1 Einleitung
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1 Einleitung
Retail-Banking im 21.Jahrhundert – Die Reorganisation der Wertschöpfungskette Vortrag von Andreas R. Dombret Forschungsgesellschaft für Genossenschaftswesen, Münster ABC März 2004 Einleitung Überblick n In den vergangenen Jahren sind international zahlreiche neue Konzepte im Retail Banking erfolgreich umgesetzt worden n Ihnen gemein ist eine Form der Spezialisierung, sei es auf bestimmte Segmente der Wertschöpfungskette oder attraktive Kundensegmente n Dies bedeutet jedoch nicht notwendigerweise die Abkehr vom Universalbankkonzept sondern lediglich eine moderne Interpretation dieser Strategie 1 Trends im europäischen Bankensektor Einbruch Aktienmarkt n n Obwohl die Indizes seit März 2003 zwischen 40% und 80% gestiegen sind, bleiben viele (Privat-) Anleger weiterhin deutlich zurückhaltender als vor dem Börsencrash 140 In den letzten Jahren sind Nettomittelzuflüsse in Aktienund andere Fonds zurückgegangen; phasenweise kam es sogar zu Nettomittelabflüssen 60 120 100 80 40 20 Jan. Jul. Jan. Jul. Feb. Aug. Feb. Aug. Mrz. 00 00 01 01 02 02 03 03 04 DAX Eurostoxx Banks S&P 500 Quelle Bloomberg, Stand 10. März 2004 Trends im europäischen Bankensektor Stabilisierung Investment Banking 25.000 2.000 20.000 1.500 15.000 1.000 10.000 500 5.000 2003 2002 2001 2000 1999 0 1998 0 1997 Im vergangenen Jahr hat sich das M&A Geschäft auf dem Niveau des Jahres 1997 stabilisiert und zeigte zuletzt wieder ein wachsendes Momentum Anz. 2.500 1996 n Viele Banken sind diesen Entwicklungen durch massiven Stellenabbau und Refokussierung auf Kerngeschäftsfelder begegnet US$ Mrd. 1995 n In den letzten Jahren sahen sich die meisten InvestmentBanken schwachen Einnahmen und aufgeblähten Kosten gegenüber und fuhren vielfach Verluste ein 1994 n Transaktionsvolumen (inkl. Net debt) # Transaktionen Quelle Thomson Financial; sämtliche Transaktionen mit europäischer Beteiligung 2 Trends in Deutschland Schleppendes Wirtschaftswachstum n n Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist seit 1999 stark angestiegen. Die Vorsorge für Kreditausfälle musste entsprechend erheblich erhöht werden Bei den geringen Margen im deutschen Markt ist diese Entwicklung besonders schwerwiegend und hat die Ertragslage stark belastet 30% 40.000 24,3% 18,7% 30.000 16,4% 14,3% 14,3% 20.000 7,6% 20% 10% 6,6% 5,8% 1,3% 0% 10.000 -4,9% -10% 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003e n Basel II-Richtlinien werden zukünftig weitere Umstellungen erfordern Unternehmensinsolvenzen Veränderung (%) Quelle Bundesministerium für Finanzen, Statistisches Bundesamt, Rothschild Trends in Deutschland Hohe Risikovorsorge deutscher Banken Risikovorsorge in % des Kreditvolumens 2,5 2 1,5 1 Ø 2002: 0,87 Ø 2001: 0,64 0,5 2002 UBS HSBC San Paolo-IMI ING BNP Paribas RBoS Credit SocGen ABN Amro Barclays Unicredito Lloyds TSB BSCH Commerzbank HVB Baylaba BofA BBVA Credit Suisse LB NRW Deutsche Banca Intesa Dresdner JP Morgan DZ Bank Citigroup 0 2001 Quelle Commerzbank 10/09/2003, Rothschild 3 Trends in Deutschland Strukturelle Nachteile n Die privaten Banken stehen in Deutschland einer starken Konkurrenz aus dem öffentlich-rechtlichen Sektor gegenüber, die in keinem anderen europäischen Land so ausgeprägt ist n Gewährträgerhaftung und Anstaltslast ermöglichten den Sparkassen und Landesbanken bisher eine Refinanzierung zu bestmöglichen Konditionen n Diese Vorteile wurden weitestgehend an Kunden weitergegeben, wodurch die Privatbanken sehr geringe Zinsmargen in Kauf nehmen mussten, um konkurrenzfähig zu bleiben n Der Wegfall der staatlichen Garantien in 2005 und die Einführung der Basel II-Richtlinien werden voraussichtlich zu einer Erholung der Aktivmargen führen. Erste Tendenzen sind hier bereits erkennbar Trends in Deutschland Markt fragmentiert und „overbanked“ n n n Der aggregierte Marktanteil der fünf größten deutschen Banken beträgt lediglich ca. 20% Einem Aufbrechen der DreiSäulen-Struktur steht teils heftiger politischer Widerstand entgegen (vgl. Stralsund) Eine weitere Konsolidierung – zumindest innerhalb der Sektoren – scheint jedoch unumgänglich Marktanteil der Top 5 Banken im Retail Geschäft Ø EU: 54% Niederlande Belgien Finnland Dänemark Griechenland Schweden Portugal Spanien Österreich Irland Frankreich Italien UK Luxemburg Deutschland 0% 20% 40% 60% 80% Quelle EZB, Stand 2002 4 Trends in Deutschland Erste Reaktionen von deutschen Banken n Fokussierung auf das Kerngeschäft: – Transaktion zwischen Deutsche Bank und Zürich Financial Services: DB trennt sich von Versicherungsaktivitäten im Tausch gegen Asset Management – Gründung der EuroHypo durch Deutsche, Dresdner und Commerzbank zur Auslagerung der Hypothekengeschäfts; Spin-off und IPO der Hypo Real Estate Group durch die HypoVereinsbank – Verkauf von (nicht-strategischen) Beteiligungen z.B. Deutsche Bank n Outsourcing von kundenfernen Aktivitäten an (spezialisierte) Dritte bzw. verstärkte Zusammenarbeit: – Outsourcing IT von Deutsche Bank an IBM – Übernahme der Zahlungsverkehr-Aktivitäten der Deutschen und Dresdner durch die Postbank – Zusammenarbeit von Sparkassen und Genossenschaftsbanken bei der Wertpapierabwicklung sowie der HVB mit den bayerischen Sparkassen im Zahlungsverkehr Wertschöpfungskette – Retail Banking Fokussierung auf Kundenschnittstelle Aggregierte Wertschöpfungskette Produktentwicklung Produktentwicklung Detaillierte Wertschöpfungskette Produktentwicklung Kundenschnittstelle Kundenschnittstelle Branding/ Marketing Vertrieb/ Verkauf Infrastruktur Infrastruktur Transaktion/ Verwaltung Risikomanagement Kundenschnittstelle Kundenmanagement 5 Wertschöpfungstiefe – Retail Banking Im Vergleich hohe Wertschöpfungstiefe Heutige „Universal-“ Retail Banken Deutsche Automobilindustrie Entwicklung der Wertschöpfungstiefe Produktentwicklung Kundenschnittstelle Infrastruktur In-house Produktentwicklung Branding/ Marketing Transaktion/ Verwaltung Vertrieb/ Verkauf Risikomanagement Kundenmanagement 40% 37% 33% 22% 1970 1980 1990 2001 Quelle VDA Der neue Porsche Cayenne hat eine Wertschöpfungstiefe von 10 – 12% Auch im Retail Banking werden die Unternehmen lernen müssen, sich zu spezialisieren und die selbst nicht abgedeckten Wertschöpfungsschritte an andere spezialisierte Marktteilnehmer outzusourcen „Distributors“ Spezialisierungs- und Positionierungsmuster Marktsegment Untersegment Zukünftige Geschäftsmodelle im RetailBanking Massenmarkt Nischenmarkt Differenzierung über Fokus auf Preis „AldiBanken” Bequemlichkeit des Einkaufens1 Qualität „McDonald’s- „Delikatessen- Banken” Banken” Produktgruppe Kundengruppe „Pelzhüte-Banken” Anmerkung 1 Z. B. lange Öffnungszeiten, gute Erreichbarkeit, Nähe zu anderen Geschäften 6 „Client Specialists” und „Engineers“ Exzellenz in zwei Wertschöpfungsschritten „Client Specialists“ Produktentwicklung Kundenschnittstelle „Engineers“ Weiterentwicklung derjenigen DistributorModelle, die sich durch Qualität und/oder Kunden- oder Produktfokus auszeichnen („Delikatessen-Banken“ und „PelzhüteBanken“) n n Produktentwicklung Infrastruktur Besonderer Wettbewerbsvorteil, wenn diese Unternehmen ihr genaues Kundenwissen nutzen, um auf ihre Spezialisierung abgestellte Produkte selbst zu entwickeln Standard-Produktprogramm wie auch die komplette Infrastruktur sollten aber weiterhin von externen Anbietern zugekauft werden Kundenschnittstelle Infrastruktur Nutzung von Synergien zwischen Produktentwicklung und Infrastruktur (Transaktionen) n Durch Kenntnis der eigenen Abwicklungsfähigkeiten, -kosten und -prozesse können besonders effiziente Produkte mit besseren Konditionen entwickelt werden n Auswertung großer verarbeiteter Volumina kann tiefe Einblicke in Kundenverhalten, -präferenzen und Marktentwicklung bieten; auch durch dieses Wissen können profitablere, preisgünstigere, oder den Kundenwünschen besser entsprechende Produkte entwickelt werden Beispiele: „Client Specialists” Nutzung von Vertriebs- und Marketing Know-how Tesco Personal Finance Ursprungsland Ableger von Produktspektrum Kundengewinnung/ -bindung Anzahl Kunden BMW Financial Services UK Deutschland Tesco, größte Lebensmittelhandelskette in UK, Marktanteil 16,5% BMW, Automobilhersteller Sparkonten, Kredit, Kreditkarten, Reiseschecks und Fremdwährungen (nach Hause geliefert), Lebens-, Reise-, Haustier-, KFZ-, Hausratversicherungen; Einzahlungen und Abhebungen an den Supermarktkassen Auto-nah: Leasing, Finanzierungen, Flottenmanagement Bequemlichkeit (gute Erreichbarkeit, persönlicher Service, lange Öffnungszeiten), starke Marke, Marketing Know-how Starke Marke, Marketing Know-how, gute Konditionen Über 3 Millionen Über 500.000 Auto-fern: Tagesgeld, Sparkonto, Festgeld, Investmentfonds, Online-Banking 7 Beispiel: „Distributors” ING Direct USA positioniert sich als „Aldi-Bank” ING Direct international erfolgreich n ING‘s Tochterunternehmen für „Direkt-“ Banking n Aktiv in Kanada, Spanien, Australien, Frankreich, USA, Italien und teilweise Deutschland (mit DIBA/Entrium) n In USA seit 2000 – – – – Sparkonten, „Certificates of Deposit“, Hypotheken, sechs Investmentfonds mit Depot Über 1 Million Kunden Ende 2002 „Low-cost, low-price, nice and easy“ n Ausdrückliche Positionierung: „Takeaway fast-food-place“ des Retail Banking1 – „High volume, low margin“ – „Wir machen Retail Banking leicht“ n Standardisiertes, eng begrenztes Produktspektrum fast ohne Service, sehr gute Produktqualität, d. h. Zinssätze n Fokus auf unkomplizierte Produkte, Prozesse und Kunden Am schnellsten wachsende Privatkundenbank der USA mit pro Monat 60.000 neuen Konten, und US$ 500 Mio. zusätzlichen Spareinlagen Vier ING Direct Cafés: Verkauf von Kaffees, „Fanartikeln“ und Beratung – Keine Toleranz bei Abweichungen (z.B. Zinsdiskussionen, Gebrauch Telefonhotline); Abstoßen von „komplizierten“ Kunden – Cafébedienung aus Einzelhandel: Es ist einfacher, „einem Verkäufer Banking beizubringen als einem Banker das Verkaufen“1 Anmerkung 1 Arkadi Kuhlmann, Präsident und CEO von ING Direct USA „Product Developers” „Product Developers” nur für Spezialprodukte Massenprodukte Spezialprodukte Beispiele n Girokonto, Überweisung, Debitkarte, Sparbuch, Fest- und Termingelder, Kredite, Kreditkarten, Depots n Komplexe Produkte wie Altersvorsorge, steuerbegünstigte Investitionen oder Sparmodelle Nachfrage n Gering: Standardprodukte werden nur selten neu eingeführt oder verändert n Hoch: – Abdeckung verschiedener Kundenpräferenzen1 – Skaleneffekte n Strategische Bedeutung der Produktentwicklung n Schlussfolgerung Markt nicht vorhanden, keine externen Anbieter Mehrere gleiche Produkte zeitlich gestaffelt möglich Gegeben: spezifisches Know-how, Marktkenntnisse und Zukunftssimulationen nötig Für die meisten Distributors gering Markt vorhanden, Fremdvergabe sinnvoll, Entwicklung externer Anbieter wahrscheinlich Anmerkung 1 Anlagehorizont, Risikobereitschaft etc. 8 „Administrators” Zwei Grundansätze bei „Administrators” Transaktionsspezialisten Durchführung bankspezifischer BackOffice-Prozesse, z. B. n Überweisungen (z. B. etb) n Scheckverarbeitung (z. B. iPSL, UK) n Kreditkartenmanagement (z. B. Bayerische Landesbank) n Clearing und Settlement (z. B. Clearstream International) n IT- oder Verwaltungsspezialisten Durchführung nicht-bankspezifischerProzesse, z. B. n gesamte IT (z. B. IBM, EDS, Cap Gemini, oder Accenture) n Verwaltungsprozesse wie Asset servicing und Custody (z. B. State Street) Konsolidierung im Markt jedoch noch nicht sehr ausgeprägt, die meisten Banken führen diese Back-Office-Prozesse weiterhin selbst durch – Lohnbuchhaltung – Facility Management – Einkauf von Büromitteln – Reisekostenabrechnung Zukünftige spezialisierte Banken werden zum großen Teil auf bereits existierende Anbieter zurückgreifen können n Prozesse industrieübergreifend weitgehend gleich n Outsourcing in anderen Industrien bereits stärker ausgeprägt Transformation Erfolgreiches Geschäftsmodell in drei Schritten Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3 Auswahl eines erfolgreichen und realisierbaren Geschäftsmodells Design von Organisation und Prozessen des neuen Unternehmens Implementierung der internen und/ oder externen Transformation Zu berücksichtigende Faktoren: n Bereits vorhandene Fähigkeiten der Bank, Zukaufmöglichkeiten n Markt- und Wettbewerbssituation n Veränderungsbedarf und Erfolgswahrscheinlichkeit n n Detailliertes Design von Prozessen und Organisationsstrukturen, um das gesamte Unternehmen auf das neue Geschäftsmodell auszurichten Ableitung des Bedarfs an interner und externer Transformation n Intern: Veränderungen der internen Prozesse, Strukturen, Denkweisen und Visionen n Extern: Transaktionen, d. h. M&A, Joint Ventures, und/ oder Verkauf von Unternehmensteilen Kontinuierliche Verbesserung und Anpassung der Geschäftsprozesse 9 Zusammenfassung Kernpunkte n Auch im Retail Banking findet eine zunehmende Disaggregation der Wertschöpfungskette durch fokussierte Spezialanbieter statt n Hierbei sind verschiedene Geschäftsmodelle denkbar, die sich auf ein oder maximal zwei Elemente (Produktentwicklung, Kundenschnittstelle, Infrastruktur) konzentrieren n Erste Ansätze hierfür sind auch schon in Deutschland erkennbar. Das aktuelle Umfeld und die anstehenden Umwälzungen werden diese Entwicklung noch be-schleunigen European Retail Banks Die Studie n 2002/2003 hat Rothschild in Zusammenarbeit mit der Strategieberatung Monitor Group eine Studie über den europäischen Retailbankenmarkt durchgeführt n Schwerpunkte liegen hierbei auf der Analyse der derzeitigen Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten europäischer Banken sowie von gegenwärtigen Trends im Finanzsektor n Darüber hinaus werden – auch mittels industrieübergreifendem Benchmarking – mögliche zukünftige Geschäftsmodelle und deren Erfolgsfaktoren herausgearbeitet 10