Kostenmanagement und Controlling im Automobilhandel
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Kostenmanagement und Controlling im Automobilhandel
Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 223 Kostenmanagement und Controlling im Automobilhandel Willi Diez Prof. Dr. Willi Diez, Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) NürtingenGeislingen und Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA). Der Automobilhandel in Deutschland leidet seit vielen Jahren unter einer schwachen Ertragskraft und sinkenden Eigenkapitalquoten. Dementsprechend hat sich der Konsolidierungsprozess in der Branche in den letzten Jahren deutlich beschleunigt. Anstelle traditioneller, standortgebundener Autohäuser treten immer stärker große, regional oder gar international tätige Automobilhandelsgruppen. Gleichzeitig nimmt der Mehrmarkenhandel deutlich zu. Daraus ergeben sich neue Herausforderungen für das Kostenmanagement und das Controlling. Dabei müssen allerdings die vertraglichen Bindungen an die Automobilhersteller berücksichtigt werden. 1. Die Rolle des Automobilhandels in den vertraglichen Vertriebssystemen der Automobilwirtschaft Vertriebswege Der Vertrieb neuer Automobile erfolgt über zwei Vertriebswege (vgl. Diez, 2006a, S. 272 ff.): ) Direktvertrieb der Automobilhersteller über zentrale Verkaufsabteilungen und werkseigene Niederlassungen. Erstere bedienen in der Regel nur ausgewählte Kundengruppen (z. B. Behörden, VIP), während Niederlassungen alle klassischen RetailFunktionen wahrnehmen. ) Indirekter Vertrieb über rechtlich und wirtschaftlich selbständige Absatzmittler. Auf Grund ihrer vertraglichen Bindung an einen oder mehrere Automobilhersteller werden sie als Vertragshändler bezeichnet. Eine wichtige Mischform stellt der Vertrieb über sog. Agenten dar, bei denen es sich aus rechtlicher Sicht um Handelsvertreter nach §84 HGB handelt. Im Gegensatz zu Vertragshändlern vertreiben Agenten Neuwagen „in fremdem Namen und auf fremde Rechnung“, das heißt, sie werden nicht Eigentümer der Vertragsware und schließen auch nicht selbstständig Ver- träge mit den Kunden ab. Für ihre Vermittlungstätigkeit erhalten sie eine Provision. Bei den meisten Automobilherstellern in Deutschland ist der Vertrieb über Vertragshändler der weitaus dominierende Absatzkanal. Lediglich die Marken Mercedes-Benz und BMW arbeiten in größerem Umfang mit werkseigenen Niederlassungen. Eine weitere Besonderheit bei Mercedes-Benz ist der Vertrieb über Agenten und nicht über Vertragshändler. Allerdings haben Vertragshändler anderer Hersteller im Rahmen sog. Großabnehmergeschäfte ebenfalls den Status von Agenten (z. B. bei Volkswagen). Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf Vertragshändler, wobei die hier vorgestellten Ansätze für ein effizientes Kostenmanagement und Controlling cum grano salis auch für Niederlassungen und Agenten gelten. Merkmale von Vertragshändlern Die vertraglichen Vertriebssysteme in der Automobilwirtschaft basieren auf einer sowohl qualitativen als auch quantitativen Selektion der Vertragshändler. Die rechtliche Grundlage dafür bildet die EU-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) Nr. 1400/ 2002 (vgl. Diez, 2006a, S. 274 ff.; Creutzig, 2005, S. 131 ff.). Sie erlaubt 224 Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 Geschäftsfeld Controlling-Special 2005 in vH 2006 in vH Neuwagen 33 Gebrauchtwagen 3,5 30 -0,1 25 Teile/Zubehör 26,4 Konzentrationsprozess verändert Struktur des Automobilhandels 38 Werkstatt 33,4 Sonst. Abt. Gesamt-DB III 3,7 8 100 100 Quelle: Wolf, 2007 Abb. 1: Erlösstruktur im deutschen Automobilhandel es den Automobilherstellern, die Zahl ihrer Vertragshändler zu begrenzen und ihnen Standards zur Ausübung ihrer Verkaufstätigkeit bei Neuwagen aufzuerlegen. Ein Vertragshändler kann daher als ein selbstständiger Gewerbetreibender definiert werden, der „auf Grund eines Vertrags ständig damit betraut ist, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Waren zu vertreiben, und verpflichtet ist, sich für deren Absatz nach der Konzeption des Herstellers einzusetzen“ (Ahlert, 1991, S. 215). Im Hinblick auf seine Betriebsform handelt es sich bei einem Vertragshändler in der Automobilwirtschaft um ein Fachgeschäft, das ein branchenspezifisches Sortiment in großer Auswahl und in unterschiedlichen Qualitäten und Preislagen mit ergänzenden Dienstleistungen anbietet (vgl. MüllerHagedorn, 2006, S. 48). Neben dem Verkauf von Neu- und Gebrauchtwagen ist dies bei Automobilhandelsbetrieben die Durchführung von Kundendienstarbeiten. Außerdem können auch noch Finanzierungs- und Versicherungsangebote zu den ergänzenden Dienstleistungen gezählt werden. Ein wesentliches Merkmal von Automobilhandelsbetrieben ist die im Vergleich mit anderen Einzelhandelsunternehmen hohe Kapitalbindung sowohl im Anlage- wie auch im Umlaufver- Gebrauchtwagen. Demgegenüber ist im Kunden- und Teiledienst eine stärkere Wettbewerbsdifferenzierung über „weiche Faktoren“ (Markenkompetenz, Dienstleistungsbereitschaft etc.) möglich. Außerdem ist die Preistransparenz geringer. mögen. Letztere hängt vor allem mit dem hohen Durchschnittspreis der verkauften Produkte und den sich daraus ergebenden hohen wertmäßigen Warenbeständen (Neu- und Gebrauchtwagen, Ersatzteile) zusammen. Die starke Kapitalbindung im Anlagevermögen ist auf die hohen Investitionen zur Gestaltung markentypischer Verkaufsräume und in wachsendem Maße durch den Einsatz sehr teuren technischen Gerätes in der Werkstatt zurückzuführen (z. B. Diagnosegeräte, Spezialwerkzeug für Nischenmodelle). Typische Ertragsstruktur Die Ertragsstruktur im Automobilhandel ist durch ein starkes Ungleichgewicht zwischen dem Verkauf von Neuund Gebrauchtwagen einerseits und dem sog. After Sales Bereich, also dem Kunden- und Teiledienst gekennzeichnet. Rund zwei Drittel des Deckungsbeitrag III stammt aus dem After Sales Geschäft, während Neu- und Gebrauchtwagenverkauf nur geringe Deckungsbeiträge abwerfen (vgl. Abb. 1). Die Ursache für die schwache Ertragskraft des Neu- und Gebrauchtwagengeschäftes liegt in dem starken Verdrängungswettbewerb in einem weitgehend gesättigten Markt. Die Folge sind hohe Nachlässe beim Verkauf von Neuwagen und sinkende Restwerte bei Der traditionelle Betriebstyp im Automobilhandel ist das standortgebundene, in der Regel markenexklusive Autohaus. Es betreibt die oben genannten vier Geschäftsfelder (Neu- und Gebrauchtwagenverkauf sowie Kundenund Teiledienst). Vielfach handelt es sich dabei um Familienbetriebe, die die zwischen diesen Geschäftsfeldern bestehenden Synergie-Effekte nutzen (vgl. Diez, 2006a, S. 313) In den letzten Jahren ist allerdings ein starker Konzentrationsprozess im Automobilhandel feststellbar. So ist die Zahl der rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Automobilhändler seit dem Jahr 2000 von 18.000 auf 9.800 im Jahr 2006 gesunken. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzen und die Zahl der Automobilhändler in Deutschland bis zum Jahr 2010 auf 8.000 sinken könnte (vgl. Diez, 2006b, S. 4). Neben den bereits erwähnten wirtschaftlichen Problemen vieler Automobilhändler (niedrige Profitabilität und Eigenkapitalquoten) spielen hier auch Nachfolgeprobleme in traditionellen Autohäusern sowie veränderte Hersteller-Strategien eine Rolle. Verfolgten viele Automobilhersteller aus Angst vor der „Macht des Handels“ in der Vergangenheit die Strategie, mit möglichst vielen und nicht allzu großen Automobilhändlern zusammenzuarbeiten, so zeigt sich mittlerweile, dass Kleinbetriebe häufig nicht mehr in der Lage sind, den weitreichenden Anforderungen an moderne Handelsunternehmen gerecht zu werden. Dies betrifft nicht nur die Wünsche der Hersteller hinsichtlich der Corporate Identity ihrer Vertragspartner und der dazu notwendigen Investitionen, sondern auch die steigenden Anforderungen Diez, Kostenmanagement und Controlling im Automobilhandel hinsichtlich der Haltung von Vorführ-, Ausstellungs- und Lagerwagen. Durch die massive Ausdehnung der Produktpaletten wird es für kleinere Händler immer schwieriger, das komplette Sortiment eines Herstellers vorzuhalten und zu präsentieren (vgl. Diez, 2006b, S.13). Dementsprechend nimmt die Bedeutung von Automobilhändlergruppen sehr stark zu. Bei Automobilhändlergruppen handelt es sich um Vertragshändler, die mehrere, teilweise über 20 und mehr Filialbetriebe betreiben. Darüber hinaus vertreiben Automobilhändlergruppen in der Regel mehrere Marken, sei es an einem oder auch an verschiedenen Standorten. Dieser im anglo-amerikanischen Raum schon länger dominierende Betriebstyp dürfte auch in Deutschland in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. So entfällt heute fast 50 Prozent des Gesamtabsatzes der wichtigsten im deutschen Markt tätigen Volumenmarken (VW, Opel, Ford) auf Automobilhändlergruppen. 2. Ansätze für ein strategisches und operatives Kostenmanagement Rahmenbedingungen Die Handlungsspielräume für ein effizientes Kostenmanagement im Automobilhandel sind begrenzt, da die Automobilhändler in drei ihrer vier Geschäftsfelder mehr oder weniger hohe Standards zu erfüllen haben, die ihnen die Automobilhersteller im Rahmen der qualitativen Selektion auferlegen. Zwar variiert Zahl und Höhe der von den jeweiligen Händlern einzuhaltenden Standards – abhängig vom Image der jeweiligen Herstellermarke. Vor allem Premiummarken, aber auch einige Volumenmarken legen einen hohen Wert auf eine markenadäquate Präsentation der Neuwagen am Point-of-Sale sowie die Sicherstellung einer hohen Dienstleistungsqualität im Werkstattgeschäft. Beispielhaft erwähnt seien hier bauliche Standards (Größe der Verkaufsflächen, Ausstattung der Showrooms etc.), Standards bezüglich der Anzahl und Qualifikation der Verkäufer sowie der Vorhaltung von Vorführ-, Ausstellungs- und Lagerwagen. Im Werkstattbereich beziehen sich die Standards insbesondere auf die technische Ausstattung der Werkstatt, die Zahl der Arbeitsplätze sowie der Kundendienstannehmer und die Art und den Umfang der Weiterbildung der Werkstattmitarbeiter. Weiterhin haben Automobilhändler in der Regel keine Chance, eines der wichtigsten Kostenelemente aktiv zu beeinflussen, nämlich die Anschaffungskosten der Neuwagen. Die Höhe der Händlermargen wird von den Automobilherstellern weitgehend autonom und für alle Händler einheitlich festgelegt. Auf Grund ihrer zumeist geringen Betriebsgrößen haben Automobilhändler – anders als die großen Handelsketten im Lebensmittelbereich oder im Markt für Unterhaltungselektronik – kaum Möglichkeiten durch Androhung von Regalplatzentzug ihre Einkaufskonditionen zu verbessern. Lediglich bei schwer gängigen Modellen oder bei Gefahr, die anvisierten Absatzziele nicht zu erreichen, räumen die Automobilhersteller ihren Vertragspartnern situativ durch die Gewährung von Zulassungs- oder anderen Prämien bessere Einkaufspreise ein, um den Absatz entsprechend zu stimulieren. Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 Abb. 2 zeigt die typische Kosten- und Erlösstruktur eines vertragsgebundenen Autohauses. Dabei sind jene Kostenpositionen besonders gekennzeichnet, die von den Automobilherstellern zumindest mit beeinflusst werden. Bezogen auf die Gesamtkosten eines Automobilhandelsbetriebes sind dies mehr als 90 Prozent der Kosten. Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, die überhaupt einem aktiven Management zugänglichen Kostenblöcke in einem Automobilhandelsunternehmen zu identifizieren. Ein Instrument dazu stellt der Kostenwürfel dar, der der Identifikation und Priorisierung von Kostensenkungsmaßnahmen dient. Der Kostenwürfel als Instrument des Kostenmanagements Bei der Auswahl und Bewertung von Einsparpotenzialen müssen im Wesentlichen drei Entscheidungskriterien herangezogen werden: ) Die Marktleistungsrelevanz: Dabei geht es um die Frage, wie sich eine bestimmte Maßnahme auf die Qualität und Attraktivität der erbrachten Leistungen und damit auf die Marktausschöpfung und Kundenzufriedenheit auswirkt. Da Automobilhandelsunternehmen sehr kundennah agieren, ist dieser Aspekt von besonders großer Bedeutung. Kosten- und Erlösstruktur (in Tsd. €) Bemerkungen Umsatzerlöse 67.235 ./. Anschaffungskosten 56.507 Bruttoertrag ./. Verkäuferprovision ./. sonstige Einzelkosten Deckungsbeitrag I 10.728 808 128 9.802 ./. Personalkosten 5.509 Deckungsbeitrag II 4.293 ./. Absatzförderung/Werbung 497 ./. sonstige Indirektkosten Deckungsbeitrag III 521 3.275 ./. Miete/Pacht 1.008 ./. sonstige Gemeinkosten Betriebsergebnis 225 605 Quelle: Institut für Automobilwirtschaft (IFA) Abb. 2: Kosten- und Erlösstruktur eines Autohauses Hersteller (Werksabgabepreise) Hersteller (Standards) Hersteller (Standards) Hersteller (Standards) Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 226 niedrig 3. Kostenmanagement im Hinblick auf verschiedene Betriebstypen 4 1 2 8 hoch Marktleistungsrelevanz 3 Controlling-Special 7 5 6 langfristig kurzfristig hoch Beeinflussbarkeit niedrig Kostenvolumen Priorität Marktleistungsrelevanz Kostenvolumen Beeinflussbarkeit hoch hoch kurzfr. niedrig niedrig Beispiele langfr. 1 Personalkosten Verwaltung, ET-Lager, Zinsen 2 Büromaterial, Energiekosten 3 EDV, Büroeinrichtung, Mieten 4 Versicherungen 5 Ausstellungs- und Vorführwagen, Werbung 6 Kundenkontaktkosten, Bewirtung, Kulanz 7 Verkaufsraum- und Werkstatteinrichtung, Personalkosten Verkauf und Werkstatt 8 Zubehör-Displays Quelle: Diez/Stollenmaier, 2000 Abb. 3: Der Kostenwürfel als Instrument des Kostenmanagements ) ) Das betroffene Kostenvolumen: Selbstverständlich muss auch bei der Durchführung von Kostensenkungsmaßnahmen das Verhältnis zwischen „Aufwand und Ertrag“ berücksichtigt werden. Das heißt, dass das mit einer oder mehrere Maßnahmen erreichbare Kostensenkungspotenzial vorab zumindest grob abgeschätzt werden sollte. Die zeitliche Beeinflussbarkeit der Kosten: Dabei geht es um die Frage, Wie bereits weiter oben dargestellt, vollzieht sich im Automobilhandel derzeit ein starker struktureller Wandel: Während das traditionelle, standortgebundene Autohaus an Bedeutung verliert, gewinnen Automobilhändlergruppen mit mehreren Filialbetrieben eine wachsende Bedeutung. Im Hinblick auf die Möglichkeiten eines aktiven Kostenmanagements ergeben sich für Automobilhändlergruppen weitergehende strategische Ansätze als für standortgebundene Autohäuser. Andererseits müssen jedoch auch beim Kostenmanagement in Automobilhändlergruppen standortbezogene Aspekte berücksichtigt werden. ob die jeweiligen Kosten kurz- oder nur langfristig abbaubar sind. Abb. 3 zeigt, wie mit Hilfe eines Kostenwürfels Maßnahmen zur Kostensenkung strukturiert und bewertet werden können. Nur auf dieser Basis ist eine systematische Bewertung von Kostensenkungsmaßnahmen und damit eine aussagefähige Kostenplanung möglich. Standortbezogenes Kostenmanagement mit Musterkostenrechnungen Das Institut für Automobilwirtschaft (IFA) hat zur Durchführung von Kostenanalysen und überbetrieblichen Kostenvergleichen eine so genannte Musterkostenrechnung entwickelt, die sowohl bei der Planung eines neuen Betriebes als auch zur laufenden Kostenkontrolle eingesetzt werden kann (vgl. Diez/Stollenmaier, 2001, S. 43 ff.). Die IFA-Musterkostenrechnung kann als eine branchenspezifische Ausprägung der Standardkostenrechnung interpretiert werden, wobei diese wiederum eine besondere Art der Plankostenrechnung darstellt. Basis der Musterkostenrechnung sind die Standardkosten eines Autohauses, die durch Fortschreibung von Ist-Kosten, durch die Bildung von Durchschnittskosten über mehrere Perioden oder auf analytischem Wege ermittelt werden können. Im letzteren Fall werden technischfunktionale Zusammenhänge zwischen Leistungsstandards und der Inanspruchnahme von Ressourcen analysiert und quantifiziert. Daran anschließend erfolgt eine Bewertung der in Anspruch genommenen Ressourcen (Faktoreinsatzmengen) mit den jeweiligen Faktorpreisen. Abb. 4 zeigt beispielhaft Aufbau und Struktur der Musterkostenrechnung im Diez, Kostenmanagement und Controlling im Automobilhandel Geschäftsfeld Neuwagenverkauf. Sie ermöglicht nicht nur eine höhere Kostentransparenz auf Grund der Trennung von Faktorpreisen und Faktoreinsatzmengen als die herkömmlichen Kurzfristigen Erfolgsrechnungen (KER), sondern eignen sich auch für Benchmarking-Analysen. Auf diese Weise können standortbezogen Kostensenkungspotenziale identifiziert werden. Gruppenbezogenes Kostenmanagement Der Spielraum für ein effektives Kostenmanagement ist in Händlergruppen größer als in standortgebundenen Autohäusern. Hier besteht insbesondere die Möglichkeit, durch eine Zentralisierung von Back-Office-Funktionen zusätzliche Kostensenkungspotenziale zu erschließen. Dies betrifft im Prinzip alle kundenfernen Funktionen (Neuwagendisposition, Rechnungs- und Personalwesen, Immobilienmanagement, Marketing-Kommunikation etc.). Beispielhaft zeigen sich die in einer Händlergruppe realisierbaren ScaleEffekte im EDV-Bereich (vgl. Reindl/ Merten, 2005, S. 15). Auf Basis einer EDV-Musterkostenrechnung ergeben sich für eine Automobilhändlergruppe EDV-Kosten pro verkauften Neuwagen von 20,04 Euro, während sie bei einem standortgebundenen Autohaus mit einem Verkaufsvolumen von 250 Neuwagen 27,48 Euro betragen. Dies entspricht einem Kostenvorteil von 27 Prozent in diesem Bereich (vgl. Abb. 5). 4. Controlling im Automobilhandel Stand des Controllings Im Automobilhandel in Deutschland kann nicht von einer breiten Um- und Durchsetzung des modernen Controlling-Konzeptes im Sinne einer „entscheidungsproblembezogenen Informationsversorgung der Führungskräfte“ (Reichmann, 2007, S. 13 f.) gesprochen werden. Vielmehr dominiert nach wie vor ein stark am Rechnungswesen orientiertes Verständnis der kaufmännischen Führung von Autohäusern und auch Automobilhändlergruppen. Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 Kostenelemente Zahl der jährlichen abgesetzten Neuwagen Vorführwagen (VFW) durchschnittlicher Bestand an VFW durchschnittlicher Listenpreis Ausstellungs- und Lagerwagen durchschnittl. Anzahl Ausstellungswagen durchschnittl. Anzahl Lagerwagen durchschnittlicher Listenpreis Personal Anzahl NW-Verkäufer Anzahl kaufm. Angestellte Kapital (Showroom und Grundstücke) Stellplatzbedarf je Ausstellungswagen Stellwagenbedarf je Lagerwagen Stellplatzbedarf je Vorführwagen Kundenparkplätze Einheit Anzahl in Euro 500 Anzahl in € 16 23.500,00 Anzahl Anzahl in € 30 20 25.550,00 Anzahl Anzahl 4 1 in qm in qm in qm Anzahl 35 20 25 12 Kostenstruktur NW Kosten Präsentation Vorführwagen Ausstellungs- u. Lagerwagen Showroom Personalkosten Marketingaktivitäten Händlerbet. NWFinanzierung Sonstige Kosten Gesamtkosten je NW in € 820,82 464,65 Summe in € 410.410,84 232.323,16 227 in % 41,57 23,53 70.741,59 141,48 7,17 107.346,10 343.561,79 127.094,00 214,69 687,12 254,19 10,87 34,80 12,87 46.091,83 92,18 4,67 60.073,32 987.231,78 120,15 1.974,46 6,09 100,00 Quelle: Institut für Automobilwirtschaft Abb. 4: Aufbau einer Musterkostenrechnung für das Geschäftsfeld Neuwagen Kostenbetrachtung EDV/IT NW EDV/IT-Betriebskosten NW davon Abschreibung davon kalkulatorischer Zins davon Hardware-Kosten davon Software-Kosten davon Kosten „Verbindung“ davon Kosten „Wartung/Instandsetzung“ davon Kosten für Schulung/Training davon Kosten „Sonstige EDV-IT“ Bereichskosten pro Monat Kosten pro Neuwagen Traditionelles Autohaus 6.869,27 1.463,31 186,85 1.284,75 4.500,42 167,86 Autohändlergruppe 200,00 4.000,00 660,00 13.200,00 56,25 572,44 27,48 562,50 8.349,03 20,04 100.188,32 22.220,56 2.874,67 19.162,13 59.906,55 3.357,14 Quelle: Institut für Automobilwirtschaft, 2005 Abb. 5: Ergebnisse der Musterkostenrechnung EDV/IT im Neuwagenbereich Dies mag zum einen damit zusammenhängen, dass es sich bei Autohäusern häufig um Kleinbetriebe ohne eine spezielle Controlling-Funktion im Un- ternehmen handelt. Nicht selten wird das Rechnungswesen extern durch einen Steuerberater betreut. Zum anderen treten auch Qualifikationsproble- 228 Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 me auf. So gaben bei einer Befragung potenzieller Unternehmensnachfolger von Autohäusern unterschiedlicher Betriebsgrößen nur 31,5 Prozent der Befragten an, über ein abgeschlossenes betriebswirtschaftliches Studium zu verfügen (vgl. Diez/Bühler, 2006, S. 84). Herausforderungen für das Autohaus-Controlling Auf Grund des bereits beschriebenen Strukturwandels in der Branche nimmt die Komplexität der Aufgabenstellungen im Controlling stark zu. Durch die zunehmende Gruppenbildung und den verstärkten Mehrmarkenhandel muss das Controlling zusätzliche Betrachtungsdimensionen erschließen. Genügte in der Vergangenheit eine nach den verschiedenen Geschäftsfeldern des Autohauses differenzierte Erlös- und Kostenbetrachtung, so muss das Controlling heute und in der Zukunft auch Aussagen über die Wirt- Teilewesen Controlling-Special schaftlichkeit verschiedener Standorte sowie der verschiedenen Marken in einem autohausspezifischen Markenportfolio ermöglichen. Vor allem letzteres stellt das Controlling häufig vor große Probleme, da vielfach mehrere Marken an einem Standort angeboten werden, so dass eine markenspezifische Trennung der Kosten und Erlöse nur schwer möglich ist. Immerhin erweisen sich die in der Branche eingesetzten Dealer Management Systeme (DMS) zunehmend als „mehrmarkenfähig“ (vgl. Tilp, 2006, S. 12 f.). Dies erleichtert eine markenbezogene Auswertung der relevanten betriebswirtschaftlichen Daten. Abb. 6 zeigt beispielhaft die Struktur eines DMS für den Automobilhandel. Banken-Kommunikation als Aufgabe des Controllings Neben der internen Unterstützung der Autohaus-Führung kommt auf das Au- Beschaffung und Lagerwesen Kundendienst Service- und Auftragsabwicklung Fahrzeuggeschäft NW-Ankauf Rechnungswesen Personalwesen KundenkontaktManagement Übergreifende Funktion Schnittstellen Gewährleistung/ Kulanz GW-Ankauf Finanzbuchhaltung Lieferantenrechnungen tohaus-Controlling im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten von Basel II eine weitere wichtige Aufgabe zu: die externe Kommunikation der betriebswirtschaftlichen Situation des Unternehmens gegenüber den Kreditgebern. Auf Grund der hohen Kapitalintensität von Autohäusern ist der Fremdkapitalbedarf hoch. Gleichzeitig verfügt der Automobilhandel über ein relativ schlechtes Branchen-Rating. Autohäuser, die ihre Finanzierung langfristig sicherstellen wollen, müssen daher eine kontinuierliche Kommunikation mit ihren Kreditgebern aufbauen. Die in der Vergangenheit vielfach übliche Ad-Hoc-Kommunikation, wenn beispielsweise im Zusammenhang mit einer Investition Fremdkapital notwendig war, dürfte in Zukunft nicht mehr zum Erfolg führen. Die Hausbanken erwarten immer stärker eine aussagekräftige Regel-Kommunikation. Teileverkauf Kostenvoranschläge NW-Verkauf GW-Verkauf Anlagenverwaltung Integration SEAT Quelle: VAPS/B-ON.D., 2005 Abb. 6: Struktur eines Dealer Management Systems (DMS) Porsche Auswertungen Personalinformationssystem Verkaufsunterstützung Unternehmensstrukturen Volkswagen/Audi/ Nutzfahrzeuge Auswertungen Management-Information Personalverwaltung Personalabrechnung Zeitdatenverwaltung Kontaktmanagement Inventur Belegorientierung Markenunabhängige Systeme Berechtigungskonzept Buchhaltungsschnittstellen Diez, Kostenmanagement und Controlling im Automobilhandel Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 229 Finanzielle Perspektive ¾ Deckungsbeiträge ¾ Renditen ¾ Liquidität ¾ Cashflow ¾ Eigenkapitalquote Prozessperspektive Markt- und Kundenperspektive ¾ Marktanteil ¾ Verkaufsvolumen je Verkäufer ¾ Kundenzufriedenheit ¾ Produktivität Werkstatt ¾ Nachlässe ¾ GW-Umschlagfaktor Mitarbeiterperspektive ¾ Altersstruktur ¾ Abwesenheitsquote Quelle: Institut für Automobilhandel Abb. 7: Balance Scorecard für den Automobilhandel Balanced Scorecard als Berichtskonzept Ein auch für Autohäuser geeignetes Konzept sowohl für die interne wie auch externe Kommunikation stellt die Balanced Scorecard (BSC) dar. Sie bedarf auf Grund der Besonderheiten des Automobilhandels insofern einer Modifikation, als Forschungs- und Entwicklungsleistungen dort keine Rolle spielen. Insofern kann auf die Innovations- und Wissensperspektive des klassischen Konzepts von Kaplan/Norton verzichtet werden. Auf Grund ihres Dienstleistungscharakters sollte stattdessen in Autohäusern explizit die Mitarbeiterperspektive berücksichtigt werden, da in Dienstleistungsunternehmen die Mitarbeiter ein entscheidender Erfolgsfaktor sind. Abb. 7 zeigt den möglichen Aufbau einer automobilhandelsspezifischen BSC. Im Rahmen eines BSC-Ansatzes können viele der heute schon im Autohaus-Controlling verwendeten Kennzahlen einbezogen werden (vgl. Buck, 2005, S. 228 ff.). Praktische Umsetzung Welche Kennzahlen in welcher Periodizität zur Unterstützung der Unter- nehmensführung eingesetzt werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab (Unternehmensgröße und -struktur, Führungsorganisation und -stil, Umfang des Markenportfolios, Anzahl der Standorte etc.). Daher wird sich letztlich jeder Autohaus-Manager ein individuelles Berichtswesen zusammenstellen wollen. Kennzahlen 1 Auftragseingänge NW/GW 2 Auslastung Werkstatt 3 DB I NW, GW, SE, TD 4 Kontaktarbeit tägl. Ein praxisbezogenes Beispiel dafür ist das 4x4-Konzept von Rabe (vgl. Abb. 8). Es ist nach der Periodizität der benötigten Informationen strukturiert und verhindert damit einen möglichen Information Overload des AutohausGeschäftsführers. wöchentl. monatl. quartal. X X X X 5 Altfahrzeugbestand 6 Teilebestand/Verfügbarkeit 7 Gemeinkosten 8 DB III NW, GW, SE, TD 9 Mitarbeiterrankings 10 Kundenzufriedenheit 11 Bankpenetration 12 Produktivität/Leistungsgrad 13 Krankenquote 14 Liquiditätsstatus 15 Marktanteile 16 Servicemarktausschöpfung Quelle: Rabe, 2005 Abb. 8: Das 4 x 4 Kennzahlensystem für ein Autohaus X X X X X X X X X X X X 230 Controlling, Heft 4/5, April/Mai 2007 Controlling-Special CONTROLLING PRAXIS Stichwörter Seuring Supply Chain Costing Kostenmanagement in der Wertschöpfungskette mit Target Costing und Prozesskostenrechnung Von Dr. Stefan Seuring, Oldenburg 2001. XXIII, 187 Seiten. Kartoniert e 40,– ISBN 978-3-8006-2770-7 So wie das prozessorientierte Denken und Handeln das funktionsorientierte abgelöst hat, ersetzt das Supply Chain Management in vielen Bereichen das traditionelle Management des Unternehmens. Damit sind nicht nur die auf die Produkte bezogenen Material- und Informationsflüsse zu optimieren, sondern auch die Kooperationen mit den Lieferanten und Kunden zu gestalten. Gleichzeitig sind diese Wertschöpfungsketten einem enormen Kostendruck ausgesetzt. Bestehende Ansätze des Kostenmanagements sind daher weiter zu entwickeln. Dabei bedarf es zuerst der Berücksichtigung von Transaktionskosten, die bei der Analyse und Gestaltung der Kosten über die Einzel- und Prozesskosten hinaus zu berücksichtigen sind. Auf der Basis dieser Anforderungen wird das Konzept des Supply Chain Costing, des Kostenmanagements in Wertschöpfungsketten, erarbeitet. Eine Ausgestaltung erfährt es im Supply Chain Target Costing sowie im prozessorientierten Supply Chain Costing, so dass die Ziel- und die Prozessperspektive des Kosten- Bitte bestellen Sie bei Ihrem Buchhändler m a n a g m e n t s oder beim: berücksichtigt werden. VERLAG VAHLEN 80791 MÜNCHEN Fax: (089) 3 81 89-402 Internet: www.vahlen.de E-Mail: [email protected] Preis inkl. MwSt./122340 ) Automobilhändlergruppen ) Balanced Scorecard ) Dealer Management Systeme ) Musterkostenrechnungen ) Vertragliche Vertriebssysteme Summary Because of an intense competition in the German automotive market there is a strong pressure on dealer profitability. The number of big dealer groups increases rapidly. Multi-franchised dealers are getting more and more dominant. The growing complexity leads to new challenges in cost management and controlling. Dealers can only manage a small part of their total costs because standards opposed by manufacturers determine their cost structure. Therefore an effective and efficient cost management requires a co-operation between dealers and manufacturers. Keywords ) Automotive distribution and retailing ) Balanced Scorecard ) Dealer groups ) Dealer Management Systems ) Standard costs 5. Fazit Vor dem Hintergrund der angespannten Marktsituation stellt ein effektives und effizientes Kostenmanagement einen wichtigen Erfolgsfaktor im Automobilhandel dar. Strategien, die einseitig über eine Ausweitung des Geschäftsumfangs eine Ergebnisverbesserung erreichen wollen, sind nicht zielführend, da zusätzliche Marktanteile häufig mit höheren Nachlässen erkauft werden müssen. Angesichts der relativ starken vertikalen Integration von Herstellern und Vertragshändlern ist ein erfolgreiches Kostenmanagement im Automobilhandel nur in einer engen, vertikalkettenübergreifenden Zusammenarbeit möglich. Das heißt, dass Hersteller und Händler gemeinsam gefordert sind, mögliche Kostensenkungspotenziale zu identifizieren. Gleichwohl sollte nicht verkannt werden, dass jeder Automobilhändler auch über einen autonomen Kostensenkungsspielraum verfügt, den er sich mit einem aussagekräftigen Management Informationssystem (MIS) erschließen muss. Literatur Ahlert, D., Distributionspolitik, 2. Auflage, Stuttgart 1991. Buck, B., Controlling im Autohaus, in: Diez, W./Reindl, St./Brachat, H. (Hrsg.), Grundlagen der Automobilwirtschaft, 4. Auflage, München 2005, S. 215–240. Creutzig, J., Das selektive oder exklusive Vertriebssystem. Rechtliche Grundlagen und Perspektiven, in: Diez, W./Reindl, St./Brachat, H. (Hrsg.), Grundlagen der Automobilwirtschaft, 4. Auflage, München, 2005, S. 129–163. Diez, W. (a) , Automobil-Marketing. Navigationssystem für neue Absatzstrategien, 5. Auflage, Landsberg a. Lech 2006. Diez, W. (b), Die TOP-50-Händlergruppen in Deutschland, Forschungsbericht des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) Nr. 3/2006, Geislingen/St. 2006. Diez, W./Bühler, M., Erfolgsfaktoren bei der Unternehmensnachfolge im Kfz-Gewerbe, Forschungsbericht des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) Nr. 4/2006, Geislingen/ St. 2006. Diez, W./Stollenmaier, M., Kostenmanagement mit Musterkostenrechnungen, Würzburg 2000. Müller-Hagedorn, L.(Hrsg.), Definitionen zu Handel und Distribution, 5. Ausgabe, Köln 2006. Rabe, S., Effektivitäts- und Effizienzsteigerung im Autohaus, unveröffentlichtes Vortragsmanuskript, Nürnberg, 2005. Reichmann, Th., Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, 7. Auflage, München 2007. Reindl, St./Merten, Chr. F., EDV-Kostenmanagement im Autohaus, Forschungsbericht des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) Nr. 3/2005, Geislingen/St. 2005. Tilp, S., Universum DMS, in: Autohaus Spezial EDV 2006, München 2006, S. 4–6. Wolf, F., Finanzkennzahlen – ein erster Rückblick auf das Geschäftsjahr 2006 der Autohäuser, in: Autohaus Nr. 3/2007, S. 20–21.