evan Chan ermordet hat. Drei Monate später, als das Spiel endete, nahmen insgesamt ca. 7-10.000 Spieler daran teil. Weitere Zigtausend Leute kamen, aufgrund der Berichterstattung in den Medien und des WWW, damit in Berührung. The Beast, so wurde dieses Spiel inoffiziell bezeichnet, legte damit den Grundstein eines neuen Spielgenres. Drei Jahre später, im Sommer 2004, fand das zweite ARG statt, welches richtungsweisend für dieses Genre war. I Love Bees war Teil einer Promotion Kampagne zum Computerspiel Halo 2. Die Hinweise und Rätsel waren hier quer in den USA verteilt, sodass es unmöglich für den einzelnen Spieler war, sämtliche Puzzleteile auf eigene Faust zu finden. Die Neuen Medien und der Zugang zu Technologie haben unser Verhalten verändert, wie wir zusammenarbeiten und Probleme lösen. Insbesondere das World Wide Web und mobile Internettechnologie in Form von Smartphones erlaubt uns, innerhalb des Kollektivs zusammenarbeiten, auch wenn wir uns an unterschiedlichen Orten befinden. Digitale Spiele waren schon immer Vorreiter, wenn es darum ging, neue Technologien einzusetzen, deren Potenzial auszuschöpfen und die damit verbundenen Möglichkeiten und Einsatzzwecke aufzuzeigen. Alternate Reality Games sind speziell dazu gestaltet, um kollektives Problemlösen zu fördern, indem sie umfangreiche Game Mechanics in eine spannende Geschichte einbetten. Die Erfahrung der Spieler bei ARGs beschränkt sich dabei nicht nur auf die virtuelle Welt, sondern weitet sich dabei auf die reale Welt bzw. auf das Leben der Spieler selbst aus. Telefonnachrichten, SMS Nachrichten und auch Begegnungen mit fiktionalen Personen im realen Leben können Bestandteile der Spielerfahrung sein. Beschränkten sich ARGs vor 2007 noch hauptsächlich auf Promotion- und Marketingzwecke, so ist in den letzten Jahren ein Trend Richtung Serious Games zu erkennen, nämlich Spiele, die auch einen positiven Einfluss auf das reale Leben der Spieler haben. Dabei setzt man auf das enorme Potenzial der Teilnehmer, als 2 Einführung Community und deren Fähigkeiten Probleme kollektiv zu lösen, die in unserer realen Welt von Bedeutung sind. Alternate Reality Games sind daher mehr als nur virales Marketing und bieten sich für zahlreiche Anwendungsgebiete an. Da es sich um ein sehr junges Genre handelt, entdecken wir erst allmählich deren volles Potenzial. In meiner Arbeit untersuche ich daher ARGs als Beispiel für kollektives Problemlösen und neue Form des Geschichtenerzählens. Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile: Im ersten Abschnitt befasse ich mich mit der Definition von ARGs. Aufgrund der sehr unterschiedlichen und vielschichtigen Einflüsse ist ein Definitionsversuch schwierig, da die Grenzen zu anderen Spielformen oft sehr fließend sind. Trotzdem bilden gewisse Merkmale die Basis solcher Spiele, die dieses Genre einzigartig machen und auszeichnen. Im zweiten Teil werfe ich einen Blick auf die zahlreichen Einflüsse der ARGs, die erst diese neue Spielform ermöglichten. Ich beschränke mich in diesem Fall auf die Neuzeit, seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Im dritten Teil nehme ich den Versuch einer Einteilung der ARGs in unterschiedliche Kategorien vor. Dies erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient in erster Linie dazu, aufzuzeigen, wie vielfältig deren Einsatzzweck sein kann. Zudem lassen sich viele ARGs oft keiner eindeutigen Kategorie zuteilen, sondern sind zumindest zwei oder sogar mehreren zuordenbar. Dabei analysiere ich einige dieser Spiele und zeige deren Möglichkeiten auf. Das ARG zum Kinofilm Cloverfield dient als Fallstudie eines Promotional ARG. Anhand von Serious Games zeige ich den Trend der letzten Jahre auf, die wieder Aufschwung in dieses Spielgenre gebracht haben. Beispiele dafür sind Fallstudien von World Without Oil, EVOKE und Ghosts of a Chance. Abschluss bildet, als Beispiel eines Organizational ARG, nämlich die New Yorker Charter School Quest to Learn. Dabei werden Spiele nicht nur im Unterricht eingesetzt, sondern das Konzept wird auf die gesamte Schule und das Leben der Schüler ausgeweitet. 3 Einführung Im vierten Teil beleuchte ich die Ethik und den sozialen Kontext, in dem ARGs stehen. Da die Grenze zwischen Fiktion und Realität dabei ganz bewusst verwischt wird, wirft dies allerdings auch einige Fragen und Probleme auf. Im fünften und letzten Teil versuche ich, einen Ausblick auf die Zukunft von ARGs zu geben. Pervasive Technology, in Form von Smartphones und mobilem Internet, eröffnet seit Kurzem komplett neue Möglichkeiten, um solche Spiele in das reale Leben zu integrieren. Social Networks, wie Facebook, Twitter oder SCVNGR, spielen dabei ebenso eine große Rolle, wie Augmented Reality Technologien. ARGs bauen in der Regel auf bestehende Technologien auf und integrieren sich so nahtlos in das Leben der Spieler. Noch nie gab es so viele Möglichkeiten, wie bisher, die als Spielplattform für ARGs dienen können. Neuere ARGs schöpfen bereits aus diesem Potenzial und zeigen deren Einsatzzwecke auf. 4 Definition Definition Alternate Reality Games (ARGs) sind relativ leicht zu erkennen, aber schwierig zu definieren. Im Grunde gehören sie im weitesten Sinn der Kategorie der Pervasive Games an, die eine Vielzahl von Bezeichnungen haben können: „adaptronic games, alternate reality games, ambient games, appropriative games, augmented reality games, big games, brink games, context aware games, crossmedia games, geogames, hybrid games, immersive games, invasive games, location-based games, locative games, massive games, mixed reality games, mobile games, pervasive games, reality games, supergames, total games, transreality games, ubiquitous games, urban games, …” (Montola et al. 2009, p.xix) Das bekannteste Genre darunter sind die Alternate Reality Games. Viele dieser Begriffe sind nicht immer ganz eindeutig und werden oft unterschiedlich gebraucht. So kann es mitunter vorkommen, dass ARGs unter einer anderen Bezeichnung auftauchen. Gemeint ist natürlich dasselbe. Ebenso gibt es sehr unterschiedliche Definitionen um Alternate Reality Games zu beschreiben. Nieuwdorp (2007 cited in Montola et al. 2009, p.12) unterscheidet hierbei zwischen einem technologischen und kulturellen Ansatz. Aus technologischer Sicht wird untersucht, wie Pervasive-Computing-Technologie in den Spielen verwendet wird, wohingegen der kulturelle Ansatz sich darauf konzentriert, wie sich solche Spiele auf die reale Welt auswirken. Sich nur auf den technologischen Aspekt zu konzentrieren hat den Nachteil, dass manche Spiele aus dieser Kategorie herausfallen, manche andere aber wiederum inkludiert werden. ARGs, die anfangs ein rein nordamerikanisches Phänomen waren, werden oft mit Pervasive Games, die hauptsächlich in Europa und Asien verbreitet sind, verglichen. Pervasive Games kombinieren auch Web-Fiction und Multiplayer-Communities mit 5 Definition SMS und GPS Technologie. Beispiele dafür sind das Nokia Game, Supafly und Botfighters. Der größte Unterschied zwischen den beiden Genres besteht darin, dass Pervasive Games in der Regel ganz klar als Spiel erkennbar sind. Das gesamte Interface ist als Spiel aufgebaut und die Spieler interagieren zwar mit anderen Teilnehmern, arbeiten aber in der Regel nicht als Kollektiv zusammen. (McGonigal 2003, p.5) Daher bevorzuge ich folgende Definition von Jane McGonigal, Game Designer von zahlreichen Alternate Reality Games, da sie ARGs als ‚nongame‘ Phänomen betrachtet: „An interactive drama played out online and in real-world spaces, taking place over several weeks or months, in which dozens, hundreds, or thousands of players come together online, form collaborative social networks, and work together to solve a mystery or problem that would be absolutely impossible to solve alone.” (McGonigal 2004) Interessant ist auch bei dieser Definition, dass McGonigal es als ‚interactive drama’ und nicht als ‚game’ beschreibt, denn die wichtigste Philosophie von ARGs lautet ‚This Is Not A Game‘ (TINAG oder TING): „[The Players] must believe “this is not a game” in order to enjoy the immersive pleasures of its realistic aesthetic. They must disbelieve “this is not a game” in order to maintain the ludic mindset that makes realistic murders, apocalyptic science, cyberterrorism, and other dark plots pleasurably playable.” (McGonigal, 2006 cited in Montola et al. 2009, p.143) Dieses Mantra, welches Sinnbild für Spieler und Entwickler wurde, stammt aus einem Werbespot für den Kinofilm A.I. Artificial Intelligence, als für einen Sekundenbruchteil, in roten Buchstaben, der Satz ‚This Is Not A Game’ zu lesen war. Dies war Teil des ARG namens The Beast, welches als Promotionkampagne für diesen Film entwickelt wurde. The Beast wurde niemals als Spiel angepriesen, und es wurde stets von den Entwicklern bestritten, dass es sich hierbei um ein solches handelt. Daher gab es niemals einen offiziellen Titel für dieses ARG. ‚The Beast‘ war der inoffizielle ‚Spitzname’. 6 Definition Die Grundidee hinter ARGs ist die, dass Spieltechnologie dazu verwendet wird, Aktivitäten im realen Leben zu organisieren. Dieses Konzept versucht das, was wir an Spielen am meisten mögen mit dem was wir am meisten an unserem realen Leben schätzen, zu kombinieren, indem eine Alternate Reality geschaffen wird. (McGonigal 2011, chap.7) 1.1.1 Merkmale Laut McGonigal (2004) gibt es sechs Merkmale die ARGs näher beschreiben: • cross-media • pervasive • persistent • collaborative • constructive • expressive 7 Definition Cross-media Die Handlung des Spiels, Hinweise, Rätsel und Missionen werden auf mehrere Medien aufgeteilt und komplettieren sich untereinander - dies können digitale, aber genauso gut, traditionelle Medien, wie Zeitungen oder, aber auch reale Artefakte sein. Folgende Medien können Bestandteil eines ARG sein: • Websites • Emails • Blogs • Telefonanrufe • MP3s and DVDs • USB Sticks • Webcams • Text-Nachrichten (SMS) • Instant Messages/Chat • Spielkonsolen • GPS Geräte • Post/Pakete • Artefakte aus der realen Welt, die mit dem Spielgeschehen in Zusammenhang stehen • Zeitungsartikel, Kleinanzeigen • Smartphones 8 Definition Abbildung 1 Ein reales Artefakt aus dem ARG zur Fernsehserie Dexter: „This morning, a knock on my door woke me up. A package greeted me on my doorstep, addressed to me. Inside was a tiny, elegant package and a postcard with the picture of a grisly kill room and a bloody infinity sign. […] Inside the box was a realistic chocolate heart, along with a USB taped to the lid of the box containing a video message […].“ (Andersen 2010) ARGs sind meist durch eine Vielzahl von Websites charakterisiert. Dadurch ist es manchmal sehr schwierig zu unterscheiden, ob eine Internetseite Bestandteil des Spiels ist oder es sich gar um eine ‚reale‘ Website handelt, die mit der Geschichte gar nicht in Zusammenhang steht (‚Out of Game‘ – OOG). Diese Websites bilden das Fundament des Spiels. Sie werden dazu verwendet, um die Handlung voranzutreiben. Oben genannte Medien kommen meist zusätzlich zum Einsatz. ‚Cross-media‘ ist das einzige Merkmal, welches auch die technologische Komponente beinhaltet. Da ARGs immer sehr eng an die technologische Entwicklung gekoppelt sind, ist diese Liste auch ständig zu erweitern. Social Networks, wie Facebook und Twitter, gehören ebenso dazu, wie Augmented Reality Technologien. ARGs sind so vielschichtig, dass beinahe jedes erdenkliche Medium, Bestandteil der Geschichte sein kann. Diese Form des Geschichtenerzählens bezeichnet man auch als Transmedia Storytelling. 9 Definition Pervasive Die Spielfläche wird dabei auf die reale Welt erweitert. ARGs können in gewohnter Umgebung stattfinden - dies können Straßen, leer stehende Fabrikshallen, aufgelassene Bergwerksstollen und auch Restaurants sein. Aber auch Events und Veranstaltungen in der realen Welt, bei denen Schauspieler mit den teilnehmenden Spielern interagieren, können Bestandteil sein. Die Hinweise und Rätsel können auch in dieser realen Umgebung eingebettet sein. Eine der wichtigsten Aufgaben der Spieler ist es, dabei herauszufinden, welche Orte, Objekte, Gebäude, Fahrzeuge oder Gegenstände Bestandteil des Spiels sind. Es gibt oft keine klaren Regeln um deren Relevanz im Spiel zu erkennen. (Montola et al. 2009, p.77) Dies ist eine ähnliche Problematik, wie man sie von ‚Out of Game‘ Inhalten bei Websites kennt. Allerdings kann dies auch Teil der Herausforderung an die Spieler sein. Moderne mobile Internettechnologie wird oft gerne dafür eingesetzt, um Spielern eine Hilfestellung zu geben, indem realen Gegenständen und Plätzen eine zusätzliche virtuelle und ludische Bedeutung verliehen wird, aber auch, um die Position der Teilnehmer und deren Fortschritt im Spiel bestimmen zu können. Abbildung 2 I Love Bees Payphone Gathering: Einige Spieler warten bei einer Telefonzelle auf einen Anruf. (Unfiction, 2004 cited in McGonigal 2004) 10 Definition Persistent Im Idealfall entfaltet sich die Geschichte eines ARG in Echtzeit, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, und das über einen mehrwöchigen Zeitraum. Die Ungewissheit der Spieler, nie zu wissen, wann es weitergeht, macht den besonderen Reiz aus und trägt zu einem besonders intensiven Erlebnis bei. Durch mobiles Internet und Smartphone Technologie lässt sich das ‚Always on’ Konzept sehr gut realisieren. Man ist immer und jederzeit erreichbar und kann von überall aus auf die Geschehnisse im Spiel reagieren. Dies kann aber auch zu einem erheblichen Stressfaktor für die Spieler werden, z. B. wenn diese gerade am Arbeitsplatz befinden. Manche dieser Spielprinzipien sind oft schlecht in den beruflichen Alltag integrierbar. Daher haben die meisten ARGs einen inoffiziellen Zeitplan zur Veröffentlichung neuer Hinweise, Rätsel und Aufgaben entwickelt (z. B. immer an einem bestimmten Wochentag bzw. Uhrzeit). Eine gewisse Routine, auch wenn sie diesem Prinzip widerspricht, ist oft sehr förderlich für das Spielgeschehen. Auch die verschiedenen Rollen, die Spieler im Verlauf des ARG annehmen, können Abhilfe schaffen, da diese ohnehin kollaborativ ausgelegt sind. Collaborative ARGs sind so gestaltet, dass es unmöglich ist, die Rätsel und Aufgaben alleine oder als kleine Gruppe zu lösen bzw. zu entschlüsseln. Durch den sehr hohen Schwierigkeitsgrad kann eine Lösung nur im Kollektiv gefunden werden. Eine Zusammenarbeit mit anderen Spielern ist dabei zwingend erforderlich. Um die komplizierten und zeitaufwendigen Puzzles zu lösen, sind oft sehr unterschiedliche Fähigkeiten gefragt, wie das Beherrschen von verschiedenen Programmiersprachen, Hacking, und das Wissen über Literatur, Geschichte und Kunst. Es ist daher ein wesentliches Spielmerkmal, kollaborative Communities zu schaffen, um sich gegenseitig austauschen zu können. Zudem verbergen sich Hinweise oft an geographisch sehr unterschiedlichen Orten, sodass es praktisch unmöglich ist, allen auf eigene Faust nachzugehen. 11 Definition Constructive Die Spielplattform muss in der Regel von den Spielern selbst entwickelt werden. Zudem müssen sich die daraus entstandenen Communities selbst organisieren. Die Spieler nehmen dabei im Verlauf des ARG oft unterschiedliche Rollen an, wie die der Organizers, Detectives oder Hunters, die ihren Fähigkeiten bzw. Bedürfnissen entsprechen. Selbst Kommunikationssysteme werden des Öfteren auch von den Spielern selbst entwickelt, um sich während des Spiels besser austauschen zu können. Durch die Entwicklung der Social Networks ist allerdings vieles einfacher geworden, da die Teilnehmer die bestehende Infrastruktur nützen und darauf aufbauen können. Auch eine internationale Vernetzung und Informationsaustausch ist somit einfacher realisierbar. Zudem wird die Hemmschwelle an der Teilnahme für neue Spieler herabgesetzt und eine größere Zielgruppe erreicht. Expressive Teilnehmende Spieler werden auch zum Selbstausdruck ermutigt. Dies findet sich vor allem in von Spielern gestalteten Websites und Blogs wieder, die zum Teil eine wichtige Kommunikationsplattform mit anderen Teilnehmern sind. Aus diesem Umfeld heraus entsteht oftmals Fan-Art, Fan-Fiction aber auch FanARGs. Im Rahmen des BIOS Programs des ARG Majestic wurden Spieler sogar ermutigt, eigene Spiele und Rätsel zu entwerfen. Bei umfangreichen ARGs werden oft sehr ausführliche Wikis und Player Guides entwickelt. Zum einen ermöglicht dies Quereinsteigern sich über die bisherigen Geschehnisse zu informieren und das bisher gewonnene Wissen zentral zu sammeln, und zum anderen, Interessierten indirekt am ARG teilzunehmen bzw. dessen Vorgänge mitzuverfolgen: „Over 7,000 Cloudmakers made the experience of The Beast possible for over 3 million people, and around 10,000 players answered payphones so that nearly two-and-a-half million people could casually trace I Love Bees. It is because of the cultural production of grassroots communities that people are able to watch.“ (Dena, 2008 a cited in Montola et al. 2009, p.121) 12 Definition 1.2 Definition als Spiel ARGs schöpfen auch aus seiner Vielzahl an Einflüssen, sodass alleine schon deswegen eine Einordnung sehr schwierig ist. Auch die unterschiedlichen eingesetzten Medien machen dies nicht leichter. Nach Johan Huizinga prägten Katie Salen und Eric Zimmerman das Konzept des ‚Magic Circle‘. Der Magic Circle ist die Grenze, die das reale Leben vom Spielgeschehen trennt. Nach Huizinga muss Spiel in einem bestimmten Bereich zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden. Salen und Zimmerman sehen dagegen den Magic Circle eher metaphorisch. (Montola et al. 2009, p.7) Abbildung 3 Nicht immer ist es so klar, wie beim Sumo Ringen, bei dem das gesamte Spiel innerhalb des Kreises stattfindet (Montola et al. 2009, p.8) Bei ARGs hingegen wird der Magic Circle erweitert. Die Grenzen zwischen Realität und Spiel verschwimmen. Die Spieler nehmen den Magic Circle überall mit sich mit: „[An ARG] is a game that has one or more salient features that expand the contractual circle of play spatially, temporally, or socially.” (Montola et al. 2009, p.12) 13 Definition Der Magic Circle ist keine Grenze mehr, der die ludischen Elemente von den realen trennt, sondern eine geheime Vereinbarung, welche Aktionen sich von den normalen Handlungen unterscheiden. Die Handlungen im Magic Circle bekommen eine besondere soziale Bedeutung. Sowohl das Spiel als auch das normale Leben können von dieser unklaren Grenze profitieren: „[ARGs] can take the pleasure of the game to ordinary life.“ und „[ARGs] can take the thrill of immediacy and tangibility of ordinary life to the game.” (Montola et al. 2009, p.21) Der Magic Circle verschwimmt, das reale Leben und das Spiel ergänzen sich dabei. Dies eröffnet Chancen, birgt aber auch einige Risiken in sich. Aus diesem Grund sollten ARGs nicht nur als Spiel, sondern auch als ‚nongame‘ Phänomen betrachtet werden. (Montola et al. 2009, p.19) 14 Definition 1.3 Transmedia Storytelling Traditionelle Geschichten wurden bisher immer für ein einzelnes und spezifisches Medium geschaffen, z. B. um auf einer Theaterbühne aufgeführt, in einem Buch abgedruckt oder als Kinofilm verfilmt zu werden. Manchmal wurden diese aber auch im Nachhinein für ein weiteres Medium adaptiert. Diese Adaptionen wurden aber selten im Vorfeld geplant. (Miller 2008, p.150) Abbildung 4 Traditionelles Modell: Das einzelne Media-Artefakt ist dafür verantwortlich, die ‚Story World‘ zum Vorschein zu bringen (Watson 2010, p.5) In den letzten Jahren hat sich eine neue Form des Geschichtenerzählens etabliert, nämlich das ‚Transmedia Storytelling‘. Im Gegensatz zum traditionellen Modell wird diese Geschichte gleichzeitig über unterschiedliche Medien erzählt: „Transmedia storytelling represents a process where integral elements of a fiction get dispersed systematically across multiple delivery channels for the purpose of creating a unified and coordinated entertainment experience. Ideally, each medium makes its own unique contribution to the unfolding of the story. […]There is no one single source or ur-text where one can turn to gain all of the information needed to comprehend the [Story World].” (Jenkins 2007) 15 Definition Abbildung 5 Das Transmedia Modell: Es gibt keinen ‚Ur-Text‘, der die gesamte Geschichte erzählt; die ‚StoryWorld‘ setzt sich dagegen aus mehreren Texten/Media-Artefakten zusammen. Da Transmedia Storytelling noch relativ jung ist, gibt es viele Bezeichnungen dafür, die aber nicht immer ganz richtig sind. ‚Multiplatforming‘ oder auch ‚Cross-Media Producing‘ wird es manchmal genannt. Manche kennen es auch als ‚Networked Entertainment‘ oder ‚Integrated Media‘. Bei Projekten, bei denen die Geschichte eine besondere Rolle spielt, heißt es ‚Distributed Narrative‘, bei welchen mit einer spielerischen Komponente ist es eben ein Alternate Reality Game. Bekannt ist Transmedia Storytelling in erster Linie durch das Blair Witch Project aus dem Jahre 1999 geworden. Es bestand aus zwei Komponenten: dem Film und der Website. Der Film erzählt die Geschichte von drei jungen Filmemachern, die bei Dreharbeiten zu einer Dokumentation über eine legendäre Hexe, unter mysteriösen Umständen in den Wäldern verschwinden. Der Film selbst ist aus dem Material der Videokassetten geschnitten, die angeblich, nach deren Verschwinden gefunden wurden. Es wird als Dokumentation über ein fiktives Ereignis präsentiert, welches tatsächlich stattgefunden haben soll. Die Website konzentriert sich auf dieselbe Geschichte, um den ‚dokumentarischen‘ Inhalt des Films zu unterstreichen. Es handelt sich hierbei um keine übliche Promotion-Website, bei der Interviews mit Schauspielern und Backstage Fotos präsentiert werden. Es ist nicht einmal der Hinweis zu finden, dass es sich hierbei 16 Definition um einen Film handelt. Stattdessen wurden Tagebuchauszüge der Filmemacher, Interviews mit deren Verwandten, Dorfbewohnern und Polizisten präsentiert, sowie weiteres Archivmaterial. Dies war anscheinend so glaubwürdig, dass viele Fans dachten, The Blair Witch Project sei tatsächlich real. Jeder konnte sich daraus seine eigene Geschichte über, die stattgefunden Geschehnisse konstruieren. (Miller 2008, p.150) Abbildung 6 The Blair Witch Website zeigte eine Vielzahl an ‚realem’ Material inklusive einem fiktiven Tagebuch (The Blair Witch website cited in Askwith 2008, p.16) Selbst der Soundtrack wurde als Audiokassette aus dem verlassenen Auto präsentiert. Statt der üblichen Kinoplakate wurden ‚Missing Person‘ Flyer verteilt und Zeitungsanzeigen geschaltet, die jeden mit der Bitte um Hinweise über die ‚verschollenen‘ Filmemacher auf die Website blairwitch.com weiterleiteten. (Askwith 2008, p.16) 17 Definition Als Ed Sanchez (cited in Jenkins 2008, p.103), ein Mitglied des Projekt Teams, ein Diskussions-Forum auf der Website hinzufügte, war er überrascht, wie rasch sich eine große Fan-Basis bildete, die von der Blair Witch Mythologie fasziniert war: „What we learned from Blair Witch is that if you give people enough stuff to explore they will explore. Not everyone but some of them will. The people who do explore and take advantage of the whole world will forever be your fans, will give you an energy you can’t buy through advertising… We ended up exploiting the web in ways that as far as movies were concerned, nobody had ever done before.” The Blair Witch Project, welches an sich, noch kein echtes ARG war, ist einer der wesentlichen Einflüsse und Grundstein für dieses Spielgenre. Im Herbst 2002 wurde das Transmedia Projekt Push, Nevada ins Leben gerufen. Dieses basierte auf der gleichnamigen Fernsehserie und versuchte dabei die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen zu lassen, in dem Geschichte und Spiel miteinander verbunden wurden. Es hatte viele Charakteristiken eines ARG, aber da die Geschichte, die über mehrere Medien erzählt wurde, den Mittelpunkt bildete, lässt sich Push, Nevada eher als ‚Distributed Narrative‘ einordnen. Dieses Projekt wurde von LivePlanet produziert, einer gemeinsamen Firma von Ben Affleck und Matt Damon. Die Mystery Fernsehserie war zwar ein zentrales Element, aber eben nur ein Bestandteil der Geschichte. Komplettiert wurde diese durch zahlreiche Websites, Wireless Applications, ein Buch und ein Telefon Nachrichten Service. Schon in der Vorproduktion wurde großes Augenmerk auf die nahtlose Integration der Elemente untereinander gelegt. LivePlanet konzipierte dafür eine ‚Integrated Media Bible‘, sowie eine ‚Integrated Media Timeline‘, die die Abhängigkeiten der unterschiedlichen Medien untereinander zeigen. (Miller 2008, pp.153–154) 18 Definition Abbildung 7 Integrated Media Timeline (LivePlanet cited in Miller 2008, p.154) LivePlanet bezeichnete dies als ‚Integrated Media Approach‘. Push, Nevada machte sich dabei drei Plattformen zunutze: • traditionelle Medien (TV, Film und Radio), der Ausgangspunkt dieses Projekts • interaktive Medien (Internet, Wireless Devices, …), welche es erlauben den Konsumenten an der Geschichte teilzunehmen zu lassen • und im Endeffekt die physische Welt, welche die Geschichte in das reale Leben der Leute integriert. Das Ziel war es, diese drei Plattformen so zu überlappen, dass sich diese im Zentrum ‚integrieren‘. (Miller 2008, p.155) Bailey (cited in Rose 2011, chap.13) bezeichnete dies auch als die „three-ball theory“: “Our content lived in all three.” 19 Definition Abbildung 8 Integrated Media Approach: three-ball-theory (LivePlanet cited in Miller 2008, p.155) Laut dem Fernsehsender ABC nahmen ca. 600.000 Leute daran teil. Trotz der ursprünglich hohen Erwartungen und der regen Teilnahme wurde Push, Nevada nach nur sieben Folgen abgesetzt. Bei dem Sequel zu The Matrix, ein Jahr nach Push, Nevada, wurde die Geschichte wiederum über drei Kinofilme, eine animierte Kurzfilmserie, zwei Comic Book Serien und mehrere Computerspiele transportiert. Es gibt dabei keine einzelne Quelle oder ‚Ur-Text‘, der die gesamte Information über das The Matrix Universum enthält. Jemand der das Computerspiel spielt erlebt den Kinofilm anders, als jemand der eben nur diesen gesehen hat. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. (Jenkins 2008, p.102) Die Tiefe und Umfang des The Matrix Universums macht es zudem für ein Individuum unmöglich, sämtliche Bestandteile der Geschichte und Hinweise zu erfassen. Daraus bildeten sich eine Reihe von Fan-Websites und Diskussionsforen, eine sogenannte ‚Knowledge Culture‘, um diese Informationsschnipsel zu sammeln und auszutauschen. Es wurde Hinweisen nachgegangen, Zeittafeln angefertigt, 20 Definition Dialoge transkribiert und auch die Geschichte durch eigene Fan Fiction erweitert. (Jenkins 2008, p.127) Laut Murray (cited in Jenkins 2008, p.119) sprechen solche Projekte drei verschiedene Typen von Konsumenten an: „the actively engaged real-time viewers who must find suspense and satisfaction in each single episode and the more reflective long-term audience who will look for coherent patterns in the story as a whole … [and] the navigational viewer who takes pleasure in following the connections between different parts of the story and in discovering multiple arrangements of the same material.“ Die große Herausforderung besteht hierin, sämtliche Typen von Konsumenten zu befriedigen. Die Wachowski Brüder, Regisseure der The Matrix Trilogie, machten die Spiele, Comics und die animierte Kurzfilmserie, zu einem zentralen Kern der Geschichte, sodass sie das Risiko ganz bewusst eingingen, traditionelle Kinobesucher abzuschrecken, indem sie ihnen wesentliche Teile der Geschichte vorenthielten. (Jenkins 2008, p.111) Wenn man solche Arbeiten nach traditionellen Kriterien beurteilt, erscheinen diese stark fragmentiert. Aber diese Fragmentierung existiert deswegen, damit die Konsumenten die Querverbindungen selbst herstellen können. Kinobesucher, die mit nonlinearen Medien, wie Computerspiele, aufgewachsen sind, erwarten sich eben eine neuartige Form der Unterhaltung. (Jenkins 2008, p.119) Das Genre der Horrorfilme war, wenn man an The Blair Witch Project zurückdenkt, immer sehr richtungsweisend für Transmedia Storytelling. Dies mag damit zu tun haben, dass Filme, die eine fiktive Geschichte im Dokumentarstil erzählen, um diese glaubwürdiger zu gestalten, eine sehr gute Ausgangsbasis dafür sind, um die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen zu lassen. Dass dafür immer wieder nach neuen Medien und Möglichkeiten gesucht wird, zeigt auch das Beispiel der Promotionkampagne zum Kinofilm The Last Exorcism (2010). Dieses nützte dafür Chatroulette, ein Video-Chat-Service, welches Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip untereinander verbindet. Bekannt wurde dieses Service in erster 21 Definition Linie durch die Nacktheit und Entblößung bestimmter Körperteile. Und genau dieses Prinzip nützte die Kampagne zu The Last Exorcism aus. Ein nettes Mädchen, welches den Anschein machte, sich vor laufender Webcam zu enthüllen, zog die ahnungslosen Zuschauer zunächst in dessen Bann, bevor sie sich in einen vom Teufel besessenen Dämonen verwandelte. Abbildung 9 The Last Exorcism - BEST OF Chatroulette reactions (thelastexorcism 2010) Die ‚besten‘ Reaktionen der Chatpartner wurden als Video auf YouTube hochgeladen. Dieser Clip entwickelte sich unmittelbar zum viralen Erfolg mit über vier Millionen Views. Zunächst wurde vermutet, dass die gezeigten Reaktionen nicht echt seien, sondern gestellt. Mittlerweile hat aber das dafür verantwortliche Filmstudio Lionsgate bestätigt, dass diese in der Tat ‚real‘ sein sollen. (Tsotsis 2010) 22 Definition 1.4 Collective Intelligence Die Spielercommunity der Cloudmakers, die aus dem ARG The Beast hervorgegangen sind, bezeichneten sich nach dem Spiel in ihren Online-Profilen, Websites und Email Signaturen als ‘a collective intelligence unparalleled in entertainment history’. Als Kollektiv lösten sie Rätsel, die bisher als scheinbar unlösbar galten. (McGonigal 2003, p.1) Elan Lee (cited in McGonigal 2003, p.2), neben Jordan Weisman einer der Produzenten von The Beast, erklärte 2002 auf der Games Developer Conference : „We created strings of puzzles that no single person could solve on their own and we found to our delight it was working. The audience was forming teams, sharing ideas, writing applications, posting theories, arranging group meetings, programming distributed-client password crackers, creating art.” Sehr schnell lernten die Puppet Masters 1, dass die Cloudmakers sehr viel intelligenter waren, als sie selbst. Die erstellten Puzzles wurden in Farbkategorien eingeteilt, die die Schwierigkeitsgrade kennzeichneten. Es gab Puzzles, die geschätzt, einen Tag oder eine Woche in Anspruch nehmen sollten. Aber es gab auch welche, von denen gingen die Puppet Masters aus, dass diese gar nicht zu lösen seien. Zumindest so lange nicht, bis sie den Spielern entsprechende Hinweise gaben. Die Cloudmakers lösten alle Rätsel an einem einzigen Tag! Auf Antwort auf diese äußerst effiziente kollektive Zusammenarbeit wurden die Rätsel zunehmend schwieriger. Zudem wurden die Hinweise bei Live-Events in unterschiedlichen Städten verteilt. Die Spieler in der jeweiligen Stadt kommunizierten mit den zu Hause gebliebenen in Echtzeit, um die einzelnen Puzzleteile aneinanderzufügen. (McGonigal 2003, pp.2–3) Diese neu gewonnene kollektive Identität und damit verbundene kollektive Intelligenz war für viele Cloudmakers das Highlight dieses Spiels. Eine Erfahrung, die sie bisher noch nicht gemacht haben. Ein Cloudmaker (cited in McGonigal 2003, p.7) beschrieb diese Erfahrung so: Ein Puppetmaster (PM) ist eine Person, die für das Gamedesign oder die Durchführung eines verantwortlich ist. 1 23 Definition „The 7500+ people in this group … we are all one. We have made manifest the idea of an unbelievably intricate intelligence. We are one mind, one voice … made of 7500+ neurons… We sit back and look at our monitors, and our keyboards … our window to this vast collective consciousness… we are not alone. We are one person secluded from the rest of the world … kept apart by the technology we have embraced. We have become part of it through the technology. We have become a part of something greater than ourselves.” Pierre Lévy (1999, pp.13–14) beschreibt diese Form von kollektiver Intelligenz, wie folgt: „It is a form of universally distributed intelligence, constantly enhanced, coordinated in real time, and resulting in the effective mobilization of skills. […] No one knows everything, everyone knows something, all knowledge resides in humanity. […] knowledge is simply the sum of what we know.” ‚Knowledge Communities‘, wie Lévy diese bezeichnet, schöpfen aus der Vielfalt ihrer Mitglieder und deren Fähigkeiten und Wissen. Vieles was wir als einzelne Personen nicht bewerkstelligen können, schaffen wir als Kollektiv. Diese kollektive Intelligenz zeigt sehr gut, welches Potenzial Spieler in sich selbst sehen, um Probleme zu lösen und gemeinsame Herausforderungen anzunehmen. Allerdings vorwiegend in Spielen und nicht in der realen Welt Einige Game Designer haben das Potenzial dieser kollektiven Spielergruppierungen erkannt und möchten dieses Spielprinzip zum Lösen von Problemen in der realen Welt anwenden. Viele ARGs, die nach 2007 entstanden sind, zählen zur Kategorie der Serious Games und nehmen sich dieser Thematik an. 1.4.1 Smart Mobs Einen ähnlichen Ansatz wie Lévy, vertritt Howard Rheingold mit seinem Konzept der Smart Mobs, welches kollektive Intelligenz beschreibt. Es setzt hingegen aber eine technologische Komponente voraus. Howard Rheingold (2003) beschreibt in seinem Buch Smart Mobs: The Next Social Revolution, welches 2002 erstmals erschienen ist, wie vor allem ‚Pervasive Technology’ mobähnliches Verhalten beeinflusst. Vor allem mobile Technologie ist dafür maßgeblich verantwortlich, dass sogenannte Smart Mobs entstehen können. 24 Definition Als Howard Rheingold 2001 dieses Buch schrieb, klang vieles noch, wie Science Fiction. Ein Jahrzehnt später ist vieles bereits alltäglich. Informations- und Kommunikationstechnologien dringen in die physikalische Welt vor: „Watch smart mobs emerge when millions of people use location-aware mobile communication devices in computation-pervaded environments. Things we hold in our hands are already speaking to things in the world. Using our telephones as remote controls is only the beginning. At the same time that the environment is growing more sentient, the device in your hand is evolving from portable to wearable. A new media sphere is emerging from this process, one that could become at least as influential, lucrative, and ubiquitous as previous media spheres opened by print, telegraphy, telephony, radio, television, and the wired Internet.“ (Rheingold 2009) Erst, als in den letzten Jahren mobile Internettechnologie in unser Leben Einzug gehalten hat, und Smartphones allgegenwärtig sind, wissen wir, wie Facebook, Twitter und Co. unser Leben beeinflussen können. Diese Technologie fördert und ermöglicht die Bildung von erschwinglichen, Echtzeit Kommunikations-Netzwerken, die die Menschen auf einfachste Art untereinander verbinden und dabei die rasche Ausbreitung begünstigen. Die daraus entstehenden Smart Mobs sind bei ARGs essenziell, da diese Communities Voraussetzung für das kollektive Problemlösen sind. Auch Flash-Mobs sind ein Abkömmling dieser Smart Mobs. Diese sind ein gutes Beispiel dafür, wie rasch spontane Menschenaufläufe an öffentlichen oder halböffentlichen Plätzen mittels digitaler Kommunikationslösungen organisiert werden können. Der Begriff Smart Mobs muss aber nicht zwangsmäßig positiv besetzt sein. So beschreibt Rheingold (2003, p.4) eine beunruhigende Anekdote von ‚e-tribalism’ in 2001, als die Polizei fünf Teenager, die der virtuellen Motorrad-Gang ‚Mad Wing Angels’ angehörten, festnahm. Die Mitglieder verständigten sich mittels SMSTechnologie und versammelten sich nie an einem einzigen Ort zur selben Zeit. So konnten sie sich lange Zeit der Verhaftung entziehen. 25 Definition Ein weiteres Negativbeispiel sind die sogenannten Lynch-Mobs, Bürger, die das Gesetz selbst in die Hand nehmen und betroffene Personen, nach Gutdünken, bestrafen. Oftmals kommen hier zu Unrecht beschuldigte Personen zu schaden, da in vielen Fällen oft vorschnell geurteilt wird. Ein besonderer Fall wurde im August 2010 bekannt, als eine Frau, in einem YouTube Clip Hundewelpen in den Fluss warf. Die User der Website 4chan riefen darauf die Jagd nach dieser Person aus. Als diese glaubten, im Video eine britische Frau identifiziert zu haben, wurde deren Name und Adresse im Forum veröffentlicht. Daraufhin gab es zahlreiche Todesdrohungen gegen die vermeintliche Täterin, die seitdem unter Polizeischutz steht. Vieles deutet darauf hin, dass diese Frau unschuldig ist, und sich dieser Zwischenfall gar nicht in Großbritannien ereignete, sondern in Bosnien Herzegowina. (Martinez 2010) Für Rheingold zählen diese Beispiele allerdings als Anomalie. Anhand seiner Beobachtung auf Shibuya Crossing in Japan erläutert Rheingold (Rheingold 2003, p.2) das Konzept der Smart Mobs näher: „The crosswalk works on the scramble system. Every time the light turns green, 1500 people cross from 8 directions at once, performing a complex, collective, ad hoc choreography that accomplishes the opposite of flocking; people coordinate with immediate neighbors to go in different directions.” Zusätzlich zur Koordination mit den sich bewegenden Menschen, führen viele parallel dazu noch Telefongespräche mit Leuten, die sich an an anderen Orten befinden. Und das alles zur selben Zeit. Dieses ‚Scramble System’ zeigt die Unterschiede in Motivation, Aktion und Reaktion, und keinesfalls unbeirrbares oder unkritisches mobähnliches Verhalten. (McGonigal 2003, p.8) 26 Definition Abbildung 10 Shibuya Crossing Tokyo - Scramble System (TOKYOLUV 2010) Auch waren Smart Mobs wesentlich an politischen Ereignissen beteiligt. Die ‚People Power II‘ Demonstrationen brachen 2001 auf den Philippinen aus, als Präsident Estradas Amtsenthebungsverfahren plötzlich von den Senatoren gestoppt wurde. Die Demonstrationen wurden mittels SMS-Technologie organisiert und koordiniert und führten schließlich zur Amtsenthebung des Präsidenten. (Rheingold 2003, pp.157– 159) Ähnliches ließ sich auch 2009 im Iran bei der Revolutionsbewegung, die auch unter ‚The Green Path of Hope‘ bekannt ist, beobachten. Die Ereignisse im Iran zeigen aber, dass der Zugang zu digitalen Medien und Social Networks kein Garant dafür ist, die Bevölkerung von der Unterdrückung zu befreien, aber es macht es unmöglich die gesamte Welt nicht davon wissen zu lassen. Die Macht und der Einfluss der Smart Mobs darf nicht unterschätzt werden, und viele diktatorische Regimes sehen diese auch als große Bedrohung. Nicht ohne Grund, lies Präsident Mubarak 2010 in Ägypten das Internet abschalten, um den Protesten Einhalt zu gebieten. Dies führt zu einem Abfall von 90% des Internet-Datentransfers. Das wichtigste Kommunikationsmittel der Demonstranten 27 Definition wurde damit massiv eingeschränkt. Online Aktivisten im In- und Ausland tauschten aber Informationen aus, um diese ‚Abschaltung’ zu umgehen, z. B. mit Dial-Up Connections in anderen Ländern. (Richtel 2011) Howard Rheingold (2009) sieht aber Smart Mobs nicht als alleinige treibende Kraft bei politischen Aufständen: „The victory of smart mobs is not guaranteed by the power of the tools they hold in their hands. That’s just magical thinking. However, the events I described in my book were real. There were other forces at work in the Philippines — there are always other forces at work — but the SMSorganized People Power II demonstrations were a large part of what brought down the Estrada regime.” 1.4.2 Spoiling Spoiling ist angewandte kollektive Intelligenz. Dieses Phänomen beschreibt Henry Jenkins (2008) in seinem Buch Convergence Culture, anhand der TV-Show Survivor. Survivor ist eine der populärsten TV-Shows des Fernsehsender CBS, in der 18 Teilnehmer gegeneinander im Wettbewerb antreten. Diese TV-Show hat nicht nur den Trend zu Reality-TV ins Leben gerufen, sondern ist für die Internetgeneration geschaffen. Die Zuschauer sollten über die Show diskutieren, untereinander debattieren, die Inhalte analysieren, und über den zukünftigen Verlauf spekulieren, denn der Gewinner dieser TV-Show ist eines der bestgehütetsten Geheimnisse in der Fernsehgeschichte. Und genau daraus entwickelten sich sogenannte Spoiling-Communities. Ziel dieser Gruppen ist es, den Gewinner vorauszusagen. Dabei werden einzelne Episoden Bild für Bild analysiert, um versteckte Hinweise zu finden und Crew-Mitglieder ausgeforscht und befragt. Auch Hotels, in denen sich die die Teilnehmer vor der Show befinden, werden besucht und sogar Satelliten-Bilder ausgewertet. Es entwickelt sich regelrecht zu einem Katz-und-Maus Spiel zwischen den Mitgliedern dieser Gruppen, den sogenannten Spoilers, und den Produzenten der TV-Show. Diese Spoilers haben die Show komplett verinnerlicht und sind davon besessen, den Gewinner herauszufinden, bevor dieser von den Produzenten der Sendung enthüllt wird. Dieser Prozess nennt sich Spoiling. 28 Definition Spoiling ist aber nicht nur auf TV-Shows beschränkt. Man denke nur an die Hersteller zahlreicher elektronischer Gadgets, wie Apple. Alljährlich tauschen sich tausende von Usern in Online Foren und Blogs über die neuesten Gerüchte der nächsten Generation des iPads oder der iPhones aus. Man versucht einzelne Bauteile oder sogar fertige Prototypen in die Hände bekommen, die zerlegt und genauestens analysiert werden, um möglichst viel darüber zu erfahren. Hier sind Paralellen zu Survivor ganz klar erkennbar. Ein Spiel zwischen Konsumenten und Produzenten. Die Herausforderung an die ‚Spieler‘ ist, die kommende Gerätegeneration vorherzusagen, noch bevor die Produkte der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dieses Prinzip von Spoiling findet sich auch in aktuellen ARGs wieder. Bei Cloverfield war das erklärte Ziel herauszufinden, wer oder was das Cloverfield Monster ist. Diese wesentliche Frage bildete eine breite Basis für viele Fan-Sites und Blogs und war auch Inspiration für Fan-Art. 29 Geschichte Geschichte Es gibt zahlreiche Einflüsse und Beispiele, die das Genre der ARGs geprägt haben. Viele davon reichen bis zu den prähistorischen Menschen zurück. Martin Ericsson (2004 cited in Montola et al. 2009, p.53) untersuchte antike ägyptische Religionsrituale nach den Kriterien eines Rollenspiels (Larp): „The Games at Abydos were not the first participatory dramas and they were not the last. Through the ages and across the globe we find similar spectacles of serious role-taking creating phenomena ranging from intimate initiatory rites to sprawling carnivals.” Der italienische Schriftsteller Luigi Pirandello (1867-1936) schrieb einige Theaterstücke, die die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwimmen ließen. Die ‚Fourth Wall‘, die unsichtbare Grenze zwischen Schauspielern und Publikum, wurde absichtlich durchbrochen. In seinem Theaterstück Six Characters in Search for an Author durchbrach Pirandello diese Mauer, in dem sich Darsteller wie reale Personen verhielten, und unter dem Publikum nach einem Autor für das unvollendete Stück suchten. Für seine bahnbrechende Arbeit erhielt Pirandello 1934 den Literaturnobelpreis. (Miller 2008, p.16) Aber auch ludische Literatur hatte einen wesentlichen Einfluss. Die Asterix-Gamebooks der Alea Jacta Est Reihe, die um 1987 erschienen, weisen bereits eine interaktive Rollenspiel Komponente und ein Kampfsystem auf. 30 Geschichte Abbildung 11 Asterix Abenteuerspiel Band 1: Das Gipfeltreffen (Goscinny & Uderzo 1987) In diesem Abenteuerspiel Band nimmt man die Rolle von Grautvornix an und muss verschiedene Abenteuer bestehen. Zu Beginn stattet man die eigene Person mit persönlichen Eigenschaften, wie Kampfgeist, Geschicklichkeit und Charme aus. Das Heft wird dann Abschnitt für Abschnitt gelesen, wobei man jeweils am Ende eine Entscheidung treffen muss. Daraus entwickelt sich eine nonlineare Geschichte, die sich unterschiedlich weiterentwickeln kann. Auch Kämpfe mit römischen Legionären sind Bestandteil dieses Spiels, die man mit seinem Kampfgeist und dem Würfel austrägt. Hypertext Fiction, wie Zork (Blank & Lebling 1979), und ‚online real-time gaming environments‘, wie Everquest (McQuaid et al. 1999), trugen ebenfalls zur Entwicklung bei. Die Campus Kultur von Universitäten war auch ein fruchtbarer Boden für die Entwicklung von sogenannten Pervasive Games, von denen sich zahlreiche Elemente in ARGs wiederfinden. Hier seien als Beispiel die sogenannten ‚Assassination Games‘, wie Killer erwähnt. 31 Geschichte Interessant ist auch die Wechselwirkung und der gegenseitige Einfluss von Kinofilmen und den daraus resultierenden Spielen. Das ‚Assassination Game‘ Killer wurde z. B. vom Kinofilm La decima vittima (Petri 1965) inspiriert. Daraus resultierten wiederum weitere Filme, die den Spielmechanismus einem breiteren Publikum zugänglich machten (Montola et al. 2009, p.66) Stephen Sondheims The Game, eine groß angelegte Schnitzeljagd quer durch Los Angeles, wurde wiederum von den ‚high society treasure hunts’ aus den 1920er Jahren und dem Film The Last of Sheila (Ross 1973) inspiriert. Diese reale Schnitzeljagd diente wiederum für The Walt Disney Company als Vorlage für den Kinofilm Midnight Madness (Nankin 1980). Interessanterweise waren viele Teilnehmer bei Sondheims Schnitzeljagd The Game Angestellte von Microsoft. Jahre später wurde The Beast, welches als erstes ARG gilt, wiederum von Microsoft produziert (Montola et al. 2009, p.68) Als Beispiel für das Pervasive Game schlechthin wird immer wieder gerne der Kinofilm The Game (1997) von David Fincher erwähnt, bei dem die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen. In diesem integriert sich das Spiel nahtlos in das Leben der Protagonisten: Zu seinem 48. Geburtstag bekommt Nicholas van Orton (Michael Douglas) ein mysteriöses Geschenk von seinem Bruder. Ein Spiel, welches von der Firma Consumer Recreation Services (CRS) angeboten wird. Im Büro dieser Firma muss sich Nicholas einen ganzen Tag lang physischen und psychischen Untersuchungen unterziehen. Die einzige Information, die er von CRS (cited in Fincher 1997) zu diesem Spiel bekommt ist diese: „It’s a game. Specifically tailored for each participant. Think of it as great vacation, except you don’t go to it, it comes to you.” Am nächsten Tag wird ihm von CRS mitgeteilt, dass er für dieses Spiel nicht geeignet sei. Darauf beginnt das Spiel erst richtig, ganz im Sinne der TINAG Ästhetik. Viele Konzepte daraus und auch aus Midnight Madness finden sich in ARGs, wie The Beast und I Love Bees wieder. 32 Geschichte 1.5 Einflüsse Neben den oben genannten Beispielen gibt es weitere Einflüsse, die das Genre der ARGs geprägt haben. Dies sind vor allem Beispiele, die von den Puppet Masters oft explizit als wesentlicher Einfluss zitiert werden. Von Orson Welles War of the Worlds bis hin zu Publius Enigma, einem Vorläufer der späteren ARGs, welches bereits Bulletin Boards verwendete. Oftmals stellt sich die Frage, ob gewisse Spiele als ARG kategorisiert werden dürfen oder nicht. Als wesentliches Merkmal eines ARG, sollte zumindest eine Website in den Spielablauf integriert sein. Das Genre der ARGs ist sehr eng mit der technologischen Entwicklung des Internets und der Neuen Medien verbunden. Alleine aus diesem Grund sind diese Beispiele als Vorläufer und Pre-ARG zu sehen. 1.5.1 Orson Welles’ War of the Worlds Am 30. Oktober 1938 übertrug CBS Orson Welles Radioadaption von HG Welles War of the Worlds, einem klassischen Roman, in dem eine Invasion der Marsmenschen auf der Erde stattfindet. Das Besondere daran war, dass es nicht als Hörspiel präsentiert wurde, sondern als fiktive Reportage. Viele Hörer verpassten den Hinweis, dass es sich dabei um Fiktion handelt, und glaubten, dass der Angriff der Außerirdischen tatsächlich stattfindet. Laut einer Statistik gab es 6 Millionen Zuhörer dieser CBS-Übertragung; 1,7 Millionen glaubten es sei real und 1,2 Millionen waren richtig verängstigt. Orson Welles nutzte damals die bestehenden Normen dieses neuen Mediums, um die fiktiven Ereignisse, so real und immersiv, wie möglich, zu präsentieren. (Askwith 2008, p.12) Schilderungen von landesweiter Massenpanik sind aber etwas mit Vorsicht zu genießen, und dürften von den Zeitungen, die sich gegenseitig in der Auflage übertrumpfen wollten, stark übertrieben worden sein. Auch das Anrufaufkommen bei CBS dürfte wohl nur etwas höher als gewohnt gewesen sein. (Wikipedia 2010) 33 Geschichte 1.5.2 Paul-Is-Dead Conspiracy Am 12. Oktober 1969 rief ein Zuhörer bei einer Radiosendung an, und erklärte, dass Paul McCartney bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei. Dieses Gerücht griff, wie ein Lauffeuer, um sich und verbreitete sich rasend schnell. Beatles-Fans trugen ominöse Beweise zusammen – von McCartneys nackten Füßen auf dem Abbey Road-Cover über zahlreiche Symbole auf der Sgt. PeppersPlattenhülle bis hin zu Ausschnitten von Songtexten und versteckten Botschaften, die man angeblich beim Rückwärtsspielen hören konnte. Ob die Beatles selbst das Gerücht in die Welt setzten, ist bis heute unklar. Viele vermuten dies zwar, die Beatles selbst haben es bisher immer bestritten. Auf jeden Fall profitierten die Beatles von dieser ernormen kostenlosen Publicity. Jordan Weisman, einer der Puppet Masters von The Beast, gab an, dass der Paul-IsDead Scherz ein wesentlicher Einfluss auf das gesamte Genre der ARGs war. (Askwith 2008, p.14) Dieses Beispiel zeigt sehr gut die Stärken der This Is Not A Game (TINAG) Ästhetik, wie diese zum einen die Neugierde der Leute weckt und zum anderen zu kollaborativen Spekulationen und Diskussionen führt. Abbildung 12 Paul McCartney is dead (Askwith 2008, p.14) 34 Geschichte 1.5.3 Ong’s Hat: Incunabula Es lässt sich nach heutiger Sicht schwer nachvollziehen wann das interaktive OnlineRätsel Ong’s Hat: Incunabula tatsächlich begann. Die Online-Aktivität lässt sich durch die 1990er Jahre verfolgen. Hinweise auf dieses Spiel gab es aber bereits schon 1988, als Teile davon in diversen Science Fiction Magazinen erschienen. Abbildung 13 Das Cover des Buchs Ong’s Hat: The Beginning (Szulborski 2005, p.86), ein Teil der Geschichte von Ong’s Hat: Incunabula Wie es für heutige ARGs üblich ist, wurde die Geschichte, die sich über Jahre entwickelte, in Teilen über unterschiedliche Medien erzählt und erforderte oft die Interaktion des Spielers um weiter in die geheimnisvolle Welt einzutauchen. (Szulborski 2005, p.83) Es war ein ‚literary/digital crossover‘ Spiel, welches Fotokopien, BBS 2, spätere Internettechnologie, CD-ROMs und traditionelle Druckerzeugnisse, wie Bücher, A Bulletin Board System, or BBS, is a computer system running software that allows users to connect and log in to the system using a terminal program. 2 35 Geschichte verwendete. Auf der ursprünglichen CD-ROM befanden sich 23 Puzzles, wobei laut Hersteller, viele nie gelöst wurden. (Szulborski 2005, p.84) Denny Unger (2001 cited in Szulborski 2005, pp.85–87) versuchte den Ablauf des Spiels, nachdem er jahrelang das Material von Ong’s Hat, analysierte, in fünf einfachen Schritten zu beschreiben: 1. Create an interactive medium that immerses the public in an addictive, tantalizing story but keep the content restricted to certain personality types. Reveal concepts and ideas that generally represent your beliefs. 2. Along the way, feed this portion of the public information which may or may not be true about the story. (Filtration of the idiots) 3. Those that breach the truths and untruths may pass to the next level of information. (Further idiot filtration) 4. As this select group narrows, inject information that more specifically reveals their personal belief systems, ideals, and goals. 5. If the users’ ideals, beliefs and goals have been properly modified by the process or the user already fits the mold, those persons are then accepted into the ‘fold’. Unger schrieb diese Worte, im August 2001, also lange bevor man The Beast nach diesen Kriterien analysierte. Auch wenn Ong’s Hat: Incunabula nicht alle Kriterien eines ARG erfüllte, sind die Ähnlichkeiten zu heutigen ARGs sehr stark. 36 Geschichte 1.5.4 Treasure Hunts 1979 schrieb und illustrierte Kit Williams ein Kinderbuch namens Masquerade, welches verborgene Hinweise auf jeder Seite und in den Bildern hatte. Diese sollten zu einem sehr wertvollen versteckten Juwel führen, welches irgendwo in Großbritannien vergraben ist. Abbildung 14 Masquerades vergrabener Schatz: Ein Juwel aus 18 Karat Gold und Edelsteinen, von Kit Williams persönlich angefertigt (Askwith, Ivan 2008, p.13) Abbildung 15 Masquerade, eine der sogenannten Armchair Treasure Hunts (Askwith 2008, p.13) Die Schatzsuche dauerte bis 1982, als ein Geschäftsmann namens Ken Thomas das Juwel im Bedforsdhire Park entdeckte. Sechs Jahre später stellte sich aber heraus, dass dieser Ken Thomas in Wirklichkeit Dugald Thompson hieß, und Williams Ex-Freundin ihm den Standort des vergrabenen Juwels verriet. 1988 wurde das Juwel bei Sotheby’s um £ 31.900 versteigert. Masquerade war einer von vielen Wettbewerben, die als ‚Armchair Treasure Hunts‘ bekannt wurden. Diese hatten auch einen großen Einfluss auf spätere ARGs, da sie die reale Welt als Spielfläche nutzten. (Askwith 2008, p.13) 37 Geschichte 1.5.5 London’s treasure hunt riots Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts waren sogenannte ‚Treasure Hunts‘ in Großbritannien sehr populär. 1904 startete die britische Zeitung Weekly Dispatch The Greatest Treasure Hunt on Record, um ihre Auflage zu steigern. Sie vergruben Medaillons, die gegen £ 50,- in ihren Büros eingetauscht werden konnten. Abbildung 16 Einige der glücklichen Gewinner (Slade 2006, p.6) Trotz Hinweise und Warnungen gruben die Leute öffentliche Parks und private Gärten um. Oftmals beschädigten sie auch Straßen und Gebäude. Dies nahm solche Auswüchse an, dass sogar Polizei und Militär einschreiten mussten.Viele dieser Schatzsucher wurden zwar vor Gericht bestraft, aber der Euphorie tat dies keinen Abbruch. „The interest taken in the treasure hunt has far surpassed the most optimistic expectations” gab es von der Zeitung zu hören. Die Leute belagerten sogar deren Büros, um als Erste eine aktuelle Ausgabe in die Hände zu bekommen, in der der 38 Geschichte nächste Hinweis zu lesen war. In die Zeitungsredaktionen wurde sogar eingebrochen, um die Standorte der Medaillons in Erfahrung zu bringen. Es war natürlich nicht die erste, von einer Zeitung veranstaltete, Schatzsuche. Die erste wird einem wöchentlichen Magazin namens Tib-Bits zugeschrieben. Bei dieser gab es aber keinerlei Probleme. Dies wird darauf zurückgeführt, dass es sich hierbei um eine intellektuellere Version des Spiels handelte und nicht für die breite Masse konzipiert wurde. Da die Probleme mit den Behörden stark zunahmen, beschloss die Zeitung Weekly Dispatch im Endeffekt, deren Schatzsuche harmloser zu gestalten: „Readers would get another serialized story full of clues to hidden booty, but this time be asked to mark its location on a printed map. The first reader to send in a map marked in the right place would get his prize through the post. [...] Real-world treasure hunts caused too many headaches.” (Slade 2006) Auf die Zeitungsauflage bezogen waren diese Schatzsuchen ein großer Erfolg und wurden letztlich in ganz Europa kopiert. 1.5.6 We Lost Our Gold Dass Schatzsuchen noch nichts von ihrer Faszination eingebüßt haben, beweist das ARG We Lost Our Gold, welches 2010 in New York City stattfand. We Lost Our Gold 3 ist eine ‚true modern-day treasure hunt’ quer durch New York City um einen $ 10.000 Schatz zu entdecken, der in einem der fünf Bezirke versteckt ist. Offizieller Start für das Spiel war am 1. August 2010. Wer dahinter steckt, ist bis heute unklar. Drei Piraten und ein Ninja waren die Hauptcharaktere einer achtteiligen MiniWebserie, wobei jede Folge neue Hinweise beinhaltete, die einem dem Schatz näher bringen sollten. Die Protagonisten der Serie konnten auch per Email kontaktiert werden. Der Captain und sein ‚first mate‘ Mulligan hatten zudem einen eigenen aktiven Twitter Account. 3 www.welostourgold.com 39 Geschichte Der Captain teilte darin Piraten-Tipps mit, und Mulligan lernte, die Stadt per UBahn zu erkunden. Zudem gab es eine eigene Facebook Seite mit Updates. Abbildung 17 We Lost Our Gold (Welostourgold 2010) Den Puppet Masters dürften auch die einhergehenden Probleme bei Schatzsuchen bekannt sein. Um Chaos zu verhindern, und dass der komplette Central Park umgegraben wird, gab es folgenden Hinweis auf ihrer Website: „…It’s buried. And it’s one of the five Boroughs of New York City. Also, don’t just start digging randomly. You’ll know when you’ve found it. Oh, and for the record… it’s NOT in Central Park.” (We Lost Our Gold 2010) Der Schatz ist bisher nicht gefunden worden, und dürfte noch immer in New York City vergraben sein. 40 Geschichte 1.5.7 Publius Enigma 1994, kurz nachdem Pink Floyd ihr Album The Division Bell veröffentlichte, postete ein ‚Messenger‘ namens Publius kryptische Nachrichten in der Usenet Diskussionsgruppe von Pink Floyd. Er gab an, dass ein Rätsel (Enigma) im Album versteckt ist, und derjenige der es entziffert sollte einen Preis erhalten. Abbildung 18 CD Cover von Pink Floyd’s Album The Division Bell (Askwith 2008, p.15) Da viele der Fans sehr skeptisch waren, machte Publius eine Voraussage, um einen Beweis für dessen Echtheit zu erbringen: „Monday, July 18, East Rutherford, New Jersey. Approximately 10:30pm. Flashing white lights. There is an enigma.” An dem besagten Abend gaben Pink Floyd ein Konzert in East Rutherford. Um 10:30 Uhr wurden die Worte PUBLIUS und ENIGMA auf die Bühne projiziert. (Askwith 2008, p.15) 41 Geschichte Abbildung 19 Ein Standbild aus dem Video des Pink Floyd Konzert vom 16. Juli 1994, welches das Wort ‚ENIGMA‘ zeigt. (Askwith 2008, p.15) 1997 postete Publius eine letzte Nachricht in die Usenet Gruppe. Darauf folgte eine Nachricht eines Users, der angab, das Rätsel gelöst zu haben. An der Authentizität der beiden Nachrichten wurde aber stark gezweifelt. (Szulborski 2005, p.90) Erst Jahre später, im April 2005, enthüllte Nick Mason (cited in Askwith 2008, p.15), der Drummer von Pink Floyd, dass Publius Enigma real war und von deren Plattenlabel inszeniert wurde: „That was a ploy done by EMI. They had a man working for them who adored puzzles…. He was working for EMI and suggested that a puzzle be created that could be followed on the Web. The prize was never given out. To this day it remains unsolved.” Auch hier gibt es zahlreiche Stimmen gegen die Klassifizierung als ARG, da keine einzige Website im Rahmen von Publius Enigma verwendet wurde. Die Ähnlichkeiten sind aber nach unserem heutigen Verständnis unübersehbar. Außerdem wurden Medien und Techniken verwendet, die auch in heutigen ARGs Anwendung finden. Es war die erste groß angelegte kommerzielle Kampagne um ein Produkt zu bewerben, in dem man die Aufmerksamkeit auf eine mysteriöse Geschichte lenkte, und einen Preis für die Lösung des Rätsels versprach. 42 Geschichte 1.6 The Beast Von vielen wird The Beast als erstes Alternate Reality Game bezeichnet. Es war Teil einer Marketingkampagne für Steven Spielbergs Film A.I. Artificial Intelligence (2001) und wurde von Microsoft für Dreamworks entwickelt. Es kombinierte die Interaktionsmöglichkeiten des Internets mit einer fesselnden Geschichte und legte mit seiner Umsetzung praktisch den Standard für alle zukünftigen ARGs fest. Jordan Weisman rief Sean Stewart im Sommer 2000 an und fragte ihn, ob er an einem innovativen Marketing-Projekt von Microsoft für Steven Spielbergs kommenden Film A.I.: Artificial Intelligence mitarbeiten möchte. Deren Aufgabe sollte es sein, eine virtuelle Welt für das Jahr 2142 zu erschaffen, bei denen unterschiedliche Aspekte zum Thema künstliche Intelligenz erforscht werden. Es sollte keine Kopie der Geschichte des Films sein, sondern die Hintergründe erörtern. In seinen ‚Introductions to the A.I. Web Game’ legte Stewart (cited in Szulborski 2005, p.94) die Ziele für das Spiel fest: 1. The narrative would be broken into fragments, which the players would be required to reassemble. 2. The game would – of necessity – be fundamentally cooperative and collective, because of the nature of the internet. 3. The game would be cooler if nobody knew who was doing it, or why. 4. The game would be cooler if it came at you, through as many different conduits as possible. Aus seiner Aufzählung lässt sich schon das Leitmotiv eines jeden ARG ableiten: ‚This Is Not A Game.‘ Ein ARG würde sich niemals als Spiel bezeichnen. Nur so ist es möglich, die fiktive und reale Welt miteinander zu verschmelzen. Das Geheimnis bleibt dadurch gewahrt und der Nervenkitzel erhalten: „The mantra – this is not a game – had another meaning particularly important to me. I didn’t want this to be a strictly intellectual experience. I 43 Geschichte didn’t want you to be able to view the characters as …. Game tokens. I wanted it to work like art. I wanted people to care, to laugh to cry – to be engaged the way a novel engages. To put all this ingenuity into the storytelling method, and then to tell a stupid story – that would be an unbearable waste.” (Stewart cited in Askwith 2008, p.17) Sein Wunsch war es traditionelle Erzählungen und das Medium Spiel miteinander zu verbinden. Ziel war es, diese neue Form der Geschichten über alltägliche Kommunikationsmittel erlebbar zu machen und dabei eine immersive und fesselnde ‚Alternate Reality‘ zu schaffen. Die ersten Hinweise für den Einstieg in das Spiel, die sogenannten Rabbit Holes, waren im Trailer und in den Kinoplakaten enthalten. In den Credits im Trailer war eine Person namens ‚Jeanine Salla, Sentient Machine Therapist‘ angeführt. Viele taten dies anfangs als harmlosen Scherz ab, der im Zusammenhang mit dem Thema des Films stand. Nach und nach wurden weitere Hinweise gefunden. Diesmal waren es kleine Buchstaben auf der Rückseite der Promotion Posters. Die Silber umrandeten Zeichen ergaben den Hinweis ‚Evan Chan was murdered’, die anderen, die goldumrandet waren, ‚Jeanine is the key’. Wenn man nach ‚Jeanine Salla‘ googlete, gelangte man über einen Link zur Bangalore World University, einer der ersten ‚In-Game‘ Websites. Ein weiterer Hinweis war im Trailer in den Worten ‚Summer 2001‘ verborgen. Wenn man diesen korrekt entzifferte, ergab dies eine Telefonnummer, die bei Anruf, den nächsten Hinweis preisgab. Abbildung 20 This Is Not A Game (Artificial Intelligence Trailer, 2001 cited in Askwith 2008, p.18) 44 Geschichte Dieser Pfad entwickelte sich zu einer unglaublich komplexen Geschichte und einer Schnitzeljagd über mehr als 30 Websites und Hunderte von anderen ‚In-Game Assets‘, wie Email Nachrichten, Video Clips und extrem schwierige Rätsel, die man nur kollektiv lösen konnte. Bis zu 10.000 Spieler kamen zusammen um The Beast zu lösen, die später als ‚the Cloudmakers‘ bekannt wurden. Alleine in den vier Monaten gab es ca. 43.000 Online-Nachrichten, um gemeinsam die Rätsel und Hinweise zu entziffern. (Szulborski 2005, p.98) The Beast legte den Grundstein für viele ARGs in den kommenden Jahren und definierte gemeinsam mit dem sehr erfolgreichen I Love Bees, einem ARG zur Promotion des Computerspiels Halo 2 von Microsoft, dieses neue Spielgenre. 1.7 Majestic Nach dem Erfolg von The Beast gab es seitens einiger Spielehersteller den Wunsch solche ARGs zu kommerzialisieren. Sie wollten ein profitables Produkt, welches nicht Teil einer kostenlosen Marketingkampagne ist. Beschrieben wurde Majestic als ‚the first Internet-based suspense thriller’ und mit ‚the game plays you!’. Hinter diesem Projekt stand der Spielehersteller EA, und dieses Online-Spiel sollte jedem Spieler $ 10,- pro Monat kosten. Dies war einer der ersten Versuche ein subskriptionsbasiertes Spiel auf den Markt zu bringen, lange bevor World of Warcraft ein Welthit wurde. Dass EA im Vorfeld Majestic als Spiel bezeichnete, war generell etwas Neues und eigentlich verpönt im Genre der Alternate Reality Games. Es ist damit praktisch ausgeschlossen, dass Spieler sich fragen, ob die Geschichte nun real sei oder nicht. Es widersprach dem Grundsatz This Is Not A Game, von dem eigentlich die große Faszination ausging. Das Besondere an Majestic war aber, dass es sich zwar anfangs als Spiel bezeichnete, um ein größeres Publikum anzusprechen, aber kurz nach dem Start bekamen alle Teilnehmer eine automatisierte Nachricht, dass das Spiel auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste. Der Grund dafür war ein Brand im Hauptquartier des Herstellers. Danach begann das Spiel erst wirklich. Dies war Teil der fiktiven Geschichte und es stellte sich im Verlauf des Spiels heraus, dass es sich hierbei um 45 Geschichte einen Terroranschlag handelte. Damit wurde Majestic auch wieder dem Grundgedanken von This Is Not A Game gerecht. (McGonigal 2003, p.4) Die ‚Majestic Alliance application‘ war der Mittelpunkt dieses ARGs und benachrichtigte die Spieler über alle relevanten Neuerungen und Inhalte im Spiel. Die Inhalte selbst wurden episodenweise aufbereitet und bestanden aus Websites, Rätseln, Videos und Telefonanrufen, in denen Audiodateien Teile der Geschichte erzählten. Es war so gedacht, dass jeder Spieler täglich nur eine bestimmte Zeit in das Spiel investieren musste. Den Großteil des Tages war das Spiel aber auf ‚Stand-by‘ - in dieser Zeit konnten die Spieler auch nicht mit der Welt von Majestic interagieren. Dies trug dazu bei, dass das Spiel nicht als besonders immersiv empfunden wurde. Als die erste Saison des Spiels fortschritt, wurde die Anzahl der Episoden deutlich verringert. Viele Spieler beschwerten sich auch wegen des geringen Umfangs der einzelnen Episoden und erlebten dabei auch noch technische Schwierigkeiten, z. B. beim Abspielen der Videos. Dadurch versäumten sie wichtige Hinweise, die sie in der Geschichte weiterbringen hätten sollen. Einer der Gründe, warum das Spiel frühzeitig endete, dürfte die Unterbrechung nach den Terror Attacken am 11. September 2001 gewesen sein. Der Grund dafür war, unnötige Belastungen für das nationale Telefonsystem zu vermeiden. Auch gab EA an, dass manche fiktionale Elemente der Geschichte zur Zeit nicht angemessen seien. Im November 2001 brachte EA eine CD-ROM mit den bisherigen 4 Episoden und der Einführungsepisode heraus. Viele Spieler sahen dies bereits als das Ende des Spiels und behielten damit auch recht, als am 19. Dezember Majestic eingestellt wurde. Einiges machten die Entwickler von EA richtig, vieles aber auch falsch. Eine der größten Errungenschaften von Majestic war, dass es die Spieler ermutigte, im Rahmen des ‚BIOS Programs‘, selbst Minigames, Fan-Fiction, Fan-Sites und kleine ARGs selbst zu entwickeln. (Szulborski 2005, pp.105–117) 46 Kategorien Kategorien Ivan Askwith (2008, pp.22–27) unterteilte die ARGs in vier Kategorien: Promotional ARGs, Grassroots ARGs, Narrative Extension ARGs und Monetized ARGs. Ich möchte hier noch die Kategorie der Serious Games ergänzen, die seit 2007 an Bedeutung gewonnen haben. Ein Promotional ARG ist z. B. The Beast oder I Love Bees, die ein konkretes Produkt oder einen Kinofilm bewerben. Grassroots ARGs sind Spiele, die von unabhängigen Entwicklern produziert werden. Exocog zählt zum Beispiel dazu. Mit wenig personellen Ressourcen und beschränkten finanziellen Mitteln werden ARGs für gleichgesinnte Spieler geschaffen. Diese entstehen aus Begeisterung für dieses Spiele Genre oder als eine Art Fan Fiction, in der die Geschichte vorangegangener ARGs weiterentwickelt wird. Oft stehen diese Spiele den professionellen Vorbildern um nicht viel nach. Zu den Narrative Extension ARGs zählt z. B. Push Las Vegas, in dem die Geschichte der Fernsehserie vertieft und erweitert wird, und bei den Monetized ARGs ist Majestic das bekannteste Beispiel. Monetized ARGs sind wohl die problematischte Form von ARGs, da es den Entwicklern bisher nicht gelungen ist, dafür ein funktionierendes Modell auf die Beine zu stellen. Die meiner Meinung nach zukunftsträchtigste Kategorie sind aber die Serious Games, auf die ich in diesem Teil meiner Arbeit noch näher eingehen werde. Die kollektive Problemlösungsfähigkeit der Communities wird hierbei auf reale Probleme angewendet. Ein Einsatzzweck für solche ARGs wäre z. B. als Social Learning Tool. Die Einordnung von ARGs ist generell schwierig, da auf viele oft mehrere Kategorien zutreffen. The Beast ist z. B. ein Promotional ARG, aber ebenso ein Narrative Extension ARG, da es die Geschichte hinter dem Film vertieft. Diese Kategorisierung sollte daher lediglich beitragen, ein größtmögliches Abbild der Vielfalt zu schaffen und unterschiedliche Einsatzzwecke aufzuzeigen. 47 Kategorien 1.8 Cloverfield Cloverfield (2008) ist ein Filmprojekt von Produzent J.J. Abrams, der durch Serien wie Lost, Felicity oder Alias bekannt wurde. Regie führte Matt Reeves und das Drehbuch stammt von Drew Goddard. Der Film selbst wurde im Dokumentarstil, mit einer ‚Handkamera‘ gedreht, und als ‚gefundenes‘ Videomaterial, ähnlich, wie bei The Blair Witch Project präsentiert, um die Authentizität zu verstärken. Der erste Teaser zu diesem Film wurde erstmals vor dem Kinofilm Transformers gezeigt. Allerdings ohne Titel. Es war lediglich ein Datum zu sehen (01-18-08 oder 18. Jänner 2008). Später stellte es sich heraus, dass dies das Datum des Kinostarts bzw. der Geschehnisse im Film ist. Da kein anderer Titel bis zum zweiten Trailer bekannt gegeben wurde, galt 01-18-08 auch als Arbeitstitel. Abbildung 21 Cloverfield Teaser 1-18-08 (Reeves 2007) Gezeigt werden wackelige Videoaufnahmen einer Abschiedsparty für einen jungen Mann namens Rob in einer New Yorker Wohnung. Plötzlich wird die Party von einem metallischen Dröhnen und einem Stromausfall unterbrochen. Es verbreitet sich Panik als brennende Objekte aus dem Himmel explodierend in die Straßen stürzen. Alles flüchtet, das wilde Gewackel der Kamera verzerrt Bild und Ton, als plötzlich der Kopf der Freiheitsstatue auf der Straße landet. Dann die Einblendung ‚IN THEATERS 1-18-08‘. Kein Titel, kein Star, keine Erklärung. (Reeves 2007) 48 Kategorien Nur so viel lässt sich darüber in Erfahrung bringen: Es dreht sich um eine MonsterAttacke auf New York aus der Sicht einer Handvoll Menschen. Kurz darauf erschienen bereits die ersten mit Handy abgefilmten Kopien auf YouTube, und amerikanischen Fernsehstationen, die darüber berichten wollten, wurde eine Kopie des Teasers verweigert. Das Filmstudio Paramount leitete rechtliche Schritte ein und forderte YouTube auf die Clips zu löschen. Wenige Tage später wurde der Teaser auf Apples Quicktime Website veröffentlicht. Am 19. November 2007 erschien der erste offizielle Trailer zum Film, in dem der Titel Cloverfield offiziell vom Studio Paramount bestätigt wurde. Nicht nur die Geheimhaltung seitens Paramount und J.J.Abrams verhalf dem Film zu dem Hype, sondern auch das ARG, welches im Vorfeld zu Marketingzwecken stattfand. Mit einem geschätzen Budget von etwa $ 25 Millionen und einem Einspielergebnis von über $ 170 Millionen, kann der Film durchaus als Erfolg angesehen werden. (Wikipedia 2008) Der Film selbst konnte zudem mit keinen bekannten Stars aufwarten. Lediglich durch den Hype im Vorfeld konnte die hohe Erwartungshaltung geschürt werden. Produzent J.J. Abrams hatte bereits diese Form von Marketing benutzt, um zwei Lost-Staffeln zu überbrücken, und zwar mit dem Online-ARG The Lost Experience. Seine dadurch gesammelten Erfahrungen haben gezeigt, wie schnell Communities mit eigenen Theorien und Nachforschungen reagieren und für den Film Werbung machen. Und das vor allem sehr kostengünstig: „When the trailer hit the screens right before Transformers, people freaked out. Not necessarily because of the content of the trailer, but because it was a surprise—they knew nothing about it beforehand. That was the point: The intended effect was to make a teaser trailer that actually teased. It worked like gangbusters, all because we hadn't prepublicized the film on entertainment shows and in magazines. It was a small experiment that proved what most everyone knows: Having all the information isn't always better.” (J.J. Abrams 2009, p.2) 49 Kategorien Im Fall von Cloverfield nutzte man die Möglichkeiten des Internets und eröffnete verschiedene Websites, die von den Fans nach und nach entdeckt wurden. Der Teaser/Trailer wurde von zahlreichen Usern Bild für Bild analysiert, um nach möglichen weiterführenden Hinweisen zu suchen. Manche analysierten sogar die Tonspur. Die Geheimnistuerei brachte den gewünschten Hype und führte zu einer Schnitzeljagd im World Wide Web. Es gab zahlreiche In-Game Websites, YouTube Videoclips, MySpace Profile der Hauptdarsteller und auch Mangas, welche die Vorgeschichte zu diesem Film erzählten. Details, die im Kinofilm selbst nicht vorkamen, und einen tieferen Einblick in die Geschichte ermöglichten. Selbst der Soundtrack wurde im Rahmen der TINAG Ästhetik als Rob’s Party Mix veröffentlicht. Es war das ‚Mixed-Tape‘ des Protagonisten Rob Hawkins, für den die Abschiedsparty im Film veranstaltet wurde. In Cloverfield selbst kam selbst, bis auf den Abspann, keine Musik vor. Abbildung 22 Rob’s Party Mix: iTunes Has the Cloverfield Soundtrack (djspankypants 2007) Daneben spielte der User Generated Content eine große Rolle. Dies waren Wikis, in denen die Spieler sämtliche Hinweise austauschten, aber auch Fan-Art, um z. B. das Aussehen des Monsters, welches das bestgehüteste Geheimnis des Films war, zu rekonstruieren. 50 Kategorien 1.8.1 In-Game Websites 1-18-08.com Dies gilt als die erste offizielle Seite. Unmittelbar nach Erscheinen des ersten Teasers wurde nach 01-18-08 gegoogelt und prompt diese Seite gefunden. Abbildung 23 Cloverfield Website (Cloverfield 2007) Sie stellt eine Fotosammlung mit Personen des Films dar, mit denen der Zuseher bereits aus dem Trailer vertraut ist. Die Fotos lassen sich per Mausklick drehen und wenden und auf geheimnisvolle Hinweise untersuchen. Alle Aufnahmen sind mit Datum- und Zeitangaben versehen und lassen sich chronologisch in zwei Kategorien einteilen: vor dem Monsterangriff und danach. Im ersten Fall zeigen die Fotos Partygäste mit persönlicher Botschaft an ‚Rob‘ auf der Rückseite. Die zweite Gruppe der Fotos zeigt den Verlauf der Monsterattacke. Das Monster selbst wird nicht gezeigt. Fast jeden Monat kam ein neues Foto hinzu. Obwohl von J.J. Abrams ‚01-18-08‘ als einzige offizielle Website genannt wird, sind eine Reihe von anderen Seiten entstanden, die die Vorgeschichte des Films erzählen. 51 Kategorien MySpace.com Alle Hauptdarsteller des Films sind mit einem eigenen Profil im sozialen Netzwerk MySpace vertreten. Abbildung 24 Rob Hawkins MySpace Profil (Hawkins 2008) Es gibt zwar keine offizielle Bestätigung dieser Benutzerprofile, jedoch stellen hier die im Film mitwirkenden Schauspieler ihre Charaktere dar. Als Beweis gelten die jeweiligen Fotosammlungen der Charaktere. Die Charaktere führen nicht nur einen regen Gedankenaustausch untereinander und mit ihren Freunden. Die Besonderheit liegt in der Interaktivität dieser Profile. Fans haben die Möglichkeit sich mit diesen fiktionalen Personen zu unterhalten, ihre Tagebücher zu kommentieren und sogar an einer interaktiven Comic Geschichte gemeinsam zu schreiben. 52 Kategorien Genau diese Interaktivität erlaubt es, die Hintergründe bzw. die Beziehungen zwischen den Charakteren kennenzulernen. Hinweise über das Monster sind keine zu finden, da die Erzählzeit der jetzigen Zeit, also der, vor der Katastrophe glich und der Angriff erst im Jänner 2008 stattfand. In seinem letzten Blogeintrag am 5. Jänner 2008 berichtet Rob Hawkins (2008) über seinen neuen Job als Marketing-Manager bei Slusho in Japan: „So I got a job offer, and it's everything I wanted. More money, more power, more creative freedom. I'd even have up to five people working under me, and you know how much I've always wanted underlings. One catch -- I need to move to freakin' JAPAN! The job is the V.P. of Marketing and Promotions for SLUSHO! brand "happy drink." […]” Seine Abschiedsparty ist der Beginn des Films Cloverfield. Sie findet am 18. Jänner 2008 statt (01-18-08) statt, also jenem Tag, an dem das Monster über New York herfällt. Im Teaser zu Cloverfield trägt er auch jenes ominöse T-Shirt mit dem Logo-Aufdruck von Slusho, einem der ersten wichtigen Hinweise des ARG. Slusho.jp Diese Seite wurde kurz nach Erscheinen des ersten Teasers entdeckt. Auf den ersten Blick steht diese in keiner direkten Verbindung zum Film. Es ist eine Werbung für das aus Japan stammende Getränk ‚Slusho!‘. Das Getränk wurde bereits in einer anderen J.J. Abrams Serien, wie Alias gesichtet. Auch in der Fernsehserie Fringe hat es schon einen Gastauftritt. Slusho ist zudem Rob Hawkins zukünftiger Arbeitsgeber, da sie am westlichen Markt Fuss fassen möchten. Zudem ist die Firma ein Tochterunternehmen von Sagruato, einem Erdölkonzern, der auch in dieser Geschichte eine bedeutende Rolle spielt. Die wichtigste Zutat diese Getränks ist der Seabed's Nectar (Kaitei no mitsu). Dieser wird nur am Boden des Ozeans gefunden, unter hohem Druck und sehr niedrigen Temperaturen. Zudem sollte das Getränk mit dem Slogan ‚You Can’t Drink Just Six.‘ stark süchtig machen, hat aber anscheinend ansonsten keine bedeutenden Nebenwirkungen. Daher wurde es auch von der American Food Association zugelassen. (Cloverpedia 2007) 53 Kategorien Abbildung 25 Slusho Website des fiktiven Getränkeherstellers (Slusho 2007) Auf der offiziellen Slusho Website konnten auch T-Shirts bestellt werden. Und zwar dieselben, die auch Rob Hawkins im Teaser trägt. Spieler berichten darüber, dass diese auch im japanischen Zeitungspapier eingepackt waren. Einige von ihnen glaubten, dass diese Zeitungsseiten auch eine bestimmte Bedeutung hatten. Lediglich verdeutlichten diese nur die Herkunft. Tagruato Tagruato ist eine Firma, die auf Tiefseebohrungen spezialisiert ist und ist zugleich Mutterkonzern der Getränkemarke Slusho. 2007 wurde eine neue Bohrinsel namens Chaui Station, in der Nähe von New York, eröffnet.In diesem Jahr schickte Tagruato auch deren ersten Satelliten ins All. Dieser hatte die Aufgabe den abgestürzten Satelliten ChimpanzII, der am Ende des Kinofilms Cloverfield kurz zu sehen ist, aufzuspüren. Zumindest dürfte dies der Vorwand dafür gewesen sein. Tatsächlich hatte er die Aufgabe, Aufnahmen von Tiefseegräben rund um die Bohrinsel Chaui Station zu machen. Dort dürften sie nicht nur den mysteriösen Seabed’s Nectar entdeckt haben, sondern auch das Monster, wie Sonar Bilder 54 Kategorien beweisen. Diese hatte der ‚Whistle Blower‘, in Informat aus dem Tagruato HQ, einigen Spielern übermittelt. (Cloverpedia 2008a) Abbildung 26 Tagruato Firmenwebsite (Tagruato 2007) Am 27. Dezember 2007, also kurz vor dem Angriff in New York, wurde Chaui Station von einer mysteriösen Explosion zerstört. Auf YouTube berichteten zahlreiche Fernsehsender darüber. Diese bestanden aus fiktivem Videomaterial an Bord der Bohrinsel, sowie Luftaufnahmen. Diese Fernsehberichte wurden in zahlreichen Sprachen veröffentlicht. Die Spieler selbst 55 Kategorien koordinierten sich untereinander und übersetzten diese Reportagen in deren Landessprache um etwaige zusätzliche Hinweise zu finden. Abbildung 27 Mysteriöse Explosion auf Ölplattform (26 Local 2008) Mit etwas Fantasie ist ein dunkler Schatten unter der Meeresoberfläche zu erahnen, der anscheinend das Cloverfield Monster sein dürfte. Die Schuld an diesem Unglück wurde anfangs einer militanten Umweltschutzgruppe namens TIDO zugewiesen, die den Anschlag verübt haben sollte. Tatsächlich handelte es sich um den ersten Angriff des Cloverfield Monsters. TIDO wave Einer der erbittertsten Gegner von Tagruato ist eine Umweltschutz Gruppe namens TIDO wave. Tagruato wird von ihnen beschuldigt durch ihre Bohraktivitäten die Ozeane zu zerstören. Auf ihrer Website verwendeten sie einen Geheimcode um untereinander zu kommunizieren. Sie hatten das Ziel herauszufinden, wo sich die, zunächst geheime, Chaui Station befindet, und welchen Zweck damit Tagruato verfolgte. (Cloverpedia 2008a) 56 Kategorien Abbildung 28 T.I.D.O. WAVE (T.I.D.O. WAVE 2007) Manga Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieser Transmedia Story ist das Manga zu Cloverfield, welches monatlich online veröffentlicht wurde. Allerdings nur auf japanisch. Die Spieler koordinierten sich online, um die jeweiligen Ausgaben ins Englische zu übersetzen. So erfuhren sie mehr über die Vorgeschichte des Monsters und den dunklen Machenschaften von Sagruato. Zeitlich ist dieses vor dem Zwischenfall auf der Chaui Station einzuordnen. (Cloverpedia 2008b) 57 Kategorien Abbildung 29 Cloverfield Manga (Togawa 2008) 1.8.2 Out of Game Der Begriff ‚Out of Game‘ (OOG) bezeichnet in der Terminologie von Alternate Reality Games die Websites, Quellen und Themen, die zunächst von den ARGTeilnehmern in die Entwicklung der Hypothesen über die Alternate Reality miteinbezogen werden, sich jedoch später als, in keinem (oder im zufälligen) Zusammenhang stehende Elemente entpuppen. 58 Kategorien Die Despoiler 01-18-08 Wiki (2007) hat daher einen eigenen Leitfaden für Newcomer veröffentlicht, um In-Game und Out-Of-Game Inhalte unterscheiden zu lernen. Auch gibt es immer wieder Trittbrettfahrer, die vom Marketing-Hype profitieren möchten. Das wohl prominenteste Beispiel für ein solches Missverständnis war eine Reihe von Websites, die sich mit Ethan Haas (Mind Storm Labs 2007) beschäftigten. Eine Seite mit animierten Rätseln, bei der im Hintergrund eine zerstörte Stadt zu sehen war. Diese Stadt erinnerte sehr stark an die Plakate von Cloverfield. Viele Medien brachten diese Website direkt in Verbindung mit Cloverfield. Tatsächlich entpuppte sich diese Seite als Teil einer viralen Marketingkampagne für das Spiel Alpha Omega. Abbildung 30 OOG Website Ethan Haas Was Right (Mind Storm Labs 2007): www.ethanhaaswasright.com 59 Kategorien 1.8.3 Cloverfield Communities Im Rahmen von Cloverfield sind in der kurzen Zeit einige sehr umfangreiche Communities entstanden. Mittels Blogs, Foren und Wikis wurde untereinander kommuniziert. Aber auch Portale, wie MySpace oder YouTube fanden Verwendung. Die Bestandteile des ARG bildeten zwar eine Basis für die Vorgeschichte zu Cloverfield, viele Fragen blieben aber dennoch unbeantwortet. Die Spieler hatten genügend Freiraum durch Spekulationen und deren eigene Fantasie die Geschichte zu komplettieren. Daher wird in den Wikis zwischen diesen Spekulationen und ‚Tatsachen‘ unterschieden. Es ist anzunehmen, dass dies von den Puppet Masters so beabsichtigt war, den Spielern Teile dieser Geschichte bzw. Schlüsselelemente zugänglich zu machen, aber keine komplette lineare Geschichte zu liefern. Diese Spekulationen der Spieler waren eine wichtige Grundlage und Auslöser für die zahlreichen Diskussionen in den Foren. Cloverfield Clues Ein sehr prominenter Blog zu diesem ARG war Cloverfield Clues 4 (2007). Dieser fasste die wichtigsten News zusammen, berichtete über Veränderungen auf den in Verbindung stehenden Websites, zeigte heimlich fotografierte bzw. mit dem Handy gedrehte Videos vom Set und vieles mehr. Sämtliche von den Spielern gesammelten Hinweise liefen hier zusammen, wurden ausgetauscht und analysiert. Zudem diente der Blog als Anlaufstelle für neue Spieler um sich einen Überblick über den Verlauf der bisherigen Geschichte zu verschaffen. Weiters wurde in einem eigenen Podcast über die neuesten Erkenntnisse berichtet. 4 http://cloverfieldclues.blogspot.com/ 60 Kategorien Abbildung 31 Cloverfield Clues (Cloverfield Clues 2007) Aus den zunächst sehr spärlichen Hinweisen zum Cloverfield Monster, fertigten Fans Skizzen und Zeichnungen nach deren Vorstellung an und veröffentlichten diese auf der Website. Das Monster selbst war im Vorfeld nie zu sehen, und selbst im Trailer nur zu erahnen. Die zusammengetragenen Erkenntnisse beflügelten deren Fantasie, und es entstanden daraus oft richtige Kunstwerke. Abbildung 32 This Is NOT The Monster(Cloverfield Clues 2008) 61 Kategorien Unforums.com ARG: Cloverfield Forum Unfiction.com, eine Website spezialisiert auf Alternate Reality Games, konnte seit 3. Juli mehr als 6000 Posts zum Thema Cloverfield verzeichnen, die bisher über 400.000-mal angesehen wurden. Dabei steht der Meinungsaustausch und das gemeinschaftliche Rätsel lösen im Vordergrund. Hilfestellungen gibt es für Spieleinsteiger, um ihnen eine erste Orientierung zu bieten. Abbildung 33Unfiction Forum zu 1-18-08 (unfiction 2007) 62 Kategorien Cloverfield Wiki (cloverfield.despoiler.org) Eigens für den Film wurden Wikis eingerichtet, die alle bisher gesammelten Hinweise zusammenfassten. Inhalte konnten von einer Vielzahl an Redakteuren gemeinschaftlich ergänzt werden. Abbildung 34 The Despoiler 1-18-08 Wiki (Despoiler 2007) 63 Kategorien YouTube Auf YouTube gab es zahlreiche selbst produzierten Analysen zum Teaser und Trailer. Teilweise wurden diese Bild für Bild analysiert um mögliche Hinweise zu finden. Kommentare und Antworten der User ermöglichten Interaktion und Kommunikation untereinander. Abbildung 35 YouTube Analyse des Cloverfield Teasers (johnnylawdog 2007) 64 Kategorien 1.8.4 Weiterentwicklung der Cloverfield Communities Die rasante Entwicklung dieser Fan Communities lässt sich laut Shirky (2010, p.89) auf die „low discovery costs“ zurückführen. Vor den Zeiten des Internets war es extrem schwierig, Gleichgesinnte, mit denselben Interessen, zu finden („high discovery costs“). Es geht ihnen nicht darum, das größtmögliche Zielpublikum zu erreichen sondern um Leute, die die gleiche Leidenschaft und kulturelle Werte mit ihnen teilen. (Shirky 2010, p.90) Laut Jenkins (2008, p.57) sind diese Communities, die er als „emerging knowledge cultures“ bezeichnet, durch „voluntary, temporary, and tactical affiliations“ miteinander verbunden. Da diese auf freiwilliger Basis basieren, bleiben die Leute den Communities erhalten, solange sie deren emotionale und intellektuelle Bedürfnisse befriedigen. Solche Communities können sich aber auch neu definieren, in dem sie eine Plattform für neue ARGs bieten bzw. für deren Fortsetzungen. In der Regel suchen die Mitglieder aber nach neuen Aufgaben und Spiele, bei denen sie ihre Fähigkeiten einsetzen können. Sie bewegen sich in viele Richtungen und probieren neue ARGs aus. Für viele ist eine solche Community oft der Einstieg in dieses Spielgenre, wenn sie das erste Mal mit ARGs konfrontiert werden. Die Cloudmakers 5, die aus The Beast hervorgegangen sind, haben sich zu einer generellen Plattform und Forum zum Austausch über ARGs weiterentwickelt. Auf ihrer Website definieren sie ihr Mission Statement, wie folgt: „Though the original game, The Beast, has ended, Cloudmakers now serves as a clearinghouse for online gaming. Members can find out about new games, find fellow players, and reminisce about and discuss The Beast.” (Cloudmakers 2011) Da sämtliche Forenbeiträge von damals archiviert wurden, bietet diese Website eine sehr gute Basis um den damaligen Verlauf von The Beast zu rekonstruieren. Bei den Cloverfield Communities lässt sich ähnliches beobachten. Viele der Foren und Blogs zum Austausch existieren auch heute noch. Sie dienen zum Austausch 5 http://www.cloudmakers.org/ 65 Kategorien über alles, was mit dem Film zu tun hat, sowie diverse Cloverfield Merchandising Artikel, aber auch für Spekulationen über die Fortsetzung des Films. Ein Augenmerk wird auch auf andere ARGs von J.J. Abrams gelegt, wie z. B. für den Kinofilm Super 8 (Abrams 2011), den er gemeinsam mit Steven Spielberg produzierte. Wie auch bei den Cloudmakers zu sehen ist, dürfte eine Loyalität zu den jeweiligen Puppet Masters bestehen bleiben. Wie in vielen anderen Bereichen lässt sich auch bei ARGs das Phänomen von FanFiction feststellen. Besonders Filme, Fernsehserien und Bücher sind dafür besonders bei Fans beliebt. Oft, weil sie mit dem Ende unzufrieden sind, eine Fortsetzung wünschen, oder Nebencharaktere und derer Geschichten weiterentwickeln möchten. ARGs sind dabei keine Ausnahme. Bei sogenannten Fan-ARGs werden die jeweiligen Geschichten weiterentwickelt und eigene, neue ARGs geschaffen. Das jeweilige Medium im Original bildet dafür die Basis. Die Ersten dieser Fan Sites lassen sich auf The Beast zurückführen. Sie spiegelten die Themen und Geschehnisse dieses ARGs wieder. Die ersten unabhängigen ARGs wurden von den Cloudmakers entwickelt. Ein Spiel namens Ravenwatchers, welches 2001 startete, endete aber frühzeitig. Lockjaw war der nächste Versuch von den Cloudmakers, unabhängige ARGs zu etablieren. Diesmal aber mit größerem Erfolg. Szulborksi (2005, p.121) hebt dabei besonders die Geschichte und die entwickelten Charaktere hervor, die das Spiel so glaubhaft machten und die Spieler emotional fesselten. Lockjaw endete Mitte 2002 mit großem Erfolg. Es galt als Beweis, dass unabhängige Produzenten ein erfolgreiches ARG gestalten konnten: „Overall, Lockjaw successfully recaptured many of the best elements of the Beast, with its intricate storyline and well written characters, its challenging and thematically diverse puzzles, and its development of an active and passionate community of players.” (Szulborski 2005, p.122) Im April 2002 tauchte ein mysteriöses Rabbit Hole auf, welches zu dem ARG Exocog führte. Es hatte allen Anschein, dass dieses mit dem kommenden Kinofilm Minority Report (Spielberg 2002) in Verbindung stand. Jeder dachte, dass es sich dabei um ein offizielles ARG handelte. Dem war aber nicht so. Es war ein Experiment von Jim Miller und den Miramontes 66 Kategorien Studios, um dabei zu lernen, wie immersives Marketing funktioniert. Aufgrund der gut entwickelten Geschichte und den Websites erweckte es den Anschein, dass es sich um eine offizielle Promotion für Minority Report handelte, obwohl es in Realität ‚nur‘ Fan-Fiction war, die als Spiel umgesetzt wurde und nicht von den Filmproduzenten sanktioniert wurde. (Szulborski 2005, pp.122–125) Bei Majestic wurden die Fans sogar im Rahmen des ‚BIOS Program‘ dazu motiviert, eigene Fan-Sites und Mini Games zu schaffen. Es wurde nicht nur akzeptiert, dass die Fans die Geschichten weiterentwickelten, sondern sie wurden dazu ermutigt. Am Höhepunkt dieses Programms umfasste das ‚BIOS Program‘ mehr als 30 verschiedene Websites, die sich um die Nebencharaktere drehten und entweder Geschichten dazu lieferten oder überhaupt eigene kleine ARGs beinhalteten. Viele wurden überhaupt dazu motiviert, zukünftig eigene unabhängige ARGs zu produzieren. Trotz des Flops von Majestic dürfte dieses ARG einen erheblichen Beitrag für die zukünftige Entwicklung dieses Spielgenres geleistet haben. (Szulborski 2005, pp.116–117) Aus Hingabe zu solchen Spielen und auch aus persönlichen Motiven schuf Bryan Haggerty eine eigene iPhone App um Jeannie Choe einen Heiratsantrag zu machen. Mittels einer interaktiven Karte von San Francisco wurde sie von einem Standort zum nächsten geführt. An jedem Ort gab es ein Video mit einem Hinweis, wo der nächste Punkt zu finden ist. Alle diese Punkte ergaben im Endeffekt auf der Karte ein <3 Symbol, welches zum Dolores Park führte, wo Haggerty auf einem Hügel saß und ihr den Heiratsantrag machte. (Chen 2009) 67 Kategorien Abbildung 36 (Jea Jea/Flickr, 2009 cited in Chen 2009) 68 Kategorien 1.9 Serious Games In den letzten Jahren, seit 2007, zeichnet sich ein Trend zu sogenannten Serious ARGs ab, verglichen mit den ARGs zwischen 2001-2006, die fast ausschließlich zu Marketingzwecken dienten. Im Gegensatz zu den früheren ARGs zeichnen sich diese dadurch aus, dass sie als Ziel haben, die Lebensqualität explizit zu verbessern bzw. die Welt zu verändern. (McGonigal 2011, chap.7) Themen können dabei z. B. Umweltschutz (World Without Oil), Armut und Hungersnöte (Evoke) oder aber auch Bewegungsmangel (Cryptozoo) sein. Für McGonigal sind die Computerspieler überhaupt eine wertvolle menschliche Ressource um viele alltägliche Probleme unserer Welt in Angriff zu nehmen und auch zu lösen. Als Kollektiv verbringen wir Menschen jede Woche mehr als drei Milliarden Stunden mit Computerspielen. 210 Millionen Stunden alleine davon verbringen Spieler mit dem erfolgreichsten MMORPG aller Zeiten, nämlich World of Warcraft. Laut Clay Shirkys Schätzung betrug die Erstellung der gesamten Wikipedia etwa 100 Millionen Stunden. Die WoW Community könnte somit zwei komplette Wikipedias pro Woche erstellen. (McGonigal 2011, chap.11) Zudem zeichnen diese Spieler vier ‚Superkräfte‘ aus. Und zwar „Urgent Optimism“, „the ability to weave a tight social fabric”, „Blissful Productivity“und „Epic Meaning” (McGonigal 2010a): „Blissful productivity is the sense of being deeply immersed in work that produces immediate and obvious results.” (McGonigal 2011, chap.3) „[Epic] meaning is the feeling that we’re part of something bigger than ourselves. It’s the belief that our actions matter beyond our own individual lives.” (McGonigal 2011, chap.6) „[Urgent optimism] is the moment of hope just before our success is real, when we feel inspired to try our hardest and do our best.” (McGonigal 2011, chap.4) Laut McGonigal führt dies zu folgender Schlussfolgerung, dass Computerspieler sogenannte „super-empowered hopeful individuals“ sind. Das einzige Problem dabei 69 Kategorien ist, dass viele daran glauben, nur etwas in der virtuellen und nicht in der realen Welt bewerkstelligen zu können. (McGonigal 2010a) „How are we going to solve real world problems in games?“ ist die Forschungsfrage von Jane McGonigal (2010a), die sie sich in ihrer Arbeit am Institute for the Future, stellt. World Without Oil, EVOKE und auch Cryptozoo sind die ersten Resultate ihrer Arbeit, für die sie sich als Creative Director verantwortlich zeichnet. Bereits 2003 stellte sie sich aber die Frage„How collaborative play techniques can instruct real-world problem-solving.“ (McGonigal 2003, p.1) als sie The Beast und deren Spieler-Community untersuchte. Speziell bei den Cloudmakers zeichnete sich schon damals ab, dass sie reale Probleme lösen wollten, und nicht nur von den Puppet Masters vorgefertigte Rätsel. Viele wollten die für 9/11 verantwortlichen Attentäter entlarven bzw. auch später den Oklahoma-Schützen ausfindig machen. Auch am Beispiel von The Kitten Killer, lässt sich sehr gut zeigen, dass eine reales Problem als Spiel und Rätsel gesehen werden kann. Das Ziel hierbei war, die Tierquälerin ausfindig zu machen und sie zur Rechenschaft zu ziehen. Bislang fehlte es aber an entsprechenden Spielen, die eine Plattform für die Teilnehmer zur Verfügung stellten und die kreative Energie in die richtige Richtung lenkten. ARGs, wie World Without Oil waren daher richtungsweisend. Die Motivation an solchen Spielen teilzunehmen dürfte darauf beruhen, indem ein reales Problem als freiwillige Hürde präsentiert wird. Daher gibt es mehr ‚echtes‘ Interesse, Neugierde, Motivation, Anstrengung und Optimismus, als sonst. Spieler werden hauptsächlich durch positiven Stress motiviert, sich in das Spiel einzubringen. Daher fällt es ihnen leichter, deren Verhalten im realen Leben leichter im Kontext eines fiktionalen Spiels zu verändern. Viele Spieler wollen zudem zu einem höheren ideellen Gut beitragen, welches tatsächlich Bedeutung für die reale Welt hat. (McGonigal 2011, chap.14) 70 Kategorien Ein Spieler fasste seine Erfahrung bei World Without Oil so zusammen: „Looking back at World Without Oil, I think it is the most amazing, best multiplayer game I have experienced. Usually gaming takes time away from accomplishing useful things in real life, but WWO taught me a lot, lowered my electric bill, and get me more focused on doing things that matter to me.” (WWO Player cited in McGonigal 2011, chap.14) Dies bestätigt die Untersuchungen von Jane McGonigal. Diese zeigen, dass ARGs, die im Kontext der realen Welt gespielt werden, beinahe immer den Nebeneffekt haben, das reale Leben der Spieler zu verbessern. Nicht nur Serious Games, sondern beinahe jedes ARG hat das Potenzial unsere Lebensqualität zu verbessern: „[…] my research shows that because ARGs are played in real-world contexts, instead of in virtual spaces, they almost have at least the side effect of improving our real lives.” (McGonigal 2011, chap.7) 71 Kategorien 1.9.1 World Without Oil World Without Oil wurde 2007 gestartet und simulierte als Online Game eine fiktive Knappheit von Öl. Das Ziel dieses Spiels war es, diese Krise zu überstehen. Um das Szenario glaubhaft zu gestalten, wurde genug fiktiver Inhalt produziert. Es gab Echtzeit-News und eine Preisanzeige, wie sich der Öl- bzw. Benzinpreis veränderte, die darüber Auskunft gaben, was es nicht zu kaufen gab, wie die Nahrungsversorgung davon betroffen ist, ob Schulen geschlossen sind und ob es gewaltsame Übergriffe gab. Die Herausforderung an die Spieler war, deren Leben so zu gestalten, als wäre dieses Szenario real. Sie sollten darüber bloggen, Videos und Fotos hochladen. Abbildung 37 World Without Oil (World Without Oil 2007) 72 Kategorien Dieses sechswöchige Experiment sollte darüber Auskunft geben, wie die Menschen sich verhalten würden, wenn der Bedarf an Öl die Nachfrage übersteigt; den Verbrauch reduzieren oder stärker um das noch vorhandene Öl kämpfen? Mit World Without Oil wollte man einen Blick in die Zukunft werfen. Die zunächst sehr düsteren und apokalyptischen Voraussagen der Spieler wandelten sich im Verlauf des Spiels zu einer vorsichtig optimistischen Einstellung mit sehr kreativen Lösungsansätzen. Sie entwickelten Möglichkeiten, um als Gemeinschaft weniger zu konsumieren, die lokale Community und Nachbarschaft zu verstärken und weniger mit dem Auto zu fahren. Die Voraussagen waren laut Veranstalter hoch qualitativ, und die Spieler konnten sich sehr gut in eine komplexe Materie hineinversetzen. Viele von den ca. 1900 Spielern behielten ihre Gewohnheiten, die sie aus dem ARG gelernt haben, in ihrem weiteren Leben bei. Die gesamte Simulation lässt sich mittels einer Art Online-Zeitmaschine auf www.worldwithoutoil.org nachvollziehen. Jeder Tag zeigt die Entwicklung des Spiels und wie sich daraus die Zusammenarbeit der Spieler entwickelte. Darüber hinaus gibt es einen Leitfaden, wie man heute selbst, oder mit Freunden, Kollegen oder auch in der Schulklasse, an dieser Simulation teilnehmen kann. (McGonigal 2011, chap.13) 73 Kategorien 1.9.2 EVOKE: A Crash Course in Changing the World Das ARG EVOKE wurde gestaltet, um jungen Menschen, vor allem in Afrika, neue Perspektiven zu zeigen. Probleme, wie Armut, Hungersnöte, erneuerbare Energie, Zugang zu Trinkwasser, Vorbereitung auf Naturkatastrophen und Menschenrechte standen dabei im Mittelpunkt. Der zehnwöchige ‚crash course in changing the world‘ wurde für das World Bank Institute, dem Ausbildungsarm der Weltbank, produziert. EVOKE ist ein Social Network, welches den Spielern helfen sollte, deren eigene Unternehmungen zu starten. Es ist auf Computer als auch auf Mobiltelefonen spielbar, dem wichtigsten Kommunikationsmittel in Afrika. Neben der normalen Website wurde zudem eine Version für Internetzugänge mit geringer Bandbreite entwickelt. Obwohl EVOKE in erster Linie für Spieler aus Entwicklungsländern konzipiert war, nahmen zahlreiche Spieler aus den westlichen Ländern, wie USA und Europa, daran teil. Die Handlung von EVOKE wurde zehn Jahre in der Zukunft angesetzt und die Geschichte in Form eines Comic-Buches präsentiert. Die Geschichte handelt von einem geheimen ‚Superhero Network‘ in Afrika. Dieses Netzwerk besteht aus sogenannten ‚stealth social innovators‘, ein Konzept, welches das Team rund um Jane McGonigal entwickelte. Wenn man das Spiel komplettierte, wurden man vom World Bank Institute als ‚Social Innovator, class of 2010‘ ausgezeichnet. Damit endete das Spiel aber nicht. Aus den zahlreichen Ideen, die im Spielverlauf gesammelt wurden, entwickelten die Teilnehmer Projekte, um reale Probleme, zu lösen. (McGonigal 2011, chap.14) 74 Kategorien Abbildung 38 Urgent Evoke – A crash course in changing the world (Urgent Evoke 2010) 75 Kategorien Zur Verwirklichung dieser Projekte wurden finanzielle Mittel über GlobalGiving mittels Crowdfunding gesammelt – insgesamt ca. $ 30.000. Das ARG EVOKE kostete hingegen etwa $ 500.000. (McGonigal 2011, chap.14) Abbildung 39 EVOKE Challenge – GlobalGiving (GlobalGiving 2010) Laut World Bank Institute übertraf die Teilnahme an dem Spiel die Erwartungen: „By the time the EVOKE adventure ended on May 19, 19,324 people from 150 countries registered to play. Players had submitted over 23,500 blog posts (about 335 each day), 4,700 photos and over 1,500 videos highlighting challenges and solutions to the development issues featured each week.” (World Bank Institute 2010) Interessant ist auch, dass EVOKE, die Parodie INVOKE, einem ‚crash course in saving capitalism‘, inspirierte, welche sich sehr kritisch über die Ansichten der Weltbank äußerte. Die Basis bildeten die Comics von EVOKE, die als Mashup, mit neuen Texten versehen wurden. Auch die Aufgabestellungen wurden zugunsten des Kapitalismus und der Globalisierung überarbeitet. (INVOKE 2010) 76 Kategorien Abbildung 40 INVOKE – Die Comics wurden aus EVOKE verwendet und mit neuen kritischen Texten versehen (INVOKE 2010) INVOKE ist Teil der Kritik, die an EVOKE geübt wurde. In der Blogosphäre gab es zahlreiche Diskussionen darüber, dass EVOKE, hauptsächlich als Kommunikationsmittel für die Weltbank diente, um vieles aus deren ideologischer Sicht zu zeigen: „[…] it must be a cunning PR ruse to brainwash the masses into blind acceptance of structural adjustment, privatization, and the Washington consensus.” (Brynen 2010) Vieles in dieser Kritik spiegelt sich in der satirischen Website von INVOKE wider. Für Game Designer Adrian Hon kommt bei diesen Spielen überhaupt der Spaßfaktor zu kurz, der ein wesentliches Merkmal anderer ARGs ist. Dieser beschreibt dies so: „On the whole, though, Urgent Evoke – and the rest of these projects [like World Without Oil] – appear to be more like networked creative writing exercises than games that improve the world in a direct, measurable way. Perhaps they’ve some people have changed their behaviour as a result of playing, but it doesn’t seem like a whole lot.” (Hon 2010) 77 Kategorien 1.9.3 Ghosts of a Chance Das ARG Ghosts of a Chance fand vom 18. Juli bis 25. Oktober 2008 im Luce Foundation Center des Smithsonian American Art Museum statt. Das Luce Foundation Center zeigt mehr als 3.500 Arbeiten amerikanischer Kunst. Darunter befinden sich Skulpturen, Gemälde und Handwerkskunst. Abbildung 41 Ghosts of A Chance (Smithsonian American Art Museum 2011) Die Idee für dieses ARG entstand daraus, dass das Smithsonian Institute eine neuartige Art von Mitgliedschaft für die Besucher ermöglichen wollte. Bislang nahm das Stammpublikum nur die Angebote des Museums wahr und interagierte nicht mit den anderen Besuchern bzw. wusste gar nicht, wer diese überhaupt sind. Es sollte kein passiver Museumsbesuch mehr sein. Besucher sollten reale Objekte für die Kunstsammlung entwerfen und dafür mit anderen Museumsbesuchern zusammenarbeiten. Die Aufgabe des Museums ist es den Besuchern aufzuzeigen, was die Kunstwerke 78 Kategorien einem zu erzählen haben. Sie sind ein Blick in das Leben und der Epoche der jeweiligen Künstler: „There’s a sense in the museum that history lingers in the art objects almost like a ghost, waiting to whisper its tale to visitors. Learning how to hear those tales, and how to whisper our own histories through artwork, was the inspiration for the Ghosts of a Chance game.” (McGonigal 2011, chap.9) Die beiden Kuratoren des Museums, Daniel und Daisy kommunizieren regelmäßig mit den Geistern, die die Galerie heimsuchen. Diese drohen damit, die kostbaren Kunstwerke zu zerstören, wenn deren Geschichte nicht in den Glasvitrinen dargestellt wird. Da Geister selbst keine Kunstwerke erschaffen können, bitten sie die Besucher diese für sie anzufertigen. In der ersten Mission galt es ein Halsband anzufertigen, welches so beschrieben wurde: „The Necklace I want should fit perfectly around her neck, but remain there only long enough for me to steal it right off again.” (Smithsonian American Art Museum 2008) Abbildung 42 Die angefertigten Kunstwerke der Museumsbesucher - NECKLACE OF THE SUBALTERN BETRAYER (Smithsonian American Art Museum 2008) Die Spieler diskutierten die Aufgabe in Online Foren, um die darin enthaltenen Hinweise zu entschlüsseln. Daraus resultierend wurden unterschiedliche Kunstwerke angefertigt und dem Museum übermittelt, welches diese dann anschließend ausstellte. Da das ARG nicht als Wettbewerb, sondern als Spiel aufgebaut war, nahmen auch 79 Kategorien Personen daran teil, die unter anderen Umständen Angst gehabt hätten sich mit deren ‚Kunstwerk‘ zu blamieren. Zudem konnten neue Zielgruppen, wie in diesem Fall, Teenager und Studenten, erschlossen werden. Auch wenn diese oft selbst keine Kunstwerke beisteuerten, arbeiteten diese als virtuelle Kuratoren, die maßgeblich an den Online Diskussionen und der Analyse beteiligt waren. (McGonigal 2011, chap.9) Weitere Ziele, die sich das Smithsonian American Art Museum setzte, waren ‘To get people talking about the museum, to get our name out there.’, ‘To bring a new audience into the museum.’ und ‘To encourage discovery.’ All diese wurden erreicht bzw. wurden die Erwartungen, laut Aussage des Teams, bei Weitem übertroffen. (Bath 2008, p.17) Obwohl das Spiel beendet ist, können Gruppen, nach Voranmeldung, an gewissen Modulen des Spiels, nach wie vor teilnehmen. Diese beeinhalten die beliebtesten Aufgaben des großen Abschlussevents vom 25. Oktober 2008. 80 Kategorien 1.10 ARGs als Social-Learning Tool Ganz egal, um welches Genre von ARGs es sich dabei handelt, die Spieler erbringen während des Spielverlaufs Höchstleistungen in den unterschiedlichsten Disziplinen. Während I Love Bees kollaborierten 9.000 ‚real-world‘ Spieler mit über 600.000 Online Spieler um eine fiktive Programmiersprache zu lernen und über 1,5 Millionen Blog- und Foren-Beiträge zu verfassen. Zudem waren zahlreiche Fähigkeiten aus den unterschiedlichsten Disziplinen gefragt. Game Designer Jane Mc Gonigal (2005, p.6) fasste die gelernten Fähigkeiten zusammen: • interpret and analyze texts and data • persuasive argument • verbal expression (written and oral) • logistical planning • facility with new digital technologies • construct, extend and operate successfully in social networks • collective intelligence: large-group, differentiated collaboration Vieles davon hat mit Ausdrucksfähigkeit und Lese- und Schreibkenntnissen zu tun. Aber auch der Erwerb der Medienkompetenz steht im Mittelpunkt. An der Auseinandersetzung mit den Neuen Medien führte kein Weg vorbei. Die soziale Komponente und die erlebte kollektive Intelligenz waren für viele Spieler das wahre Highlight dieses ARG. Es war die Erkenntnis, zu welchen großartigen Leistungen sie als Gruppe imstande waren. Erfolge die von keinem einzigen Spieler alleine errungen werden konnten. Priscilla Harding (cited in Mascioni 2010), die am Institut für Advanced Media Research der VU University in Amsterdam arbeitet, kommt zu einem ähnlichen Schluss, dass es sich bei ARGs um das ideale „social learning tool“ handelt. Für diesen Zweck führte sie Interviews und gestaltete einen Online-Fragebogen für 81 Teilnehmer. 45 davon waren ARG Spieler und 36 waren MMORPG Spieler. Die Teilnehmer setzten sich aus MMORPG Foren, World of Warcraft Spielern, ARG 81 Kategorien Chaträume und dem ARG Unfiction Forum zusammen. Dabei kommt sie zu folgendem Schluss: „ARG players experience a higher perceived reality while in-game compared with MMORPG players. [Due to the] fact that physical reality is already incorporated in ARGs, players themselves act as platforms, bringing all their experiences and expectations into the games.” (Harding cited in Mascioni 2010) Ein weiteres Element, welches die soziale Erfahrung verstärkt ist laut Haring, dass das Gameplay von ARGs generell auf kollaborative Zusammenarbeit ausgelegt ist und sich ARG Spieler hinter keinem Avatar verstecken können. Dies verstärkt die soziale Erfahrung. Interessant ist bei dieser Untersuchung aber vor allem, welchen Einfluss ARGs bzw. MMORPGs auf das reale Leben der Spieler haben. In beiden Fällen werden In-Game Erfahrungen in einem hohen Ausmaß auf das reale Leben der Spieler übertragen: „The combination of an ARGs' perceived realism and their capacity to afford transference of in-game experiences to real life make them a very effective social learning tool.” (Harding cited in Mascioni 2010) Trotz der geringen Anzahl der Teilnehmer an dieser Studie stimmen diese Aussagen weitgehend, mit den aus anderen ARGs gewonnenen Erkenntnissen überein. Diese neu gewonnenen Erfahrungen sind richtungsweisend für die zukünftige Entwicklung, insbesondere der Serious Games. ARGs, wie World Without Oil und EVOKE zeigen, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung ist. Noch einen Schritt weiter geht der Schulversuch Quest to Learn , ein sogenanntes Organizational ARG. Quest to Learn ist eine öffentliche Charter School in New York City für Schüler von der sechsten bis zwölften Schulstufe und gilt als erste ‚gamebased‘ Schule der Welt. Das Besondere daran ist, dass Spiele nicht nur den Unterricht bereichern, sondern die gesamte Schule selbst das Spiel ist: „Every course, every activity, every assignment, every moment of instruction and assessment would be designed by borrowing key mechanics and participation strategies from the most engaging multiplayer games.” (McGonigal 2011, chap.7) 82 Kategorien Dies hat das Ziel den negativen Schulstress zu eliminieren und das Engagement der Studenten zu fördern. 1.11 Erfolgsmessung Speziell bei ARGs, die zu Marketingzwecken verwendet werden, stellt sich öfters die Frage nach dem ROI. Für The Beast wurde angeblich eine Million US Dollar für die Produktion veranschlagt (Szulborski 2005, p.100). Bei einer komplett neuen Marketingform ist diese Frage durchaus berechtigt: Wie wird der Erfolg bei einem ARG nun gemessen? Generell lässt sich sagen, dass der Erfolg, wie bei anderen Social Media Marketing Kampagnen gemessen wird: Traffic der Websites und aktive Partizipation der User (Spieler). Laut Tuten (2008, p.135) sind die wesentlichen Indikatoren, die Anzahl der Spieler, die Anzahl der aktiven Spieler, die Anzahl der Lurkers und Rubberneckers, die Anzahl der Registrierungen bei Start des Spiels bzw. bei bestimmten Events, die Anzahl der generierten Nachrichten durch die Spieler, Traffic der Websites, die mit dem ARG in Verbindung gebracht werden, die Anzahl der Forumsbeiträge (z. B. auf unfiction.com) und die durchschnittliche Spieldauer. Wie Cloudmaker Eric Ng schrieb (cited in McGonigal 2003, p.8), war die Promotion Kampagne für den Kinofilm A.I. ein durchschnittlicher, aber aus einer ‚social engineering‘ Perspektive ein unglaublicher Erfolg. Zusätzlich sollte der Erfolg eines ARG auch nach Media Impressions beurteilt werden, die das Spiel durch Publicity erlangt. The Beast generierte z. B. über 300 Millionen Media Impressions in Zeitungen, Magazinen, Nachrichten und auf Websites. In der Regel kommt es darauf an, wie diese Ziele im Vorfeld definiert werden. Bei Audis Art of Heist waren nicht nur die Media Impressions wichtig, sondern es ging darum tatsächliche Verkäufe für deren Händler zu erzielen. (Tuten 2008, p.136) Es gibt viele Kriterien ein ARG zu beurteilen. In der Regel sind aber der Enthusiasmus der Spieler sowie deren aktive Beteiligung zu wenig um den Erfolg einschätzen zu können. Das ultimative Ziel ist es natürlich so viele passionierte und obsessive Spieler, wie möglich zu bekommen. Diese machen zwar den geringsten Teil 83 Kategorien der Spielergruppe aus, sind aber die treibende Kraft, da sie die Communities mit großem persönlichen Zeitaufwand unterstützen und ihr Wissen teilen. Deren Leidenschaft ist die beste kostenlose Werbung für das Spiel und natürlich deren Marke, die dahinter steht. Ein weiterer Vorteil von ARGs besteht darin, dass diese nicht direkt als Werbung wahrgenommen werden, sondern als Erweiterung der Handlung. Sie verleihen der Geschichte mehr Tiefe und eine persönliche Note. 1.12 Partizipation in ARGs Es gibt immer kritische Stimmen zu ARGs zu hören, die der Meinung sind, dass solche Spiele nur eine sehr kleine Zielgruppe bzw. Nische an Spielern ansprechen. Ähnliches gab es auch beim ARGfest 2010 in Atlanta, GA, einer jährlichen Konferenz, die sich dem Thema Alternate Reality Games widmet, zu hören: „ARGs are dead. But Transmedia is lightning in a jar. ARGs have failed to break into mass media, because the interaction is in the wrong place. Right now, the interaction is finding the story. When someone doesn’t know what to do next, it’s easy to stop, and every time we ask someone to change platforms, we lose audience. But the experience of transmedia is powerful, immersive and emotional. We have to find new ways to tell stories across multiple platforms using interactivity. It’s evolve or die.” (McHugh, 2010 cited in May 2010) Zum einen wird der Erfolg von ARGs nicht nur an der Anzahl der Spieler gemessen, und zum anderen sehe ich es eher als Problematik des Game Designs, und nicht des Genres an sich. Viele ARGs machen den Fehler die Spielerfahrung nur auf eine ganz bestimmte Zielgruppe zu beschränken. Die Kunst liegt darin, unterschiedliche Spielergruppen anzusprechen. Die Gruppe der sogenannten Casual Gamer wird oft gänzlich ausgeschlossen, da sie schlichtweg mit der Komplexität des Spiels und dem Schwierigkeitsgrad der Rätsel überfordert ist, und so keinen Anschluss in der Community findet. 84 Kategorien Transmedia Storytelling ist eines der wesentlichen Elemente und Merkmale von ARGs. Jede Komponente davon kann auch für sich alleine existieren. Jeder kann sich an der Geschichte erfreuen, auch wenn er nicht alle Bestandteile kennt. Der Zuseher/Fan entscheidet selbst, wie tief er in die Geschichte eintauchen möchte. Je tiefer man jedoch eintaucht, desto mehr Vielfalt und Inhalt gewinnt die Geschichte. Den ARG Spielern sollte es daher auch selbst überlassen sein, wie intensiv sie sich mit dem Spiel bzw. der Geschichte auseinandersetzen möchten. Selbst innerhalb der ARG Communities gibt es zahlreiche Rollen, die auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Spieler zugeschnitten sind. Dies unterscheidet sich nicht wesentlich von den Konsumenten anderer Medien. Selbst Fernsehzuschauer können gelegentliche Zuseher bis hin zu exzessiven Konsumenten einer Fernsehserie sein. ARGs sprechen daher auch verschiedene Spielertypen an, die sich in erster Linie durch die Art der Partizipation unterscheiden. Game Designer Richard Bartle (Askwith 2008, p.19) klassifiziert die Spieler in Massive Multiplayer Online Role-Playing Games (MMORPGs) in vier Rollen: Achiever, Explorer, Socializer oder Killer. Diese Einteilung erfolgt nach Motiven, an dem Spiel teilzunehmen, sowie dem Verhaltensmuster im Spiel selbst. Ein ähnlicher Ansatz kann auch bei ARGs angewandt werden. Einzelne Spieler können unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen ARGs übernehmen, die auch während des Spiels wechseln können. (Askwith 2008, p.19) Askwith (2008, p.19) unterteilt die Spieler in vier Typen, je nach Aufgabe und Intensität der Partizipation im Spiel: Organizers, Hunters, Detectives, Lurkers. Auch wird manchmal noch zwischen ‚pure‘ Lurkers und Rubberneckers unterschieden. Organizers: die Organizers haben, aufgrund der stark kollaborativen ARGs, eine sehr wichtige Rolle inne. Ihre Aufgabe ist die ‚crowdcontrol‘. Sie ermöglichen den Spieler-Communities sich zu finden, auszutauschen, um den zahlreichen Spuren und Hinweisen nachzugehen. Organizers zeichnen in der Regel sehr gute technische Kenntnisse aus, insbesondere die Entwicklung von Blogs, Datenbanken und anderen kollaborativen Tools. Obwohl manchmal Organizers an der Entschlüsselung der Rätsel mitwirken, ist deren Hauptaufgabe die des Moderators, Mediators und Kommunikators. Erfahrene 85 Kategorien Organizers sind auch sehr gute Networker, die entsprechende Leute kennen, falls ein besonderes Talent gefragt ist. Hunters: Für viele Spieler besteht der besondere Reiz von ARGs darin, neue Hinweise zu finden. Sie verbringen oft Stunden damit zahlreiche Spielinhalte zu durchforsten, indem sie den Quellcode analysieren, nach weiteren Websites suchen, die mit dem Spiel in Verbindung stehen und die Ergebnisse an die Organizers weiterzuleiten. Hunters haben auch meistens Erfahrung bei früheren ARGs gesammelt, und wissen nach was sie suchen müssen bzw. welche Strategie für die Puzzles anzuwenden ist. Detectives: Viele Hunters sind auch Detectives. Dies sind Spieler, die Spaß daran haben, Codes zu entschlüsseln, Puzzles zu lösen, und deren Bedeutung zu entziffern. Als Basis für die Arbeit der Detectives dienen gemeinsame Diskussionen. Da die meisten ARGs sehr unterschiedliche Qualifikationen zum Lösen der Rätsel erfordern, ist eine Zusammenarbeit als Community unabdingbar. Lurkers: Zugriffsstatistiken zeigen, dass Leute, die ARG-bezogene Websites besuchen, bei Weitem die Zahl der aktiven Teilnehmer (die auch die Rätsel lösen) übertreffen. Die größte Gruppe bei ARGs sind daher die Lurkers. Das Verhältnis von Lurkers zu aktiven Spielern beträgt von 5:1 bis hin zu 20:1,22. Viele dieser Lurkers sind fasziniert von der Idee der ARGs, aber wollen nicht als aktive Teilnehmer daran teilhaben. Man kann sie am ehesten als ‚Voyeure‘ sehen. Sie suchen selbst nach keinen neuen Hinweisen und nehmen nicht an den Rätseln teil. Viele warten, bis eine Lösung des Rätsels gefunden wurde, und besuchen dann die relevanten Websites und versuchen die neuen Rätsel selbst zu ‚lösen‘, als eine Herausforderung für sich selbst. Allerdings ohne großen Erfolg, da diese Rätsel und Puzzles meist nur als Kollektiv lösbar sind. Erfahrene ARG Spieler unterscheiden zudem zwischen reinen ‘Lurkers’ und ‘Rubberneckers’. Rubberneckers sind Teilnehmer, die zwar an Chats und Diskussionsforen teilnehmen und sich auch auch an der Lösung der Rätsel beteiligen, aber direkten Kontakt mit den In-Game Characters vermeiden und sich auch oft nicht bei In-Game Websites registrieren. Conspiracy of Good in London, ein ARG aus einer Mischung von Schnitzeljagd mit Puzzles, ‚pervasive interaction’ und Rollenspiel-Komponente, versuchte ein größeres 86 Kategorien Publikum anzusprechen, in dem es verschiedene Interaktionsformen für unterschiedliche Spielertypen anbot. Stenros (2010) berichtet darüber, dass manche Teilnehmer nur an der Schnitzeljagd teilnehmen wollten, und nicht an der Interaktion mit den Ractors (‚interactive actors‘), wobei andere hingegen, gerne mit den Charakteren spielten, die sie online kennengelernt haben und auch versuchten, die Sicherheitswachen im Spiel auszutricksen. Im Spiel selbst wurde daher auf die verschiedenen Spielertypen Rücksicht genommen. Jeder entschied für sich selbst, in welchem Ausmaß er interagieren wollte: „The players also had wristbands that marked them as players, so in essence there were two levels on ludic markers: the I-am-a-player wristbands and the I-want-to-play-with-other-people logo. A great way to establish multiple interaction patterns for different player types.” (Stenros 2010) 87 Ethik und sozialer Kontext Ethik und sozialer Kontext Wenn die Grenzen zwischen Spiel und Realität verschwimmen, wirft dies jede Menge an ethischen Fragen und auch Probleme auf. Generell unterscheiden sich Alltag und Spiel grundlegend voneinander. DasVerhalten im ‚Magic Circle‘ ist meistens im realen Leben nicht akzeptabel oder auch umgekehrt. Bei einem Box-Match ist es sehr wohl erlaubt, seinem Gegner einen Schlag zu verpassen, bei einer Begegnung im Alltag hingegen nicht: „When the sumo wrestler enters the ‘magic circle’ or the dohyo or the professional boxer enters the space and time of the bout, the rules of what social behaviors are desirable and forbidden are suddenly, radically changed. Violent and powerful physical attacks against another person, which are normally forbidden by law and social norms, become the obligatory mode of conduct. At the same time, polite and acceptable behavior may become inappropriate. For a boxer in the midst of a bout to attempt polite conversation with an opponent would be a gross breach of decorum. As one court noted: ‘subjecting another to unreasonable risk of harm, the essence of negligence, is inherent in the game of football…’” (Lastwoka, 2007 cited in Montola et al. 2009, p.197) Würde ein Boxkampf außerhalb des Rings stattfinden, wäre man mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Bei Alternate Reality Games tritt genau diese Problematik auf. Viele dieser ARGs erfordern daher eine doppelte Wahrnehmung von den Spielern: „Players need to be aware of both the game world and ordinary life. It is difficult to make the right choice if one does not comprehend the consequences of one’s actions.” (Montola et al. 2009, p.199) 88 Ethik und sozialer Kontext 1.13 Unaware Participation Das größte Problem bei ARGs ist die ‚Unaware Participation‘. Dies sind Menschen, die mit dem Spiel eigentlich nichts zu tun haben, aber trotzdem mit den Spielgegenständen, Bestandteilen des Spiels, und den Spielern selbst in Berührung kommen. Ihnen fehlt der Kontext, um dem Verhalten und den Gegenständen die entsprechende ludische Bedeutung zuordnen zu können. Sie besitzen keine doppelte Wahrnehmung und nehmen nur das reale, alltägliche Leben wahr. Folgende zwei Beispiele verdeutlichen diese Problematik sehr gut, wenn Spiel im öffentlichen Raum stattfindet. 1.13.1 Jackass Entführung In Tulln, Niederösterreich, stellten fünf Jugendliche eine Entführung nach Vorbild der MTV-Fernsehserie Jackass nach, und lösten damit eine groß angelegte Alarmfahndung der Polizei aus: „Es sah offenbar echt aus. Mehrere Augenzeugen schilderten die vorgetäuschte Entführung glaubwürdig der Polizei: Fünf Jugendliche zwischen 15 und 17 entschlossen sich, eine Entführung nachzustellen - vor einem Lokal mit einer großen Fensterfront im Zentrum von Tulln, um besonders viel Aufmerksamkeit zu erregen. Zwei der Jugendlichen, die die „Täter“ spielten, stülpten einem weiteren, dem „Opfer“, einen Jutesack über den Kopf und zerrten ihn in den Kofferraum eines Autos. Dann fuhren sie mit quietschenden Reifen davon.“ (ORF 2010) Die Beamten gingen von einem Entführungsfall aus und konnten schließlich die ‚Täter‘ ausforschen. Da sie eine strafbare Handlung vorgetäuscht haben, wurden sie bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten angezeigt. Im Endeffekt entschied der Staatsanwalt jedoch, dass kein strafrechtlicher Tatbestand erfüllt wurde, da die Entführung nicht direkt vor den Polizisten stattfand. Dies ist bei Weitem kein Einzelfall, bei dem Spiel von unbeteiligten Personen in einem anderen Kontext wahrgenommen wird. 89 Ethik und sozialer Kontext 1.13.2 Totes Mädchen auf Google Street View Gizmodo (Golijan 2010) berichtet über ein Mädchen, welches sie sich tot gestellt hat, als ein Google Street View Wagen vorbeifuhr. Dabei wollte sie nur ihre Freundinnen erschrecken. Während der Fahrer des Google Wagens dies nicht einmal bemerkte sorgte sie für Panik bei vielen Leuten, die die lokale Polizei verständigten. Abbildung 43 Not quite Google Corps View (Golijan 2010) 1.14 Ethik und Selbstverantwortung Die Ethik und Selbstverantwortung der Spieler selbst spielt bei ARGs eine große Rolle. Oftmals nimmt man im Spiel Verhaltensweisen an, die im realen Leben nicht akzeptabel sind. Durch die fehlende Grenze zwischen Realität und Fiktion sehen viele dies als Freibrief für andernfalls nicht tolerierbares Verhalten. Im Bereich der Urban Exploration, wird die Stadt bzw. deren Gebäude erkundet, zu denen man normalerweise keinen Zugang hat. Dies können Bürogebäude, Krankenhäuser, leer stehende Fabrikhallen, aber auch Kanalisationen und Bergwerksstollen sein. Solche Gebäude werden von den Urban Explorers oftmals illegal betreten. Von solchen Plätzen geht eine große Faszination aus. Es sind oft ‚mystische‘ Orte, zu denen nur wenige Zugang haben. Dies weckt in vielen die Abenteuerlust, in dem sie sich auf eine Art Schatzsuche begeben. 90 Ethik und sozialer Kontext Abbildung 44 Urban Explorers in den Katakomben von Paris (Zoriah 2009) Solche Plätze können auch Bestandteil von ARGs sein, da sie den pervasiven Charakter des Spiels unterstreichen. Die Puppet Masters tragen jedoch Sorge dafür, dass hierbei kein illegales Verhalten unterstützt wird, und das Betreten solcher Orte ungefährlich ist (z. B. Einsturzgefahr). Dass diese neu gewonnene Freiheit beim Betreten aber kein Freibrief für untadelhaftes Verhalten ist, und bestimmte ethische Grundsätze zu befolgen sind, beschreibt Ninjalicious (2005 cited in Montola et al. 2009, p.198), einer der Vorreiter dieser Bewegung, so: „Beyond the “do not enter” signs and outside the protected zone, you and your friends are free to behave as you really are […] [A] lot of people who usually behave well do so because they’re mindlessly obeying rules and laws, not because they’re carefully considering which actions are helpful and right and which are harmful and wrong. People who think laws are more important than ethics are exactly the sorts who will wander into an abandoned area and be so confused by their sudden freedom and lack of supervision that they’ll start breaking windows and urinating on the floor. 91 Ethik und sozialer Kontext […] [I]t’s important to seek out people with positive ethics, who will show respect for the sites by not breaking anything, taking anything, defacing anything or even littering while exploring.” Eine ähnliche Problematik ließ sich schon Anfang des 20. Jahrhunderts beobachten, als die von Zeitungen veranstalteten Treasure Hunts in Großbritannien stattfanden. Leute gruben, trotz Warnhinweise, private Gärten um, beschädigten Straßen und öffentliche Gebäude, sodass sogar Polizei und Militär einschreiten mussten. (Slade 2006) 1.15 Verantwortung der Puppet Masters Es ist Aufgabe der Puppet Masters klare Regeln für die Teilnehmer festzulegen, um bestimmtes Verhalten zu vermeiden, bzw. wenn gewisse Verhaltensweisen vorherzusehen sind, eine sichere Umgebung dafür zu schaffen: „[A]s a [puppet master] I am responsible for the safety and well-being of the players – but up to a point: As long as the characters behave in manner that is consistent with their character backgrounds, demeanor and reasonably expanded goals – I am responsible. But if a player/character just goes off the bend (decides to run naked in the middle of a street with filled cars), that is no longer my problem as that is not a part of the game in any way. If I think such a thing would be part of the game, I would have to arrange a place where such behavior is possible with safety.” (Parann, 2008 cited in Montola et al. 2009, p.200) Trotz zahlreicher Vorsichtsmaßnahmen und Hinweise ließ sich auch folgendes tragisches Schicksal bei Shelby Logan’s Run nicht verhindern: „This clue, printed on a CD cover, led the players of Shelby Logan’s Run to Argentena mines in the Nevada desert. The warning in the corner did not stop one player from entering mine number 1296 instead. Maybe he interpreted it as a game clue, maybe he was excited by the game, or maybe he did not understand its context. In any case, he fell 10 meters down a mine shaft. The accident left him permanently paralyzed and almost completely blind. Sued for damages, five of the six game organizers settled out of court 92 Ethik und sozialer Kontext for a $ 10.6 million dollar compensation (paid by their insurance companies).” (Montola et al. 2009, p.202) Abbildung 45 Shelby Logan’s Run (Montola et al. 2009, p.202) Bei dem Assassination Game Killer gibt es auch ganz klare Regeln. Es ist erlaubt seinen Gegner durch das Fenster auszuspionieren, aber nicht einzubrechen. Wenn man sich vor einem Angriff schützen möchte, sollte man auch selbst eine Waffenattrappe mit sich tragen. Anstelle von nachgebildeten Pistolen kommen oft Alltagsgegenstände, wie auch Obst (z. B. Bananen), zur Anwendung. (Montola et al. 2009, p.5) Nicht auszudenken wäre der Einsatz von täuschend echten Waffennachbildungen. Speziell auf einem amerikanischen Universitätscampus würde dies einen 93 Ethik und sozialer Kontext Polizeieinsatz provozieren bzw. man würde das Risiko eingehen, selbst ‚real‘ erschossen zu werden. Bedingt durch die zahlreichen Amokläufe in amerikanischen Schulen ist hier besonders auf den sozialen Kontext Rücksicht zu nehmen. Abbildung 46 A Killer player is using a long lens camera as a sniper rifle to kill his targets from a distance. The bananas represent pistols. Picture from Deathgame, Sweden. (Montola et al. 2009, p.5) Oft gibt es Hotlines, an die sich Spieler, die Fragen haben oder das Spiel verlassen möchten, wenden können. Dies ist auch eine gute Anlaufstelle für Journalisten und Interessierte. (Montola et al. 2009, p.203) Selbst ludische Markierungen, die In-Game Content kennzeichnen, können falsch interpretiert, wie folgendes Beispiel von Momentum zeigt. In diesem Fall verwechselten die Spieler eine reale Person mit einem Schauspieler. Die Aufgabe war es, ein Artefakt von einer gespielten obdachlosen Person zu bekommen. Diese Person sollte auf einem öffentlichen Platz zu finden sein. Zusätzlich kennzeichneten die Puppet Masters diese Person mit einem am Boden gezeichneten Kreis aus magischen Symbolen. Es war aber nicht vorauszusehen, dass die Spieler mit stundenlanger Verspätung eintrafen und der Schauspieler mittlerweile seinen Platz verlassen hatte. 94 Ethik und sozialer Kontext Mittlerweile saß aber eine andere obdachlose Frau im Kreis, die ‚real‘ war. Die Spieler meinten, dass es sich hierbei um ein hervorragendes Kostüm handelte. Sie durchsuchten ihre Habseligkeiten und versuchten das Artefakt zu bekommen, indem sie Reinigungsrituale ausführten. Erst eine halbe Stunde später stellte sich der Irrtum heraus. (Montola et al. 2009, p.199) Es gab allen Grund anzunehmen, dass es sich bei dieser Person um einen Darsteller des Spiels handelte. Die ludischen Zeichen wurden in diesem Fall aber falsch interpretiert. Im Spiel selbst war es selbstverständlich erlaubt, die Sachen der Frau zu durchsuchen, im realen Leben stellt dies aber ein inakzeptables Verhalten dar. 1.16 Kultureller Kontext „WARNING: NOT EVERYONE HAS THE SAME CULTURAL CONTEXT AND NOT EVERYONE IS RELAXED ABOUT PUBLIC SPACES” (Blade Diary 2006) Dieser Hinweis war nach einem Vorfall auf der Website von Posterchild zu lesen, die ein Kunstprojekt namens Mario Question Blocks in das Leben riefen. McGonigal (2006a cited in Montola et al. 2009, pp.206–207) berichtet über diesen Vorfall in Ravenna, Ohio, wobei 17 gelbe Würfel, inspiriert vom Computerspiel Super Mario Bros, quer in der ganzen Stadt verteilt wurden. Die Behörden forderten darauf ein Entschärfungskommando an, da diese Kunstobjekte mit Bomben verwechselt wurden. Die fünf verantwortlichen Teenager wurden angezeigt, aber die Anklage später wieder fallen gelassen. Diese Würfel wurden zuvor an vielen verschiedenen öffentlichen Plätzen, quer in den USA und in Europa, verteilt, und nirgends gab es dabei Probleme mit den Behörden. Je nachdem, wie stark das Terrorbewusstsein ausgeprägt ist, werden solche Kunstinstallationen unterschiedlich wahrgenommen. Es kommt auch hier, sehr auf den sozialen und kulturellen Kontext an. 95 Ethik und sozialer Kontext Abbildung 47 Mario Question Blocks als Kunstinstallation in Toronto (Blade Diary 2006) Ein weiteres Beispiel stammt aus Schweden, bei dem Spieler des ARG Momentum ein Ritual, welches Bestandteil des Spiels war, gegenüber der amerikanischen Botschaft abhielten. Ein Spieler berichtet: „[The police] came with, you know, a whole strike force, you know, these buses, it was a full bus, but only two people in the front came out, because the others, they were suddenly in there prepared with submachine guns and everything, in the car. […] And, and they came out with, you know, their hands on the guns and walked up to us […] [T]hey were really jumpy, and [the players] started to explain that this is a game, and, of course, that was the easiest explanation. […] And [the police] were like, you can be shot for having one of these things. In Israel you would’ve been dead by now.” (Stenros et al., 2007c cited by Montola et al. 2009, p.208) Die Spieler verlassen sich auf die Puppet Masters, dass sie keinerlei Probleme während des Spiels bekommen, solange sie nach deren Regeln spielen. 96 Ethik und sozialer Kontext 1.17 Vem gråter Selbst wenn Behörden und verantwortliche Stellen im Vorfeld informiert werden, ist dies noch kein Garant für die problemlose Ausführung eines Spiels, wie Vem gråter 6 zeigt. Ursprünglich als crossmediales Poltergeist Abenteuer konzipiert, erschuf dieses Spiel eine Gruppe von Studenten gemeinsam mit Künstler und Game Designer Martin Ericcson. Als Vem gråter im Frühling 2005 an einer schwedischen Universität startete, lief vieles nicht, wie geplant. Zum einen erreichten sie das falsche Zielpublikum. Während das Spiel sicher anderen Studenten und manchen Professoren gefallen hätte, wurden komplett andere Leute mit den Rätseln in den Korridoren der Universität konfrontiert. Hausmeister und Reinigungspersonal wurden zum primären Zielpublikum. Und für diese war es weder ein Spiel noch ein Puzzle, sondern ausschließlich Vandalismus. Zum Zweiten ist ein ‚Reality Game‘, welches mit einem glaubhaften Horrorszenario spielt nicht lustig, sondern Furcht einflößend. Zum Dritten mangelte es an Verständnis, wie Geschichten erzählt, weitererzählt werden und sich entwickeln. Viele Details gingen dabei verloren und wurden aus dem Zusammenhang gerissen, als die Geschichte dem Direktor, lokalen Zeitungen und selbst einer Hotline für verängstigte Frauen der Polizei erzählt wurde. Der vierte Grund war, dass das Spiel an Plätzen stattfand, an denen die Leute es nicht vermeiden konnten, damit in Berührung zu kommen. Das Personal der Universität war zuerst irritiert, dann verängstigt und zum Schluss zornig. Nachdem Polizei und Direktion der Universität informiert wurden, folgten darauf Entschuldigungen der Macher des Spiels. (Montola et al. 2009, pp.193–194) Viele Game Designer können aus Vem gråter eine wertvolle Lektion lernen, vor allem, wie schnell solche Spiele außer Kontrolle geraten können und welche Vorkehrungen dafür zu treffen sind. 6 „Who is Crying.“ auf schwedisch 97 Ethik und sozialer Kontext Abbildung 48 Vem gråter in den lokalen Zeitungsberichten (Widing, 2007 cited in Montola et al. 2009, p.195) 1.18 Real World Detectives Nur drei Stunden nach den 9/11 Attacken auf das World Trade Center und das Pentagon meldeten sich die Cloudmakers im Forum zu Wort. Beiträge mit dem Betreff, wie „The Darkest Puzzle“ und „Cloudmakers to the Rescue!“ waren zu lesen. (McGonigal 2003, p.1) Beflügelt durch ihren Erfolg als Kollektiv im ARG The Beast, Rätsel und Aufgaben zu lösen, die anfangs schier unmöglich schienen, nahmen sie in diesem Fall ‚real world problems‘ in Angriff. Dies mag auch mit der ‚This Is Not A Game‘ (TINAG) Ästhetik von The Beast zu tun gehabt haben. Dadurch war ihr Verstand derartig geschärft, dass sie im Alltag nach 98 Ethik und sozialer Kontext Rätseln und verborgenen Hinweisen suchten. Sie sahen überall Rabbit Holes um in neues Spiel einzusteigen. Ihre Erfahrung als Gruppe beschränkte sicher aber bisher nur auf virtuelle Rätsel des ARG namens The Beast. Jane McGonigal (2003, p.1) fasste die Geschehnisse so zusammen: „We can solve the puzzle of who the terrorists are," one member wrote. Another agreed: "We have the means, resources, and experience to put a picture together from a vast wealth of knowledge and personal intuition". One Cloudmaker suggested: "Let's become a resource. Utilize your computer & analytical talents to generate leads". Someone else implored: "We like to flout [sic] our 7,000 members and our voracious appetite for difficult problems, but when the chips are down can we really make a difference?”. The Cloudmakers, who proudly identified themselves in member profiles, home pages and email signatures as "a collective intelligence unparalleled in entertainment history," were on the case— a very real case".” Zwei Tage später wurde aber von den Gründern der Cloudmakers Einhalt geboten: Es handle sich hierbei um die Realität: ‚This is not a game.‘ Dieses tragische Ereignis als Puzzle zu sehen sei nicht angebracht. (McGonigal 2003, p.1) Ähnliche Geschehnisse ereigneten sich auch bei der Suche nach dem D.C. Sniper im Oktober 2002. Mittels gebündelten technologischen Ressourcen und kollektiver Intelligenz begaben die Cloudmakers sich auf die Suche nach dem Attentäter. Im Endeffekt wurde dieser aber dennoch von der Polizei verhaftet. (McGonigal 2003, p.6) Im März 2003 schlossen sich erneut 70 Spieler zu einem Think Tank zusammen um ‚real world problems’ zu lösen. Die Collective Detectives hatten folgende Absicht: „[...] unleashing the collective effort of real world issues and challenging conventional problem-solving methods.“ (Fuzzymelon2K , 2003 cited in McGonigal 2003, p.7) Auch wenn diese Bemühungen damals nicht erfolgsgekrönt waren, war dies ein erster Ansatz, die kollektive Intelligenz zur Lösung von ‚real world problems‘ heranzuziehen. 99 Ethik und sozialer Kontext 1.19 Lynch Mobs Lynch Mobs des 21. Jahrhunderts, die aus den sogenannten Smart Mobs hervorgegangen sind, sind auch ein gutes Beispiel für ‚real-world problem solving communities‘. Sie nehmen Probleme, bei denen Politik und Justiz versagen, selbst in die Hand. Im Februar 2006 stellte eine Frau, die durch den Namen ‚Kitten Killer of Hangzhou‘ bekannt wurde, ein Video auf YouTube online, in dem sie ein Kätzchen mit einem Stöckelschuh umbrachte. Abbildung 49 Kitten Killer of Hangzhou (China Daily cited in Kramer 2009) Zahlreiche aufgebrachte chinesische Bürger analysierten den Hintergrund des Videos, um den Standort zu bestimmen, und die verwendeten Schuhe führten zu dem Online-Shop, bei dem sie einkaufte. Mit diesen Informationen ließ sich ihre Identität und Wohnadresse bestimmen. Tausende Telefonanrufe und Drohungen folgten. Im Endeffekt verlor sie ihre Anstellung und musste ein Video mit ihrer Entschuldigung online stellen, obwohl Tierquälerei in China keine strafbare Tat ist. (Alex Lightman cited in Kramer 2009) Diesmal führte die kollektive Detektivarbeit zum Erfolg. Dies wirft aber wiederum eine Menge neuer ethischer Fragen auf, ob und in welchen Fällen, Selbstjustiz überhaupt gerechtfertigt ist. 100 Ausblick Ausblick Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ARGs immer sehr eng mit der technologischen Entwicklung verbunden waren. Das Internet hat dieses Spielgenre überhaupt erst möglich gemacht. Im letzten Jahrzehnt, seit The Beast, wurde die Social Layer auf das Internet aufgebaut. Die Konstruktion dieser Ebene ist nun abgeschlossen und das ‚Framework for Connections‘ heißt Facebook. (Priebatsch 2010) Seth Priebatsch, Gründer von SCVNGR, möchte nun basierend auf dieser mit dem Aufbau der Game Layer beginnen: „The game layer is all about influence. It's not about adding a social fabric to the Web and connecting you to other people everywhere you are and everywhere you go. It's actually about using dynamics, using forces, to influence the behavior of where you are, what you do there, how you do it. That's really, really powerful, and going to be more important than the social layer. It's going to affect our lives more deeply and perhaps more invisibly.“ (Priebatsch 2010) ARGs können Teil dieser Game Layer sein. Die bestehende Social Layer eröffnet nicht nur ungeahnte Möglichkeiten, sondern macht dieses Spielgenre einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Die Infrastruktur ist bereits vorhanden, jetzt gilt es, diese Basis auch zu nutzen. Das ARG Dexter ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Dieses Spiel will ein größeres Publikum erreichen und setzt dabei auf diese neuen Möglichkeiten. Smartphones, Location-based und Augmented Reality Technologien, reifen langsam aus und werden zunehmend zum Einsatz kommen, wie aktuelle ARGs zeigen. Epidemic Menace (Montola et al. 2009, p.160) wurde 2007 noch mit teuren Forschungs-Prototypen gespielt. Heutzutage trägt fast jeder diese Technologie in Form eines Smartphones mit sich. Diese sind bereits fix in den Alltag integriert und eröffnen damit komplett neue Möglichkeiten der Kommunikation, über Texting (SMS) hinaus. Die Nutzung des mobilen Internets ist alltäglich geworden. Vieles was vor zehn Jahren noch futuristisch schien, ist jetzt möglich. 101 Ausblick Social Networks bieten eine ideale Infrastruktur auf der eine Game Layer überlagert werden kann. SCVNGR ist nur ein Schritt in diese Richtung, aber zeigt, wie man eine breite Öffentlichkeit erreichen kann. Ziel sollte es sein, ARGs einem viel breiteren Publikum zugänglich machen, auch den Casual Gamers. 1.20 Location Based Gaming Diese Technologien erklären auch den Trend zu Location-Based-Services in den letzten Jahren. Foursquare und Gowalla waren die Vorläufer, und mit Facebook Places werden diese Dienste noch bekannter. Grundidee ist mittels Checkin, indem man anderen Leuten seine Position mitteilt, sogenannte Badges zu lukrieren und Mayor eines gewissen Standorts, Geschäfts oder Lokals zu werden. Dies ist derjenige, der z. B. ein Lokal am öftesten besucht. Als Mayor genießt man gewisse Privilegien, wie z. B. besondere Vergünstigungen oder einfach einen Gratis-Kaffee. Solche Location-Based-Services sind mehr als nur ein Spiel, sondern ermöglichen für lokale Betriebe und Lokale neuartige Formen des Marketings und der Kundenbindung. Negativ-Schlagzeilen machten Gowalla und Foursquare, indem Einbrecher, diese Information nutzten, und feststellen konnten, wann jemand nicht zu Hause anzutreffen war. Lionsgate versuchte eine spielerische Komponente in Foursquare einzubringen, indem Followers in bestimmten Lokalen Tipps, die das Expendables Motto hatten, entdecken konnten. Propaganda Tattoo in San Diego hatte dafür folgenden Hinweis „Ask for Thad! The most bad ass tattoo artist in SD! Brought to you by THE EXPENDABLES opening August 13!” 102 Ausblick Abbildung 50 The Expendables – Location Based Gaming (Van Grove 2010) Wenn man in Santa Monica im The Shack eincheckte und zum Barkeeper sagte „Sly sent me” bekam man sein Glas Bier um $2 günstiger. (Van Grove 2010) Auch versuchen Spielehersteller, die in die Smartphones integrierten GPS Empfänger zu nutzen, und traditionelle Brettspiele in die reale Welt zu portieren. Basierend auf dem Brettspiel Scotland Yard wurde Mister X für die reale Welt, als Location-Based Multiplayer Game, portiert. 103 Ausblick Abbildung 51 Mister X Mobile, ein Location-Based Multiplayer Game (Gamesload 2010) „Das Spielfeld ist die ganze Stadt. Die Spieler bewegen sich in der realen Welt und übernehmen selbst die Rollen der Spielfiguren. Ein Spieler ist Mister X® und begibt sich auf die Flucht vor den anderen Mitspielern. Diese sind die Detektive und müssen zusammenarbeiten, um Mister X® einzukreisen und zu stellen.„ (Gamesload 2010) Viele dieser Elemente finden sich in ARGs wieder bzw. sind eine technologische Weiterentwicklung der Spielprinzipien. 1.21 SCVNGR Seth Priebatsch möchte mit SCVNGR 7 (sprich Scavenger) eine Game Layer auf die reale Welt aufbauen. Statements, wie „blur a line between digital interactivity and real-world interaction" und „a massive experiment in building a mobile game together" klingen sehr verdächtig nach einem ARG. (SCVNGR 2010) Es ist allerdings eine technologische Plattform, auf der Geschäfte, Lokale und Institutionen, wie Museen, sogenannte Challenges erstellen können. Im Gegensatz zu reinen Location-Based-Services, wie Foursquare oder Gowalla, reicht es bei SCVNGR nicht aus, bloß einzuchecken. Um sich eine Belohnung zu verdienen, wie z. B. besondere Vergünstigungen (GratisEis, Gratis-Kaffee, Rabatte, usw.), müssen Challenges an bestimmten Orten absolviert werden, um die dafür notwendigen Punkte zu bekommen. 7 www.scvngr.com 104 Ausblick Abbildung 52 SCVNGR für iPhone (SCVNGR 2010) Diese Challenges können quer in der ganzen Stadt verteilt sein; gespielt wird über das Smartphone. Die Aufgaben können ganz unterschiedlich sein. Manchmal reicht ein Checkin aus oder man muss etwas fotografieren, Texte vervollständigen oder sonstige Rätsel lösen. Im Gegensatz zu klassischen Scavenger Hunts ist dies ein ‚short-form casual game’, welches sich in das Leben integriert. (SCVNGR 2010) Im Gegensatz zu Rabatten, die den Wert einer Ware oder Dienstleistung herabsetzen, ist dies eine vor allem sehr interessante Möglichkeit des Marketings für Betriebe, die eine bestimmte lokale Zielgruppe erreichen möchten. Aber auch in anderen Bereichen, wie Tourismus und Museen, eröffnet eine Game Layer sehr interessante Möglichkeiten. Der Vorteil besteht in SCVNGR, dass diese Plattform bereits die passenden Applikationen mit sich bringt und gleichzeitig ein eigener Builder verfügbar ist, um solche Challenges einfach und großen Aufwand selbst zu erstellen. Die gesamte technische Infrastruktur wird zur Verfügung gestellt. Vieles mag für hartgesottene ARG Fans viel zu rudimentär klingen. Und tatsächlich ist man in vielen Bereichen sehr stark eingeschränkt. Das volle Potenzial eines immersiven ARGs kann man damit kaum ausnützen. Aber diese Plattform bringt das Genre der ARGs einer breiten Masse näher, und dient oft als Einstiegspunkt, um in die Materie tiefer einzutauchen. Die Integration mit Facebook Places schafft zudem 105 Ausblick eine noch ein größere Game Layer. Daher nutzte auch das erste Kapitel des ARG Dexter, SCVNGR als Einstiegsplattform. 1.22 Augmented Reality Als 2005 das erste Mal Epidemic Menace gespielt wurde, ging für die Teilnehmer besonders von den High-Tech Prototypen eine große Faszination aus. Das Szenario war Folgendes: Von einem Forschungslabor wurde ein tödlicher Virus freigesetzt. Die jeweiligen Teams hatten die Aufgabe diesen wieder einzufangen, bevor die gesamte Bevölkerung damit infiziert wird. Mittels Augmented Reality Brillen konnten die Spieler den unsichtbaren Virus visualisieren und mit einem Rucksack voll Elektronik und einem modifizierten Smartphone konnte dieser auch eingefangen werden. (Montola et al. 2009, p.160) Abbildung 53 Promotion Bild zu Epidemic Menace. So erschien der ‚unsichtbare‘ Virus den Spielern. (Montola et al. 2009, p.160) Das Spiel war adaptronic, das heißt, dass Ereignisse in der realen Welt, die virtuelle Welt beeinflussten. Bei Epidemic Menace bestimmte z. B. das Wetter, wie und vor allem, wie schnell, sich der Virus verbreitete. (Montola et al. 2009, p.161) 106 Ausblick Seit Smartphone Apps, wie Wikitude, hat Augmented Reality auch in den Alltag Einzug gehalten. Über das Kamerabild werden zusätzliche Informationen, wie Points of Interest, eingeblendet. Viele Hersteller haben das Potenzial erkannt und sind dabei, Lösungen für Spiele zu entwickeln. KA-BOOM ist ein sogenanntes Augmented Reality based Game. Eine Art Real-Life Bomberman, bei dem die Stadt bzw. deren Straßen als Spielfeld dienen. Technisch basiert es auf der Sekai Camera Plattform von Tonchidot. (Toto 2010) Abbildung 54 KA-BOOM (Toto 2010) Vieles ist zwar technisch noch nicht ganz ausgereift, aber nachdem die Smartphone Technologie immer leistungsstärker wird, können wir damit rechnen, dass Augmented Reality Gaming in ein paar Jahren allgegenwärtig sein wird. Man stelle sich nur vor, dass dadurch Fabelwesen und Monster zum Leben erweckt werden können. Gegenstände in der realen Welt können mit einer zusätzlichen ludischen Bedeutung versehen werden, die nur für die Teilnehmer sichtbar ist. Hier gibt es noch sehr viel Potenzial zu entdecken. 107 Ausblick Zudem löst dies in vielen Fällen das Problem mit der Unaware Participation, da unbeteiligte Personen, zwar mit den Spielern, aber nicht mit den virtuellen Spielgegenständen, in Berührung kommen. 1.23 Dexter ARG - Hunt for Infinity Killer Dexter Game On 8 ist ein ARG, welches Teil der viralen Marketingkampagne zum Start der neuen Staffel von Dexter war. Dies alleine macht das ARG noch nicht außergewöhnlich. Das Besondere daran war, wie Dexter Game On, auf der Social Layer aufbaute, um ein größtmögliches Publikum zu erreichen. Abbildung 55 Integration von Facebook und SCVNGR (Showtime Dexter Game On 2010a) 8 www.dextergameon.com 108 Ausblick Für das erste Kapitel des ARGs gab es zwei Möglichkeiten daran teilzunehmen, zum einen online, indem man sein Foto mit einem ‚Dexter Cheek Slash‘ versah und es Flickr stellte, zum anderen über SCVNGR. Hier mussten unterschiedliche Challenges in bestimmten Städten absolviert werden. Zudem gab es noch eine eigene Facebook App, um sein Gesicht, mit dem oben genannten, Slash zu verzieren. Jeder Upload zählte als ‚Kill‘. Nachdem 100.000 Kills erreicht wurden, wurde ein exklusiver Content zur neuen Staffel, in Form eines Videoclips freigeschalten. Abbildung 56 Der freigeschaltene Videoclip nach 100.000 Kills (Showtime Dexter Game On 2010b) Zukünftige Kapitel der Jagd nach dem Infinity Killer, spielten sich dann wieder traditioneller ab. Reale Artefakte, Puzzles, Telefonanrufe und vieles mehr tragen zu dem immersiven Erlebnis bei, damit auch hartgesottene Fans auf ihre Kosten kommen. Die Hemmschwelle in das Spiel einzusteigen war anfangs extrem niedrig und Komplexität und Schwierigkeitsgrad steigerten sich erst allmählich mit dem Fortschreiten von Dexter Game On. Ob ARGs dadurch in den Mainstream einziehen werden bleibt dahingestellt. Sicher ist aber, dass die Zahl der Spieler durch die Einbindung der Social Layer stark erhöht wurde. Es wird damit nicht nur das Interesse an dem Genre der ARGs geweckt, sondern die Spieler werden ermuntert weiterzuspielen und tiefer in die Geschichte einzutauchen. 109 Ausblick 1.24 ARGs im deutschsprachigen Raum Bis auf wenige Ausnahmen scheint das Genre der ARGs auf den englischsprachigen Raum beschränkt zu sein. Dies mag zu einem mit der Sprachbarriere zu tun haben, aber auch mit der kritischen Masse an Spielern, die dafür notwendig ist. So wie jedes Social Network brauchen auch ARGs eine bestimmte Anzahl an User bzw. Spieler, um erfolgreich zu sein. Viele der Spielabschnitte erfordern oft ein Mindestmaß an Interaktion der Spieler untereinander. Die kollektive Komponente spielt dabei die größte Rolle. Um dieses Problem zu vermeiden, gibt es im Game Design selbst mehrere Möglichkeiten um die kritische Masse an Spielern zu erhalten (Montola et al. 2009, p.154): • Limit the time and space of play • Reward extensive play • Provide single player content • Provide two player content • Conceal the lack of critical mass Als österreichisches Beispiel sei aber Schwellenland (2010) erwähnt, welches im Frühjahr 2010 in Wien stattfand. Zehn Tage musste man sich bei diesem Projekt, im Rahmen der Wiener Festwochen, als illegaler Flüchtling um seine neue Identität und Einbürgerung kämpfen. Ausweis, E-Card und Bankomatkarte mussten zu Beginn des Spiels abgegeben werden. Hauptsächlich wurden SMS und Email zur Kommunikation mit den Spielern eingesetzt. Es gab zwar eine Website und ein Forum für die Teilnehmer, aber der Online-Teil wurde nur sehr rudimentär umgesetzt. Außerhalb von Wien gab es so gut, wie keine Möglichkeit, an diesem Spiel teilzunehmen. Und tatsächlich gibt es wenige ARGs, die international gespielt werden. Speziell im Rahmen der Promotional ARGs spielen die unterschiedlichen Starttermine im Kino eine Rolle. Europa startet in der Regel einige Monate später. Prinzipiell kann jeder daran teilnehmen, aber oft sind nur bestimmte Online-Kapitel spielbar. 110 Ausblick Auch die Spachbarriere spielt dabei eine Rolle. Evoke, mit Schwerpunkt auf Afrika, war englischsprachig und für Länder bestimmt in denen Englisch gesprochen oder zur Kommunikation verwendet wird. Nicht immer liegt es aber an der Sprache. Fremdsprachige Charaktere sind bei weitem nicht so glaubwürdig, sodass sie sich in vielen Fällen nicht nahtlos in das Leben der Spieler integrieren können. Die Spielerfahrung ist daher wenig immersiv. Eine Ausnahme bildete The Lost Ring, ein ARG, welches Bestandteil der Marketingkampagne von McDonalds zu den Olympischen Spielen 2008 in Beijing, China, war. Es fand auf sechs Kontinenten in sieben Sprachen statt und lief über sechs Monate. Auf der Suche nach einer vergessenen Sportart, die einmal eine olympische Disziplin gewesen sein sollte, mussten die Spieler u. a. reale Artefakte in Johannesburg, Rio de Janeiro und Bangalore finden. Virtuelle Hinweise fanden sich z. B. auf einem argentischen Social Network, einer chinesischen Video-Sharing Website und auf Skyrock, einer populären Blogging Community aus Frankreich. Weltweit formten sich zahlreiche Teams, die die Aufgabe hatten, diese Sportart wieder zum Leben zu erwecken. Die besten Teams wurden zu dem Finale dieses Spiels nach Beijing eingeladen. (McGonigal 2011, chap.13) 111 Schlussfolgerungen Schlussfolgerungen Beinahe 40 Jahre hat es gedauert, bis uns bewusst geworden ist, für welchen Zweck das Internet eigentlich bestimmt war. Bis zum Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 dachten wir, das WWW sei in erster Linie für das Publizieren von Inhalten da. Die Rolle der Internet-User war auf die Rolle des passiven Konsumenten beschränkt. Nach und nach wurde uns bewusst, dass es eigentlich um aktive Partizipation und Kommunikation untereinander geht. Daher kann es kein Zufall sein, dass 2001 als Geburtsjahr der ARGs gilt, als im frühen Sommer The Beast stattfand. Es nutzte dabei intensiv die Möglichkeiten der Neuen Medien, wie Websites, Wikis und Blogs, um die Spieler an dem immersiven und kollaborativen Erlebnis teilhaben zu lassen. ARGs haben bisher noch nicht ihr volles Potenzial ausgeschöpft und werden stetig weiterentwickelt. Man denke nur an die zahlreichen Plattformen, wie Foursquare, Facebook oder SCVNGR, die als technologische Basis und Social Layer für diese Spiele dienen können. ARGs können darauf aufbauen, ohne, dass Game Designer die Infrastruktur dafür erst entwickeln müssen. Zudem vergrößert sich die Zielgruppe solcher ARGs dadurch immens. Alleine auf Facebook gibt es 500 Millionen potenzielle Spieler. Davon sind viele Erwachsene bereits mit Computerspielen aufgewachsen. Von Super Mario Bros über Minesweeper, Solitaire bis hin zu World of Warcraft, beinahe jeder kennt die Faszination, die von solchen Spielen ausgeht. Urgent Optimism, Blissful Productivity und Epic Meaning sind Prinzipien um Spieler zu fesseln und die zum Weiterspielen zu ermutigen. Gaming ist keine Randerscheinung mehr, sondern Mainstream. 112 Schlussfolgerungen ARGs sind aber mehr als nur ein Spiel oder virales Marketing. Henry Rose bezeichnet ARGs als neue Form von ‚Interactive Fiction‘(Rose 2011, chap.1), bei der Spiel und Realität miteinander verschwimmen: „It's all part of the blur. It isn't just stories and games that are blurring together, its author and audience, fiction and nonfiction, advertising and entertainment. Because the Internet is so relentless about dissolving boundaries, this is pretty much inevitable.” (Rose cited in Jenkins 2011) Mobile Internettechnologie, in Form von Smartphones, bis hin zu Augmented Reality Technologien, die Spielgegenstände in der realen Welt abbilden können, eröffnen ungeahnte Chancen, um das Spielerlebnis pervasiv und immersiv zu gestalten. Es ist aber nicht die Technologie die ARGs so einzigartig macht, sondern der soziale Aspekt. Spieler kommen online und offline zusammen, nicht nur um die Geschichte zu teilen, sondern vor allem um sie mitzugestalten. Medientheoretiker Rushkoff (cited in Doh 2010) bringt es auf den Punkt: „I came to realize that it was the social element that made it work. It’s not solving the puzzle that’s so much fun; it’s working on it with other people, solving elements, and seeing everyone else react to what you’ve brought to the table.” Und genau dieses soziale Element verstärkt auch die Partizipation. Spieler haben die Möglichkeit, je nach Fähigkeit und Talent, sich in die Gruppe einzubringen und etwas zum Verlauf der Geschichte beizutragen. Sie werden Teil von ‚etwas Größerem’. Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei Wikipedia beobachten, wobei zahlreiche Freiwillige ihre Freizeit opfern und komplett unentgeltlich mitarbeiten. Da die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen, werden zudem InGame Erfahrungen in einem hohen Ausmaß auf das reale Leben der Spieler übertragen. Die Teilnehmer können sich hinter keinem Avatar verstecken. Dies macht ARGs zu einem idealen ‚Social Learning Tool’ (Harding cited in Mascioni 2010). Und genau in diesem Bereich der Serious Games sehe ich das größte Potenzial von ARGs. Dieser Trend zeigt sich auch verstärkt in den letzten Jahren. In den 113 Schlussfolgerungen Anfangsjahren beschränkten sich viele ARGs auf Marketing. Seit 2007 zeigen Beispiele, wie World Without Oil oder EVOKE, dass es sehr wohl weitere Einsatzzwecke gibt. Laut McGonigal (2011, chap.7), hat aber beinahe jedes ARG einen positiven Einfluss auf das Leben der Teilnehmer, bedingt durch den sozialen Aspekt. Aber bei den vorhin genannten Beispielen werden alltägliche Probleme in Angriff genommen und Lösungsmöglichkeiten gesucht, unter Zuhilfenahme der Collective Intelligence. All dies sind Experimente, die uns neue Möglichkeiten und Formen aufzeigen. Neben diesem positiven Einfluss auf das eigene Leben sind es zahlreiche Fähigkeiten, die sich Spieler bei bei ARGs aneignen. Zum einen ist es Medienkompetenz, der Umgang mit Neuen Medien und Technologien, die Teamworkfähigkeit, ad hoc Netzwerke zu bilden und Zusammenarbeit in Echtzeit, durch die sie sich intensiv mit anderen Teilnehmern vernetzen. Viele Branchen können davon lernen, wie man Game-Mechanics in das reale Leben integriert, und man kollektive Intelligenz zur Problemlösung heranzieht. Dies zeigt vor allem Gamification, der Trend Game Mechanics auf alltägliche Probleme und Aufgaben anzuwenden, die andernfalls eher als mühsam und beschwerlich definiert werden. Unter Gamification versteht man: „The process of game-thinking and game mechanics to engage users and solve problems.” (Zichermann & Cunningham 2011, chap.Introduction) Noch hat kein ARG die Welt verändert. Oft sind es nur kleine Schritte im Leben der Spieler. Sei es mit Energie sparsam umzugehen, mehr Strecken zu Fuß zurückzulegen, oder mit dem Rad in die Arbeit zu fahren, wie bei World Without Oil, oder reale Projekte, um die Lebensqualität von vielen Menschen auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern, die aus EVOKE hervorgegangen sind, oder einfach mehr Sport zu betreiben, wie Cryptozoo, welches von der American Heart Association inszeniert wurde: „Omg just ran into 1 of 1st cryptozoo playtesters, 1 yr later, 20 lbs lighter and running regularly, total change. He credits the game! Yay!!“ (McGonigal 2010b) 114 Schlussfolgerungen Dennoch ist für viele Spieler die Teilnahme an einem ARG eine lebensverändernde Erfahrung. Die Cloudmaker, die aus The Beast hervorgegangen sind, haben dies mehrfach bewiesen. Vor allem die Autorität, die sie als Community hatten. Selbst 10 Jahre nach The Beast besteht diese Community immer noch und blickt wehmütig zurück: „We’re about to break up the most intelligent group of folks ever assembled – we could have built the atomic bomb if the solution was put to us in code…. I’m going to catch myself still looking for patterns and riddles in my daily life months from now” (Jackson 2001, cited in McGonigal 2003, p.9) Bei ARGs geht es nicht darum, dass man als einzelne Person das Spiel gewinnt. Es ist vielmehr ein kollektiver Erfolg. Der Sieg ist nicht das Ziel: „Great games teach people how to work together for common goals, and make sure people understand that winning the game is not the object – for that just ends the game.” (Rushkoff cited in Doh 2010) Vieles dürften die Puppet Masters von The Beast richtig gemacht gemacht haben, denn die Cloudmaker haben dies verstanden: „The game is now over… the game has just begun.” (Ng, Eric cited in McGonigal 2003, p.9) Let the games begin! 115 Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Ein reales Artefakt aus dem ARG zur Fernsehserie Dexter: „This morning, a knock on my door woke me up. A package greeted me on my doorstep, addressed to me. Inside was a tiny, elegant package and a postcard with the picture of a grisly kill room and a bloody infinity sign. […] Inside the box was a realistic chocolate heart, along with a USB taped to the lid of the box containing a video message […].“ (Andersen 2010) ............................. 9 Abbildung 2 I Love Bees Payphone Gathering: Einige Spieler warten bei einer Telefonzelle auf einen Anruf. ...... 10 Abbildung 3 Nicht immer ist es so klar, wie beim Sumo Ringen, bei dem das gesamte Spiel innerhalb des Kreises stattfindet (Montola et al. 2009, p.8) ...........................................................................................................................13 Abbildung 4 Traditionelles Modell: Das einzelne Media-Artefakt ist dafür verantwortlich, die ‚Story World‘ zum Vorschein zu bringen (Watson 2010, p.5)....................................................................................................................15 Abbildung 5 Das Transmedia Modell: Es gibt keinen ‚Ur-Text‘, der die gesamte Geschichte erzählt; die ‚StoryWorld‘ setzt sich dagegen aus mehreren Texten/Media-Artefakten zusammen. ......................................................16 Abbildung 6 The Blair Witch Website zeigte eine Vielzahl an ‚realem’ Material inklusive einem fiktiven Tagebuch (The Blair Witch website cited in Askwith 2008, p.16) ............................................................................................... 17 Abbildung 7 Integrated Media Timeline (LivePlanet cited in Miller 2008, p.154) ....................................................19 Abbildung 8 Integrated Media Approach: three-ball-theory (LivePlanet cited in Miller 2008, p.155) ................... 20 Abbildung 9 The Last Exorcism - BEST OF Chatroulette reactions (thelastexorcism 2010) ................................... 22 Abbildung 10 Shibuya Crossing Tokyo - Scramble System (TOKYOLUV 2010) ....................................................... 27 Abbildung 11 Asterix Abenteuerspiel Band 1: Das Gipfeltreffen (Goscinny & Uderzo 1987) ....................................31 Abbildung 12 Paul McCartney is dead (Askwith 2008, p.14) ..................................................................................... 34 Abbildung 13 Das Cover des Buchs Ong’s Hat: The Beginning (Szulborski 2005, p.86), ein Teil der Geschichte von Ong’s Hat: Incunabula ................................................................................................................................................. 35 Abbildung 14 Masquerades vergrabener Schatz: Ein Juwel aus 18 Karat Gold und Edelsteinen, von Kit Williams persönlich angefertigt (Askwith, Ivan 2008, p.13) ..................................................................................................... 37 Abbildung 15 Masquerade, eine der sogenannten Armchair Treasure Hunts (Askwith 2008, p.13) ...................... 37 Abbildung 16 Einige der glücklichen Gewinner (Slade 2006, p.6) ............................................................................ 38 Abbildung 17 We Lost Our Gold (Welostourgold 2010) ............................................................................................. 40 Abbildung 18 CD Cover von Pink Floyd’s Album The Division Bell (Askwith 2008, p.15)........................................41 Abbildung 19 Ein Standbild aus dem Video des Pink Floyd Konzert vom 16. Juli 1994, welches das Wort ‚ENIGMA‘ zeigt. (Askwith 2008, p.15) ........................................................................................................................ 42 Abbildung 20 This Is Not A Game (Artificial Intelligence Trailer, 2001 cited in Askwith 2008, p.18) ................... 44 Abbildung 21 Cloverfield Teaser 1-18-08 (Reeves 2007) ........................................................................................... 48 Abbildung 22 Rob’s Party Mix: iTunes Has the Cloverfield Soundtrack (djspankypants 2007).............................. 50 Abbildung 23 Cloverfield Website (Cloverfield 2007)................................................................................................. 51 Abbildung 24 Rob Hawkins MySpace Profil (Hawkins 2008) ................................................................................... 52 Abbildung 25 Slusho Website des fiktiven Getränkeherstellers (Slusho 2007) ........................................................ 54 Abbildung 26 Tagruato Firmenwebsite (Tagruato 2007) .......................................................................................... 55 Abbildung 27 Mysteriöse Explosion auf Ölplattform (26 Local 2008)...................................................................... 56 Abbildung 28 T.I.D.O. WAVE (T.I.D.O. WAVE 2007) ................................................................................................57 Abbildung 29 Cloverfield Manga (Togawa 2008) ...................................................................................................... 58 Abbildung 30 OOG Website Ethan Haas Was Right (Mind Storm Labs 2007): www.ethanhaaswasright.com ..... 59 Abbildung 31 Cloverfield Clues (Cloverfield Clues 2007) ...........................................................................................61 116 Abbildungsverzeichnis Abbildung 32 This Is NOT The Monster(Cloverfield Clues 2008) .............................................................................61 Abbildung 33Unfiction Forum zu 1-18-08 (unfiction 2007) ...................................................................................... 62 Abbildung 34 The Despoiler 1-18-08 Wiki (Despoiler 2007) .................................................................................... 63 Abbildung 35 YouTube Analyse des Cloverfield Teasers (johnnylawdog 2007) ....................................................... 64 Abbildung 36 (Jea Jea/Flickr, 2009 cited in Chen 2009) .......................................................................................... 68 Abbildung 37 World Without Oil (World Without Oil 2007) .................................................................................... 72 Abbildung 38 Urgent Evoke – A crash course in changing the world (Urgent Evoke 2010).....................................75 Abbildung 39 EVOKE Challenge – GlobalGiving (GlobalGiving 2010) .................................................................... 76 Abbildung 40 INVOKE – Die Comics wurden aus EVOKE verwendet und mit neuen kritischen Texten versehen (INVOKE 2010) .............................................................................................................................................................77 Abbildung 41 Ghosts of A Chance (Smithsonian American Art Museum 2011)........................................................ 78 Abbildung 42 Die angefertigten Kunstwerke der Museumsbesucher - NECKLACE OF THE SUBALTERN BETRAYER (Smithsonian American Art Museum 2008) ......................................................................................... 79 Abbildung 43 Not quite Google Corps View (Golijan 2010) ...................................................................................... 90 Abbildung 44 Urban Explorers in den Katakomben von Paris (Zoriah 2009) ..........................................................91 Abbildung 45 Shelby Logan’s Run (Montola et al. 2009, p.202) ............................................................................... 93 Abbildung 46 A Killer player is using a long lens camera as a sniper rifle to kill his targets from a distance. The bananas represent pistols. Picture from Deathgame, Sweden. (Montola et al. 2009, p.5) ...................................... 94 Abbildung 47 Mario Question Blocks als Kunstinstallation in Toronto (Blade Diary 2006) ................................... 96 Abbildung 48 Vem gråter in den lokalen Zeitungsberichten (Widing, 2007 cited in Montola et al. 2009, p.195) .. 98 Abbildung 49 Kitten Killer of Hangzhou (China Daily cited in Kramer 2009) ....................................................... 100 Abbildung 50 The Expendables – Location Based Gaming (Van Grove 2010) ....................................................... 103 Abbildung 51 Mister X Mobile, ein Location-Based Multiplayer Game (Gamesload 2010) ................................... 104 Abbildung 52 SCVNGR für iPhone (SCVNGR 2010)................................................................................................ 105 Abbildung 53 Promotion Bild zu Epidemic Menace. So erschien der ‚unsichtbare‘ Virus den Spielern. (Montola et al. 2009, p.160) .......................................................................................................................................................... 106 Abbildung 54 KA-BOOM (Toto 2010) ........................................................................................................................107 Abbildung 55 Integration von Facebook und SCVNGR (Showtime Dexter Game On 2010a) ............................... 108 Abbildung 56 Der freigeschaltene Videoclip nach 100.000 Kills (Showtime Dexter Game On 2010b) ................ 109 117 Bibliographie Bibliographie 26 Local, 2008. YouTube - Cloverfield Monster First Attack. Available at: http://www.youtube.com/watch?v=UfKqIMX8nMM&feature=related [Accessed February 26, 2011]. Abrams, J.J., 2011. Super 8, USA: Paramount. Andersen, M., 2010. F8 Comes Knocking at My Door: Dexter ARG Hits Close to Home | ARGNet: Alternate Reality Gaming Network. 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