Gottes Gebote in unserer Zeit Predigt über das 8. G
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Gottes Gebote in unserer Zeit Predigt über das 8. G
Predigtreihe über die 10 Gebote zum Thema: Die zehn grossen Freiheiten – Gottes Gebote in unserer Zeit Predigt über das 8. Gebot, 2. Mose 20,15: Von Gott, der uns Eigentum anvertraut („Du sollst nicht stehlen“); gehalten in Mundart von Pfr. Peter Lehner in den Quartiergottesdiensten im Gschwader am 15.11.08 und in Nänikon am 16.11.08. Liebe Gemeinde „Auch ein ‚kleiner’ Diebstahl ist Diebstahl“, so lautete die Schlagzeile eines Artikels im Anzeiger von Uster am Freitag, 7.11.08. Dort war zu lesen: „Einen Hofladen oder einen Kürbiswagen zu betreiben, ist für Bauern ein Risiko, denn nicht alle Kunden zahlen ihre Ware.“ Heute wird gestohlen wie nie zuvor. Ulrich Wickert, der ehemalige Tagesschausprecher des deutschen Fernsehens, schreibt in seinem Buch „Der Ehrliche ist der Dumme – über den Verlust der Werte“ folgendes: „Der Betrug ist inzwischen ein Gesellschaftsspiel geworden...“ Tatsächlich ist Diebstahl zum Kavaliersdelikt Nr. 1 geworden. Es wird geklaut, mitgenommen, entwendet, abgestaubt, organisiert, unter den Nagel gerissen, englisch eingekauft, abserviert und das obwohl im Schweizerischen Strafgesetzbuch im Art. 139 zu lesen ist: „Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen anderen damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.“ Und in den 10 Geboten steht geschrieben: „Du sollst nicht stehlen.“ Das hebräische Verb für stehlen heisst „ganab“ und davon leitet sich das Wort „Ganove“ ab. Erinnern sie sich noch an den Ganoven-Ede, Eduard Zimmermann, der in einer Fernsehsendung auf Trickbetrüger aufmerksam machte und Betrügereien – und überhaupt Verbrechen, aufdeckte. Immer wieder staunte man darüber, wie Menschen andere übers Ohr hauen, täuschen, bestehlen und schädigen können. Liebe Gemeinde, vergegenwärtigen wir uns zuerst den weiten Horizont des Gebotes, wie er ja für alle 10 Gebote gilt: Es will unser gemeinsames Leben schützen. Ich habe versucht, das in der Auslegung der ersten sieben Gebote klar zu machen: Nirgends geht es um Lebensverhinderung, ums Verbieten, immer geht es um eine gute, menschliche Ordnung, die das Zusammenleben schützen will. Die Gebote sind Wegweiser zu einem gelingenden Leben. Fragen wir zuerst nach dem ursprünglichen Sinn des achten Gebots. Das Gebot „Du sollst nicht stehlen“ schützt ursprünglich ein ganz bestimmtes Gut: Die Freiheit des Menschen. Es spricht wie alle anderen Gebote nicht zuerst von Dingen, sondern von Menschen. Du sollst keinen Menschen zur Ware machen und dir aneignen; du sollst ihn weder stehlen noch rauben. Im Kommentar zum Gesetzt des Moses steht (2. Mose 21,6): „Wer einen Menschen stiehlt, gleichgültig ob er ihn verkauft hat oder er sich noch in seiner Gewalt befindet, wird mit dem Tod bestraft.“ Zwei Erfahrungen sind es, die zum Gebot geführt haben: Einmal die Erinnerung daran, wie die Söhne Jakobs ihren Bruder Joseph gegen Geld verkauften. Wer so über das Leben des Bruders wie über sein Eigentum verfügt, der zerstört die Gemeinschaft. Zum anderen ist da die Erfahrung der Sklaverei in Ägypten und die Befreiung daraus. Das Volk erlebte in den Arbeitslagers des Pharao die Tragödie der Sklaverei: Sie waren Eigentum des Despoten, der über sie verfügte. Und als Gott das Volk befreite, da zog es die Konsequenz: Niemand darf in Zukunft jemanden aus der Gemeinschaft als seinen Besitz betrachten, denn Gott hat alle befreit. Das also sind die Erfahrungen, die hinter dem Gebot „Du sollst nicht stehlen“ stehen. Obwohl der Sklavenhandel verboten ist wurde der Menschendiebstahl bis heute nicht abgeschafft. Menschen werden entführt, Lösegeld wird erpresst. Ich erinnere Sie an die Entführung von Natascha Kampusch, der viele Jahre ihrer Kindheit und Jugendzeit gestohlen wurde. Es gibt Zwangsprostitution, wo schätzungsweise 200'000 Sexsklavinnen aus Osteuropa in den EU-Raum importiert werden. Etwa 250'000 Kindersoldaten sind zur Zeit in Afrika in kriegerischen Handlungen verwickelt. Dazu kommen Millionen von Menschen, die als willige Arbeitssklaven im Fernen Osten unserem Wohlstand dienen. Es ist auch gar nicht mehr nötig, ihnen einen Nasenring anzulegen, sie anzuketten oder auszupeitschen. Sie arbeiten freiwillig 16 Stunden am Tag ohne sauberes Wasser, ohne Arbeitsschutz. Sie begnügen sich mit einem Schüsselchen Reis, damit wir nicht nur etwas zum Anziehen haben, sondern nach der Frühjahrskollektion auch die Herbstkollektion kaufen. Wenn da eine Modekette ihr Geld damit verdient, dass 10jährige Kinder Pailletten auf Kleider für Europa sticken, dann wird wesentlich mehr gestohlen als Geld. So wird Menschen ihre Würde, ihre Kindheit, ihre Bildung, ihre Freiheit, ihr Frieden und ihre Hoffnung gestohlen. Da können wir Verantwortung übernehmen, indem wir nachfragen, unter welchen Bedingungen die Sachen, die wir kaufen, hergestellt wurden. Wir können aber auch Produkte aus fairem Handel kaufen. Liebe Gemeinde, auf dem Hintergrund des 8. Gebotes vom Stehlen wird nun auch noch ein biblisches Wort fällig über den Besitz. Die Bibel sagt nämlich, dass alles Eigentum, Silber und Gold, alles gehört Gott, ja „dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und die ihn bewohnen“ (Ps. 24,1). Aus der Sicht der Bibel sind wir Menschen streng genommen gar keine Besitzer, wir sind nur Pächter, Verwalter. Es ist ja auch bezeichnend, dass im Laufe der Zeit das Wort „Besitzer“ anrüchig geworden ist. „Be-sitzen“, das kommt daher, dass man auf etwas sitzt, auf seinem Hab und Gut sitzt und sich daran festklammert. Haben wir vergessen, dass letztlich Gott allein der Eigentümer ist? Wohl deshalb sagen wir im Volksmund: „Das letzte Hemd hat keine Taschen!“ Den Israeliten war das, trotz der Landnahme unter Josua, klar, dass das Land, in dem Milch und Honig fliessen, nie wirklich ihr Eigentum war. Es wird zwar den Israeliten feierlich zugeteilt zum ewigen Erbteil. Aber gleichzeitig kann Gott sagen (3. Mose 25,23): „Das Land aber darf nicht für immer verkauft werden, denn das Land gehört mir, und ihr seid Fremde und Beisassen bei mir.“ Das Land ist Israel nur geliehen, verpachtet auf Lebenszeit. Damit stellt Gott sicher, dass der Besitz den Menschen dient und auch für ihre wirtschaftliche Freiheit sorgt und nicht zum Spekulationsobjekt wird. Das zeigt sich daran, wie man mit dem Eigentum umgeht. Gott verordnete dem Volk das Sabbatjahr: In jedem 7. Jahr sollte der Acker nicht bebaut werden im Vertrauen darauf, dass die Ernte bis zum 9. Jahr ausreicht. Und jedes 50. Jahr war ein sogenanntes Jubeljahr. Dann fiel alles verkaufte Land an die ursprüngliche Familie zurück. Niemand sollte Reichtümer anhäufen können, die länger als ein Menschenleben bestehen. Und niemand konnte so verarmen. Die Verfehlungen, die sich durch Habgier und Misswirtschaft immer wieder ergaben, wurden so regelmässig begradigt. Israel war damit ein Modell, ein lebendiges Gegenbeispiel für die Welt, in der Raffgier und Habgier regiert. Unter den Israeliten wurde schon einmal die Vision geprobt, dass es tatsächlich die Sanftmütigen und nicht die Skrupellosen sind, die das Land besitzen. Dass nicht nur der mit den stärksten Ellbogen sich am Markt durchsetzt. Da liegt also die Würde des Gebotes „Du sollst nicht stehlen“. Dieses Gebot öffnet uns also den grossartigen Lebensraum auf dieser Erde, die uns Gott geschenkt hat. Darum wird gleichzeitig im Umfeld des 8. Gebotes auch über Betrug und Bevorteilung gesprochen, 3. Mose 19,11: „Ihr sollt nicht stehlen und nicht lügen und einander nicht betrügen.“ 3. Mose 25,14: „Und wenn ihr dem Nächsten etwas verkauft oder etwas von ihm kauft, sollt ihr einander nicht übervorteilen.“ V. 35+36: „Ihr sollt kein Unrecht tun...beim Messen, Wiegen und Abmessen. Eine richtige Waage, richtige Gewichtsteine...sollt ihr haben.“ Ein Mann geht eines Tages durch die Stadt. Da sieht er einen Bettler und er fragt Gott: „Warum hilfst du diesem armen Mann nicht?“ – „Das tue ich doch“, antwortet Gott. „Dazu habe ich dich geschaffen!“ Das ist also Gottes Vision, die sich hinter dem 8. Gebot verbirgt: Menschen, die mit ihrem Besitz glücklich und zufrieden sind und auch andere Menschen an diesem Glück teilhaben lassen. Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft, Grosszügigkeit, das ist das Ziel. Eine Welt, die keine Alarmanlagen keine Sicherheitsschlösser braucht, weil keiner auf die Idee kommt, einem anderen etwas weg zu nehmen und jeder genug hat zum Leben. Es ist eine Welt ohne Hunger und Elend, weil es selbstverständlich ist, miteinander zu teilen. Was er nicht wollte, sind Menschen, die der Habgier verfallen, Menschen, die ihren Besitz für wichtiger nehmen als Gott; was er nicht wollte sind menschliche Gesetze, die die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden lassen. „Du sollst nicht...“ Wir wissen, dass wir hier alle immer wieder versagen. Ja wir sollten, müssten – aber können wir auch?! Umdenken! Biblisch denken, als Christen denken und handeln? Gott kann – ER hat etwas Einmaliges, etwas Gewaltiges unternommen. Er gibt! Er gibt sich selbst, teilt sich mit uns, wird Mensch in seinem Sohn Jesus Christus. Er hat damit alles gegeben für uns, zur Vergebung der Schuld, damit wir anfangen mit ihm zu denken, zu leben und zu handeln. Er unterscheidet sich darin von den Göttern und Götzen aller Zeiten und Orte. Alle Menschengötter sind stark im Nehmen. Götter fordern Opfer, wollen etwas von uns. Der Gott aber, zu dem wir beten, ist stark im Geben. Er opfert sich selbst. Seit diesem Opfer gibt es nicht nur ein Nehmen, sondern auch ein Geben, ein Geben in dieser Zeit und Welt. Und dann gibt es da den Tisch in der Mitte unserer Kirchen. Gott lädt ein zu diesem Tisch. Gott gibt – auch da! Solange Menschen leben, die diesen Gott kennen, so lange wird das Wissen nicht aussterben, dass Teilen besser ist als Stehlen und Geben seliger ist als Nehmen. Und Jesus fordert uns als seine Nachfolger auf (Matth. 6,19-20): „Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie zerfressen, wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost sie zerfressen, wo keine Diebe einbrechen und stehlen.“ Es geht beim Gebot also nicht um einen Aufruf zur Selbstbeherrschung, sondern um Gottvertrauen. Nur im Vertrauen auf seine Macht und seine Liebe können wir es uns leisten, anderen das zu lassen, was sie haben, und dadurch anders zu sein als die anderen. Solange Menschen ihre eigenen Wunschvorstellungen zum Massstab ihres Handelns machen, bereiten sie einander die Hölle auf Erden. Sobald ein Mensch Gott vertrauen kann, verwirklicht sich ein Stück Himmel auf Erden. Das ist dort, wo ein Mensch sagen kann: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ (Psalm 23). Ich brauche anderen nichts wegzunehmen, denn Gott sorgt für mich. Dieses Gottvertrauen wieder zu entdecken oder es ganz neu auszuprobieren oder – wenn Sie es haben – dankbar zu bestätigen: Dazu lädt das 8. Gebot ein und dazu lade ich Sie nun ein, dass wir uns mit den Worten des 23. Psalms zu Gott bekennen, der unser Hirte ist und der für uns sorgt. Miteinander beten wir die Worte wie sie im Kirchengesangbuch unter der Nummer 113 zu lesen sind: „Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Strasse um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“