Tourenbericht Dalmatien - Deutscher Kanu

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Tourenbericht Dalmatien - Deutscher Kanu
Dalmatinische Inseln – mein Seekajakherz auffüllen
------------------------------------------------------------------------------------------------Text: Lee Gerl (Berlin) (29/01/12)
Bezug: www.kanu.de/nuke/downloads/Tourenbericht-Dalmatien.pdf
Mein Mitpaddler, mein Seekajak, mein Auto ….
Losfahrtach … (28.8.11)
Starttag: Pension mit Slip … (29.8.11)
… und vor uns die 17-Kilometer-Querung zur Insel Molat (30.8.11)
Dugi Otok, die lange Insel an der Adria (31.8.11)
… und noch eine Nacht, weil es so schön war! (1.9.11)
50 km Küste, ungeschützt und unerschlossen – Erste Hälfte (2.9.11)
… Mittelstück … (3.9.11)
… Zweite Hälfte (4.9.11)
Bei so viel Höhepunkt – weiter geht’s dann mit einem Tiefpunkt dieser Reise …
Am Rand der Kornaten (5./6.9.11)
… und nun kein „Seenot-“, sondern ein „Landnotfall“ (6.9.11)
Ambulanter Ruhetag (7.9.11)
Auf der Felsterrasse von Lavdara (8./9.9.11)
Iz (10.9.11)
Nach Ugljan und weiter durch die Vollmondnacht … (11./12.9.11)
Abschied (12./13.9.11)
Hier sitze ich – wieder zu Hause und versuche anzukommen…. Das bedeutet für mich Abschied nehmen von meiner Seekajaktour in Kroatien…
Das Leben ist unbestechlich, es geht einfach weiter und genau dieser Umstand erzeugt in
mir jeden Augenblick so intensiv wie möglich wahr zu nehmen... Es ist das Eigentliche was
bleibt...außer den Fotos und den Fundstücken die ich ansehen und anfassen kann und die
mir bestätigen: Ja, das hast Du wirklich erlebt – es ist nur leider schon vorbei.
Mhm...noch eine Möglichkeit gibt es, die Reise zu verlängern (und vielleicht auch Abschied
zu nehmen): Das Erzählen über das Erlebte. Und das will ich tun, für mich aus beschriebenen Gründen und für Euch, weil ich damit etwas zurückgeben oder einbringen kann in die
OUTDOORSEITEN.net, schließlich haben einige ODSsies daran mitgewirkt, das ich jetzt auf
diese Reise zurück blicken kann!
Mein Mitpaddler, mein Seekajak, mein Auto …
Es begann mit dem Angebot von Beyond eine Reise von ein paar Wochen gemeinsam zu
machen. Mit meiner riesigen Liebe fürs Seekajaken sagte ich zu, um mehr Erfahrung und
Wissen zu sammeln und meinem Herzenswunsch zu frönen.
Durch die neuen Möglichkeiten als Vereinsmitglied konnte ich mir einen Lettmann Eski (mit
Lenzpumpe) leihen und hatte schon fast alle Voraussetzungen geschaffen. Natürlich gab es
noch einigen Kleinkram zu besorgen und zusammen zustellen...Und mit Walter einiges zu
besprechen. Wir trafen und zuvor einige Male, um uns zu beschnuppern, zusammen zu
paddeln und abzuschätzen, ob wir einigermaßen dieselbe Outdoorwellenlänge haben, bevor
wir uns auf dieselben Meereswellen begaben.
-2Kurz bevor es losging, hatte ich noch einen sms-Wechsel mit Zahl in seiner Funktion als
Wanderwart meines/unseres Vereins, der mit einem „Sauf nicht ab!“ seinerseits endete... Bei
so viel zarter Fürsorge war meine Rührung nicht mehr mit Worten zu beschreiben. Im Nachhinein wäre mir allerdings ein „Hals und Beinbruch“ lieber gewesen!*
Also am 28.9.2011 ging es los. Ich holte den Eski aus dem Bootshaus ab und entdeckte
dass das Steuer an der schmalsten Stelle kräftig angebrochen war... Dezente Panik machte
sich breit, denn es war Samstag zu fortgeschrittener Zeit und ich hatte noch bis 22:00h
Dienst.
Zunächst fuhr ich mit meinem Luftschiff nach Mainburg zu Walter und dort wurde der Eski
notverarztet mit zwei ziemlich derben Aluwinkeln, Schrauben und Sekundenkleber, damit die
Schrauben auch schön dranblieben. Mir war das alles egal, Hauptsache das Steuer funktionierte in den nächsten Wochen. Ich wäre auch mit Schraubzwingen gepaddelt, wenn es die
einzige Möglichkeit gewesen wäre.
Okay, alles ins Auto verstauen, zweites Boot aufs Dach und da es vielleicht den einen oder
anderen geneigten Leser interessiert: Ich hatte mir zuvor zwei weitere Kajakbügel von Daagoo ausgeliehen, um ohne lange Diskussionen zwei Boote auf einem Autodach zu transportieren.
Losfahrtach … (28.8.11)
Einmal werden wir noch wach - heißa dann ist Losfahrtach.
Auf der Fahrt nahm ich mir fest vor, ein Seeigelgehäuse zu finden. Ich hatte erst ein Einziges
in meinem Leben gefunden und das war mir letztes Jahr heruntergefallen und zerbrochen...
Ich konzentrierte mich auf dieses kleine runde Gebilde wie ein Indianer, der einen Büffel jagen will und das Ereignis in Gedanken vorweg nimmt, damit es eintreffen kann...
Wir fuhren in einem Rutsch bis ans Meer. War nicht so geplant, doch wir kamen gut durch
und die kroatische Küste immer näher - die Dunkelheit allerdings auch! Ich fand mich sepentienfahrend wieder in einer inzwischen müden Verfassung und bedauerte nichts von der
schönen Gegend sehen zu können...und kam an meine Grenzen, sodass die Fahrt abrupt in
einem Handvollhäuserort (Devcic Draga) in einer Pension an der Küstenstraße E65 zwischen Karlobag und Starigrad-Paklencia endete.
Starttag: Pension mit Slip …. (29.8.11)
Am nächsten Tag beäugten wir, was wir davon hatten: Eine super Lokation um unsere Reise
zu starten! Unser Wirt besaß an seinem Haus, das sich von der Straße bis zum Meer drei
Etagen tief bergab zog einen Slip. Es war schnell mit ihm ausgemacht, das Auto in seiner
Obhut zu lassen, die Boote zehn Meter weit bzw. tief zu tragen und unsere Reise konnte
losgehen.
Nur noch die Boote beladen. Ich habe es diesmal sehr genossen, meine sieben Sachen und
die Lebensmittel zu verstauen. Wir hatten Essen für 5 warme Mahlzeiten dabei, an die 30
Liter Süßwasser, einige frische Lebensmittel, wie Äpfel, Melone, Tomaten und Karotten, und
Brotaufstrich in Konserven, Frühstücksfleisch, Knäckebrot und geräucherten Speck... das
meiste in Bioqualität. Walter ließ es sich nicht nehmen, 18 hart gekochte Eier zu verstauen.
Daraus entwickelte sich in den nächsten Tagen ein Spiel zwischen uns, das Eierroulette:
Wer isst das erste Ei, das nicht mehr gut ist? Wir spielten dieses Spiel ungefähr eine Woche,
dann stieg ich mit leichter Übelkeit aus und Beyond hatte gewonnen. - Grundsätzlich sei hier
angemerkt, dass wir eigentlich jeden Abend warm gegessen haben, meist Eintöpfe mit Reis,
Mais oder Bulgur als Basis.
-3Zurück auf Start: Jedes Mal ist es für mich faszinierend das Meer zu sehen, die andere Luftfeuchtigkeit zu fühlen und die Wärme zu spüren...ein toller Moment, der ganze Urlaub liegt
noch vor mir, ich betrete die weiße Schneefläche, schlage ein neues Buch auf, setze den
ersten Pinselstrich ... diesmal setzte ich mich ins Boot und wir begannen mit der Überfahrt
über den Velebitski Kanal in Richtung Westen, unter der Brücke hindurch die die Insel Pag
mit dem Festland verbindet und mieteten uns bei Schafen auf einer kleinen Steininsel ein,
die dem Planeten vom kleinen Prinz Konkurrenz machen könnte...nur dass das mit dem
ständigen Sonnenuntergang nicht so klappte. Dafür kamen die Schafe umso öfter auf ihren
Inselumrundungen in der Nacht vorbei.
Überhaupt hatte ich den Eindruck, war es den Schafen ziemlich langweilig auf ihrer Insel.
Vielleicht war es auch so ne Art Alcatraz für schwarze Schafe (obwohl diese hier weis waren)... Jedenfalls hatten sie so ziemlich alles gefressen, was zu fressen war, und ich vermute, sie bohrten ebenfalls vor Langeweile die vielen Löcher in die abgerundeten Steine am
Strand, denn davon gab es hier auffallend viele. Vielleicht hatte aber auch das Meer an dieser Insel Langeweile - ich will mich da nicht festlegen... ich hatte keine, denn ich suchte mir
die schönsten Lochsteine aus. Mein Boot bekam die erste Zuladung und auch eine knöcherne Verzierung in Form von einen Navigationsschafswirbels an der Bugspitze.
… und vor uns die 17-Kilometer-Querung zur Insel Molat (30.8.11)
Der nächste Tag kam ohne zu zögern und in leichten Dunst gehüllt mit fast spiegelglattem
Wasser. Die kahlen Hügel vermittelten mir den Eindruck an einer anderen Stelle auf dieser
Welt zu sein. Ich fühlte mich ans tote Meer versetzt. Ich paddelte also in Jordanien los, zum
Teil durch Untiefen obwohl das Land unnah war. Es sah aus wie in einer Wahrsagerkugel: In
einem Rund um mich herum konnte ich durch das Wasser auf den Grund sehen. Hinter diesem Rund gab es einen fließenden Übergang wie eine Überblendung auf die Wasseroberfläche... an ihrem Ende eingerahmt von Steinwüste. Wir unterfuhren die Brücke nach Vir und
machten eine Espressopause in Privlaka:. Kleiner Ort mit großen Hafen und aufgeschütteten
Sandstrand. Wir besichtigten die letzten Badegäste der Saison und brachen zu einer der
schönsten Strecken unserer Reise auf.
Die Überfahrt zur Insel Molat. Ungefähr 17 km nur Wasser bis zum nächsten Anlanden. Und
dazu hatte sich der Tag ausgedacht, die ganze Welt in Blautöne zu hüllen. Samtig weiche
Wasseroberfläche mit silbrigen Schimmer, die Bergrücken in der Ferne blaugrau laviert...blausilbergraue Monotonie... Trancepaddeln garantiert...
Ich fuhr mit Abstand doch auf Sichthöhe mit Walter. Ich wollte diese perfekte Tristesse ohne
jede Ablenkung in mich aufsaugen … ebenso das Gefühl des endlosen Wassers um mich
herum, das mir Unsicherheit vermittelt, wollte ich empfinden.
Es ist dieses Wissen um das Bodenlose im wahrsten Sinne des Wortes. Wasser ist zwar
sichtbar im Gegensatz zur Luft, aber es bietet ebenso wenig Halt. Ich vermute das fasziniert
mich enorm. Trotz eintöniger Endlosigkeit wuchsen die kleinen Berge vor uns zu Inseln, an
denen wir uns neu orientieren mussten. Nach kurzem Herantasten fanden wir unseren Weg,
oder besser unseren Kurs und paddelten zur Küste von Molat, um einen geeigneten Schlafplatz zu finden. Ehrlich gesagt mussten wir nicht lange suchen. Wir fanden eine allerliebste
Bucht mit sehr seichtem Wasser. Noch waren Menschen darin, eine Stunde später hatten wir
sie für uns allein.
Endlich Bäume! Wie anders das Land wirkte mit dem lebendigen Grün und wie anders es
roch als das seidige Wasser. Mir war schon beim Annähern an Molats Küste aufgefallen,
dass ich die Macchia riechen konnte. Diese Nacht gab es Seetangbett mit Sternen garniert
und zum ersten Mal in diesem Urlaub konnte ich mich am Nachthimmel satt sehen...und dabei einschlafen.
-4Dugi Otok, die lange Insel an der Adria (31.8.11)
Noch in unseren Schlafsäcken liegend beobachteten wir wie die aufgehende Sonne die letzten schläfrigen Wolken des Nachthimmels einschmolz. Dann brachen wir auf zum Ort Molat
um frische Lebensmittel und Wasser nach zu laden. Nach unserem Einkauf paddelten wir
ganz oben im Norden, noch am östlichen Ende zur Insel Dugi Otok, und suchten an ihrer
Küste, bestehend aus Felsenbändern, unser nächstes Domizil. Wir fanden eine perfekte
Bucht, wie aus dem Bilderbuch.
Ein langer silbergebleichter Ast steckte zwischen den Felsen, verziert mit Lochsteinen, zusammengebunden an einer Angelschnur, als Zeichen dass sich bereits Andere an diesem
Ort eine gute Zeit gemacht hatten. An einer Seite war die Bucht durch Felsen begrenzt, auf
die jeder Zoo neidisch gewesen wäre. Wir kamen uns vor wie Pinguine, nur dass wir die Felsen zum Kochen benutzten anstatt zum Rumstehen. Fürs Rumliegen mussten wir ganz
schön ausprobieren, um eine einigermaßen waagerechte Stelle zu finden, aber wir waren
aufgrund der Schönheit dieser Lokation wirklich sehr ambitioniert. Wo die Felsplatten aufhörten, begann ein Kiesstrand an dem allerlei Strandgut in Form von Müll angeschwemmt worden war. Für mich ist so ein Ort ein Mekka! Ich ging an die äußerste Stelle, um von dort rückläufig allen Rat und Unrat mit meinen Augen zu durchkämmen.
Als erstes fand ich zwei Früchte der Wassernuss! Keine Ahnung wie und von wo die hier her
kamen? Ich weiß, dass sie unter Naturschutz stehen, ich weiß, dass sie vor Jahrhunderten
im ganzen Ostseeraum verbreitet waren, ich weiß dass es in den Rheintalarmen bei Karlsruhe noch welche gab, als ich dort vor 18 Jahren wohnte, ich weiß, dass in Maria Laach in der
Klostergärtnerei die Pflanze zum Verkauf angeboten wird und es in Indien auch welche gibt,
die allerdings ein wenig anders in den Proportionen sind. Für mich waren sie schon immer
eine der abgespaceten Erscheinungsformen, die die Pflanzenwelt hervorbringt.
Das war ja hier wie Kinderüberraschungsei für Große! Dann fand ich Vulkansteine für mein
Badezimmer und ich fand kunstvoll ausgewaschene Diestelblätter.
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Beim Vorzeigen meiner Funde auf dem Pinguinfelsen fiel mir eine Wassernuss ins Gestrüpp
und ich bückte mich dort hinein, um meinen Schatz zu bergen und einen weiteren zu finden.
Was ich jetzt in den Händen hielt, war noch außerirdischer als die Wassernuss und tierischen Ursprungs. Mochte es sich bei mir um eine Bildungslücke handeln (die ich am nächsten Lagerplatz schloss), aber ich konnte mir nicht erklären, was das war. Und nichts in der
Umgebung was hätte Aufschluss geben können!
-6Klar war es in der Nähe - das ganze Meer war ja voll davon. Aber ich wusste das nicht, denn
genau von diesen Stellen im Meer hielt ich mich mit ordentlichem Respekt fern. Bei so vielen
ästhetischen Fundsachen war mein innerer Künstler animiert zu fotografieren, was ich ausgiebig tat. Außerdem bastelte ich noch eine weitere Kette aus Lochsteinen und Netzschwimmern bestehend und hängte sie in den Pinguinfelsen.
Müßiggang bis zum Abend, schwimmen, kochen, essen, Schlafsackgespräche… Nachts sah
ich in den Sternenhimmel und in die Augen einer kleinen Ratte. In dem Fall quiekte ich... Wir
beobachteten Wetterleuchten am westlichen Himmel und mitten in der Nacht fielen ein paar
große Tropfen auf uns herab. Ich baute mein Zelt auf, so wie man den Regenschirm mit
nimmt, damit es garantiert nicht regnet. Und das tat es dann auch nicht mehr.
… und noch eine Nacht, weil es so schön war! (1.9.11)
Am nächsten Morgen einigten wir uns darauf, an diesem wundervollen Platz noch einen Tag
zu verweilen. Außerdem beschlossen wir, dass ich in Veli Rat Wasser, Obst und Gemüse
einkaufen paddle. Es fühlte sich anders an, allein unterwegs zu sein. Das Wasser wirkte
noch haltloser und unheimlicher. Es war eine wichtige Erfahrung, diese Grenze in mir abzutasten. Leider hatte der kleine Markt im Hafen noch für etliche Stunden geschlossen und ich
kaufte nur Wasser in einem Restaurant und kehrte zurück in unsere Outdoorpuppenstube für
Erwachsene....
Anderntags war es Walter, der nach Veli Rat paddelte und Lebensmittel einkaufte, wir wussten ja nun die Öffnungszeiten des kleinen Ladens. So hatte ich ebenfalls ein paar Stunden
für mich allein im Paradies...
50-km Küste, ungeschützt und unerschlossen – Erste Hälfte (2.9.11)
Später brachen wir auf zur Westseite Dugi Otoks, die dem offenen Meer zugewandt und bis
auf ein paar Badeplätze fast unerschlossen ist. Wir wollten unbedingt genug Proviant dabei
haben für den Fall, dass es uns irgendwo sehr gut gefällt oder der inzwischen stetige Yugo
sein Finale im Gewitter erreicht. In diesem Fall hätten wir vielleicht nicht ablanden können,
weil die See zu unruhig ist. Ich gebe zu, dass ich das unglaublich spannend fand und ich froh
war, jemanden wie Walter an meiner Seite zu haben, mit dem ich mich sicher fühlen konnte.
Oben an der Nordwestspitze lag ein Schiffswrack im Meer. Man konnte es an den Booten
erkennen, die dort Halt machten, um zu tauchen. Auch an der Küste lagen größere rostige
Schiffsteile. Eine etwas schaurige Begrüßung für die Etappe, die wir vor uns hatten. Dann
wurden die Felsen zusehends spitzer, rauer und signalisierten deutlich: Anlanden kannst Du
hier vergessen, zieh weiter! Links die Felsen, rechts die offene See... Hier erlebte ich meine
extremsten Momente, das Gefühl, welches mich so fasziniert, erfüllt, anzieht... die Weite und
die Masse an Wasser... nicht Wellen auch Dünung spüren! (wer mehr Schwärmereien möchte, dem sei der erste Post aus dem Thread mit dem Seekajakherz ausschütten an das seine
gelegt - ich möchte hier nicht langweilen).
Wir kamen Kilometer später an eine sehr weiße Bucht mit türkisfarbenem Wasser und Badebetrieb. Dort landeten wir an um, eine Pause zu machen, Müll zu entsorgen und schwimmen
zu gehen. Dann machten wir uns auf die Suche nach einem Lagerplatz. Nach ein paar weiteren Kilometern hatten wir unseren Platz gefunden, zwar nicht so weiß und türkis wie die vorherige Bucht, dafür jedoch sehr unerschlossen und wild. Wild deshalb weil es hier einerseits
viel Müll gab und andererseits viel Schwemmholz. Es lagen ganze Bäume zwischen Kies
und Macchia, von den Gezeiten ausgebleicht und legten Zeugnis ab von der offenen See.
Alles hatte eine andere Größenordnung...Tief einatmen und diese Wildheit aufsaugen, diese
Dimensionen auf sich wirken lassen... und möglichst viel anschauen, Steine suchen... einen
Strand weiter war das Gefälle so beschaffen, dass es sehr runde Steine geben musste. (Je
nach Steigung kullert das Meer die Steine viel herum. Dann ist die Chance, regelrechte
-7Steinkugeln zu finden, besonders groß...) Nach dem Essen ging ich zu diesem Strand und
suchte ihn nach runden Steinen ab.
Ich stehe gern mit dem Rücken zum Meer, die Füße im Wasser von Wellen umspült, das
Rieseln der Steine um meine Füße herum, den Rücken gebeugt um mit den Augen ganz nah
am Boden zu sein, um alles anschauen, anfassen, wieder zu verwerfen, mitzunehmen, später zu sortieren und schließlich das Schönste behutsam zu verstauen.
Diesmal fand ich sehr schöne flache Linsensteine. Dieser Strand hatte von den Stürmen im
Winter mehrere Terrassierungen im Kies, ganz hinten an der Buschgrenze lagen das
Strandgut und das Schwemmholz und ich stieg auf das oberste Plateau, um zurück zu gehen. Jede Menge Unrat aber auch schon wieder interessanter Trash war hier beieinander.
Puppenköpfchen ohne Körper, Schuhe und entstellte Plastikteile die ihre Funktion verloren
haben. Die Sonne und das Salzwasser hatten ihre Farben verändert. Das hier war die Geisterstadt des Gestrandeten... Ich entdeckte etwas kleines Rundes, zum Teil mit Stacheln bekleidet, noch eins, zwei...noch mehr! Ein Freudenschrei über die Bucht in die Brandung gebrüllt: Hier waren meine Seeigelgehäuse!
Weil ich nichts mehr tragen konnte, bediente ich mich im großen Wegwerfsupermarkt und
sammelte meine Schätze in einem unidentifizierbaren Kinderspielzeug. Ich fand noch weitere, zum Teil schon gesprungene Gehäuse, aber zum Anschauen und inspizieren kamen sie
erst mal alle mit. Sie waren lilagrau und grünlich und manche hatten noch, verklebt mit ihren
eingetrockneten Weichteilen, diese abgespacete Konstruktion in der unteren Öffnung stecken!
Das außerirdische Teil, welches ich in der letzen Bucht gefunden hatte, war also ein Seeigelgebiss!
Walter und ich gingen später noch einmal gemeinsam diese Bucht auf der Suche nach Seeigeln ab und fanden weitere.
Nachts klapperten Schafe zwischen Macchia und Strand auf ihrem Trampelpfad an uns vorbei. Ich schreibe Klappern deshalb, weil die Steine einen hellen Klang hatten beim Aufeinanderschlagen, ähnlich wie Porzellan. An der Klapperfrequenz konnte ich hören, ob es ein forsches oder ein ängstliches Schaf war, das hinter unserem Schlafplatz vorbeiklapperte. Irgendwie erzeugte dieses Geräusch bei mir das Bild von Schafen auf Stöckelschuhen...
Am folgenden Morgen entfernte ich die Stacheln und putzte die Gehäuse der Seeigel mit
einer kleinen Bürste im Meer. Ich säuberte sie von letzten vertrockneten Innereien und betrieb nebenbei mein Seeigel-Ingenieursstudium, was die wunderbare Konstruktion dieses
Tieres anbelangt.
Dann packten wir unser Hab und Gut wieder in unsere Boote und setzten unsere Reise entlang der Westseite Dugi Otoks fort.
… Mittelstück … (3.9.11)
Es war insofern spannend, als dass Walter keine genaue Vorstellung davon hatte, wann der
nächste verwertbare Lagerplatz kommen würde. Er hatte sich auf Google Earth die Küste
angesehen, doch in echt sieht die Welt eben anders aus...Wir fuhren keine 10 Kilometer, da
kam vom Meister die Ansage: Anlanden. Komisch, wir hatten uns doch erst aufs Paddeln
eingestellt und nun sollte es für heute schon wieder vorbei sein? Tatsächlich hatten wir stärkeren Gegenwind und auch eine deutliche Dünung.
Grundsätzlich zog ich es vor, mich an die Anweisungen von Walter zu halten. Ich ging davon
aus, dass er schon wissen würde, was er tat und das hatte sich die ganze Zeit über bewahr-
-8heitet. Was ihn jetzt bewegte, die Tagesetappe schon zu beenden, war das Wissen um den
folgenden Küstenabschnitt: Je weiter wir nach Süden gelangten, desto schwieriger wurde es,
an Land zu kommen und...irgendwo beginnt dann Steilküste, ab da heißt es durchpaddeln.
Da ich mit Beyond seine Vorlieben bezüglich der Lagerplatzwahl teilte, war ich sehr erfreut
über die kleine, tief eingeschnittene Bucht, die er im Zurückblicken entdeckt hatte. Sie besaß
gerade genug Hinterland damit sie auch bei einem Wetterumschwung noch sicher war - wir
warteten ja noch auf das Ende vom Yugo, also auf ein Gewitter.
Wir bauten unser Lager auf und ich unternahm eine Spazierklettertour in den Küstenfelsen.
Raus aus dem tiefen Einschnitt ans offene Meer... Die Macchia roch hier extrem würzig. Ich
entdeckte Trampelpfade von Tieren und unter anderem wilden Salbei. Dieser begleitete uns
auch noch bis zum nächsten Lagerplatz, wo ich ihn dann zum Kochen verwendete. Wir fanden es sehr lecker!!!
Ich sah in die nächsten Buchten, die völlig unerreichbar waren und kehrte um. Wieder im
Lager und so viel Zeit zur Verfügung fragte ich Walter, ob er mir das Navigieren erklären
mochte. So bekam ich eine Einführung in diese Materie und mein Gehirn hatte allerliebst zu
tun. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Danke an dieser Stelle an Walter! Nebenbei gesagt: Ich
mochte Geometrie schon immer sehr gern. Was für ein Glück!
Wir beobachteten wilde schwarze Ziegen, die in den Felsen kletterten...auch einen Ziegenbock mit imposanten Hörnern.
Es kam der Abend und die Nacht und es kamen die Wolken und später das Gewitter in der
Ferne und der Regen zu uns. Es war das einzige Mal, wo wir das Tarp wirklich benötigten.
Das Wasser wurde in dieser Nacht wesentlich unruhiger und die Wellen kamen an unseren
Schlafplatz bis auf wenige Zentimeter heran.
… Zweite Hälfte (4.9.11)
Es blieb auch am nächsten Morgen so unruhig und diesmal war der Einstieg ins Boot ein
wenig tricky. Unser Strand war recht steil und deshalb trafen die Wellen mit ziemlicher Wucht
darauf. In der Nacht hatte das Meer bereits den Kies umgeräumt und nun war der Strand
noch steiler als bei unserer Ankunft. Wir mussten uns beeilen die Boote schnell ins Wasser
zu bekommen, sofort irgendwie einsteigen und rauspaddeln, bevor das Meer sie querstellt
und mit Vehemenz ans Ufer schlägt.
Es ist so unerbittlich dieses schöne Meer in solchen Momenten. Es ist nicht lieblich. Es umspielt nicht. Es fordert und zerstört. In solchen Momenten erlebe ich das Meer als etwas,
dass den Strand auffrisst und mich auch, wenn ich nicht aufpasse.
Aber wir kamen gut raus auf die offene See und spürten die sehr starke Dünung, welche weit
draußen auf dem Meer ihren Ursprung hatte. Der Südwind jedoch hatte sich gelegt, da die
klimatischen Bedingungen der letzten Tage nach dem Gewitter in sich zusammengebrochen
waren.
Wir konnten wunderschöne Lichtbrechungen auf der Wasseroberfläche beobachten. An
manchen Stellen sah das Meer aus wie Öl, an anderen wie Quecksilber.
Noch war die Küste relativ flach und bis auf den Felsengürtel bewachsen. Wir kamen an vereinzelten Buchten vorbei, manchmal stand eine Hütte darin. Doch richtig bewohnt wirkten sie
nicht.
Wir zogen Resümee über die Wahl des letzten Schlafplatzes und fanden uns darin bestätigt,
eine gute getroffen zu haben.
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So sinnierend und beobachtend erpaddelten wir uns die geologische Metamorphose dieser
Insel und gelangten an ihre wunderschöne Steilküste. Für mich war das ein weiterer Höhepunkt dieser Reise. Atemberaubend schön stand der helle Felsen viele Meter steil bis ins
petroltürkisfarbene Wasser hinab. Kleinere Höhlen und Felsenrisse formten die Gischt in
imposanten Sekundengebilden. In manchen Abschnitten war der Fels auch mit einem frischen Hellgrün überzogen. (Ich weiß beim besten Willen nicht, was für eine Gattung Nadelbaum das war.) Allerdings blieb uns auch nichts anderes übrig als diesen majestätischen
Flecken Erde zu bewundern. Haben wollte er uns nicht. Insgesamt dauerte unsere Bewunderung so um die 20 km an der Westseite der Insel, dann kam eine Sandbucht und wir zu einer
wohlverdienten Pause.
Bei so viel Naturbetrachtung möchte ich die Geräusche erwähnen:
Das Meer klingt überall anders. Je nachdem wie heftig der Wind ist, Ebbe oder Flut herrscht
und auf welches Land es trifft. Wir schliefen in Buchten aus Felsenplatten gebildet, wo das
Meer geradezu Wassermusik machte. An anderen Plätzen toste es wie ein abgesoffenes
Kieswerk. In den großen Felsenspalten rülpste es und in den kleinen hatte es Schluckauf. An
den Steilküsten war es ein unglaubliches Rauschen, Dröhnen und Donnern wie ein riesiges
Orchester welches die Instrumente stimmte...
Bei so viel Höhepunkt - weiter geht’s dann mit einem Tiefpunkt dieser Reise...
Wir beratschlagten, was wir mit dem fortgeschrittenen Tag machen sollten: In der Sandbucht
unser Lager aufschlagen oder weiter ziehen und dafür jedoch nicht zu wissen, wann sich die
nächste Möglichkeit ergeben würde einen Fuß auf die Erde zu kriegen?
In dieser Bucht campierte bereits ein Pärchen und es machte allen Anschein, dass sie zu
dieser Tageszeit auch nicht mehr aufbrechen würden. Doch zunächst kamen wir mit ihnen
ins Gespräch. Sie wollten von uns wissen, welche Beschaffenheit die Westküste hat, die wir
entlanggefahren sind und wir benötigten Informationen über das Wetter.
Die Beiden erkundigten sich, wie viele Möglichkeiten es auf der Westseite Dugi Otoks gab,
um zu Übernachten, und auf welche Langstrecken sie sich einstellen mussten? Auf die Frage der Frau, ob ich ihnen zutraue das zu schaffen, konnte ich nur in meiner Art antworten:
„Ich weiß nicht ob Ihr das leisten könnt, ich kann Dir nur sagen, dass wir es konnten.“
Klingt vielleicht erst mal überheblich, aber ich finde es fatal, die Beurteilung der eigenen Fähigkeiten einem anderen Menschen zu überlassen, der mich nicht kennt und deshalb mich
auch nicht einschätzen kann. (Über Menschen, die solche Fragen stellen, wundere ich mich
sehr).
Walter und ich beschlossen, weiter um die Insel herum zu paddeln und dabei nach einen
Schlafplatz zu suchen. Der Sand hier gefiel uns gar nicht, auch berichteten die Beiden, dass
es am Abend zuvor Mücken gegeben hatte. Wir waren halt inzwischen ganz schön verwöhnt
und vielleicht auch etwas Menschenscheu geworden...
Ehrlich gesagt dieses „einfach Weiterziehen“ liegt mir total. Sein Glück herausfordern und
mal sehen, „ob es noch was Besseres im Zufallssortiment gibt“, bereitet mir großartige, intensive Gefühle.
Ein weiterer Fortbewegungsgrund war, dass wir in den nächsten Tagen in die südlich angrenzenden Kornaten paddeln wollten, aber noch mehr Süßwasser benötigten. Der nächste
Ort, Sali, befand sich jedoch schon auf der unteren Ostseite der Insel. Wir wollten also den
nächsten Tag für eine Einkaufstour verwenden, um dann möglichst westlich in den Kornaten
die offene See zu erleben.
- 10 Am Rand der Kornaten (5./6.9.11)
Kaum waren wir weitergezogen, da veränderte sich die Landschaft drastisch: Sie wurde
baum- und buschlos und die Welt um mich herum bestand nur noch aus einer Wasserlinie
und steinernen Kegeln in allen Varianten und Größen. Ich brauchte noch einen ganzen Tag
um diesen Wechsel von Steilküste zu überall verstreuten Kegeln innerlich zu vollziehen.
Links von uns begann jetzt eine große Bucht, die mit schrägen Felsenbändern gesäumt war.
Walter steuerte dort hinein, wie ein Spürhund bei der Jagd. Eigentlich gab es hier keine wirklich guten Anzeichen für einen geeigneten Lagerplatz und so gelangten wir tief bis in die hinterste Stelle dieser Bucht. Dort befand sich ein momentan unbewohntes Haus und in dessen
Nähe eine Mole, an der Ausflugsboot angelegt hatte, damit die Badegäste auf den imposanten Felsenplatten einen unvergesslichen Nachmittag verbringen konnten. Mhm, das war etwas verzwickt heute, noch konnten wir unser Nachtlager nicht sehen. Walter und ich zögerten und ließen uns im Wasser treiben. Weiterfahren bedeutete für den heutigen Tag einen
weiteren Kraftakt... und es war schon gegen vier Uhr nachmittags... Da tutete das Badeschiff, die Menschen auf den Felsen gerieten in Bewegung und eins, zwei, drei... weg waren
die lärmenden Gestalten samt kroatischer Schlagermusik.
Also ohne die Leute und das Boot sah die Mole eigentlich richtig gemütlich aus! Nichts wie
anlanden! Die Boote auf die Felsenplatten gezogen... dann richteten wir uns direkt auf der
Mole häuslich ein. Die war auch sehr schön gerade zum Schlafen.
An diesem Abend spürte ich die Dünung noch bis zum Einschlafen in mir. Vielleicht lag es an
der bizarren Landschaft dass wir an diesen Abend das Zwielicht ausgesprochen intensiv
empfanden...
Der Sonnenaufgang jedoch überbot jeden Kitsch: Alle Farben waren am Himmel versammelt
um uns ein Schauspiel in mehreren Akten zu liefern. Wir lagen in der ersten Reihe auf unserer Logen-Mole und beobachteten, wie die noch nicht persönlich erschienene Sonne im dritten Akt die Wolken anzündete, um diese im vierten dann mit rosa Spitze zu umhäkeln. Kurz
vor dem Finale erschien sie dann doch mit viel dramatischen Gold-Glamour.
Nach dem Frühstück brachen wir nach Sali auf. Abends wollten wir wieder auf dieser Stelle
nächtigen, um dann zügig in die Kornaten zu gelangen. Ich freute mich unglaublich auf mehr
Unberührtheit und Wildheit, denn ich hatte in den letzten Tagen Blut geleckt!
- 11 Auf dem Weg nach Sali begegneten wir einer ausklingenden Bora und mit ihr erstmals Wolken und einen eingetrübten Himmel. Während Walters KODIAK sich wie ein gutmütiges
Brauereipferd durch die seitlichen Wellen fortbewegte, nahm sich der ESKI wie ein nervöses
Dressurpferd dagegen aus.
In Sali kauften wir ordentlich viel Lebensmittel und Wasser für die nächsten drei, vier Tage
ein, tranken Kaffee in einem Café, schauten dort neugierig in den Spiegel und zogen gut
gelaunt von dannen. Wir wussten ja, was uns erwartet. Auf dem Rückweg aßen wir in einem
Restaurant in einer Meeresenge, das sich auf Segler spezialisiert hatte (was anderes kam
dort ja auch nicht vorbei) und dann wiederholte sich dieselbe Prozedur, wie am Nachmittag
zuvor...
… und nun kein „Seenot-“, sondern ein „Landnotfall“! (6.9.11)
……………………
Ich gehe also über die zum Teil zerklüfteten Felsen, die sich von den Kornaten in nichts
mehr unterscheiden, außer dass eben dieses Fleckchen Erde noch als Dugi Otok bezeichnet
wird....
Ihr könnt Euch jetzt eine Version der Beschreibung aussuchen:
1. Auf einmal standen 20 Glücksschweine um mich herum, die mich freundlich anlächelten...
2. In einem Anfall von Sentimentalität versuchte ich mir die Kornaten auf den Körper zu
tätowieren...
3. Da ich meine handwerkliche Ader nicht unterdrücken konnte, gab ich dem inneren
Drang nach und klöppelte mich als Intarsie in die Felsen...
Bei der Gewichtsverlagerung auf einen großen zerklüfteten Stein oder kleinen Felsbrocken
(das liegt im Auge des Betrachters) war ein ausgewaschener Steingrad abgebrochen und
dadurch bekam der ganze Brocken Spiel und bewegte sich einige Zentimeter. Im Gegensatz
zu mir, die sich viele Zentimeter bewegte und gar nicht so schnell mitbekam, was passierte.
Schon drehte ich mich um 180 Grad und lag auf dem Rücken und schlug mit dem Kopf auf
einen herausragenden Stein.
Das war das Erste, wo meine Hand hinlangte: An meinen Hinterkopf, nach Blut tastend. Ich
hatte mehrere große Schürfwunden an den Beinen, eine aufgeschlagene rechte Hüfte, einen
- 12 Schnitt in der rechten Hand, eine Wunde am linken Fuß...und einen Schock. Aber der aufmerksame Leser weiß:
Da standen ja 20 Glücksschweine und so blieb mein Kopf unversehrt. Doch das mit dem
Tätowieren klappte auf meiner rechten Körperhälfte ganz gut. (Ich verlor bei diesem Sturz
eine kleine schöne Dose jedoch nicht meinen Humor)
Ich kürze jetzt hier ab und steige wieder ein, als ich später im geöffneten Schlafsack lag und
mir furchtbar schlecht war bei der Vorstellung, was alles hätte passieren können...Und was
alles nicht mehr passieren wird!
Die Kornaten waren nun leider gestorben.
Ab jetzt ging es nur noch darum, wie ich die Strecke bis zum Festland im Boot bewältigen
konnte. Außerdem möchte ich hier anmerken dass der Spruch: „Es ist schön, wenn der
Schmerz nachlässt!“ nach wie vor an seiner Aktualität nichts eingebüßt hat.
Ehrlich gesagt, ich war so dankbar, dass ich mir nichts gebrochen hatte, keinen Knochen auf
geschabt und wirklich kein Loch im Kopf gehabt habe... und ich hatte diese wunderschöne
Natur und viel Sonne um mich herum... In Deutschland wäre es mir schlechter gegangen. Da
hätte ich nicht mal gewusst, was ich hätte anziehen sollen. Das fand ich noch auf der Heimreise schwierig. Vor allem wegen der Wunde am Becken.
Ambulanter Ruhetag (7.9.11
Der nächste Tag wurde ein Ruhetag, um abzuwarten, ob sich eine der Wunden entzündet
hatte. (Ich bemerkte, dass ich mir auch Prellungen längs der Wirbelsäule zugezogen hatte.)
Ich nutzte die Zeit, um Überlegungen anzustellen, wie ich weiterpaddeln konnte mit der
Schnittwunde in meiner rechten Hand? (Übrigens war der Schnitt in der Hand genau im Ende der Herzlinie, als sollte mein Schicksal noch mal umgestaltet werden. Ich behalte mir vor,
davon zu einem späteren Zeitpunkt zu berichten.)
Und überhaupt stellten wir Überlegungen an, welche Route wir nun einschlagen sollten. So
entschieden wir uns dafür, in kleinen Etappen zwischen den Inseln auf deren unbewohnteren
Seiten den Rückweg anzutreten. Dann hätten wir relativ kurzfristig Hilfe holen können oder
die Tour beenden, falls ich nicht zurechtgekommen wäre mit Wunden, Salzwasser und Paddeln mit verletzter Hand...
Allein das Wort Rückweg war traurig genug für mich. Aber abbrechen wollte ich die Tour auf
keinen Fall. Jedenfalls wollte ich es erst mal probieren, bevor ich aufgab. Ich saß Probe im
Boot, um herauszufinden ob ich es schaffte, darin zu sitzen, ohne mit den Schürfungen & Co
ans Bootsinnere zu stoßen. Denn das sah ich als mögliche Infektionsquelle an. Das Becken
war das größte Problem, der Rest war machbar.
Wir kamen auf die abenteuerlichsten Versionen, wie mit meiner Hand zu verfahren sei, doch
letztlich tapte ich mir die Hand, zog einen abgeschnittenen Sockenbund darüber und steckte
einen flachen Schwamm (ich nenne sowas einen Brotschwamm) zwischen Hand und Paddelschaft, um das erste Tropfwasser aufzufangen. Den Schwamm musste ich halt immer
wieder auswringen. Ich klappte den Kleinen- und Ringfinger in die Handinnenfläche, um damit die Wunde vor Bewegung und gegen das Salzwasser zu schützen. Paddeln musste ich
mit drei restlichen Fingern und aufpassen, dass mir keine Welle an die Hand kam.
An der Hüfte war es nur mit Abstand zur Spritzdecke zu regeln. Da war auch nach einem
Tag Pause nichts verschorft. (Wir kauften später ein Abflusssieb das ich als luftdurchlässigen
Abstandhalter über die Wunde legte.) Die erste Strecke nach dem Unfall dauerte nicht länger
- 13 als 12 km, dann waren der Verband und die Spritzdecke so durchgeweicht, dass meine
Wunden brannten. Höchste Zeit für „time out“.
Auf der Felsterrasse von Lavdara (8./9.9.11)
Wir paddelten um den südlichen Teil von Dugi Otok herum, wie schon zuvor nach Sali, aber
diesmal auf der angrenzenden westlichen Seite der Insel Lavdara. (Also so viel Abwechslung
muss sein.) Es war ein trüber Tag, im Gegensatz zum Gestrigen. Die Welt wirkte wie ausgebleicht und ein wenig glanzlos ohne die direkte Sonne. Es gab auch mehr Wellen, was es
mir nicht leichter machte, meine Hand trocken zu halten. Also öfter den Schwamm ausdrücken...und unsteter Paddeln.
Die Westseite wollte keinen Lagerplatz für uns hergeben, alle Felsenplatten zu schief, zu
klein oder mit so einer Art Laubenpieperwochenenddomizilen bestückt. Wahrscheinlich alles
wohlhabende Leute aus Sali oder von anderen Inseln wenn nicht gar aus Zadar. Wir waren
also schon um den nördlichsten Punkt von Lavdara herum gefahren, die See rau und die
Küste alles andere als anlandefreundlich, da sagte ich Beyond, dass ich unbedingt eine
Pause brauchte.
Wir waren zu allerhand Kompromissen bereit. Es ging jetzt nur darum auszusteigen, nach
meinen Wunden zu sehen und neu zu überlegen, was zu tun sei. Immer näher fuhren wir an
die Felsen heran, um eine Passage zu finden, die uns ein Stück Land freigeben könnte.
Da sah ich eine Felsenplatte die parallel zur Küste flach aus dem Meer stand, sodass sie die
Wellen abschirmte und dahinter einen Mininaturhafen bildete. Aus unserer Perspektive war
er kaum einzusehen. Das Wasser war zu unruhig als dass wir hätten sehen können, ob ein
Boot zwischen den Felsplatten ohne Grundberührung liegen konnte. Ich machte Walter darauf aufmerksam und er fuhr vorsichtig hinein... und siehe, der Hafen war gut!
Ich wartete in den Wellen, bis er sein Kajak auf den Fels beiseite gezogen hatte und dann
konnte ich auch endlich aussteigen. Wetter nicht gerade freundlich, meine Kapazitäten erschöpft... Wir sahen uns um: Dieser Platz war ungewöhnlich doch atemberaubend schön.
Die Küste war nicht wirklich geschaffen zum Lagern, dafür waren die Felsenplatten zu begrenzt durch einen Absatz im Gestein. Danach stieg schon der Hang an. Die Flut war auch
noch nicht an ihrem Höhepunkt und die wenigen flachen Felsen würden dann Land unter
sein... Das konnten wir ganz gut an der Verfärbung der Felsen ablesen. Dort wo regelmäßig
Feuchtigkeit hin kam (in dem Fall die Flut und Brandungswellen) hatten die Felsen eine
dunkleren Ton.
Wir liefen die Gegend ab, um heraus zu finden, ob wir für heute das Paddeln beenden konnten. Ich glaube, wir hatten es uns einfach in den Kopf gesetzt. Walter entdeckte noch ein
weiteres Felsniveau, welches im Notfall unser Nachtlager geworden wäre, falls die Flut zu
viel für sich eingenommen hätte.
Obwohl Ebbe und Flut im Mittelmeer eigentlich zu vernachlässigen sind, sind sie es eben
doch nicht. Unsere Steinplatten waren so knapp bemessen, dass wir ein Boot hochlegen
mussten auf die nächste Felsstufe. Außerdem gab es eine Schnellfähre von Zadar nach Sali,
die in großer Entfernung an der Insel vorbeizog. Sie machte jedoch solche Wellen, dass bei
Flut nicht viel mehr als unser Schlafplatz vom Wasser unberührt blieb.
Wir konnten das zunächst mit den Ohren verfolgen. Die Fähre war schon lang vorbeigezogen, da entstand ein gewaltiges Rauschen im Wasser, welches stetig näher kam. Die Bugoder Heckwellen oder beides, erreichten die Insel und kreierten ihre eigene Brandung auf
Zeit. Das war schon fast gespenstisch, weil sie so aus dem Nichts kam. (Die Fähre war ja
schon lange außer Sicht- und Hörweite!) Ein paar hohe Wellen donnerten in unsere Felsenniesche und der Spuk ebbte wieder ab.
- 14 -
Langsam begriff ich, dass wir uns auf einem Brutplatz von Möwen befanden. Die Brutzeit war
vorbei und hier war weit und breit keine lebendige Möwe zu sehen. (tote Möwen schon) Diese Felsenlandschaft passte hervorragend zu den Möwen, denn die brüten ja gerne ungestört. Das hieß jedoch auch, dass dieser Platz zu einer anderen Jahreszeit unbenutzbar gewesen wäre. Möwen sind durchaus aggressiv, wenn es um die Verteidigung ihrer Brut geht,
in erster Linie in Form von Kotbomben.
Nun hatten wir Zeit und richteten uns auf dieser exponierten Stelle ein, erkundeten die Gegend und beobachteten nebenbei das steigende Wasser. Beim Herumlaufen oberhalb des
ersten Felsniveaus entdeckte ich immer wieder Mövenskelette, wobei die Federn auch noch
dabei lagen. Sie sind sehr zersetzungsunwillig. Die Macchia grenzte meist unmittelbar an die
Fundorte. Ich entdeckte in den Büschen Tunnel, die von Tieren hineingelaufen wurden. Sah
ich eine tote Möwe, suchte ich die Büsche ab und fand einen Eingang ins Tunnelsystem in
der Macchia. Da gab es also Möwenjäger!
Ein bisschen grausig war das, aber ein bisschen zu Dank verpflichtet fühlte ich mich dem
Jäger auch, denn ich suchte schon länger nach einem Vogelschädel. Zwar hatte ich mir eher
einen Kranich, Storch oder Reiher gewünscht. Aber wollen wir mal nicht unzufrieden sein.
- 15 Der folgende Tag begann mit verklärtem Licht und einer blutroten Sonne. Wieder einmal
konnten wir dem Schauspiel nicht widerstehen und gaben uns dieser magischen halben
Stunde hin. Sozusagen unser allmorgendliches Fernsehprogramm. Walter und ich waren
inzwischen eingespielt auf einander. Deshalb war es selbstverständlich Wasser für einen
Sonnenaufgangskaffee zu bereiten und mit dessen Genuss das Schauspiel zu veredeln.
Der Tag wurde zunehmend klarer und das Wetter wieder heiß und schön. Da wir in der
Nacht nicht fortgespült wurden, beschlossen wir zu bleiben und unsere Errungenschaft einen
ganzen Tag bei schönem Wetter zu genießen.
Wir waren an einem Verkehrsknotenpunkt! Vor uns lag ein riesiger „Wasserplatz“- eingerahmt von sechs großen und einer Handvoll kleinen Inseln. Zwar war die Wasserstraße sehr
breit und die Boote fuhren uns nicht über die Füße, doch war hier bei schönem Wetter einiges los. Ich musste mich erst gewöhnen an den Anblick der vielen Segelschiffe und der hellbunten Punkten auf den bewaldeten Inseln: Das waren nämlich Häuser. Die Zivilisation war
sicherlich weit noch weg, aber sichtbar.
Durch die konvexe Krümmung der Küste waren wir trotz leichter Einsenkung in die Felsen
wie auf einem Präsentierteller. An diesem Tag fuhren einige Boote und Segler ganz in unserer Nähe vorbei und hatten mal was anderes zu sehen. Früh morgens und abends kamen
auch die Fischer, meist Leute die so aussahen als würden sie sich selbst versorgen oder
ihren Geldbeutel aufbessern.
Walter wollte nach Sali rüber paddeln, um Pflaster für mich zu kaufen und frische Lebensmittel für uns. Ich erledigte derweil den Haushalt im Outdoorstyle: Ich fotografierte kleine Krebschen die sich zu weit aus dem Fenster lehnten, sortierte Möwenschädel und säuberte Kochtöpfe mit Nassschleifpapier in Ermangelung an Sand.
Am Nachmittag waren das Navigieren noch mal dran und ein ausgiebiger Klippenspaziergang. Es sollte mein Letzter sein, denn abends im Dunkeln war ich gleich neben unserem
Schlaflager mit meinen bloßen Füßen ein einziges Mal neben die großen Felsplatten getreten und riss mir eine daumennagelgroße Wunde in den weichen Teil meiner rechten Fußsohle. Das war jetzt aber auch garantiert der letzte Fehltritt von mir auf diesem Trip durch die
dalmatinischen = dramatischen Insel. Ich schwöre.
- 16 -
Anderntags hatten wir das seltene Glück, beim morgendlichen Kaffee ein Delfinpaar zu sehen! Walter sah es zuerst und schwupp waren sie wieder verschwunden... Wir suchten die
Wasserfläche in alle Richtungen ab, in der Hoffnung sie noch einmal zu sehen. Und das war
dann auch so. Silberblaugraues Wasser und zwei dunkle Delfinschatten die sich in Zeitlupe
aus dem Wasser heben und wieder eintauchen... So kitschig, dass es, weil es ja in echt war,
nur noch schön war.
Und Walter entdeckte noch etwas. Einen Skorpion auf dem Fels hinter seinem Schlafplatz,
so klein dass er noch durchsichtig und deshalb besonders schwer zu erkennen war. Er hatte
nicht mal die Länge eines Weizenkorns.
Iz (10.9.11)
Anschließend brachen wir unsere Plane ab und zogen in einem leichten Morgendunst und
einer spiegelglatten See los in Richtung der Insel Iz. Während ich auf Walter wartete, der
sich noch im Boot zurechtrückte, sah ich auf den hellen Grund des Meeres einen großen
Seestern und viele Seegurken. Aber ich hatte nur Augen für den Seestern.
Eingestiegen ins Boot war ich mit einer Plastiktüte und Walters Hilfe und das wiederholte
sich die nächsten Tage, bis ich es leid war und die Heilung meines Fußes auf Deutschland
vertagt hatte. Dann jedoch war ich froh, nicht mehr dauernd auf imaginären Absatzschuhen
zu laufen, damit der unebene Untergrund nicht ständig in die Wunde drückte.
Die Überfahrt zur Insel Iz war eindrucksvoll. Das Wasser war so glatt, das Walters Boot sich
darin exakt spiegelte, sogar der Schriftzug seines Bootes war zu lesen. Also man hätte sich
im Wasser rasieren können... Es war Samstag und die Menschen schliefen noch oder gingen anderen Geschäften nach. Hier auf´m Teich waren wir weitestgehend für uns.
Als wir die Westseite Iz entlang fuhren, begannen wir mit der Lagersuche. Felsiges Ufer gesäumt von Steinwällen, dahinter Olivenhaine waren das was wir zu sehen bekamen. Dann
kam ein kleiner Hafen, wo bereits ein Boot vor Anker lag. Wir zogen weiter und fanden um
die nächste Biegung einen ganz kleinen gemauerten Hafen mit kleinem Slip. Drumherum
Geröll, na dann schlafen wir halt auf dem Hafenmäuerchen.
- 17 Beim Fotografieren im nahe gelegenen Olivenhain entdeckte ich vertrocknete Skabiosen
(oder Jungfer im Grünen) und schüttelte ihre Samenkapseln in der Hoffnung, dass sie noch
Samen enthielten... und das taten sie. Ich nehme gern Pflanzensamen von meinen Reisen
mit und freue mich dann im Jahr darauf wenn ich verwandelte Erinnerungen wachsen und
blühen sehe. Ich hatte bereits Zistrosensamen (aus der Macchia) und welche, deren Namen
ich nicht kannte gesammelt.
Ich fand auch zwei Stücke Schlangenhaut, eines davon über dreißig Zentimeter lang. Gott
sei Dank hatte ich die leeren Dosen vom Brotaufstrich nicht entsorgt. Ich konnte sie mittlerweile alle gut gebrauchen für die Seeigel, Samen, Diestelbätter, Wassernüsse, Aristotelischen Laternen, Vulkansteine und Schlangenhäute...
An diesem Platz beobachteten wir viele verschiedene Krebse, im Wasser beim Herumlungern, im Wasser beim Essen der Algen mit denen die Steine bewachsen waren, auf dem Slip
nur so, auf dem Slip beim Revier verteidigen und nachts beim Fastvollmondspaziergang auf
meinem Schlafsack... und bei dem darauf folgenden Flug zurück ins Wasser. Der erste fliegende Krebs!
Auch einen großen Sardinen- oder Makrelenschwarm konnten wir beobachten, wie er unseren Hafen komplett umschloss. Sah aus wie ein Fischbandmuster oder ein Fischmusterband
im Meer...
In der folgenden Nacht würde Vollmond sein und wir begannen konkreter über das Vorhaben
Nachtfahrt zu sprechen. Walter wollte nämlich gern bei Vollmond auf dem Meer paddeln,
weil der Mond alles beleuchten würde... Trotz meiner Maleschen. Ich war sehr neugierig darauf und andererseits hatte ich Bedenken, ob ich damit so gut klarkomme, mir die Nacht mit
dem Paddel um die Ohren zu schlagen. Aber wenn man die Dinge nicht ausprobiert, kann
man es eben nicht wissen...
Nach Ugljan und weiter durch die Vollmondnacht … (11./12.9.11)
Der nächste Morgen begrüßte uns mit stahlblauem Himmel, wir grüßten mit tiefbraunen Kaffee zurück. Ich finde es wunderbar morgens außerhalb der Schatten ein Plätzchen in der
Sonne zu suchen. Die Wärme auf der Haut zu spüren, die mir unterschwellig Geborgenheit
versichert. Das klappte durch die vorgelagerte Minihafenmauer ganz gut. (Wir fuhren ja im
Westen um die Insel.)
- 18 Gemach packten wir unsere Boote, die sich im geschützten Hafenwasser spiegelten und
genossen das spezielle Panorama. Von links nach rechts wurde das Meer durch eine einzige
Insel, bestehend aus vielen Hügeln begrenzt: Dugi Otoks Ostseite. Und davor lagen ein paar
Inselchen die im Dunst über dem Wasser mit dem Mamut verschmolzen. Begleitet von dem
einen oder anderen Segelboot gelangten mit einer kleinen Pause an die Nordspitze von Iz,
wobei wir mehrere Thunfischfarmen passierten.
Nun gab das Meer einen anderen Blick frei. Wir konnten rechts die Insel Ugljan in „voller
Breitseite“ sehen. Und das war unsere nächste Überfahrt - zwischen einer recht bewegten
See, da Sonntagsbetrieb (Segler, Fähren, Ausflugsboote) und drei Beaufort schräg von der
Seite.
Drüben auf Uglian angekommen, hatte mich die Zivilisation wieder. Ich tröstete mich, in dem
ich ihre Vorzüge vorzog... Im nächsten Segelhafen, Mulin, gab’s erstmals auf dieser Tour Eis
und kühles Bier. Dabei besprachen Walter und ich ausgelassen alles mögliche Erlebte und
überlegten, von wo aus wir unsere nächtliche Aktion starten wollten. Es sah so aus, als würde es eine Überfahrt werden, denn es lag gerade keine Küste auf der Strecke die wir hätten
entlang paddeln können. Also irgendwo von der Ostseite Uglians rüber ans Festland... Alles
sprach dafür dass es heute Nacht soweit war.
Ich glaube dass wir uns so ein wenig ablenkten von der Tatsache, dass unsere Tour den
Beigeschmack vom Ende bekam. Das nächste Mal werde ich versuchen, diesen Abschnitt
„Wieder zurück ins normale Leben“ möglichst kurz zu halten.
Wir brachen auf, um vom Hafen Mulin auf die Ostseite von Uglian zu gelangen. Diesen Küstenabschnitt paddelten wir laut singend mit „The foggy Dew“, in der uns bekannten Version
von den Dubliners. Nur ohne Text. Auf der Ostseite angelangt, konnten wir erstmals das
Festland sehen und ein Stück weiter südlich sogar Zadar. Die Lagerplatzsuche war schnell
erledigt, da wir unverhofft an eine Luxusmole von einem Luxusanwesen im Hinterland gelangten. Die Eigentümer waren nicht anwesend und deshalb okkupierten wir das Areal.
Wir bereiteten uns ein zünftiges Abendessen und inspizierten die gegenüberliegende Küste,
machten Zadar aus und weitere kleine Orte. Uns „gegenüber“ lag Petrcane. Dann schauten
wir der Dämmerung beim Dämmern zu und prägten uns die Lichterskyline ein, um im Dunkeln den Kurs halten zu können. Lange bestaunten wir den Mond, der im Wasser so eine Art
Lichtgischt in die kleinen Felsen am Ufer malte. Es erinnerte mich an Bilder von Caspar David Friedrich oder William Turner. (Beides auch Seemaler!)
Wir warteten und warteten... und dann sagte Walter zu mir, dass wir auf dieser schönen Mole besser schlafen sollten, als eine Nachtfahrt zu machen. War hier etwa jemand ein bisschen müde und unlustig?... Da holten wir halt unsere Schlafsäcke aus den Booten und verstauten uns darin. Morgen würde ja noch genug Vollmond übrig sein, trösteten wir uns.
Die große Laterne auf der Luxusmole war tatsächlich außer Betrieb, aber die Kirchturmuhr
die wir Mitternacht schlagen hörten, war es nicht. Walter fragte mich, ob ich wach sei - er
könne nicht schlafen, weil ihn die Mücken ärgerten. Also ich war schon wach und die Mücken ärgerten mich auch. Und so beschlossen wir, heute noch einmal eine Nachtfahrt zu
machen. So schön war ja dieser Molenmückenplatz dann doch nicht.
Noch mal Kaffeekochen zum „Nochmehrwachwerden“ ... Wir gingen sorgfältig das Lager ab,
damit nichts unbeabsichtigt liegen blieb. Dann half mir Walter ins Wasser und ich paddelte
ein paar Schläge hinaus, um auf ihn zu warten. Ich sah ins Meer. Der Mond schien so hell,
dass ich die paar Meter durch das Wasser auf den Grund sehen konnte. Jeden Fels und
jede Seegurke konnte ich erkennen! Ich musste an die Nachtszenen aus alten Karl May Filmen denken. Die sahen genauso unecht aus.
- 19 Wir paddelten in das dunkle Wasser hinein. Zunächst war das Meer ruhig und ich hatte Zeit,
mich an die veränderten Bedingungen zu gewöhnen. Je weiter wir uns jedoch vom Land entfernten, desto belebter wurde die See. Mein Gleichgewichtssinn war eindeutig mehr gefordert, denn ich konnte die Wellen erst sehen kurz bevor sie mein Boot erreichten. Ich spürte
jede kleinste Bewegung des Bootes noch deutlicher.
Beim Zurückblicken warf der Mond eine breite Lichtstraße aufs Meer. Sonst nichts. Lange
einfach nichts... Wir hatten das Meer für uns allein. Die Lichter von Petrcane blieben sehr
lange unverändert klein und die Zeit blieb stehen.
In den ganzen Stunden begegnete uns kein einziges Boot oder Schiff. Es war für meine Verhältnisse ziemlich frisch nachts und ich paddelte freiwillig zügig weiter, sonst hätte ich gefroren... Doch irgendwann nach Stunden wurden auch die Promenadenlichter am Festland größer, nahmen Kontur an und tauchten ihre Umgebung zunehmend in ein skurriles Licht. Und
wir tauchten aus einer anderen Welt in die schlafende Zivilisation ein.
Ich habe diesen Zustand noch nie zuvor erlebt, so unwissend auf Land zu zusteuern und
alles mit den Augen intensiv abzutasten, damit sich mir der Gegenstand, das Gebäude oder
der Zwischenraum erschließt. Es war ein bisschen so, als sähe ich die Welt zum ersten Mal.
Verstärkt wurde dieser Eindruck durch die Tatsache, dass ich in den letzten zwei Wochen
eigentlich nur Wasser und Felsen oder Kiesstrände gesehen hatte. Alles natürliche unregelmäßige Formen und auf einmal liegt eine geometrisch geordnete Welt vor mir. Eine kleine
Stadt.
Wir mussten im unbekannten Dunkeln, geblendet von der Beleuchtung besonders aufmerksam sein, damit wir nicht auf Felsen oder auf Grund liefen. Es war noch Nacht und wie Diebe
glitten wir im seichten ruhigen Wasser die Promenade entlang bis in den kleinen Hafen. Dort
verbellte uns ein Hund und weiter glitten wir auf der Suche nach einer Möglichkeit auszusteigen. Am dunklen unbekannten Strand mit Plastiktüte um den Fuß gewickelt, meine Wunden
aufgeweicht und brennend vom Salzwasser ... hatte ich ein bisschen die Schnauze voll...
und ganz doll die Blase.
Aber bleiben wollten wir hier nicht und so paddelten wir weiter nordwärts die Küste entlang
an nächtlich beleuchteten Industrieanlagen. Es roch blumig fein. Wir rätselten, ob dort Parfüm hergestellt wird... Dann überquerten wir eine große Bucht... Eine Stunde später hing
dieser Mond immer noch hoch am Himmel und ich allmählich in den Seilen. Ich war müde
und ausgepowert, was meinen Wärmehaushalt betraf. Wir suchten nach einem Ausstieg und
fanden ihn in einem trostlosen Ort zu einer trostlosen Zeit. Kurz vor Sonnenaufgang, kühl,
feucht... Durchgefroren zog ich mir warme Kleidung an und dann kochten wir uns eine heiße
Suppe. Wir warteten auf die Sonne...
Abschied (12./13.9.11)
Die tauchte allmählich alle Welt wieder in ihre üblichen Zusammenhänge. Wir waren an einer
Küste mit sehr flachem Gefälle. Dies hatte ich schon zuvor beim Paddeln gespürt doch jetzt
konnten wir es auch sehen. Hier in Zaton blieben wir noch ein Weilchen zum Aufwärmen,
Einkaufen und Frühstücken, vermutlich zur Verwunderung der Bevölkerung und dann begaben wir uns nach Norden zurück zu dem Örtchen Privlaka, wo sich unsere Runde schloss.
Weit draußen zu unserer Linken lag die Insel Molat zu der wir diese traumhafte Überfahrt
gemacht hatten...
Jetzt war endgültig Abschiedsstimmung in mir. Das unterstrich auch der Richtungswechsel
gen Osten hin zum Velebitgebirge. Es war ein sehr schwüler heißer Tag und je näher wir
zum Velebit kamen, desto mehr stand die Luft vor dem Gebirgsrücken. Der Anblick jedoch
war enorm schön.
- 20 Wir steuerten nach einigen Überlegungen unsere kleine Alcatrazinsel an und nahmen auf ihr
Platz. Ausruhen von der ungewöhnlichen letzten Reiseetappe war jetzt angesagt. Essen...schlafen...
Anderntags hingen die Wolken so tief, dass die Sonne bis zehn Uhr brauchte, um sie aufzulösen. Wir fanden das gar nicht angenehm, aber die kargen Sträucher schon. Diese hatten
allein von der Feuchtigkeit aus der Luft ihre Blüten geöffnet. Aha, deshalb also die Wolken.
Wir sollten dieses Inselchen eben auch noch einmal blühend erleben. Und dazu ließen wir
uns den ganzen Tag Zeit.
Dann kam der letzte Abschnitt unserer Tour zurück nach Devcic Draga unter der großen hohen Brücke hindurch zum Fuße des Velebit.
Unser Wirt, der übrigens mal Seefahrer war und deshalb gut Englisch sprach, erwartete uns
schon. Wir nahmen uns wieder ein Zimmer und sortierten unsere sieben Sachen vom Boot
ins Auto. Abends saßen wir mit dem Wirt beim Essen zusammen und erzählten von unseren
Erlebnissen. Zuletzt schenkte er mir noch einen riesengroßen lilagrauen Seeigel, den er zwei
Wochen zuvor als Beifang im Netz hatte! Ehrlich ungelogen mit einem Durchmesser von
zehn Zentimetern.
Anderntags ging’s dann zurück über die Berge tief ins Landesinnere...weit weg vom Meer.
Noch mal Übernachten auf einem Feld hinter der Grenze auf slowenischer Seite und dann
über die Berge zurück... Walter nach Hause bringen und mich dann auch.
Aus Slowenien habe ich noch von einem herrenlosen Apfelbaum, der neben einem alten
Herrenhaus stand, Äpfel aufgesammelt und später zuhause ein Urlaubsgedächtnistrostapfelmus gekocht. Es war sehr lecker...
PS: Auch in diesem Urlaub sind mir keine Schwimmhäute zwischen den Fingern gewachsen,
ich weiß nur noch nicht, was ich da falsch mache...
Quelle:
http://www.outdoorseiten.net/forum/showthread.php?56089-HR-Dalmatinische-Inseln-meinSeekajakherz-auffüllen > Thread plus Posting 10, 17, 20+22; Fotos in Postings 23, 24+28
Kartenmaterial:
Dalmatinische Küste (1:100.000), Feytag & Berndt (inkl. nautischer Informationen)
Blatt 1: Zadar – Kornaten
(Erstfassung: 22/09/11)