Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen

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Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen
DOKUMENTATION
Fortbildungsangebot zum ESF- Programm
Fachtagung
Jugendsozialarbeit
an Berliner Hauptschulen
Stand und Perspektive
2. und 3. November 2007
Landesinstitut für Schule und Medien
Berlin-Brandenburg
in Kooperation mit dem
Sozialpädagogischen
Fortbildungsinstitut
Berlin-Brandenburg
Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Impressum
Impressum
Herausgeber
Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM)
14974 Ludwigsfelde-Struveshof
Tel.: 03378 209-200
Fax: 03378 209-232
Internet: www.lisum.berlin-brandenburg.de
Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB)
Königstraße 36, 14109 Berlin
Tel.: 030 48481-302
Fax: 030 48481-313
Internet: www.sfjg.de
Autorinnen und Autoren
Hinweis: Die Verantwortung für die einzelnen Beiträge sowie die Urheberrechte
liegen bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren.
Redaktion
Karin Wagnitz-Brockmöller, LISUM
Sabine Hellmuth-Preß, SFBB
Fotos
Reinhilde Godulla
Gestaltung und Bearbeitung
Bernd Mahrin, Berlin
Druck
Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM)
Gefördert durch den Europäischen Sozialfonds ESF
Diese Dokumentation finden Sie auch im Internet unter
http://www.bebis.de/themen/hauptschule/jugsoz
© Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM); März 2008
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für schulische Zwecke ist erwünscht. Das LISUM ist eine gemeinsame Einrichtung der Länder Berlin und Brandenburg im Geschäftsbereich des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg (MBJS).
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Impressum
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Inhaltsverzeichnis
3
Vorwort
5
Anne Lersch
Leiterin des Sozialpädagogischen Fortbildungsinstituts
Berlin-Brandenburg (SFBB) und
Dr. Jan Hofmann
Direktor des Landesinstituts für Schule und Medien BerlinBrandenburg (LISUM)
Begrüßung
7
Karin Wagnitz-Brockmöller – LISUM und
Sabine Hellmuth-Preß – SFBB
Grußworte
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Hans-Jürgen Pokall
Landesschulrat
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung,
Berlin
Siegfried Arnz
Oberschulrat für Hauptschulen
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung,
Berlin
Karla Range-Schmedes
Referatsleiterin Jugendarbeit, Kinderschutz und Prävention
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung,
Berlin
Vorträge
Bilanz und Perspektive des ESF-Programms
"Jugendsozialarbeit an Hauptschulen"
Hartmut Brocke
Stiftung SPI, Berlin
Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule
Prof. Dr. Thomas Olk
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forumsbeiträge
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Inhaltsverzeichnis
Forum 1
Interkulturelle Bildung
Prof. Dr. Ingrid Gogolin, Universität Hamburg
Ute Michel MA, Universität Hamburg
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Forum 2
Sozialraumorientierung
Prof. Dr. Ulrich Deinet, Fachhochschule Düsseldorf
27
Forum 3
Evaluation/Qualitätsentwicklung
Dr. Karsten Speck, Universität Potsdam
35
Forum 4
Übergang Schule – Beruf
Hermann Rademacker, München
49
Forum 5
Schuldistanz
Prof. Dr. Karlheinz Thimm, Evangelische Fachhochschule Berlin
58
Forum 6
Elternarbeit
Prof. Dr. Cengiz Deniz, Evangelisch Fachhochschule Berlin
70
Forum 7
Gewaltprävention
Prof. Dr. Kurt Möller, Hochschule Esslingen
80
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Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Vorwort Anne Lersch und Jan Hofmann
Vorwort
Anne Lersch
Dr. Jan Hofmann
Leiterin des Sozialpädagogischen
Fortbildungsinstituts Berlin-Brandenburg
(SFBB)
Direktor des Landesinstituts für Schule
und Medien Berlin-Brandenburg
(LISUM)
Die Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen – Bilanz und Perspektive, die
am 2. und 3. November 2007 im Rathaus Schöneberg stattgefunden hat, wurde im Rahmen
des Tandemfortbildungsprogramms in Kooperation zwischen dem Sozialpädagogischen
Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) und dem Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) gemeinsam geplant und durchgeführt.
Mit dieser Tagung wurden Sozialpädagoginnen, Sozialpädagogen und Lehrkräfte, die als
Tandems an 51 Berliner Hauptschulen tätig sind, angesprochen, zusätzlich wurden Schulleiterinnen und Schulleiter, Kooperationspartner der bezirklichen Jugendämter, der Schulpsychologie und Mitglieder aus dem Beirat zum ESF-Programm "Jugendsozialarbeit an Berliner
Hauptschulen" eingeladen.
Nachdem der 1. Berliner Tandem-Fachtag im Rahmen eines vielfältigen Workshopangebots
ganz praxisorientierte Anregungen vermittelt hat, wurden zu dieser Tagung bundesweit bekannte Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft eingeladen.
In Form von Referats- und Diskussionsforen wurden Ergebnisse und Fragestellungen aus
jüngster Forschung vermittelt. Wichtige Impulse und Anregungen für die pädagogische Arbeit
in den Schulen vor Ort wurden weitergegeben, um den vielfältigen Herausforderungen entsprechen zu können.
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Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Vorwort Anne Lersch und Jan Hofmann
Hierbei wurden wesentliche Felder der Schulsozialarbeit berücksichtigt:
•
Berufsorientierung
•
Schuldistanz
•
Gewaltprävention
•
Elternarbeit
•
Vernetzung im Sozialraum
•
Interkulturelle Bildung
•
Evaluation und Qualitätsentwicklung
In Form von Marktplätzen wurden relevante Arbeitsbereiche aus den am Programm beteiligten Schulen praktisch vorgestellt und die Möglichkeit geboten voneinander zu lernen.
Diese Dokumentation bietet den Tagungsteilnehmerinnen und Teilnehmern einen Einblick in
die Inhalte aller Referats- und Diskussionsforen und einen Einblick in die Bestandsaufnahme
durch die Programmagentur SPI.
Die Tandemfortbildung, die seit nunmehr einem Jahr in Form von thematischen Fortbildungsmodulen, einem Berliner Tandemfachtag und von dieser Tagung stattfindet, ist ein
wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer integrativen Schulsozialarbeit an Hauptschulen.
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Begrüßung
Begrüßung
Entwicklung und Durchführung des Tandemfortbildungsprogramms zum
ESF-Programm "Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen"
Karin Wagnitz-Brockmöller
Pädagogische Mitarbeiterin
mit dem Arbeitsschwerpunkt Hauptschule
im Landesinstitut für Schule und Medien
Berlin-Brandenburg (LISUM)
14974 Ludwigsfelde-Struveshof
Tel.
030 7560-2671
Fax
030 7560-2668
[email protected]
www.lisum.berlin-brandenburg.de
Sabine Hellmuth-Preß
Pädagogische Mitarbeiterin
am Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut
Berlin-Brandenburg (SFBB)
Königstraße 36 B
14109 Berlin
Tel.
030 48481-302
Fax
030 48481-313
[email protected]
www.sfjg.de
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Grußworte
Grußworte
Hans-Jürgen Pokall
Landesschulrat
Senatsverwaltung für Bildung,
Wissenschaft und Forschung, Berlin
Siegfried Arnz
Oberschulrat für Hauptschulen
Senatsverwaltung für Bildung,
Wissenschaft und Forschung, Berlin
Karla Range-Schmedes
Referatsleiterin Jugendarbeit, Kinderschutz
und Prävention
Senatsverwaltung für Bildung,
Wissenschaft und Forschung, Berlin
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Vortrag Hartmut Brocke
Hartmut Brocke
Stiftung SPI,
Sozialpädagogisches Institut Berlin
Jugendsozialarbeit an Hauptschulen: Bilanz und Perspektive
Das Programm
Die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung hat im Jahr 2006
dieses ESF-Programm initiiert, um Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen (sowie seit
Februar 2007 an Berliner Schulen mit sonderpädagogischem Förderbedarf) verstärkt zu
etablieren. Im Rahmen dieses Programms „Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen"
soll übergreifend die institutionelle Trennung von Schule und Jugendhilfe verringert und spezifische sozialpädagogische Kompetenzen unter Berücksichtigung der Interessen von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften in den Schulalltag eingebracht werden. Insbesondere will das Programm an den Hauptschulen erreichen, dass
•
die vorhandenen Kooperationsbeziehungen gestärkt,
•
die bestehenden Konzepte - bezogen auf die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen
Hauptschulen - ergänzt und inhaltlich unterstützt,
•
die weitere Ausgrenzung von weniger „regelkonformen" Schülerinnen und Schülern verringert,
•
die entsprechenden Hilfen bei persönlichen und sozialen Problemlagen durch die Suche
nach Alternativen und Antworten angeboten,
•
die Selbst- und Gestaltungskompetenzen durch die Übernahme von Verantwortung (weiter-) entwickelt und
•
die Lösungsmöglichkeiten für Belastungssituationen wie z. B. häusliche Gewalt, Überforderung, Lernschwierigkeiten erlernt und eingeübt werden.
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Vortrag Hartmut Brocke
Insgesamt sind am Programm 51 Hauptschulen in Berlin beteiligt, 20 davon seit dem 1. Mai
2006 und 31 seit dem 1. September 2006. (Untergliedert in ESF-Fördergebiete ergibt sich
folgende Aufteilung: Sieben Schulen liegen im Zielgebiet I und die anderen 44 Hauptschulen
befinden sich im Zielgebiet III.)
An diese 51 Hauptschulen vermitteln insgesamt 39 am Programm beteiligte Träger der Kinder- und Jugendhilfe Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Die vorhandenen 51 Stellen für
Jugendsozialarbeit (eine Stelle pro Schule) sind mit 83 sozialpädagogischen Fachkräften
besetzt, davon 37 Sozialarbeiter und 46 Sozialarbeiterinnen.
Diesen etwa 11.500 Hauptschülerinnen und Hauptschülern, von denen ca. 4.800 nicht deutscher Herkunftssprache sind, stehen zusätzlich 83 Fachkräfte zur Seite.
Die Umsetzung
Aus den für das Jahr 2007 vorliegenden 51 Anträgen zur Jugendsozialarbeit an Berliner
Hauptschulen lassen sich folgende vier Hauptzielsetzungen herauslesen:
1. Steigerung der Beschäftigungsbefähigung,
d. h. insbesondere Verbesserung des Übergangs Schule - Beruf, Erreichung eines qualifizierten Schulabschlusses, Erwerb von Schlüsselqualifikationen;
2. Reintegration in den schulischen Alltag,
d. h. insbesondere Überwindung von Schulmüdigkeit/Schuldistanz, Identifikation mit dem
Lernort Schule, Motivation der Eltern zur Mitwirkung an der Überwindung der Schulmüdigkeit/Schuldistanz;
3. Stärkung sozialer Kompetenzen,
d. h. insbesondere Erwerb sozialer Kompetenzen, Stärkung der Eigenkompetenz, Hilfe
zur Selbsthilfe;
4. Auf- und Ausbau von Unterstützungsstrukturen,
d. h. insbesondere Stärkung der Mitgestaltungspotenziale, Entwicklung einer Anerkennungskultur, Öffnung der Schule in den Sozialraum (sozialräumliche Vernetzung).
Leistungen im Einzelnen
Laut den Berichten der Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter im Rahmen
quartalsweise zu erstellender Ergebnisdokumentationen werden diese Ziele auf sieben Arbeitsebenen umgesetzt:
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Vortrag Hartmut Brocke
1. Individuelle Angebote
Die individuellen Angebote für Schülerinnen und Schüler umfassen:
•
Beratungen, beispielsweise berufsfeldbezogene Beratung; Beratung bei schulischen,
sozialen und/oder persönlichen Problemen sowie
•
die Ermittlung und Organisation von Unterstützungsbedarfen in Form von Orientierungshilfen, Einzelfallhilfe, Case-Management, der Durchführung von Hilfekonferenzen und der
Erstellung von Hilfeplänen.
2. Gruppenangebote innerhalb der Schule
Zu den Gruppenangeboten, die innerhalb der Schule organisiert werden, zählen:
•
Freizeit-, Kultur-, Kunst-, Bildungs- und Sportangebote,
•
besondere schulische Förderprogramme (wie Schülerfirmen, Werkpädagogik oder Praxisklassen, die von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern unterstützt werden),
•
Jugendsozialarbeit, die Informationen zu Praktika- und Ausbildungsplätzen vermittelt und
die Begleitung unterstützt, beispielsweise ins Berufsinformationszentrum (BIZ), sowie die
Vermittlung von Zusatzqualifikationen (Computerführerschein etc.),
•
Workshops, Praxistage oder Projektwochen zu Bewerbungs- und Vermittlungshilfen, zum
sozialen Kompetenztraining, zum Konflikt- oder Kommunikationstraining,
•
Sportangebote für Jungen und Mädchen, Lesezirkel, eine Motorradwerkstatt und die
Teilnahme am Girls’ Day zählen zu den geschlechts- und/oder migrantenspezifischen
Gruppenangeboten, die innerhalb von Schule gestaltet werden.
3. Gruppenangebote außerhalb der Schule
In Form von Exkursionen, Betriebserkundungen, Ferienfreizeiten und Ausflügen sowie durch
Schüler- und Förderpraktika werden Gruppenangebote außerhalb von Schule organisiert
bzw. unterstützt. Unter das Stichwort sozialraumbezogene Integrationsarbeit fallen hier die
Vermittlung der Schülerinnen und Schüler in Angebote und Projekte im Sozialraum, die Mitwirkung von Schule, Jugendsozialarbeit, Schülerinnen und Schülern an gemeinwesenbezogenen Projekten oder Stadtteilfesten.
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Vortrag Hartmut Brocke
4. Elternarbeit
Doch nicht nur die Schülerinnen und Schüler sind die Adressaten von Jugendsozialarbeit,
sondern auch - und das in zunehmender Anzahl - die Eltern der Hauptschülerinnen und
Hauptschüler. Zur Elternarbeit zählen:
•
die Durchführung von Informations- und thematisch ausgerichteten Elternabenden und
die Etablierung von Partizipationsmöglichkeiten für Eltern,
•
offene Angebote in Form von offenen Sprechstunden, gemeinsamen Elternversammlungen, die Einrichtung von Elterntreffs als Möglichkeiten eines niedrigschwelligen und „anlassfreien" (will heißen, es gibt keine problembezogene Kontaktaufnahme) Kontaktes
zwischen Eltern, Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeitern,
•
aufsuchende Familienarbeit oder die Elternarbeit im Rahmen der Einzelfallhilfe für bestimmte Schülerinnen und Schüler. Hier bieten die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter
in der Regel gemeinsam mit den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern problem- und
einzelfallorientierte Beratungen in der Schule oder in Form von Hausbesuchen an.
Um diese Angebote für Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern umzusetzen, bedarf es
einer unterstützenden Struktur der Jugendsozialarbeit, die innerhalb von Schule (Gremienarbeit) und außerhalb von Schule (Netzwerkarbeit) sowie durch den Träger der Kinder- und
Jugendhilfe (Unterstützungsleistungen des Trägers), der an der Schule aktiv ist, sichergestellt wird.
5. Gremienarbeit
Die Gremienarbeit innerhalb der Schule konzentriert sich
•
zum einen auf die Zusammenarbeit mit der Schulleitung, also die Beteiligung und Mitwirkung von Jugendsozialarbeit an und in schulischen Gremien und
•
zum anderen auf die direkte Zusammenarbeit mit den Lehrerinnen und Lehrern, beispielsweise im Rahmen der Einzelfallhilfe durch gemeinsame Beratungen, Fallbesprechungen, gemeinsame Gespräche mit Schülerinnen, Schülern und deren Eltern sowie
ggf. die Durchführung von Hausbesuchen.
Unterstützt wird die Verbesserung und Verstetigung der Zusammenarbeit zudem durch die
programminterne Fortbildung, die sich - konzipiert als Tandem-Fortbildung - an die Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter gleichermaßen richtet.
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Vortrag Hartmut Brocke
6. Netzwerkarbeit
Die notwendige Unterstützungsstruktur für Jugendsozialarbeit außerhalb von Schule wird
durch Netzwerkarbeit aufgebaut.
•
Der wichtigste Kooperationspartner ist dabei die Jugendhilfe; Jugendsozialarbeit an
Schulen arbeitet mit dem Jugendamt (insbesondere dem Allgemeinen Sozialen Dienst
bzw. Allgemeinen Sozialpädagogischen Dienst) zusammen und kooperiert mit verschiedenen Trägern der Jugendhilfe oder Jugendberufshilfe.
•
Darüber hinaus werden Kooperationsstrukturen auf- und ausgebaut zu anderen Trägern,
zu Firmen, zu Experten, Netzwerken, Bezirksämtern, Arbeitsagenturen, dem Berufsinformationszentrum, den Arbeitsgemeinschaften für die Grundsicherung Arbeitssuchender, zur Schuldnerberatung, zu psychosozialen Diensten, zur Schulpsychologie, zur Polizei und zur Rechtsberatung, um nur einige zu nennen.
•
Netzwerkarbeit im Kontext von Schulsozialarbeit heißt aber auch, die Teilnahme an Arbeitsgruppen sowie die Durchführung gemeinsamer Projekte und Aktivitäten im Sozialraum.
7. Unterstützungsleistungen des Trägers
Eine interne Unterstützung erhalten die Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter
durch ihre Träger. Die Beratung und Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von
Seiten des Trägers zählen ebenso dazu wie die Qualitätssicherung der Arbeit durch Dokumentation und durch die Entwicklung von Standards und Evaluationsverfahren.
Fazit
1. Ein Anfang ist gemacht!
2. Die Schülerinnen und Schüler sind die Zielgruppe Nummer eins.
3. An die Eltern ist gedacht!
4. Die Öffnung der Schule wird weiter befördert.
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Eindrücke
Ankommen und Orientierung
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Vortrag Thomas Olk
Prof. Dr. Thomas Olk
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule
Problemstellung
•
Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule kann in Deutschland auf eine Tradition seit
den 1970er Jahren zurückblicken.
•
Trotzdem handelt es sich um ein umstrittenes Handlungsfeld.
•
Es gibt kein Konsens über fachliches Selbstverständnis, Ziele und Arbeitsweisen.
•
Die Kooperation ist oft zeitlich befristet und instabil.
Was soll unter Jugendsozialarbeit an Schulen verstanden werden?
•
Zunächst haben sich nach der Wende zwei Haupttypen von Jugendsozialarbeit an Schulen herausgebildet:
1. Projekte im außerunterrichtlichen Bereich der Schule (freizeitpädagogischer Ansatz)
2. Projekte für sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Schüler (fürsorgerischer Ansatz).
•
Aktuelle Konzepte beziehen sich vor dem Hintergrund der Lissabon-Strategie auf die
Bekämpfung von Schulversagen und die damit zusammenhängenden Integrationsprobleme von Schulabgängern ohne Abschluss.
•
Zentrales Ziel von Jugendsozialarbeit an Schulen ist es, Schülerinnen und Schüler dabei
zu unterstützen, einen Schulabschluss zu erwerben bzw. entsprechende Kompetenzen
zu entwickeln (Teilhabechancen, soziale Gerechtigkeit).
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•
Vortrag Thomas Olk
strittige Punkte:
1. Konzentration auf Schülerinnen und Schüler von Abgangsklassen vs. Prävention
2. Beschränkung auf Beratung, Unterstützung etc. von „scheiternden“ Schülerinnen und
Schülern vs. Arbeit mit allen Schülerinnen und Schülern
•
der integrierte Ansatz von Jugendsozialarbeit an Schulen
- eigenständiges Angebot der Jugendhilfe am Ort der Schule
- sowohl offene Angebote als auch spezifische Hilfen für sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Schülerinnen und Schüler
Jugendsozialarbeit an Schulen: Ein eigenständiges Bildungsangebot
•
erweitertes Verständnis von Bildung unter Einschluss von formalen, non-formalen und
informellen Bildungsprozessen
•
Schule: formale Bildung
•
Familie, Jugendhilfe, offene Jugendarbeit: informelle Bildung
•
Jugendbildungsmaßnahmen, Fort- und Weiterbildung in Jugendverbänden etc.: nonformale Bildung
•
der Beitrag der Jugendsozialarbeit an Schulen zur Bildung: Persönlichkeitsentwicklung,
Schlüsselqualifikationen, Kompetenzen der Lebensführung
•
fachliche Grundlage für Kooperation von Jugendhilfe und Schule ist die Kombination je
spezifischer Beiträge beider Seiten zum individuellen Prozess des Kompetenzaufbaus
und der Bildung
•
Jugendsozialarbeit und Schule begegnen sich als Bildungsinstitutionen
Kooperation auf der Ebene der Einzelschule
•
Planung und Koordination der spezifischen Beiträge beider Bildungsinstitutionen bei der
Realisierung eines übergreifenden Bildungsauftrages
•
Bestimmung des Kooperationsbedarfes und des Kooperationsnutzens
•
Ziele: differenzielle Förderung, Verbesserung der Schulerfolgschancen benachteiligter
Schüler, Hilfe bei der Bewältigung familiärer und sonstiger sozialer Probleme und Konflikte
•
gemeinsame Gestaltung des Lebens und Lernens an der Einzelschule
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•
Vortrag Thomas Olk
Bildung einer Steuergruppe, Kooperationsvereinbarung, Beteiligung der Jugendhilfe an
den schulischen Gremien und bei der Formulierung von Schulprofilen und -programmen
Kooperation von Jugendhilfefachkräften und Lehrkräften
•
In der Praxis zeigen sich Hemmnisse und Stolpersteine, die oft auf der persönlichen
Ebene ausagiert werden.
•
(Miss-)Erfolgsbedingungen von Kooperation auf struktureller Ebene:
- unterschiedliche Berufskulturen von Lehrkräften und Fachkräften der Jugendhilfe
- Informationsstand über den jeweils anderen Beruf
- berufliches Selbstverständnis
- Formen der Kooperation zwischen Lehrkräften und Jugendhilfe-Fachkräften
- zeitliche und materielle Rahmenbedingungen
Kooperation und Vernetzung im Sozialraum
•
Das Erreichen innerschulischer Ziele (Schulerfolg, Reduzierung abweichenden Verhaltens etc.) hängt auch vom Einbezug außerschulischer Kooperationspartner ab.
•
Typen der Kooperation und Vernetzung (störungsbezogene und funktionale Netzwerke)
•
strukturelle Voraussetzungen für Kooperation und Vernetzung (Verzahnung von Jugendhilfe und Schulentwicklungsplanung)
•
Kooperation von Jugendhilfe und Schule als kommunalpolitische Verantwortlichkeit
Fazit
•
Je mehr die Bekämpfung von Schulversagen in den Fokus der Schul- und Jugendhilfepolitik rückt, umso lauter wird der Ruf nach Kooperation von Jugendhilfe und Schule.
•
Intensivierte Formen der Kooperation von Jugendhilfe und Schule benötigen ein klares
fachliches Verständnis über die Ziele und Aufgaben beider pädagogischer Instanzen und
ihrer Überschneidungsbereiche.
•
Die Intensivierung der Kooperation bezieht sich sowohl auf den innerschulischen Bereich
als auch auf die Kooperation zwischen Schule und sozialräumlichem Umfeld.
•
Ziel einschlägiger Fachkonzepte und Handlungsstrategien muss es sein, Formen der
innerschulischen Kooperation mit sozialräumlichen Vernetzungsansätzen zu verknüpfen.
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Eindrücke
Referats- und Diskussionsforen
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Forum 1
Forum 1
Interkulturelle Bildung
Prof. Dr. Ingrid Gogolin
Universität Hamburg
Ute Michel, MA
Universität Hamburg
Vorbemerkung
In unserer Arbeit geht es um die Frage, wie es der Schule und anderen Institutionen der Bildung und Erziehung am besten gelingt, mit der sprachlichen, ethnischen, kulturellen und
sozialen Heterogenität der Schülerschaft konstruktiv und förderlich umzugehen.
Wir alle wissen, dass die deutsche Bildungslandschaft in dieser Hinsicht nicht gut aufgestellt
ist. Kinder und Jugendliche, die unter schwierigen sozialen Verhältnissen leben, und insbesondere diejenigen, die aus Familien mit Migrationshintergrund stammen, haben hierzulande
keine guten Aussichten auf Erfolg im Bildungssystem. Dies hat gewiss mehr als eine Ursache – darauf können wir nicht genauer eingehen. Wir möchten nur einen Aspekt hervorheben, an dem entlang wir unseren Beitrag aufgebaut haben: die verpassten Chancen. Anders
gesagt: wir sind davon überzeugt, dass in der deutschen Bildungslandschaft die positiven
Potentiale für das Lernen aller Kinder, die in einer mehrsprachigen und plurikulturellen Schü-
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Forum 1
lerschaft angelegt sind, bislang weder hinreichend erkannt noch anerkannt werden – und
darin liegen die verpassten Chancen des deutschen Bildungssystems, sein Angebot auf die
dynamische Lage einer immer mehr sich internationalisierenden Gesellschaft einzurichten.
Zwei Ansatzpunkte dafür, sich auf die mehrsprachige und plurikulturelle Schülerschaft und
ihr Leben in einer heterogenen Gesellschaft besser einzurichten, möchten wir in unserem
Beitrag kurz skizzieren.
1. Ein inhaltliches Angebot: Interkulturelle Bildung
2. Ein Modellprojekt: Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Wir werden zunächst das Konzept der „Fähigkeitsstufen Interkultureller Bildung“ präsentieren, in dem leitende Prinzipien einer Erziehung zur Handlungskompetenz in vielsprachigen
und plurikulturellen Gesellschaften zusammengefasst sind. Sodann stellen wir einen Ansatz
der Umsetzung dieser Prinzipien in die Praxis am Beispiel des Modellprogramms FÖRMIG
vor, dessen Programmträgerschaft unser Institut innehat. Unsere Arbeit in diesem Programm
steht unter dem Motto „Sprachenvielfalt, Chancengleichheit“. Das Programm konzentriert
sich zwar inhaltlich auf sprachliche Bildung – also nur einen Aspekt der interkulturellen Bildung; aber es versucht, Merkmale in die Praxis umzusetzen, die man international auch als
Gelingensbedingungen für die förderliche und erfolgversprechende Gestaltung interkultureller Bildungsprozesse identifiziert hat.
Interkulturelle Bildung
Es ist vielfach üblich, die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund primär unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass sie ihre Defizite überwinden müssten. Dies aber ist eine arg verkürzte Sichtweise – nicht nur mit Blick auf die Bildungschancen der Migranten, sondern auch (und vielleicht nicht zuletzt) im Hinblick auf die
nichtgewanderten Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft. Sprachliche und kulturelle Heterogenität ist aus zahlreichen Gründen nicht aufhaltbar. Migrationen und ihre Folgen
sind einer der Hauptanlässe dafür, dass die modernen Gesellschaften ein immer größer
werdendes Spektrum an kulturellen Erfahrungen und Vorlieben, an Glaubensüberzeugungen
und anderen Ausdruckformen sprachlicher und kultureller Vielfalt in sich vereinen müssen –
und sie müssen trotzdem dafür sorgen, dass gesellschaftliche Kohärenz erhalten bleibt. Interkulturelle Kompetenz ist zu den Basisfähigkeiten zu rechnen, die Menschen in heterogenen und pluralen Gesellschaften besitzen, damit gesellschaftlicher Zusammenhalt möglich
bleibt.
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Forum 1
Freilich bindet sich diese normative Setzung an einen dynamischen Kulturbegriff. Es geht
nicht um die Bewunderung oder Bewahrung der in Stein gemeißelten hehren kulturellen Güter. Vielmehr verstehen wir unter interkultureller Kompetenz die Fähigkeit, in Konstellationen
von irritierender sprachlicher und kultureller Heterogenität selbstbewusst, verantwortlich und
mit Achtung vor dem Anderen zu handeln.
Über diese Fähigkeit verfügt der Mensch keineswegs selbstverständlich, und sie ist auch
nicht ohne Unterstützung im Bildungsprozess zu erwerben. Aber sie sich anzueignen, ist
zugleich auch keine Hexenkunst.
Um die Facetten aufzuzeigen, aus denen sich Interkulturelle Kompetenz zusammensetzt,
wurden die „Fähigkeitsstufen Interkultureller Bildung“ entworfen (vgl. http://www.ingridgogolin.eu > Publikationen > Texte; siehe auch GOGOLIN/KRÜGER-POTRATZ 2006). Interkulturelle Kompetenz besteht aus Teilkompetenzen, die sowohl im affektiven und sozialen als
auch im kognitiven und reflexiven Bereich angesiedelt sind. Diese sind für Menschen jedes
Lernalters relevant und erreichbar. Ob und wie sie erreicht werden können, hängt davon ab,
dass Bildungsprozesse, die sie anbahnen sollen, inhaltlich und methodisch in alters- und
lernstandsangemessener Weise gestaltet sind. Allerdings können die „Fähigkeitsstufen Interkultureller Bildung“ nicht für sich in Anspruch nehmen, empirisch abgesichert zu sein. Es
handelt sich vielmehr um theoriegestützte Überlegungen, deren Plausibilität im Diskurs mit
Expertinnen und Experten überprüft wurde und deren empirisch fundierte Skalierung noch
aussteht.
Das Erzeugen und Vertiefen Interkultureller Kompetenz sollte als eine permanente Dimension der üblichen Unterrichtsfächer verstanden werden. Die Progression der Ziele von Interkultureller Bildung sollte daher von den in den Fächern angestrebten Zielen abhängig gemacht
werden.
Die „Fähigkeitsstufen Interkultureller Bildung“ gliedern sich wie folgt:1
1. Kenntnisse über Phänomene, in denen sich kulturelle, sprachliche oder soziale Verschiedenheit zeigt.
2. Kenntnisse über Gründe und Anlässe für Phänomene, in denen sich kulturelle, sprachliche oder soziale Verschiedenheit zeigt.
1
Vgl. aber auch die ausführliche und mit Beispielen versehene Fassung in den beiden o. a. Quellen.
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3. Fähigkeit, die Phänomene, die auf kulturelle, sprachliche oder soziale Verschiedenheit
weisen oder zu weisen scheinen, in ihrem Wandel zu betrachten und zu reflektieren.
4. Fähigkeit, die Phänomene, die auf kulturelle, sprachliche oder soziale Verschiedenheit
weisen oder zu weisen scheinen, aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu
reflektieren.
5. Fähigkeit zur Durchdringung und Verknüpfung historischer, politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge, aufgrund derer Phänomene, die auf Verschiedenheit deuten, für
das Leben eines Menschen oder einer Gruppe bedeutsam werden.
6. Fähigkeit, die eigenen Wahrnehmungen, Empfindungen und Verhaltensgewohnheiten bei
der Begegnung mit Fremden oder Fremdem zu erkennen und zu verstehen, worauf sie
jeweils zurückzuführen sind.
7. Fähigkeit, das eigene Handeln und Verhalten, die eigenen Gewohnheiten und Werteorientierungen an den moralischen und ethischen Standards einer modernen, pluralen,
weltoffenen und demokratischen Gesellschaft auszurichten.
Welche Ausschnitte der interkulturellen Bildung und Erziehung jeweils behandelt werden und
welche Fähigkeitsstufen dabei erreicht werden können oder sollen, richtet sich nach der
Thematik, die im jeweiligen Lernbereich oder Fach behandelt wird. Erforderlich ist stets eine
altersangemessene Übertragung auf Teilschritte, konkrete Inhalte und Unterrichtsmethoden.
Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund - FÖRMIG
Interkulturelle Bildung und die Erzeugung interkultureller Kompetenz können als Elemente
des größeren Projekts aufgefasst werden, die Schule in Deutschland so zu verändern, dass
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sich die Abhängigkeit zwischen Herkunft und Bildungschancen lockert. Zu diesem größeren
Projekt will auch FÖRMIG beitragen – das letzte von der (nach der Föderalismusreform ja
nicht mehr existierenden) Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung initiierte Modellprogramm. Es ist ausführlich dargestellt auf der Website
http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de. Hier wollen wir nur einen Grundzug des Programms
kurz vorstellen, der besonders enge Bezüge zum Thema der Tagung hat, zu der wir diesen
Beitrag leisten: das Prinzip der Kooperation und Vernetzung bei der Förderung.
Bei der Gestaltung des Programms FÖRMIG haben wir uns an nationalen und internationalen
Forschungsergebnissen zu der Frage orientiert, wie man sich eine ‚gute Schule’ für alle
Schülerinnen
und
Schüler
vorstellen
muss
(z.
B.
Ergebnisse
aus
dem
DFG-
Forschungsschwerpunkt ‚Bildungsqualität von Schule’; englische Forschungsergebnisse,
z. B. BOURNE 2008). Es zeigte sich, dass die speziell aus der Sicht sprachlicher Bildung zu
formulierenden Anforderungen sehr gut zu verknüpfen sind mit generellen Anforderungen an
Bildungsqualität. Gute Schulen – verstanden als Schulen, die sowohl die Leistungen der
Schülerinnen und Schüler fördern als auch ihre Motivation und ihr Selbstvertrauen – besitzen
demnach (unter anderem) die folgenden Merkmale:
•
Ihre Maßnahmen sind auf Kontinuität angelegt und begleiten die Schülerinnen und Schüler verlässlich und dauerhaft an der Bildungsbiographie entlang.
•
Die Maßnahmen finden in Kooperation aller am Bildungsprozess beteiligten statt und
sind in ihren Zielsetzungen, Inhalten und Methoden möglichst gut aufeinander abgestimmt, also koordiniert.
•
Die Maßnahmen der Sprachbildung sind auf die Förderung der bildungssprachlichen
Fähigkeiten fokussiert, und hieran beteiligen sich die Lehrkräfte aller Unterrichtsbereiche
und Fächer.
•
Die Zwei- oder Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund
wird berücksichtigt und, wo eben möglich, aktiv gefördert.
•
Prinzipien Interkultureller Bildung – namentlich: die Achtung vor dem Anderen – werden
im Schulklima realisiert; die Schülerinnen und Schüler werden herausgefordert, aber
zugleich wird ihnen vermittelt, dass sie in ihren Fähigkeiten anerkannt werden und dass
man an ihren Erfolg glaubt, so dass sie selbst auch an sich glauben können.
•
Der Erfolg der Maßnahmen wird regelmäßig überprüft.
© 2008 LISUM und SFBB
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 1
Im Programm FÖRMIG werden diese Grundsätze im Konzept einer „Durchgängigen Sprachbildung“ realisiert. Die folgende Grafik zeigt die Strukturprinzipien dieses Konzepts:
FÖRMIG Schnittstellenmodel
Arbeitswelt
Berufsausbildung
Bildungsbiografische Übergänge
Außerschulische Partner
z.B. Eltern, Betriebe, Vereine
Außerschulische Partner
z.B. Eltern, Betriebe, Vereine
Sekundarbereich
Außerschulische Partner
z.B. Eltern, Jugendhilfe, Vereine
Außerschulische Partner
z.B. Eltern, Jugendhilfe, Vereine
Primarbereich
Außerschulische Partner
z.B. Eltern, KITAS, Vereine
Außerschulische Partner
z.B. Eltern, KITAS, Vereine
Elementarbereich
Agenten und Institutionen im Bildungsbereich
© Gogolin&Michel, 2007
„Durchgängige Sprachbildung“ erfolgt, wie die Graphik verdeutlichen soll, zum einen an der
gesamten Bildungsbiographie entlang; das Programm FÖRMIG ist dabei besonders auf die
Schnittstellen und Übergänge im Bildungsprozess konzentriert: vom Elementar- in den Primarbereich, von der Grundschule in die Sekundarstufe und von der Schule in den Beruf.
Zum anderen verwirklicht sich „Durchgängige Sprachbildung“ durch die miteinander abgestimmten, koordinierten Beiträge vieler Beteiligter: des Personals in den Bildungseinrichtungen – Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte und anderes pädagogisches Personal –, aber
auch von Partnern außerhalb. Hier sind zunächst einmal die Eltern zu nennen, die im Programm FÖRMIG als gleichberechtigte Partner in die Bildungsprozesse eingebunden werden.
Aber es gibt auch ein breites Spektrum anderer Mitwirkender: von ehrenamtlichen Sprachpaten über Bibliotheken, Migrantenvereine, Hochschulen vor Ort mit ihren Studierenden bis zu
Stadtteilinitiativen. Die Partner am Bildungsprozess vereinigen sich zu „Basiseinheiten“, die
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Dokumentation 1. Berliner Tandem Fachtag 24.05.2007
Workshop 1
ein gemeinsames Ziel der Sprachbildung formulieren und in einer Vereinbarung festhalten,
wer wodurch zur Erreichung dieses Zieles beitragen kann. Die Zielvereinbarungen werden
regelmäßig überprüft und fortgeschrieben, Netzwerkprotokolle dokumentieren den Kooperationsprozess; Ideen, die sich bewähren, werden verstärkt, und solche, die sich nicht bewähren, werden aufgegeben.
An FÖRMIG sind zehn Bundesländer beteiligt; ca. 150 Basiseinheiten arbeiten nach den genannten Prinzipien. Bislang sind etwa 6.000 Kinder und Jugendliche in die Förderung einbezogen; ca. 800 unmittelbar Beteiligte und ungefähr ebenso viele Eltern sowie weitere Partner
wirken am Programm mit. Die Erfolge des Programms werden systematisch evaluiert; erste
Evaluationsergebnisse sind in der zweiten Jahreshälfte 2008 zu erwarten. Das Programm
wird bis Ende 2009 fortgesetzt – und die Erfahrungen, die sich bewähren, werden hoffentlich
durch bereits jetzt angelegte Transfermaßnahmen weitertransportiert und auch auf andere
Bildungseinrichtungen übertragen werden.
Mit der Realisierung von Interkultureller Bildung und „Durchgängiger Sprachbildung“ rückt
hoffentlich das Ziel ein Stück näher, dass die Schulen mit der sprachlichen, ethnischen, kulturellen und sozialen Heterogenität der Schülerschaft konstruktiv und förderlich umzugehen
vermögen.
Literaturhinweise (zitierte und einige weiterführende Literatur)
BOURNE, J. (2008): Making the Difference: Teaching and learning strategies in multiethnic
schools. In: GOGOLIN, I.; LANGE, I. (Hrsg.): Durchgängige Sprachbildung – das Konzept
des Modellprogramms FÖRMIG. Münster; New York: Waxmann (Reihe FÖRMIG Edition, im
Erscheinen).
BRENT LANGUAGE SERVICE (2006): Den Schriftsprachengebrauch bereichern – ein Konzept
für die ganze Schule. In: MECHERIL, P.; QUEHL, T. (Hrsg.): Die Macht der Sprachen. Englische Perspektiven auf die mehrsprachige Schule. Münster; New York: Waxmann, S. 324
– 336.
GOGOLIN, I. (2008): Was ist durchgängige Sprachbildung? In: GOGOLIN, I.; LANGE, I. (Hrsg.,
a. a. O.).
GOGOLIN, I. (2005): Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund: Herausforderungen
für Schule und außerschulische Bildungsinstanzen. In: Sachverständigenkommission
Zwölfter Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.): Kompetenzerwerb von Kindern und Jugendlichen im Schulalter. München: Verlag Deutsches Jugendinstitut, S. 301 – 388.
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Dokumentation 1. Berliner Tandem Fachtag 24.05.2007
Workshop 1
GOGOLIN, Ingrid (2003): Fähigkeitsstufen Interkultureller Bildung. Hamburg (Institut für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg). Mimeo. URL: http://www.ingrid-gogolin.eu .
GOGOLIN, I.; KRÜGER-POTRATZ, M. (2006): Einführung in die Interkulturelle Pädagogik. Opladen u. a.: Barbara Budrich, UTB.
JAMPERT, K.; BEST, P.; GUADATIELLO, A.; HOLLER, D.; ZEHNBAUER, A. (2. erweiterte Auflage
2007): Schlüsselkompetenz Sprache. Sprachliche Bildung und Förderung im Kindergarten. Konzepte – Projekte – Maßnahmen. Weimar/ Berlin: verlag das netz.
JAMPERT, K.; LEUCKEFELD, K.; ZEHNBAUER, A.; BEST, P. (2006): Sprachliche Förderung in der
Kita. Wie viel Sprache steckt in Musik, Bewegung, Naturwissenschaften und Medien.
Weimar, Berlin: verlag das netz.
MICHEL, Ute (2005): Das neue BLK-Programm „FÖRMIG“. Sprachliche Bildung bei sprachlichkultureller Vielfalt. In: Grundschulmagazin, H.2/05, Oldenbourg: Schulbuchverlag, S. 8 11.
REICH, H.H. (2005): Forschungsstand und Desideratenaufweis zu Migrationslinguistik und
Migrationspädagogik für die Zwecke des „Anforderungsrahmens“ in: EHLICH, K. (Hrsg.,
2005): Anforderungen an Verfahren der regelmäßigen Sprachstandsfeststellung als
Grundlage für die frühe und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. Berlin, Bonn: BMBF, Referat Publikationen, 121-170.
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 2
Forum 2
Sozialraumorientierung
Prof. Dr. Ulrich Deinet
Fachhochschule Düsseldorf
Sozialraumorientierung in Jugendhilfe und Schule – als Perspektive der Organisationen
Die Sozialraumorientierung ist zu einem der wichtigsten Paradigmen der Jugendhilfe und der
sozialen Arbeit insgesamt geworden. Darunter versteht man die konzeptionelle Ausrichtung
von Angeboten und Einrichtungen an Bedarfen und Lebenslagen von Menschen in ihren
jeweiligen Sozialräumen z. B. Stadteile und Wohnquartiere.
Sozialraumorientierung wird auch als Prinzip einer Neuorganisation sozialer Einrichtungen
und Dienste verstanden: Diese werden dezentralisiert und regionalisiert, um Leistungen näher an Bürgerinnen und Bürger heranzubringen. Es werden z. B. im Bereich Hilfen zur Erziehung Sozialraumteams gebildet, um die in Großstädten, aber auch in Landkreisen vorhandene zentralistische Struktur zugunsten einer Orientierung an den unterschiedlichen Bedarfen in verschiedenen Sozialräumen zu verändern. Dazu dienen Maßnahmen der Organisationsentwicklung ebenso wie die Dezentralisierung von Diensten bis hin zur Erprobung so
genannter Sozialraumbudgets, in denen die finanziellen Ressourcen an die Sozialstrukturen
bestimmter Sozialräume gebunden werden.
Auch im schulischen Bereich ist so etwas wie eine Sozialraumorientierung zu verzeichnen,
auch wenn der Begriff dort kaum genutzt wird. Programme und Stichworte wie „Kommunali-
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
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sierung von Schule“, „selbstständige Schule“, „Öffnung von Schule“ bezeichnen Prozesse,
wo sich die einzelne Schule u. a. stärker an ihrem sozialen Umfeld orientiert. Dahinter steht
auch die Einsicht, dass sich soziale Strukturen, Lebensräume von Kindern und Jugendlichen, familiäre Strukturen etc. auf die jeweilige Schule auswirken und berücksichtigt werden
müssen. Auch die in Nordrhein-Westfalen begonnene Schulprogrammentwicklung zeigt die
Tendenz, die Konzeption der Einzelschule stärker als bisher zu betonen. Dafür kann die gemeinsame Orientierung an den sozialräumlichen Bedingungen und die Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule eine gute Grundlage schaffen.
Der Begriff der Sozialraumorientierung wird allerdings sehr unterschiedlich gebraucht und
verstanden: Schon die zwischen Jugendhilfe und Schule differierende Definition von Sozialräumen als Planungsräumen ist problematisch auch für die Zusammenarbeit von Einrichtungen der Jugendhilfe und Schulen: Wenn Schulbezirke anders zugeschnitten sind als die Planungsräume der Jugendhilfe, wird eine gemeinsame Orientierung erschwert.
Die sozialräumliche Öffnung zur stadtteilorientierten Schule
MACK u. a. unterscheiden in ihrer vergleichenden Untersuchung „Schule, Stadtteil, Lebenswelt“ von Schulen in sechs Untersuchungsregionen verschiedene Formen der sozialräumlichen Öffnung von Schule: „Die Schule mit stadtteilorientiertem Schulprogramm, die gemeinwesenorientierte (offene) Schule und die Stadtteilschule“ (MACK u.a. 2004, S. 214 f.).
Die „Schule mit stadtteilorientiertem Schulprogramm“ ist eine teilweise geöffnete Schule, die
sich zunehmend auch an außerschulischen im Sozialraum liegenden Themen, Problemen,
Institutionen orientiert und in ihrem Schulprogramm entsprechend berücksichtigt. Im Vordergrund des Interesses von Schule stehen hier Institutionen die (am Schulstandort) als Kooperationspartner Hilfestellung etc. übernehmen können. Der Sozialraum und seine Institutionen
wird im Wesentlichen (noch) mit dem Fokus wahrgenommen: Welche Institutionen, Initiativen
etc. können im schulischen Leben eine Rolle spielen und als Kooperationspartner genutzt
werden.
Die „gemeinwesenorientierte (offene) Schule“ versteht sich selbst als Bestandteil des Sozialraumes und bietet Initiativen, Gruppierungen, Institutionen Platz, auch Themen in die Schule
hineinzutragen, die sich nicht nur auf Unterricht und Schulleben direkt beziehen. Eine gemeinwesenorientierte Schule ist nicht nur institutionell vernetzt, sondern ist selbst Ressource
des Sozialraums, d. h. es gibt ein Hin und Her von Nutzungen, Funktionen, die nur zum Teil
mit dem klassischen Schulalltag in Verbindung zu bringen sind. Als Spielräume geöffnete
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Schulhöfe, die Nutzung von Räumen durch Initiativen etc. am Nachmittag und am Abend
sind typische Anzeichen und Formen gemeinwesenorientierter Öffnung von Schule.
Die „Stadtteilschule“, so wie sie u. a. von Gaby Grimm (GRIMM 2006) als Zukunftsschule im
Wohnquartier beschrieben wird, ist mehr als Schule und beherbergt stadtteilorientierte Institutionen. Gemeint sind damit Bildungseinrichtungen im Sozialraum, die weit mehr leisten als
die heutige Schule, die auch andere Institutionen integrieren, die bis heute getrennt arbeiten.
Unter der Überschrift „Von der Kooperation zur Integration von Schule und Jugendhilfe“
(GRIMM, a.a.O., S. 249) entwickelt Gaby Grimm ein Bild einer integrierten Sozial- und Bildungseinrichtung mit veränderter Personalstruktur sowie innovativen Finanzierungs- und
Betriebsmodellen mit verschiedenen Modulen von der Kindertagesstätte über die Grundschule der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, Familienbildung, Erziehungsberatung, der
Weiterbildung und Fortbildung im Bereich Beschäftigung und Qualifizierung bis hin zu Seniorenarbeit, interkultureller Arbeit, Kunst, Kultur und Sport unter dem Dach der Zukunftsschule
als Stadtteil- und Begegnungszentrum.
Eine geöffnete sozialräumlich orientierte Schule hat nicht nur viele Kooperationspartner im
Sozialraum, sondern ist selbst Motor sozialräumlicher Vernetzung, d. h. begreift sich als
Plattform, Initiator, Ort sehr unterschiedlicher und nur zum Teil direkt auf Schule bezogene
Aktivitäten im Sozialraum. Viele Schulen erweitern ebenfalls ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag und versuchen über die Unterrichtsgestaltung hinaus ihr Schulleben so zu verändern, dass Schule zum Lebensort für Kinder und Jugendliche werden kann. Dies bedeutet
auch eine stärkere Verzahnung zwischen Schulen und den jeweiligen Sozialräumen, in denen sie liegen.
Auf diesem sozialräumlichen Hintergrund kann sich eine Brücke zwischen Jugendhilfe und
Schule entwickeln: Schulen gehören zu den wichtigsten Sozialräumen von Kindern und Jugendlichen. Neben ihrer Funktion als formelle Bildungsinstitutionen sind Schulen auch soziale Orte, Treffpunkte, an denen auch informelle Bildungsprozesse stattfinden. Die Ergebnisse
sozialräumlicher Analysen (siehe unten) sind für Schule interessant unter dem Aspekt der
Öffnung von Schule und der Erweiterung der Schulkonzeption im Schulprogramm, und sie
können eine Grundlage für gemeinsames Handeln im Sozialraum bilden.
In der Diskussion fehlt aber oft der Blick der Akteure, etwa von Kindern und Jugendlichen,
die Sozialräume und Stadtteile als Aneignungsräume sehen und spezifische Nutzungen suchen.
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Forum 2
Es geht im Folgenden darum, diese subjektive, qualitative Sichtweise des Sozialraums stärker in die Kooperation von Schule und Jugendhilfe einzubeziehen.
Raumaneignung als sozialräumliche Orientierung von Kindern und Jugendlichen – die
subjektorientierte Perspektive
Sozialraumorientierung bedeutet aber auch, die subjektiven Lebenswelten einzelner Menschen bzw. Gruppen in den Blick zu nehmen, wobei sich diese zum Teil deutlich von den
jeweiligen geographischen Sozialräumen unterscheiden bzw. darüber hinausgehen. So werden etwa mit dem Stichwort „Verinselung“ (vgl. ZEIHER 1983) Lebensräume von Kindern und
Jugendlichen in einer nicht mehr homogenen Struktur als segmentierte Rauminseln in einem
unüberschaubaren Gesamtraum beschrieben. Gemeint sind nicht nur eingegrenzte Wohnquartiere, sondern ein Geflecht bzw. Netzwerk einzelner nicht zusammenhängender Orte
(Wohnung, Schule etc.). Der Besuch einer weiterführenden Schule in einer anderen Stadt
führt z. B. zu einer Erweiterung der Lebenswelt eines Kindes oder eines Jugendlichen, die
mit dem Inselmodell beschrieben werden kann.
Sowohl im schulischen Kontext, in anderen Institutionen, z. B. Einrichtungen der Kinder- und
Jugendhilfe, insbesondere aber auch im öffentlichen Raum zeigen Kinder und Jugendliche
oft sehr eigentümliche Raumwahrnehmungen, geben Orte ihre eigenen Bedeutungen, widmen sie um, entwickeln eigene Nutzungsformen etc. Dies ist Ausdruck eigentätiger Formen
der Raumaneignung welche eine zentrale Entwicklungsaufgabe Jugendlicher darstellt: über
die alters-, geschlechts- und lebenslagenspezifisch tätige Auseinandersetzung mit der räumlich vermittelten Umwelt setzen sich Heranwachsende mit gesellschaftlichen Werten und
Normen auseinandersetzen, entwickeln Kompetenzen und Handlungsfähigkeiten und entfalten Identität. Dies ist als Bildungsprozess zu sehen, der in engem Zusammenhang mit anderen Formen des kognitiven oder emotionalen Lernens steht.
„Während Kinder sich `Gegenstandsbedeutungen´ (vgl. DEINET 2005) aneignen, deren Bedeutungen zu verallgemeinern erlernen und sich schrittweise den ökologischen Nahraum
erschließen, stellt bei jüngeren Jugendlichen die Erweiterung von Handlungsräumen eine
typische Tätigkeit dieser Altersgruppe dar. Die Konfrontation mit ungewohnten Situationen
und Gelegenheiten eröffnet neue Orientierungszusammenhänge und Handlungsoptionen
und führt zur Erweiterung der Handlungskompetenzen. Bei älteren Jugendlichen steht nicht
mehr so sehr die Entwicklungsperspektive der Aneignung im Vordergrund, vielmehr kommt
Räumen eine zentrale Bedeutung zur Konstituierung ihrer Gleichaltrigenkultur und als sozial-
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
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räumlich vermittelte Ressource der Lebensbewältigung zu" (KRISCH 2006a, S. 196).
Das Aneignungskonzept (vgl. ausführlich: DEINET, 2005; KRISCH 2006a, REUTLINGER 2003)
ist ein Schlüssel zum Verständnis der Bedeutung von Orten und Räumen für Kinder und Jugendliche und deren Verhalten. Damit wird auch der Begriff des Sozialraums als Synonym
für Stadtteil, Quartier, geographischen Raum im Sinne subjektiver Aneignungsräume von
Kindern und Jugendlichen wesentlich erweitert. Dabei wird versucht, die Qualitäten von
Räumen und deren Erschließung als Aneignungsqualitäten zu fassen. “Aneignung” ist:
•
eigentätige Auseinandersetzung mit der Umwelt
•
(kreative) Gestaltung von Räumen mit Symbolen etc.
•
Inszenierung, Verortung im öffentlichen Raum (Nischen, Ecken, Bühnen) und in Institutionen
•
Erweiterung des Handlungsraumes (Nutzung der neuen Möglichkeiten, die in erweiterten
Räumen liegen)
•
Veränderung vorgegebener Situationen und Arrangements
•
Erweiterung motorischer, gegenständlicher, kreativer und medialer Kompetenz
•
Erprobung des erweiterten Verhaltensrepertoires und neuer Fähigkeiten in neuen Situationen
•
Entwicklung situationsübergreifender Kompetenzen.
Betrachtet man Bildungsprozesse unter dem Aspekt der Sozialisation und definiert diesen
Prozess als Entwicklung des Subjekts durch aktive Aneignung von Welt, dann ergeben sich
daraus keine grundsätzlichen Differenzen zwischen Aneignungsprozessen in der alltäglichen
Lebenspraxis und Aneignungsprozessen in institutionalisierten Bildungsräumen (KADE 1993,
der sich auf Erwachsenenbildung bezieht). Dies heißt also, Kinder und Jugendliche lernen
nicht nur in der Institution Schule, sondern auch in ihren jeweiligen Lebenswelten, Nahräumen, Dörfern, Stadtteilen, vor allem auch im öffentlichen Raum. Die Aneignung der jeweiligen Lebenswelt ist ein Prozess der eigentätigen Auseinandersetzung mit der gegenständlichen und symbolischen Kultur der Gestaltung und Veränderung von Räumen und Situationen und damit Bildung des Subjektes im Raum, aber sie wird wesentlich beeinflusst, gefördert oder eingeschränkt durch die sozial-strukturellen Bedingungen von Dörfern, Wohnquartieren, Stadtteilen, Regionen. Dennoch sind diese Bereiche Orte des informellen Lernens.
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Über die Erfahrungen in wechselnden Gruppen oder im Umgang mit fremden Menschen in
neuen Situationen werden soziale Kompetenzen entwickelt. Die Erweiterung des Handlungsraumes steigert Handlungskompetenz und personale Kompetenzen wie Risikoabschätzung,
Neugier und Offenheit. Die Chancen, solche Kompetenz zu entwickeln, werden wesentlich
geprägt durch die Struktur der jeweiligen Lebenswelten und die Möglichkeiten des Individuums, sich seine Lebenswelt anzueignen.
Schule als Sozialraum und als Aneignungsraum verstehen
Auch die Schule ist ein Sozialraum, wo Aneignungsprozesse möglich sind. Allerdings ist hier
die Vermittlung von Wissen über Welt zumindest aus gesellschaftlicher Sicht die zentrale
Funktion. Aber auch dieses Wissen muss selbsttätig von den Kindern und Jugendlichen angeeignet werden, wobei nicht zuletzt die durch Aneignungsprozesse in der Lebenswelt erworben sozialen und personellen Kompetenzen als grundlegende Schlüsselkompetenzen
von Bedeutung sind.
Mit einem aneignungsorientierten Blick auf die Lebenswelten kann auch Schule als Teil des
Sozialraums gesehen werden, der sich den Kindern und Jugendlichen durch Aneignungsprozesse erschließt. Aus dieser Perspektive geht die Bedeutung der Schule weit über den
bloßen Unterricht hinaus. Schulen sind z. B. auch Treffpunkte von Cliquen, Austragungsort
von Konflikten (z. B. zwischen Jugendlichen und Erwachsenen/Lehrerinnen und Lehrern),
Orte, an denen Freizeitaktivitäten „geplant“ werden etc., d. h. sie sind auch Orte des informellen Lernens und der Raumaneignung. Die institutionellen Rahmenbedingungen bestimmen hier allerdings entscheidend, in welchem Umfang und in welche Richtung diese
informellen Bildungsprozesse möglich sind. Das Zustandekommen und Treffen von Cliquen
kann z. B. als wesentliche Bewältigungsstrategie von Jugendlichen gesehen und entsprechend unterstützt – oder aber als nonkonforme und tendenziell „abweichende“ Verhaltensform misstrauisch bis ablehnend betrachtet werden.
Es geht darum, für die Öffnung von Schule und die Kooperation mit außerschulischen Partnern solche Prozesse besser verstehen zu können, um in zu entwickelnde Konzepte Raumwahrnehmung von Kindern und Jugendlichen und die damit verbundenen Aneignungsprozesse adäquat einbeziehen zu können. Meist fehlt der Blick der Akteurinnen und Akteure,
d. h. von Kindern und Jugendlichen, die Sozialräume und Stadtteile als Aneignungsräume
sehen und spezifische Nutzungen suchen, die zum Teil Erwachsenen völlig verschlossen
bleiben. So lassen sich unter diesem Blickwinkel beispielsweise das oft kritisierte „Herum-
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hängen von Jugendlichen“ als jugendtypische Form der Gesellung, des Austausches, der
Orientierung begreifen, die territoriale Inbesitznahme von Räumen als typische Form der
Konstituierung einer Clique oder auch die Gestaltung von Graffitis als künstlerische Form der
Aneignung von ausdruckslosen, asphaltierten Räumen betrachten.
MACK u. a. kommen zu der Einschätzung: „Schule kann außerschulisch erworbene Kompetenzen nicht mehr ignorieren.“ Aus einer sozialräumlich orientierten Perspektive folgern sie,
„dass auch die Aneignungsqualität des schulischen Raums betrachtet werden und danach
gefragt werden muss, ob und in welcher Form schulische Räume selbstbestimmtes Aneignungshandeln von Kindern und Jugendlichen zulassen“ (MACK u. a., 2003, S. 215).
Schule ist selbst auch öffentlicher und Aneignungsraum. Aneignung erscheint als subjektive
Seite der informellen Bildung, die auch am Ort der Schule stattfindet. Insofern müssen beide
Funktionen, die Vermittlungs- und die Aneignungsfunktion zusammen gesehen werden. Die
Vermittlung als gesellschaftliche Funktionszuschreibung von Schule und anderen Institutionen steht der Aneignungsfunktion, in der Schule Teil der subjektiven Lebenswelt und Sozialraum ist, gegenüber. Diese beiden Prozesse können didaktisch verknüpft werden, und diese
Verbindung kann auch Eingang in die Gestaltung gemeinsamer Prozesse von Ganztagsbildung finden.
Mit einem aneignungsorientierten Blick auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen
kann auch der Lebensort Schule anders gesehen werden. In dieser Perspektive werden
auch Schul-Räume als Teile sozialer Lebenswelten verstanden, die sich durch die individuellen Aneignungsprozesse von Kindern und Jugendlichen erschließen. Schulen sind dabei
wesentliche Bestandteile öffentlicher Räume und ihre Bedeutung geht dabei weit über den
Unterricht hinaus. Schulen sind Treffpunkte von Cliquen, Orte des informellen Lernens. Der
Ort Schule bestimmt durch seine architektonischen und strukturellen Gegebenheiten, in welchem Umfang informelle Bildungsprozesse und Aneignungsprozesse möglich sind.
Literatur
BRAUN, K.H.; W ETZEL, K. (2000): Sozialpädagogisches Handeln in der Schule. Neuwied.
DEINET, Ulrich; REUTLINGER, Christian (2004) (Hrsg.) „Aneignung“ als Bildungskonzept der
Sozialpädagogik. Beiträge zur Pädagogik des Kindes- und Jugendalters in Zeiten entgrenzter Lernorte, Wiesbaden
DEINET, U. (2005) (Hrsg.): Sozialräumliche Jugendarbeit. Grundlagen, Methoden und Praxiskonzepte. 2., völlig überarbeitete Auflage. Wiesbaden.
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 2
DEINET, U.; KRISCH, R. (2006): Der sozialräumliche Blick der Jugendarbeit. Methoden und
Bausteine zur Konzeptentwicklung und Qualifizierung. Wiesbaden
DEINET, Ulrich; ICKING, Maria (2006) (Hrsg.): Jugendhilfe und Schule, Analysen und Konzepte für die kommunale Kooperation, Verlag: Barbara Budrich, Leverkusen - Opladen
GRIMM, Gaby (2006) Zukunftsschulen im Wohnquartier, in: DEINET, Ulrich; ICKING, Maria
(2006) (Hrsg.): Jugendhilfe und Schule, Analysen und Konzepte für die kommunale Kooperation, Verlag: Barbara Budrich, Leverkusen – Opladen, S. 249-258
HARTNUSS, Birger; MAYKUS, Stefan (2004) (Hrsg.) Handbuch Kooperation von Jugendhilfe
und Schule“, Eigenverlag des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge,
Berlin
KADE, Jochen (1993) Aneignungsverhältnisse diesseits und jenseits der Erwachsenenbildung, in: Zeitschrift für Pädagogik 39/3, S. 392-408
KRISCH, Richard; SCHERR, Albert (2004): Politische Bildungspraxis in der offenen Jugendarbeit. Ideen, Konzepte und Erfahrungen. In: STURZENHECKER, Benedikt; LINDNER, Werner
(2004) (Hrsg.): Vom Bildungsanspruch zur Bildungspraxis in der Kinder- und Jugendarbeit. Weinheim und München, S. 149-166
KRISCH, R. (2005): Sozialräumliche Perspektiven von Jugendarbeit. In: BRAUN, Karl-Heinz;
W ETZEL, Konstanze u. a. (Hrsg.): Handbuch Methoden der Kinder- und Jugendarbeit.
Wien, S. 336-351.
KRISCH, Richard; DEINET, Ulrich; OEHME, Andreas (2006): Sozialräumliche Aneignung als
Bildungsperspektive – Grundzüge einer Kooperation zwischen Jugendarbeit und Schule.
In: W ETZEL, Konstanze (Hrsg.): Ganztagsbildung - eine europäische Debatte. Impulse für
die Bildungsreform in Österreich. Wien, S. 43-61
MACK, Wolfgang; RAAB, Erich; RADEMACKER, Hermann (2003) „Schule, Stadtteil, Lebenswelt.
Eine empirische Untersuchung“, Opladen
REUTLINGER, Christian (2003) Jugend, Stadt und Raum. Sozialgeographische Grundlagen
einer Sozialpädagogik des Jugendalters. Opladen
ZEIHER, Helga (1983) Die vielen Räume der Kinder. Zum Wandel räumlicher Lebensbedingungen seit 1945. In: PREUSS-LAUSITZ, Ulf u.a. (1983) (Hrsg.): Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Weinheim, S. 176- 193.
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 3
Forum 3
Evaluation/Qualitätsentwicklung
Dr. Karsten Speck
Universität Potsdam
Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in der Schulsozialarbeit2
In der Schulsozialarbeit haben - wie in anderen Leistungsbereichen der Jugendhilfe auch die Themen Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation seit etwa Mitte der 1990er Jahre
enorm an Bedeutung gewonnen. Was ist damit gemeint? Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Schulsozialarbeit? Wie sehen eine Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in
der Schulsozialarbeit konkret aus? Diese Fragen stehen im Fokus des Forums.
Begriffsklärung
Sowohl in der Fachdiskussion als auch dem Arbeitsfeld Schulsozialarbeit werden seit einigen
Jahren die Einhaltung von Qualitätsstandards sowie der Einsatz entsprechender Verfahren
und Instrumente zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation eingefordert. Kennzeichnend
für die gegenwärtige Diskussion zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in der Schulsozialarbeit ist jedoch eine begriffliche Vielfalt und Unschärfe. Um zu einer notwendigen begrifflichen Klärung zu kommen, lohnt ein Blick auf die fachliche Auseinandersetzung in der
Jugendhilfe, wo bereits ein breiterer Diskussionsstand existiert. Qualität macht sich demzufolge - stark vereinfacht formuliert - am Grad der Erfüllung von Erwartungen und Anforderungen fest. Zur Analyse und Beschreibung der Qualität personenbezogener Dienstleistungen
hat sich in der Jugendhilfe eine Dreiteilung des Qualitätsbegriffs in die Dimensionen der
2
Dieser Beitrag basiert im Wesentlichen auf zwei Veröffentlichungen des Autors, und zwar: „Schulsozialarbeit.
Eine Einführung“ (10. Kapitel; im Jahr 2007 erschienen im Reinhardt-Verlag in München/Basel) und „Qualität
und Evaluation in der Schulsozialarbeit. Konzepte, Rahmenbedingungen und Wirkungen“ (im Jahr 2006 erschienen im Verlag für Sozialwissenschaften in Wiesbaden).
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Forum 3
Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität bewährt. HEINER (2001) hat diese Dreiteilung zusätzlich um die Dimension der Konzeptqualität erweitert. Die Strukturqualität umfasst die
Rahmenbedingungen (in der Schulsozialarbeit beispielsweise personelle, konzeptionelle,
trägerspezifische, räumliche, materielle, sächliche und finanzielle Kriterien). Bei der Prozessqualität steht die Art und Weise der Leistungserbringung im Mittelpunkt (in der Schulsozialarbeit also insbesondere die Gestaltung von Unterstützungsangeboten und Projekten
sowie die Arbeitsabläufe und Kooperationsbezüge mit den Lehrkräften und außerschulischen
Partnern). Bei der Ergebnisqualität geht es um die Zielerreichung und die Kosten-NutzenRelation (bezogen auf Schulsozialarbeit also um das Leistungsangebot, die Wirkungen sowie die Effizienz). Mit Konzeptqualität sind schließlich die Angemessenheit und Stimmigkeit
der Programmziele gemeint. Für fachlich fundierte Verständigungsprozesse über die Qualität
sowie den Einsatz von Verfahren zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in der
Schulsozialarbeit ist erforderlich, dass konkrete (Ergebnis-)Ziele formuliert und operationalisiert und daraus Qualitätskriterien, -standards bzw. -indikatoren auf der Ebene der Strukturund Prozessdimension abgeleitet werden.
Als Qualität in der Jugendhilfe - und dies ist auf die Schulsozialarbeit übertragbar - wird jedoch kein objektiver Zustand, sondern ein Begriffskonstrukt verstanden, das von unterschiedlichen subjektiven und gesellschaftlichen Erwartungen und Wertvorstellungen sowie
institutionellen Rahmenbedingungen abhängt und im Praxisvollzug ausgehandelt wird. Qualität in diesem Sinne ist auch kein für alle Zeiten feststehender Zustand, sondern unterliegt
zeitlichen und fachlichen Veränderungen. Anerkannt werden muss schließlich auch, dass
Verfahren zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation aufgrund der Spezifik der Sozialen
Arbeit eine bestimmte Wirkung oder ein bestimmtes Ergebnis nicht garantieren und sicherstellen können. Für die Praxis der Schulsozialarbeit bedeutet dieses Verständnis von Qualität, die Erwartungen der verschiedenen Beteiligten aus Jugendhilfe und Schule zu erfassen,
die Ziele der Schulsozialarbeit in den Programmen, Projekten und Einzelinterventionen auszuhandeln und diese so zu operationalisieren, dass sie überprüfbar sind, ohne die Prozesshaftigkeit von sozialpädagogischen Dienstleistungen im Handeln zu vernachlässigen. Anerkannt werden muss dabei, dass zumindest die globalen Ziele der Schulsozialarbeit nicht nur
von einer Beteiligtengruppen definiert werden, sondern tatsächlich in einem Aushandlungsprozesse gewonnen werden sollten (Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitung, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, Kinder und Jugendliche). Unabhängig davon müssen die
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Merkmale, die die Qualität konkretisieren sollen (Qualitätskriterien) und die angestrebten
Maßstäbe (Qualitätsstandards) regelmäßig weiter entwickelt werden.
Betrachtet man weiterführend den Begriff der Qualitätsentwicklung, dann können hierunter,
vereinfacht formuliert, alle zielgerichteten Instrumente und Maßnahmen zur Analyse und
Konkretisierung der Erwartungen und Ziele sowie zur Analyse und Verbesserung der Strukturen, der Rahmenbedingungen, der Abläufe, des fachlichen Handelns der Fachkräfte und
der Ergebnisse verstanden werden. Zu unterscheiden ist auf der einen Seite ein Verständnis
von Qualitätsentwicklung, das auf schriftlich fixierte Leitfäden, komplexe Abläufe und mehrteilige Arbeitsschritte zur Analyse und Verbesserung der Qualität setzt (Qualitätsentwicklung
als systematisches Verfahren). Davon abzugrenzen ist ein Verständnis von Qualitätsentwicklung, bei dem es ausschließlich um den Einsatz von einzelnen Instrumenten, Werkzeugen
und Tools zur Analyse und Verbesserung von Qualität geht (Qualitätsentwicklung als Instrumenteneinsatz). Der fachliche Trend in der Schulsozialarbeit geht - durchaus zu Recht - dahin, von den Trägern der Schulsozialarbeit, den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern eine systematische und komplexe Qualitätsentwicklung, also nicht nur die Nutzung
einzelner Instrumente, einzufordern. Unabhängig von dieser Unterscheidung grenzt sich der
hier präferierte Begriff der Qualitätsentwicklung von anderen in der Schulsozialarbeit vereinzelt noch verwendeten Bezeichnungen wie Qualitätssicherung oder -kontrolle ab, die im Jugendhilfebereich aufgrund der darin enthaltenen technokratischen Konnotation und der impliziten Vernachlässigung des prozessualen, relativen und aushandelbaren Charakters der
Qualität von personenbezogenen Leistungen weitgehend vermieden werden (von Spiegel
2004). Vereinzelt ist in der Schulsozialarbeit auch die Bezeichnung Qualitätsmanagement
anzutreffen, die allerdings in der Jugendhilfe eher bei der Betrachtung hierarchischer Organisationen eingesetzt wird und auf die optimale Steuerung des gesamten Leistungsprozesses durch Führungskräfte abzielt sowie vorgegebene, aufwändige Dokumentations- und Überprüfungsverfahren impliziert. Inwiefern eine solches Qualitätsmanagement für die Schulsozialarbeit tragfähig ist, ist gegenwärtig noch offen. Praktisch bedeutsam wird ein solch
komplexes Verfahren jedoch, wenn die Schulsozialarbeit in ein solches verbandsinternes
Qualitätsmanagementsystem integriert werden soll.
Der Begriff der Selbstevaluation wird in der Schulsozialarbeit erst seit einigen Jahren genutzt, allerdings auch hier mit unterschiedlichen Vorstellungen und Inhalten verknüpft. Unter
einer Selbstevaluation wird in der Jugendhilfe eine freiwillige, durch die jeweiligen Fachkräfte
selbstgesteuerte, zielgerichtete und datengestützte Dokumentation, Analyse und Bewertung
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des eigenen Handelns und der Ergebnisse anhand selbst festgelegter Kriterien verstanden.
Differenzieren kann man zum einen ein Verständnis von Selbstevaluation im engeren Sinne,
bei der eine zeitlich begrenzte, forschungsorientierte Selbstuntersuchung angestrebt wird
(Selbstevaluation als Forschungsprojekt, z. B. VON SPIEGEL 2001). Bei einer Selbstevaluation
im weiteren Sinne geht es hingegen um eine kontinuierliche Analyse des fachlichen Handelns im alltäglichen Berufsvollzug mittels handhabbarer, praxistauglicher Instrumente
(Selbstevaluation als integraler Bestandteil der Arbeit, z. B. MÜLLER 2000). Bei beiden Verständnissen von Selbstevaluation wird letztlich auf Instrumente, Methoden und Verfahren
aus den Sozialwissenschaften zurückgegriffen, wobei es bei deren Nutzung unterschiedliche
Vorstellungen zum Forschungsbezug gibt. Von der Systematik her kann eine Selbstevaluation als eine Möglichkeit zur Qualitätsentwicklung verstanden werden und ist ihr daher untergeordnet.
Entwicklung der Qualitäts- und Selbstevaluationsdebatte
Die eigentliche Qualitäts- und Selbstevaluationsdebatte begann in der Schulsozialarbeit etwa
Mitte der 1990er Jahre. Dies bedeutet jedoch nicht, dass erst seit diesem Zeitpunkt in der
Schulsozialarbeit über die Weiterentwicklung und Überprüfung der sozialpädagogischen Arbeit nachgedacht wird. Bei genauerer Betrachtung lässt sich bereits seit der Institutionalisierung der Schulsozialarbeit in den 1970er Jahren eine Fachdebatte zu den Themen Qualität
und Selbstevaluation, allerdings unter anderen Begrifflichkeiten, nachweisen. Insgesamt sind
bis heute drei Phasen erkennbar:
Die erste Phase in den 1970er Jahren wurde maßgeblich durch die Institutionalisierung von
Schulsozialarbeits-Projekten im Rahmen der Schulreform bestimmt. Im Mittelpunkt der fachlichen Auseinandersetzungen standen zunächst eher theoretische Konzeptdiskussionen zur
Schulsozialarbeit. Prägend für die „Qualitäts-“debatte der damaligen Zeit waren zum einen
mehrere Schriften der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendaufbauwerk, die zu einer theoretischen Konzeptentwicklung und einer Formulierung von notwendigen Voraussetzungen für
die Etablierung von Schulsozialarbeit beitrugen. Gefordert wurde beispielsweise die Bereitstellung von Räumlichkeiten für die Schulsozialarbeit, die Schaffung eines institutionellen
Rahmens für die Zusammenarbeit und Konfliktaustragung, die Diskussion der unterschiedlichen Selbstverständnisse von Schule und Sozialpädagogik, die Einstellung von Diplompädagoginnen und Diplompädagogen, die Einbindung der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in die Gesamtkonferenz der Schulen sowie die Freistellung der Lehrerinnen
und Lehrer für die Schulsozialarbeit. Zum anderen wurde ein konzeptionelle „Richtungsstreit“
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geführt, ob eher eine „sozialpädagogischen Schule“ oder eine „Sozialarbeit in der Schule“
notwendig wären. Damit stand in der ersten Phase insbesondere die Konzept- und zum Teil
die Strukturqualität der Schulsozialarbeit im Vordergrund.
In der anschließenden zweiten Phase, in der sich Bezüge zu den Themen Qualität und
Selbstevaluation erkennen lassen, wurden in den 1980er Jahren eine projektbezogene Konzeptentwicklung und parallel dazu wissenschaftliche Begleitung/Evaluation von Einzelprojekten vorgenommen. Im Rahmen von evaluativen Untersuchungen wurden beispielsweise
Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen, Lehrer und Eltern zur Zufriedenheit mit der Schulsozialarbeit und zu deren Nutzung befragt. Darüber hinaus fand eine konzeptionelle Profilierung der Schulsozialarbeit statt. Ferner wurden umfassende Bestandsaufnahmen zur Schulsozialarbeit in Deutschland durchgeführt. Hervorhebenswert für diese Zeit sind insbesondere
die vielfältigen Fachtagungen, Fortbildungen und Veröffentlichungen des Deutschen Jugendinstitutes (vgl. z. B. RAAB u. a. 1987). Auf dieser Basis wurden zahlreiche Anforderungen und
Forderungen für die Schulsozialarbeit formuliert, die heute unter der Bezeichnung Qualitätsstandards auf der Strukturdimension subsummiert werden, ohne an Bedeutung verloren haben (z. B. Schaffung einer Konfliktregelungsinstanz, Bereitstellung eines Beratungs- und
eines Gruppenraumes, Freistellung der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter für
Supervision und Fortbildung).
Die dritte Phase, spätestens ab Mitte der 1990er Jahre, wurde durch einen starken Ausbau
der Schulsozialarbeit in den neuen Bundesländern und eine zunehmende Anerkennung der
Schulsozialarbeit im Jugendhilfe- und Schulbereich begleitet. Ausschlaggebend für die letztliche Durchsetzung der Qualitäts- und Selbstevaluationsdebatte waren jedoch weniger dieser
Bedeutungszuwachs oder andere fachliche Traditionen oder Entwicklungen innerhalb der
Schulsozialarbeit, sondern vielmehr externe sozial- und finanzpolitische Anforderungen von
außen, die sich auf die Schulsozialarbeit ausgewirkt haben. Hierzu sind insbesondere die
Professionalisierungs- und Qualitätsdebatte in der sozialen Arbeit, die Ansätze des New
Public Managements mit Forderungen nach einer outputorientierten Steuerung in der Jugendhilfe, die knappen öffentlichen Kassen sowie die Ökonomisierung der Sozialen Arbeit zu
zählen.
Stand der Qualitäts- und Selbstevaluationsdebatte
Der Aufschwung der Qualitäts- und Selbstevaluationsdebatte in der Schulsozialarbeit Mitte
der 1990er Jahre und besonders Anfang der 2000er Jahre lässt sich sehr gut an
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a) den zahlreichen Fachbeiträgen und -publikationen zu den Themen Qualität und Selbstevaluation,
b) den evaluierenden Fragestellungen sowie qualitätsbezogenen Befunden der wissenschaftlichen Begleitungen,
c) den Stellungnahmen und Empfehlungen der Fachpolitik und der landesweiten Zusammenschlüsse der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sowie
d) den gestiegenen förderpolitischen Anforderungen in der Schulsozialarbeit erkennen.
a) Die Fachbeiträge und -publikationen zur Schulsozialarbeit beschäftigen sich seit langem
mit Qualitätsfragen. Eine explizit auf konkrete Verfahren und Instrumente der Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation fokussierte Diskussion ist in der Schulsozialarbeit seit einigen
Jahren am Entstehen. So ist erkennbar, dass sich bis Anfang der 2000er Jahre in entsprechenden Darstellungen fast ausschließlich auf die Formulierung bzw. Forderung von Qualitätskriterien bzw. -standards sowie abstrakte Hinweise auf eine notwendige Qualitätssicherung/Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation beschränkt wurde. In Bezug auf die Themen
Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation musste insofern für die Schulsozialarbeit lange
Zeit ein fachliches Defizit konstatiert werden. Zu einem deutlichen Entwicklungsschub trugen
bereits Ende der 1990er Jahre mehrere bundesweite „Qualitäts-Tagungen“ bei (vgl. HENTZE
u. a. 1997, HENTZE u. a. 1998, von BOTHMER u. a. o. J., BOTHMER u. a. 2001). Seit Anfang
der 2000er Jahre liegen nunmehr einige zusammenfassende Publikationen zu konkreten
Verfahren und Instrumenten der Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in der Schulsozialarbeit (Niederbühl 2001; Landeshauptstadt München o. J.; die Beiträge in KANTAK 2002,
SPECK/OLK 2004; SPECK 2006a, SCHUMANN 2006), zur Selbstevaluation (EVERS 2002; VON
SPIEGEL 2004) und zur Qualitätsentwicklung in der Kooperation von Jugendhilfe und Schule
(PRÜß/MAYKUS 2000; FLOERECKE/HOLTAPPELS 2004) vor. Auffällig ist, dass die Qualitäts- und
Selbstevaluationsdebatte offenbar weitgehend getrennt von der übrigen Fachdebatte zur
Schulsozialarbeit geführt wird, obwohl Verknüpfungen nahe liegen.
b) Während von den wissenschaftlichen Begleitungen der Landesprogramme zur Schulsozialarbeit umfangreiche Ausführungen und Erkenntnisse zu Qualitätskriterien bzw. -standards
auf der Ebene der Strukturdimension existieren, war der Stand zur Qualitätsentwicklung und
Selbstevaluation bis Anfang der 2000er Jahre kritischer zu bewerten. Über die bloße Nennung von Instrumenten zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation im weiteren Sinne
(z. B. Formulierung und Überprüfung von Standards, Konzeptentwicklung, Kooperationsver-
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einbarungen, Qualitätszirkeln, Fortbildungen, Supervision), lagen nur wenige Empfehlungen
und Erkenntnisse zur Umsetzung vor.
c) Von den fachpolitischen Stellungnahmen zu Schulsozialarbeit sind bezüglich der Themen
Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation besonders die Ausführungen der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW 2003) bedeutsam. Sie fordert eine ständige Qualitätsprüfung, -dokumentation und -verbesserung der Maßnahmen und Projekte sowie den Einsatz
von Evaluationsmethoden. Ähnliche Aussagen gibt es in Empfehlungen der Länder zur
Schulsozialarbeit (z. B. Brandenburg; Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen MecklenburgVorpommern). Die Zusammenschlüsse der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter
auf Landesebene haben sich bislang sehr stark auf konzeptionelle Fragen und Mindeststandards auf der Strukturdimension konzentriert.
d) Auf der förderpolitischen Ebene wurden in mehreren Bundesländern dezidierte Förderrichtlinien (z. B. Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt) bzw. umfassende fachliche Empfehlungen zur Ausgestaltung der Schulsozialarbeit erarbeitet (z. B. Brandenburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen). Die Empfehlungen
bzw. Förderrichtlinien der Länder definieren mit unterschiedlicher Verbindlichkeit Qualitätsstandards und regen den Einsatz von Instrumenten und Verfahren zur Qualitätsentwicklung
und Selbstevaluation an Das Manko der in der Regel sehr dicht formulierten Empfehlungen
besteht allerdings darin, dass sie im Gegensatz zu den Förderrichtlinien oder Erlassen oftmals keinen verpflichtenden, sondern lediglich empfehlenden Charakter haben und insofern
nicht einzufordern sind.
Zusammenfassend betrachtet zeichnet sich eine Weiterentwicklung der Qualitäts- und
Selbstevaluationsdebatte innerhalb der Schulsozialarbeit ab. Während bislang der Nachweis
einzelner Rahmenbedingungen oder Instrumente zur Aufrechterhaltung bzw. Weiterentwicklung der Qualität ausreichte (z. B. Personal, Konzept, Fortbildung), wird nunmehr fachpolitisch gefordert, ein systematisches Verfahren der Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation
einzusetzen. In der Praxis muss der kontinuierliche Einsatz entsprechender Instrumente zum
Teil bereits nachgewiesen werden.
In der Fachdiskussion besteht Konsens darüber, dass die Themen Qualität und Selbstevaluation in der Schulsozialarbeit durch diese Entwicklungen an Bedeutung gewonnen haben
und für die Legitimation, Professionalisierung und Institutionalisierung der Schulsozialarbeit
wichtig sind. Angenommen wird, dass die durch die Qualitätsdebatte
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a) eine größere Klarheit und Transparenz über das Arbeitsfeld Schulsozialarbeit gewonnen,
b) die Etablierung und Institutionalisierung der Schulsozialarbeit beschleunigt,
c) eine bessere Qualität, Effektivität und Effizienz der Schulsozialarbeit erreicht sowie
d) ein leichterer Legitimationsnachweis der Notwendigkeit und des Erfolgs von Schulsozialarbeit gegenüber der Politik und den Zuwendungsgebern ermöglicht wird.
Die Risiken können vor allem in einer Übernahme ungeeigneter Qualitätsmodelle aus der
Wirtschaft, einer Trennung zwischen Fachdebatte und Qualitätsdebatte sowie Qualitätsmaßstäben ohne gleichzeitige Gewährleistung von Mindeststandards gesehen werden.
Verfahren und Instrumente zur Qualitätsentwicklung
Die folgende Liste gibt einen Überblick über unterschiedliche Instrumente und Verfahren im
weiteren Sinne zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in der Schulsozialarbeit.
Verfahren und Instrumente zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation
in der Schulsozialarbeit
a. Teilnahme an entsprechenden Arbeitsgremien
Teilnahme an einer schulinternen Projektgruppe zur Kooperation von Jugendhilfe
und Schule,
Teilnahme an einem Qualitätszirkel mit anderen Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern,
Teilnahme an einer trägerinternen Arbeitsgruppe,
Teilnahme an regionalen Arbeitsgemeinschaften...
b. Bestandsaufnahme und Zielklärung
Durchführung einer Analyse der Ausgangslage,
Erstellung einer Situations- und Bedarfsanalyse,
regelmäßige Erhebung von Zielen und Erwartungen der Beteiligen zur Schulsozialarbeit,
Erhebung von Zielen und Erwartungen der Beteiligen bei Einzelfallhilfen, Gruppenprozessen und Projekten,
Formulierung von Zielen, Qualitätsstandards und Indikatoren auf der Struktur-, Prozess- und Ergebnisebene,
Erstellung und Fortschreibung einer Konzeption...
c. Treffen von Vereinbarungen
Vereinbarung von Kooperationsverträgen zwischen Schule, freiem Träger der Jugendhilfe usw.,
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Vereinbarung von Verfahrensabläufen im Konfliktfall und für (wichtige) Schlüsselprozesse zwischen Schule, freiem Träger der Jugendhilfe und Schulsozialarbeiterinnen
und Schulsozialarbeitern,
Gestaltung von einzelfallbezogenen Vereinbarungen mit den Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern ...
d. Erstellung von Arbeitsvorlagen
Erarbeitung und Einsatz von Dokumentationsvorlagen,
Erarbeitung und Einsatz von Checklisten,
Erarbeitung und Einsatz von Formblättern...
e. Erstellung einer Dokumentation
Führung eines Tagebuches,
Dokumentation und Auswertung von Einzelfallhilfen,
Dokumentation und Auswertung von Gruppenprozessen und Projekten,
Dokumentation und Auswertung von Gesprächsprotokollen,
Führung eines differenzierten Arbeitszeitnachweises,
Erstellung einer Statistik zu den Angeboten, Nutzerinnen und Nutzern und Kontakten,
Erstellung von Jahresberichten...
f. Reflexion der Arbeit
Überprüfung der Erreichung der Ziele, Qualitätsstandards und Indikatoren der Konzeption und der Kooperationsvereinbarung mit der Schule, dem freiem Träger der
Jugendhilfe, den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern usw. (z. B. in einem halbjährlichen Auswertungsgespräch),
Überprüfung der Erreichung der Ziele, Qualitätsstandards und Indikatoren bezogen
auf den Einzelfall, Gruppenprozesse und Projekte, das Gemeinwesen (z. B. jeweils in
der Mitte und am Ende),
Erfolgsmessung anhand harter Fakten (z. B. Schulabbrecherquote, Gewaltvorfälle,
etc.)
Einsatz von Wiederholungstests mit standardisierten Fragebögen zur „Wirkungsmessung“,
Einsatz von Feedback-Fragebögen für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Eltern
und Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern,
Durchführung von Stärken-Schwächen-Analysen, Zeitbudget-Analysen und Netzwerkanalysen,
Teilnahme an einer kollegialen Beratung, an Supervision und an Fallkonferenzen,
Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen,
Auswertung der Dokumentationen...
Quelle: SPECK/OLK 2004; 931f.
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Gestützt auf vorliegende Instrumente und Erfahrungen von Schulsozialarbeiterinnen und
Schulsozialarbeitern lässt sich nachfolgendes Verfahren zur Qualitätsentwicklung für das
Arbeitsfeld Schulsozialarbeit beschreiben, das die verschiedenen Qualitätsdimensionen und
die besonderen Anforderungen und Problembereiche im Arbeitsfeld Schulsozialarbeit berücksichtigt, einen jährlichen „Qualitätskreislauf“ anvisiert sowie verschiedene Planung- und
Reflexionsbestandteile umfasst:
Verfahren zur systematischen Qualitätsentwicklung in der Schulsozialarbeit
1. Vorgespräche zwischen Schule und Träger sowie Situations- und Sozialraumanalyse
2. Konzeptionsentwicklung bzw. -fortschreibung
3. Abschluss einer Kooperationsvereinbarung
4. Entwicklung und Abschluss einer jährlichen Ziel- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung
5. Beschreibung und Vereinbarung von Leistungen und Schlüsselprozessen
6. Planung, Durchführung, Dokumentation, Auswertung und Verbesserung von Angeboten
7. Teilnahme an kollegialer Beratung, Weiterbildung, Supervision und Qualitätszirkel
8. Durchführung einer Stärken-Schwächen-Analyse und Planung von Verbesserungsmöglichkeiten
9. Erstellung und Diskussion eines Berichtes zur Schulsozialarbeit
10. zurück zum Anfang: Arbeitsschritt 1
Parallel:
a) Schulinterne Projektgruppe zur Schulsozialarbeit,
b) Regionale Arbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit (§78),
c) Planungs- und Auswertungsgespräche zwischen Beteiligten
Quelle: SPECK 2006a, 356
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Seit einiger Zeit gibt es darüber hinaus Überlegungen und erste Ansätze, umfangreichere
Qualitätsmanagement-Systeme und Handbücher zum Qualitätsmanagement für einzelne
Projekte der Schulsozialarbeit zu erstellen. Grundsätzlich zeichnet sich eine fachliche Weiterentwicklung ab: Wurde sich Mitte der 1990er Jahre mit der Formulierung von Qualitätsstandards und dem Ansatz einer Qualitätssicherung und danach mit einzelnen Instrumenten
zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation beschäftigt, stehen nunmehr seit etwa 2005
systematische und komplexe Verfahren zur Qualitätsentwicklung und Selbstevaluation in der
Schulsozialarbeit im Mittelpunkt des Interesses. Das Neue der Debatte lässt sich konkret in
den folgenden vier Paradigmenwechseln zusammenfassen:
1. Während bislang – vor allem die Strukturqualität im Mittelpunkt stand, treten nunmehr die
Prozess- sowie vor allem die Ergebnisqualität ins Zentrum des Interesses.
2. Während es bislang ausreichte, allgemeine – meist viel zu globale und kaum erreichbare
– Ziele zu formulieren, besteht nun der Anspruch bzw. die Forderung, messbare Indikatoren zur Überprüfung der konkret definierten Ergebnisse bzw. Wirkungen zu entwickeln.
3. Während bislang der Nachweis einzelner Rahmenbedingungen oder Instrumente zur
Aufrechterhaltung bzw. Weiterentwicklung der Qualität genügten (z. B. Qualifikation,
Fortbildung), wird nunmehr gefordert, über ein systematisches Verfahren die kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung der Strukturen und Rahmenbedingungen, der Abläufe und des Handelns sowie der Ergebnisse nachzuweisen.
4. Während bislang allenfalls zu Beginn einer Förderung bestimmte Rahmenbedingungen
eingefordert wurden, werden nun zunehmend
a) Qualitätskriterien und Qualitätsnachweise zum Gegenstand von Aushandlungsprozessen über Finanzen erhoben und
b) die Ausreichung von Finanzmitteln direkt an die Einhaltung bzw. Erreichung bestimmter Qualitätskriterien gekoppelt.
Literatur
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Eindrücke
Momentaufnahmen Mittagspause
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Forum 4
Forum 4
Übergang Schule – Beruf
Hermann Rademacker
München
1. Wo liegt die Herausforderung?
Angebot und Nachfrage – Ausbildungsmarkt 1996-2007
Merkmal
Neu abgeschlossene
Verträge
Handel Industrie
Handwerk
Freie Berufe
Unbesetzte Stellen
Angebot/NachfrageRelation
1996
(100%)
Maximum
(in % von 1996)
2006
(in % von
1996)
Minimum
(in % von 1996)
574 327
109,9 (1999)
97,1 (2003)
100,0
268 039
215 148
56 143
34 947
125,8 (2001)
100 (1996)
100 (1996)
100 (1996)
100 (1996)
73,0 (2005)
75,0 (2006)
36,2 (2005)
125,5
75,6
75,0
44,1
99,4 %
100,6 (2001)
94,6 (2006)
94,6
Quellen: Statistik Bundesagentur für Arbeit (BA), Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), eigene Berechnungen
Anteil der Bewerber aus aktuellem Jahr der Schulentlassung an allen Bewerbern nach
Schultyp jeweils September – in Prozent
Schulentlassungsjahr
1998
2000
2002
2003
2004
2005
berufliche Schulen
17
17
16
16
17
17
allg.bild. Schulen
45
43
41
39
37
36
Altbewerberanteil
38
40
43
45
46
46
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Kurzbericht 2/2007
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Forum 4
Arbeit als Bildungsgegenstand – Berufliche Orientiertheit als Bildungsziel
Der Ausbildungsmarkt: Angebot UND Nachfrage
Die Überwindung der Schwierigkeiten bei der Eingliederung junger Menschen in das Beschäftigungssystem erfordert Handeln auf beiden Seiten des Marktes
Angebotseite
Nachfrageseite
auswahlfähiges Angebot an
Berufliche Orientierung, Bildung,
Ausbildungsplätzen
Qualifikation
Zuständig:
Zuständig:
Wirtschaft, berufliche Schulen,
Schule, Jugendhilfe, Familie
Hochschulen
Berufsorientierung durch Schule – eine Aufgabe mit Zukunft
These 1 Die demografische Entwicklung allein löst die Ausbildungskrise nicht.
These 2 Jungen Menschen, die den Anforderungen der Betriebe nicht entsprechen, wird
auch künftig der Zugang zu Ausbildung und Arbeit weitgehend verwehrt bleiben.
These 3 Nicht allein Qualifikation und Kompetenzen, auch berufliche Orientiertheit gehört
zur Ausbildungseignung.
Berufsorientierung und Familie
These 1 „Soziale Vererbung“ ist nicht mehr tragfähig für berufliche Orientierungen und Lebensentwürfe (Verlust kollektiver Lebensformen).
These 2 Die Herausforderung zur Individualisierung ist eine allgemeine geworden.
These 3 Nicht Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit, sondern Unerfahrenheit und
Überforderung erklären den geringen Beitrag vieler Familien zur Berufsorientierung ihrer Kinder.
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Forum 4
Wandel der Arbeit und seine Folgen: Neue Anforderungen an allgemeine Bildung
Neue Bildungsziele (arbeitsorientierte Bildung)
•
Berufliche Orientiertheit und Arbeitsweltkenntnis
•
Übergangsplanung und -strategien entwerfen
•
Anforderungen des Übergangs bewältigen
Nicht nur für Benachteiligte, sondern für alle!
Es geht nicht um die Überwindung einer aktuellen Krise, sondern um die nachhaltige Weiterentwicklung öffentlicher Bildung und Erziehung in Schule und Jugendhilfe.
Berufliche Orientierung ist die Entwicklung von Bezügen zwischen
individuellen Voraussetzungen des
jungen Menschen
• Interessen, Wünsche und Neigungen
• Kompetenzen und Qualifikationen
• individuelle Chancenausstattung
und objektiven Chancenstrukturen des
Beschäftigungssystems
• Angebote für Ausbildung und
Beschäftigung
• Qualifikationsbezogene Relationen
zwischen Angebot und Nachfrage
- schulische Zertifikate
• unternehmensspezifische „Kulturen“
- Berechtigungen
Ein beruflich orientierter junger Mensch
kennt für ihn in Frage kommende berufliche Möglichkeiten und die wichtigen Bedingungen
ihrer Realisierung. Das bedeutet:
•
Er kennt Chancen und Anforderungen der entsprechenden Berufe,
•
kann diese auf seine persönlichen Wünsche und Interessen beziehen,
•
kennt die für den Zugang möglichen (Bildungs-)Wege und
•
kann die dafür nötigen Handlungsanforderungen auf seine persönlichen Handlungsmöglichkeiten beziehen.
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Forum 4
Schulabschlüsse
Gute Schulabschlüsse verbessern die Erfolgschancen im Übergang deutlich, sind aber nicht
hinreichend für den Erfolg.
Schulabschlüsse unterhalb des Realschulabschlusses beeinträchtigen insbesondere die
Erfolgschancen einer schriftlichen Bewerbung.
Das exzessive Trainieren von Bewerbungsschreiben ist nicht geeignet, schwache Zeugnisse
und Abschlüsse zu kompensieren.
Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit
Jugendliche mit geringwertigen oder fehlenden Abschlüssen brauchen die Gelegenheit zur
•
Erfahrung von Selbstwirksamkeit und zur
•
Demonstration von Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit.
Betriebspraktika sind für sie
•
nicht nur Gelegenheit zur Selbsterprobung an Arbeitsweltanforderungen sondern
auch
•
wesentliches Element einer Bewerbungsstrategie.
Erwartete Schulabschlüsse von Hauptschülerinnen und Hauptschülern und Abschlusswünsche ihrer Eltern am Ende 10. des Schuljahres
Erwarteter Abschluss
Hauptschulabschluss (HSA)
Elternwunsch
5
0
Erweitwerter HSA
71,1
18,3
Realschulabschluss
23,0
66,7
0
5,0
unsicher
0
10,0
kein Abschluss
0
0
Versetzung in Jahrgangsstufe 11
gymnasiale Oberstufe
Ergebnisse einer Befragung von Berliner Hauptschülerinnen und Hauptschülern unmittelbar vor Verlassen der
Schule (10. Schuljahr) im Rahmen des Programms „Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben“ (SWA)
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Forum 4
Betriebliches Interesse - Rekrutierung geeigneten Nachwuchses aktuell und langfristig
Berufsorientierung ist auch im Interesse der Wirtschaft
Dazu bedarf es der Kooperation mit Schule. Themen:
•
Ermöglichen von Arbeitswelterfahrung
•
Dialog mit Schule(n) über pädagogische Konzepte für
–
Berufsorientierung, Übergangsstrategien, Betriebspraktika
–
Kriterien der Bewerberauswahl
Arbeitsweltbezüge und Schularten
Haupt- und Sonderschule
Pionier für Arbeitsweltbezüge schulischer Bildung
Realschule
Mittlerer Bildungsabschluss = Standardvoraussetzung für Zugang zu betrieblicher Ausbildung
Gymnasium
akademische Bildung kaum infrage gestellt
Wenn sich daran nichts ändert
werden Arbeitsweltbezüge schulischer Bildung als Merkmal „niederer“ Bildung diskreditiert.
Berufsorientierung durch Kooperation, nicht Delegation
•
Berufsorientierung erfordert Kooperation mit außerschulischen Partnern – nicht Delegation von Teilaufgaben!!
•
Die Integration der Beiträge der Partner in ein pädagogisches Gesamtkonzept arbeitsweltbezogener Bildung ist Aufgabe von Schule.
•
Kooperation braucht Verständigung mit Partnern über ihren Beitrag und dessen Funktion
im schulisch zu verantwortenden Gesamtkonzept arbeitsweltbezogener Bildung.
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Forum 4
Berufsorientierung und Arbeitswelterfahrung
Vorbereitung und Auswertung
Erfahrungen (Programm Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben, SchuB-Klassen (Hessen), Praxisklassen (Bayern), Kompass-Projekt Hamburg) zeigen:
•
Arbeit und praktisches Lernen fördern Berufsorientierung und schulische Motivation –
bei vielen.
•
Für die Wirkung ist die Einbettung in ein schulisch verantwortetes, mit Partnern abgestimmtes und kooperativ umgesetztes Gesamtkonzept der Berufsvorbereitung entscheidend
Berufswahlpass (Nordverbund)
Der Berufswahlpass und Lernpass (Kompass Hamburg) sind individualisierende didaktische
Instrumente der
•
Reflektion und Dokumentation von Arbeitswelterfahrungen, beruflichen Interessen
und Wünschen und ihrer Veränderung,
•
Strukturierung des Prozesses der Berufsorientierung und -vorbereitung sowie der
Übergangsplanung und
•
der Kooperation mit Partnern: besonders Betriebe, Eltern, Berufsberatung.
Berufsorientierung und Arbeitswelterfahrung: Zugänge erschließen
•
Der Zugang zu betrieblichen Lernorten (Praktikumsplatzsuche) bedarf der schulischen Unterstützung.
•
Denn das ungleich verteilte soziale Kapital der Familien zu führt auch hier zu ungleichen Chancen.
•
Fragen an das Praktikum sind wesentliche Voraussetzung für Praktikumsauswertung.
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Forum 4
Eltern als Partner
Nützliche Annahmen:
1. Eltern sind am Gelingen des Aufwachsens ihrer Kinder interessiert.
2. Wenn ihr Beitrag zu Bildung und Erziehung gering erscheint, ist die Ursache eher
Hilflosigkeit als Desinteresse.
Berufswahlpass (Lernpass) sind geeignete Mittel, um Eltern als Ressource für Bildung und
Erziehung zu erschließen z. B. durch regelmäßige Entwicklungsgespräche.
Wie bist du auf diesen Beruf gekommen?
UG gesamt
KG gesamt
66
38,4
37
46,8
13
44,8
37
37,4
16
36,4
3
1,7
3
3,8
1
3,4
1
1,0
1
2,3
Eltern und
Verwandte
35
20,3
20
25,3
5
17,2
22
22,2
8
18,2
Freunde und
Bekannte
15
8,7
9
11,4
3
10,3
7
7,1
5
11,4
Berufsberatung
3
1,7
2
2,5
0
0,0
2
2,0
1
2,3
BIZ
8
4,7
1
1,3
0
0,0
6
6,1
2
4,5
42
24,4
7
8,9
7
24,1
24
24,2
11
25,0
172
100,0
29 100,0
99
100,0
Erfahrung im
Betrieb
Summe
79 100,0
n
%
n
%
UG HS
%
Lehrer/in
%
UG RS
n
allein
n
UG GS
n
%
44 100,0
Befragt wurden Jugendliche unmittelbar vor Verlassen der Schule (Haupt, Real- und Gesamtschulen), die eine
Berufswahl getroffen hatten und anschließend eine entsprechende Ausbildung beginnen werden Die Betfragung
wurde durchgeführt im Rahmen des Berliner Teilprojekts zum Programm „Schule – Wirtschaft/Arbeitsleben“. UG=
Untersuchungsgruppe, UG GS Unterschungsgruppe Gesamtschulen, UG RS und UG HS entsprechend. KG=
Kontrollgruppe (Jugendliche aus Klassen der beteiligten Gesamtschulen, die nicht am Programm beteiligt waren.)
3.1 Abschluss und Anschluss
Wo gelingende Anschlüsse zum Erfolgskriterium schulischer Arbeit werden, ändert sich die
Beziehung zwischen Schüler und Lehrer:
•
Ein gelingender Anschluss ist von der Entscheidung der Ausbildungsbetriebe, abhängig.
•
Schule und Lehrer werten hier nicht nach schulischen Normen, sondern auch die
schulische Leistung wird an außerschulischen Maßstäben gemessen.
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Forum 4
3.2 Abschluss oder Anschluss – sowohl als auch!
These
Für die Schulprogrammentwicklung besteht gegenwärtig eine Konkurrenz zwischen den Zielen
Schulerfolg durch Abschluss (z. B. Bildungsstandards) und
Schulerfolg durch Anschluss (Übergang in Ausbildung)
Herausforderung für aktuelle Schulentwicklung: Beide Ziele miteinander vereinbar machen!
3.3 Die Öffnung von Schule zur Arbeitswelt kann auf mindestens vier Ebenen erfolgen
•
Kooperation mit außerschulischen Partnern und die Integration von deren Beiträgen
in ein schulisch verantwortetes Schulprogramm.
•
Einbeziehung außerschulischer Professionalität in die Arbeit in der Schule und die
Messung von Arbeitsergebnissen an professionellen Maßstäben.
•
Gelingende Anschlüsse als ein Erfolgskriterium schulischer Arbeit.
•
Die Entwicklung von Arbeitsweltbezügen in allen schulischen Unterrichtsfächern
3.4 weiterhin durch ...
... die pädagogisch reflektierte Implementierung arbeitsweltrelevanter Normen in der Schule
Beispiele sind:
– Schülerfirmen und andere Arbeitsformen mit professionellen Ansprüchen an Ergebnisse und Produkte
– Übernahme von Aufträgen für Partnerbetriebe
– ernst nehmen des regelmäßigen Schulbesuchs
– Die pädagogisch reflektierte Bewertung schulischer Leistung an Maßstäben, die
auch außerhalb der Schule gelten.
3.5 und was Schulen überhaupt nicht brauchen:
•
eine pädagogische Kultur der fürsorglichen Anspruchsreduzierung
•
Rhythm is it!
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Forum 4
4.1 Fazit 1
•
Die Einbeziehung praktischen Lernens,
•
die Öffnung der Schule zur Arbeitswelt und
•
eine pädagogisch reflektierte Anspruchskultur
sollten zur Grundlage eines zeitgemäßen Konzepts allgemeiner Bildung werden.
4.2 Fazit 2
Die Einbeziehung von Arbeit in das schulische Lernen darf nicht das Kennzeichen von
Bildungsangeboten für Schwache und Benachteiligte bleiben,
sondern muss zum selbstverständlichen Merkmal einer Bildung für ALLE werden.
4.3 Fazit 3
Individuell beeinträchtigte und sozial benachteiligte junge Menschen (Zielgruppe § 13 KJHG)
bedürfen sozialpädagogischer Unterstützung, wenn sie in Schule und Übergang erfolgreich
sein sollen.
Jugendsozialarbeit ist an Berliner Hauptschulen dringend wünschenswert.
Wo Jugendsozialarbeit drauf steht, sollte auch Jugendsozialarbeit drin sein!
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Forum 5
Forum 5
Schuldistanz
Prof. Dr. Karlheinz Thimm
Evangelische Fachhochschule Berlin
Phänomendifferenzierung – Ursachen – Motive
Schuldistanzierte sind verschieden. Hier ist die Familie deutlich Entstehungsmilieu, dort (dies
seltener) kann an der erzieherischen Kompetenz und dem Kümmernsniveau nicht gezweifelt
werden. Hier sind massive psychische Störungen diagnostizierbar, in anderen Fällen haben
wir es mit einem landläufig als „normal“ erlebten jungen Menschen zu tun. Jener will eigentlich lernen und schulisch erfolgreich sein, ein anderer hat mit Schule zunächst abgeschlossen. Da kann man auf schulischen Gelingenserfahrungen aufbauen, woanders war Schule
im subjektiven Erleben vom ersten Tag an ein Ort der Qual. Jene ist jung, noch Kind, ein
anderer Berufsschüler mit Orientierung an dem schnellen Euro, der Droge, schon seit Jahren
in psychischer Vorbereitung auf ein Leben ohne Arbeit.
Die Begriffsverwendung erweist sich als heterogen. Als Oberbegriffe gelten: Schulverweigerung - schulaversives Verhalten - Schuldistanzierung. Einige weitere terminologische Differenzierungen:
•
unentschuldigtes bzw. nicht entschuldbares Fernbleiben von Schule: Schulbummelei Schwänzen - unregelmäßiger Schulbesuch - Schulpflichtversäumnis - Schulpflichtverletzung - Absentismus
•
Schulschwänzen (Absentismus): Schülerin/Schüler bleibt aus gesetzlich nicht vorgesehenem Grund der Schule fern, unabhängig davon, ob Fernbleiben durch „Entschuldi-
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Forum 5
gung“ legitimiert wird. Häufigkeit und Dauer der Nicht-Teilnahme am Unterricht führen
zur Differenzierung in Stadien
•
Gelegenheitsschwänzen
(Stunden, Einzeltage)
•
Regel- / Gewohnheitsschwänzen (häufigeres Tagesschwänzen)
•
Massiv- / Intensivschwänzen (mindestens zehn Tage / Schulhalbjahr).
Ich möchte vereinfacht, um die Komplexität ein wenig zu reduzieren, auf drei Typen von
Schuldistanzierten verweisen:
a. Zu der einen Gruppe gehören überwiegend Jungen, die schon lange vor dem Fehlen im
Unterricht auffällig sind, die stören und geringe schulische Leistungen erbringen. Schule
ist für sie hauptsächlich Treffpunkt mit Gleichaltrigen. Sie sind öffentlich im städtischen
Raum sichtbar, verdienen oder besorgen sich Geld, geraten dabei in Illegalität, bis sie
der Polizei bekannt sind.
b. Bei einer zweiten Gruppe beginnt die Schuldistanzierung ebenfalls mit einzelnen Fehlstunden und -tagen. Im Unterschied zur ersten Gruppe sind sie nur wenig auffällig, wenn
sie die Schule besuchen. Meist sind sie zum Erstaunen der Lehrkräfte sogar trotz großer
Fehlzeiten in der Lage, akzeptable Leistungen zu schaffen. Manche sind überaltert; andere sind durch starke außerschulische Bewegkräfte absorbiert: durch den arbeitslosen,
zehn Jahre älteren Freund – die erste große Liebe; durch einen lukrativen Job, der Geld
bringt; durch Verantwortungsübernahme in der Familie für Geschwister und überlastete
Eltern. Nach ersten Fehlepisoden fühlen sie sich nicht mehr in die Klasse integriert, haben Angst, sich durch falsche Antworten zu blamieren, lassen schließlich den Versuch
ganz sein, wieder in die Schule zu gehen.
c. Zur dritten Gruppe gehören Schülerinnen und Schüler, die Opfer von Gewalt und Bedrohung, Demütigung und Blamagen sind. Es sind die Mitschülerinnen und Mitschüler, die
sie ausgrenzen. Oft sind diese meist gleichgeschlechtlich bedrohten, gar gemobbten
Mädchen und Jungen blockiert, sich anzuvertrauen. Sie wollen lernen und leisten, stehen
aber unter Dauerdruck, weil sie der Schule als soziale Arena nicht gewachsen sind. Vielen dieser Jugendlichen fehlen Eltern, die sozialen Rückhalt geben und die die Schulalltagsbewältigung stützen können. Auch dies ist eine primäre Zielgruppe für Sozialarbeit
an Schule.
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Forum 5
Für den weiteren Weg an der Schule ist folgender Trend relevant. Die erste Gruppe der „bad
boys“ (und „girls“) erhält weniger Sympathie und Unterstützung seitens der Lehrerinnen und
Lehrer, auch, weil ihre Abwesenheit Ruhe in den Unterricht bringt. Die zweite Gruppe löst oft
ambivalente Gefühle bei Pädagoginnen und Pädagogen aus, während die Zurechnung zur
Opferkategorie, bei mir der dritte Typus, Hilfsbereitschaft mobilisiert. Allerdings sind Pädagoginnen und Pädagogen auch hier nur bedingt in der Lage, in die Peer- und die Familiendynamik hinein zu wirken.
Was sagen Jugendliche in Schulverweigerer-Projekten selbst, wenn sie auf ihre Zeit an der
Regelschule zurück blicken? Folgende erlebte Schwierigkeiten werden überdurchschnittlich
häufig artikuliert:
•
„Ich kam nicht mit, habe nichts verstanden, hatte keinen Durchblick beim Stoff.“ (Leistungsprobleme)
•
„Ich war dem Lehrer egal. Es hat keinen interessiert, was mit mir war“ (Aufmerksamkeits-, Anerkennungsmangel)
•
„Ich hatte keine Freunde. Keiner stand zu mir. Ich wurde als Schlampe beschimpft. Ich
wurde vorgeführt, weil ich keine Markenklamotten hatte. Ich hatte Angst vor meinen Mitschülerinnen und Mitschülern. Ich habe nach der Schule immer was auf die Nase gekriegt.“ (Peerkonflikte; Mobbing)
•
„Meine Oma war gestorben. Mein Vater hat mich geschlagen. Mein Vater war auf einmal
weg. Ich war immer so allein.“ (Lebensprobleme)
•
„Ich war faul, wollte nicht früh aufstehen, wollte lieber liegen bleiben.“ („Null Bock“)
•
„Ich habe mich gelangweilt, hatte kein Bild von der Zukunft. Ich wusste nicht mehr, was
das alles soll.“ (Sinnfragen)
•
„Ich hasse Lehrerinnen und Lehrer, die mir sagen, was ich tun soll, die mich einengen.“
(Autoritätsthematik)
Viele der Jungen und Mädchen fordern im Nachhinein, sie hätten mehr kontrolliert werden
müssen und Erwachsene hätten sich nicht abwimmeln, sondern am Ball bleiben sollen. Ob
und in welchen Ausmaßen zu den damaligen Entfremdungszeitpunkten eine schnellere
Rückkehr durch erhöhtes Interesse und Druckmachen möglich gewesen wäre, muss offen
bleiben. Alle Befragten eines Essener Schulverweigerer-Projektes berichteten von dem Teufelskreis: „Ich kam von allein nicht mehr raus.“ Und was erzeugte die Motivation, einen neuen
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Forum 5
Anlauf in einem Projekt jenseits von Regelschule zu wagen? Auch hier differieren die Einstiegsmotive: „Meine Eltern haben Stress gemacht.“; „Ich hatte eine Freundin, die zur Schule
ging.“; „Ich will meiner Freundin später was bieten.“; „Es hat sich endlich jemand für mich
interessiert und sich gekümmert.“; „Ich will nicht bei Hartz IV landen.“
Erste Forschungsergebnisse und Praxisbeobachtungen zeigen: Es gibt eine Vielzahl von
andauernden Risikofaktoren unter Peers, in Familie und Schule – Unbeliebtheit bei Mitschülerinnen und Mitschülern mit Mobbing oder schuldistanziertes Elternverhalten zum Beispiel.
Davon abzugrenzen sind die Auslöser in der Situation – etwa schwaches elterliches und
schulisches Kontrollverhalten. Und nachweisbar sind Verfestigungsfaktoren, die sich nach
dem ersten Fehlen einstellen, wie etwa gruppendynamische Prozesse in der Clique und das
Sich-nicht-zurück-Trauen.
Bei der schulischen Qualifizierung von Schülerinnen und Schülern aus benachteiligten Lebenslagen stehen Bildung und Lebensbewältigung in einem engen Wechselverhältnis: Wenn
Alltagskrisen und risikoreiche Lebenssituationen nicht bewältigt werden, wird eine fachbezogene Förderung nicht gelingen. Was wissen wir inzwischen sicher über Risikokonstellationen? Einige Schlaglichter zur Frage der herausragenden Belastungsfaktoren, die Schuldistanzierung und Schulverweigerung begünstigen:
1. ungünstiges Umfeld der Schule
2. geringes soziales, kulturelles, ökonomisches Herkunftskapital
3. geringwertige Schulform
4. demoralisierende Schülerlaufbahn
5. fehlende Kontrolle in Schule, keine Reaktion im Anfangsstadium von Schulschwänzen
6. individuell schwache Schulleistungen
7. belastete Lehrer-Schüler-Beziehungen
8. unerfreuliches Schulklima
9. fehlende Elternunterstützung, aber auch Elternkontrolle bei ersten Anzeichen von
Schwänzen
10. disfunktionale Eltern-Kind-Beziehungen
11. misslingende Kommunikation zwischen Eltern und Schule
12. Peer-Konflikte.
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Forum 5
Eine kurze Zwischenbilanz: Schuldistanzierung entsteht an verschiedenen Orten und ist an
verschiedenen Orten zu bearbeiten. Unterschieden werden müssen präventive und interventive Zugänge (Handlungsbereiche und Handlungsebenen). Man kann im Rahmen von Schule und/oder Jugendhilfe oder in Kooperation tätig werden:
•
strukturell am System Schule ansetzen, mit Steuerungsinstrumenten wie Recht und
Geld, Beratung, Evaluation und Kontrolle – unterscheidbar wären weiter die Ebenen Bildungspolitik, Schulaufsicht, Schulmanagement,
•
an der Einzelschule arbeiten: in den Bereichen Unterricht; soziale Schulqualität/Schulkultur; Klasse/Mitschülerinnen und Mitschüler; Haltungen der Lehrkräfte; Lehrer-SchülerBeziehungen ...,
•
den jungen Menschen bzw. der Familie unterstützen (schulische oder außerschulische
individuelle, besondere Hilfen) – zum Beispiel durch Jugendsozialarbeit,
•
auf der Ebene von Vernetzung etwas tun (Systeme, Ämter / Dienste, Fall-Beteiligte...),
•
spezielle Einheiten wie Praxislern-Gruppen an Schule und Schuldistanzierten-Projekte in
Kooperation von Schule und Jugendhilfe gründen.
Schließlich sind repressive Mittel denkbar: Ordnungsbehörde, Polizei, Gericht verfügen prinzipiell über Instrumente, Druck auszuüben. Für jede Ebene könnte man zig strukturelle und
pädagogische Forderungen entwickeln. Ich werde mich beschränken.
Was man in Regelschule tun kann
Zunächst zur präventiven Seite: Was brauchen gerade belastete, von der Familie nicht hinreichend ausgestattete und unterstützte schuldistanzierte Kinder und Jugendliche an Schule? Auch hier wird es keine planierenden, für alle gültigen „One-in-all“-Antworten geben.
Doch wir wissen: sprachliche Kompetenzen wären auch in ihrer subjektiven Wahrnehmung
förderlich, Zugehörigkeit zur Gruppe, Werterleben, Angstfreiheit, Leistungserfolge, Wirksamkeitserleben, Involvement – also das Gefühl, am richtigen Platz, gewollt und dabei zu sein.
Kurz: Die Befriedigung der Basic Needs wird zählen.
Welches sind Schwerpunkte in der Schulentwicklung an Förder- und Hauptschulen, die
Schuldistanz gering halten bzw. vermindern wollen?
•
Lernen durch Tätigsein,
•
Lernen in Zusammenhängen,
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Forum 5
•
Lernen entlang an von Schülerinnen und Schülern mitentwickelten Aufgabenstellungen,
•
Lernen an anderen Orten und mit Dritten.
Ich plädiere als Antwort auf die prekären Lagen an nicht wenigen Hauptschulen und Förderzentren für multiprofessionell angelegte Öffnungskonzepte, aufbauend auf erweiterten Bildungsverständnissen. Hier ginge es auch und ergänzend um
•
jugendkulturell ansprechende Erlebnisangebote,
•
gute Ordnungen, Fairness, Regellernen,
•
Sozialkompetenz-Entwicklung,
•
Verantwortungsprojekte nach innen und außen,
•
verstärkte Berufsorientierung, Schülerfirma und Werkstatt-Angebote,
•
Gebrauchswissen für den Alltag und um
•
informelle Räume mit Vertrauenspersonen.
Verkürzt und verdichtet: Wir brauchen Schulen, die Schülerinnen und Schülern unterrichtliche Leistungserfolge ermöglichen und an denen jeder junge Mensch mindestens ein Erfahrungsfeld vorfindet, in dem er sich nützlich und kompetent fühlt.
Ein zweiter präventiver Strang liegt in der Einzelfall-Bearbeitung, d. h. in der Systematisierung der Früherkennung und Förderung bzw. Problemlösungen für gefährdete Kinder. Das
beinhaltet:
•
Identifizierung der Kinder in der Grundschule: Sensibilisierung für Leistungseinbrüche,
Fehlzeiten, Auffälligkeiten im sozialen Bereich, Mängel im Arbeitsverhalten usw.)
•
Informationsfluss-Schaffung zwischen den Lehrkräften; Fallgespräche; schulinterne Koordination des Handelns, ggf. Einschaltung der Schulpsychologischen Dienste
•
alltagstaugliche Verfahren zur Problemerfassung und zur Klärung von Abläufen (Bögen
zur Problembeschreibung, Flussdiagramme zur koordinierten Bearbeitung …)
•
Kooperation mit externen Fachdiensten (Jugendamt, Hilfe zur Erziehung u. a.)
•
Integration in die Klasse; Soziales Lernen
•
Zusammenarbeit mit Eltern
•
Förderung (Einzel-, Kleingruppenförderung)
•
Übergangsbegleitung in die weiterführende Schule
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Forum 5
Nehmen wir an, Schuldistanz wird sichtbar. Folgende Programmelemente können im frühen
Stadium wirksam werden:
•
Ziele und Gründe für die schulische Verfolgung von unregelmäßigem Schulbesuch
schriftlich festhalten; Wille zur Zielverfolgung einpflanzen (Lehrkräfte gewinnen, motivieren, belohnen)
•
organisierte Wahrnehmung (Hinschauen, Dokumentieren, interne Veröffentlichung, Auswertung)
•
standardisierter Prozessablauf: Systematische Situationsklärung/Fallverstehen; transparente Zuständigkeitszuordnungen; Verfahrenskatalog mit festgelegter Folge von Einzelschritten
•
frühe und berechenbare Informationsschritte zwischen Schule und Eltern
•
Einbindung der Klasse / von Mitschülerinnen und Mitschülern, um Schwänzerinnen und
Schwänzer zurück zu holen
•
hinter dem Fernbleiben stehende inner- und außerschulische Probleme und Konflikte
angehen
•
Rückkehrsituation aktiv gestalten
•
abgestimmte Kooperation mit Jugendsozialarbeit, Jugendamt, Polizei ...
•
Einsatz von zur Schülerin /zum Schüler passenden pädagogischen Strategien,
u. a.
- unmittelbare Reaktion auf Versäumnisse; Wegbleiben unbequem machen;
- Anreize für Anwesenheit schaffen; Anwesenheit positiv verstärken;
- Beziehung zur Schülerin /zum Schüler reflektieren.
Jugendhilfe/Jugendsozialarbeit und Schuldistanz
Schul- und lebensbiografisch ist angezeigt, Unterstützung früh, schnell, abgestimmt und vernetzt zu leisten. Nachweisbar sind oft Angebotslücken zwischen „dem ersten Schwänzen“
(mit Zuständigkeit von Schule) und der verfestigten Schulverweigerung, wenn ggf. besondere Kooperationsprojekte oder Jugendberufshilfe greifen. Was kann die Jugendhilfe (in Kooperation mit der Schule) tun?
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Forum 5
Kooperation der Ämter u. Fachdienste
•
Steuergruppe der Ämter bzw. regionales Unterstützerteam (Schulaufsicht, Schulpsychologie, Schulleitung, Polizei, Jugendamt ...)
•
Clearing- und Beratungsstelle Schuldistanz/Absentismus; Fallkommission „Verlorene
Schülerinnen und Schüler“
Kooperation Jugendamt - Einzelschulen
•
Unspezifische Prävention: gegenseitige Information über Aufgaben und Möglichkeiten;
Benennung von Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner; Teilnahme an Elternsprechtagen u. ä.; gemeinsame regionale Fachtage und berufsgruppengemischte Fortbildungen; Stadtteilkonferenz/Sozialraum-AGs ...
•
Verabredung schneller und direkter Wege in der Fallkooperation; Beratung Schule und
ASD
Fallarbeit
•
Beratung (ASD, EFB, freie Träger ...)
•
Nachgehende, aufsuchende Helferteams
•
Hilfen zur Erziehung (Gruppenarbeit, Tagesgruppe ...)
•
Mittler-/Mentoren-/Paten-/Coach-Ansätze
•
Runde Tische ASD – Schule – Eltern ...
Prävention und Intervention am Ort Schule, z. B.
•
Sozialarbeit an Schule/Schulstation/Präventionsprojekte durch Externe: Beratung, Moderation, Klärung inner- und außerschulischer Konflikte, Trainings, Lernhilfen, Übergangshilfen; plurale Selbstwertangebote (Musik, Sport/Bewegung, Verantwortungsübernahme usw.)
Schulexterne Inklusionsansätze (Projekte)
•
„Schulkrisen-Auszeit-Projekt“
Schulmüden-/Schulverweigerer-Projekte (Tagesgruppe besonderer Prägung, Jugendwerkstatt ...)
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Forum 5
Sozialarbeiterinnen, Sozialarbeiter und Lehrkräfte müssen sowohl generell als auch am Fall
Klärungen herbeiführen, wer sich wofür zuständig erklärt. Dieser Prozess gestaltet sich ggf.
durchaus schwierig. Das potentielle Aufgabenspektrum von Sozialarbeit an Schule im Kontakt mit Schuldistanzierten auf einen Blick:
Direkte Ebene
•
Aufbau eines Vertrauensverhältnisses
•
verstehen, was der Fall ist
•
Brückenperson zu Eltern
•
Unterstützung bei der Konflikt- und Problemlösung
= fallgenaue Intervention (mit Zielentwicklung, Aktivierungsschritten wie Verträgen, Etappenkontrolle usw.)
Mittelbare Ebene
(Vermittlerrolle, Drehpunktperson):
•
Moderation zu Lehrkräften
•
Verbindungsstiftung in außerschulische Hilfesysteme
•
ggf. Aufschließung von betriebsnahen Bewährungsfeldern u. a. m.
Mit Abstand und programmatisch betrachtet, müssten sowohl Jugendhilfe als auch Schule
interessiert sein, dass die Eltern sich aktiv in das Bildungsgeschehen und die institutionelle
Erziehung der Kinder und Jugendlichen einbringen. Noch gibt es hier Brachflächen, weil Jugendhilfe den Ort Schule für Elternaktivierung noch nicht konsequent annimmt und weil Eltern bisher von Schule selbst noch nicht als sekundäre Zielgruppe angenommen werden. Es
gibt eine Fülle von Arbeitsrichtungen, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Gerade
die Sozialarbeit an Schule ist in komplexeren Anforderungssituationen ein geeigneter Ansprechpartner. Aussichtsreiche Strategien können sein:
•
elterliche Ursachenzuschreibungen für Erziehungs- und Schulprobleme erfragen
•
Kontakt und Kommunikation zwischen Eltern und Jugendlichen herstellen
•
in Einzelgesprächen den Umgang mit den Schulproblemen der Kinder klären
•
Ressourcen suchen
•
Transparenz hinsichtlich der elterlichen Schulgeschichte schaffen
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Forum 5
•
Konflikte in Bezug auf die Schule genau untersuchen
•
Eltern ermutigen, in die Verantwortung zu gehen
•
Elterliche Sichtweisen auf das Mädchen / den Jungen erweitern
•
Eltern bei der Erarbeitung von Bewältigungsmöglichkeiten für Belastungssituationen
unterstützen (Kompetenzerweiterung).
Zu bedenken ist: Wie viele Einzelfälle kann eine Sozialarbeiterin an Schule verkraften? Eine
reflexhafte Rede „Sozialarbeit an Schule – die Adresse für Schuldistanz“ ist so nahe liegend
wie unzureichend. Was prinzipiell nützt, sind innerschulische Wahrnehmungs-, Kommunikations-, Zuständigkeitsverteilungsalgorithmen, wie sie etwa im Bezirk Pankow sowohl zwischen den Systemen als auch innerschulisch zwischen den Berufsgruppen verabredet wurden. Allerdings würde es auch hier lohnen, dem Teufel im Detail nachzugehen: Was passiert
bei liebloser Absolvierung? Was macht man, wenn der Zuständige zum jungen Menschen
keinen Draht findet? Was, wenn der über- und abnehmende Verfahrensbeteiligte eine andere pädagogische Einschätzung hat oder der junge Mensch sich nicht übergeben lassen will?
Was ist bei Krankheit und Arbeitsverweigerung von „gesetzten“ Protagonisten? So haben
auch Koordinationsschemata Grenzen.
Zur Berliner Situation
In Berlin lassen sich günstige Entwicklungen in der aktiven Auseinandersetzung mit Schuldistanz nachweisen. Es gibt inzwischen verbesserte Datenerhebung und statistische Grundlagen; mit der Handreichung der „Landeskommission Berlin gegen Gewalt“ wurden günstige
Informationsgrundlagen geschaffen. Das Rundschreiben 1/2006 hat vielfältige administrative
Verabredungen von Schule und Jugendhilfe angestoßen und mit der Schulhilfekonferenz auf
Standortebene ein prinzipiell geeignetes Instrument angeregt. In den Diskussionen nach
dem Vortrag wurde deutlich, dass seit zwei Jahren an vielen Orten in der Stadt wegweisende
Entwicklungen stattfinden, um Schuldistanz zu begegnen, zum Beispiel:
a. Information und Kommunikation im Übergang von der Grundschule in die weiterführende
Schule gerade mit Blick auf Kinder in risikoreichen Lebenssituationen
b. Erfassung von Schülerinnen und Schülern mit erheblicher Schuldistanz und Koordination
des Wirkens verschiedener Handlungssysteme auf bezirklicher Ebene
c. Pädagogische Schulentwicklung an Einzelschulen (Lebenswelt-, Arbeitsweltbezüge; erweiterte Konzepte der vertieften Berufsorientierung)
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Forum 5
d. Organisierte Wahrnehmung an der Einzelschule und schnelles Eingreifen
e. „Buddy“-Projekte auf Peerebene
f.
Förderkonzepte in der 7. und 8. Jahrgangsstufe bei Verbleib in der Klasse
g. vielfältige Ansätze des sozialen Lernens und der Gestaltung eines positiven Klassenklimas
h. entgegenkommende und aktivierende Ansprache von Eltern schuldistanzierter junge
Menschen
i.
aufsuchende und nachgehende Ansätze
j.
Vermittlung von irreversibel schuldistanzierten Jugendlichen an außerschulische
Lernorte.
All dies kann durch die neue Ressource der Jugendsozialarbeit an Schule günstiger angelegt
werden. Als besonders aussichtsreich wurde formuliert, einerseits ein schulisches Handlungskonzept verbindlich zu machen, das den Umgang mit Versäumnissen innerschulisch
hinsichtlich der Aufgaben und Zuständigkeiten abbildet, und zudem die enge Zusammenarbeit mit Eltern im frühen Stadium zu sichern. Als Entwicklungsaufgaben wurden u. a. formuliert:
a. Verbreitung gelingender Ansätze
b. Gewinnung von mehr Lehrkräften für die Halte- und Rückkehrarbeit auch mit jenen Schülerinnen und Schülern, die ggf. den Unterricht (zunächst) erschweren
c. Ausbau der Effektivität in den Kooperationsstrukturen zwischen Ämtern, Diensten, Einrichtungen
d. Weitere Arbeit an der Aufgabenklarheit zwischen den Berufsgruppen der Lehrkräfte und
Jugendsozialarbeit im Überschneidungsbereich des schuldistanzierten Verhaltens.
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Eindrücke
Referats- und Diskussionsforen
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Forum 6
Forum 6
Elternarbeit
Prof. Dr. Cengiz Deniz
Evangelische Fachhochschule Berlin
|
Elternarbeit
Mögliche Gründe dafür, warum Elternarbeit nicht gelingt:
•
Die Eltern haben sprachliche Defizite.
•
Sie haben Angst vor der Institution.
•
Sie haben (falschen) Respekt vor der Autorität Schule/Lehrkraft. Institutionen sind für sie
abstrakte Gebilde.
•
Die Lehrkräfte „zitieren“ sie in die Schule und sie fühlen sich „diffamiert“.
•
Es fehlt am Bewusstsein, institutionellen Anforderungen nicht gewachsen zu sein.
•
Unterschiedliche Erwartungen der Akteure (Eltern/Schule/Lehrkräfte) ergänzen sich
nicht.
•
Eltern migrantischer Herkunft sind aufgrund mehrerer Faktoren bezüglich Erziehung und
Bildung ihrer Kinder überfordert (vgl. Familien ausländischer Herkunft, Sechster Familienbericht, 2000, S. 185).
•
Das deutsche Bildungssystem ist den migrantischen Eltern weitestgehend unbekannt.
•
Sie haben unklare Vorstellungen über die Aufgaben der Schule und Kindertagesstätte.
•
Sie äußern unrealistische Erwartungen.
•
Die Arbeit mit migrantischen Eltern erfordert mehr Zeit.
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Forum 6
Wer und wie sind die Eltern?
Hier einige Beispiele, wie die Eltern sind: (diese Punkte sind hinsichtlich ihrer Richtigkeit kritisch zu reflektieren):
1. Eltern setzen ihren Kindern keine Grenzen.
2. Eltern lassen ihre Kinder abends lange fernsehen.
3. Eltern bieten dem Konsum von Video- und Computerspielen keinen Einhalt.
4. Eltern ernähren ihre Kinder mit Fastfood.
5. Eltern begleiten ihre Kinder nicht zum Spielen.
6. Eltern fördern die Sozialität bzw. Sozialisierung (lernen, sich mit anderen Kindern zu
streiten, auszutauschen und sich zu versöhnen) ihrer Kinder nicht.
7. Eltern schlagen ihre Kinder, sie sind ihnen gleichgültig.
8. Eltern sehen in ihren Kindern nur Kinder und keine Personen/Individuen.
9. Eltern wollen mit anderen Eltern/Familien nichts zu tun haben.
10. Eltern sind sich ihrer Ressourcen nicht bewusst.
11. Eltern leben in sehr differenzierten sozialen, kulturellen und ökonomischen Verhältnissen
(vgl. THIERSCH, 2006, S. 89ff).
Frage
Wo ist dann die Kompetenz der Eltern, an der sich Fachkräfte orientieren können?
Antwort
Eltern besitzen sowohl intuitive als auch reflexive Kompetenzen (vgl. THIERSCH,
2006, S. 90).
Elternarbeit mit migrantischen Eltern
•
dient deren Integration in die Gesellschaft,
•
fördert die Erfolge ihrer Kinder und
•
ermöglicht die Organisationsentwicklung sozialer und pädagogischer Institutionen wie
Kindertagesstätten und Schule.
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 6
Ich möchte deutlicher formulieren:
•
Eltern sind mitverantwortlich für die Erziehung, Bildung und Identitätsentwicklung ihrer
Kinder.
•
Institutionsvertreterinnen und -vertreter sind professionsbedingt dazu da, sie zu motivieren und mobilisieren, indem sie auf die „Bildung der Eltern“ einwirken und „die Eltern
dort abholen, wo sie sind“.
Wie können Fachkräfte diesen pädagogischen Aufgaben nun nachkommen?
Einige Bespiele für methodisches Vorgehen in der Praxis:
•
Einzelgespräche führen,
•
Elternabende organisieren,
•
thematische Gesprächskreise anbieten,
•
Erziehungsschwierigkeiten mit Eltern besprechen,
•
Entwicklungspsychologisches und pädagogisches Fachwissen weitergeben,
•
das Rollenverständnis als Erzieherin/Erzieher/Lehrerin/Lehrer vermitteln,
•
aufzeigen, wie man sich in schwierigen Situationen verhalten kann,
•
auf andere Fachberatungsstellen hinweisen, Vernetzung anstreben,
Die Erfahrungen aus England zeigen, dass Eltern sich zur aktiven Mitarbeit motivieren lassen, wenn die Institutionen sich zum Treffpunkt im Gemeinwesen erklären und Elternbildung
anbieten (vgl. PETRY, 1990, S. 53ff).
Im Folgenden werde ich
•
erstens unter Bezugnahme auf die Überlegungen zu Organisationsentwicklung und
Qualitätsmanagement (vgl. HANDSCHUCK/SCHRÖER, 2001, S. 147-181) in pädagogischen Arbeitsfeldern und
•
zweitens unter Rückgriff auf die Ergebnisse der Evaluation eines Projektes zur Elternarbeit und institutioneller Öffnung in Nordrhein - Westfalen (vgl. AUERNHEIMER, 2001, S.
12ff) am Beispiel von zehn Themenbereichen reflektieren, wie ein solcher Prozess gelingen kann.
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Forum 6
Ein kurzer Exkurs
Im Rahmen des Projektes „Herausforderung Hauptschule in Trier“ wurde Schülerinnen und
Schülern folgende Frage gestellt. Die Antworten fielen wie folgt aus:
Wen fragst du um Rat, wenn es um deinen späteren Beruf geht?
(Mehrfachnennungen möglich)
A
Eltern
92,8 %
B
Freunde
87,0 %
C
Berufsberater
67,9 %
D
Lehrer
59,1 %
E
Geschwister
53,6 %
F
Sonstige
58,8 %
Grafik 1: www. Herausforderung–Hauptschule.asw-trier.de 10.10.2007
Diese Angaben sind zwar nicht nach ethnischer und sozialer Herkunft differenziert, doch
geben sie zumindest einen allgemeinen Einblick in die Erwartungswelt der Schülerinnen und
Schüler.
Zehn Punkte zu Elternarbeit und Rahmenbedingungen
1. Die Philosophie oder das Leitbild der Einrichtung
Hat die Institution ihre Ziele und Aufgaben diskursiv, d. h. im dialogischen Austausch mit
den Nutzern/Adressaten (also Eltern) geklärt?
Wenn nicht, sollte dies nachgeholt werden, um zu erfahren, was die Eltern von den Institutionen wollen und weshalb sie eine Zusammenarbeit – z. B. indem sie zum Elternabend
nicht erscheinen – ablehnen.
2. Pädagogische Aufgaben delegieren oder wahrnehmen?
Die Sonderbehandlung migrantischer Eltern führt eher dazu, dass daraus ein selbstverschuldetes migrationsspezifisches Problem konstruiert wird als ein soziales Problem der
Gesellschaft.
Eine solche Sonderbehandlung verdeutlicht z. B. folgende Wahrnehmung:
•
„Sie sind schwierige Fälle,
•
sie können sich nicht integrieren,
•
sie haben kein Interesse für ihre Kinder“ etc.,
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
•
Forum 6
sie werden nicht als Teil der (Aufnahme-) Gesellschaft gesehen, sondern vorzugsweise als Spezialgruppe in die Spezialschublade „Ausländerthema“ sortiert (vgl.
BECK-GERNSHEIM, 2004, S. 11).
•
„Was in die geschilderte Optik nicht passt, findet wenig Beachtung“ (ebd., S. 11).
•
Wie handeln soziale und pädagogische Institutionen bzw. die Fachkräfte in diesem
Kontext? Sind sie immun gegen dieses Bild?
•
Nein, sie können nicht dagegen immun sein, aber sie können dieses Bild professionell hinterfragen.
3. Multikulturelle Zusammensetzung des Personals
Multikulturelles Personal ist keine Garantie für Qualität und Öffnung per se, aber
•
Verständigungsschwierigkeiten könnten dadurch minimiert werden,
•
positive Sozialisationssignale vermittelt werden,
•
Fachkräfte mit interkultureller Handlungskompetenz halten Differenzen eher aus und
können diese entsprechend reflektieren,
•
sie nehmen die (ausgebliebene) deutsch-migrantische Interaktion präzise wahr,
•
ihre Konzepte können auf interkulturelle Kontexte basieren,
•
sie kennen Vorurteile, Klischees, Pauschalisierungen und können damit kritisch und
selbstsicher umgehen,
•
sie können Konzepte mit Adressaten abstimmen,
•
sie kennen die Lebenswirklichkeit der Adressaten,
•
sie können den Zugang in die Community erleichtern.
Jedenfalls sind deutsche Institutionen in personeller Hinsicht stärker monokulturell als Institutionen in anderen Einwanderungsgesellschaften (vgl. AUERNHEIMER, 2001, S. 13).
Diese Exklusion sollte auch angesichts des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
AGG § 13 verstärkt diskutiert werden, aber bitte nicht „gleich behandeln“.
4. Die Zugänglichkeit in die Einrichtung
Beim Zugang in die Institution z. B. Schule/Kindertagesstätte ist zwischen den verhindernden rechtlichen, psychischen, sozialen und kulturellen Barrieren zu unterscheiden.
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 6
5. Die Vernetzung im Gemeinwesen/Quartier
Die Vernetzung und Zusammenarbeit unterschiedlicher sozialer und pädagogischer Institutionen (Schule, Vereine, psycho-soziale Regeleinrichtungen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Senioreneinrichtungen etc.) im Gemeinwesen wird zwar im SGB XIII empfohlen, doch handelt es sich hierbei nicht um eine flächendeckende Praxis (siehe Punkt 6).
6. Die Öffnung zum sozialen Umfeld
Was ist die Aufgabe der Kindertagesstätte und der Schule?
AUERNHEIMER (vgl. ebd., S. 14) schlägt vor, dass die Schule Angebote, die über ihre
Kernaufgabe (Unterrichtung der Schülerinnen und Schüler) hinaus gehen, z. B. Sprachkurse, anbieten und bei lokalen Veranstaltungen, Stadtteilfesten etc. mitwirken kann, um
die Distanz zu den Eltern zu minimieren (siehe Punkt 5).
7. Partizipation von Migranten
Sind migrantische Eltern in den schulischen und außerschulischen Gremien angemessen
vertreten?
Diese Form der Öffnung darf nicht aufgrund des Defizit-Ansatzes erfolgen, sondern es
muss sich um einen semi-fachlichen Dialog auf derselben Augenhöhe handeln, so dass
Eltern, die sich für Gremienaufgaben interessieren, als Multiplikatoren diese Chance
wahrnehmen.
Dies erfordert allerdings eine Transparenz der Entscheidungen in den Teams bzw. Institutionen.
8. Das Curriculum
•
Beziehen sich die Inhalte des Curriculums auf die reale Lebenswelt von Schülerinnen
und Schülern? Sind die Inhalte der Schulbücher frei von negativen Zuschreibungen?
•
Schulbuchanalysen von HÖHNE u.a. (2000) haben ergeben, dass die Schulbücher
migrantischen Familien gegenüber voller Vorbehalte sind.
•
Auch eine Reflektion des „heimlichen Lehrplans“ ist in diesem Kontext sinnvoll.
•
Wie gut ist die Schulbücherei mit Literatur aus den jeweiligen Ländern bestückt?
Könnten Eltern der Schule dabei behilflich sein?
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
•
Forum 6
Oder anders formuliert: Kann das Curriculum diese Aufgaben überhaupt bewältigen?
Ist das Kollegium damit überfordert?
9. Interkulturelle Fortbildung und interkulturelle Supervision
Soziale und pädagogische Arbeit erfordert eine qualifizierte und der Herausforderung angemessene Reflektion und Supervision bzw. kollegiale Beratung
10. Anwenden von Controlling-Instrumenten
Das Leitbild der Institutionen bzw. die Alltagspraxis könnte durch die Instrumente des
Controlling (dort, wo es sich anbietet) in überschaubaren Zeitabständen hinterfragt werden.
Es gilt systematisch zu eruieren, inwieweit die Adressaten erreicht werden und wer bzw.
was der „Störenfried“ ist, also:
•
die Eltern,
•
die institutionellen Arbeitsbedingungen (Machtfragen)
•
das Team (starre Leitungsstrukturen)
•
oder wer/was noch?
Elternarbeit aus der Praxis für die Praxis
Elternarbeit mit migrantischen Eltern setzt wechselseitiges Interesse voraus, d. h. dass man
sich erstens verändern und zweitens die altbekannten Einstellungen hinterfragen will.
Dazu sind entsprechende Rahmenbedingungen notwendig.
Ich möchte einige nennen:
1. Elternkurse in der Schule als Bestandteil des Curriculums einführen, z. B. wie in einigen
Berliner Schulen praktiziert wird,
2. themengebundene (Eltern-)Gespräche in verschiedenen Sprachen anbieten, Themeninhalte mit Eltern absprechen,
3. Hausbesuche durchführen,
4. erkennen, dass ALLE ELTERN DAS BESTE FÜR IHR KIND WOLLEN,
5. zeitlich flexible Gesprächstermine anbieten,
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 6
6. ehemalige Schülerinnen und Schüler, die inzwischen erwachsen sind, als Mentorinnen
und Mentoren gewinnen,
7. engagierte Eltern motivieren, dass sie zur nächsten Aktivität andere Eltern mitbringen,
8. Lob und Anerkennung aussprechen versus „in die Schule zitieren“,
9. Mama und Papa lernen und sprechen deutsch (als Erweiterung des bisherigen Projektes
„Mama lernt deutsch“),
10. präventive Gesprächskreise mit Migranteneltern beziehungsweise mit Migranteneltern
und mit deutschen Eltern anstreben,
11. Weiterqualifizierungsangebote für interessierte Eltern, z. B. in den Schulräumen, anbieten,
12. Elternbefragung bezüglich Zusammenarbeit in unterschiedlichen Sprachen durchführen,
z. B. gemeinsam mit Universitäten und Fachhochschulen,
13. Lesestunde in der Schule organisieren – Eltern lesen vor,
14. die Angebote des Projektes Elternlotsen/Stadtteilmütter für die Schule modifizieren,
15. Wochenendseminare mit Eltern durchführen sowie
16. Betriebsbesichtigungen verbunden mit der beruflichen Perspektive für die Kinder anbieten.
Noch eine Aktivität
„Berliner Handbuch zur Elternbeteiligung“ wollen wir noch gemeinsam schreiben….
Tesekkür ederim
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit
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Dokumentation 1. Berliner Tandem Fachtag 24.05.2007
Workshop 1
Literaturverzeichnis zu Elternarbeit (Auswahl)
AUERNHEIMER, G. (2001), Pädagogische und soziale Institutionen im Zeichen der Migration. In:
AUERNHEIMER, G. (Hrsg.) Migration als Herausforderung für pädagogischen Institutionen. Opladen.
BAUER, P.; BRUNNER, E.J. (2006), Elternpädagogik. Von der Elternarbeit zur Erziehungspartnerschaft. Freiburg.
BECK-GERNSHEIM, E. (2004), Wir und die Anderen. Frankfurt/M.
BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG (Hrsg.) (2000), Interkulturelles Lernen. Arbeitshilfen für
politische Bildung. Bonn
HANDSCHUCK, S.; SCHRÖER H. (2001), Interkulturelle Orientierung als Qualitätsstandard sozialer
Arbeit. In: AUERNHEIMER, G. (Hrsg.) Migration als Herausforderung für pädagogischen Institutionen. Opladen.
HÖHNE, T.; Kunz, T.; RADTKE, F.O. (2000), 'Wir' und 'sie' - Bilder von Fremden im Schulbuch. In:
Forschung Frankfurt, Wissenschaftsmagazin. Frankfurt/M.
KORTE, J. (2004), Mit den Eltern an einem Strang ziehen. Mehr Schulerfolg durch gezielte Elternarbeit. Eine Antwort auf die PISA-Studie. Donauwörth.
PETRY, C. (1990), Community Education – den Teufelskreis des Helfens unterbrechen. In: gemeinsam, Heft Nr. 17. Essen.
SACHER, W. (2004), Elternarbeit in den bayerischen Schulen. Repräsentativ-Befragung zur Elternarbeit. Nürnberg.
SACHER, W. (2004), Erfolgreiche und misslingende Elternarbeit. Ursachen und Handlungsmöglichkeiten. Nürnberg.
SENATSVERWALTUNG FÜR SCHULE, JUGEND UND SPORT (Hrsg.) (2001), Handreichung für Lehrkräfte
an Berliner Schulen. Interkulturelle Bildung und Erziehung. Berlin.
SCHLÖSSER, E. (2004), Zusammenarbeit mit Eltern. Informationen und Methoden zur Kooperation
mit deutschen und zugewanderten Eltern in Kindergarten, Grundschulen und Familienbildung.
Münster.
THIERSCH, R. (2006), Familie und Kindertageseinrichtungen. In: BAUER, P.; BRUNNER, E.J. (Hrsg.)
Elternpädagogik. Von der Elternarbeit zur Erziehungspartnerschaft. Freiburg.
www.Herausforderung–Hauptschule.asw-trier.de 10.10.2007
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Eindrücke
Abschlussplenum
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Forum 7
Forum 7
Gewaltprävention
Prof. Dr. Kurt Möller
Hochschule Esslingen
Gewalt – ein Vorschlag zu definitorischen Sortierungen
Gewalterfahrung – aktive Seite = Gewaltakzeptanz
Gewalterfahrung – passive Seite = Gewalterleiden
Gewaltakzeptanz
eigene Gewaltbereitschaft
eigene Gewalttätigkeit
Duldung/Billigung/Propagierung/Begünstigung
fremdausgeübter Gewalt
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 7
Formen von Gewaltakzeptanz
•
physisch
•
psychisch
•
personal
•
strukturell
•
gegen Personen
•
gegen Sachen…
Einige motivationale, performative und normative Differenzierungen
•
intendierte versus nicht intendierte Schädigungen
•
geplantes versus ungeplantes Vorgehen
•
individuelle versus kollektive Ausführung
•
expressive versus instrumentelle Gewaltausübung
•
legitime beziehungsweise legale und illegitime bzw. illegale Gewalt
•
symbolische und reale Gewaltakzeptanz…
Differenzierungen nach „Härtegraden“ und Gewaltfolgen
•
verbale und gestische Gewalt
•
eher leichte körperliche Einwirkung: „Schubsen“, „Beinchenstellen“ etc.
•
Fausteinsatz
•
Schlagringbenutzung
•
Wurfwaffeneinsatz
•
Stichwaffeneinsatz
•
Schusswaffeneinsatz…
•
Sachen gewaltsam wegnehmen
•
Beleidigung, Demütigung, Erniedrigung, etc.
•
einfache Körperverletzung
•
schwere Körperverletzung
•
Tötungsdelikte …
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Forum 7
Definitionskerne von „Gewalt“ und „Mobbing“ in den gebräuchlichsten Fassungen
Gewalt =
illegitime physische und/oder psychische Schädigung der Integrität einer Person
Als zunehmend relevante Teilmenge von Gewalt:
Mobbing/Bullying =
über einen längeren Zeitraum betriebenes Schikanieren und Drangsalieren, vor allem mittels
Beleidigungen, Demütigungen, Gerüchtestreuen, Drohungen und Ausgrenzungen
Ausmaße, Entwicklung und soziale Faktoren von Gewalt und Mobbing an deutschen
Schulen
1. Ausmaße
•
weniger dramatisch als vielfach angenommen, denn
•
harte, strafrechtliche relevante Delikte wie schwere Körperverletzung, Waffengebrauch oder Erpressung kommen kaum vor, schon aber
•
weniger harte physische Gewaltformen wie Schlagen und Treten (in Hessen z. B.
prügeln sich ein Drittel der Schülerinnen und Schüler mindestens einmal während eines Jahres) und mehr noch
•
verbale Attacken (über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in Hessen bzw.
Sachsen nehmen sie mehrmals wöchentlich oder sogar täglich wahr)
•
Mobbing
- Deutschland international auf Platz zwei bis drei von 35 Ländern (WHO)
- einmal bzw. öfter pro Woche: 5% bis 9% Täterinnen und Täter
- zwei- bis dreimal im Monat: 9% (Jahrgangsstufe 5) bis 22% (Jahrgangsstufe 9)
- 15jährige Jungen über 30%
2. Entwicklung
•
uneinheitliche Ergebnisse der empirischen Längsschnittforschung
- MANSEL/HURRELMANN: 1988-1996 erheblicher Anstieg von körperlicher Gewalt und
Erpressung in allen Schulformen
- TILLMANN u. a.: 1972-1995 erheblicher Anstieg körperlicher Gewalt nur in der
Hauptschule, in anderen Schulformen konstant
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Forum 7
- FUCHS u.a.: 1994-1999-2004 (Bayern): bei den meisten Gewaltformen 2004 geringeres Niveau als 1994; Zunahme verbaler Gewalt (vor allem in Hauptschulen)
1994-1999, danach wieder Abschwächung
3. Soziale Faktoren (Auswahl)
•
- Geschlecht
- vier- bis fünfmal mehr Jungen Täter als Mädchen (LÖSEL/BLIESENER: 7,9% zu
1,6% treten/schlagen einmal pro Woche oder häufiger)
- bei nicht-physischem Mobbing Anteil der Mädchen höher
- fast dreimal mehr Jungen Opfer als Mädchen
- Entwicklungstendenz: Jungen immer noch zumeist Täter, aber Mädchen holen auf
•
- Alter
- Gewaltspitze zwischen 12 und 15 Jahren, vor allem achte Klasse
•
Schulform, Schul- und Stadtgröße
- je niedriger die Schulform, desto häufiger physische Gewalt
- kein nachgewiesener Zusammenhang zwischen Gewalthäufigkeit und Schul- oder
Stadtgröße
•
- Ethnie
- Migrantische Jugendliche – je nach Herkunftskultur – 50% bis ca. 100% höhere
Prävalenzraten bei personaler Gewalt (z. B. beide Eltern deutsch: 13,6%; ein Elternteil migrantisch: 20,1%; beide Eltern türkisch: 27%; KFN-Schülerbefragung
2005 (N= 23.000) bzw. bis zu 33% höhere Prävalenzraten bei personaler Gewalt
(IKG-Jugendpanel)
- Mehrfach-Gewalttäter (KFN)
- Deutsche: 4,1% der Jungen, 1,2% der Mädchen
- „Halbdeutsch“: 8% der Jungen, 2,6% der Mädchen
- Türkisch: 13,4% der Jungen, 3,3% der Mädchen
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Tabelle 1:
Forum 7
Anteil delinquenter Jugendlicher nach ethnischer Gruppe
(12-Monats-Prävalenz, in %)
deutsch
beide
Eltern
deutsch
1
Migrationshintergrund
türkisch
russisch
Jugoslawisch/
albanisch
polnisch
Südeuropäisch
andere
Cramers
V
Sachbeschädigung
17,3
22,4
15,3
19,5
15,7
24,9
17,4
15,8
.056**
Ladendiebstahl
15,2
20,0
11,8
16,6
18,8
22,3
17,5
15,0
.061**
personale Gewalt
13,6
20,1
27,0
23,3
24,1
23,9
20,8
20,7
.128**
keine Angabe
1,0
1,3
1,7
2,2
3,8
1,7
1,5
2,1
.052**
Erpressung
0,7
1,4
1,9
1,6
2,5
0,5
0,8
1,1
.052**
Bedrohung mit Waffe
1,7
3,1
3,4
2,9
3,7
2,9
0,4
1,1
.055**
Raub
2,0
3,5
4,9
5,0
5,1
4,9
3,8
2,6
.071**
12,5
19,4
25,6
21,0
22,8
23,3
19,8
20,1
.129**
5,7
8,6
7,0
10,4
8,8
9,5
7,8
5,9
.059**
Körperverletzung
Qualifizierter Diebstahl²
1.
Gefragt wurde danach, ob absichtlich Fenster, Telefonzellen, Straßenlampen oder ähnliche Dinge beschädigt
bzw. ob an einer unerlaubten Stelle Graffiti gesprüht wurden.
2.
Gefragt wurde danach, ob ein Auto aufgebrochen wurde, um daraus etwas zu klauen bzw. ob ein Fahrrad,
ein Mofa oder sonst ein Fahrzeug geklaut wurde bzw. ob irgendwo zum Stehlen eingebrochen wurde (zum
Beispiel Baubude, Gartenlaube, Keller usw.).
BAIER, D.; PFEIFFER, C.; W INDZIO, M. (2006), S. 246. KFN-Schülerbefragung 2005, Befragung von
Jugendlichen der 9. Jahrgangsstufe; gewichtete Daten; nur westdeutsche Befragungsgebiete (n=14301, ** p<01)
Erklärungsfaktoren der überproportionalen Gewalt-Belastung von Migranten sind überproportionale Belastungen durch
1. Individuell-funktionale (sozial-strukturelle) und gesellschaftliche (institutionelle) Integrations- und Anerkennungsdefizite
•
Inferiore Positionen im Bildungs- und Berufssystem
•
Vorenthalt staatsbürgerlicher Rechte
•
Benachteiligungserfahrungen als Verletzungen der Norm der Gleichwertigkeit
•
Mangelndes Vertrauen in den Rechtsstaat
2. schroffe und inkonsistente Erziehungsstile (Defizite gemeinschaftlicher [sozioemotionaler] Sozialintegration)
3. Vergeltungsorientierte (statt verhandlungsorientierte) Konfliktbearbeitungsstrategien (im
Sinne der Distanz zu universalistischen Integrationsnormen)
4. Einbindung in homogene Bezugsgruppen und hochkohäsive Cliquen (im Sinne partikularistischer Integration)
5. Befürwortung von Gewalt, vor allem aus „Lust“ und noch mehr zur Sicherung von Respekt und „Ehre“ (im Sinne partikularistischer Integration)
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Forum 7
Faktoren der Gewaltdistanz(ierung) in den Sozialisationsbereichen Jugendlicher
• verlässliche und emotional positive Beziehungen zu den Eltern
•
sinnstiftende Schulerfahrungen mit der Möglichkeit zum Aufbau von Selbstwert
•
ausgrenzungs- und gewaltdistanzierte Haltungen des sozialen Umfelds, vor allem
auch der Peers
•
Distanz zu Gewalt verherrlichenden Medien, Medienkompetenz
•
Entdeckungen biographisch neuartiger Quellen von Kontrollerleben und Integration
außerhalb gewaltorientierter Cliquen und Szenen, insbesondere im Bereich von Arbeit und Beruf(-sausbildung)
•
Erleben persönlicher Wertschätzung und Liebe im Rahmen einer in der Regel gegengeschlechtlichen emotional tiefgehenden Partnerschaft
•
Verfügbarkeit über öffentlichen Raum und die Vermeidung territorialer Konflikte
•
Entwicklung gewaltferner geschlechtsspezifischer (insbesondere männlicher) Identität
•
politische und gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten
•
Zugewinn an personaler Kompetenz, vor allem in Hinsicht auf Affektkontrolle, Reflexionsvermögen, Empathie und verbaler Konfliktfähigkeit
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Tabelle 2:
Forum 7
Präventionsprogramme für die Schule (Übersicht)
Programme für Schülerinnen und Schüler
- für alle
- Streitschlichter-Programme (Peer-Mediation)
- Bremer Täter-Opfer-Ausgleich: „Anti-Stress-Team“
- Sozialtraining in der Schule
- Konflikttraining nach Gordon
- Coolness-Training
- Die Trainingsraum-Methode
- Trainingsprogramm für aggressive Kinder
- Konzepte interkulturellen Lernens
- Programm „Eine Welt der Vielfalt“
- Konzepte zur Förderung der Moralentwicklung
- Programm „Betzavta“
- Geschlechtsspezifische Ansätze
- für jüngere
- Programm „Faustlos“
- Programm „Eigenständig werden“
- Programm „Prävention im Team“
- Mentorenprogramm „Balu und Du“
- für ältere
- Programm „Fit for Life“
- Lions-Quest-Programm “Erwachsen werden”
- Programm „Soziales Lernen“
Lehrkräfteprogramme
- Das Berner Präventionsprogramm gegen Gewalt im Kindergarten und in der Schule
- Konstanzer Trainingsmodell (KTM)
- Schulinterne Lehrerfortbildung zur Gewaltprävention (SchiLF)
Institutionenbezogene Programme
- Das Olweus-Programm
- Interventionsprogramm an Hauptschulen
- Konzept „Erziehende Schule“
- Konzept „Lebenswelt Schule“
- Schulsozialarbeit
Systembezogene Programme
- Konzept „Gestaltung-Öffnung-Reflexion“
- Netzwerkarbeit in der Gewaltprävention
- Community Education
- Mobile Präventionsteams
MELZER, Wolfgang; SCHUBARTH, Wilfried; EHNINGER, Frank 2004, a. a. O., S. 192
© 2008 LISUM und SFBB
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
Forum 7
Tabelle 3
1. In die Auseinandersetzung eingreifen, die Gewalt unterbrechen (verbale Aufforderungen, Dazwischengehen)
2. Sich einen Überblick der Lage Verschaffen (Beteiligte und Zeugen feststellen)
3. Opferhilfe leisten (Erste Hilfe, seelischer Beistand)
4. Signale an die Täter geben (Täterschaft feststellen, Konsequenzen verdeutlichen)
5. Unterstützung holen (von Schüler/innen oder Lehrkräften)
6. Zuschauende wegschicken (Stören durch andere vermeiden)
7. Konfliktparteien beruhigen (räumliche Trennung, Gefühle äußern lassen, nach Vorfall
erkundigen)
8. Konflikte aufarbeiten (Konfliktverlauf klären, Lösungen erarbeiten)
9. Konsequenzen ziehen (auf Vereinbarungen hinarbeiten, Strafen abwägen, Mediation,
Täter-Opfer-Ausgleich, Lernprozesse für Täter initiieren)
MELZER, Wolfgang; SCHUBARTH, Wilfried; EHNINGER, Frank 2004, a. a. O., S. 178.
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Dokumentation Fachtagung Jugendsozialarbeit an Berliner Hauptschulen 02./03.11.2007
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Ansatzpunkte für Gewaltprävention in der Schule durch Schulentwicklung
Leitlinie
Umsetzungsmittel (Beispiele)
Herstellung einer motivierenden Lernkultur
•
Lebensweltbezug der Lerninhalte
•
Fokussierung auf praktisches Handeln und Selbstwirksamkeitserfahrungen
•
Schülerorientierter und an Identitätsentwicklung
ausgerichteter Unterricht
•
Gerechte Chancenstruktur
•
Positive Anerkennungsmedien zu kompetenzbasierter Selbstwertstabilisierung auch für Leistungsschwächere und deren Ressourcen
•
Stärkung sozialer Bindungen unter Schülerinnen
und Schülern
•
Haltungen der Akzeptanz und prinzipieller Wertschätzung zwischen Schülerschaft und Lehrkräften
•
Förderung von Diskursivität, Partizipation und Verantwortung
•
Vermeidung von Etikettierung und Stigmatisierungen
•
Produktiv-konstruktive Formen der Konfliktbearbeitung, z. B. Mediation
•
Gemeinsame Etablierung von Regeln:
Förderung eines positiven
schulinternen Sozialklimas
- Verbindliche Interventionsregeln für das pädagogische Personal
- Klassen- und Schulregeln als verbindliche Verhaltensmuster
Kooperation mit außerschulischen Partnern
•
Elternarbeit
•
Gemeinwesen-/Stadtteilbezug
•
Kooperation:
- mit Vereinen,
- mit sozialen Einrichtungen (z. B. Jugendhilfe,
Kindergärten)
- mit Wirtschaftsunternehmen
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Fazit
1. Unerlässlichkeit schulischer Gewaltprävention
2. Ursachenbezug statt Symptomkur
3. Grundlinie: Lebensgestaltung ermöglichen
4. Alltagsorientierung statt Projektefixierung über Integration in Schulentwicklung
5. Mehrebenen-Dimensionierung
6. Sozialraumbezug statt Rezeptologie
7. Kooperation von Schul- und Sozialpädagogik
Literatur
BAIER, D.; PFEIFFER, C.; W INDZIO, M. (2006), Jugendliche mit Migrationshintergrund als Opfer
und Täter. In: HEITMEYER, W.; SCHRÖTTLE, M. (Hrsg.) Gewalt. Beschreibungen - Analysen Prävention. Bonn 2006 (BpB), S. 240-268.
MELZER, W.; SCHUBARTH, W., EHNINGER, F. (2004), Gewaltprävention und Schulentwicklung.
Analysen und Handlungskonzepte. Bad Heilbrunn, S. 192.
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