Die zehn grossen Freiheiten – Gottes Gebote in unserer Zeit

Transcription

Die zehn grossen Freiheiten – Gottes Gebote in unserer Zeit
Predigtreihe über die 10 Gebote zum Thema:
Die zehn grossen Freiheiten – Gottes Gebote in unserer
Zeit
Predigt über das 4. Gebot, 2. Mose 20,8-11: „Von Gott, der uns den Feiertag
gönnt“ (Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heilig haltest);
gehalten in Mundart von Pfr. Peter Lehner im Gschwader und in Nänikon am
8./9.3.08
Liebe Gemeinde
„Denke an den Sabbattag und halte ihn heilig.“ Das heisst, der siebte Tag soll ein
besonderer Tag sein. Kein Tag wie jeder andere. Dass dieser Tag anders ist zeigt
schon die Tatsache, dass er der einzige ist, der einen Namen bekommt. Alle anderen
Tage sind in der Bibel namenlos, sie werden einfach nummeriert von eins bis sechs.
Warum aber soll dieser Tag ein besonderer Tag sein? Die Bibel sagt, dass Gott
Himmel und Erde in sechs Tagen geschaffen hatte – „dann aber ruhte er am 7.
Tag.“ Im Hebräischen wird hier das Wort „naphasch“ gebraucht, was übersetzt
heisst: „aufatmen, verschnaufen, neuen Atem schöpfen“. Gott tut noch mehr: Er
segnet und heiligt diesen Tag. Er macht ihn zu etwas ganz Aussergewöhnlichem.
Warum? Gott freut sich an diesem Tag über das Geschaffene und will feiern. Er will
nicht allein feiern, er will diesen Tag in Gesellschaft mit seinen Geschöpfen
verbringen.
Warum ist es denn ein besonderer Tag? Weil es auch hier darum geht, dass Leben
und Freiheit gemehrt wird. Es geht nicht darum, dass wir Gesetzesparagrafen
erfüllen müssen, damit Gott zufrieden ist, sondern wie Jesus selber sagt (Markus 2,
21ff): „Der Sabbat dient dem Menschen“, dient unserem Leben, unserer Freiheit.
Interessanterweise heisst es hier nicht wie bei den anderen Geboten: „Du sollst“,
sondern einfach „gedenke“. Gedenke heisst: Denke an das, was du eigentlich schon
weisst, was dir vielleicht aber gar nicht richtig bewusst ist.
Schauen wir genau hin, warum wir den Sabbat brauchen, warum wir den Sonntag,
einen Ruhetag, einen Feiertag brauchen.
1. Wir brauchen einen gesunden Ausgleich von Arbeit und Ruhe
Liebe Gemeinde, wir haben hier nicht ein Gebot, sondern zwei Gebote in einem. Das
erste lautet: „Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Arbeit tun.“ Und das
zweite heisst: „...der siebte Tag aber ist ein Sabbat für den Herrn, deinen Gott.
Da darfst du keinerlei Arbeit tun...“
Arbeit ist ein wichtiger Teil unseres Lebens. Arbeit ist wichtig, um Geld zu verdienen,
das wir zum Überleben brauchen – aber mehr noch: Ohne Arbeit, im Sinne von
sinnvoller Beschäftigung, könnte ich nicht existieren. Das heisst nicht, dass ich nicht
gerne auch einmal in die Ferien verreise und dann gerne lange schlafe – es kommt
dann aber auch der Moment, an dem ich mich wieder auf die Arbeit freue. Arbeit hat
mit Sinn zu tun, darum ist ja auch die Arbeitslosigkeit so eine schlimme Sache. Es ist
ja nicht nur die finanzielle Not, die damit verbunden ist, sondern auch die
Sinnlosigkeit, das Gefühl, untauglich zu sein.
Arbeit kann einen aber auch leicht gefangen nehmen, ja sie kann zum Götzen
werden. Und das Verrückte daran: Arbeit zieht Arbeit nach sich. Je besser jemand in
seinem Job ist, umso mehr Aufgaben warten auf ihn. Das steigert zunächst das
Selbstwertgefühl. Man fühlt sich wichtig und unersetzlich und arbeitet immer mehr
und die Spirale dreht sich immer schneller. Am Ende steht der Zusammenbruch oder
der Herzinfarkt oder die zerstörte Ehe. Und davor möchte das vierte Gebot uns
bewahren.
Arbeit ist gut und sinnvoll aber eben nicht um jeden Preis. Wir wissen es doch
eigentlich, dass wir nicht ständig im Einsatz sein können – wir brauchen Pausen, wir
brauchen das bewusste Time-out. Time-out meint einen Spielunterbruch im Sport,
die der Trainer beanspruchen kann. Sinn einer solchen Unterbrechung ist es, die
Mannschaft zu beraten, um dann anders weiterspielen zu können. Das Schaffen,
Gestalten ist nur dann sinnvoll, wenn es zu einem gesunden Ausgleich kommt
zwischen Einsatz und Rückzug, zwischen Arbeiten und Ruhen. Und diesen
Ausgleich muss Gott verordnen. Er selbst hat es schöpfungsgemäss so gemacht, er
ruhte am 7. Tag und er will, dass seine Geschöpfe das auch machen. Er sagt:
„Arbeite ruhig 6 Tage, aber am 7. Tag darfst du freimachen, sollst du, musst du
ausruhen, durchatmen.
Wir beschäftigen uns hier mit einem sehr umkämpften Feld. Wir alle wissen doch,
dass immer mehr Leute mit dem so genannten ‚Burn-out-Syndrom’ zu tun haben,
Menschen, die ausbrennen, überarbeitet sind und irgendwann zusammenbrechen,
weil eben diese gesunde Spannung nicht mehr vorhanden war zwischen Arbeiten
und Ausruhen, zwischen Geben und Nehmen.
Es ist auch darum ein umkämpftes Feld, weil wir ja in einer Zeit leben, wo der
Sonntag immer mehr ausgehöhlt wird. Klar, wir stimmen sofort zu, in Spitälern, bei
den Verkehrsbetrieben und beim Rettungsdienst muss auch sonntags gearbeitet,
weil es den Menschen dient, der Gesundheit, dem Leben, allgemein. Menschen, die
in diesen Bereichen arbeiten, müssen wir helfen, einen Rhythmus zu finden, dass zB
der Mittwoch zum Sonntag wird oder der Freitag, wie auch immer.
Doch gleichzeitig muss nicht alles am Sonntag sein. Ich las von einem Besitzer eines
Damen- und Herrenkleidergeschäftes, der sich bewusst dagegen ausgesprochen
hatte das Geschäft an Sonntagen geöffnet zu haben. Ohne Erfolg! Die
Ladenöffnungszeiten wurden auf gewisse Sonntage erweitert. Er aber mit seinem
grossen Modegeschäft machte nicht mit. Im Schaufenster hing ein Plakat auf dem zu
lesen war: „Textilien sind nun wahrlich nicht lebensnotwendige Dinge. Um
lebensentscheidende Dinge geht es aber heute im Gottesdienst!“ Zum Erstaunen
vieler hat der Geschäftsinhaber keine Umsatzeinbussen erlitten und setzte so ein
klares Signal an die Umgebung.
Was also ist am Sonntag dran, was ist lebensnotwendig und was nicht? Spital sicher,
Modegeschäfte, Auto waschen? Ich habe das Gefühl, dass wir da sehr aufpassen
müssen, dass wir nicht vom Arbeitsstress zum Freizeit- und Einkaufsstress kommen.
Die evangelische Kirche Deutschlands hat darum eine Plakatkampagne gestartet.
Auf einem Plakat stand: „Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage.“
Gott sagt „nein, du brauchst einen Tag der Woche, wo du dich vom Alltagsstress
abwenden kannst, wo du Zeit hast für dich, für die Menschen und auch für mich.“
Das gilt für jeden, ob er im Berufsleben steht oder den Haushalt versorgt, zur Schule
geht oder auch in Rente ist: Einen Tag der Woche, wo man sich abwenden kann von
allem Alltagskram, wo nicht gebügelt werden muss, endlich mal ein Tag, wo ich nicht
am PC sitzen muss, wo ich nicht Akten wälzen oder Schrauben anziehen muss. Du
hast frei, das gönnt uns Gott schöpfungsgemäss, damit wir nach Leib, Seele und
Geist auftanken können. Das ist die kollektive Dimension des Gebotes. Wir machen
uns auch Gedanken über die geistliche Dimension des Gebotes:
2. Wir brauchen Zeit für die Begegnung mit Gott
Am Anfang der Predigtreihe habe ich Ihnen gesagt, dass die Zehn Gebote zweimal
überliefert sind. Zum einen in 2. Mose 20, woraus Sie unseren heutigen Predigttext
gehört haben. Zum anderen steht der Text auch in 5. Mose 5. Dieser ist identisch bis
auf das 4. Gebot. Da heisst es nämlich am Ende nicht „...das ist deshalb wegen der
Schöpfung“, sondern die Begründung ist anders: „An diesem Tag sollst du nicht
arbeiten... und denke daran, dass du Sklave gewesen bist und dass der Herr,
dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit starker Hand und
ausgestrecktem Arm. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, den
Sabbattag zu halten“ (5. Mose 5,14a.15). Der 7. Tag wird hier begründet als ein
Tag der Freude über Gott, der uns die Freiheit geschenkt hat, Gott hat uns aus der
Knechtschaft geführt. Denke daran, freue dich mit Gott über dein neues Leben,
danke ihm und feiere das in der Gemeinschaft mit ihm. Der Berner Pfarrer Walter
Lüthi hat gesagt: „Gott möchte seinen Feiertag in Gesellschaft verbringen!“ Mit Ihnen
und mit mir. Sabbat im alten Israel, Sonntag für die christliche Gemeinde.
Das ist doch Sonntag: Der erste Tag der Woche, wo die Christen das feiern, dass
Jesus am ersten Tag der Woche das Grab verlassen hat, Auferstehungstag. Er hat
in die Freiheit geführt, heraus aus der Angst vor dem Tod, frei von Schuld, hin zu
einem Leben in der Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott. So feiern Christen den
Sonntag. Tag der Auferstehung, Tag des neuen Lebens, Gottestag.
Von daher ist der Gottesdienst gar nichts Nebensächliches, sondern sozusagen das
Kernfest, der Kerntermin der Woche. Gott sagt im Buch des Propheten Hesekiel:
„Ich habe den Ruhetag euch gegeben als ein Zeichen zwischen mir und euch,
damit ihr erkennt, dass ich der Herr bin, der Gott, der für euch ist, der mit euch
ist“ (Hesekiel 20,12).
Das heisst, der Feiertag dient der Beziehungspflege. Gott sagt im Gottesdienst seine
Treue neu zu; er zeigt, wie wir im Alltag unser Leben gestalten können. Gott erinnert
uns, was er uns geschenkt hat und neu schenkt. Das heisst, der Gottesdienst am
Sonntag ist der Moment, wo wir ausgerüstet werden für die neue Woche mit einer
eisernen Ration. Wir gehen also nicht in den Gottesdienst, um Gott zu beeindrucken
oder Gott zufrieden zu stellen, sondern weil ich als Mensch das brauche, Gott dient
nämlich mir im Gottesdienst und gibt mir das, was ich brauche – jetzt und für die
nächsten sieben Tage, die vor mir liegen. Also: Ruhetag als Gottestag gedacht, als
Zeit für die Begegnung und das Feiern mit Gott, das brauchen wir. Ein arbeitsfreier
Tag allein ist also noch kein biblischer Sabbat. Es ist schon viel wert, den Rhythmus
von Arbeit und Erholung zu pflegen. Aber „den Tag heiligen“ heisst mehr als
ausschlafen. „Heiligen“ bedeutet etwas für Gott aussondern. Das war die geistliche
Dimension des Gebotes. Und noch der dritte Gedanke, die soziale Dimension:
3. Wir brauchen Zeit, um füreinander da zu sein
Liebe Gemeinde, ist Ihnen bei der Lesung auch aufgefallen, dass dieser Ruhetag
eine besondere soziale Note bekommt? Da soll nicht nur der Mensch in Israel nicht
mehr arbeiten, sondern alle Tiere sollen zur Ruhe kommen, alle Sklaven und
Sklavinnen und auch der Fremde, der Ausländer, der bei dir wohnt. Denn: „Denke
daran, dass du selbst in Ägypten ein Sklave warst“.
So erinnert Gott seine Leute daran: Ihr wisst doch wie das ist, wenn man ausgenutzt
wird, wenn man gnadenlos fertiggemacht wird, wenn andere einen ausnutzen um
einen nachher links liegen zu lassen. Das kennt ihr doch, darum achtet darauf,
gerade an meinem Feiertag, achtet auf die, denen das in eurer Gesellschaft auch so
geht. Sonntag, Ruhetag, Sabbat ein sozialer Tag, ein Tag wo wir von Gott daran
erinnert werden, ihr lebt nicht allein. Es sind noch andere Menschen da, die
brauchen euch, die brauchen eure Gerechtigkeit, eure Freundschaft, eure Nähe.
Das beginnt eben im Gottesdienst, dass wir miteinander feiern, dass wir auf Gottes
Wort hören und damit auch die Menschen wahrnehmen, die krank sind, die in
grossen Nöten stecken, dass wir füreinander beten, füreinander da sind. „Denke
daran...“!
Wir haben, liebe Gemeinde, über ein Gebot nachgedacht, das Jesus aufnimmt und
entfaltet. Jesus sagt als Hauptgebot: „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen.“
Feiertag, Ruhetag als Tag, wo wir Gott begegnen, wo wir mit Gott zusammen sind,
Gottesdienst feiern, damit Gott uns dienen kann.
„Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und du sollst deinen Nächsten
lieben.“ Also Ruhetag, Feiertag als soziale Dimension auf die Menschen achten, die
am Rande stehen. Und „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Auch
du sollst nicht unter die Räder kommen, auch du brauchst Zeit zum Durchatmen. Und
in Jesus hat Gott einen in die Welt geschickt, der die Last des menschlichen
Werktages auf seine Schulter geladen hat und uns einlädt und sagt: „Kommt alle
her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet! Ich werde euch
Ruhe geben“ – ich will euch aufatmen lassen! (Matth. 11,28).